Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 15. Sept. 2008 - 2 K 1637/08

bei uns veröffentlicht am15.09.2008

Tenor

1. Die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 28.05.2008 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein moldauischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Untersagung der Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten in Baden-Württemberg.
Der Beklagte veranstaltet in Baden-Württemberg die ODDSET-TOP-Wette und die ODDSET-Kombi-Wette. Mit der Durchführung dieser Wetten ist die Staatliche Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg beauftragt. Diese Gesellschaft vertreibt ihr staatliches Glücksspielangebot über Toto-Lotto-Annahmestellen, die im Wesentlichen in Zeitschriften-, Schreibwaren- und Tabakhandlungen, Supermärkten und Tankstellen eingerichtet sind. Nach Auskunft des Beklagten in der mündlichen Verhandlung gibt es in Baden-Württemberg derzeit ungefähr 3600 solcher Annahmestellen. Die einzelnen Betreiber erhalten auf der Grundlage privatrechtlicher Verträge mit der Toto-Lotto GmbH eine Provision, die von der Höhe des auf den Glücksspielsektor entfallenden Umsatzes abhängt.
Der Kläger ist Betreiber eines Wettbüros in ... und vermittelt dort Sportwetten an das in Malta staatlich konzessionierte Sportwettenunternehmen T. Co. Ltd. Nachdem die Tätigkeit des Klägers dem Regierungspräsidium Karlsruhe bekannt geworden war, hörte es ihn mit Schreiben vom 15.05.2008 zu der beabsichtigten Untersagung der Vermittlungstätigkeit an.
Mit Verfügung vom 28.05.2008 untersagte das Regierungspräsidium Karlsruhe dem Kläger, in Baden-Württemberg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen, und forderte ihn auf, die zur Veranstaltung oder Vermittlung solcher Glücksspiele vorgehaltenen Geräte aus den öffentlich zugänglichen Räumen zu entfernen (Ziff. 1). Es ordnete weiterhin an, dass der Kläger die untersagten Tätigkeiten unverzüglich einzustellen und die Einstellung schriftlich mitzuteilen habe (Ziff. 2). Darüber hinaus verpflichtete es den Kläger, unverzüglich sämtliche Vertragsunterlagen zwischen ihm und demjenigen, an den die Sportwetten vermittelt werden, schriftlich einzureichen, und gegebenenfalls den Namen des Vertragspartners zweifelsfrei anzugeben (Ziff. 4).
Zur Begründung der Verfügung führt das Regierungspräsidium Karlsruhe im Wesentlichen aus: Rechtsgrundlage der Verfügung sei § 9 Abs. 1 Satz 2 des Glücksspielstaatsvertrags (im Folgenden: GlüStV). Der Kläger vermittle öffentlich ohne die erforderliche Erlaubnis ein Glücksspiel im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV; eine Erlaubnis könne ihm auch nicht erteilt werden. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, aufgrund einer im EU-Ausland erteilten Lizenz zur Veranstaltung von Sportwetten dazu berechtigt zu sein, Sportwetten in Baden-Württemberg zu veranstalten oder zu vermitteln. Ein rechtmäßiger Zustand könne nur durch eine förmliche Untersagung herbeigeführt werden. Die Verfügung wurde dem Kläger am 31.05.2008 zugestellt.
Am 03.06.2008 hat der Kläger Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (2 K 1638/08) gestellt, über den vor der mündlichen Verhandlung nicht entschieden worden ist.
Gleichfalls am 03.06.2008 hat der Kläger Klage erhoben. Er beantragt,
die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 28.05.2008 aufzuheben.
Zur Begründung führt der Kläger im Wesentlichen aus: Die Untersagungsverfügung könne nicht auf eine verfassungskonforme Ermächtigungsgrundlage gestützt werden; das staatliche Sportwettenmonopol könne als Eingriff in die Berufsfreiheit verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt werden. Der Gesetzgeber habe keine ausreichenden strukturellen Vorgaben geschaffen, die dafür sorgten, dass die fiskalischen Interessen hinter die Schutzzwecke des Gesetzes zurückträten. Der Gesetzgeber habe des Weiteren Art und Zuschnitt der Sportwetten nur ansatzweise geregelt und im Übrigen entgegen den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Verwaltung überlassen. Auch das Konzept zum Vertrieb der staatlichen Sportwetten genüge nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben. So seien zwar nach dem Glücksspielstaatsvertrag einige Vertriebswege ausgeschlossen; der überaus bedeutsame Vertriebsweg über Annahmestellen sei jedoch sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht nur ansatzweise durch den Gesetzgeber eingegrenzt worden. Weiterhin habe der Gesetzgeber auch keine ausreichenden strukturellen Vorgaben zur Begrenzung der Werbung geschaffen. Schließlich seien auch die verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Spielerschutz nicht ausreichend beachtet worden. Das staatliche Sportwettenmonopol sei zudem gemeinschaftsrechtswidrig; die mit ihm verbundene Beschränkung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit sei nicht gerechtfertigt. Das Sportwettenmonopol sei schon nicht geeignet, die mit ihm verfolgten Ziele zu erreichen; insbesondere hätten die Annahmestellen naturgemäß ein Interesse an der Umsatzmaximierung. Das Sportwettenmonopol sei auch nicht erforderlich; ein Konzessionsmodell, bei dem die Erteilung der Konzession an Bedingungen und Auflagen geknüpft werde, sei ein wesentlich weniger eingreifendes, gleich geeignetes Mittel. Das Sportwettenmonopol sei angesichts des extrem aggressiven und auf Umsatzmaximierung gerichteten Auftretens des Staatsmonopolisten auch völlig unangemessen. Schließlich diskriminiere das Sportwettenmonopol ausländische Sportwettenanbieter. Der Kläger beruft sich darüber hinaus auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 09.07.2008 (1 K 2153/06).
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte verweist zur Begründung auf die angegriffene Verfügung. Er trägt weiterhin im Wesentlichen vor: Der Glücksspielstaatsvertrag stelle eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage für die angegriffene Verfügung dar. Denn die Vorgaben des Bundesverfassungsgericht seien mit ihm umgesetzt worden. Erstes und wichtigstes Ziel sei die Vermeidung und die Bekämpfung der Glücksspiel- und Wettsucht. Dazu sei etwa ein Verbot von Glücksspielen im Internet aufgenommen worden. Das strikte Verbot der Teilnahme Minderjähriger sei fortgeführt worden. Es sei ein Sperrsystem geschaffen worden, das Spielsüchtige oder erkennbar Spielsuchtgefährdete wirksam von der Teilnahme an gefahrträchtigen Spielen ausschließe. Werbung sei im Glücksspielstaatsvertrag streng begrenzt worden. Die Zahl der Annahmestellen werde begrenzt. Der Gesetzgeber habe aufgrund der von Sportwetten ausgehenden Suchtgefahren davon ausgehen dürfen, dass diese durch ein staatliches Monopol, das auf die Bekämpfung von Sucht und problematischem Spielverhalten ausgerichtet sei, effektiver beherrscht werden könne als im Wege einer Kontrolle privater Unternehmer. Die gesetzlichen Vorgaben würden auch tatsächlich umgesetzt. Gemeinschaftsrechtliche Bedenken bestünden nicht. Insbesondere verstoße die Entscheidung, im Bereich der Sportwetten ein staatliches Monopol einzurichten, nicht gegen Gemeinschaftsrecht. Die Zulassung privater Anbieter würde, auch wenn diese sich staatlich verordneten Wettbewerbsbeschränkungen unterwürfen, die Zahl der Marktteilnehmer und damit der Wettgelegenheiten erheblich vergrößern; je mehr Gelegenheiten zum Glücksspiel vorhanden seien, desto mehr Personen spielten und desto höher sei die Zahl der Personen, die ein Risiko für die Glücksspielsucht hätten. Eine - wenn auch beschränkte - Zulassung gewerblicher Angebote stelle von vornherein kein milderes Mittel dar; denn es gelte eine auf Gewinnsteigerung zielende Wettbewerbssituation zwischen verschiedenen Anbietern mit all ihren negativen Folgen für die Anreizung des Spielverhaltens und den damit verbundenen Gefahrsteigerungen zu vermeiden. Das staatliche Monopol sei insgesamt verhältnismäßig. Im Übrigen könne sich der Kläger als moldauischer Staatsangehöriger weder auf die Berufsfreiheit des Grundgesetzes noch auf die Grundfreiheiten des EG-Vertrages berufen. Die Untersagung sei zudem schon deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger über keine Erlaubnis zum Vermitteln von Sportwetten verfüge.
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Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen des umfangreichen Vorbringens der Beteiligten wird auf die sowohl im Hauptsache- als auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gewechselten Schriftsätze und die dem Gericht vorliegende Verwaltungsakte (1 Heft) verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
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Die gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO, § 6a Satz 1 AGVwGO ohne Durchführung eines Vorverfahrens und auch im Übrigen zulässige Klage ist begründet.
I.
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Die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 28.05.2008 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung der angegriffenen Verfügung ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.03.2008 - 6 S 3069/07 -, juris Rn. 4).
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2. Als Rechtsgrundlage der Untersagungsverfügung (Ziff. 1 Satz 1 der Verfügung vom 28.05.2008) kommt allein § 9 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 Nr. 3 GlüStV (GBl. 2007, 571) in Betracht. Hiernach kann die zuständige Behörde des jeweiligen Landes die zur Erfüllung der Aufgaben der Glücksspielaufsicht erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen; sie kann insbesondere die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür untersagen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten auf dieser Rechtsgrundlage sind erfüllt; denn der Kläger vermittelt nach dem Glücksspielstaatsvertrag unerlaubte Glücksspiele.
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Indem der Kläger Wetten für das Unternehmen T. Co. Ltd. entgegennimmt und weiterleitet, vermittelt er (vgl. § 3 Abs. 4 GlüStV) Sportwetten, die Glücksspiele i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV i.V.m. der Legaldefinition in § 3 Abs. 1 GlüStV sind.
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Die vom Kläger vermittelten Sportwetten sind auch unerlaubte Glücksspiele i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV. Denn weder der Kläger noch das Unternehmen T. Co. Ltd. verfügt über die nach § 4 Abs. 1 GlüStV erforderliche Erlaubnis der zuständigen Behörde des Landes Baden-Württemberg. Zwar vermittelt der Kläger die Sportwetten nach Malta und damit in einen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft; dies entbindet ihn aber nicht von dem Erfordernis einer Erlaubnis durch die zuständige Behörde des Landes Baden-Württemberg. Denn nach § 3 Abs. 4 GlüStV wird ein Glücksspiel dort veranstaltet und vermittelt, wo dem Spieler die Möglichkeit zur Teilnahme eröffnet wird. Dies ist das Wettbüro des Klägers in Pforzheim.
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Dass die Sportwetten an ein in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft konzessioniertes Unternehmen vermittelt werden, steht der Einordnung als unerlaubtes Glücksspiel nicht entgegen. Denn diese Konzession kann nicht kraft derzeitigen Gemeinschaftsrechts (generell oder automatisch) auch im Bundesgebiet Geltung beanspruchen (hierzu und zum Folgenden VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 17.03.2008 - 6 S 3069/07 -, juris Rn. 7; vgl. auch VG Freiburg, Urt. v. 16.04.2008 - 1 K 2683/07 -, juris Rn. 21). Im Glücksspielbereich sind die Mitgliedstaaten unabhängig vom jeweiligen Schutzniveau nicht verpflichtet, Genehmigungen gegenseitig anzuerkennen; insofern sind sie berechtigt, die Beantragung einer nationalen Erlaubnis auch dann zu fordern, wenn der Leistungsanbieter bereits über eine Konzession eines anderen Mitgliedstaats verfügt (vgl. EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 30.05.2007 - Case E-3/06 „Ladbrokes Ltd.“ -, Rn. 86). Dementsprechend ist auch die Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr vom 08.06.2000 (ABl. Nr. L 178/1), die in ihrem Art. 3 das Herkunftslandprinzip vorschreibt, auf Glücksspiele nicht anwendbar (vgl. den Erwgrd. 16 und Art. 1 Abs. 5 lit. d Spstr. 3). Die Auffassung, dass Gemeinschaftsrecht einer nationalen Regelung entgegenstehe, die u.a. die Übermittlung von Wetten ohne die hierfür erforderliche Konzession des jeweiligen Mitgliedstaats für Rechnung eines Unternehmers verbiete, der lediglich eine in dem Mitgliedstaat seiner Niederlassung erteilte Zulassung besitzt, lässt sich mit den dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 06.11.2003 (C-243/01 „Gambelli“) zugrunde liegenden Annahmen nicht vereinbaren. Denn nach diesem Urteil ist den einzelnen Mitgliedstaaten gerade ein Ermessensspielraum bei der Gestaltung ihrer Glücksspielpolitik eingeräumt. In seinem Urteil vom 06.03.2007 (C-338/04, C-359/04 und C-360/04 „Placanica“, Rn. 57) stellt der Europäische Gerichtshof auch klar, dass ein Konzessionssystem unter bestimmten Umständen ein wirksamer Mechanismus sein kann, um die im Glücksspielsektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer mit dem Ziel zu kontrollieren, der Ausnutzung dieser Tätigkeiten zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken vorzubeugen.
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3. Das staatliche Sportwettenmonopol in Baden-Württemberg, das sich im Wesentlichen aus § 10 Abs. 2 und Abs. 5 GlüStV, § 1 Abs. 5 des baden-württembergischen Gesetzes zu dessen Ausführung (GBl. 2008, 81; im Folgenden: AGGlüStV) ergibt, stellt indes in seiner derzeitigen Ausgestaltung eine im Hinblick auf das mit ihm verfolgte Ziel nicht geeignete Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des EG-Vertrages (Art. 49 EGV) dar (a). Wegen des Anwendungsvorrangs der Dienstleistungsfreiheit scheidet § 9 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 Nr. 3 GlüStV als Rechtsgrundlage folglich aus (b). Ob das staatliche Sportwettenmonopol darüber hinaus auch mit nationalem Verfassungsrecht unvereinbar ist, kann offenbleiben.
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a) Nach Art. 49 Abs. 1 EGV sind die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen der Leistungserbringung ansässig sind, verboten. Dienstleistungen im Sinne des EG-Vertrages sind nach Art. 50 Abs. 1 EGV Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen.
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In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist geklärt, dass eine Tätigkeit, die darin besteht, die Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats an in einem anderen Mitgliedstaat veranstalteten Wetten teilnehmen zu lassen, und damit das Vermitteln von Sportwetten zu den Dienstleitungen i.S.v. Art. 50 EGV gehört (Urt. v. 06.11.2003 - C-243/01 „Gambelli“ -, Rn. 52). Art. 49 EGV erfasst auch Dienstleistungen, die ein Leistungserbringer mit Sitz in einem Mitgliedstaat über das Internet in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Leistungserbringern anbietet (EuGH, Urt. v. 06.11.2003, a.a.O., Rn. 54). Der Europäische Gerichtshof hat auch entschieden, dass das an einen Vermittler gerichtete Verbot, die Erbringung von Wettdienstleistungen bei Sportereignissen, die von einem Leistungserbringer organisiert werden, der seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem hat, in dem der Vermittler seine Tätigkeit ausübt, zu erleichtern, eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt, und zwar auch dann, wenn die Vermittler in demselben Mitgliedstaat ansässig sind wie die Empfänger dieser Dienstleistungen (Urt. v. 06.11.2003, a.a.O., Rn. 58).
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Eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs kann aufgrund der in den Art. 45 und 46 EGV ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmeregelungen zulässig oder nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein (vgl. nur Urt. v. 06.11.2003 - C-243/01 „Gambelli“ -, Rn. 60). Die Finanzierung sozialer Aktivitäten durch Einnahmen aus genehmigten Spielen darf nur eine nützliche Nebenfolge, nicht aber der eigentliche Grund der staatlichen Glücksspielpolitik sein (EuGH, Urt. v. 06.11.2003, a.a.O., Rn. 62; hiervon ausgehend bedenklich die Äußerung des Staatssekretärs Fleischer in der Landtagssitzung vom 28.11.2007 [Plenarprotokoll 14. WP/S. 2365]: „Außerdem hat dies in Bezug auf die Förderung öffentlicher und gemeinnütziger Zwecke in den Bereichen Kultur, Sport und Soziales eine erfreuliche und für die Betroffenen existenzielle Nebenfolge . Diese Förderung kann z.B. beim Sport nicht durch Sponsorengelder privater Wettanbieter sichergestellt werden, denn davon hätte der Breitensport, dem jährlich 59 Millionen EUR zur Verfügung gestellt werden, überhaupt nichts. Die Allgemeinheit und der Breitensport im Besonderen profitieren nur , wenn das staatliche Lotterie- und Wettangebot bestehen bleibt.“ [ Hervorhebungen durch das Gericht ]). Die sittlichen, religiösen oder kulturellen Besonderheiten und die sittlich und finanziell schädlichen Folgen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft, die mit Spielen und Wetten einhergehen, rechtfertigen ein ausreichendes Ermessen festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben. Damit die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs gerechtfertigt sind, müssen sie geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist; auf jeden Fall müssen sie in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden (EuGH, Urt. v. 06.11.2003, a.a.O., Rn. 65).
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Bei verfassungskonformer Auslegung ist, wovon auch der Beklagte ausgeht, das in § 1 Nr. 1 GlüStV genannte Ziel des Staatsvertrages, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzung für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen, das eigentliche Ziel für die weitere Beibehaltung des staatlichen Sportwettenmonopols (so auch VG Freiburg, Urt. v. 16.04.2008 - 1 K 2683/07 -, juris Rn. 30). Denn nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 (1 BvR 1054/01, NJW 2006, 1261) zum damaligen bayerischen Staatsmonopol für Sportwetten, ist ein staatliches Monopol für Sportwetten mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren ausgerichtet ist. Da davon auszugehen ist, dass die Parteien des Glücksspielstaatsvertrages mit diesem einen verfassungskonformen Zustand herbeiführen wollten, ist den anderen in § 1 des Staatsvertrages genannten Zielen lediglich eine nachgeordnete Bedeutung beizumessen. Bei der Beurteilung der Vereinbarkeit des staatlichen Sportwettenmonopols mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaft ist konsequenter Weise das eigentliche Ziel des Staatsvertrages zugrunde zu legen.
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Das Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren vermag grundsätzlich eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs zu rechtfertigen. Der Europäische Gerichtshof hat insoweit entschieden, dass Beschränkungen der Spieltätigkeiten durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses wie den Verbraucherschutz und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt sein können (hierzu und zum Folgenden Urt. v. 06.11.2003 - C-243/01 „Gambelli“ -, Rn. 67); jedoch müssen die Beschränkungen, die auf solche Gründe sowie die Notwendigkeit gestützt sind, Störungen der sozialen Ordnung vorzubeugen, auch geeignet sein, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen. Bei der Überprüfung des staatlichen Sportwettenmonopols anhand dieser Maßstäbe hat das nationale Gericht nicht nur das nationale Regelwerk, das das Monopol begründet, sondern auch die „konkreten Anwendungsmodalitäten“ (EuGH, Urt. v. 06.11.2003, a.a.O., Rn. 75), d.h. dessen tatsächliche Ausgestaltung heranzuziehen.
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Die rechtliche Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols, so wie sie sich aus dem Glücksspielstaatsvertrag und dem baden-württembergischen Ausführungsgesetz ergibt, ist nach Auffassung der Kammer im Hinblick auf seine Vereinbarkeit mit der Dienstleistungsfreiheit grundsätzlich nicht zu beanstanden; sie bildet eine ausreichende normative Grundlage für die Rechtfertigung einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (a.A. VG Freiburg, Urt. v. 09.07.2008 - 1 K 547/07 -, juris passim).
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Der Glücksspielstaatsvertrag überlässt insbesondere entgegen der Auffassung des Klägers die Regelung über Art und Zuschnitt der Wetten nicht der Exekutive, sondern enthält insoweit am Ziel der Bekämpfung der Wettsucht ausgerichtete Regelungen (a.A. wohl VG Freiburg, Urt. v. 09.07.2008 - 1 K 547/07 -, juris Rn. 50). So besagt § 21 Abs. 1 Satz 1 GlüStV nicht nur, dass Wetten als Kombinationswetten oder Einzelwetten erlaubt werden können. Diese Bestimmung legt vielmehr auch fest, dass Sportwetten nur auf den Ausgang eines Sportereignisses und somit nicht auf einzelne Ereignisse während eines solchen geschlossen werden dürfen. Des Weiteren verbietet § 21 Abs. 2 Satz 3 GlüStV Wetten während eines laufenden Sportereignisses (vgl. auch § 6 Abs. 2 AGGlüStV) sowie Wetten über Telekommunikationsanlagen. Auch ist das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele und damit auch von Sportwetten im Internet gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV verboten. Schließlich kann die zuständige Behörde gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AGGlüStV auch Vorgaben zu den Einsatzgrenzen machen. All die genannten Regelungen sind bei der Regelung von Art und Zuschnitt der Sportwetten in der Erlaubnis „im Einzelnen“ (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV) zu berücksichtigen, so dass die Exekutive bei der Erlaubniserteilung keinesfalls „nach Gutdünken“ vorgehen kann.
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Auch im Übrigen enthält das Regelwerk ausreichende, am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht ausgerichtete Regelungen. So ist etwa die Teilnahme von Minderjährigen unzulässig (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 2 GlüStV). Werbung für öffentliches Glücksspiel ist nur eingeschränkt erlaubt. Sie hat sich gemäß § 5 Abs. 1 GlüStV zur Vermeidung eines Aufforderungscharakters auf eine Information und Aufklärung über die Möglichkeiten zum Glücksspiel zu beschränken; sie darf insbesondere gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 GlüStV nicht gezielt zur Teilnahme am Glücksspiel auffordern, anreizen oder ermuntern. Bestimmte Formen der Werbung, nämlich die Werbung im Fernsehen, im Internet und über Telekommunikationsanlagen gemäß § 5 Abs. 3 GlüStV sowie Trikot- und Bandenwerbung nach Maßgabe des § 21 Abs. 2 Satz 2 GlüStV, sind verboten. Auch die §§ 6 - 8 GlüStV mit ihren Vorgaben zu den Sozialkonzepten, insbesondere auch der Verpflichtung zur Schulung des Personals, zur Aufklärung und zu den Spielersperren lassen deutlich erkennen, dass das Regelwerk das Ziel der Bekämpfung von Wettsucht ernst nimmt.
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Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergibt sich nach Auffassung der Kammer nicht, dass das Gemeinschaftsrecht weitergehende Anforderungen an die normativen Grundlagen für ein staatliches Sportwettenmonopol stellt. Mangels Entscheidungserheblichkeit bedarf diese Frage im Übrigen auch keiner weiteren Klärung, insbesondere nicht durch ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof.
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Die rechtliche Ausgestaltung ist allerdings insoweit defizitär, als durch sie das frühere Vertriebssystem über den Einzelhandel mittels der Übergangsvorschrift des § 7 Abs. 4 AGGlüStV für das Jahr 2008 normativ festgeschrieben wird. Denn gerade dieses Vertriebssystem führt zur Unvereinbarkeit des staatlichen Sportwettenmonopols in Baden-Württemberg mit dem Gemeinschaftsrecht.
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Dass das staatliche Sportwettenmonopol in Baden-Württemberg - jedenfalls derzeit - mit der Dienstleistungsfreiheit nicht vereinbar ist, folgt nach Auffassung der Kammer aus dessen tatsächlicher Ausgestaltung . Denn mit dem Vertrieb der Sportwetten über die Toto-Lotto-Annahmestellen beruht das staatliche Monopol auf einem Vertriebskonzept, das sich nicht mit dem Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren in Einklang bringen lässt. Trotz gewisser Veränderungen entspricht das tatsächliche Erscheinungsbild im Wesentlichen weiterhin dem der wirtschaftlich effektiven Vermarktung einer grundsätzlich unbedenklichen Freizeitbeschäftigung (vgl. BVerfG, Urt. v. 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01 -, NJW 2006, 1261 [Tz. 138]). Im Einzelnen:
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Schon die erhebliche Dichte von Annahmestellen - laut Vertriebskonzept der Toto-Lotto-GmbH vom 09.06.2008 liegt der Richtwert etwa in Großstädten bei einer Annahmestelle pro 2.500 Einwohnern; hiernach dürfte es beispielsweise in der Stadt Karlsruhe mit ungefähr 275.000 Einwohnern etwa 110 Annahmestellen geben - sorgt dafür, dass die Möglichkeit zur Teilnahme an Sportwetten nicht auf wenige Örtlichkeiten beschränkt ist, sondern vielmehr - gerade in Großstädten - an nahezu jeder Straßenecke und somit nach wie vor „in bewusster Nähe zum Kunden“ besteht (vgl. BVerfG, Urt. v. 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01 -, NJW 2006, 1261 [Tz. 138]). Infolgedessen ist die Möglichkeit zum Sportwetten weiterhin ein allerorts verfügbares Gut (vgl. BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O.). Bereits die Häufung der Annahmestellen lässt es ausgeschlossen erscheinen, dass der Einzelne die Möglichkeit zur Teilnahme an Sportwetten als etwas Außergewöhnliches wahrnimmt, als etwas grundsätzlich staatlicherseits Missbilligtes. Gerade dies aber wäre nach Auffassung der Kammer (in Übereinstimmung mit dem VG Freiburg, Urt. v. 09.07.2008 -1 K 547/07 -, juris Rn. 32 f.) für ein konsequent am Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren ausgerichtetes staatliches Monopol erforderlich.
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Noch größeres Gewicht ist nach Auffassung der Kammer dem Umstand beizumessen, dass die Möglichkeit zur Teilnahme an Sportwetten im Wesentlichen über Verkaufsstellen des Einzelhandels erfolgt. Die Kunden dieser Verkaufsstellen werden mit dem staatlichen Sportwettenangebot konfrontiert, wenn sie Erledigungen zur Deckung des täglichen Bedarfs, etwa den Erwerb einer Zeitung oder Zeitschrift, von Schreibmaterialien oder Süßigkeiten, machen. Auch wenn nunmehr nicht mehr ein gleichzeitiger Zahlungsvorgang möglich ist, sorgt doch dieses Nebeneinander von „unbedenklichen“ Waren und „bedenklichen“ Glücksspielangeboten dafür, dass auch die Glücksspiele und somit auch die Sportwetten von dem durchschnittlichen Kunden als ein grundsätzlich normales Gut des täglichen Lebens wahrgenommen werden. Die Teilnahme an einer Sportwette wird auf diese Weise, ebenso wie etwa der Kauf von Alkohol und Zigaretten - zwei Produkten, die ebenfalls unbestritten mit hohen Suchtgefahren verbunden sind -, als ein sozialadäquates Verhalten wahrgenommen. Der Vertreter des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung zu Recht darauf hingewiesen, dass dieser Eindruck bei speziellen „Glücksspielläden“ gerade nicht entstehen kann. Denn dort wird man in der Tat nicht „im Vorbeigehen“ mit dem Glücksspiel konfrontiert, vielmehr muss sich der Kunde diesem bewusst aussetzen.
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Dieses strukturelle Defizit im Vertriebskonzept besteht trotz der Bemühungen des Beklagten und der Toto-Lotto-Gesellschaft im Hinblick auf die stärkere Ausrichtung des Vertriebskonzepts am Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren. Denn insbesondere die Hinweise in den Annahmestellen und auf den Spielscheinen auf die Suchtgefahren sowie entsprechende Schulungen des Personals der Annahmestellen vermögen nichts daran zu ändern, dass das Angebot der staatlichen Toto-Lotto-Gesellschaft als ein alltäglich verfügbares und nicht „grundsätzlich bedenkliches“ und damit als ein sozialadäquates Gut wahrgenommen wird.
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Die Hinweise (zum zweifelhaften Nutzen derartiger Warnhinweise vgl. VG Freiburg, Urt. v. 09.07.2008 - 1 K 547/08 -, juris Rn. 49) werden von Seiten des staatlichen Monopolisten schon selbst dadurch relativiert, dass dieser nach wie vor öffentlich betont, dass ein beachtlicher Teil der Erlöse dem Gemeinwohl zugute kommt (vgl. § 5 AGGlüStV). Dies zeigt sich nicht zuletzt anhand von Slogans wie der vom Kläger im Antragsverfahren zitierten, etwa „Oddset tut Gutes“, die so oder in ähnlicher Form nach wie vor verwendet werden („Zahlen für Gutes“ und der Wettmittelfonds als „eine Art Schatzkiste“). Wenn dann auch noch ein Staatssekretär (s.o.) und damit ein hoher Repräsentant des Landes Baden-Württemberg davon spricht, dass die Allgemeinheit nur profitiert, wenn das staatliche Wettangebot bestehen bleibt, muss beim durchschnittlichen Bürger unweigerlich der Eindruck entstehen, „dass das mit den Gefahren ja nicht ganz so schlimm sein kann, wenn ich mit meiner Teilnahme das Gemeinwohl unterstütze“. Oder mit den Worten des Geschäftsberichts der Staatlichen Toto-Lotto GmbH für das Geschäftsjahr 2007 (im Internet für jedermann zugänglich unter www.lotto-bw.de): „Wer an den Spielen der Staatlichen Toto-Lotto GmbH teilnimmt, fördert gleichzeitig auch ein Stück Lebenskultur in unserem Lande.“
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Die Schulungen des Personals sind nach Auffassung der Kammer allenfalls bedingt geeignet. Denn wie nicht zuletzt die mündliche Verhandlung ergeben hat, bietet das derzeitige Oddset-System dem Süchtigen bzw. dem Suchtgefährdeten die Möglichkeit, seine Spielleidenschaft gegenüber der einzelnen Annahmestelle problemlos zu verbergen. Der Vertreter des Beklagten bestätigte nämlich auf entsprechende Nachfrage des Gerichts, dass ein Spieler eine unbeschränkte Zahl von Spielscheinen abgeben kann und zwar jeweils an einer anderen Annahmestelle. Und die jeweils nächste Annahmestelle liegt, wie bereits ausgeführt, in aller Regel nicht weit entfernt. Auf diese Weise kann sich der einzelne suchtgefährdete bzw. suchtkranke Spieler der näheren Überprüfung durch die geschulten Personen leicht entziehen.
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Vor dem Hintergrund, dass auch und in erster Linie die Verbindung der Annahmestellen mit dem Einzelhandel die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Staatsmonopols begründet, kann die Kammer offenlassen, ob mit dem laut Vertriebskonzept angestrebten Ziel einer Beschränkung auf 3.300 Annahmestellen ein gemeinschaftsrechtskonformer Zustand erreicht wäre.
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b) Wegen des Anwendungsvorrangs der Dienstleistungsfreiheit als unmittelbar anwendbarem Gemeinschaftsrecht scheidet § 9 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 Nr. 3 GlüStV als Rechtsgrundlage aus. Es ist seit Langem geklärt, dass gemeinschaftsrechtswidriges nationales Recht insoweit für den nationalen Rechtsanwender und damit auch für die Verwaltungsgerichte unanwendbar ist, als das Gemeinschaftsrecht selbst unmittelbar anwendbar ist (hierzu z.B. Ehlers, in: Schulze/Zuleeg, Europarecht, 2006, § 11 Rn. 34 ff. m.N.).
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Entgegen der Auffassung des Beklagten erfasst die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des staatlichen Glücksspielmonopols auch die Erlaubnispflicht für das Veranstalten und Vermitteln von öffentlichem Glücksspiel in § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV, so dass die Untersagungsverfügung nicht deshalb Bestand haben kann, weil der Kläger über keine derartige Erlaubnis verfügt.
41 
Im Bereich der Sportwetten lässt sich das Staatsmonopol nämlich nicht von der Erlaubnispflicht trennen. Denn eine Erlaubnis kann nach dem Regelungsmodell des Glückspielstaatsvertrags rein privaten Personen lediglich für Lotterien mit geringerem Gefährdungspotential erteilt werden (vgl. § 10 Abs. 5 GlüStV i.V.m. dem Dritten Abschnitt), nicht aber für Sportwetten. Für diese wollte der Gesetzgeber das staatliche Monopol beibehalten. Es würde nun aber dem gesetzgeberischen Anliegen widersprechen anzunehmen, dass eine Erlaubnis doch an rein Private erteilt werden kann (vgl. insoweit auch VG Freiburg, Urt. v. 16.04.2008 - 1 K 2683/07 -, juris Rn. 24).
42 
Der Verweis des Beklagten auf das Bauordnungsrecht vermag hieran nichts zu ändern. Es ist zwar richtig, dass bauordnungsrechtliche Verfügungen unter Umständen bereits aufgrund einer formellen (Bau-)Rechtswidrigkeit ergehen können. Auf die Erteilung einer Baugenehmigung oder eines Bauvorbescheids besteht allerdings bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen in aller Regel ein Rechtsanspruch des Bauherrn (vgl. § 58 Abs. 1 Satz 1, § 57 Abs. 1, Abs. 2 LBO). Nach dem Regelungsmodell des Glücksspielstaatsvertrags darf dem rein Privaten hingegen überhaupt keine Erlaubnis für den Bereich der Sportwetten erteilt werden.
43 
4. Dass sich der Kläger als Drittstaatsangehöriger nicht auf die Dienstleistungsfreiheit des EG-Vertrages berufen kann, führt nicht dazu, dass die Klage abzuweisen ist. Denn die Untersagungsverfügung vom 28.05.2008, die gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 Nr. 3 GlüStV als Ermessensentscheidung zu ergehen hat, ist jedenfalls ungeeignet und deshalb ermessensfehlerhaft (vgl. § 40 LVwVfG; § 114 VwGO). Ob der Klage auch deshalb stattzugeben wäre, weil die Dienstleistungsfreiheit des maltesischen Unternehmens T. Co. Ltd. ungerechtfertigt beschränkt ist, kann offenbleiben.
44 
Aufgrund der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des staatlichen Glücksspielmonopols ist es dem Beklagten verwehrt, Unionsbürgern die Vermittlung von Sportwetten an in anderen Mitgliedstaaten ansässige und dort konzessionierte Wettveranstalter zu untersagen. Bei einem Vorgehen lediglich gegen Drittstaatsangehörige kann nun aber das Ziel der Bekämpfung von Spielsucht nicht mehr erreicht werden. Denn ein „flächendeckendes“ Vorgehen gegen Private ist nicht mehr möglich. Der Beklagte hat weder vorgetragen noch ist für die Kammer ersichtlich, dass ein Vorgehen lediglich gegen Drittstaatsangehörige sinnvoll wäre und das Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren fördern würde. Ohnehin ist es im Hinblick auf das Suchtpotential von Sportwetten unerheblich, ob das Angebot von einem Unionsbürger, von einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Gesellschaft oder von einem Drittstaatsangehörigen ausgeht (vgl. OVG des Saarlandes, Beschl. v. 25.04.2007 - 3 W 24/06 -, juris Rn. 114; VG Freiburg, Urt. v. 09.07.2008 - 1 K 547/07 - juris Rn. 78).
45 
5. Die Untersagungsverfügung ist schließlich in vollem Umfang aufzuheben. Zwar lässt die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des staatlichen Monopols im Bereich der Sportwetten die Anwendbarkeit einer Vielzahl von Regelungen des Glückspielstaatsvertrags, die am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht ausgerichtet sind, unberührt. So darf der Kläger etwa lediglich Wetten auf den Ausgang eines Sportereignisses vermitteln, er darf keine Wetten während eines laufenden Sportereignisses entgegennehmen und auch seine Werbemaßnahmen müssen die Vorgaben des Glücksspielstaatsvertrages beachten. Es ist der Kammer jedoch verwehrt, die Untersagungsverfügung auf einen rechtmäßigen Umfang zu reduzieren. Denn insoweit würde die Verfügung nicht mehr der erkennbaren Absicht des Regierungspräsidiums Karlsruhe bei ihrem Erlass entsprechen; diesem würde vielmehr eine Verfügung zugeschrieben, die es offensichtlich so nicht erlassen wollte. Insoweit greift die Kammer auf die - zwar nicht unmittelbar, jedoch sinngemäß anwendbare - Regelung des § 47 Abs. 2 LVwVfG zurück. Es wäre - auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Gewaltenteilung (vgl. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) - die Aufgabe der Exekutive und damit des Regierungspräsidiums Karlsruhe, dem Kläger verbotene Tätigkeiten zu untersagen.
46 
6. Infolge der Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung (Ziff. 1 Satz 1 der Verfügung vom 28.05.2008) sind auch die weiteren Regelungen in der Verfügung rechtswidrig und die Verfügung ist insgesamt aufzuheben.
II.
47 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Kammer sieht sich nicht dazu veranlasst, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären (vgl. § 167 Abs. 2 VwGO).
48 
Die Berufung ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (vgl. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
49 
Beschluss
50 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf EUR 15.000 festgesetzt (in Anlehnung an Nr. 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung 2004).
51 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
14 
Die gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO, § 6a Satz 1 AGVwGO ohne Durchführung eines Vorverfahrens und auch im Übrigen zulässige Klage ist begründet.
I.
15 
Die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 28.05.2008 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
16 
1. Für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung der angegriffenen Verfügung ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.03.2008 - 6 S 3069/07 -, juris Rn. 4).
17 
2. Als Rechtsgrundlage der Untersagungsverfügung (Ziff. 1 Satz 1 der Verfügung vom 28.05.2008) kommt allein § 9 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 Nr. 3 GlüStV (GBl. 2007, 571) in Betracht. Hiernach kann die zuständige Behörde des jeweiligen Landes die zur Erfüllung der Aufgaben der Glücksspielaufsicht erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen; sie kann insbesondere die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür untersagen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten auf dieser Rechtsgrundlage sind erfüllt; denn der Kläger vermittelt nach dem Glücksspielstaatsvertrag unerlaubte Glücksspiele.
18 
Indem der Kläger Wetten für das Unternehmen T. Co. Ltd. entgegennimmt und weiterleitet, vermittelt er (vgl. § 3 Abs. 4 GlüStV) Sportwetten, die Glücksspiele i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV i.V.m. der Legaldefinition in § 3 Abs. 1 GlüStV sind.
19 
Die vom Kläger vermittelten Sportwetten sind auch unerlaubte Glücksspiele i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV. Denn weder der Kläger noch das Unternehmen T. Co. Ltd. verfügt über die nach § 4 Abs. 1 GlüStV erforderliche Erlaubnis der zuständigen Behörde des Landes Baden-Württemberg. Zwar vermittelt der Kläger die Sportwetten nach Malta und damit in einen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft; dies entbindet ihn aber nicht von dem Erfordernis einer Erlaubnis durch die zuständige Behörde des Landes Baden-Württemberg. Denn nach § 3 Abs. 4 GlüStV wird ein Glücksspiel dort veranstaltet und vermittelt, wo dem Spieler die Möglichkeit zur Teilnahme eröffnet wird. Dies ist das Wettbüro des Klägers in Pforzheim.
20 
Dass die Sportwetten an ein in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft konzessioniertes Unternehmen vermittelt werden, steht der Einordnung als unerlaubtes Glücksspiel nicht entgegen. Denn diese Konzession kann nicht kraft derzeitigen Gemeinschaftsrechts (generell oder automatisch) auch im Bundesgebiet Geltung beanspruchen (hierzu und zum Folgenden VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 17.03.2008 - 6 S 3069/07 -, juris Rn. 7; vgl. auch VG Freiburg, Urt. v. 16.04.2008 - 1 K 2683/07 -, juris Rn. 21). Im Glücksspielbereich sind die Mitgliedstaaten unabhängig vom jeweiligen Schutzniveau nicht verpflichtet, Genehmigungen gegenseitig anzuerkennen; insofern sind sie berechtigt, die Beantragung einer nationalen Erlaubnis auch dann zu fordern, wenn der Leistungsanbieter bereits über eine Konzession eines anderen Mitgliedstaats verfügt (vgl. EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 30.05.2007 - Case E-3/06 „Ladbrokes Ltd.“ -, Rn. 86). Dementsprechend ist auch die Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr vom 08.06.2000 (ABl. Nr. L 178/1), die in ihrem Art. 3 das Herkunftslandprinzip vorschreibt, auf Glücksspiele nicht anwendbar (vgl. den Erwgrd. 16 und Art. 1 Abs. 5 lit. d Spstr. 3). Die Auffassung, dass Gemeinschaftsrecht einer nationalen Regelung entgegenstehe, die u.a. die Übermittlung von Wetten ohne die hierfür erforderliche Konzession des jeweiligen Mitgliedstaats für Rechnung eines Unternehmers verbiete, der lediglich eine in dem Mitgliedstaat seiner Niederlassung erteilte Zulassung besitzt, lässt sich mit den dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 06.11.2003 (C-243/01 „Gambelli“) zugrunde liegenden Annahmen nicht vereinbaren. Denn nach diesem Urteil ist den einzelnen Mitgliedstaaten gerade ein Ermessensspielraum bei der Gestaltung ihrer Glücksspielpolitik eingeräumt. In seinem Urteil vom 06.03.2007 (C-338/04, C-359/04 und C-360/04 „Placanica“, Rn. 57) stellt der Europäische Gerichtshof auch klar, dass ein Konzessionssystem unter bestimmten Umständen ein wirksamer Mechanismus sein kann, um die im Glücksspielsektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer mit dem Ziel zu kontrollieren, der Ausnutzung dieser Tätigkeiten zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken vorzubeugen.
21 
3. Das staatliche Sportwettenmonopol in Baden-Württemberg, das sich im Wesentlichen aus § 10 Abs. 2 und Abs. 5 GlüStV, § 1 Abs. 5 des baden-württembergischen Gesetzes zu dessen Ausführung (GBl. 2008, 81; im Folgenden: AGGlüStV) ergibt, stellt indes in seiner derzeitigen Ausgestaltung eine im Hinblick auf das mit ihm verfolgte Ziel nicht geeignete Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des EG-Vertrages (Art. 49 EGV) dar (a). Wegen des Anwendungsvorrangs der Dienstleistungsfreiheit scheidet § 9 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 Nr. 3 GlüStV als Rechtsgrundlage folglich aus (b). Ob das staatliche Sportwettenmonopol darüber hinaus auch mit nationalem Verfassungsrecht unvereinbar ist, kann offenbleiben.
22 
a) Nach Art. 49 Abs. 1 EGV sind die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen der Leistungserbringung ansässig sind, verboten. Dienstleistungen im Sinne des EG-Vertrages sind nach Art. 50 Abs. 1 EGV Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen.
23 
In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist geklärt, dass eine Tätigkeit, die darin besteht, die Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats an in einem anderen Mitgliedstaat veranstalteten Wetten teilnehmen zu lassen, und damit das Vermitteln von Sportwetten zu den Dienstleitungen i.S.v. Art. 50 EGV gehört (Urt. v. 06.11.2003 - C-243/01 „Gambelli“ -, Rn. 52). Art. 49 EGV erfasst auch Dienstleistungen, die ein Leistungserbringer mit Sitz in einem Mitgliedstaat über das Internet in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Leistungserbringern anbietet (EuGH, Urt. v. 06.11.2003, a.a.O., Rn. 54). Der Europäische Gerichtshof hat auch entschieden, dass das an einen Vermittler gerichtete Verbot, die Erbringung von Wettdienstleistungen bei Sportereignissen, die von einem Leistungserbringer organisiert werden, der seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem hat, in dem der Vermittler seine Tätigkeit ausübt, zu erleichtern, eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt, und zwar auch dann, wenn die Vermittler in demselben Mitgliedstaat ansässig sind wie die Empfänger dieser Dienstleistungen (Urt. v. 06.11.2003, a.a.O., Rn. 58).
24 
Eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs kann aufgrund der in den Art. 45 und 46 EGV ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmeregelungen zulässig oder nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein (vgl. nur Urt. v. 06.11.2003 - C-243/01 „Gambelli“ -, Rn. 60). Die Finanzierung sozialer Aktivitäten durch Einnahmen aus genehmigten Spielen darf nur eine nützliche Nebenfolge, nicht aber der eigentliche Grund der staatlichen Glücksspielpolitik sein (EuGH, Urt. v. 06.11.2003, a.a.O., Rn. 62; hiervon ausgehend bedenklich die Äußerung des Staatssekretärs Fleischer in der Landtagssitzung vom 28.11.2007 [Plenarprotokoll 14. WP/S. 2365]: „Außerdem hat dies in Bezug auf die Förderung öffentlicher und gemeinnütziger Zwecke in den Bereichen Kultur, Sport und Soziales eine erfreuliche und für die Betroffenen existenzielle Nebenfolge . Diese Förderung kann z.B. beim Sport nicht durch Sponsorengelder privater Wettanbieter sichergestellt werden, denn davon hätte der Breitensport, dem jährlich 59 Millionen EUR zur Verfügung gestellt werden, überhaupt nichts. Die Allgemeinheit und der Breitensport im Besonderen profitieren nur , wenn das staatliche Lotterie- und Wettangebot bestehen bleibt.“ [ Hervorhebungen durch das Gericht ]). Die sittlichen, religiösen oder kulturellen Besonderheiten und die sittlich und finanziell schädlichen Folgen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft, die mit Spielen und Wetten einhergehen, rechtfertigen ein ausreichendes Ermessen festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben. Damit die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs gerechtfertigt sind, müssen sie geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist; auf jeden Fall müssen sie in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden (EuGH, Urt. v. 06.11.2003, a.a.O., Rn. 65).
25 
Bei verfassungskonformer Auslegung ist, wovon auch der Beklagte ausgeht, das in § 1 Nr. 1 GlüStV genannte Ziel des Staatsvertrages, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzung für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen, das eigentliche Ziel für die weitere Beibehaltung des staatlichen Sportwettenmonopols (so auch VG Freiburg, Urt. v. 16.04.2008 - 1 K 2683/07 -, juris Rn. 30). Denn nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 (1 BvR 1054/01, NJW 2006, 1261) zum damaligen bayerischen Staatsmonopol für Sportwetten, ist ein staatliches Monopol für Sportwetten mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren ausgerichtet ist. Da davon auszugehen ist, dass die Parteien des Glücksspielstaatsvertrages mit diesem einen verfassungskonformen Zustand herbeiführen wollten, ist den anderen in § 1 des Staatsvertrages genannten Zielen lediglich eine nachgeordnete Bedeutung beizumessen. Bei der Beurteilung der Vereinbarkeit des staatlichen Sportwettenmonopols mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaft ist konsequenter Weise das eigentliche Ziel des Staatsvertrages zugrunde zu legen.
26 
Das Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren vermag grundsätzlich eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs zu rechtfertigen. Der Europäische Gerichtshof hat insoweit entschieden, dass Beschränkungen der Spieltätigkeiten durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses wie den Verbraucherschutz und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt sein können (hierzu und zum Folgenden Urt. v. 06.11.2003 - C-243/01 „Gambelli“ -, Rn. 67); jedoch müssen die Beschränkungen, die auf solche Gründe sowie die Notwendigkeit gestützt sind, Störungen der sozialen Ordnung vorzubeugen, auch geeignet sein, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen. Bei der Überprüfung des staatlichen Sportwettenmonopols anhand dieser Maßstäbe hat das nationale Gericht nicht nur das nationale Regelwerk, das das Monopol begründet, sondern auch die „konkreten Anwendungsmodalitäten“ (EuGH, Urt. v. 06.11.2003, a.a.O., Rn. 75), d.h. dessen tatsächliche Ausgestaltung heranzuziehen.
27 
Die rechtliche Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols, so wie sie sich aus dem Glücksspielstaatsvertrag und dem baden-württembergischen Ausführungsgesetz ergibt, ist nach Auffassung der Kammer im Hinblick auf seine Vereinbarkeit mit der Dienstleistungsfreiheit grundsätzlich nicht zu beanstanden; sie bildet eine ausreichende normative Grundlage für die Rechtfertigung einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (a.A. VG Freiburg, Urt. v. 09.07.2008 - 1 K 547/07 -, juris passim).
28 
Der Glücksspielstaatsvertrag überlässt insbesondere entgegen der Auffassung des Klägers die Regelung über Art und Zuschnitt der Wetten nicht der Exekutive, sondern enthält insoweit am Ziel der Bekämpfung der Wettsucht ausgerichtete Regelungen (a.A. wohl VG Freiburg, Urt. v. 09.07.2008 - 1 K 547/07 -, juris Rn. 50). So besagt § 21 Abs. 1 Satz 1 GlüStV nicht nur, dass Wetten als Kombinationswetten oder Einzelwetten erlaubt werden können. Diese Bestimmung legt vielmehr auch fest, dass Sportwetten nur auf den Ausgang eines Sportereignisses und somit nicht auf einzelne Ereignisse während eines solchen geschlossen werden dürfen. Des Weiteren verbietet § 21 Abs. 2 Satz 3 GlüStV Wetten während eines laufenden Sportereignisses (vgl. auch § 6 Abs. 2 AGGlüStV) sowie Wetten über Telekommunikationsanlagen. Auch ist das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele und damit auch von Sportwetten im Internet gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV verboten. Schließlich kann die zuständige Behörde gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AGGlüStV auch Vorgaben zu den Einsatzgrenzen machen. All die genannten Regelungen sind bei der Regelung von Art und Zuschnitt der Sportwetten in der Erlaubnis „im Einzelnen“ (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV) zu berücksichtigen, so dass die Exekutive bei der Erlaubniserteilung keinesfalls „nach Gutdünken“ vorgehen kann.
29 
Auch im Übrigen enthält das Regelwerk ausreichende, am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht ausgerichtete Regelungen. So ist etwa die Teilnahme von Minderjährigen unzulässig (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 2 GlüStV). Werbung für öffentliches Glücksspiel ist nur eingeschränkt erlaubt. Sie hat sich gemäß § 5 Abs. 1 GlüStV zur Vermeidung eines Aufforderungscharakters auf eine Information und Aufklärung über die Möglichkeiten zum Glücksspiel zu beschränken; sie darf insbesondere gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 GlüStV nicht gezielt zur Teilnahme am Glücksspiel auffordern, anreizen oder ermuntern. Bestimmte Formen der Werbung, nämlich die Werbung im Fernsehen, im Internet und über Telekommunikationsanlagen gemäß § 5 Abs. 3 GlüStV sowie Trikot- und Bandenwerbung nach Maßgabe des § 21 Abs. 2 Satz 2 GlüStV, sind verboten. Auch die §§ 6 - 8 GlüStV mit ihren Vorgaben zu den Sozialkonzepten, insbesondere auch der Verpflichtung zur Schulung des Personals, zur Aufklärung und zu den Spielersperren lassen deutlich erkennen, dass das Regelwerk das Ziel der Bekämpfung von Wettsucht ernst nimmt.
30 
Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergibt sich nach Auffassung der Kammer nicht, dass das Gemeinschaftsrecht weitergehende Anforderungen an die normativen Grundlagen für ein staatliches Sportwettenmonopol stellt. Mangels Entscheidungserheblichkeit bedarf diese Frage im Übrigen auch keiner weiteren Klärung, insbesondere nicht durch ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof.
31 
Die rechtliche Ausgestaltung ist allerdings insoweit defizitär, als durch sie das frühere Vertriebssystem über den Einzelhandel mittels der Übergangsvorschrift des § 7 Abs. 4 AGGlüStV für das Jahr 2008 normativ festgeschrieben wird. Denn gerade dieses Vertriebssystem führt zur Unvereinbarkeit des staatlichen Sportwettenmonopols in Baden-Württemberg mit dem Gemeinschaftsrecht.
32 
Dass das staatliche Sportwettenmonopol in Baden-Württemberg - jedenfalls derzeit - mit der Dienstleistungsfreiheit nicht vereinbar ist, folgt nach Auffassung der Kammer aus dessen tatsächlicher Ausgestaltung . Denn mit dem Vertrieb der Sportwetten über die Toto-Lotto-Annahmestellen beruht das staatliche Monopol auf einem Vertriebskonzept, das sich nicht mit dem Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren in Einklang bringen lässt. Trotz gewisser Veränderungen entspricht das tatsächliche Erscheinungsbild im Wesentlichen weiterhin dem der wirtschaftlich effektiven Vermarktung einer grundsätzlich unbedenklichen Freizeitbeschäftigung (vgl. BVerfG, Urt. v. 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01 -, NJW 2006, 1261 [Tz. 138]). Im Einzelnen:
33 
Schon die erhebliche Dichte von Annahmestellen - laut Vertriebskonzept der Toto-Lotto-GmbH vom 09.06.2008 liegt der Richtwert etwa in Großstädten bei einer Annahmestelle pro 2.500 Einwohnern; hiernach dürfte es beispielsweise in der Stadt Karlsruhe mit ungefähr 275.000 Einwohnern etwa 110 Annahmestellen geben - sorgt dafür, dass die Möglichkeit zur Teilnahme an Sportwetten nicht auf wenige Örtlichkeiten beschränkt ist, sondern vielmehr - gerade in Großstädten - an nahezu jeder Straßenecke und somit nach wie vor „in bewusster Nähe zum Kunden“ besteht (vgl. BVerfG, Urt. v. 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01 -, NJW 2006, 1261 [Tz. 138]). Infolgedessen ist die Möglichkeit zum Sportwetten weiterhin ein allerorts verfügbares Gut (vgl. BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O.). Bereits die Häufung der Annahmestellen lässt es ausgeschlossen erscheinen, dass der Einzelne die Möglichkeit zur Teilnahme an Sportwetten als etwas Außergewöhnliches wahrnimmt, als etwas grundsätzlich staatlicherseits Missbilligtes. Gerade dies aber wäre nach Auffassung der Kammer (in Übereinstimmung mit dem VG Freiburg, Urt. v. 09.07.2008 -1 K 547/07 -, juris Rn. 32 f.) für ein konsequent am Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren ausgerichtetes staatliches Monopol erforderlich.
34 
Noch größeres Gewicht ist nach Auffassung der Kammer dem Umstand beizumessen, dass die Möglichkeit zur Teilnahme an Sportwetten im Wesentlichen über Verkaufsstellen des Einzelhandels erfolgt. Die Kunden dieser Verkaufsstellen werden mit dem staatlichen Sportwettenangebot konfrontiert, wenn sie Erledigungen zur Deckung des täglichen Bedarfs, etwa den Erwerb einer Zeitung oder Zeitschrift, von Schreibmaterialien oder Süßigkeiten, machen. Auch wenn nunmehr nicht mehr ein gleichzeitiger Zahlungsvorgang möglich ist, sorgt doch dieses Nebeneinander von „unbedenklichen“ Waren und „bedenklichen“ Glücksspielangeboten dafür, dass auch die Glücksspiele und somit auch die Sportwetten von dem durchschnittlichen Kunden als ein grundsätzlich normales Gut des täglichen Lebens wahrgenommen werden. Die Teilnahme an einer Sportwette wird auf diese Weise, ebenso wie etwa der Kauf von Alkohol und Zigaretten - zwei Produkten, die ebenfalls unbestritten mit hohen Suchtgefahren verbunden sind -, als ein sozialadäquates Verhalten wahrgenommen. Der Vertreter des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung zu Recht darauf hingewiesen, dass dieser Eindruck bei speziellen „Glücksspielläden“ gerade nicht entstehen kann. Denn dort wird man in der Tat nicht „im Vorbeigehen“ mit dem Glücksspiel konfrontiert, vielmehr muss sich der Kunde diesem bewusst aussetzen.
35 
Dieses strukturelle Defizit im Vertriebskonzept besteht trotz der Bemühungen des Beklagten und der Toto-Lotto-Gesellschaft im Hinblick auf die stärkere Ausrichtung des Vertriebskonzepts am Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren. Denn insbesondere die Hinweise in den Annahmestellen und auf den Spielscheinen auf die Suchtgefahren sowie entsprechende Schulungen des Personals der Annahmestellen vermögen nichts daran zu ändern, dass das Angebot der staatlichen Toto-Lotto-Gesellschaft als ein alltäglich verfügbares und nicht „grundsätzlich bedenkliches“ und damit als ein sozialadäquates Gut wahrgenommen wird.
36 
Die Hinweise (zum zweifelhaften Nutzen derartiger Warnhinweise vgl. VG Freiburg, Urt. v. 09.07.2008 - 1 K 547/08 -, juris Rn. 49) werden von Seiten des staatlichen Monopolisten schon selbst dadurch relativiert, dass dieser nach wie vor öffentlich betont, dass ein beachtlicher Teil der Erlöse dem Gemeinwohl zugute kommt (vgl. § 5 AGGlüStV). Dies zeigt sich nicht zuletzt anhand von Slogans wie der vom Kläger im Antragsverfahren zitierten, etwa „Oddset tut Gutes“, die so oder in ähnlicher Form nach wie vor verwendet werden („Zahlen für Gutes“ und der Wettmittelfonds als „eine Art Schatzkiste“). Wenn dann auch noch ein Staatssekretär (s.o.) und damit ein hoher Repräsentant des Landes Baden-Württemberg davon spricht, dass die Allgemeinheit nur profitiert, wenn das staatliche Wettangebot bestehen bleibt, muss beim durchschnittlichen Bürger unweigerlich der Eindruck entstehen, „dass das mit den Gefahren ja nicht ganz so schlimm sein kann, wenn ich mit meiner Teilnahme das Gemeinwohl unterstütze“. Oder mit den Worten des Geschäftsberichts der Staatlichen Toto-Lotto GmbH für das Geschäftsjahr 2007 (im Internet für jedermann zugänglich unter www.lotto-bw.de): „Wer an den Spielen der Staatlichen Toto-Lotto GmbH teilnimmt, fördert gleichzeitig auch ein Stück Lebenskultur in unserem Lande.“
37 
Die Schulungen des Personals sind nach Auffassung der Kammer allenfalls bedingt geeignet. Denn wie nicht zuletzt die mündliche Verhandlung ergeben hat, bietet das derzeitige Oddset-System dem Süchtigen bzw. dem Suchtgefährdeten die Möglichkeit, seine Spielleidenschaft gegenüber der einzelnen Annahmestelle problemlos zu verbergen. Der Vertreter des Beklagten bestätigte nämlich auf entsprechende Nachfrage des Gerichts, dass ein Spieler eine unbeschränkte Zahl von Spielscheinen abgeben kann und zwar jeweils an einer anderen Annahmestelle. Und die jeweils nächste Annahmestelle liegt, wie bereits ausgeführt, in aller Regel nicht weit entfernt. Auf diese Weise kann sich der einzelne suchtgefährdete bzw. suchtkranke Spieler der näheren Überprüfung durch die geschulten Personen leicht entziehen.
38 
Vor dem Hintergrund, dass auch und in erster Linie die Verbindung der Annahmestellen mit dem Einzelhandel die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Staatsmonopols begründet, kann die Kammer offenlassen, ob mit dem laut Vertriebskonzept angestrebten Ziel einer Beschränkung auf 3.300 Annahmestellen ein gemeinschaftsrechtskonformer Zustand erreicht wäre.
39 
b) Wegen des Anwendungsvorrangs der Dienstleistungsfreiheit als unmittelbar anwendbarem Gemeinschaftsrecht scheidet § 9 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 Nr. 3 GlüStV als Rechtsgrundlage aus. Es ist seit Langem geklärt, dass gemeinschaftsrechtswidriges nationales Recht insoweit für den nationalen Rechtsanwender und damit auch für die Verwaltungsgerichte unanwendbar ist, als das Gemeinschaftsrecht selbst unmittelbar anwendbar ist (hierzu z.B. Ehlers, in: Schulze/Zuleeg, Europarecht, 2006, § 11 Rn. 34 ff. m.N.).
40 
Entgegen der Auffassung des Beklagten erfasst die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des staatlichen Glücksspielmonopols auch die Erlaubnispflicht für das Veranstalten und Vermitteln von öffentlichem Glücksspiel in § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV, so dass die Untersagungsverfügung nicht deshalb Bestand haben kann, weil der Kläger über keine derartige Erlaubnis verfügt.
41 
Im Bereich der Sportwetten lässt sich das Staatsmonopol nämlich nicht von der Erlaubnispflicht trennen. Denn eine Erlaubnis kann nach dem Regelungsmodell des Glückspielstaatsvertrags rein privaten Personen lediglich für Lotterien mit geringerem Gefährdungspotential erteilt werden (vgl. § 10 Abs. 5 GlüStV i.V.m. dem Dritten Abschnitt), nicht aber für Sportwetten. Für diese wollte der Gesetzgeber das staatliche Monopol beibehalten. Es würde nun aber dem gesetzgeberischen Anliegen widersprechen anzunehmen, dass eine Erlaubnis doch an rein Private erteilt werden kann (vgl. insoweit auch VG Freiburg, Urt. v. 16.04.2008 - 1 K 2683/07 -, juris Rn. 24).
42 
Der Verweis des Beklagten auf das Bauordnungsrecht vermag hieran nichts zu ändern. Es ist zwar richtig, dass bauordnungsrechtliche Verfügungen unter Umständen bereits aufgrund einer formellen (Bau-)Rechtswidrigkeit ergehen können. Auf die Erteilung einer Baugenehmigung oder eines Bauvorbescheids besteht allerdings bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen in aller Regel ein Rechtsanspruch des Bauherrn (vgl. § 58 Abs. 1 Satz 1, § 57 Abs. 1, Abs. 2 LBO). Nach dem Regelungsmodell des Glücksspielstaatsvertrags darf dem rein Privaten hingegen überhaupt keine Erlaubnis für den Bereich der Sportwetten erteilt werden.
43 
4. Dass sich der Kläger als Drittstaatsangehöriger nicht auf die Dienstleistungsfreiheit des EG-Vertrages berufen kann, führt nicht dazu, dass die Klage abzuweisen ist. Denn die Untersagungsverfügung vom 28.05.2008, die gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 Nr. 3 GlüStV als Ermessensentscheidung zu ergehen hat, ist jedenfalls ungeeignet und deshalb ermessensfehlerhaft (vgl. § 40 LVwVfG; § 114 VwGO). Ob der Klage auch deshalb stattzugeben wäre, weil die Dienstleistungsfreiheit des maltesischen Unternehmens T. Co. Ltd. ungerechtfertigt beschränkt ist, kann offenbleiben.
44 
Aufgrund der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des staatlichen Glücksspielmonopols ist es dem Beklagten verwehrt, Unionsbürgern die Vermittlung von Sportwetten an in anderen Mitgliedstaaten ansässige und dort konzessionierte Wettveranstalter zu untersagen. Bei einem Vorgehen lediglich gegen Drittstaatsangehörige kann nun aber das Ziel der Bekämpfung von Spielsucht nicht mehr erreicht werden. Denn ein „flächendeckendes“ Vorgehen gegen Private ist nicht mehr möglich. Der Beklagte hat weder vorgetragen noch ist für die Kammer ersichtlich, dass ein Vorgehen lediglich gegen Drittstaatsangehörige sinnvoll wäre und das Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren fördern würde. Ohnehin ist es im Hinblick auf das Suchtpotential von Sportwetten unerheblich, ob das Angebot von einem Unionsbürger, von einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Gesellschaft oder von einem Drittstaatsangehörigen ausgeht (vgl. OVG des Saarlandes, Beschl. v. 25.04.2007 - 3 W 24/06 -, juris Rn. 114; VG Freiburg, Urt. v. 09.07.2008 - 1 K 547/07 - juris Rn. 78).
45 
5. Die Untersagungsverfügung ist schließlich in vollem Umfang aufzuheben. Zwar lässt die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des staatlichen Monopols im Bereich der Sportwetten die Anwendbarkeit einer Vielzahl von Regelungen des Glückspielstaatsvertrags, die am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht ausgerichtet sind, unberührt. So darf der Kläger etwa lediglich Wetten auf den Ausgang eines Sportereignisses vermitteln, er darf keine Wetten während eines laufenden Sportereignisses entgegennehmen und auch seine Werbemaßnahmen müssen die Vorgaben des Glücksspielstaatsvertrages beachten. Es ist der Kammer jedoch verwehrt, die Untersagungsverfügung auf einen rechtmäßigen Umfang zu reduzieren. Denn insoweit würde die Verfügung nicht mehr der erkennbaren Absicht des Regierungspräsidiums Karlsruhe bei ihrem Erlass entsprechen; diesem würde vielmehr eine Verfügung zugeschrieben, die es offensichtlich so nicht erlassen wollte. Insoweit greift die Kammer auf die - zwar nicht unmittelbar, jedoch sinngemäß anwendbare - Regelung des § 47 Abs. 2 LVwVfG zurück. Es wäre - auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Gewaltenteilung (vgl. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) - die Aufgabe der Exekutive und damit des Regierungspräsidiums Karlsruhe, dem Kläger verbotene Tätigkeiten zu untersagen.
46 
6. Infolge der Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung (Ziff. 1 Satz 1 der Verfügung vom 28.05.2008) sind auch die weiteren Regelungen in der Verfügung rechtswidrig und die Verfügung ist insgesamt aufzuheben.
II.
47 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Kammer sieht sich nicht dazu veranlasst, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären (vgl. § 167 Abs. 2 VwGO).
48 
Die Berufung ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (vgl. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
49 
Beschluss
50 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf EUR 15.000 festgesetzt (in Anlehnung an Nr. 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung 2004).
51 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

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Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 7.8.2008 verpflichtet, dem Kläger in Ergänzung der Genehmigung des Oberschulamts Freiburg vom 15.9.1995 eine Genehmigung zum Betrieb der Waldorfschule als Ersatzschule mit integrativer Beschulung von bis zu vier in einer Sonderschule für Geistigbehinderte schulpflichtigen Kindern pro Klasse zu erteilen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte trägt 4/5, der Kläger 1/5 der Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Erweiterung seiner Ersatzschulgenehmigung um das Recht zur integrativen Beschulung von sonderschulpflichtigen Kindern.
Der Kläger, ein 1992 gegründeter und als gemeinnützig anerkannter Verein, verfolgt seit langem das Ziel, in ... eine Freie Waldorfschule zu betreiben, in deren Klassen integrativ auch Kinder unterrichtet werden, die ansonsten in einer Sonderschule für Geistigbehinderte schulpflichtig wären. Zu diesem Zweck hatte er - nach erfolglosen politischen Sondierungsgesprächen mit dem Kultusministerium - am 4.5.1995 zunächst die Genehmigung einer „Grundschule mit besonderer pädagogischer Prägung“ beantragt, in der auf der Grundlage des Waldorflehrplans und der Waldorfpädagogik integrativ 3 bis 4 sonderschulpflichtige Kinder pro Klasse unterrichtet werden sollten. Dieser Antrag war mit Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 2.11.1995 mit der Begründung abgelehnt worden, die Schule sei ihrem Wesen nach eine Waldorfschule, die im Hinblick auf die Lehrgegenstände, das Lehrziel und den Aufbau wesentlich von den öffentlichen Grundschulen abweiche und deshalb nur im Rahmen der besonderen gesetzlichen Bestimmung von Waldorfschulen zu Ersatzschulen, nicht jedoch nach § 3 Abs. 1 Privatschulgesetz - PSchG - als eigenständige Ersatzschule genehmigt werden könne. Auf das weitere Merkmal der integrativen Beschulung sei deshalb nicht mehr einzugehen. Der Ablehnungsbescheid wurde bestandskräftig, nachdem der Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid des Oberschulamts Freiburg vom 13.9.1996 zurückgewiesen und das im weiteren beim Verwaltungsgericht Freiburg anhängige Klageverfahren nach Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen mit Beschluss vom 3.5.2000 - 2 K 794/00 - eingestellt worden war.
Mit Bescheid des Oberschulamts Freiburg vom 15.9.1995 wurde dem Kläger die Errichtung und der Betrieb einer Freien Waldorfschule in ... genehmigt. Diese Genehmigung hatte der Kläger ebenfalls am 4.5.1995 hilfsweise für den Fall beantragt, dass der Betrieb der „Grundschule mit besonderer Prägung“ nicht genehmigt werde. Den Betrieb der Waldorfschule nahm der Kläger zum Schuljahr 1995/96 auf. Im Einvernehmen mit der Schulverwaltung wurden dabei aufgrund einer Kooperation mit dem „...“, einer privaten Sonderschule für Geistigbehinderte mit Waldorfpädagogik in ..., von Anfang an pro Klasse integrativ auch 3 bis 4 sonderschulpflichtige Schüler unterrichtet, die dabei rechtlich einer Außenklasse des ... angehörten. Die dorthin gewährten Zuschüsse wurden anteilig an den Kläger weitergeleitet.
Mit Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 17.9.1999 wurde dem Kläger mit Beginn des Schuljahrs 1999/2000 der „Schulversuch Integratives Schulentwicklungsprojekt zur gemeinsamen schulischen Förderung von Schülern mit geistiger Behinderung und nichtbehinderten Schülern in der Freien Waldorfschule ...“ genehmigt. Dieser wurde „zunächst begrenzt bis Ende der Mittelstufe der Schule für Geistigbehinderte, unter Berücksichtigung der bisher erfolgten Beschulung der Kinder mit geistiger Behinderung bis Ende des Schuljahrs 2000/2001“. Die Genehmigung des Schulversuchs „über den genannten Zeitraum hinaus“ wurde „u.a. von einer Weiterentwicklung der pädagogischen Konzeption für den Bereich Ober- und Werkstufe der Schule für Geistigbehinderte abhängig“ gemacht. Mit der Genehmigung des Schulentwicklungsprojekts wurden die an der Schule unterrichteten geistig behinderten Kinder und Jugendlichen Schüler der Freien Waldorfschule des Klägers. Die Bezuschussung erfolgte auf der Grundlage einer besonders festgelegten Regelung nach Maßgabe des Aufwands ihrer Unterrichtung an einer staatlichen Sonderschule für Geistigbehinderte.
Mit Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 18.7.2002 wurde die Genehmigung des Integrativen Schulentwicklungsprojekts ab dem Schuljahr 2001/2002 auf die Klassen 7 bis 9 erweitert. Zeitlich wurde die Genehmigung zunächst auf den Zeitraum bis Ende des Schuljahres 2003/2004 begrenzt. Zu diesem Zeitpunkt hätten die Schüler die Oberstufe abgeschlossen, die im Schuljahr 2001/2002 in diese eingetreten seien.
Mit Bescheid des Landratsamts ... vom 30.5.2005 wurde dann die „Weiterführung des Schulversuchs für die Klassen 10 bis 12 im Bildungsgang für Geistigbehinderte“ genehmigt. Der Schulversuch wurde „zunächst bis zum Ende des Schuljahres 2007/2008 befristet“.
Das Integrative Schulentwicklungsprojekt des Klägers wurde durch die Schulverwaltung begleitet. Dabei wurden unter anderem im Juni 2004, Oktober 2005 und im Mai 2007 Evaluationsbesuche an der Schule durchgeführt. Auf der Grundlage dieser Schulbesuche teilte das Regierungspräsidium Freiburg dem Kläger mit Schreiben vom 26.2.2008 mit, es sei deutlich geworden, dass die gemeinsame Beschulung von geistig behinderten Kindern und Jugendlichen mit nicht behinderten Schülerinnen und Schülern in der Schule des Klägers im Grundsatz möglich sei und durch den Kläger positiv ausgestaltet werde. Gegen eine gemeinsame Beschulung gebe es von pädagogischer Seite keine Bedenken.
Während eines Informationsbesuches des Kultusministers im November 2006 sprach sich dieser zwar für eine Fortführung des integrativen Schulkonzepts aus, verwies hinsichtlich der rechtlichen Konstruktion eines solchen Modells jedoch auf die Möglichkeit einer Kooperation mit einer Sonderschule für Geistigbehinderte, die gegebenenfalls auch vom Kläger für diese Zwecke gegründet werden könne. Die Fortführung des Integrativen Schulentwicklungskonzepts mit den dort festgelegten Regelungen etwa zur Bezuschussung lehnte er unter Hinweis darauf ab, dass im Schulgesetz eine solche Schulform nicht vorgesehen sei.
Anfragen des Klägers bei den zuständigen Landkreisen ergaben, dass im Fall des Kooperationsmodells keine zusätzlichen Leistungen für den Schülertransport und die Bereitstellung von Integrationshelfern mehr möglich sein würden. Bemühungen des Kultusministeriums um eine anderweitige Praxis brachten keinen Erfolg.
10 
Mit zwei getrennten Schreiben vom 18.6.2008 beantragte der Kläger beim Regierungspräsidium Freiburg zum einen festzustellen, dass die Integrative Waldorfschule ... aufgrund des erfolgreich durchgeführten Schulversuchs als Integrative Waldorfschule rechtlich anzuerkennen ist, sowie zum anderen, den Genehmigungsbescheid des Oberschulamts Freiburg vom 15.9.1995 dahin zu ergänzen, dass die Waldorfschule ... als Ersatzschule mit integrativer Beschulung von bis zu vier sonderschulpflichtigen Kindern pro Klasse genehmigt wird.
11 
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg - Abteilung Schule und Bildung - vom 7.8.2008 wurde der Antrag auf Ergänzung des Genehmigungsbescheids vom 15.9.1995 um die Genehmigung zur integrativen Beschulung von bis zu vier sonderschulpflichtigen Kindern pro Klasse mit der Begründung abgelehnt, es bestehe weder ein Anspruch auf Überführung des Schulversuchs zur Integrativen Beschulung in die Regelform noch sei eine solche Genehmigung bereits konkludent erteilt worden.
12 
Der Kläger hat am 2.9.2008 beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben. Zur Begründung lässt er im Wesentlichen ausführen, das Integrative Schulentwicklungsprojekt an der Schule sei in der Form eines vorläufigen Verwaltungsaktes dergestalt genehmigt worden, dass es mit der - unbestrittenen - erfolgreichen Evaluierung des Versuchslaufs unbefristet weiterlaufe. Dies ergebe sich nicht nur aus dem Regelungsgehalt der jeweiligen Teilgenehmigungen des Projekts, sondern auch aus dem allgemeinen Verständnis des Schulentwicklungsprojekts unter den Beteiligten. Anders als im Bereich des staatlichen Schulwesens habe der Schulversuch nicht unter dem Vorbehalt einer politischen Umsetzungsentscheidung gestanden, sondern ausschließlich der Prüfung der Genehmigungsfähigkeit des dem Projekt zugrunde gelegten Konzepts einer integrativen Waldorfschule gedient. So habe etwa das Staatliche Schulamt Freiburg dem Landratsamt ... mit Schreiben vom 29.7.1999 mitgeteilt, dass die Befristung des Integrativen Schulentwicklungskonzepts lediglich als Zwischenstation der internen Konzeptbildung und nicht als Auslaufen des Modells zu verstehen und davon auszugehen sei, dass bei entsprechender pädagogisch-konzeptioneller Weiterarbeit der Schule die vollständig ausgebaute Waldorfschule mit integrierter Förderung geistig behinderter Kinder entstehen werde. Auch seien die erste Genehmigung vom 17.9.1999 ebenso wie die Verlängerungen des Schulentwicklungsprojekts in ihrer Geltungsdauer stets allein unter den Vorbehalt der Weiterentwicklung der pädagogischen Konzeption bzw. einer positiven pädagogischen Evaluation durch die Schulaufsichtsbehörde gestellt worden. Schließlich beziehe sich die Befristung der Weitergeltung der Genehmigung des Integrativen Schulentwicklungsprojekts in dem Bescheid des Landratsamts ... vom 30.5.2006 „zunächst bis zum Ende des Schuljahres 2007/2008“ ausschließlich auf die Klassen 10 bis 12, sodass davon ausgegangen werden müsse, dass die bis dahin auch für die Klassen 1 bis 9 geltende Befristung des Schulversuchs mit Blick auf die insoweit bereits vorliegende erfolgreiche Evaluation des Schulversuchs für diese Klassen aufgehoben worden sei. In jedem Fall aber bestehe ein Anspruch auf Genehmigung der integrativen Beschulung von bis zu vier sonderschulpflichtigen Schülern im Rahmen des Betriebs der bestehenden Freien Waldorfschule. Dieser ergebe sich aus der Regelung der §§ 3 Abs. 2 und 5 Abs. 1 lit b), Abs. 2 des Privatschulgesetzes. Die integrative Unterrichtung von behinderten Schülern mit sonderpädagogischen Förderbedarf gemeinsam mit Schülern der Regelschule sei ein Unterricht von Schülern unterschiedlicher Begabungsrichtungen in einem einheitlichen Bildungsgang, der nach dem Waldorflehrplan erfolge und zu den dort festgelegten Bildungszielen führe. Der Unterricht werde grundsätzlich von Lehrkräften mit einer abgeschlossenen fachlichen und pädagogischen Ausbildung erteilt und die Schule müsse trotz der Abweichungen in der inneren und äußeren Gestaltung gegenüber einer entsprechenden staatlichen Schule als gleichwertig betrachtet werden. Darauf, dass die über die beantragte Ergänzung entstehende Schule keine Entsprechung in der gesetzlichen Ausgestaltung des öffentlichen Schulsystems des Landes finde, komme es nicht an. Denn nach Art. 7 Abs. 4 GG reiche es aus, dass die betreffende Privatschule in die von den vorhandenen oder grundsätzlich vorgesehenen öffentlichen Schulen geprägte Gesamtkonzeption passe. Die Schüler müssten im Kern die gleichen Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben wie im staatlichen Schulsystem und letztlich zu den staatlichen Abschlüssen geführt werden. Dies alles werde vom Beklagten für die beantragte und erfolgreich evaluierte Konzeption des Klägers für eine integrative Waldorfschule nicht in Frage gestellt. Bei der Anerkennung der integrativen Beschulungsform als gegenüber den staatlichen Regel- und Sonderschulen gleichwertiges Modell sei auch das Diskriminierungsverbot nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG zu beachten. Hinzukomme die Regelung des Art. 24 des - mittlerweile ratifizierten - Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, der in Satz 2 die Vertragsstaaten zur Gewährleistung eines „integrativen Bildungssystems auf allen Ebenen“ verpflichte. Der Ablehnungsbescheid vom 2.11.1995 könne der Genehmigungserteilung für die Klassen 1 bis 4 nicht entgegen gehalten werden, da sich diese Ablehnung auf die Genehmigung einer Grundschule mit besonderer pädagogischer Prägung nach § 3 Abs. 1 PSchG bezogen habe, während nunmehr die Anerkennung einer Integrativen Waldorfschule im Rahmen des § 3 Abs. 2 PSchG beantragt werde. Ein identischer Streitgegenstand sei damit auch nicht teilweise gegeben.
13 
Der Kläger beantragt,
14 
festzustellen, dass im Rahmen des Betriebs der Waldorfschule ... die integrative Beschulung von bis zu vier in einer Sonderschule für Geistigbehinderte schulpflichtigen Kindern pro Klasse unter Zugrundelegung der Waldorfpädagogik und des Waldorflehrplans und der Bildungsziele nach dem Lehrplan der Sonderschulen für geistig Behinderte bereits genehmigt ist,
15 
hilfsweise, den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 7.8.2008 zu verpflichten, ihm in Ergänzung der Genehmigung des Oberschulamts Freiburg vom 15.9.1995 eine Genehmigung zum Betrieb der Waldorfschule als Ersatzschule mit integrativer Beschulung von bis zu vier in einer Sonderschule für Geistigbehinderte schulpflichtigen Kindern pro Klasse zu erteilen.
16 
Der Beklage beantragt,
17 
die Klage abzuweisen.
18 
Er trägt im Wesentlichen vor, das aus pädagogischer Sicht zufriedenstellende Ergebnis des Schulversuchs habe nicht zur Folge, dass hiermit bereits das dem Schulversuch zugrunde liegende Schulentwicklungsprojekt der integrativen Beschulung endgültig genehmigt worden sei. Eine solche endgültige Genehmigung könne auch nicht für die Klassen 1 bis 9 aus der Verlängerung des Schulversuchs in dem Bescheid des Landratsamts ... vom 30.5.2006 für die Klassen 10 bis 12 abgeleitet werden. Die Genehmigungen des Integrativen Schulentwicklungsprojekts als Schulversuch seien sämtlich zeitlich befristet worden, wobei der gesamte Schulversuch von Anfang stets unter dem Vorbehalt einer endgültigen Entscheidung zur Umsetzung der Ergebnisse durch die Schulverwaltung gestanden habe. Dies ergebe sich aus dem objektiven Erklärungswert der Genehmigungsbescheide und sei auch immer von allen Beteiligten so verstanden worden. Die mit dem Hilfsantrag verfolgte Klage auf Erteilung einer Genehmigung zur integrativen Beschulung sei unzulässig, soweit die Genehmigung für die Klassen 1 bis 4 begehrt werde. Der Klageerhebung stehe der Beschluss des VG Freiburg vom 3.5.2000 in der Verwaltungsrechtssache 2 K 749/00 entgegen, mit welchem das ebenfalls auf Erteilung einer Genehmigung der integrativen Beschulung in den Klassen 1 bis 4 gerichtete Klageverfahren nach übereinstimmender Erledigungserklärung eingestellt worden sei. Anders als der Kläger meine, sei dieses Klageverfahren nicht auf eine Genehmigung nach § 3 Abs.1 PSchG, sondern auf eine solche nach § 3 Abs.2 PSchG bezogen gewesen und betreffe deshalb den gleichen Streitgegenstand wie der Hilfsantrag. Soweit die mit dem Hilfsantrag verfolgte Klage auf eine integrative Beschulung der Klassen 5 bis 12 der Waldorfschule ziele, sei diese zulässig, jedoch nicht begründet. Der geltend gemachte Anspruch auf Genehmigung einer solchen Unterrichtsform bestehe nicht. Schulen in freier Trägerschaft könnten nach § 3 Abs.1 PSchG nur dann als Ersatzschulen genehmigt werden, wenn entsprechende öffentliche Schulen bestünden. Dies sei weder für Schulen mit integrativer Beschulung geistig behinderter Schüler und Schülerinnen innerhalb einer Regelschule noch für Waldorfschulen der Fall. Soweit für letztere in § 3 Abs.2 PSchG eine gesetzliche Anerkennung als Ersatzschule gegeben sei, beziehe sich diese ausschließlich auf eine Beschulung nach dem Waldorflehrplan, der zu den dort festgelegten Bildungszielen der Regelschule führe. Die vom Kläger gewünschte integrative Unterrichtung auch von sonderschulpflichtigen Kindern und Jugendlichen mit einer geistigen Behinderung sei dort nicht enthalten. Die für die Anerkennung als Ersatzschule notwendige Entsprechung der integrativen Waldorfschule mit einer öffentlichen Schule ergebe sich auch nicht daraus, dass die integrative Unterrichtung von Schülerinnen und Schülern mit geistiger Behinderung im Rahmen von Kooperationen der Regelschule mit einer entsprechenden Sonderschule auch im öffentlichen Schulsystem vorgesehen sei. Denn bei dieser Kooperation blieben die behinderten Kinder und Jugendlichen nach wie vor Schüler der Sonderschule, während sie nach der vom Kläger zur Genehmigung gestellten Konzeption gemeinsam mit den übrigen Kindern und Jugendlichen ohne Behinderung zu Schülern einer einheitlichen Schule würden, die dann an die Stelle sowohl einer allgemeinen Regelschule als auch an die Stelle einer Sonderschule für Geistigbehinderte treten würde. Die hierin liegende Abweichung vom öffentlichen Schulsystem sei insbesondere für das Finanzierungssystem der Privatschulen erheblich und gehe deshalb in jedem Fall über das nach § 5 Abs.2 PSchG zulässige Maß hinaus. Anders als bei der einer Regelschule entsprechenden Waldorfschule würden private Sonderschulen nicht pro Schüler bezuschusst, sondern einheitlich als Institution. Es sei weder möglich noch gewollt, dass ein einzelner Schüler mit einem Wechsel an eine andere Schule einen anteiligen Zuschussbeitrag im „Rucksacksystem“ an die neue Schule mitnehme. Dieser Erwägung stehe nicht das Verbot der Diskriminierung behinderter Schüler entgegen. Das öffentliche Schulsystem stehe als solches mit Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG in Einklang, sodass auch die Vorgabe dieses Schulsystems für den Bereich der Privatschulen nicht gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen könne. Die Sonderschulbedürftigkeit eines Schülers werde immer erst dann festgestellt, wenn eine Integration in die allgemeine Schule auch mit unterstützenden anderweitigen Leistungen innerhalb des Systems nicht möglich sei. Die im öffentlichen Schulsystem bestehende Möglichkeit eines integrativen zieldifferenten Unterrichts in der Form einer Kooperation zwischen einer allgemeinen Regelschule und einer Sonderschule sei dem vom Kläger begehrten Modell gleichwertig. Der Kläger könne die gewollte Integration ohne Abstriche verwirklichen, indem er eine separate private Sonderschule für geistig Behinderte gründe, die er im Schulverbund mit der Freien Waldorfschule „unter einem Dach“ führen und über die er den integrativen Unterricht in der Form einer Kooperation organisieren können. Die hierbei mögliche Reichweite des integrativen Unterrichts entspreche dem, was nach der Evaluation des Schulversuchs durch den Klägers sinnvoll praktiziert worden sei. Dies werde vom Kläger im Grundsatz ebenso gesehen, der die besondere Organisationsform in der Sache nur deshalb begehre, weil er damit rechne, dass die Landkreise in dem Fall des Betriebs einer eigenständigen Sonderschule die bisher gewährten Zuschüsse zu den Schülerfahrten sowie die im Rahmen der Eingliederungshilfe gewährten Assistenzdienste im Unterricht kürzen bzw. streichen. Entgegen der Auffassung des Klägers könne der Genehmigungsanspruch auch nicht aus Art. 24 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen abgeleitet werden. Denn abgesehen davon, dass dieses Übereinkommen trotz der mittlerweile erfolgten Ratifizierung keine justiziablen Rechte einzelner begründe und die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Gewährleistung eines integrativen Bildungssystems auf die - unstreitig gegebene - Sicherstellung des Rechts von Menschen mit Behinderungen auf den diskriminierungsfreien Zugang zu den Bildungssystemen beschränkt sei, trage das Bildungssystem des Landes Baden-Württemberg der Verpflichtung zur Gewährleistung eines "integrativen Bildungssystems" selbst dann ausreichend Rechnung, wenn diese nicht nur auf den Zugang, sondern auch auf die entsprechende Ausgestaltung des Bildungswesens gerichtet sein sollte.
19 
Der Kammer liegen die Akten des Regierungspräsidiums Freiburg zur Ersatzschulgenehmigung der Freien Waldorfschule ... (2 Hefte) sowie die Akte des damaligen Oberschulamts Freiburg zur Genehmigung einer Freien Waldorf-Grundschule (1 Heft) vor. Beigezogen wurde ferner die Akte des Verwaltungsgerichts zu dem Klageverfahren 2 K 794/00 sowie die Akte des Antragsverfahrens einer potentiellen Schülerin mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf Aufnahme in die Schule des Klägers (2 K 1452/08). Auf den Inhalt dieser Akten sowie auf die Schriftsätze in der Klageakte wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
20 
1. Die mit dem Hauptantrag verfolgte Feststellungsklage ist nach § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Eine Subsidiarität gegenüber der Verpflichtungsklage nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO besteht nicht, da die Verpflichtung zur Erteilung eines bereits erteilten Verwaltungsakts nicht begehrt werden kann.
21 
2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Dem Kläger ist bislang keine Genehmigung erteilt worden, an der Freien Waldorfschule in ... integrativ auch bis zu vier in einer Sonderschule für Geistigbehinderte schulpflichtige Kinder pro Klasse unter Zugrundelegung der Waldorfpädagogik und des Waldorflehrplans sowie der Bildungsziele nach dem Lehrplan der Sonderschulen für Geistigbehinderte zu beschulen.
22 
Eine solche Genehmigung lässt sich nicht aus der - aus der Sicht der Beteiligten unstreitig beanstandungsfreien - Durchführung des „Integrativen Schulentwicklungsprojekts zur gemeinsamen schulischen Förderung von Schülern mit geistiger Behinderung und Nichtbehinderten in der Freien Waldorfschule ...“ und der diesem Projekt zugrunde liegenden Genehmigungen ableiten. Entgegen der Auffassung des Kläger-Bevollmächtigten kann weder der Genehmigung des Schulentwicklungsprojekts durch Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 17.9.1999 noch den Bescheiden des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 18.7.2002 und des Landratsamts ... vom 30.5.2005 zur Verlängerung dieses Projekts ein entsprechender Regelungsgehalt entnommen werden.
23 
a) Die Kammer ist der Überzeugung, dass der Kläger nach den ihm bekannten oder erkennbaren maßgeblichen Gesamtumständen im Zeitpunkt des Empfangs den Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 17.9.1999 ausschließlich so verstehen durfte und auch verstanden hat, dass die Fortführung des in diesem Bescheid beschriebenen Schulentwicklungsprojekts nach Abschluss der Erprobungsphase noch einer eigenständigen weiteren Genehmigung der Schulverwaltung bedarf und nicht bereits - wenn auch durch die Feststellung des pädagogischen Erfolgs aufschiebend bedingt - endgültig genehmigt ist.
24 
Dies ergibt sich daraus, dass der Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 17.9.1999 wörtlich auf die Genehmigung der Durchführung eines „Schulversuchs“ an der Freien Waldorfschule des Klägers gerichtet ist. Mit dieser Anknüpfung an die Regelungen des § 22 SchulG wurde klar zum Ausdruck gebracht, dass die Ermöglichung der integrativen Beschulung von geistig behinderten Schülerinnen und Schülern an einer Freien Waldorfschule vorrangig auf die pädagogische und schulorganisatorische Erprobung eines solchen Konzepts gerichtet ist und die Frage der endgültigen Genehmigung dieser Schulform - wie auch sonst bei Schulversuchen - einer nach Beendigung des Schulversuchs zu treffenden eigenständigen Entscheidung der Schulverwaltung vorbehalten bleibt.
25 
Dem steht nicht entgegen, dass die Regelung des § 22 SchulG auf die Durchführung eines Schulversuchs an einer öffentlichen Schule im Sinne des § 2 Abs. 1 SchulG beschränkt ist und im Bereich der Privatschulen keine unmittelbare Anwendung findet (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 SchulG). Denn selbst wenn die Genehmigung des Schulversuchs deshalb rechtswidrig gewesen wäre, hätte dies auf die Bestimmung ihres konkreten Regelungsgehalts keine Auswirkung, da der Rechtmäßigkeit einer Regelung allenfalls dann Bedeutung zukommen kann, wenn diese objektiv mehrdeutig ist und Zweifel darüber bestehen, in welcher Weise der Empfänger die Regelung verstehen durfte (Kopp/Ramsauer, VwVfG Kommentar, 10. Aufl. 2008, § 35 Rn. 18 ff; Gurlit in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2005, § 27 III, Rn. 9 m.w.N.). Diese Situation ist hier jedoch nicht gegeben. Im Übrigen war es weder nach der Struktur des Privatschulwesens noch nach dem Zweck des § 22 SchulG ausgeschlossen, den Kläger in entsprechender Anwendung des § 22 SchulG in den Schulversuch zur integrativen Beschulung von geistig behinderten Kindern und Jugendlichen in Regelschulen einzubinden. Denn auch wenn Schulen in freier Trägerschaft bereits aufgrund ihrer Privatschulfreiheit im stärkeren Maße in der Lage sind, pädagogische und organisatorische Konzepte zu erproben, als dies im Bereich des öffentlichen Schulwesens der Fall ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.3.1994 - 1 BvR 1369/90 -, BVerfGE 90, 128 140; BVerwG, Urt. v. 13.12.2000 - 6 C 5.00 -, BVerwGE 112, 263, 268 f.), bestand hier die Besonderheit, dass die privatschulrechtliche Genehmigungsfähigkeit der vom Kläger begehrten integrativen Beschulung von der Schulverwaltung bereits dem Grunde nach bestritten wurde, zugleich aber über den Schulversuch eine - aus der Sicht der Schulverwaltung auch für den Fall des Klägers notwendige - politische Entscheidung zur Änderung des öffentlichen Schulwesens vorbereitet werden sollte.
26 
Für das Verständnis der Genehmigung vom 17.9.1999 als Regelung eines Schulversuchs im Sinne des § 22 SchulG spricht auch, dass es der Kläger war, der im Vorfeld der Genehmigungserteilung aktiv die Einbeziehung der integrativen Beschulung von geistig behinderten Schülerinnen und Schulen an seiner Waldorfschule in den zeitgleich an einigen öffentlichen Schulen des Landes durchgeführten Schulversuch betrieben hatte. Dieses Bemühen zeigt sich in dem Antrag des damaligen Bevollmächtigten des Klägers im Jahr 1998 beim Ministerium für Kultus und Sport auf Einrichtung eines „Modellversuchs“, in dem das Konzept der integrativen Beschulung für den Bereich der Grundschulklassen erprobt werden sollte (vgl. den Aktenvermerk in der Akte des Oberschulamts Freiburg zur Genehmigung der Freien Waldorf-Grundschule, S.119), sowie in der zeitgleich im Widerspruchsverfahren gegen die Ablehnung der Genehmigung einer privaten Grundschule mit integrativer Beschulung erfolgten Berufung auf die Bestätigung des Leiters der Arbeitsgruppe zur wissenschaftlichen Begleitung der Schulversuche, Prof. Dr. ..., dass eine Erprobung der integrativen Beschulung auch im Waldorfbereich eine wertvolle Ergänzung darstellen würde (Akte des Oberschulamts Freiburg zur Genehmigung der Freien Waldorf-Grundschule, S. 40).
27 
Für das objektive Verständnis der Genehmigung vom 17.9.1999 als isolierte Erlaubnis eines Schulversuchs ist weiter maßgeblich, dass sowohl die damalige Kultusministerin in ihrem Schreiben vom 27.6.1994 (Behördenakte Regierungspräsidium Freiburg „Freie Waldorfschule ..., Bd. 1, S 31 ff) als auch später der Sachbearbeiter in seinem Schreiben vom 13.8.1996 (Akte des Oberschulamts Freiburg zur Genehmigung der Freien Waldorf-Grundschule, S. 60) im Vorfeld der Genehmigung des Schulversuchs gegenüber dem Kläger betont hatten, dass die Genehmigung einer Ersatzschule mit integrativer Beschulung aus ihrer Sicht rechtlich nicht möglich sei und deshalb einer nach Abschluss des auch im Bereich des öffentlichen Schulwesens laufenden Schulversuchs zu treffenden politischen Grundentscheidung bedürfe.
28 
Hinzu kommt schließlich, dass die Schulverwaltung den Charakter des Schulentwicklungsprojekts als „Schulversuch“ stets auch während des Laufs dieses Projekts betont hat, ohne dass der Kläger in diesem Zusammenhang ein anderes Verständnis von der Genehmigung vorgebracht hätte. So hat der Kläger am 29.7.2004 etwa die Fortführung des Schulentwicklungsprojekts bis zum Ende des Schuljahrs 2006/2007 „unter den bisherigen Bedingungen“ beantragt, obwohl mit ihm im Rahmen der Evaluationsbesuche des Staatlichen Schulamts Freiburg am 20.5.2003 (Behördenakte Regierungspräsidium Freiburg „Freie Waldorfschule ..., Bd. 1, S. 215) und am 22./23.6.2004 (Behördenakte Regierungspräsidium Freiburg „Freie Waldorfschule ..., Bd. 2, S. 4) die Problematik einer zukünftigen Organisationsform der Schule nach Auslaufen des Schulversuchs besprochen worden war und das Protokoll zum Evaluationsbesuch am 22./23.6.2004 ausdrücklich mit dem Votum der Genehmigungsbehörde endet: „Unter diesen Bedingungen könnten wir der letztmaligen Verlängerung als Schulversuch zustimmen. Danach muss eine dauerhafte und organisatorisch tragfähige Form entwickelt und umgesetzt werden.“ Dem entspricht es, dass der Kläger sich in seinem eigenen Informationsschreiben an die Mitglieder des Schulausschusses im Landtag vom 28.12.2005 über das Integrative Schulentwicklungsprojekt (Behördenakte Regierungspräsidium Freiburg „Freie Waldorfschule ..., Allgemeines, Bd. 2, S. 67ff) zum Ziel gesetzt hat, „die integrative Beschulung in dieser Form weiterzuführen und eine dauerhafte Genehmigung dafür zu erhalten“. Wäre der Kläger davon ausgegangen, dass eine eigenständige Entscheidung nach Abschluss des Schulversuchs über die weitere Organisationsform der integrativen Beschulung nicht mehr notwendig ist, da die Genehmigung vom 17.9.1999 die Fortführung des bisherigen Modells allein unter den Vorbehalt eines pädagogischen Erfolgs des Versuchs gestellt hat, hätte er dies in irgendeiner Form besonders zum Ausdruck gebracht.
29 
Dem - wie dargestellt - eindeutigen übereinstimmenden Verständnis vom Regelungsgehalt der Schulversuchsgenehmigung vom 17.9.1999 steht nicht entgegen, dass - worauf der Kläger-Bevollmächtigte hinweist - das Staatliche Schulamt dem Landratsamt ... mit Schreiben vom 29.7.1999, also noch vor der Genehmigungserteilung, mitgeteilt hat, dass die Befristung des Integrativen Schulentwicklungskonzepts „lediglich als Zwischenstation der internen Konzeptbildung und nicht als Auslaufen des Modells zu verstehen und davon auszugehen (sei), dass bei entsprechender pädagogisch-konzeptioneller Weiterarbeit der Schule die vollständig ausgebaute Waldorfschule mit integrierter Förderung geistig behinderter Kinder entstehen“ werde. Denn abgesehen davon, dass diese - auch dem Kläger zur Kenntnis gegebene - Einschätzung das tatsächliche Verständnis der Beteiligten von der später getroffenen Regelung offensichtlich nicht beeinflusst hat, ist mit dieser Mitteilung inhaltlich noch keine Aussage darüber getroffen worden, in welcher konkreten Organisationsform diese integrative Förderung behinderter Kinder an der Waldorfschule dann tatsächlich erfolgen werden wird.
30 
b) Lässt sich dem Bescheid des Staatlichen Schulamts vom 17.9.1999 keine durch den pädagogischen Erfolg des Projekts aufschiebend bedingte Genehmigung der dem Schulentwicklungsprojekt zugrunde liegenden integrativen Schul- und Unterrichtsform entnehmen, so gilt dies auch für die Verlängerung des Projekts in den Bescheiden des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 18.7.2002 und des Landratsamts ... vom 30.5.2005.
31 
Der Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 18.7.2002 knüpfte - nach Ablauf der Frist und Vorlage der Weiterentwicklung des Konzepts des Klägers - an die inhaltliche und zeitliche Begrenzung der Schulversuchsgenehmigung vom 17.9.1999 an und erstreckte die Weitergeltung des Schulversuchs zur integrativen Beschulung der entsprechend herangewachsenen Schüler auf den weiteren Bereich der Oberstufe des Bildungsgangs der Sonderschule bzw. der Klassenstufen 7 bis 9 an der Freien Waldorfschule. Dabei wurde durch den gleichzeitig erfolgten Hinweis auf die Weitergeltung der Genehmigung vom 17.9.1999 hinreichend deutlich gemacht, dass mit der Erweiterung des Schulentwicklungsprojekts keine endgültige Genehmigung der bereits in einem ersten Durchlauf erprobten Integrativen Beschulung in den Klassen 1 bis 6 verbunden sein sollte, dass aber im Rahmen des Schulversuchs weiterhin in jeweils neu beginnenden Klassen auch Schüler mit besonderem Förderbedarf in einer Sonderschule für Geistigbehinderte aufgenommen und integrativ beschult werden können.
32 
Gleiches gilt für die ausdrücklich als „Weitergenehmigung des Schulversuchs“ bezeichnete Erstreckung der Genehmigung des Schulentwicklungsprojekts auch auf die der Werkstufe an einer Sonderschule für Geistigbehinderte entsprechenden Klassen 10 bis 12 in dem Bescheid des Landratsamts ... vom 30.5.2005. Soweit hier der Schulversuch ohne Differenzierung „zunächst bis zum Ende des Schuljahrs 2007/2008 befristet“ wird, ist dies nach den Umständen des gesamten Schulversuchs dahin zu verstehen, dass nach dem Ablauf der Frist ein Neuaufnahmestopp in der 1. Klassenstufe eintreten und das Schulentwicklungsprojekt - jedenfalls dann, wenn die Fortführung nicht genehmigt wird - über die Weiterführung der integrativen Beschulung (allein) der bereits aufgenommenen Schülerinnen und Schüler mit geistiger Behinderung auslaufen soll. Die gegenteilige Auffassung des Kläger-Bevollmächtigten, der aus der missverständlichen, weil möglicherweise auf einen vollständigen und abrupten Abbruch der integrativen Beschulung insgesamt gerichteten Befristung ableitet, dass diese allein auf die notwendige Erprobung des integrativen Unterrichts in der Werkstufe bezogen sein könne und im Übrigen (konkludent) eine endgültige Genehmigung enthalte, teilt die Kammer daher nicht. Dabei zeigen insbesondere die vielfältigen politischen Bemühungen um eine Verlängerung des Projekts, dass auch der Kläger die letzte Verlängerungsentscheidung nicht im Sinne einer Erteilung der Ersatzschulgenehmigung zur integrativen Beschulung in den Klassenstufen 1 bis 9 verstanden hat.
II.
33 
Der nach Abweisung des Hauptantrags zum Tragen kommende Hilfsantrag des Klägers auf Verpflichtung zur Erteilung der Ersatzschulgenehmigung zur integrativen Beschulung von geistig behinderten Kindern hat Erfolg.
34 
1. Die Klage ist in der Form einer Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO zulässig.
35 
Eines Widerspruchsverfahrens als Vorverfahren vor Erhebung der Klage bedurfte es gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 6a Satz 1 AGVwGO a.F. (nunmehr: § 15 Abs. 1 S. 1 AGVwGO idF. v. 14.10.2008, GBl S. 343) nicht, da die beantragte Ersatzschulgenehmigung durch das Regierungspräsidium abgelehnt worden ist.
36 
Entgegen der Auffassung des Beklagten steht der Zulässigkeit der Klage auch nicht teilweise entgegen, dass das Staatliche Schulamt bereits mit Bescheid vom 2.11.1995 einen Antrag des Klägers auf Genehmigung der Errichtung und des Betriebs einer Grundschule abgelehnt hat, an der auf der Grundlage des Waldorflehrplans und unter Anwendung der Waldorfpädagogik integrativ auch geistig behinderte Kinder unterrichtet werden sollten. Denn die Klage ist nicht auf diesen Antrag und die bestandskräftige Ablehnungsentscheidung vom 2.11.1995 bezogen, sondern auf den neuen Antrag des Klägers vom 18.6.2008 auf Genehmigung zur integrativen Beschulung von geistig behinderten Kindern und Jugendlichen in der vorhandenen Freien Waldorfschule. Mit dem Einwand des Beklagten zur Bestandskraft des Ablehnungsbescheids vom 2.11.1995 ist der Streitgegenstand dieser Klage (nur) insoweit betroffen, als der Beklagte dem neuen Genehmigungsantrag des Klägers eine aus seiner Sicht bestehende Bindungswirkung der ersten Ablehnungsentscheidung entgegenhält. Da nach den Darlegungen des Klägers jedenfalls die zur Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach § 42 Abs. 2 VwGO notwendige hinreichende Möglichkeit besteht, dass dieser Einwand zu Unrecht erhoben wird und dem Kläger der Anspruch auf die begehrte Ersatzschulgenehmigung im vollen Umfang zusteht, bleibt die mit einer solchen Bindungswirkung der Ablehnungsentscheidung vom 2.11.1995 verbundene Problematik der materiellen Rechtmäßigkeit der Ablehnungsentscheidung vom 7.8.2008 der Prüfung der Begründetheit der Klage vorbehalten.
37 
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das nach Ablehnung des Genehmigungsantrags vom 4.5.1995 vom Kläger anhängig gemachte Klageverfahren nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 3.5.2000 - 2 K 794/00 - eingestellt worden ist. Denn mit der in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 2 VwGO erfolgenden Einstellung eines Verfahrens wird keine der materiellen Rechtskraft fähige Entscheidung des Gerichts über den anhängigen Streitgegenstand getroffen, die einen Rechtsstreit in gleicher Sache unzulässig machen würde. Die vom Beklagten für seine Auffassung zitierte Kommentarstelle ergibt nichts anderes.
38 
Entgegen der Anregung des Beklagten sieht die Kammer nach Ermessen von dem Erlass eines Zwischenurteils nach § 109 VwGO zur (Teil-)Zulässigkeit des Hilfsantrags des Klägers ab. Denn abgesehen davon, dass die vom Kläger aufgeworfene Problematik der Zulässigkeit der Verpflichtungsklage keine besonderen, in einer weiteren Instanz klärungsbedürftigen Rechtsfragen aufwirft, brächte ein solches Urteil weder eine Beschleunigung des Verfahrens noch die Möglichkeit einer vereinfachenden Abschichtung von Streitfragen mit sich. Das Gericht wäre auch nach einer Zuführung der vom Beklagten aufgeworfenen Zulässigkeitsfrage in einen Zwischenstreit nicht von der Aufgabe enthoben, den Rechtsstreit im Übrigen, d.h. hinsichtlich des Hauptantrags und des Hilfsantrags in Bezug auf die Klassen 5 bis 12, auch inhaltlich zu entscheiden. Dabei konnte der Beklagte auch inhaltlich zur Klage Stellung nehmen, ohne einen möglicherweise berechtigten Einwand zu ihrer Unzulässigkeit zu verlieren. Die Rechtsprechung zur Entbehrlichkeit eines Vorverfahrens bei inhaltlicher Einlassung des auch für das Widerspruchsverfahren zuständigen Beklagten im Prozess ist auf die hier gegebene Konstellation nicht übertragbar.
39 
2. Die Klage ist begründet. Der Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 7.8.2008, mit welchem der Antrag des Klägers vom 18.6.2008 auf Ergänzung der Ersatzschulgenehmigung vom 15.9.1995 um die Genehmigung zur integrativen Beschulung von bis zu vier sonderschulpflichtigen Kindern pro Klasse abgelehnt worden war, ist rechtwidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
40 
Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung zum Betrieb der Freien Waldorfschule Emmendingen als Ersatzschule mit integrativer Beschulung von bis zu vier in einer Sonderschule für Geistigbehinderte schulpflichtigen Kindern pro Klasse. Dieser Anspruch lässt sich zwar nicht aus dem Privatschulgesetz des Landes Baden-Württemberg ableiten (hierzu zu a), er ergibt sich jedoch unmittelbar aus Art. 7 Abs. 4 GG (hierzu zu b). Der Genehmigungsanspruch umfasst dabei auch eine integrative Beschulung in den Klassen 1 bis 4; diesem stehen weder die besonderen Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 5 GG noch die Bindungswirkung der bestandskräftigen Ablehnung der Genehmigung einer integrativen Grundschule mit Waldorfpädagogik vom 2.11.1995 entgegen (hierzu zu c).
41 
a) Nach § 5 Abs. 1 des Privatschulgesetzes des Landes Baden-Württemberg setzt die Erteilung der Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Schule in freier Trägerschaft, an der Kinder und Jugendliche ihre Schulpflicht erfüllen können, voraus, dass diese eine Ersatzschule im Sinne des § 3 PSchG darstellt. Abgesehen von der - hier nicht einschlägigen - Möglichkeit nach § 3 Abs. 2 Satz 2 PSchG, dass diese durch Rechtsverordnung der Landesregierung zu einer Ersatzschule erklärt wird, ist diese Genehmigungsvoraussetzung nur dann erfüllt, wenn im Lande entsprechende öffentliche Schulen bestehen (§ 3 Abs. 1 PSchG) oder wenn es sich bei der Schule um eine Freie Waldorfschule im Sinne der Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG handelt.
42 
Die vom Kläger zur Genehmigungserteilung gestellte Schulform einer Freien Waldorfschule, an der in den Klassen 1 bis 12 gemeinsam mit den übrigen Schülerinnen und Schülern jeweils auch bis zu vier Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden, die nach §§ 15 Abs. 1, 82 Abs. 1 SchulG zur Erfüllung ihrer Schulpflicht zum Besuch einer Sonderschule für Geistigbehinderte verpflichtet sind, ist weder in der einen noch in der anderen Form eine Ersatzschule im Sinne dieser Regelung.
43 
Dies ergibt sich hinsichtlich der Regelung des § 3 Abs. 1 PSchG daraus, dass nach der Gliederung des öffentlichen Schulwesens in Baden-Württemberg (§§ 3 bis 15 SchG) eine dieser Schule entsprechende öffentliche Schule bereits nach ihrer Schulart weder tatsächlich besteht noch grundsätzlich vorgesehen ist (zum Begriff der regelschulakzessorischen Schule nach § 3 Abs. 1 vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.2.1991 - 9 S 2315/89 -, VBlBW 1992, 226). Immerhin soll die zur Genehmigung gestellte Schule insgesamt weiterhin in der Form einer Freien Waldorfschule geführt werden, an der Schüler in einem - im öffentlichen Schulwesen nicht vorgesehenen - einheitlichen Bildungsgang von Klasse 1 bis Klasse 12 unterrichtet werden und für die der Gesetzgeber deshalb in § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG eine besondere Anerkennung als Ersatzschule ausgesprochen hat. Vor allem aber ist im Bereich des öffentlichen Schulwesens keine Schule vorgesehen, an der Kinder- und Jugendliche, die aufgrund ihres sonderpädagogischen Förderbedarfs in einer Sonderschule für Geistigbehinderte schulpflichtig sind, als eigene Schüler gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern unterrichtet werden, für die ein solcher Förderbedarf nicht besteht. Die nach § 15 Abs. 5 und 6 SchulG gegebenen Möglichkeiten eines Unterrichts etwa für sonderschulpflichtige Kinder mit geistiger Behinderung auch an allgemeinen Schulen ist auf Kooperationen dieser Schulen mit der entsprechenden Sonderschule beschränkt, ohne dass die sonderschulpflichtigen und die übrigen Schülerinnen und Schülern rechtlich Schüler einer gemeinsamen Klasse und Schule würden. Die nach § 107 Abs. 1 Satz 1 SchulG als Schulen besonderer Art geführten öffentlichen Gesamtschulen sind zwar für die Klassenstufen 5 bis 10 von einer Gliederung nach Schularten befreit, doch ist dies auf den Bereich der Haupt- und Realschulen sowie der Gymnasien beschränkt und erfasst gerade nicht die Beschulung von sonderschulpflichtigen Kindern. Die in § 15 Abs. 1 Satz 1 und 4 SchulG gegebene Möglichkeit der Beschulung behinderter Schüler in allgemeinen Schulen setzt voraus, dass diese, und sei es mit besonderer Unterstützung, dem jeweiligen Bildungsgang an der allgemeinen Schule folgen können, erfasst also ebenfalls nicht die Schülerinnen und Schüler, deren Förderbedarf gerade einen eigenen Bildungsgang erfordert und die deshalb im Rahmen eines gemeinsamen Unterrichts mit Schülerinnen und Schülern ohne Förderbedarf zieldifferent unterrichtet werden müssten.
44 
Die Ersatzschuleigenschaft der vom Kläger begehrten integrativen Waldorfschule ergibt sich auch nicht aus der Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG. Zwar ist die vom Kläger bisher betriebene Schule unstreitig eine Freie Waldorfschule, die - entsprechend § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG - in einem einheitlichen Bildungsgang von Klasse 1 bis Klasse 12 Schüler unterschiedlicher Begabungsrichtungen nach dem Waldorflehrplan (Pädagogik Rudolf Steiner) zu den dort festgelegten Bildungszielen führt und auch in ihrer Klasse 13 auf der Klasse 12 der Waldorfschule aufbauend auf die Hochschulreife vorbereitet. Auch werden im Rahmen der vom Kläger geplanten integrativen Unterrichtung von geistig behinderten Schülerinnen und Schülern „von Klasse 1 bis Klasse 12 Schüler unterschiedlicher Begabungsrichtungen“ unterrichtet. Weiter kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass die Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf (zumindest auch) zu den allgemeinen (anthroposophischen) Bildungszielen der Waldorfpädagogik geführt werden. Allerdings erfordert die gesetzliche Bestimmung der Freien Waldorfschulen zu Ersatzschulen zusätzlich, dass die Schülerinnen und Schüler „in einem einheitlichen Bildungsgang“ „nach dem Waldorflehrplan (Pädagogik Rudolf Steiner)“ unterrichtet werden. Dies ist bei den Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in einer Sonderschule für Geistigbehinderte nicht in der gebotenen Form der Fall. Denn die Bezugnahme auf den „einheitlichen Bildungsgang“ und den „Waldorflehrplan“ in § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG ist allein auf den Bereich beschränkt, in dem die Freien Waldorfschulen an die Stelle der allgemeinen Regelschulen treten. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Regelung und ihrem hieraus erklärbaren Zweck.
45 
Die gesetzliche Erklärung der Freien Waldorfschulen zu Ersatzschulen wurde mit dem Gesetz zur Änderung des Privatschulgesetzes vom 13.11.1995 (GBl. S. 764) in das Privatschulgesetz eingefügt. Dabei sollten - wie die Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung (LT-Drs. 11/6523, S. 8) zeigt, „die Freien Waldorfschulen, die nach der (…) Rechtsverordnung der Landesregierung vom 13. November 1973 zu Ersatzschulen erklärt wurden, (…) nun kraft Gesetzes Ersatzschulen werden“. Von dieser Rechtsverordnung der Landesregierung über die Freien Waldorfschulen vom 13.11.1973 (GBl. 454) waren jedoch allein die Waldorfschulen erfasst, die an die Stelle der allgemeinen Regelschulen treten. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Klammerzusatz zur Überschrift der Rechtsverordnung (Einheitliche Volks- und Höhere Schulen), sondern auch aus dem Verständnis der Landesregierung zum Ersatzschulcharakter der Freien Waldorfschulen, wie es in ihrer Einlassung in dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zu den Schulbaukosten (1 BvR 1369/90, vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.3.1994, BVerfGE 90, 128, 135) zu Tage tritt und nach dem Freie Waldorfschulen aufgrund ihrer Verschiedenartigkeit zu den öffentlichen Schulen allein durch die Erklärung in der Rechtsverordnung, nicht jedoch aus eigenem Recht zu Ersatzschulen werden.
46 
Entgegen der Auffassung des Kläger-Bevollmächtigten kann die gesetzliche Erklärung der Waldorfschulen zu Ersatzschulen nicht im Wege der verfassungskonformen Auslegung dahin erweitert werden, dass hiervon auch die integrative Beschulungsmöglichkeit von sonderschulpflichtigen Kindern an der Schule des Klägers erfasst wird.
47 
Dem steht bereits der Wortlaut der Regelung entgegen. Denn auch wenn - trotz der in den höheren Klassen unzweifelhaft gegebenen und auch notwendigen Differenzierungen - unterstellt wird, dass die geistig behinderten Schülerinnen und Schüler noch in einem hinreichend „einheitlichen Bildungsgang“ unterrichtet werden, ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung festzuhalten, dass der Unterricht dieser Schülergruppe in Ermangelung spezifischer Vorgaben im aktuellen Waldorflehrplan zumindest auch wesentlich auf der Grundlage des Lehrplans an Sonderschulen für Geistigbehinderte erfolgt und deshalb das entsprechende Tatbestandsmerkmal des Unterrichts nach dem Waldorflehrplan selbst dann nicht erfüllt wäre, wenn die Möglichkeit einer Weiterentwicklung dieses Lehrplans über den Bereich der allgemeinen Regelschulen hinaus anerkannt würde.
48 
Nicht ausreichend ist in diesem Zusammenhang, dass der Waldorflehrplan - nach Aussagen der Vertreterin der Schule des Klägers sowie des Vorstandsmitglieds des Bundes der Freien Waldorfschulen e.V., Dr. H., in der mündlichen Verhandlung - im Grundansatz inhaltlich für die Bedürfnisse eines jeden einzelnen Kindes offen ist und deshalb auch in die Richtung der integrativen Unterrichtung von geistig behinderten Schülerinnen und Schülern weiterentwickelt werden kann. Denn mit der Anerkennung einer solchen jeweils individuell möglichen Fortentwicklung oder Anpassung des Waldorflehrplans würde die Reichweite der gesetzlichen Erklärung einer Freien Waldorfschule zu einer Ersatzschule im Sinne des Privatschulgesetzes letztlich allein in die individuelle Bestimmungsmacht der Freien Waldorfschule gelegt und jegliche Konturen verlieren. Dies wäre mit dem - die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung begrenzenden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985, - 2 BvR 397 - 399/82 -, BVerfGE 70, 35, 63 f m.w.N.) - erkennbaren gesetzgeberischen Ziel der nur beschränkten Einbeziehung von Freien Waldorfschulen in den Anwendungsbereich des Privatschulgesetzes nicht mehr zu vereinbaren.
49 
Hiervon abgesehen ist eine erweiternde verfassungskonforme Auslegung des § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG auch nicht erforderlich. Denn die in Art. 7 Abs. 4 GG verbürgte Privatschulfreiheit wird hinreichend dadurch gewährleistet, dass dem freien Schulträger bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen ein Anspruch auf Genehmigung der Errichtung und des Betriebs einer Ersatzschule unmittelbar über Art. 7 Abs. 4 Satz 2 und 3 GG eingeräumt ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.11.1969 - 1 BvL 24/64 -, BVerfGE 27, 195, 200; BVerwG, Urt. v. 13.12.2000 - 6 C 5.00 -, BVerwGE 112, 263, 266; Beschl. v. 10.9.1990 - 7 B 119.90 -, Buchholz 11 Art. 7 Abs. 4 GG Nr. 34 S. 27; Badura in Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, (Stand Oktober 2008), Art. 7 Rn. 111; Niehues/Rux, Schul- und Prüfungsrecht, Bd. 1 Schulrecht, 4. Aufl. 2006, S. 254 Rn. 952 f.). Damit kann auch bei einer unzureichenden Ausgestaltung des Genehmigungsanspruchs durch den Landesgesetzgeber kein grundrechtswidriger Zustand eintreten.
50 
Angesichts der gegebenen gesetzlichen Fixierung der Erklärung Freier Waldorfschulen zu Ersatzschulen auf den Bereich der allgemeinen Regelschulen bedurfte es keiner weiteren - vom Kläger-Bevollmächtigten hilfsweise angeregten - Beweiserhebung zu der Frage, ob die integrative Beschulung von behinderten Schülerinnen und Schülern an Waldorfschulen zu den im Waldorflehrplan Rudolf Steiners festgelegten Bildungszielen gehört. Hinzu kommt, dass dem Klageantrag des Klägers - wie im Folgenden darzustellen ist - unabhängig davon entsprochen wird, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG erfüllt sind.
51 
b) Der Betrieb der Freien Waldorfschule ... mit integrativer Beschulung von geistig behinderten Schülerinnen und Schülern entspricht den Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 GG, sodass sich der Anspruch auf Erteilung einer staatlichen Genehmigung dieses Betriebs unmittelbar aus dieser Norm ergibt.
52 
aa) Entgegen der Auffassung des Beklagten unterfällt die vom Kläger zur Genehmigung gestellte Form der Freien Waldorfschule mit integrativer Unterrichtung von geistig behinderten Kindern und Jugendlichen als Ersatzschule der Regelung des Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG. Die Schule wird auch in dieser Form als „Ersatz für eine öffentliche Schule“ errichtet und betrieben. Insoweit kommt es, anders als nach der Regelung des § 3 Abs. 1 PSchG, nicht darauf an, ob die zur Genehmigung gestellte Privatschule einem im Landesschulrecht vorgesehenen Schultyp entspricht. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Privatschule „nach dem mit ihrer Errichtung verfolgten Gesamtzweck als Ersatz für eine in dem Land vorhandene oder grundsätzlich vorgesehene öffentliche Schule dienen soll“ (BVerfG, Beschl. v. 14.11.1969, a.a.O.; Beschl. v. 9.3.1994, - 1 BvR 1369/90 -, BVerfGE 90, 128, 139; BVerwG, Urt. v. 13.12.2000, a.a.O., 266 f.).
53 
Zwar wird die grundrechtliche Gewährleistung der Privatschulfreiheit über das Merkmal des „Ersatzes für eine öffentliche Schule“ insoweit der Ausgestaltung durch das Landesrecht überantwortet, als dieses über die Regelung des öffentlichen Schulwesens den Bereich festlegt, dem die Privatschulen in ihrer Ersatzfunktion entsprechen müssen (kritisch hierzu Rennert, Entwicklungen in der Rechtsprechung zum Schulrecht, DVBl. 2001, 504, 514). Allerdings folgt aus dem hiermit umschriebenen Grundsatz der Akzessorietät der privaten Ersatzschule zum öffentlichen Schulwesen keine zwingende Bindung an den Numerus Clausus der im öffentlichen Schulwesen anerkannten Schultypen. Entscheidend ist nicht die äußere Form des Schulwesens; vielmehr reicht es aus, dass sich die Privatschule so in die Gesamtkonzeption des Landesgesetzgebers einpasst, dass die in dieser Konzeption erkennbaren Zielsetzungen des Staates auch im Rahmen der mit der Genehmigung einer Ersatzschule verbundenen Möglichkeit der Erfüllung der Schulpflicht hinreichend Beachtung finden. Dabei ist maßgeblich auf die angestrebten Bildungsabschlüsse und die vom Landesgesetzgeber vorgegebene pädagogische Gesamtkonzeption abzustellen, die hinter der Struktur des öffentlichen Schulwesens im Lande steht (hierzu BVerwG, Urt. v. 13.12.2000, a.a.O., 266 f.; BVerwG, Urt. v. 18.12.1996 - 6 C 6.95 -, BVerwGE 104, 1, 7 ff; zustimmend Badura, a.a.O., Rn. 115; Niehues/Rux, a.a.O., Rn. 946; Vogel, Zur Genehmigung von Ersatzschulen, DÖV 2008, 895, 898).
54 
Nach diesem Maßstab stellt die vom Kläger konzipierte und zur Genehmigung gestellte Schulform der integrativen Beschulung von sonderschulpflichtigen Schülerinnen und Schulen in den Klassen seiner Freien Waldorfschule einen „Ersatz für eine öffentliche Schule“ dar. Dies gilt zunächst im Hinblick auf die angestrebten Bildungsabschlüsse. Sowohl die integrativ beschulten Kinder und Jugendlichen mit geistiger Behinderung und besonderem Förderbedarf als auch die Schülerinnen und Schüler ohne eine solche Einschränkung ihrer Lern- und Leistungsfähigkeit sollen auf der Schule des Klägers die für sie im öffentlichen Schulsystem vorgesehenen Bildungsabschlüsse erreichen. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig und vom Beklagten auch im Rahmen der Evaluation des Schulversuchs stets anerkannt worden. Darüber hinaus entspricht die vom Kläger geplante Schulform einer „integrativen Waldorfschule“ aber auch der pädagogischen Gesamtkonzeption, wie sie aus der Gliederung des öffentlichen Schulwesens im Schulgesetz erkennbar wird.
55 
Zwar kennt das Landesrecht keine eigenständige Form der integrativen, zieldifferenten Beschulung von geistig behinderten Schülern und Schülerinnen in allgemeinen Schulen. Vielmehr entspricht es der Konzeption des Schulgesetzes, dass die Schüler an den allgemeinen Schulen stets zielgleich unterrichtet werden. Entsprechend werden auch behinderte Schüler in allgemeinen Schulen unterrichtet, wenn sie - und sei es mit einer zur Verfügung stehenden ergänzenden Hilfe - dem jeweiligen gemeinsamen Bildungsgang in diesen Schulen folgen können (§ 15 Abs. 4 Satz 2 SchulG). Ist ein Schüler aufgrund seiner Behinderung und des damit verbundenen sonderpädagogischen Förderbedarfs nicht in der Lage, das Bildungsziel eines Bildungsgangs einer allgemeinen Schule zu erreichen, wird seinem besonderen Förderbedarf im Rahmen eines eigenen Bildungsgangs Rechnung getragen, der dann an einer spezifischen Sonderschule angeboten wird (§ 15 Abs. 1 Satz 2 SchulG). Allerdings ist der gemeinsame Unterricht von Schülern, die aufgrund ihrer Behinderung in einem spezifischen Bildungsgang einer Sonderschule lernen müssen, mit den Schülern und Schülerinnen, die in den allgemeinen Schulen schulpflichtig sind, nach § 15 Abs. 5 und 6 SchulG im Rahmen von Kooperationen auch im Bereich des öffentlichen Schulwesens möglich. Soweit dies nach den (unterschiedlichen) Bildungs- und Erziehungszielen möglich ist, sollen die allgemeinen Schulen im Schulleben und im Unterricht mit den Sonderschulen zusammenarbeiten, wobei diese Zusammenarbeit bis hin zur Bildung von Außenklassen der Sonderschulen an den allgemeinen Schulen gehen kann.
56 
Die hierin liegende grundsätzliche Akzeptanz der gemeinsamen zieldifferenten Unterrichtung von sonderschulpflichtigen geistig behinderten Kindern und Jugendlichen mit Schülern und Schülerinnen einer allgemeinen Schule reicht aus, um die notwendige Entsprechung der vom Kläger zur Genehmigung gestellten Konzeption der integrativen Beschulung von geistig behinderten Schülerinnen und Schülern an seiner Freien Waldorfschule mit der pädagogischen Grundkonzeption des öffentlichen Schulwesens zur Förderung von behinderten Kindern zu bejahen. Dies gilt unabhängig davon, ob die vom Kläger angestrebte Form der integrativen Beschulung in ihrem konkreten Umfang über das hinaus geht, was auf der Grundlage des § 15 Abs. 5 und 6 SchulG im öffentlichen Schulwesen über eine Kooperation einer allgemeinen Schule mit einer Sonderschule möglich wäre. Denn für die Frage, ob eine Privatschule auch der „pädagogischen Grundkonzeption“ des öffentlichen Schulwesens entspricht, ist nicht erforderlich, dass die jeweiligen Konzeptionen inhaltlich oder gar in der Form ihrer konkreten organisatorischen Umsetzung übereinstimmen; vielmehr ist insoweit ausreichend, dass das Konzept der Privatschule die pädagogische Grundkonzeption des öffentlichen Schulwesens nicht beeinträchtigt (BVerwG, Urt. v. 18.12.1996, a.a.O., S. 8).
57 
Hinzu kommt, dass die in pädagogischer Hinsicht notwendige Kompatibilität einer privaten Ersatzschule mit dem öffentlichen Schulwesen im Bereich der Integration von behinderten Schülern in den Unterricht auch über das Verbot der Benachteiligung Behinderter in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ausgestaltet ist. Dabei geht es nicht - wie der Beklagte meint - um die Frage, ob das öffentliche Schulwesen den Anforderungen des Benachteiligungsverbots entspricht, sondern darum, ob der Ersatzschuleigenschaft einer Privatschule entgegen gehalten werden kann, dass dort eine nach Art und Inhalt weitergehende zieldifferente Integration von Behinderten in den allgemeinen Unterricht stattfindet, als dies nach der Konzeption zur Beschulung behinderter Schüler mit besonderem Förderbedarf im Bereich der öffentlichen Schulen vorgesehen ist. Insoweit wirkt Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG nicht als Anspruchsgrundlage zur Ausgestaltung eines besonderen öffentlichen Schulsystems, sondern prägt - ebenso wie etwa auch das Recht der Eltern nach Art. 6 Abs. 2 GG auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder sowie das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in Art. 2 Abs. 1 GG oder das Recht auf Religions- und Gewissensfreiheit in Art. 4 GG (hierzu BVerfG, Beschl. v. 16.12.1992 - 1 BvR 167/87 -, BVerfGE 88, 40, 46 f; Beschl. v. 9.3.1994 - 1 BvR 712/88 -, BVerfGE 90, 107, 116; BVerwG, Urt. v. 19.2.1992 - 6 C 5/91 -, BVerwGE 89, 368, 369) - als Ausdruck einer verfassungsrechtlichen Wertentscheidung die konkrete Reichweite der Privatschulfreiheit nach Art. 7 Abs. 4 GG mit (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.10.1997 - 1 BvR 1997 -, BVerfGE 96, 288, 304). Verpflichtet dieses Benachteiligungsverbot den Staat im Bereich seines öffentlichen Schulwesens dazu, einen behinderten Schüler an einer allgemeinen Schule zu unterrichten, wenn der hierfür benötigte personelle und sächliche Aufwand mit vorhandenen Personal- und Sachmitteln bestritten werden kann und auch organisatorische Schwierigkeiten und schutzwürdige Belange Dritter der integrativen Beschulung nicht entgegen stehen (BVerfG, Beschl. v. 8.10.1997, a.a.O.), so darf er die Ersatzschuleigenschaft einer Schule in Freier Trägerschaft, an der eine integrative Beschulung von behinderten Kindern erfolgen soll, nicht allein unter Hinweis auf die im öffentlichen Schulsystem nach Art und Maß geringeren Möglichkeiten einer solchen Beschulung verneinen.
58 
Vor dem Hintergrund dieser verfassungsrechtlich ausgestalteten Reichweite der Privatschulfreiheit im Bereich der integrativen Beschulung behinderter Schülerinnen und Schüler kann offen bleiben, in welchem Umfang dieses Ergebnis auch von Art. 24 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 lit b) des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13.12.2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen mitgetragen wird. Danach sind die Vertragsstaaten in Anerkennung des Rechts von Menschen mit Behinderungen und unter der Zielsetzung der Verwirklichung dieses Rechts ohne Diskriminierung dazu verpflichtet, ein integratives Bildungssystem zu gewährleisten, in dem unter anderem sichergestellt ist, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem integrativen, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben. Auch wenn diese Vorschrift unabhängig von der Problematik der Kompetenz des Bundes oder des Landes zur Transformation des Übereinkommens aus sich heraus ohne weitere normative Ausfüllung keine unmittelbaren individuellen Ansprüche begründet, so spricht aus der Sicht der Kammer jedoch einiges dafür, dass das hier dargelegte Verständnis von Art. 7 Abs. 4 GG über den Grundsatz der völkerrechtsfreundlichen Auslegung des Grundgesetzes (hierzu BVerfG, Beschl. v. 1.3.2004 - 2 BvR 1570/03 -, NVwZ 2004, 852, 853; Beschl. v. 26.3.1987 - 2 BvR 589/79 -, BVerfGE 74, 358, 370) zumindest gestützt wird.
59 
Soweit der Beklagte maßgeblich auf die Schwierigkeiten einer angemessenen und dem bisherigen System entsprechenden Finanzierung der vom Kläger zur Genehmigung beantragten Ersatzschule verweist, die dann sowohl eine allgemeine Regelschule als auch (partiell) eine Sonderschule ersetzen würde, steht dies der Ersatzschuleigenschaft dieser Schule nicht entgegen. Denn das bestehende System der Privatschulfinanzierung, in dem der Beklagte Platz allein für das von ihm geförderte Kooperationsmodell sieht, ist kein Bestandteil des öffentlichen Schulwesens. Die in Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG geforderte Akzessorietät der Privatschule zu den öffentlichen Schulen wäre damit selbst dann nicht betroffen, wenn die insoweit notwendige Kompatibilität über den Bereich der pädagogischen Grundkonzeption hinaus auch auf andere Aspekte des öffentlichen Schulwesens erstreckt würde. Zudem ist die Frage der Finanzierung einer Privatschule durch den Staat nicht ein begrenzendes Merkmal der Freiheitsgewährung des Art. 7 Abs. 4 GG, sondern die Folge einer die Freiheitsgewährung schützenden und fördernden zusätzlichen Verantwortung des Staates (vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 9.3.1994 - 1 BvR 682/88 -, a.a.O.). Dies gilt umso mehr, als die Verfassung vom Staat keine volle Übernahme der mit der Errichtung und dem Betrieb einer Privatschule verbundenen Kosten fordert, sondern der grundrechtliche Anspruch auf staatliche Förderung lediglich auf eine der gesetzlichen Ausgestaltung bedürftige Beteiligung des Staates an den anerkannt hohen Kosten des Privatschulträgers beschränkt ist, die aus der Erfüllung der verfassungsrechtlichen Genehmigungsanforderungen resultieren (BVerfG, Urt. v. 8.4.1987 - 1 BvL 8/84 -, BVerfGE 75, 40, 68; Beschl. v. 9.3.1994 - 1 BvR 682/88 - sowie - 1 BvR 1369/90 -, jeweils a.a.O.).
60 
bb) Soweit die Erteilung der Genehmigung einer privaten Ersatzschule nach Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG daran gebunden ist, dass die private Schule in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurücksteht und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird, sind diese Voraussetzungen nach der übereinstimmenden Einschätzung der Beteiligten erfüllt. Insbesondere entspricht es der in den Evaluationsberichten zum Schulversuch des Klägers dokumentierten Einschätzung des Beklagten, dass die geistig behinderten Schülerinnen und Schüler an der Freien Waldorfschule des Klägers eine Erziehung und Ausbildung erhalten, die den Bildungs- und Erziehungszielen einer öffentlichen Sonderschule für Geistigbehinderte sowie der dort angestrebten Qualifikation gleichwertig ist. Dies hat der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich bestätigt.
61 
Der vom Beklagten im Hinblick auf die erreichten Erziehungs- und Bildungsziele verneinte pädagogische Mehrwert der Beschulung von geistig behinderten Schülern an der Schule des Klägers spielt für die Genehmigungsfähigkeit der Schule nach Art. 7 Abs. 4 GG keine Rolle, da es hiernach ausreicht, dass die Ersatzschule insoweit „nicht hinter den öffentlichen Schulen zurücksteht“. Eine - wie auch immer messbare - bessere Bildung und Erziehung als im Bereich der öffentlichen Schulen ist nicht gefordert.
62 
c) Der Genehmigungsanspruch des Klägers schließt auch eine integrative Beschulung geistig behinderter Schüler in den Klassenstufen 1 bis 4 ein.
63 
aa) Soweit in Art. 7 Abs. 5 GG für die Zulassung privater Volksschulen zusätzlich die Anerkennung eines besonderen pädagogischen Interesses durch die Unterrichtsverwaltung erforderlich ist, steht dies der Erweiterung der Ersatzschulgenehmigung der Freien Waldorfschule des Klägers zum Zwecke der integrativen Beschulung von sonderschulpflichtigen geistig behinderten Schülerinnen und Schülern nicht entgegen. Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob ein solches besonderes pädagogisches Interesse an dieser Schulform tatsächlich bereits deshalb besteht, weil die im Rahmen eines solchen Schulmodells gesammelten Erfahrungen der Entwicklung des gesamten Schulsystems hin zu einer stärkeren Integration auch von behinderten Schülern zugute kommen kann (vgl. insoweit BVerfG, Beschl. v. 16.12.1992 - 1 BvR 167/87 -, BVerfGE 88, 40) oder ob es - wie der Beklagte meint - erforderlich ist, dass die integrative Beschulung für die Ausbildung und Erziehung der behinderten Schüler einen Mehrwert mit sich bringt und ob ein solcher Mehrwert konkret gegeben ist. Weiterhin kann offen gelassen werden, inwieweit die Anerkennung eines solchen besonderen pädagogischen Interesses durch die Unterrichtsverwaltung trotz der hiermit unmittelbar vom Grundgesetz vorgegebenen Kompetenzverteilung im Rahmen dieses Verfahrens inzident durch das Gericht ersetzt werden könnte (zur Problematik vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.12.1992, a.a.O.). Denn der Kläger bedarf für die begehrte Erweiterung seiner Ersatzschulgenehmigung keiner solchen Anerkennung eines besonderen pädagogischen Interesses.
64 
Die Notwendigkeit der Anerkennung eines besonderen pädagogischen Interesses durch die Unterrichtsverwaltung in Art. 7 Abs. 5 GG und die hiermit verbundene Einschränkung der in Art. 7 Abs. 4 Satz 2 und 3 GG für den Bereich der Ersatzschulen verbürgten Privatschulfreiheit ist in der Entscheidung des Grundgesetzgebers begründet, ebenso wie unter der Geltung des Art. 147 Abs. 2 der Weimarer Reichsverfassung aus sozialstaatlich und egalitär-demokratischen Gründen wenigstens in den ersten Schuljahren alle Schüler und Schülerinnen in einer Volksschule zusammenzuführen und eine Sonderung von spezifischen Schülergruppen aus der Allgemeinheit nur noch dort zuzulassen, wo dies durch ein besonderes pädagogisches Interesse gerechtfertigt ist (hierzu ausführlich BVerfG, Urt. v. 8.4.1987 - 1 BvL 8/84 -, BVerfGE 75, 40, 56 ff; Beschl. v. 16.12.1992 - 1 BvR 167/87 -, a.a.O.; Vogel, Zur Errichtung von Grundschulen in freier Trägerschaft, DÖV 1995, 587, Badura, a.a.O., Rn. 122 ff.; Schmitt-Kammler, in Sachs, Grundgesetz Kommentar, 4. Aufl. 2007, Art. 7 Rn. 72; Niehues/Rux, a.a.O., Rn. 982 ff; ).
65 
Aus dieser Zweckrichtung ergibt sich, dass die Genehmigungsvoraussetzung des Art. 7 Abs. 5 GG insoweit nicht einschlägig ist, als es dem Kläger darum geht, in seiner Ersatzschule Schüler und Schülerinnen zu beschulen, die aufgrund ihrer Behinderung und des dadurch bedingten besonderen Förderbedarfs die allgemeine Grundschule des öffentlichen Schulwesens gar nicht besuchen dürfen, sondern in einer spezifischen Sonderschule schulpflichtig sind. Bezogen auf diese Schülergruppe stellt die private Ersatzschule des Klägers schon keine „private Volksschule“ im Sinne des Art. 7 Abs. 5 GG dar.
66 
Soweit an der Freien Waldorfschule des Klägers gemeinsam mit den sonderschulpflichtigen geistig behinderten Schülerinnen und Schülern umgekehrt auch Kinder beschult werden, die im Grundsatz an einer allgemeinen Grundschule schulpflichtig wären, liegt das notwendige Anerkenntnis des besonderen pädagogischen Interesses durch die Unterrichtsverwaltung bereits vor. Dieses ist mit der Erklärung der Freien Waldorfschulen zu Ersatzschulen in § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG für den Bereich der Beschulung von Schülern und Schülerinnen ohne besonderen Förderbedarf allgemeinen ausgesprochen worden. Ein Widerruf dieser Anerkennung ist im Zusammenhang mit der Einbeziehung auch von ansonsten sonderschulpflichtigen behinderten Schülern nicht erfolgt.
67 
bb) Schließlich steht dem Anspruch des Klägers auf Genehmigung der integrativen Beschulung geistig behinderter Kinder auch in den Klassenstufen 1 bis 4 nicht entgegen, dass der Beklagte mit Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 2.11.1995 einen Antrag des Klägers auf Genehmigung einer Grundschule mit besonderer pädagogischer Prägung abgelehnt hat.
68 
Zwar kann die mit der Ablehnung eines beantragten Verwaltungsakts verbundene Bindungswirkung einem neuen Antrag grundsätzlich insoweit entgegen gehalten werden, als dieser auf einen identischen Streitgegenstand bezogen ist. Ebenso wie im Prozessrecht (hierzu Rennert in Eyermann, VwGO Kommentar, 12. Aufl. 2006, § 121 Rn. 23 ff; BVerwG, Urt. v. 3.11.1994 - 3 C 30/93 -, NVwZ 1996, 66) ist hierbei maßgeblich auf die Rechtsfolgebehauptung des Antragstellers und den tatsächlichen Lebenssachverhalt abzustellen, aus dem diese Rechtsfolge hergeleitet wird (näher hierzu Seibert, Die Bindungswirkung von Verwaltungsakten, Baden-Baden 1989, S. 509 ff), sodass allein durch die Stellung eines neuen Genehmigungsantrags noch kein neuer Streitgegenstand begründet wird, der eine materiell-rechtliche Bindungswirkung entfallen lassen könnte (a.A. BVerwG, Urt. v. 6.6.1975 - IV 15.73 -, BVerwGE 48, 271; Weyreuther, Anmerkung zum Urteil des BVerwG v. 31.7.1964 - i C 132.59 -, DVBl. 1965, 281, 283; differenzierend Kopp/Ramsauer, VwVfG Kommentar, 10. Aufl. 2008, § 51 Rn. 7a, 27). Maßgeblich ist insoweit vielmehr, ob sich die der Ablehnungsentscheidung zugrunde liegende Sach- und Rechtslage in relevanter Weise von derjenigen des Neuantrags unterscheidet (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.9.1990 - 6 C 4/90 -, NVwZ 1991, 272; Urt. v. 3.12.1986 - 6 C 50/85 -, BVerwGE 75, 201, Urt. v. 28.10.1966 - VII C 38.66 -, BVerwGE 25, 241).
69 
Nach diesen Grundsätzen liegt dem Begehren des Klägers auf Ergänzung seiner Ersatzschulgenehmigung um das Recht zur integrativen Beschulung auch von geistig behinderten sonderschulpflichtigen Schülerinnen und Schülern ein Streitgegenstand zugrunde, der - bezogen auf die Klassen 1 bis 4 - mit dem Streitgegenstand der Ablehnungsentscheidung des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 2.11.1995 identisch ist. Dabei kommt es - entgegen der Auffassung der Beteiligten - nicht darauf an, ob der mit dem Bescheid vom 2.11.1995 abgelehnte Antrag des Klägers vom 4.5.1995 auf eine Genehmigung nach § 3 Abs. 1 PSchG gerichtet war, während der nunmehr streitgegenständliche Genehmigungsantrag auf die Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG gestützt wird. Entscheidend ist vielmehr, dass mit dem Antrag vom 2.11.1995 ebenso wie mit dem Antrag vom 18.6.2008 in der Sache die Erteilung einer Genehmigung erreicht werden sollte, auf deren Grundlage Kinder, die ansonsten in einer allgemeinen Grundschule schulpflichtig wären, in den Klassenstufen 1 bis 4 nach dem Waldorflehrplan und unter Anwendung der Waldorfpädagogik gemeinsam mit Kindern unterrichtet werden können, die anderenfalls eine Sonderschule für Geistigbehinderte besuchen müssten. Dabei standen die Regelungen des § 3 Abs. 1 PSchG und des § 3 Abs. 2 PSchG, ebenso wie übrigens auch Art. 7 Abs. 4 und 5 GG, sowohl in Bezug auf den Erstantrag von 1995 als auch im Hinblick auf den hier streitgegenständlichen Verpflichtungsantrag stets in einem Verhältnis der Anspruchsnormenkonkurrenz und begründeten für sich keine Begrenzung des tatsächlichen Begehrens.
70 
Allerdings steht der hiermit grundsätzlich gegebenen Möglichkeit des Beklagten, den Kläger auf die Bindungswirkung des Ablehnungsbescheids vom 2.11.1995 zu verweisen, die gleichzeitig begründete Verpflichtung entgegen, das partiell identische Ablehnungsverfahren von 1995 im Zusammenhang mit dem Neuantrag wiederaufzugreifen und eine neue Sachentscheidung zu treffen. Dies gilt, obwohl die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 1 LVwvfG nicht vorliegen. Denn es ist anerkannt, dass eine an Gesetz und Recht gebundene Behörde - trotz der Bindungswirkung eines wirksamen Verwaltungsakts - aus Gründen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ein Verfahren auch außerhalb des § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG jederzeit von Amts wegen mit dem Ziel wieder aufgreifen kann, einen - möglicherweise rechtswidrigen - Verwaltungsakt zugunsten des Betroffenen durch einen der Rechtslage entsprechenden zu ersetzen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.9.2000 - 2 C 5/99 -, BayVBl 2001, 216; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 30.12.2008 - 11 S 759/06 -, VBlBW 2009, 32; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl. 2007, § 51 VI 2 b), S. 602; ähnlich - unter Rückgriff auf § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 LVwVfG - BVerwG, Beschl. v. 23.2.2004 - 5 B 104/03 -, juris; Beschl. v. 29.3.1999 - 1 DB 7/97 -, BVerwGE 113, 322; zur Rechtslage vor Inkrafttreten des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes vgl. BVerfG, Entsch. v. 17.12.1969 - 2 BvR 23/65 -, BVerfGE 27, 297; BVerwG, Urt. v. 16.12.1971 - I C 31.68 -, BVerwGE 39, 197; Urt. v. 30.1.1974 - VIII C 20.72 -, BVerwGE 44, 333; Urt. v. 28.7.1976 - 8 C 90.75 - Buchholz 412.3 § 16 Nr. 2; Urt. v. 14.12.1977 - 8 C 79.76 - Buchholz 316 § 36 Nr. 1). Mit dieser Befugnis korrespondiert ein Anspruch des Betroffenen auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Wiederaufgreifen des Verfahrens, der sich dann zu einem Anspruch auf den Erlass einer neuen Sachentscheidung verdichtet, wenn im Einzelfall Umstände von einer den in § 51 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 VwVfG geregelten Fällen vergleichbaren Bedeutung und Gewicht vorliegen und die Aufrechterhaltung des Erstbescheides auch unter Berücksichtigung seiner Bestandskraft schlechthin unerträglich wäre (BVerwG, Urt. v. 27.1.1994, 2 C 12.92 -, BVerwGE 95, 86 m.w.N.; vgl. auch - im Hinblick auf § 48 Abs. 1 LVwVfG - BVerwG, Urt. v. 17.1.2007 - 6 C 32/06 -, NVwZ 2007, 709 m.w.N. sowie BVerwG, Urt. v. 28.7.1976 - 8 C 90.75 - Buchholz 412.3 § 16 BVFG Nr. 2).
71 
Eine solche Situation der Reduzierung des Ermessens zum Wiederaufgreifen des Verfahrens auf Null ist hier gegeben. Dies folgt zum einen aus der fortdauernden Grundrechtsbezogenheit des vom Kläger geltend gemachten Genehmigungsanspruchs nach Art. 7 Abs. 4 GG, der greifbar rechtswidrigen Begründung der Ablehnungsentscheidung vom 2.11.1995 sowie der Erledigung der gegen diese Entscheidung erhobenen Klage vor dem Hintergrund des damals zunächst durchzuführenden und nun abgeschlossenen Schulversuchs zur integrativen Beschulung der behinderten Schülerinnen und Schüler an der Waldorfschule des Klägers. Zum anderen greift vorliegend die für den Verweis auf die Bestandskraft regelmäßig maßgebliche Erwägung der Verwaltungsökonomie und Rechtssicherheit in der Sache schon deshalb nicht durch, weil die konkrete Anspruchsberechtigung des Klägers vom Beklagten jedenfalls in Bezug auf die Klassen 5 bis 12 geprüft werden musste und auch tatsächlich gegeben ist.
III.
72 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Obwohl der Beklagte zur Genehmigungserteilung verpflichtet wurde und der Kläger damit sein Klageziel im Wesentlichen erreicht hat, waren dem Beklagten die Kosten des Verfahrens nicht in vollem Umfang aufzuerlegen (vgl. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO). Denn das Unterliegen des Klägers durch die Abweisung seines Hauptantrags ist insoweit erheblich, als dieser bei Erfolg seines Feststellungsantrags auch für die faktisch bereits erfolgte Neuaufnahme einiger sonderschulpflichtiger Kinder zum Schuljahr 2008/2009 auf eine bereits vorhandene Genehmigung hätte verweisen können.
73 
Die Kammer sieht davon ab, die Entscheidung hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO).
74 
Die Zulassung der Berufung findet ihre Grundlage in § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Frage der Ersatzschuleigenschaft einer integrativen Privatschule hat grundsätzliche Bedeutung.

Gründe

 
I.
20 
1. Die mit dem Hauptantrag verfolgte Feststellungsklage ist nach § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Eine Subsidiarität gegenüber der Verpflichtungsklage nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO besteht nicht, da die Verpflichtung zur Erteilung eines bereits erteilten Verwaltungsakts nicht begehrt werden kann.
21 
2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Dem Kläger ist bislang keine Genehmigung erteilt worden, an der Freien Waldorfschule in ... integrativ auch bis zu vier in einer Sonderschule für Geistigbehinderte schulpflichtige Kinder pro Klasse unter Zugrundelegung der Waldorfpädagogik und des Waldorflehrplans sowie der Bildungsziele nach dem Lehrplan der Sonderschulen für Geistigbehinderte zu beschulen.
22 
Eine solche Genehmigung lässt sich nicht aus der - aus der Sicht der Beteiligten unstreitig beanstandungsfreien - Durchführung des „Integrativen Schulentwicklungsprojekts zur gemeinsamen schulischen Förderung von Schülern mit geistiger Behinderung und Nichtbehinderten in der Freien Waldorfschule ...“ und der diesem Projekt zugrunde liegenden Genehmigungen ableiten. Entgegen der Auffassung des Kläger-Bevollmächtigten kann weder der Genehmigung des Schulentwicklungsprojekts durch Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 17.9.1999 noch den Bescheiden des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 18.7.2002 und des Landratsamts ... vom 30.5.2005 zur Verlängerung dieses Projekts ein entsprechender Regelungsgehalt entnommen werden.
23 
a) Die Kammer ist der Überzeugung, dass der Kläger nach den ihm bekannten oder erkennbaren maßgeblichen Gesamtumständen im Zeitpunkt des Empfangs den Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 17.9.1999 ausschließlich so verstehen durfte und auch verstanden hat, dass die Fortführung des in diesem Bescheid beschriebenen Schulentwicklungsprojekts nach Abschluss der Erprobungsphase noch einer eigenständigen weiteren Genehmigung der Schulverwaltung bedarf und nicht bereits - wenn auch durch die Feststellung des pädagogischen Erfolgs aufschiebend bedingt - endgültig genehmigt ist.
24 
Dies ergibt sich daraus, dass der Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 17.9.1999 wörtlich auf die Genehmigung der Durchführung eines „Schulversuchs“ an der Freien Waldorfschule des Klägers gerichtet ist. Mit dieser Anknüpfung an die Regelungen des § 22 SchulG wurde klar zum Ausdruck gebracht, dass die Ermöglichung der integrativen Beschulung von geistig behinderten Schülerinnen und Schülern an einer Freien Waldorfschule vorrangig auf die pädagogische und schulorganisatorische Erprobung eines solchen Konzepts gerichtet ist und die Frage der endgültigen Genehmigung dieser Schulform - wie auch sonst bei Schulversuchen - einer nach Beendigung des Schulversuchs zu treffenden eigenständigen Entscheidung der Schulverwaltung vorbehalten bleibt.
25 
Dem steht nicht entgegen, dass die Regelung des § 22 SchulG auf die Durchführung eines Schulversuchs an einer öffentlichen Schule im Sinne des § 2 Abs. 1 SchulG beschränkt ist und im Bereich der Privatschulen keine unmittelbare Anwendung findet (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 SchulG). Denn selbst wenn die Genehmigung des Schulversuchs deshalb rechtswidrig gewesen wäre, hätte dies auf die Bestimmung ihres konkreten Regelungsgehalts keine Auswirkung, da der Rechtmäßigkeit einer Regelung allenfalls dann Bedeutung zukommen kann, wenn diese objektiv mehrdeutig ist und Zweifel darüber bestehen, in welcher Weise der Empfänger die Regelung verstehen durfte (Kopp/Ramsauer, VwVfG Kommentar, 10. Aufl. 2008, § 35 Rn. 18 ff; Gurlit in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2005, § 27 III, Rn. 9 m.w.N.). Diese Situation ist hier jedoch nicht gegeben. Im Übrigen war es weder nach der Struktur des Privatschulwesens noch nach dem Zweck des § 22 SchulG ausgeschlossen, den Kläger in entsprechender Anwendung des § 22 SchulG in den Schulversuch zur integrativen Beschulung von geistig behinderten Kindern und Jugendlichen in Regelschulen einzubinden. Denn auch wenn Schulen in freier Trägerschaft bereits aufgrund ihrer Privatschulfreiheit im stärkeren Maße in der Lage sind, pädagogische und organisatorische Konzepte zu erproben, als dies im Bereich des öffentlichen Schulwesens der Fall ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.3.1994 - 1 BvR 1369/90 -, BVerfGE 90, 128 140; BVerwG, Urt. v. 13.12.2000 - 6 C 5.00 -, BVerwGE 112, 263, 268 f.), bestand hier die Besonderheit, dass die privatschulrechtliche Genehmigungsfähigkeit der vom Kläger begehrten integrativen Beschulung von der Schulverwaltung bereits dem Grunde nach bestritten wurde, zugleich aber über den Schulversuch eine - aus der Sicht der Schulverwaltung auch für den Fall des Klägers notwendige - politische Entscheidung zur Änderung des öffentlichen Schulwesens vorbereitet werden sollte.
26 
Für das Verständnis der Genehmigung vom 17.9.1999 als Regelung eines Schulversuchs im Sinne des § 22 SchulG spricht auch, dass es der Kläger war, der im Vorfeld der Genehmigungserteilung aktiv die Einbeziehung der integrativen Beschulung von geistig behinderten Schülerinnen und Schulen an seiner Waldorfschule in den zeitgleich an einigen öffentlichen Schulen des Landes durchgeführten Schulversuch betrieben hatte. Dieses Bemühen zeigt sich in dem Antrag des damaligen Bevollmächtigten des Klägers im Jahr 1998 beim Ministerium für Kultus und Sport auf Einrichtung eines „Modellversuchs“, in dem das Konzept der integrativen Beschulung für den Bereich der Grundschulklassen erprobt werden sollte (vgl. den Aktenvermerk in der Akte des Oberschulamts Freiburg zur Genehmigung der Freien Waldorf-Grundschule, S.119), sowie in der zeitgleich im Widerspruchsverfahren gegen die Ablehnung der Genehmigung einer privaten Grundschule mit integrativer Beschulung erfolgten Berufung auf die Bestätigung des Leiters der Arbeitsgruppe zur wissenschaftlichen Begleitung der Schulversuche, Prof. Dr. ..., dass eine Erprobung der integrativen Beschulung auch im Waldorfbereich eine wertvolle Ergänzung darstellen würde (Akte des Oberschulamts Freiburg zur Genehmigung der Freien Waldorf-Grundschule, S. 40).
27 
Für das objektive Verständnis der Genehmigung vom 17.9.1999 als isolierte Erlaubnis eines Schulversuchs ist weiter maßgeblich, dass sowohl die damalige Kultusministerin in ihrem Schreiben vom 27.6.1994 (Behördenakte Regierungspräsidium Freiburg „Freie Waldorfschule ..., Bd. 1, S 31 ff) als auch später der Sachbearbeiter in seinem Schreiben vom 13.8.1996 (Akte des Oberschulamts Freiburg zur Genehmigung der Freien Waldorf-Grundschule, S. 60) im Vorfeld der Genehmigung des Schulversuchs gegenüber dem Kläger betont hatten, dass die Genehmigung einer Ersatzschule mit integrativer Beschulung aus ihrer Sicht rechtlich nicht möglich sei und deshalb einer nach Abschluss des auch im Bereich des öffentlichen Schulwesens laufenden Schulversuchs zu treffenden politischen Grundentscheidung bedürfe.
28 
Hinzu kommt schließlich, dass die Schulverwaltung den Charakter des Schulentwicklungsprojekts als „Schulversuch“ stets auch während des Laufs dieses Projekts betont hat, ohne dass der Kläger in diesem Zusammenhang ein anderes Verständnis von der Genehmigung vorgebracht hätte. So hat der Kläger am 29.7.2004 etwa die Fortführung des Schulentwicklungsprojekts bis zum Ende des Schuljahrs 2006/2007 „unter den bisherigen Bedingungen“ beantragt, obwohl mit ihm im Rahmen der Evaluationsbesuche des Staatlichen Schulamts Freiburg am 20.5.2003 (Behördenakte Regierungspräsidium Freiburg „Freie Waldorfschule ..., Bd. 1, S. 215) und am 22./23.6.2004 (Behördenakte Regierungspräsidium Freiburg „Freie Waldorfschule ..., Bd. 2, S. 4) die Problematik einer zukünftigen Organisationsform der Schule nach Auslaufen des Schulversuchs besprochen worden war und das Protokoll zum Evaluationsbesuch am 22./23.6.2004 ausdrücklich mit dem Votum der Genehmigungsbehörde endet: „Unter diesen Bedingungen könnten wir der letztmaligen Verlängerung als Schulversuch zustimmen. Danach muss eine dauerhafte und organisatorisch tragfähige Form entwickelt und umgesetzt werden.“ Dem entspricht es, dass der Kläger sich in seinem eigenen Informationsschreiben an die Mitglieder des Schulausschusses im Landtag vom 28.12.2005 über das Integrative Schulentwicklungsprojekt (Behördenakte Regierungspräsidium Freiburg „Freie Waldorfschule ..., Allgemeines, Bd. 2, S. 67ff) zum Ziel gesetzt hat, „die integrative Beschulung in dieser Form weiterzuführen und eine dauerhafte Genehmigung dafür zu erhalten“. Wäre der Kläger davon ausgegangen, dass eine eigenständige Entscheidung nach Abschluss des Schulversuchs über die weitere Organisationsform der integrativen Beschulung nicht mehr notwendig ist, da die Genehmigung vom 17.9.1999 die Fortführung des bisherigen Modells allein unter den Vorbehalt eines pädagogischen Erfolgs des Versuchs gestellt hat, hätte er dies in irgendeiner Form besonders zum Ausdruck gebracht.
29 
Dem - wie dargestellt - eindeutigen übereinstimmenden Verständnis vom Regelungsgehalt der Schulversuchsgenehmigung vom 17.9.1999 steht nicht entgegen, dass - worauf der Kläger-Bevollmächtigte hinweist - das Staatliche Schulamt dem Landratsamt ... mit Schreiben vom 29.7.1999, also noch vor der Genehmigungserteilung, mitgeteilt hat, dass die Befristung des Integrativen Schulentwicklungskonzepts „lediglich als Zwischenstation der internen Konzeptbildung und nicht als Auslaufen des Modells zu verstehen und davon auszugehen (sei), dass bei entsprechender pädagogisch-konzeptioneller Weiterarbeit der Schule die vollständig ausgebaute Waldorfschule mit integrierter Förderung geistig behinderter Kinder entstehen“ werde. Denn abgesehen davon, dass diese - auch dem Kläger zur Kenntnis gegebene - Einschätzung das tatsächliche Verständnis der Beteiligten von der später getroffenen Regelung offensichtlich nicht beeinflusst hat, ist mit dieser Mitteilung inhaltlich noch keine Aussage darüber getroffen worden, in welcher konkreten Organisationsform diese integrative Förderung behinderter Kinder an der Waldorfschule dann tatsächlich erfolgen werden wird.
30 
b) Lässt sich dem Bescheid des Staatlichen Schulamts vom 17.9.1999 keine durch den pädagogischen Erfolg des Projekts aufschiebend bedingte Genehmigung der dem Schulentwicklungsprojekt zugrunde liegenden integrativen Schul- und Unterrichtsform entnehmen, so gilt dies auch für die Verlängerung des Projekts in den Bescheiden des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 18.7.2002 und des Landratsamts ... vom 30.5.2005.
31 
Der Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 18.7.2002 knüpfte - nach Ablauf der Frist und Vorlage der Weiterentwicklung des Konzepts des Klägers - an die inhaltliche und zeitliche Begrenzung der Schulversuchsgenehmigung vom 17.9.1999 an und erstreckte die Weitergeltung des Schulversuchs zur integrativen Beschulung der entsprechend herangewachsenen Schüler auf den weiteren Bereich der Oberstufe des Bildungsgangs der Sonderschule bzw. der Klassenstufen 7 bis 9 an der Freien Waldorfschule. Dabei wurde durch den gleichzeitig erfolgten Hinweis auf die Weitergeltung der Genehmigung vom 17.9.1999 hinreichend deutlich gemacht, dass mit der Erweiterung des Schulentwicklungsprojekts keine endgültige Genehmigung der bereits in einem ersten Durchlauf erprobten Integrativen Beschulung in den Klassen 1 bis 6 verbunden sein sollte, dass aber im Rahmen des Schulversuchs weiterhin in jeweils neu beginnenden Klassen auch Schüler mit besonderem Förderbedarf in einer Sonderschule für Geistigbehinderte aufgenommen und integrativ beschult werden können.
32 
Gleiches gilt für die ausdrücklich als „Weitergenehmigung des Schulversuchs“ bezeichnete Erstreckung der Genehmigung des Schulentwicklungsprojekts auch auf die der Werkstufe an einer Sonderschule für Geistigbehinderte entsprechenden Klassen 10 bis 12 in dem Bescheid des Landratsamts ... vom 30.5.2005. Soweit hier der Schulversuch ohne Differenzierung „zunächst bis zum Ende des Schuljahrs 2007/2008 befristet“ wird, ist dies nach den Umständen des gesamten Schulversuchs dahin zu verstehen, dass nach dem Ablauf der Frist ein Neuaufnahmestopp in der 1. Klassenstufe eintreten und das Schulentwicklungsprojekt - jedenfalls dann, wenn die Fortführung nicht genehmigt wird - über die Weiterführung der integrativen Beschulung (allein) der bereits aufgenommenen Schülerinnen und Schüler mit geistiger Behinderung auslaufen soll. Die gegenteilige Auffassung des Kläger-Bevollmächtigten, der aus der missverständlichen, weil möglicherweise auf einen vollständigen und abrupten Abbruch der integrativen Beschulung insgesamt gerichteten Befristung ableitet, dass diese allein auf die notwendige Erprobung des integrativen Unterrichts in der Werkstufe bezogen sein könne und im Übrigen (konkludent) eine endgültige Genehmigung enthalte, teilt die Kammer daher nicht. Dabei zeigen insbesondere die vielfältigen politischen Bemühungen um eine Verlängerung des Projekts, dass auch der Kläger die letzte Verlängerungsentscheidung nicht im Sinne einer Erteilung der Ersatzschulgenehmigung zur integrativen Beschulung in den Klassenstufen 1 bis 9 verstanden hat.
II.
33 
Der nach Abweisung des Hauptantrags zum Tragen kommende Hilfsantrag des Klägers auf Verpflichtung zur Erteilung der Ersatzschulgenehmigung zur integrativen Beschulung von geistig behinderten Kindern hat Erfolg.
34 
1. Die Klage ist in der Form einer Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO zulässig.
35 
Eines Widerspruchsverfahrens als Vorverfahren vor Erhebung der Klage bedurfte es gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 6a Satz 1 AGVwGO a.F. (nunmehr: § 15 Abs. 1 S. 1 AGVwGO idF. v. 14.10.2008, GBl S. 343) nicht, da die beantragte Ersatzschulgenehmigung durch das Regierungspräsidium abgelehnt worden ist.
36 
Entgegen der Auffassung des Beklagten steht der Zulässigkeit der Klage auch nicht teilweise entgegen, dass das Staatliche Schulamt bereits mit Bescheid vom 2.11.1995 einen Antrag des Klägers auf Genehmigung der Errichtung und des Betriebs einer Grundschule abgelehnt hat, an der auf der Grundlage des Waldorflehrplans und unter Anwendung der Waldorfpädagogik integrativ auch geistig behinderte Kinder unterrichtet werden sollten. Denn die Klage ist nicht auf diesen Antrag und die bestandskräftige Ablehnungsentscheidung vom 2.11.1995 bezogen, sondern auf den neuen Antrag des Klägers vom 18.6.2008 auf Genehmigung zur integrativen Beschulung von geistig behinderten Kindern und Jugendlichen in der vorhandenen Freien Waldorfschule. Mit dem Einwand des Beklagten zur Bestandskraft des Ablehnungsbescheids vom 2.11.1995 ist der Streitgegenstand dieser Klage (nur) insoweit betroffen, als der Beklagte dem neuen Genehmigungsantrag des Klägers eine aus seiner Sicht bestehende Bindungswirkung der ersten Ablehnungsentscheidung entgegenhält. Da nach den Darlegungen des Klägers jedenfalls die zur Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach § 42 Abs. 2 VwGO notwendige hinreichende Möglichkeit besteht, dass dieser Einwand zu Unrecht erhoben wird und dem Kläger der Anspruch auf die begehrte Ersatzschulgenehmigung im vollen Umfang zusteht, bleibt die mit einer solchen Bindungswirkung der Ablehnungsentscheidung vom 2.11.1995 verbundene Problematik der materiellen Rechtmäßigkeit der Ablehnungsentscheidung vom 7.8.2008 der Prüfung der Begründetheit der Klage vorbehalten.
37 
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das nach Ablehnung des Genehmigungsantrags vom 4.5.1995 vom Kläger anhängig gemachte Klageverfahren nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 3.5.2000 - 2 K 794/00 - eingestellt worden ist. Denn mit der in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 2 VwGO erfolgenden Einstellung eines Verfahrens wird keine der materiellen Rechtskraft fähige Entscheidung des Gerichts über den anhängigen Streitgegenstand getroffen, die einen Rechtsstreit in gleicher Sache unzulässig machen würde. Die vom Beklagten für seine Auffassung zitierte Kommentarstelle ergibt nichts anderes.
38 
Entgegen der Anregung des Beklagten sieht die Kammer nach Ermessen von dem Erlass eines Zwischenurteils nach § 109 VwGO zur (Teil-)Zulässigkeit des Hilfsantrags des Klägers ab. Denn abgesehen davon, dass die vom Kläger aufgeworfene Problematik der Zulässigkeit der Verpflichtungsklage keine besonderen, in einer weiteren Instanz klärungsbedürftigen Rechtsfragen aufwirft, brächte ein solches Urteil weder eine Beschleunigung des Verfahrens noch die Möglichkeit einer vereinfachenden Abschichtung von Streitfragen mit sich. Das Gericht wäre auch nach einer Zuführung der vom Beklagten aufgeworfenen Zulässigkeitsfrage in einen Zwischenstreit nicht von der Aufgabe enthoben, den Rechtsstreit im Übrigen, d.h. hinsichtlich des Hauptantrags und des Hilfsantrags in Bezug auf die Klassen 5 bis 12, auch inhaltlich zu entscheiden. Dabei konnte der Beklagte auch inhaltlich zur Klage Stellung nehmen, ohne einen möglicherweise berechtigten Einwand zu ihrer Unzulässigkeit zu verlieren. Die Rechtsprechung zur Entbehrlichkeit eines Vorverfahrens bei inhaltlicher Einlassung des auch für das Widerspruchsverfahren zuständigen Beklagten im Prozess ist auf die hier gegebene Konstellation nicht übertragbar.
39 
2. Die Klage ist begründet. Der Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 7.8.2008, mit welchem der Antrag des Klägers vom 18.6.2008 auf Ergänzung der Ersatzschulgenehmigung vom 15.9.1995 um die Genehmigung zur integrativen Beschulung von bis zu vier sonderschulpflichtigen Kindern pro Klasse abgelehnt worden war, ist rechtwidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
40 
Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung zum Betrieb der Freien Waldorfschule Emmendingen als Ersatzschule mit integrativer Beschulung von bis zu vier in einer Sonderschule für Geistigbehinderte schulpflichtigen Kindern pro Klasse. Dieser Anspruch lässt sich zwar nicht aus dem Privatschulgesetz des Landes Baden-Württemberg ableiten (hierzu zu a), er ergibt sich jedoch unmittelbar aus Art. 7 Abs. 4 GG (hierzu zu b). Der Genehmigungsanspruch umfasst dabei auch eine integrative Beschulung in den Klassen 1 bis 4; diesem stehen weder die besonderen Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 5 GG noch die Bindungswirkung der bestandskräftigen Ablehnung der Genehmigung einer integrativen Grundschule mit Waldorfpädagogik vom 2.11.1995 entgegen (hierzu zu c).
41 
a) Nach § 5 Abs. 1 des Privatschulgesetzes des Landes Baden-Württemberg setzt die Erteilung der Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Schule in freier Trägerschaft, an der Kinder und Jugendliche ihre Schulpflicht erfüllen können, voraus, dass diese eine Ersatzschule im Sinne des § 3 PSchG darstellt. Abgesehen von der - hier nicht einschlägigen - Möglichkeit nach § 3 Abs. 2 Satz 2 PSchG, dass diese durch Rechtsverordnung der Landesregierung zu einer Ersatzschule erklärt wird, ist diese Genehmigungsvoraussetzung nur dann erfüllt, wenn im Lande entsprechende öffentliche Schulen bestehen (§ 3 Abs. 1 PSchG) oder wenn es sich bei der Schule um eine Freie Waldorfschule im Sinne der Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG handelt.
42 
Die vom Kläger zur Genehmigungserteilung gestellte Schulform einer Freien Waldorfschule, an der in den Klassen 1 bis 12 gemeinsam mit den übrigen Schülerinnen und Schülern jeweils auch bis zu vier Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden, die nach §§ 15 Abs. 1, 82 Abs. 1 SchulG zur Erfüllung ihrer Schulpflicht zum Besuch einer Sonderschule für Geistigbehinderte verpflichtet sind, ist weder in der einen noch in der anderen Form eine Ersatzschule im Sinne dieser Regelung.
43 
Dies ergibt sich hinsichtlich der Regelung des § 3 Abs. 1 PSchG daraus, dass nach der Gliederung des öffentlichen Schulwesens in Baden-Württemberg (§§ 3 bis 15 SchG) eine dieser Schule entsprechende öffentliche Schule bereits nach ihrer Schulart weder tatsächlich besteht noch grundsätzlich vorgesehen ist (zum Begriff der regelschulakzessorischen Schule nach § 3 Abs. 1 vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.2.1991 - 9 S 2315/89 -, VBlBW 1992, 226). Immerhin soll die zur Genehmigung gestellte Schule insgesamt weiterhin in der Form einer Freien Waldorfschule geführt werden, an der Schüler in einem - im öffentlichen Schulwesen nicht vorgesehenen - einheitlichen Bildungsgang von Klasse 1 bis Klasse 12 unterrichtet werden und für die der Gesetzgeber deshalb in § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG eine besondere Anerkennung als Ersatzschule ausgesprochen hat. Vor allem aber ist im Bereich des öffentlichen Schulwesens keine Schule vorgesehen, an der Kinder- und Jugendliche, die aufgrund ihres sonderpädagogischen Förderbedarfs in einer Sonderschule für Geistigbehinderte schulpflichtig sind, als eigene Schüler gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern unterrichtet werden, für die ein solcher Förderbedarf nicht besteht. Die nach § 15 Abs. 5 und 6 SchulG gegebenen Möglichkeiten eines Unterrichts etwa für sonderschulpflichtige Kinder mit geistiger Behinderung auch an allgemeinen Schulen ist auf Kooperationen dieser Schulen mit der entsprechenden Sonderschule beschränkt, ohne dass die sonderschulpflichtigen und die übrigen Schülerinnen und Schülern rechtlich Schüler einer gemeinsamen Klasse und Schule würden. Die nach § 107 Abs. 1 Satz 1 SchulG als Schulen besonderer Art geführten öffentlichen Gesamtschulen sind zwar für die Klassenstufen 5 bis 10 von einer Gliederung nach Schularten befreit, doch ist dies auf den Bereich der Haupt- und Realschulen sowie der Gymnasien beschränkt und erfasst gerade nicht die Beschulung von sonderschulpflichtigen Kindern. Die in § 15 Abs. 1 Satz 1 und 4 SchulG gegebene Möglichkeit der Beschulung behinderter Schüler in allgemeinen Schulen setzt voraus, dass diese, und sei es mit besonderer Unterstützung, dem jeweiligen Bildungsgang an der allgemeinen Schule folgen können, erfasst also ebenfalls nicht die Schülerinnen und Schüler, deren Förderbedarf gerade einen eigenen Bildungsgang erfordert und die deshalb im Rahmen eines gemeinsamen Unterrichts mit Schülerinnen und Schülern ohne Förderbedarf zieldifferent unterrichtet werden müssten.
44 
Die Ersatzschuleigenschaft der vom Kläger begehrten integrativen Waldorfschule ergibt sich auch nicht aus der Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG. Zwar ist die vom Kläger bisher betriebene Schule unstreitig eine Freie Waldorfschule, die - entsprechend § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG - in einem einheitlichen Bildungsgang von Klasse 1 bis Klasse 12 Schüler unterschiedlicher Begabungsrichtungen nach dem Waldorflehrplan (Pädagogik Rudolf Steiner) zu den dort festgelegten Bildungszielen führt und auch in ihrer Klasse 13 auf der Klasse 12 der Waldorfschule aufbauend auf die Hochschulreife vorbereitet. Auch werden im Rahmen der vom Kläger geplanten integrativen Unterrichtung von geistig behinderten Schülerinnen und Schülern „von Klasse 1 bis Klasse 12 Schüler unterschiedlicher Begabungsrichtungen“ unterrichtet. Weiter kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass die Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf (zumindest auch) zu den allgemeinen (anthroposophischen) Bildungszielen der Waldorfpädagogik geführt werden. Allerdings erfordert die gesetzliche Bestimmung der Freien Waldorfschulen zu Ersatzschulen zusätzlich, dass die Schülerinnen und Schüler „in einem einheitlichen Bildungsgang“ „nach dem Waldorflehrplan (Pädagogik Rudolf Steiner)“ unterrichtet werden. Dies ist bei den Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in einer Sonderschule für Geistigbehinderte nicht in der gebotenen Form der Fall. Denn die Bezugnahme auf den „einheitlichen Bildungsgang“ und den „Waldorflehrplan“ in § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG ist allein auf den Bereich beschränkt, in dem die Freien Waldorfschulen an die Stelle der allgemeinen Regelschulen treten. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Regelung und ihrem hieraus erklärbaren Zweck.
45 
Die gesetzliche Erklärung der Freien Waldorfschulen zu Ersatzschulen wurde mit dem Gesetz zur Änderung des Privatschulgesetzes vom 13.11.1995 (GBl. S. 764) in das Privatschulgesetz eingefügt. Dabei sollten - wie die Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung (LT-Drs. 11/6523, S. 8) zeigt, „die Freien Waldorfschulen, die nach der (…) Rechtsverordnung der Landesregierung vom 13. November 1973 zu Ersatzschulen erklärt wurden, (…) nun kraft Gesetzes Ersatzschulen werden“. Von dieser Rechtsverordnung der Landesregierung über die Freien Waldorfschulen vom 13.11.1973 (GBl. 454) waren jedoch allein die Waldorfschulen erfasst, die an die Stelle der allgemeinen Regelschulen treten. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Klammerzusatz zur Überschrift der Rechtsverordnung (Einheitliche Volks- und Höhere Schulen), sondern auch aus dem Verständnis der Landesregierung zum Ersatzschulcharakter der Freien Waldorfschulen, wie es in ihrer Einlassung in dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zu den Schulbaukosten (1 BvR 1369/90, vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.3.1994, BVerfGE 90, 128, 135) zu Tage tritt und nach dem Freie Waldorfschulen aufgrund ihrer Verschiedenartigkeit zu den öffentlichen Schulen allein durch die Erklärung in der Rechtsverordnung, nicht jedoch aus eigenem Recht zu Ersatzschulen werden.
46 
Entgegen der Auffassung des Kläger-Bevollmächtigten kann die gesetzliche Erklärung der Waldorfschulen zu Ersatzschulen nicht im Wege der verfassungskonformen Auslegung dahin erweitert werden, dass hiervon auch die integrative Beschulungsmöglichkeit von sonderschulpflichtigen Kindern an der Schule des Klägers erfasst wird.
47 
Dem steht bereits der Wortlaut der Regelung entgegen. Denn auch wenn - trotz der in den höheren Klassen unzweifelhaft gegebenen und auch notwendigen Differenzierungen - unterstellt wird, dass die geistig behinderten Schülerinnen und Schüler noch in einem hinreichend „einheitlichen Bildungsgang“ unterrichtet werden, ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung festzuhalten, dass der Unterricht dieser Schülergruppe in Ermangelung spezifischer Vorgaben im aktuellen Waldorflehrplan zumindest auch wesentlich auf der Grundlage des Lehrplans an Sonderschulen für Geistigbehinderte erfolgt und deshalb das entsprechende Tatbestandsmerkmal des Unterrichts nach dem Waldorflehrplan selbst dann nicht erfüllt wäre, wenn die Möglichkeit einer Weiterentwicklung dieses Lehrplans über den Bereich der allgemeinen Regelschulen hinaus anerkannt würde.
48 
Nicht ausreichend ist in diesem Zusammenhang, dass der Waldorflehrplan - nach Aussagen der Vertreterin der Schule des Klägers sowie des Vorstandsmitglieds des Bundes der Freien Waldorfschulen e.V., Dr. H., in der mündlichen Verhandlung - im Grundansatz inhaltlich für die Bedürfnisse eines jeden einzelnen Kindes offen ist und deshalb auch in die Richtung der integrativen Unterrichtung von geistig behinderten Schülerinnen und Schülern weiterentwickelt werden kann. Denn mit der Anerkennung einer solchen jeweils individuell möglichen Fortentwicklung oder Anpassung des Waldorflehrplans würde die Reichweite der gesetzlichen Erklärung einer Freien Waldorfschule zu einer Ersatzschule im Sinne des Privatschulgesetzes letztlich allein in die individuelle Bestimmungsmacht der Freien Waldorfschule gelegt und jegliche Konturen verlieren. Dies wäre mit dem - die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung begrenzenden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985, - 2 BvR 397 - 399/82 -, BVerfGE 70, 35, 63 f m.w.N.) - erkennbaren gesetzgeberischen Ziel der nur beschränkten Einbeziehung von Freien Waldorfschulen in den Anwendungsbereich des Privatschulgesetzes nicht mehr zu vereinbaren.
49 
Hiervon abgesehen ist eine erweiternde verfassungskonforme Auslegung des § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG auch nicht erforderlich. Denn die in Art. 7 Abs. 4 GG verbürgte Privatschulfreiheit wird hinreichend dadurch gewährleistet, dass dem freien Schulträger bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen ein Anspruch auf Genehmigung der Errichtung und des Betriebs einer Ersatzschule unmittelbar über Art. 7 Abs. 4 Satz 2 und 3 GG eingeräumt ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.11.1969 - 1 BvL 24/64 -, BVerfGE 27, 195, 200; BVerwG, Urt. v. 13.12.2000 - 6 C 5.00 -, BVerwGE 112, 263, 266; Beschl. v. 10.9.1990 - 7 B 119.90 -, Buchholz 11 Art. 7 Abs. 4 GG Nr. 34 S. 27; Badura in Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, (Stand Oktober 2008), Art. 7 Rn. 111; Niehues/Rux, Schul- und Prüfungsrecht, Bd. 1 Schulrecht, 4. Aufl. 2006, S. 254 Rn. 952 f.). Damit kann auch bei einer unzureichenden Ausgestaltung des Genehmigungsanspruchs durch den Landesgesetzgeber kein grundrechtswidriger Zustand eintreten.
50 
Angesichts der gegebenen gesetzlichen Fixierung der Erklärung Freier Waldorfschulen zu Ersatzschulen auf den Bereich der allgemeinen Regelschulen bedurfte es keiner weiteren - vom Kläger-Bevollmächtigten hilfsweise angeregten - Beweiserhebung zu der Frage, ob die integrative Beschulung von behinderten Schülerinnen und Schülern an Waldorfschulen zu den im Waldorflehrplan Rudolf Steiners festgelegten Bildungszielen gehört. Hinzu kommt, dass dem Klageantrag des Klägers - wie im Folgenden darzustellen ist - unabhängig davon entsprochen wird, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG erfüllt sind.
51 
b) Der Betrieb der Freien Waldorfschule ... mit integrativer Beschulung von geistig behinderten Schülerinnen und Schülern entspricht den Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 GG, sodass sich der Anspruch auf Erteilung einer staatlichen Genehmigung dieses Betriebs unmittelbar aus dieser Norm ergibt.
52 
aa) Entgegen der Auffassung des Beklagten unterfällt die vom Kläger zur Genehmigung gestellte Form der Freien Waldorfschule mit integrativer Unterrichtung von geistig behinderten Kindern und Jugendlichen als Ersatzschule der Regelung des Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG. Die Schule wird auch in dieser Form als „Ersatz für eine öffentliche Schule“ errichtet und betrieben. Insoweit kommt es, anders als nach der Regelung des § 3 Abs. 1 PSchG, nicht darauf an, ob die zur Genehmigung gestellte Privatschule einem im Landesschulrecht vorgesehenen Schultyp entspricht. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Privatschule „nach dem mit ihrer Errichtung verfolgten Gesamtzweck als Ersatz für eine in dem Land vorhandene oder grundsätzlich vorgesehene öffentliche Schule dienen soll“ (BVerfG, Beschl. v. 14.11.1969, a.a.O.; Beschl. v. 9.3.1994, - 1 BvR 1369/90 -, BVerfGE 90, 128, 139; BVerwG, Urt. v. 13.12.2000, a.a.O., 266 f.).
53 
Zwar wird die grundrechtliche Gewährleistung der Privatschulfreiheit über das Merkmal des „Ersatzes für eine öffentliche Schule“ insoweit der Ausgestaltung durch das Landesrecht überantwortet, als dieses über die Regelung des öffentlichen Schulwesens den Bereich festlegt, dem die Privatschulen in ihrer Ersatzfunktion entsprechen müssen (kritisch hierzu Rennert, Entwicklungen in der Rechtsprechung zum Schulrecht, DVBl. 2001, 504, 514). Allerdings folgt aus dem hiermit umschriebenen Grundsatz der Akzessorietät der privaten Ersatzschule zum öffentlichen Schulwesen keine zwingende Bindung an den Numerus Clausus der im öffentlichen Schulwesen anerkannten Schultypen. Entscheidend ist nicht die äußere Form des Schulwesens; vielmehr reicht es aus, dass sich die Privatschule so in die Gesamtkonzeption des Landesgesetzgebers einpasst, dass die in dieser Konzeption erkennbaren Zielsetzungen des Staates auch im Rahmen der mit der Genehmigung einer Ersatzschule verbundenen Möglichkeit der Erfüllung der Schulpflicht hinreichend Beachtung finden. Dabei ist maßgeblich auf die angestrebten Bildungsabschlüsse und die vom Landesgesetzgeber vorgegebene pädagogische Gesamtkonzeption abzustellen, die hinter der Struktur des öffentlichen Schulwesens im Lande steht (hierzu BVerwG, Urt. v. 13.12.2000, a.a.O., 266 f.; BVerwG, Urt. v. 18.12.1996 - 6 C 6.95 -, BVerwGE 104, 1, 7 ff; zustimmend Badura, a.a.O., Rn. 115; Niehues/Rux, a.a.O., Rn. 946; Vogel, Zur Genehmigung von Ersatzschulen, DÖV 2008, 895, 898).
54 
Nach diesem Maßstab stellt die vom Kläger konzipierte und zur Genehmigung gestellte Schulform der integrativen Beschulung von sonderschulpflichtigen Schülerinnen und Schulen in den Klassen seiner Freien Waldorfschule einen „Ersatz für eine öffentliche Schule“ dar. Dies gilt zunächst im Hinblick auf die angestrebten Bildungsabschlüsse. Sowohl die integrativ beschulten Kinder und Jugendlichen mit geistiger Behinderung und besonderem Förderbedarf als auch die Schülerinnen und Schüler ohne eine solche Einschränkung ihrer Lern- und Leistungsfähigkeit sollen auf der Schule des Klägers die für sie im öffentlichen Schulsystem vorgesehenen Bildungsabschlüsse erreichen. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig und vom Beklagten auch im Rahmen der Evaluation des Schulversuchs stets anerkannt worden. Darüber hinaus entspricht die vom Kläger geplante Schulform einer „integrativen Waldorfschule“ aber auch der pädagogischen Gesamtkonzeption, wie sie aus der Gliederung des öffentlichen Schulwesens im Schulgesetz erkennbar wird.
55 
Zwar kennt das Landesrecht keine eigenständige Form der integrativen, zieldifferenten Beschulung von geistig behinderten Schülern und Schülerinnen in allgemeinen Schulen. Vielmehr entspricht es der Konzeption des Schulgesetzes, dass die Schüler an den allgemeinen Schulen stets zielgleich unterrichtet werden. Entsprechend werden auch behinderte Schüler in allgemeinen Schulen unterrichtet, wenn sie - und sei es mit einer zur Verfügung stehenden ergänzenden Hilfe - dem jeweiligen gemeinsamen Bildungsgang in diesen Schulen folgen können (§ 15 Abs. 4 Satz 2 SchulG). Ist ein Schüler aufgrund seiner Behinderung und des damit verbundenen sonderpädagogischen Förderbedarfs nicht in der Lage, das Bildungsziel eines Bildungsgangs einer allgemeinen Schule zu erreichen, wird seinem besonderen Förderbedarf im Rahmen eines eigenen Bildungsgangs Rechnung getragen, der dann an einer spezifischen Sonderschule angeboten wird (§ 15 Abs. 1 Satz 2 SchulG). Allerdings ist der gemeinsame Unterricht von Schülern, die aufgrund ihrer Behinderung in einem spezifischen Bildungsgang einer Sonderschule lernen müssen, mit den Schülern und Schülerinnen, die in den allgemeinen Schulen schulpflichtig sind, nach § 15 Abs. 5 und 6 SchulG im Rahmen von Kooperationen auch im Bereich des öffentlichen Schulwesens möglich. Soweit dies nach den (unterschiedlichen) Bildungs- und Erziehungszielen möglich ist, sollen die allgemeinen Schulen im Schulleben und im Unterricht mit den Sonderschulen zusammenarbeiten, wobei diese Zusammenarbeit bis hin zur Bildung von Außenklassen der Sonderschulen an den allgemeinen Schulen gehen kann.
56 
Die hierin liegende grundsätzliche Akzeptanz der gemeinsamen zieldifferenten Unterrichtung von sonderschulpflichtigen geistig behinderten Kindern und Jugendlichen mit Schülern und Schülerinnen einer allgemeinen Schule reicht aus, um die notwendige Entsprechung der vom Kläger zur Genehmigung gestellten Konzeption der integrativen Beschulung von geistig behinderten Schülerinnen und Schülern an seiner Freien Waldorfschule mit der pädagogischen Grundkonzeption des öffentlichen Schulwesens zur Förderung von behinderten Kindern zu bejahen. Dies gilt unabhängig davon, ob die vom Kläger angestrebte Form der integrativen Beschulung in ihrem konkreten Umfang über das hinaus geht, was auf der Grundlage des § 15 Abs. 5 und 6 SchulG im öffentlichen Schulwesen über eine Kooperation einer allgemeinen Schule mit einer Sonderschule möglich wäre. Denn für die Frage, ob eine Privatschule auch der „pädagogischen Grundkonzeption“ des öffentlichen Schulwesens entspricht, ist nicht erforderlich, dass die jeweiligen Konzeptionen inhaltlich oder gar in der Form ihrer konkreten organisatorischen Umsetzung übereinstimmen; vielmehr ist insoweit ausreichend, dass das Konzept der Privatschule die pädagogische Grundkonzeption des öffentlichen Schulwesens nicht beeinträchtigt (BVerwG, Urt. v. 18.12.1996, a.a.O., S. 8).
57 
Hinzu kommt, dass die in pädagogischer Hinsicht notwendige Kompatibilität einer privaten Ersatzschule mit dem öffentlichen Schulwesen im Bereich der Integration von behinderten Schülern in den Unterricht auch über das Verbot der Benachteiligung Behinderter in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ausgestaltet ist. Dabei geht es nicht - wie der Beklagte meint - um die Frage, ob das öffentliche Schulwesen den Anforderungen des Benachteiligungsverbots entspricht, sondern darum, ob der Ersatzschuleigenschaft einer Privatschule entgegen gehalten werden kann, dass dort eine nach Art und Inhalt weitergehende zieldifferente Integration von Behinderten in den allgemeinen Unterricht stattfindet, als dies nach der Konzeption zur Beschulung behinderter Schüler mit besonderem Förderbedarf im Bereich der öffentlichen Schulen vorgesehen ist. Insoweit wirkt Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG nicht als Anspruchsgrundlage zur Ausgestaltung eines besonderen öffentlichen Schulsystems, sondern prägt - ebenso wie etwa auch das Recht der Eltern nach Art. 6 Abs. 2 GG auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder sowie das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in Art. 2 Abs. 1 GG oder das Recht auf Religions- und Gewissensfreiheit in Art. 4 GG (hierzu BVerfG, Beschl. v. 16.12.1992 - 1 BvR 167/87 -, BVerfGE 88, 40, 46 f; Beschl. v. 9.3.1994 - 1 BvR 712/88 -, BVerfGE 90, 107, 116; BVerwG, Urt. v. 19.2.1992 - 6 C 5/91 -, BVerwGE 89, 368, 369) - als Ausdruck einer verfassungsrechtlichen Wertentscheidung die konkrete Reichweite der Privatschulfreiheit nach Art. 7 Abs. 4 GG mit (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.10.1997 - 1 BvR 1997 -, BVerfGE 96, 288, 304). Verpflichtet dieses Benachteiligungsverbot den Staat im Bereich seines öffentlichen Schulwesens dazu, einen behinderten Schüler an einer allgemeinen Schule zu unterrichten, wenn der hierfür benötigte personelle und sächliche Aufwand mit vorhandenen Personal- und Sachmitteln bestritten werden kann und auch organisatorische Schwierigkeiten und schutzwürdige Belange Dritter der integrativen Beschulung nicht entgegen stehen (BVerfG, Beschl. v. 8.10.1997, a.a.O.), so darf er die Ersatzschuleigenschaft einer Schule in Freier Trägerschaft, an der eine integrative Beschulung von behinderten Kindern erfolgen soll, nicht allein unter Hinweis auf die im öffentlichen Schulsystem nach Art und Maß geringeren Möglichkeiten einer solchen Beschulung verneinen.
58 
Vor dem Hintergrund dieser verfassungsrechtlich ausgestalteten Reichweite der Privatschulfreiheit im Bereich der integrativen Beschulung behinderter Schülerinnen und Schüler kann offen bleiben, in welchem Umfang dieses Ergebnis auch von Art. 24 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 lit b) des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13.12.2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen mitgetragen wird. Danach sind die Vertragsstaaten in Anerkennung des Rechts von Menschen mit Behinderungen und unter der Zielsetzung der Verwirklichung dieses Rechts ohne Diskriminierung dazu verpflichtet, ein integratives Bildungssystem zu gewährleisten, in dem unter anderem sichergestellt ist, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem integrativen, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben. Auch wenn diese Vorschrift unabhängig von der Problematik der Kompetenz des Bundes oder des Landes zur Transformation des Übereinkommens aus sich heraus ohne weitere normative Ausfüllung keine unmittelbaren individuellen Ansprüche begründet, so spricht aus der Sicht der Kammer jedoch einiges dafür, dass das hier dargelegte Verständnis von Art. 7 Abs. 4 GG über den Grundsatz der völkerrechtsfreundlichen Auslegung des Grundgesetzes (hierzu BVerfG, Beschl. v. 1.3.2004 - 2 BvR 1570/03 -, NVwZ 2004, 852, 853; Beschl. v. 26.3.1987 - 2 BvR 589/79 -, BVerfGE 74, 358, 370) zumindest gestützt wird.
59 
Soweit der Beklagte maßgeblich auf die Schwierigkeiten einer angemessenen und dem bisherigen System entsprechenden Finanzierung der vom Kläger zur Genehmigung beantragten Ersatzschule verweist, die dann sowohl eine allgemeine Regelschule als auch (partiell) eine Sonderschule ersetzen würde, steht dies der Ersatzschuleigenschaft dieser Schule nicht entgegen. Denn das bestehende System der Privatschulfinanzierung, in dem der Beklagte Platz allein für das von ihm geförderte Kooperationsmodell sieht, ist kein Bestandteil des öffentlichen Schulwesens. Die in Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG geforderte Akzessorietät der Privatschule zu den öffentlichen Schulen wäre damit selbst dann nicht betroffen, wenn die insoweit notwendige Kompatibilität über den Bereich der pädagogischen Grundkonzeption hinaus auch auf andere Aspekte des öffentlichen Schulwesens erstreckt würde. Zudem ist die Frage der Finanzierung einer Privatschule durch den Staat nicht ein begrenzendes Merkmal der Freiheitsgewährung des Art. 7 Abs. 4 GG, sondern die Folge einer die Freiheitsgewährung schützenden und fördernden zusätzlichen Verantwortung des Staates (vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 9.3.1994 - 1 BvR 682/88 -, a.a.O.). Dies gilt umso mehr, als die Verfassung vom Staat keine volle Übernahme der mit der Errichtung und dem Betrieb einer Privatschule verbundenen Kosten fordert, sondern der grundrechtliche Anspruch auf staatliche Förderung lediglich auf eine der gesetzlichen Ausgestaltung bedürftige Beteiligung des Staates an den anerkannt hohen Kosten des Privatschulträgers beschränkt ist, die aus der Erfüllung der verfassungsrechtlichen Genehmigungsanforderungen resultieren (BVerfG, Urt. v. 8.4.1987 - 1 BvL 8/84 -, BVerfGE 75, 40, 68; Beschl. v. 9.3.1994 - 1 BvR 682/88 - sowie - 1 BvR 1369/90 -, jeweils a.a.O.).
60 
bb) Soweit die Erteilung der Genehmigung einer privaten Ersatzschule nach Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG daran gebunden ist, dass die private Schule in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurücksteht und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird, sind diese Voraussetzungen nach der übereinstimmenden Einschätzung der Beteiligten erfüllt. Insbesondere entspricht es der in den Evaluationsberichten zum Schulversuch des Klägers dokumentierten Einschätzung des Beklagten, dass die geistig behinderten Schülerinnen und Schüler an der Freien Waldorfschule des Klägers eine Erziehung und Ausbildung erhalten, die den Bildungs- und Erziehungszielen einer öffentlichen Sonderschule für Geistigbehinderte sowie der dort angestrebten Qualifikation gleichwertig ist. Dies hat der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich bestätigt.
61 
Der vom Beklagten im Hinblick auf die erreichten Erziehungs- und Bildungsziele verneinte pädagogische Mehrwert der Beschulung von geistig behinderten Schülern an der Schule des Klägers spielt für die Genehmigungsfähigkeit der Schule nach Art. 7 Abs. 4 GG keine Rolle, da es hiernach ausreicht, dass die Ersatzschule insoweit „nicht hinter den öffentlichen Schulen zurücksteht“. Eine - wie auch immer messbare - bessere Bildung und Erziehung als im Bereich der öffentlichen Schulen ist nicht gefordert.
62 
c) Der Genehmigungsanspruch des Klägers schließt auch eine integrative Beschulung geistig behinderter Schüler in den Klassenstufen 1 bis 4 ein.
63 
aa) Soweit in Art. 7 Abs. 5 GG für die Zulassung privater Volksschulen zusätzlich die Anerkennung eines besonderen pädagogischen Interesses durch die Unterrichtsverwaltung erforderlich ist, steht dies der Erweiterung der Ersatzschulgenehmigung der Freien Waldorfschule des Klägers zum Zwecke der integrativen Beschulung von sonderschulpflichtigen geistig behinderten Schülerinnen und Schülern nicht entgegen. Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob ein solches besonderes pädagogisches Interesse an dieser Schulform tatsächlich bereits deshalb besteht, weil die im Rahmen eines solchen Schulmodells gesammelten Erfahrungen der Entwicklung des gesamten Schulsystems hin zu einer stärkeren Integration auch von behinderten Schülern zugute kommen kann (vgl. insoweit BVerfG, Beschl. v. 16.12.1992 - 1 BvR 167/87 -, BVerfGE 88, 40) oder ob es - wie der Beklagte meint - erforderlich ist, dass die integrative Beschulung für die Ausbildung und Erziehung der behinderten Schüler einen Mehrwert mit sich bringt und ob ein solcher Mehrwert konkret gegeben ist. Weiterhin kann offen gelassen werden, inwieweit die Anerkennung eines solchen besonderen pädagogischen Interesses durch die Unterrichtsverwaltung trotz der hiermit unmittelbar vom Grundgesetz vorgegebenen Kompetenzverteilung im Rahmen dieses Verfahrens inzident durch das Gericht ersetzt werden könnte (zur Problematik vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.12.1992, a.a.O.). Denn der Kläger bedarf für die begehrte Erweiterung seiner Ersatzschulgenehmigung keiner solchen Anerkennung eines besonderen pädagogischen Interesses.
64 
Die Notwendigkeit der Anerkennung eines besonderen pädagogischen Interesses durch die Unterrichtsverwaltung in Art. 7 Abs. 5 GG und die hiermit verbundene Einschränkung der in Art. 7 Abs. 4 Satz 2 und 3 GG für den Bereich der Ersatzschulen verbürgten Privatschulfreiheit ist in der Entscheidung des Grundgesetzgebers begründet, ebenso wie unter der Geltung des Art. 147 Abs. 2 der Weimarer Reichsverfassung aus sozialstaatlich und egalitär-demokratischen Gründen wenigstens in den ersten Schuljahren alle Schüler und Schülerinnen in einer Volksschule zusammenzuführen und eine Sonderung von spezifischen Schülergruppen aus der Allgemeinheit nur noch dort zuzulassen, wo dies durch ein besonderes pädagogisches Interesse gerechtfertigt ist (hierzu ausführlich BVerfG, Urt. v. 8.4.1987 - 1 BvL 8/84 -, BVerfGE 75, 40, 56 ff; Beschl. v. 16.12.1992 - 1 BvR 167/87 -, a.a.O.; Vogel, Zur Errichtung von Grundschulen in freier Trägerschaft, DÖV 1995, 587, Badura, a.a.O., Rn. 122 ff.; Schmitt-Kammler, in Sachs, Grundgesetz Kommentar, 4. Aufl. 2007, Art. 7 Rn. 72; Niehues/Rux, a.a.O., Rn. 982 ff; ).
65 
Aus dieser Zweckrichtung ergibt sich, dass die Genehmigungsvoraussetzung des Art. 7 Abs. 5 GG insoweit nicht einschlägig ist, als es dem Kläger darum geht, in seiner Ersatzschule Schüler und Schülerinnen zu beschulen, die aufgrund ihrer Behinderung und des dadurch bedingten besonderen Förderbedarfs die allgemeine Grundschule des öffentlichen Schulwesens gar nicht besuchen dürfen, sondern in einer spezifischen Sonderschule schulpflichtig sind. Bezogen auf diese Schülergruppe stellt die private Ersatzschule des Klägers schon keine „private Volksschule“ im Sinne des Art. 7 Abs. 5 GG dar.
66 
Soweit an der Freien Waldorfschule des Klägers gemeinsam mit den sonderschulpflichtigen geistig behinderten Schülerinnen und Schülern umgekehrt auch Kinder beschult werden, die im Grundsatz an einer allgemeinen Grundschule schulpflichtig wären, liegt das notwendige Anerkenntnis des besonderen pädagogischen Interesses durch die Unterrichtsverwaltung bereits vor. Dieses ist mit der Erklärung der Freien Waldorfschulen zu Ersatzschulen in § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG für den Bereich der Beschulung von Schülern und Schülerinnen ohne besonderen Förderbedarf allgemeinen ausgesprochen worden. Ein Widerruf dieser Anerkennung ist im Zusammenhang mit der Einbeziehung auch von ansonsten sonderschulpflichtigen behinderten Schülern nicht erfolgt.
67 
bb) Schließlich steht dem Anspruch des Klägers auf Genehmigung der integrativen Beschulung geistig behinderter Kinder auch in den Klassenstufen 1 bis 4 nicht entgegen, dass der Beklagte mit Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 2.11.1995 einen Antrag des Klägers auf Genehmigung einer Grundschule mit besonderer pädagogischer Prägung abgelehnt hat.
68 
Zwar kann die mit der Ablehnung eines beantragten Verwaltungsakts verbundene Bindungswirkung einem neuen Antrag grundsätzlich insoweit entgegen gehalten werden, als dieser auf einen identischen Streitgegenstand bezogen ist. Ebenso wie im Prozessrecht (hierzu Rennert in Eyermann, VwGO Kommentar, 12. Aufl. 2006, § 121 Rn. 23 ff; BVerwG, Urt. v. 3.11.1994 - 3 C 30/93 -, NVwZ 1996, 66) ist hierbei maßgeblich auf die Rechtsfolgebehauptung des Antragstellers und den tatsächlichen Lebenssachverhalt abzustellen, aus dem diese Rechtsfolge hergeleitet wird (näher hierzu Seibert, Die Bindungswirkung von Verwaltungsakten, Baden-Baden 1989, S. 509 ff), sodass allein durch die Stellung eines neuen Genehmigungsantrags noch kein neuer Streitgegenstand begründet wird, der eine materiell-rechtliche Bindungswirkung entfallen lassen könnte (a.A. BVerwG, Urt. v. 6.6.1975 - IV 15.73 -, BVerwGE 48, 271; Weyreuther, Anmerkung zum Urteil des BVerwG v. 31.7.1964 - i C 132.59 -, DVBl. 1965, 281, 283; differenzierend Kopp/Ramsauer, VwVfG Kommentar, 10. Aufl. 2008, § 51 Rn. 7a, 27). Maßgeblich ist insoweit vielmehr, ob sich die der Ablehnungsentscheidung zugrunde liegende Sach- und Rechtslage in relevanter Weise von derjenigen des Neuantrags unterscheidet (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.9.1990 - 6 C 4/90 -, NVwZ 1991, 272; Urt. v. 3.12.1986 - 6 C 50/85 -, BVerwGE 75, 201, Urt. v. 28.10.1966 - VII C 38.66 -, BVerwGE 25, 241).
69 
Nach diesen Grundsätzen liegt dem Begehren des Klägers auf Ergänzung seiner Ersatzschulgenehmigung um das Recht zur integrativen Beschulung auch von geistig behinderten sonderschulpflichtigen Schülerinnen und Schülern ein Streitgegenstand zugrunde, der - bezogen auf die Klassen 1 bis 4 - mit dem Streitgegenstand der Ablehnungsentscheidung des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 2.11.1995 identisch ist. Dabei kommt es - entgegen der Auffassung der Beteiligten - nicht darauf an, ob der mit dem Bescheid vom 2.11.1995 abgelehnte Antrag des Klägers vom 4.5.1995 auf eine Genehmigung nach § 3 Abs. 1 PSchG gerichtet war, während der nunmehr streitgegenständliche Genehmigungsantrag auf die Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG gestützt wird. Entscheidend ist vielmehr, dass mit dem Antrag vom 2.11.1995 ebenso wie mit dem Antrag vom 18.6.2008 in der Sache die Erteilung einer Genehmigung erreicht werden sollte, auf deren Grundlage Kinder, die ansonsten in einer allgemeinen Grundschule schulpflichtig wären, in den Klassenstufen 1 bis 4 nach dem Waldorflehrplan und unter Anwendung der Waldorfpädagogik gemeinsam mit Kindern unterrichtet werden können, die anderenfalls eine Sonderschule für Geistigbehinderte besuchen müssten. Dabei standen die Regelungen des § 3 Abs. 1 PSchG und des § 3 Abs. 2 PSchG, ebenso wie übrigens auch Art. 7 Abs. 4 und 5 GG, sowohl in Bezug auf den Erstantrag von 1995 als auch im Hinblick auf den hier streitgegenständlichen Verpflichtungsantrag stets in einem Verhältnis der Anspruchsnormenkonkurrenz und begründeten für sich keine Begrenzung des tatsächlichen Begehrens.
70 
Allerdings steht der hiermit grundsätzlich gegebenen Möglichkeit des Beklagten, den Kläger auf die Bindungswirkung des Ablehnungsbescheids vom 2.11.1995 zu verweisen, die gleichzeitig begründete Verpflichtung entgegen, das partiell identische Ablehnungsverfahren von 1995 im Zusammenhang mit dem Neuantrag wiederaufzugreifen und eine neue Sachentscheidung zu treffen. Dies gilt, obwohl die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 1 LVwvfG nicht vorliegen. Denn es ist anerkannt, dass eine an Gesetz und Recht gebundene Behörde - trotz der Bindungswirkung eines wirksamen Verwaltungsakts - aus Gründen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ein Verfahren auch außerhalb des § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG jederzeit von Amts wegen mit dem Ziel wieder aufgreifen kann, einen - möglicherweise rechtswidrigen - Verwaltungsakt zugunsten des Betroffenen durch einen der Rechtslage entsprechenden zu ersetzen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.9.2000 - 2 C 5/99 -, BayVBl 2001, 216; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 30.12.2008 - 11 S 759/06 -, VBlBW 2009, 32; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl. 2007, § 51 VI 2 b), S. 602; ähnlich - unter Rückgriff auf § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 LVwVfG - BVerwG, Beschl. v. 23.2.2004 - 5 B 104/03 -, juris; Beschl. v. 29.3.1999 - 1 DB 7/97 -, BVerwGE 113, 322; zur Rechtslage vor Inkrafttreten des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes vgl. BVerfG, Entsch. v. 17.12.1969 - 2 BvR 23/65 -, BVerfGE 27, 297; BVerwG, Urt. v. 16.12.1971 - I C 31.68 -, BVerwGE 39, 197; Urt. v. 30.1.1974 - VIII C 20.72 -, BVerwGE 44, 333; Urt. v. 28.7.1976 - 8 C 90.75 - Buchholz 412.3 § 16 Nr. 2; Urt. v. 14.12.1977 - 8 C 79.76 - Buchholz 316 § 36 Nr. 1). Mit dieser Befugnis korrespondiert ein Anspruch des Betroffenen auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Wiederaufgreifen des Verfahrens, der sich dann zu einem Anspruch auf den Erlass einer neuen Sachentscheidung verdichtet, wenn im Einzelfall Umstände von einer den in § 51 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 VwVfG geregelten Fällen vergleichbaren Bedeutung und Gewicht vorliegen und die Aufrechterhaltung des Erstbescheides auch unter Berücksichtigung seiner Bestandskraft schlechthin unerträglich wäre (BVerwG, Urt. v. 27.1.1994, 2 C 12.92 -, BVerwGE 95, 86 m.w.N.; vgl. auch - im Hinblick auf § 48 Abs. 1 LVwVfG - BVerwG, Urt. v. 17.1.2007 - 6 C 32/06 -, NVwZ 2007, 709 m.w.N. sowie BVerwG, Urt. v. 28.7.1976 - 8 C 90.75 - Buchholz 412.3 § 16 BVFG Nr. 2).
71 
Eine solche Situation der Reduzierung des Ermessens zum Wiederaufgreifen des Verfahrens auf Null ist hier gegeben. Dies folgt zum einen aus der fortdauernden Grundrechtsbezogenheit des vom Kläger geltend gemachten Genehmigungsanspruchs nach Art. 7 Abs. 4 GG, der greifbar rechtswidrigen Begründung der Ablehnungsentscheidung vom 2.11.1995 sowie der Erledigung der gegen diese Entscheidung erhobenen Klage vor dem Hintergrund des damals zunächst durchzuführenden und nun abgeschlossenen Schulversuchs zur integrativen Beschulung der behinderten Schülerinnen und Schüler an der Waldorfschule des Klägers. Zum anderen greift vorliegend die für den Verweis auf die Bestandskraft regelmäßig maßgebliche Erwägung der Verwaltungsökonomie und Rechtssicherheit in der Sache schon deshalb nicht durch, weil die konkrete Anspruchsberechtigung des Klägers vom Beklagten jedenfalls in Bezug auf die Klassen 5 bis 12 geprüft werden musste und auch tatsächlich gegeben ist.
III.
72 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Obwohl der Beklagte zur Genehmigungserteilung verpflichtet wurde und der Kläger damit sein Klageziel im Wesentlichen erreicht hat, waren dem Beklagten die Kosten des Verfahrens nicht in vollem Umfang aufzuerlegen (vgl. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO). Denn das Unterliegen des Klägers durch die Abweisung seines Hauptantrags ist insoweit erheblich, als dieser bei Erfolg seines Feststellungsantrags auch für die faktisch bereits erfolgte Neuaufnahme einiger sonderschulpflichtiger Kinder zum Schuljahr 2008/2009 auf eine bereits vorhandene Genehmigung hätte verweisen können.
73 
Die Kammer sieht davon ab, die Entscheidung hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO).
74 
Die Zulassung der Berufung findet ihre Grundlage in § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Frage der Ersatzschuleigenschaft einer integrativen Privatschule hat grundsätzliche Bedeutung.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 13. Dezember 2007 - 6 K 3798/07 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf EUR 7.500,-- festgesetzt.

Gründe

 
Die nach § 146 Abs. 4 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich (vgl. allerdings den Beschluss des Senats v. 27.01.2006, VBlBW 2006, 323) beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben zu einer Änderung der vom Verwaltungsgericht zum Nachteil des Antragstellers getroffenen Entscheidung keinen Anlass.
Das Verwaltungsgericht hat bei der von ihm nach Maßgabe des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung dem - seinerzeit nach § 80 Abs. 3 VwGO formell ordnungsgemäß begründeten - besonderen öffentlichen Interesse an der nunmehr kraft Gesetzes vorgesehenen (vgl. § 9 Abs. 2 GlüStV) sofortigen Vollziehung der angegriffenen Untersagungsverfügung vom 12.11.2007, soweit dies vom Senat zu prüfen war, zu Recht Vorrang vor dem privaten Interesse des Antragstellers gegeben, ihr vorläufig keine Folge leisten zu müssen. Mit dieser Verfügung untersagte das Regierungspräsidium Karlsruhe dem Antragsteller, in Baden-Württemberg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen und gab ihm auf, die hierzu vorgehaltenen Geräte aus den öffentlich zugänglichen Räumen zu entfernen (Ziff. 1) und die untersagten Tätigkeiten unverzüglich einzustellen (Ziff. 2); gleichzeitig wurde die sofortige Vollziehung angeordnet (Ziff. 3) und dem Antragsteller für den Fall, dass er seinen Verpflichtungen binnen zweier Wochen nicht nachkomme, ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,-- EUR angedroht (Ziff. 4). Davon, dass seine dagegen erhobene Klage im Hinblick auf die dargelegten Gründe Erfolg haben könnte, vermag der Senat einstweilen nicht auszugehen, wenn ein solcher auch nicht ausgeschlossen erscheint. Vor diesem Hintergrund hält der Senat indes bei Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen eine Aussetzung des Sofortvollzugs nicht für angezeigt.
Ob das Regierungspräsidium dem Antragsteller im Ergebnis ohne Rechts- und Ermessensfehler die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten sowie die Werbung hierfür und die Unterstützung solcher Tätigkeiten untersagt, die Entfernung der hierzu vorgehaltenen Geräte sowie die Einstellung der untersagten Tätigkeiten aufgegeben und für den Fall, dass er dem nicht fristgemäß nachkomme, ein Zwangsgeld angedroht hat, wird sich abschließend erst im Hauptsacheverfahren klären lassen.
Als Rechtsgrundlage für die angefochtene Verfügung, die seinerzeit zutreffend auf § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Staatsvertrages zum Lotteriewesen in Deutschland (vgl. GBlBW 2004, 274) - LottStV - gestützt wurde, kommt nunmehr allein § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 des - am 01.01.2008 in Kraft getretenen (vgl. GBl. 2008, 56) Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV, vgl. GBl. 2007, 571 ff.) in Betracht. Maßgeblich für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung ist, wie regelmäßig bei Dauerverwaltungsakten, der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 09.03.2005, Buchholz 451.20 § 15 GewO Nr. 5 zu § 15 Abs. 2 Satz 2 GewO m. N.); steht diese - wie hier - noch aus, ist auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV kann die für die Glücksspielaufsicht zuständige Behörde - dies ist nach § 2 des Gesetzes zu dem Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 11.12.2007 (GBl. 2007, 571) bzw. nach § 16 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag - AG-GlüStV) vom 04.03.2008 (GBl. 81 ff.) das Regierungspräsidium Karlsruhe - die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür untersagen. Insofern ist unerheblich, ob der Antragsteller nicht nur als Vermittler, sondern auch als Veranstalter von Sportwetten anzusehen wäre.
Zutreffend wird in der angefochtenen Verfügung auch von einem Glücksspiel (nunmehr i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV) ausgegangen. Bei den vermittelten Sportwetten handelt es sich ersichtlich um keine Geschicklichkeitsspiele (vgl. BGH, Urt. v. 28.11.2002, GewArch 2003, 352; Senat, Beschl. v. 12.01.2005, VBlBW 2005, 181 m.w.N.). Auch wenn man dies mit dem Antragsteller im Anschluss an eine von ihm vorgelegte gutachterliche Stellungnahme (vgl. Dannecker, Gutachterliche Stellungnahme v. 20.11.2007 zu der Frage, ob Oddset-Wetten Glücksspiele im Sinne des § 284 StGB sind) anders beurteilte (vgl. demgegenüber Anmerkung Steegmann, ZfWG 2007, 410 ff.), ändert dies im Ergebnis nichts, da Wetten gegen Entgelt auf den Eintritt oder Ausgang eines zukünftigen Ereignisses, mithin auch Sportwetten, jedenfalls nach § 3 Abs. 1 Satz 3 GlüStV Glücksspiele i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV sind.
Voraussichtlich zu Recht hat das Regierungspräsidium auch angenommen, dass die dem Antragsteller untersagte Veranstaltung bzw. Vermittlung von Sportwetten in Baden-Württemberg unerlaubt sei, nachdem zu keiner Zeit eine Erlaubnis nach baden-württembergischem Landesrecht erteilt worden ist (vgl. nunmehr § 4 Abs. 1 GlüStV). Dass die Sportwetten ins EG-Ausland, hier nach Malta, vermittelt werden, ändert nichts, dass die Vermittlung, soweit sie - wie hier - die Möglichkeit zur Teilnahme in Baden-Württemberg eröffnet (vgl. § 3 Abs. 4 GlüStV), mangels einer entsprechenden vom Land Baden-Württemberg erteilten Erlaubnis hier verboten, mithin i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV unerlaubt ist. Ob darüber hinaus - auch im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG - von einer Strafbarkeit nach § 284 Abs. 1 StGB auszugehen wäre, ist schließlich in vorliegendem Zusammenhang unerheblich. An dem Verstoß gegen § 4 Abs. 1 GlüStV ändert auch die dem Wettunternehmer im EG-Ausland (hier: Malta) erteilte Erlaubnis nichts. Überzeugende Argumente, dass eine solche kraft derzeitigen europäischen Gemeinschaftsrechts (generell oder automatisch) auch im Bundesgebiet Geltung beanspruchen können sollte, lassen sich weder dem EG-Vertrag noch den Ausführungen des Antragstellers entnehmen (gegen eine unmittelbare Geltung auch BayVGH, Beschl. v. 10.07.2006, a.a.O.; NdsOVG, Beschl. v. 17.03.2005, GewArch 2005, 282; HessVGH, Beschl. v. 25.07.2006 - 11 TG 1465/06 -; anders wohl OLG München, Urt v. 26.09.2006 - 5 St RR 115/05 -). Im Glücksspielbereich sind die Mitgliedstaaten unabhängig vom jeweiligen Schutzniveau nicht verpflichtet, Genehmigungen gegenseitig anzuerkennen; insofern sind sie berechtigt, die Beantragung einer nationalen Erlaubnis auch dann zu fordern, wenn der Leistungsanbieter bereits über eine Konzession eines anderen Mitgliedstaats verfügt (vgl. EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 30.05.2007 - Case 3/06 Rn. 86). Dem entsprechend ist auch die Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den elektronischen Geschäftsverkehr vom 08.06.2000 (ABl. Nr. L 178 v. 17.07.2000, S. 1), die in ihrem Art. 3 das Herkunftslandprinzip vorschreibt, auf Glücksspiele nicht anwendbar (vgl. den Erwägungsgrund 16 u. Art. 1 Abs. 5 Buchst. d 3. Spiegelstrich). Die Auffassung des Generalanwalts (vgl. dessen Schlussanträge v. 16.05.2006 - Rs. C-338/04, C-359/04 und C-360/04 ), wonach Gemeinschaftsrecht einer nationalen Regelung entgegenstehe, die u. a. die Übermittlung von Wetten ohne die hierfür erforderliche Konzession des jeweiligen Mitgliedstaats für Rechnung eines Unternehmers verbiete, der lediglich eine in dem Mitgliedstaat seiner Niederlassung erteilte Zulassung besitzt, lässt sich mit den dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 06.11.2003 (NJW 2005, 139 ) zugrunde liegenden Annahmen nicht vereinbaren, wo den einzelnen Mitgliedstaaten gerade ein Ermessensspielraum bei der Gestaltung ihrer Glücksspielpolitik eingeräumt wird; hierauf ist zu Recht auch in der angefochtenen Verfügung hingewiesen worden. Dem entsprechend hat sich der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 06.03.2007 - Rs. C-338/04, C-359/04 und C-360/04 - jene Ausführungen auch nicht zu eigen gemacht (ebenso EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 30.05.2007, a.a.O., Rn. 83 ff.). Vielmehr hat er auf seine bisherige Rechtsprechung verwiesen, die eine Reihe von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses anerkannt habe, aus denen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs gerechtfertigt seien (Rdnr. 45 f.), und ausdrücklich klargestellt, dass es den Mitgliedstaaten freistehe, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der (jeweiligen) Glücksspiele festzulegen und ggf. auch das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen (Rdnr. 48); die vorgeschriebenen Beschränkungen müssten lediglich den sich aus seiner Rechtsprechung ergebenden Anforderungen hinsichtlich ihrer Verhältnismäßigkeit genügen (Rdnr. 48). Vor diesem Hintergrund kann auch dahinstehen, ob sich die in Rede stehende maltesische Genehmigung überhaupt auf Wetten erstreckt, die - wie hier - per Datenleitung angenommen werden (vgl. hierzu HambOVG, Beschl. v. 11.07.2006 - 1 Bs 496/04 -).
Dass die Untersagung der Fortsetzung der Vermittlung von Sportwetten gleichwohl deshalb Ermessensfehlern begegnete, weil auch die derzeitige Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols in Baden-Württemberg (vgl. den auch für Baden-Württemberg maßgeblichen, zum 01.01.2008 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag, GBl. 2007, 571 u. GBl. 2008, 56) mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar wäre, mag zwar nicht ausgeschlossen sein, ist aufgrund des Vorbringens des Antragstellers aber nicht wahrscheinlich. Zwar darf anderen als den in § 10 Abs. 2 GlüStV Genannten weiterhin nur die Veranstaltung von Lotterien und Ausspielungen erlaubt werden (§§ 10 Abs. 5, 12 GlüStV), doch spricht einiges dafür, dass dies letztlich nicht beanstandet werden kann. Insbesondere dürften nunmehr gesetzliche Regelungen vorhanden sein, die - nach der im vorliegenden Verfahren allein gebotenen summarischen Prüfung - eine konsequente und aktive Ausrichtung des in Baden-Württemberg zulässigen Sportwettangebots an dem überragend wichtigen Gemeinwohlziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht materiell und strukturell gewährleisten, welches eine Beschränkung der Berufsfreiheit zu rechtfertigen vermag (vgl. BVerfG, Beschl. v. 04.07.2006 - 1 BvR 138/05 -; Urt. v. 28.03.2006, BVerfGE 115, 276 ff.); dass den vom Bundesverfassungsgericht an die Neuregelung gestellten konkreten Anforderungen mit dem nunmehr in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag nicht genügt wäre (vgl. Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr. 150 ff.), hat der Antragsteller auch nicht dargelegt. Soweit der Antragsteller - wenngleich in anderem Zusammenhang - rügt, dass auch nach dem neuen Glücksspielstaatsvertrag eine unbegrenzte Zahl von Annahmestellen zulässig sei und diese weder die Jugendschutzanforderungen einhalten müssten noch auf eine Bekämpfung der Suchtgefahren angelegt seien, trifft dies ersichtlich nicht zu (vgl. §§ 10 Abs. 3 GlüStV, 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5, 7 AG-GlüStV). Auch die vom Antragsteller vermissten effektiven Regelungen zum Minderjährigen- und Spielerschutz dürften inzwischen getroffen sein (vgl. §§ 4 Abs. 3, 6-8, 21 Abs. 3 GlüStV, 2 Abs. 2, 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, 5 u. 6, 9 ff. AG-GlüStV). Insofern dürfte auch der Vertriebsweg eine den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entsprechende Regelung erfahren haben. Dass diese vom Land Baden-Württemberg nicht umgesetzt würde, vermag der Senat einstweilen nicht zu erkennen. Inwiefern schließlich eine fehlende absolute Begrenzung des Jackpots bei den Lotterien (vgl. § 22 Abs. 1 GlüStV) das hier allein in Rede stehende Wettmonopol in Frage stellen sollte, ist weder aufgezeigt noch zu erkennen. Auf die Ausgestaltung der Annahmestellen in Nordrhein-Westfalen kommt es schließlich für den Bestand des in Baden-Württemberg fortgeschriebenen Wettmonopols nicht an.
Ob die vom Antragsteller vorgebrachten gemeinschaftsrechtlichen Bedenken eine andere Beurteilung rechtfertigen, erscheint zweifelhaft, lässt sich jedoch erst im Hauptsacheverfahren abschließend beurteilen. Zwar stellt auch die nunmehrige Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols eine Beschränkung der Niederlassungs- bzw. Dienstleistungsfreiheit nach Art. 43 bzw. 49 des EG-Vertrages - EG - dar, doch spricht aufgrund der vom Senat zu prüfenden Gründe einiges dafür, dass jene aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls als gerechtfertigt anzusehen sein werden (vgl. EuGH, Urt. v. 30.11.1995 - Rs. C-55/94 -, NVwZ 1996, 356 ), nachdem viel dafür spricht, dass auch die Anforderungen, die der Europäische Gerichtshof insbesondere im Urteil vom 06.11.2003 (a.a.O.) konkretisiert hat, erfüllt sind.
10 
Bei seinem Einwand, Baden-Württemberg sei schon seiner Notifizierungspflicht nicht nachgekommen, übersieht der Antragsteller, dass der Glücksspielstaatsvertrag als solcher sehr wohl notifiziert wurde (vgl. Stellungnahme der Europäischen Kommission v. 14.05.2007) und das Zustimmungsgesetz vom 11.12.2007 (GBl. 2007, 571) mangels eigenständiger - unter die Informationsrichtlinie fallender - Regelungen keiner weiteren Notifizierung bedurfte. Dazu, inwiefern das inzwischen in Kraft getretene Ausführungsgesetz vom 04.03.2008 (GBl. 81 ff.) notifizierungspflichtig sein könnte, verhält sich die Antragsbegründung nicht.
11 
Auch der Hinweis des Antragstellers, dass die von einem Mitgliedstaat geltend gemachten Rechtfertigungsgründe von einer Untersuchung der Zweckmäßigkeit und zur Verhältnismäßigkeit begleitet werden müssten (vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 13.11.2003 - Rs. C-42/02 -, EuGHE I 2003, 13519 Rn. 25, 26), vermag auf keinen Verstoß gegen europäisches Gemeinschaftsrecht zu führen. So lagen durchaus erste Untersuchungen vor (vgl. Hayer/ Meyer, Das Gefährdungspotenzial von Lotterien und Sportwetten, Mai 2005, S. 157 ff.), die bereits einen Schluss auf die Schwere der Gefahren zuließen, die mit dem Betreiben von Glücksspielen verbunden sind. Dass das Suchtpotenzial von Sportwetten derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden können mag, ändert nichts, dass schon aufgrund des gegenwärtigen Erkenntnisstandes (vgl. Hayer/Meyer, Das Suchtpotenzial von Sportwetten, Sucht 49 (2003), S. 212 ff.; Hayer/Meyer, a.a.O., S. 157 ff.) mit einem nicht unerheblichen Suchtpotenzial gerechnet und dieses mit dem Ziel der Abwehr einer höchstwahrscheinlichen Gefahr zum Anlass präventiver Maßnahmen genommen werden darf (vgl. BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rn. 101 f.).
12 
Soweit der Antragsteller einen Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot (vgl. Art. 12 EG) geltend macht, weil private und staatliche Anbieter unterschiedlich behandelt würden, geht dies fehl. Art. 12 EG verbietet lediglich Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit Bei dem hier in Rede stehenden staatlichen Monopol dürfen indes, so es verhältnismäßig ist, private Wettunternehmer - auch solche, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind -, generell von der Veranstaltung bzw. Vermittlung von (Sport-)Wetten ausgeschlossen werden. Die Zulässigkeit einer Monopolisierung hat auch der Europäische Gerichtshof nicht grundsätzlich in Frage gestellt (vgl. Urt. v. 21.09.1999 - Rs. C-124/97 - ). Entgegen der Auffassung des Antragstellers folgt aus dem Urteil vom 06.03.2007 () nichts anderes; dass dort der Ausschluss bestimmter Anbieter beanstandet wurde, beruhte darauf, dass ein solcher zur Erreichung gerade des in Italien verfolgten Ziels, eine Einbeziehung der im Bereich der Glücksspiele tätigen Wirtschaftsteilnehmer in kriminelle oder betrügerische Tätigkeiten zu unterbinden, nicht notwendig war.
13 
Die mit der Monopolisierung verfolgten, in § 1 Nr. 1 – 4 GlüStV niedergelegten Ziele stellen auch „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“ dar; dass diese nur vorgeschoben wären und die Einnahmeerzielung eigentliches Ziel der Fortschreibung des baden-württembergischen Wettmonopols wäre, vermag der Senat vor dem Hintergrund der getroffenen Neuregelung nicht zu erkennen. Dass das angegriffene staatliche Wettmonopol deren Verwirklichung gewährleistet, folgt bereits aus dem begrenzten - weil monopolisierten - Angebot (vgl. bereits OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 02.05.2007 - 6 B 10118/07 -; hierzu Hayer/Meyer, Das Suchtpotenzial von Sportwetten, a.a.O., S. 218). Eine beschränkte Zulassung privater Wettanbieter wäre im Hinblick auf die dann erforderliche staatliche Aufsicht zudem weit weniger effektiv (vgl. BVerfG, Urt. v. 19.07.2000, BVerfGE 102, 197; hierzu auch BVerwG, Urt. v. 28.03.2001, BVerwGE 114, 92 Rn. 42).
14 
Soweit der Antragsteller ferner geltend macht, es fehle an einer für den gesamten Glücksspielsektor erforderlichen kohärenten und systematischen Strategie zur Bekämpfung der Glücksspielsucht, weshalb das staatliche Wettmonopol letztlich keinen Bestand haben könne, lassen die von ihm hierzu angeführten Gesichtspunkte solche Schlüsse jedenfalls derzeit nicht zu, wenn sich die sinngemäß erhobenen Bedenken einstweilen auch nicht gänzlich von der Hand weisen lassen.
15 
Dass im Glücksspielstaatsvertrag wesentliche Bereiche des Glücksspiels - das gewerbliche Spiel in Spielhallen, Gaststätten und Wettannahmestellen - ungeregelt geblieben sind, vermag allerdings auf keinen Verstoß gegen europäisches Gemeinschaftsrecht zu führen; hieran waren die Länder durch die abschließende Normierung des Bundes in der Gewerbeordnung und der Spielverordnung von vornherein gehindert (vgl. hierzu die Erläuterungen zum neuen Glücksspielstaatsvertrag unter II. 3). Auch wenn aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht eine „kohärente und systematische Begrenzung der Wetttätigkeiten“ (vgl. EuGH, Urt. v. 06.11.2003, a.a.O., Rn. 67) auch Regelungen im Bereich des gewerblichen Spielrechts erfordern sollte, können diese vom zuständigen Gesetz- bzw. Verordnungsgeber auch außerhalb des Glücksspielstaatsvertrags getroffen werden.
16 
Dass die Novellierung der Spielverordnung „keinerlei Änderungen bei den glücksspielsuchtintensiven Automatenspielen bewirkt“ habe, dürfte schließlich kaum zutreffen. Ob mit den vom Antragsgegner unter Bezugnahme auf die Begründung zur 5. Verordnung zur Änderung der Spielverordnung (vgl. BR-Drucks. 655/05, S. 10 ff.) angeführten Änderungen allerdings zumindest so weit der Bekämpfung von Suchtgefahren entgegengewirkt wird, dass dadurch nicht der ggf. umfassend (unter Einbeziehung auch der ein vergleichbares oder höheres Suchtpotential aufweisenden - nicht monopolisierten - Glücksspiele) zu verstehende (vgl. hierzu EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 14.03.2007 - Case E-1/06 -, Rdnr. 43 ff.) „kohärente und systematische Beitrag zur Begrenzung der Wetttätigkeiten“ (vgl. EuGH, Urt. v. 06.11.2003, a.a.O., Rn. 67) wegen widersprüchlichen Verhaltens in Frage gestellt wird, wird unter Berücksichtigung des Aufforderungsschreibens der Europäischen Kommission vom 31.01.2008 (im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2007/4866) im Hauptsacheverfahren zu klären sein (vgl. hierzu die Antwort der BReg v. 25.04.2007, BT-Drucks. 16/5166, S. 20 f. sowie das Schreiben des Senats v. 21.02.2008 - 6 S 1512/07 -). Hierbei dürfte auch dem Umstand Bedeutung zukommen, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit vier Jahre nach Inkrafttreten jener Verordnung einen Bericht über die Auswirkungen der neuen Bestimmungen, insbesondere auch im Hinblick auf die Problematik des pathologischen Glücksspiels, vorlegen wird (vgl. BR-Drucks. 655/05, S. 11 unten). Im Hauptsacheverfahren wird ggf. auch zu klären sein, inwiefern sich unterschiedliche Begrenzungen bereits mit den in den jeweiligen Glücksspielmärkten bestehenden Unterschieden - hinsichtlich des jeweiligen Suchtpotenzials bzw. hinsichtlich der jeweiligen Verlustmöglichkeiten - rechtfertigen ließen (zu etwa gebotenen Differenzierungen auch EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 30.05.2007 - Case E-3/06 Rn. 52; auch bereits OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 02.05.2007 - 6 B 10118/07 - Rn. 18; Antwort der BReg. v. 15.06.2007, BT-Drucks. 16/5687, S. 6 f. u. v. 02.10.2007, BT-Drucks. 16/6551, S. 2). Allein der Umstand, dass bestimmte Arten des Glücksspiels über Konzessionen geregelt werden, andere aber einem staatlichen Monopol vorbehalten werden, dürfte eine konsistente Glücksspielpolitik allerdings noch nicht in Frage stellen; eine solche dürfte nicht voraussetzen, dass sämtliche Glücksspielsektoren einem einheitlichen Regelungswerk unterworfen werden (zutr. bereits OVG NW, Beschl. v. 22.02.2008 - 13 B 1215/07 -). Was schließlich die nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz erlaubnisfähigen Pferdewetten anbelangt, welche ohnehin nur eine „nebensächliche“ bzw. „(sehr) untergeordnete“ Rolle spielen (vgl. Hayer/Meyer, Das Gefährdungspotenzial von Lotterien und Sportwetten, a.a.O., S. 48, 82, 104; Antwort der BReg. v. 02.10.2007, a.a.O., S. 2 f.: Pferdewetten machen lediglich 0,5 % des Glücksspielmarktes aus), sich nur auf ein enges und deshalb leichter überschaubares Sportgeschehen beziehen und in einer besonderen wirtschaftlichen Situation zur Bekämpfung des „Winkelbuchmachertums“ der privaten Veranstaltung zugänglich gemacht worden waren (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.03.2001, BVerwGE 114, 92), spricht im Übrigen alles dafür, dass die entsprechenden Regelungen die ggf. umfassend zu verstehende Konsistenz der nationalen Begrenzungen im Wettsektor noch nicht in Frage stellten (vgl. hierzu auch die Stellungnahme der BReg v. 25.04.2007, BT-Drucks. 16/5166, S. 20 f. unter Hinweis auf die amtliche Begründung zum Rennwett- und Lotteriegesetz von 1922). Auch spricht einiges dafür, dass im Hinblick auf die mit dem Betrieb von Spielkasinos verbundenen Gefahren nichts anderes gilt, nachdem, worauf der Antragsgegner hingewiesen hat, das baden-württembergische Spielbankengesetz erhebliche Begrenzungen und Maßgaben zum Spielerschutz vorsieht. Auf den Verkauf niedersächsischer Spielbanken an ein österreichisches Unternehmen kommt es in diesem Zusammenhang ersichtlich nicht an.
17 
Soweit der Antragsteller schließlich darauf verweist, dass die Europäische Kommission in ihren Schreiben von März bzw. Mai 2007 das Verbot des Veranstaltens und des Vermittelns öffentlicher Glücksspiele im Internet (vgl. § 4 Abs. 4 GlüStV) und die bei Lotterien vorgesehene Übergangsvorschrift in § 25 Abs. 6 GlüStV sowie das lediglich für einzelne Glücksspiele normierte partielle Werbeverbot (§ 5 GlüStV) als gemeinschaftswidrig beanstandet habe, zeigt er nicht auf, inwiefern sich daraus - träfe der Einwand zu - auch die Gemeinschaftswidrigkeit des für die hier angegriffene Maßnahme allein erheblichen staatlichen Wettmonopols ergeben sollte (vgl. hierzu auch OVG NW, Beschl. v. 22.02.2008 - 13 B 1215/07 -). Im Übrigen übersieht der Antragsteller, dass die Länder an entsprechenden Regelungen für das gewerbliche Spiel gerade im Glücksspielstaatsvertrag gehindert waren; auf Spielbanken findet das beschränkte Werbeverbot im Übrigen sehr wohl Anwendung (vgl. § 2 GlüStV). Auf eine Gemeinschaftswidrigkeit des in den §§ 4 Abs. 1, 10 Abs. 5 u. 2 GlüStV fortgeschriebenen staatlichen Wettmonopols vermag auch der vom Antragsteller im Anschluss an die Stellungnahme der Europäischen Kommission vom 14.05.2007 erhobene Einwand nicht zu führen, die Ermächtigung der Glücksspielaufsicht, Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten die Mitwirkung an Zahlungen für unerlaubtes Glücksspiel und an Auszahlungen aus unerlaubtem Glücksspiel untersagen zu können, beschränke den freien Kapitalverkehr (vgl. Art. 56 EG).
18 
Von einem bereits feststehenden Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht kann auch nicht im Hinblick auf die von der Europäischen Kommission derzeit gegen die Bundesrepublik angestrengten Vertragsverletzungsverfahren ausgegangen werden (vgl. hierzu zu Recht Steegmann, ZfWG 2008, 26 <29>). Dies um so weniger, als jene im Verfahren Case E-3/06 () vor dem EFTA-Gerichtshof noch selbst die Auffassung vertreten hatte (vgl. Written Observations v. 03.11.2006, Rn. 38, 40), dass die Konsistenz einer nationalen Regelung für jeden Glücksspielsektor getrennt zu untersuchen und hierbei lediglich noch die Produkt-, Markt- und Vertriebsstrategien gerade des entsprechenden nationalen (Monopol-)Veranstalters zu berücksichtigen seien (vgl. insofern auch EuGH, Urt. v. 06.11.2003, a.a.O., Rn. 69 „die Behörden eines Mitgliedstaats“ sowie EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 30.05.2007, a.a.O., Rn. 54); insofern käme es auf die über Konzessionen geregelten Glücksspiele überhaupt nicht entscheidend an (in diesem Sinne bereits OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 02.05.2007, a.a.O., Rn. 18). Eine andere Beurteilung ist schließlich auch nicht deshalb angezeigt, weil dem Europäischen Gerichtshof wegen der gegen das staatliche Wettmonopol erhobenen gemeinschaftsrechtlichen Bedenken inzwischen verschiedene Vorabentscheidungsersuchen vorliegen.
19 
Lässt sich sonach ein Verstoß gegen Verfassungs- bzw. europäisches Gemeinschaftsrecht derzeit nicht feststellen, mag ein solcher auch nicht von der Hand zu weisen sein, kann einstweilen auch nicht beanstandet werden, dass das Regierungspräsidium die unerlaubte Vermittlung von Sportwetten wegen der anderenfalls - aufgrund des nicht unerheblichen Suchtpotentials - drohenden Gefahren ermessensfehlerfrei untersagte. Dies dürfte sich auch nicht als unverhältnismäßig erweisen, da einstweilen nicht davon ausgegangen werden kann, dass aufgrund Gemeinschaftsrechts entgegen § 10 Abs. 5 u. 2 GlüStV eine Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten ins EG-Ausland zu erteilen wäre. Die Erteilung von Auflagen, die sicherstellten, dass mögliche Wettinteressenten vor finanzieller Ausnutzung und wirtschaftlicher Gefahren durch übermäßige Teilnahme an Sportwetten geschützt würden, stellte schließlich keine geeignete mildere Maßnahme dar. Hierbei würde außer Acht gelassen, dass mit der Durchsetzung des staatlichen Wettmonopols auch eine Begrenzung der vorhandenen Wettmöglichkeiten und eine entsprechende Kanalisierung erreicht werden soll (vgl. § 1 Nr. 2 GlüStV).
20 
Ausgehend davon, dass von einem Verstoß gegen Verfassungs- oder Gemeinschaftsrecht einstweilen nicht ausgegangen werden kann, mag ein solcher auch nicht ganz von der Hand zu weisen sein, ist auch die vom Verwaltungsgericht getroffene Abwägungsentscheidung nicht zu beanstanden; eine Aussetzung folgt auch nicht bereits aus dem Grundsatz der Effektivität von Gemeinschaftsrecht (vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007 - Rs. C-432/05 - Unibet Ltd.). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht ein besonderes Interesse an der nunmehr gesetzlich vorgesehenen sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung angenommen, welches sich daraus rechtfertigt, dass auch vorübergehend bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens die schädlichen Auswirkungen vermieden werden sollen, die den Gesetzgeber zur Einführung des staatlichen Monopols bewogen haben. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass anderenfalls ein Marktgeschehen eröffnet würde, dessen Dynamik es erheblich erschwerte, das in Rede stehende Wettmonopol später mittels Verwaltungszwangs durchzusetzen (vgl. hierzu Nieders. OVG, Beschl. v. 02.05.2007, GewArch 2007, 339, Rn. 50), sollte dieses, wofür weiterhin vieles spricht, im Hauptsacheverfahren endgültig Bestand haben. Insbesondere gilt es, worauf der Antragsgegner hingewiesen hat, einen weitgehend ungeregelten Wettbewerb und eine erhebliche Ausweitung des Wettangebots zu verhindern, was zu einer erheblichen Verbreitung von Gefahren für die Bevölkerung führte, deren Abwehr indes ein legitimes Ziel staatlicher Maßnehmen ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O. Rn. 99). Diesen könnte einstweilen auch nicht wirksam durch Auflagen nach § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO entgegengewirkt werden. Gegenüber diesem öffentlichen Interesse muss das Interesse des Antragstellers zurücktreten, seine Tätigkeit vorläufig fortsetzen und daraus Gewinn ziehen zu dürfen, zumal er die Vermittlung gewerblicher Sportwetten auf nicht hinreichend gesicherter Rechtsgrundlage aufgenommen und betrieben hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.09.2006 - 1 BvR 2399/06 -). Dies gilt um so mehr, als es dem Antragsteller unbenommen bliebe, einen Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO zu stellen, sollten sich bei Durchführung des Berufungsverfahrens zumindest ernstliche Zweifel an dem Bestand des Wettmonopols dergestalt ergeben, dass nunmehr eine Aussetzung des Verfahrens (vgl. HessVGH, Beschl. v. 12.02.2008 - 7 A 165/08 -) oder aber eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht bzw. ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof angezeigt wäre.
21 
Hinsichtlich der gleichfalls kraft Gesetzes sofort vollziehbaren (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 12 LVwVG) Zwangsgeldandrohung besteht danach ebenfalls kein Anlass zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, nachdem schon keine Gründe dargelegt sind, aus denen die angefochtene Entscheidung unabhängig von den gegen die sofortige Vollziehung der Verfügungen zu Nrn. 1 (und 2) erhobenen Bedenken abzuändern wäre.
22 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 GKG.
23 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 28.11.2007 wird aufgehoben.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Untersagung der Veranstaltung, Vermittlung und Unterstützung von Sportwetten.
Das beklagte Land veranstaltet in Baden-Württemberg neben mehreren Lotterien u. a. die staatlichen Sportwetten „Oddset-Kombi-Wette“ und „Oddset-Top-Wette“. Mit der Durchführung der Lotterien und Sportwetten hat es die Staatliche Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg beauftragt (vgl. hierzu zuletzt die Bekanntmachungen des Finanzministeriums über die Neufassung der Teilnahmebedingungen für die beiden staatlichen Sportwetten, GABl. 2007, S. 639 ff. u. 648 ff.). Diese Gesellschaft vertreibt ihr staatliches Glücksspielangebot in Baden-Württemberg über zahlreiche Toto-Lotto-Annahmestellen, die in Zeitschriften-, Schreibwaren- und Tabakhandlungen, Supermärkten und Tankstellen eingerichtet sind. Nach Auskunft des beklagten Landes gibt es in Baden-Württemberg derzeit 3656 solcher Annahmestellen. Die einzelnen Betreiber der Annahmestellen erhalten auf der Grundlage privatrechtlicher Verträge mit der Toto-Lotto GmbH eine Provision, die von der Höhe des auf den Glücksspielsektor entfallenden Umsatzes abhängt.
Der Kläger ist Inhaber einer Gaststätte in Konstanz, in der die Firma ... ein Internetterminal der Marke Tipomat aufgestellt hat. Über dieses Terminal kann auch die Internetsite des maltesischen Sportwettenanbieters ... aufgerufen werden, der eine vom 19.01.2006 bis 19.01.2012 gültige Lizenz der maltesischen „Lotteries and Gaming Authority“ besitzt. Schließt ein Nutzer des Terminals mit der Firma ... eine Oddsetwette ab, so erhält die Firma ... eine Provision, an der sie den Kläger beteiligt.
Unter dem 24.10.2007 forderte die Stadt Konstanz den Kläger zum Abbau des Terminals auf, weil er nicht die erforderliche Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten besitze. Dagegen wandte der Kläger ein, er dulde lediglich die Aufstellung des Terminals und sei daher der falsche Adressat für das Verfahren. Darüber hinaus verstoße die Untersagung der Vermittlung von Sportwetten gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht, weil sich sowohl der maltesische Wettveranstalter als auch der Dienstleister vor Ort auf die Dienst- und Niederlassungsfreiheit berufen könnten.
Nach Anhörung untersagte das Regierungspräsidium Karlsruhe dem Kläger am 28.11.2007, in Baden-Württemberg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen, und gab ihm auf, die entsprechenden Geräte aus den öffentlich zugänglichen Räumen zu entfernen (Ziffer 1) und die untersagten Tätigkeiten unverzüglich einzustellen (Ziffer 2). Außerdem wurde dem Kläger für den Fall, dass er den Verpflichtungen aus der - mit Anordnung des Sofortvollzugs versehenen - Verfügung binnen zwei Wochen nicht nachkomme, ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,- EUR angedroht (Ziffer 4), und schließlich eine Gebühr von 250,- EUR festgesetzt. Zur Begründung führte das Regierungspräsidium Karlsruhe im Wesentlichen aus, dass es die Aufgabe habe, im öffentlichen Interesse darüber zu wachen, dass in Baden-Württemberg kein unerlaubtes Glücksspiel stattfinde bzw. jegliche Werbung hierfür unterbleibe. Zu diesem Zweck dürfe es die Veranstaltung unerlaubten Glücksspiels untersagen. Bei den von dem Kläger veranstalteten Sportwetten mit festen Gewinnquoten handele es sich um Glücksspiele, die der Kläger veranstalte, indem er der Öffentlichkeit Zugang dazu ermögliche. Er besitze nicht die dafür erforderliche Erlaubnis; eine solche könne ihm auch wegen des Staatsmonopols nicht erteilt werden. Die Sach- und Rechtslage in Baden-Württemberg stehe in Einklang mit den verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Anforderungen. Eine Bindung an Bewilligungen eines anderen Mitgliedsstaats der EU bestehe europarechtlich nicht.
Gegen den ihm am 30.11.2007 zustellten Bescheid hat der Kläger am 10.12.2007 Klage erhoben und beantragt, deren aufschiebende Wirkung wiederherzustellen bzw. anzuordnen (1 K 2684/07). Eine Entscheidung hierüber ist noch nicht ergangen.
Zur Begründung der Klage führt der Kläger aus, er sei nicht Veranstalter eines Glücksspiels, und legt ausführlich dar, das Staatsmonopol für Sportwetten sei verfassungs- und gemeinschaftsrechtswidrig. Den Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 sei weder rechtlich durch den neuen Glücksspielvertrag noch im Tatsächlichen Rechnung getragen worden. Das Vertriebssystem und Marktverhalten der staatlichen Anbieter habe sich nicht geändert, es werde weiter anreizend geworben und es mangele an einer konkreten Suchtprävention. Die staatlichen Anbieter hielten noch nicht einmal die Vorgaben des Glücksspielstaatvertrags ein. Den Belangen des Jugendschutzes werde nicht Rechnung getragen. Die Liberalisierung des Glücksspielmarkts sei während des ganzen Gesetzgebungsverfahrens nicht ernsthaft in Erwägung gezogen worden.
Vor allem aber greife das Staatsmonopol unzulässig in die europarechtliche Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit ein, wie der Rechtsprechung des EuGH, insbesondere in Sachen Lindmann, Läärä, Lindman Gambelli und Placanica, und auch der des EFTA-Gerichtshofs, eindeutig zu entnehmen sei. Daher dürften die entsprechenden nationalen Regelungen auch des seit dem 01.01.2008 geltenden Glücksspielstaatsvertrags wegen des Anwendungsvorrangs des Europarechts nicht angewandt werden. Eigentlicher Grund für das Staatsmonopol seien auch nach der Neuregelung fiskalische Interessen, die es jedoch nicht rechtfertigen könnten. Aber auch die vom Gesetzgeber angeführten Ziele der Suchtprävention, der Kriminalitätsbekämpfung und des Jugendschutzes ließen sich ohne weiteres durch ein die Grundfreiheiten weniger einschränkendes Konzessionssystem erreichen. Darüber hinaus fehle es an einer für die Einschränkung der Dienst- und Niederlassungsfreiheit erforderlichen systematischen und kohärenten Regelung des Glückspiels in ganz Deutschland. Insbesondere bei Pferdewetten bestehe anders als bei sonstigen Sportwetten kein Staatsmonopol. Ein sachlicher Grund dafür sei nicht ersichtlich. Auch Spielautomaten, bei denen ein besonders hohes Suchtpotential bestehe, dürften von Privaten betrieben werden; die Anforderungen seien in der SpielVO sogar gelockert worden. Spielbanken, von denen eine hohe Suchtgefahr ausgehe, insbesondere auch von den dort aufgestellten Slotmachines, für die keine Verlustbegrenzung gelte, dürften von Privaten betrieben werden. In Rheinland-Pfalz würden Sportwetten und Lotterien seit vielen Jahren von einem rein privatrechtlichen Unternehmen, der Lotto Rheinland-Pfalz GmbH, veranstaltet. DDR-Konzessionen für Sportwetten bestünden fort. Außerdem fehle es an der gebotenen Untersuchung der Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der Einschränkungen der Grundfreiheiten, insbesondere an Daten zur Spielsucht und zur Folgenabschätzung, gerade auch mit Blick auf die Alternative eines Konzessionssystems. Ein besonderes Suchtpotential von Oddset-Sportwetten sei nicht nachgewiesen. Zudem mangele es der angefochtenen Verfügung nach Ablauf der vom Bundesverfassungsgericht zugebilligten Übergangszeit am 31.12.2007 und dem Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrags an einer ordnungsgemäßen Begründung. Schließlich sei das Land Baden-Württemberg seiner Notifizierungspflicht für sein Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag nicht nachgekommen.
Die Klägerin beantragt,
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die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 28.11.2007 aufzuheben.
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Das beklagte Land beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Es beruft sich auf die Begründung seiner Entscheidung und darauf, dass das Regierungspräsidium nach § 9 Abs. 1 Glücksspielstaatsvertrag darauf hinzuwirken habe, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben, und die im Einzelfall erforderlichen Anordnungen erlassen könne. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil vom 28.03.2006 entschieden, dass das staatliche Sportwettenmonopol verfassungsgemäß sei, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren ausgerichtet sei. Diese Vorgaben erfülle der zum 01.01.2008 in Kraft getretene Glücksspielstaatsvertrag. Wichtigstes Ziel des Glücksspielstaatsvertrags sei die Vermeidung und Bekämpfung der Glücksspiel- und Wettsucht. Weitere Ziele seien die Kanalisierung und Begrenzung des Glücksspielangebots, vor allem aber auch der Jugendschutz. Deshalb sei das Monopol bei Sportwetten und Lotterien mit besonderem Gefährdungspotential erhalten geblieben. Anders als die Tätigkeit privater Anbieter sei die Tätigkeit der Toto-Lotto GmbH an der Suchtbekämpfung orientiert. Ihr Wettangebot sei begrenzt, Oddset-Wetten würden nunmehr allein als Kombi- und Topwetten angeboten, es könne nur noch mit Kundenkarten gewettet werden, Werbung sei nur eingeschränkt zulässig und es seien eine Vielzahl von Maßnahmen zur Suchtprävention ergriffen worden wie etwa die Erstellung von Informationsbroschüren, Anzeigen, Plakaten, einer Internetseite und eines Kinospots sowie die Einrichtung einer telefonischen Beratungsstelle zum Thema Spielsucht. Die Zulassung privater Anbieter würde die Zahl der Marktteilnehmer und Wettgelegenheiten vergrößern und damit zu einer enormen Expansion des Angebots führen.
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Die Untersagungsverfügung verstoße auch nicht gegen Gemeinschaftsrecht. Die Grundfreiheiten könnten aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses eingeschränkt werden, wozu die Verminderung von Gelegenheiten zum Spiel zähle. Die in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geforderte Kohärenz fordere keine national gleichartigen Regelungen für den gesamten Glücksspielmarkt. Die verschiedenen Bereiche unterschieden sich hinsichtlich des Spielanreizes und des Suchtpotentials wesentlich voneinander. Außerdem könnte ein staatliches Defizit in einem Bereich nicht zu einem Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht führen. Das Notifizierungsverfahren nach Art. 8 der Richtlinie 98/34/EG (geändert durch die Richtlinie 98/48/EG) sei durchgeführt worden.
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Dem Gericht liegt ein Heft Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe sowie die Akte des Eilverfahrens 1 K 2684/07 vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt dieser Akten sowie der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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Die Anfechtungsklage ist ohne Durchführung eines Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 VwGO, § 6a Satz 1 AGVwGO) zulässig und begründet. Die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 21.11.2006 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
17 
Als Rechtsgrundlage der Untersagung, in Baden-Württemberg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen (Ziff. 1 Satz 1 der Verfügung), kommt nunmehr allein § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV -, vgl. GBl. 2007, 571 ff.) in Betracht, der am 01.01.2008 in Kraft getreten ist (vgl. GBl. 2008, 56). Gleiches gilt für das Gebot, die zur Veranstaltung oder Vermittlung solcher Glücksspiele vorgehaltenen Geräte aus den öffentlich zugänglichen Räumen zu entfernen (Ziff. 1 Satz 2 der Verfügung), die untersagten Tätigkeiten unverzüglich einzustellen und die Einstellung dem Regierungspräsidium schriftlich mitzuteilen (Ziff. 2 der Verfügung). Diese neue Rechtslage ist deshalb maßgeblich, weil es sich bei der angefochtenen Verfügung um einen Dauerverwaltungsakt handelt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 17.03.2008 - 6 S 3069/07 -) und weil für die verwaltungsgerichtliche Überprüfung derartiger Verwaltungsakte regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 09.03.2005, Buchholz 451.20, § 15 GewO Nr. 5; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 113 Rdnr. 43 ff.). Für die gerichtliche Entscheidung maßgebend sind deshalb die Bestimmungen des oben genannten Glücksspielstaatsvertrags und die Bestimmungen des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag - AG-GlüStV -) vom 04.03.2008 (GBl. 2008, 81 ff.), das am 08.03.2008 in Kraft getreten ist (vgl. § 19 AG-GlüStV).
18 
Zwar vermittelt der Kläger unerlaubte Glücksspiele, was nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV Voraussetzung dafür ist, dass das Regierungspräsidium Karlsruhe als zuständige Behörde der Glücksspielaufsicht (§ 2 des Gesetzes zu dem Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 11.12.2007, GBl. 2007, 571; § 16 Abs. 1 AG-GlüStV) mit der angefochtenen Verfügung einschreitet (dazu I.). Die derzeitige Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols in Baden-Württemberg (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV) ist aber nach Auffassung der Kammer mit dem primären Gemeinschaftsrecht, nämlich der Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG) und dem EG-Wettbewerbsrecht (Art. 86, 82 EG), unvereinbar. Nach dem grundlegenden Prinzip des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts hat das Verwaltungsgericht das gemeinschaftsrechtswidrige nationale Recht außer Anwendung zu lassen (dazu II.).
I.
19 
Dadurch, dass der Kläger in seiner Gaststätte das Internetterminal „Tipomat“ aufstellen lässt, das auf die Nutzung zum Abschluss von Sportwetten bei dem maltesischen Sportwettenanbieter ... ausgerichtet ist, eröffnet er Spielern die Möglichkeit zur Teilnahme an Sportwetten. Damit ist er Vermittler (vgl. § 3 Abs. 4 GlüStV) von Sportwetten, die als Glücksspiele i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV anzusehen sind. Davon sind die Verwaltungsgerichte bereits in den früheren Entscheidungen, die zur Rechtslage vor Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrages ergangen sind, ausgegangen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12.01.2005, VBlBW 2005, 181 m.w.N.). § 3 Abs. 1 Satz 3 GlüStV bestimmt nunmehr ausdrücklich, dass auch Wetten gegen Entgelt auf den Eintritt oder Ausgang eines zukünftigen Ereignisses Glücksspiele sind (vgl. zuletzt VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.03.2008 - 6 S 3069/07 -).
20 
Die vom Kläger vermittelten Sportwetten sind auch unerlaubte Glücksspiele. Nach § 4 Abs. 1 GlüStV dürfen öffentliche Glücksspiele nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Das Veranstalten und das Vermitteln ohne diese Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel) ist verboten. Weder der Kläger noch der maltesische Sportwettenveranstalter haben jemals vom Land Baden-Württemberg eine solche Erlaubnis erhalten. Zwar vermittelt der Kläger die Sportwetten in das EU-Ausland (Malta); das entbindet ihn aber nicht von dem Erfordernis einer Erlaubnis durch die zuständige Behörde des Landes; denn nach § 3 Abs. 4 GlüStV wird ein Glücksspiel dort veranstaltet und vermittelt, wo dem Spieler die Möglichkeit zur Teilnahme eröffnet wird. Das ist die Gaststätte des Klägers in Konstanz.
21 
Dass der Firma ..., an die der Kläger Sportwetten vermittelt, in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union (hier: Malta) eine Erlaubnis zum Veranstalten von Sportwetten erteilt wurde, ändert an der Einstufung als unerlaubtes Glücksspiel nichts. Aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt sich nicht, dass diese Erlaubnis auch im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Geltung beanspruchen kann. Es sieht keine generelle Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zur gegenseitigen Anerkennung von Erlaubnissen vor, die von einem Mitgliedsstaat erteilt wurden. Der Glücksspielbereich ist auch nicht Gegenstand einer gemeinschaftsrechtlichen Harmonisierung. Vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt vom 12.12.2006 (ABl. Nr. L376/36 v. 27.12.2006) sind Glücksspiele einschließlich Lotterien und Wetten ausdrücklich ausgenommen (vgl. Erwägungsgrund Nr. 25 und Art. 2 Abs. 2 Buchst. h dieser Richtlinie). Auch die Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr vom 08.06.2000 (ABl. Nr. L178 v. 17.07.2000, S. 1), die in ihrem Artikel 3 das Herkunftslandprinzip vorschreibt, ist auf Glücksspiele nicht anwendbar (vgl. den Erwägungsgrund Nr. 16 und Art. 1 Abs. 5 Buchst. d, 3. Spiegelstrich). Die Auffassung des Generalanwalts (vgl. dessen Schlussanträge vom 16.05.2006 - Rs. C-338/04, C-359/04 und C-360/04, Placanica u.a.), wonach Gemeinschaftsrecht einer nationalen Regelung entgegenstehe, die unter anderem die Übermittlung von Wetten ohne die hierfür erforderliche Konzession des jeweiligen Mitgliedsstaats für Rechnung eines Unternehmers verbiete, der lediglich eine in dem Mitgliedsstaat seiner Niederlassung erteilte Zulassung besitzt, lässt sich mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht vereinbaren. Denn dieser hat mehrfach entschieden, dass den einzelnen Mitgliedsstaaten gerade ein Ermessensspielraum bei der Gestaltung ihrer Glücksspielpolitik eingeräumt wird (vgl. etwa EuGH, Urt. v. 06.11.2003, C-243/01 - Gambelli -). Dementsprechend hat sich der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 06.03.2007 (C-338/04 - Placanica -) diese Ausführungen auch nicht zu eigen gemacht. Vielmehr hat er auf seine bisherige Rechtsprechung verwiesen, die eine Reihe von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses anerkannt habe, aus denen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs gerechtfertigt seien.
22 
Dass die von einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft erteilte Konzession zum Veranstalten von Sportwetten im Bundesgebiet keine Geltung beanspruchen kann, ist mittlerweile gefestigte Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (vgl. zuletzt VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.03.2008 - 6 S 3069/07 -, mit zahlreichen Nachweisen).
II.
23 
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüstV scheidet als Rechtsgrundlage der angefochtenen Untersagungsverfügung jedoch aus.
24 
Die derzeitige Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols in Baden-Württemberg (vgl. § 10 Abs. 2 und 5 GlüstV) stellt eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des Klägers dar und ist europarechtswidrig (dazu II. 2 - 4). Das führt zur Europarechtswidrigkeit auch von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüstV; denn diese Bestimmung ermächtigt die Glücksspielaufsicht, das europarechtswidrige staatliche Glücksspielmonopol durchzusetzen und privaten Anbietern das Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten allein deshalb zu untersagen, weil dies gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüstV ohne Erlaubnis verboten ist. Ein auf präventive Kontrolle gerichtetes Erlaubnisverfahren existiert für private Sportwettenveranstalter wegen der Regelung des staatlichen Wettmonopols im Glücksspielstaatsvertrag aber nicht. Wegen der europarechtswidrigen Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols kann derzeit deshalb nicht von einer Erlaubnispflicht für private Anbieter von Sportwetten ausgegangen werden (so ebenfalls VG Berlin, Beschl. v. 02.04.2008 -VG 35 A 52/08-).
25 
Aus diesem Grunde kann die angefochtene Verfügung auch nicht - wovon das Regierungspräsidium ausgegangen ist - darauf gestützt werden, dass mit ihr ein Verstoß gegen die Strafrechtsnorm des § 284 StGB abgewehrt wird. Denn aus der verwaltungsakzessorischen Natur des § 284 StGB (vgl. hierzu: BGH, Urt. v. 16.08.2007 - 4 StR 62/07 -, NJW 2007, 3078 ff.) folgt, dass sich ein Anbieter oder Vermittler von Sportwetten nicht nach dieser Vorschrift strafbar macht, wenn - wie hier - die fehlende Erlaubnis auf einem Rechtszustand beruht, der europarechtswidrig die Dienstleistungsfreiheit verletzt.
26 
Dem stehen auch nicht die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 28.03.2006 entgegen; denn das Gericht hat lediglich für die von ihm eingeräumte Übergangszeit bis 31.12.2007 angenommen, dass das gewerbliche Veranstalten von Sportwetten durch private Wettunternehmen weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden darf (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, 1 BvR 1054/01 -, NJW 2006, 1261 ff.). Erweist sich die Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols nach Ablauf der Übergangsfrist aber als europarechtswidrig, kann von einem Verbot als Grundlage der angegriffenen Verfügung nicht mehr ausgegangen werden (vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 22.11.2007 - 1 BvR 2218/06 -, NVwZ 2008, 301 ff.).
27 
1. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile v. 15.07.1964 - Rs 6/64 - Costa/E.N.E.L. , und v. 09.03.1978 - Rs 106/77 - Simmenthal) besteht aus Art. 10 EG und dem als Strukturprinzip des Gemeinschaftsrechts entwickelten Grundsatz des „effet utile“ für nationale Gerichte die Pflicht, gemeinschaftsrechtswidriges nationales Recht von sich aus außer Anwendung zu lassen (vgl. zum Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts auch Streinz/Herrmann, BayVBl. 2008, 1 ff.). Hinsichtlich der Verwerfung nationaler Gesetze wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit ist zwar eine besonders sorgfältige Prüfung und auch Zurückhaltung geboten. Bei hinreichend manifesten Verstößen nationaler Rechtsnormen gegen das Gemeinschaftsrecht sind die nationalen Gerichte zu deren Nichtanwendung jedoch nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet. So verhält es sich nach Auffassung der Kammer hier. Denn der Europäische Gerichtshof hat bereits in mehreren Entscheidungen zum Glücksspielbereich die Voraussetzungen genau dargelegt, die erfüllt sein müssen, damit Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind (dazu im einzelnen II. 2 - 4). Er hat auch immer wieder betont, es sei Sache der nationalen Gerichte, darüber zu befinden, ob die streitigen Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs diese Voraussetzungen erfüllen. Angesichts dieser Rechtsprechung sieht die Kammer hinsichtlich der europarechtlichen Voraussetzungen für die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit keinen weiteren Klärungsbedarf, der Anlass für eine Vorlage an den Gerichtshof nach Art. 234 EG sein könnte. Zwar haben mehrere deutsche Verwaltungsgerichte (vgl. z.B. VG Stuttgart, Beschl. v. 24.07.2007 - 4 K 4435/06-) dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob der für eine Rechtfertigung des staatlichen Sportwettenmonopols gemeinschaftsrechtlich gebotene kohärente und systematische Beitrag zur Begrenzung der Wetttätigkeit lediglich auf den jeweiligen Glücksspielsektor zu beziehen oder unter Einbeziehung auch der nicht monopolisierten Glücksspiele, die -wie etwa Geldspielgeräte- ein höheres Suchtpotential aufweisen, umfassend zu verstehen ist. Auf die Beantwortung dieser Frage kommt es für die Kammer aber entscheidungserheblich nicht an, weil das staatliche Sportwettenmonopol auch ohne Berücksichtigung anderer Glücksspielsektoren derzeit gegen Gemeinschaftsrecht verstößt.
28 
2.a) Das Sportwettenmonopol des Landes stellt eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des Klägers dar. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist geklärt, dass die Veranstaltung, Vermittlung und Durchführung von Sportwetten Dienstleistungen i. S. v. Art. 49 EG sind (EuGH, Urt. v. 21.10.1999, C-67/98 - Zenatti -, Rdnr. 19; Urt. v. 24.03.1994, C-275/92 - Schindler -, Rdnr. 25; Urt. v. 21.09.1999, C-124/97 – Läärä -, Rdnr. 14). Ebenso ist geklärt, dass Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit außerhalb der Vorgaben des Art. 55 EG i. V. m. Art. 45, 46 EG nur dann zulässig sind, wenn sie nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 29).
29 
b) Im Bereich von Glücksspielen sind als zwingende Gründe des Allgemeininteresses der Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung, die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen und die Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung anerkannt (EuGH, Urt. Gambelli, Rdnr. 67). Innerhalb dieses Rahmens steht es im Ermessen jedes einzelnen Mitgliedstaats, welches Schutzniveau er gewährleisten will (EuGH, Urt. Schindler, Rdnr. 60, 61; Urt. Zenatti, Rdnr. 33, 34). Er kann sich zum Beispiel für ein Präventionsmodell entscheiden, das auf eine wesentliche Verminderung der Gelegenheit zum Spiel ausgerichtet ist, oder etwa auch für ein Kanalisierungsmodell, das darauf abzielt, durch ein auf Einnahmeerzielung und Expansion angelegtes Angebot einer begrenzten Zahl konzessionierter Privater die Glücksspieltätigkeiten aus dem Bereich des Illegalen und Kriminellen in geordnete und staatlich überwachte Bahnen zu lenken (EuGH, Urt. Placanica, Rdnr. 54, 55; s. dazu auch Wissenschaftlicher Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landtags, Gutachten v. 11.10.2007, S. 7 - Drs. LT-SLH 16/2460 -).
30 
Mit dem Glücksspielstaatsvertrag haben sich die deutschen Landesgesetzgeber für ein Präventionsmodell entschieden, das als Mittel zur Prävention auch die Kanalisierung des Spieltriebs der Bevölkerung beinhaltet. § 1 GlüStV nennt als Ziele, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirkliche wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen (Nr. 1), das Glücksspielangebot zu begrenzen und den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, insbesondere ein Ausweichen auf nicht erlaubte Glücksspiele zu verhindern (Nr. 2), den Jugend- und den Spielerschutz zu gewährleisten (Nr. 3) sowie sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt, die Spieler vor betrügerischen Machenschaften geschützt und die mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität abgewehrt werden (Nr. 4). Diese Ziele werden zwar ohne weiteres von den europarechtlich anerkannten Gründen des Allgemeininteresses umfasst. Von diesen Zielen hat allerdings bei verfassungskonformer Auslegung des Glücksspielstaatsvertrags nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 28.03.2006 (a.a.O., Rdnrn. 98 ff.) das in § 1 Nr. 1 des Vertrags genannte Ziel der Suchtbekämpfung im Vordergrund zu stehen. Nur mit Bezug zu diesem Ziel kann die in § 1 Nr. 2 GlüStV vorgesehene Kanalisierung durch ein staatliches, ausreichendes Glücksspielangebot (vgl. § 10 GlüStV) überhaupt verfassungsgemäß sein. Denn ein staatliches Monopol für Sportwetten ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft ausgerichtet ist (BVerfG, a. a. O., Rdnrn. 98, 119, 120). Ein auf Einnahmeerzielung und Expansion (vgl. EuGH, Urt. Placanica, Rdnr. 54, 55) angelegtes Staatsmonopol ist verfassungswidrig (BVerfG, a. a. O., Rdnr. 107, 141).
31 
c) Europarechtlich ist eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses nur zu rechtfertigen, wenn sie geeignet ist, die Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele zu gewährleisten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 32; Urt. Gambelli, Rdnr. 65). Hat sich ein Staat wie hier im Glücksspielstaatsvertrag - entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben - vorrangig für das Ziel der Suchtbekämpfung entschieden, so muss die Verwirklichung dieses Ziels in dem Sinne gewährleistet sein, dass die Beschränkungen kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen (EuGH, Urt. Gambelli, Rdnr. 67; Urt. Placanica, Rdnr. 53; siehe auch EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 14.03.2007, E-1/06 – Gaming Machines, Rdnr. 53). Dabei kommt es zentral auf die „Effektivität der Überwachung“ und die „Durchsetzung“ einer „wirklich restriktiven“ Glücksspielpolitik an (EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming Machines, Rdnr. 51).
32 
Diesen europarechtlichen Maßgaben entsprechen auch die verfassungsrechtlichen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts im Sportwetten-Urteil vom 28.3.2006 (a.a.O., Rdnr. 120), wonach eine konsequente Ausrichtung am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Spielsucht materiellrechtliche Regelungen und strukturelle Sicherungen erforderlich macht. Dementsprechend können die konkreten Vorgaben aus dem bundesverfassungsgerichtlichen Urteil auch zur Beantwortung der Frage der europarechtlichen Kohärenz und Konsistenz herangezogen werden.
33 
d) Der Europäische Gerichtshof hat immer wieder betont, dass es Sache des nationalen Gerichts - und damit hier der Kammer - ist zu prüfen, ob die angegriffene Regelung angesichts ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten tatsächlich den Zielen Rechnung trägt, die sie rechtfertigen könnten, und ob die mit ihr auferlegten Beschränkungen nicht außer Verhältnis zu diesen Zielen stehen (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 37; Urt. Gambelli, Rdnr. 75, 76; Urt. Placanica, Rdnr. 58, 72; vgl. auch EuGH, Urt. v. 5.6.2007, C-170/04 - Rosengren -, Rdnr. 46/47 bzw. Rdnr. 53/54). Maßgeblich sind dabei nicht nur die rechtliche Ausgestaltung der Beschränkung, sondern auch ihre tatsächlichen Anwendungsmodalitäten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 37, Urt. Gambelli, Rdnr. 75, 76), ihre Handhabung in der Praxis (EuGH, Urt. Rosengren, Rdnr. 46). Der Begriff des „Vorbehalts des Gesetzes“ in seiner im deutschen Staatsrecht geläufigen Ausprägung findet im Gemeinschaftsrecht keine Entsprechung, weil es hier nicht primär um den Schutz der Individualsphäre gegenüber hoheitlicher Macht, sondern um die Abgrenzung zwischen nationaler und gemeinschaftlicher Regelungsbefugnis geht (vgl. Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2.Aufl., 2005, S. 193 [219, 238]). Allerdings ist die vom Europäischen Gerichtshof geforderte „Kohärenz“ und „Systematik“ hinsichtlich der Begrenzung der Wetttätigkeiten ohne normative Vorgaben zur Ausgestaltung eines staatlichen Monopolbetriebs kaum denkbar. Ohne solche inhaltlich bestimmten Regelungen blieben Maß und Umfang der Begrenzung der Wetttätigkeit der Willkür des staatlichen Monopolisten überlassen, die infolge ihrer begriffsnotwendigen Konturlosigkeit und der Unvorhersehbarkeit ihrer Ergebnisse schlechterdings ungeeignet ist, die gebotene Begrenzung effektiv, widerspruchsfrei und nach klaren Regeln umzusetzen (vgl. zur Ungeeignetheit der schwedischen gesetzlichen Bestimmungen zum staatlichen Monopolvertrieb für Alkohol EuGH, Urt. Rosengren, Rdnr. 45 - 47). Entscheidend ist hier damit vor allem die rechtliche Ausgestaltung des Sportwettenmonopols, ohne dass jedoch die tatsächliche Umsetzung aus dem Blick gelassen werden darf.
34 
e) Danach kann das Staatsmonopol des Landes keinen Bestand haben, weil es in seiner aktuellen rechtlichen und tatsächlichen Verfassung das Ziel der Suchtbekämpfung nicht durch einen kohärenten und systematischen Beitrag zur Begrenzung der Wetttätigkeiten verwirklicht. Weder quantitativ noch qualitativ erweist sich das Monopol als Umsetzung einer konsequent an der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht ausgerichteten Glücksspielpolitik.
35 
aa) Gerade das vom Bundesverfassungsgericht beanstandete terrestrische Vertriebssystem unter der Maxime „weites Land – kurze Wege“, das das Wetten nicht begrenzt, sondern dazu ermuntert und anreizt, wird durch den neuen Glücksspielstaatsvertrag und das baden-württembergische Ausführungsgesetz nicht in Frage gestellt. Noch immer besteht das Vertriebsnetz - entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts - aus einer fast unvermindert gebliebenen Vielzahl von Zeitschriften- und Tabakläden oder ähnlichen kleinen oder mittelständischen Gewerbebetrieben, so dass der Vertrieb in „bewusster Nähe zum Kunden“ stattfindet und die Möglichkeit zum Sportwetten ein allerorts verfügbares "normales“ Gut des täglichen Lebens darstellt (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr. 138). Von dem europarechtlich gebotenen Beitrag zur Begrenzung der Wetttätigkeiten kann bei einem solchen Vertriebssystem, über das Oddset nach dem Verbot des Internetvertriebs (§ 4 Abs. 4 GlüStV) ausschließlich vermarktet wird, nicht die Rede sein.
36 
Eine bezifferte Obergrenze für die Zahl der Annahmestellen in Baden-Württemberg gibt es nicht (anders etwa § 7 SächsGlüStV -AG v. 14.12.2007 - SächsGVBl. 2007, S. 542: eine Annahmestelle je 3.200 Einwohner oder § 2 Abs. 5 Thüring. Gesetz zum GlüStV v. 18.12.2007 - GVBl. 2007, S.243: Gesamtzahl von 750 Annahmestellen in Thüringen darf nicht überschritten werden oder Art.1 Abs.3 S.2 BayAG-GlüStV v. 20.12.2007 - GVBl. 2007, S. 992: Zahl der Annahmestellen ist bis 31.12.2011 auf insgesamt 3.700 zu begrenzen). Zwar heißt es in § 10 Abs. 3 GlüStV, die Länder begrenzten die Zahl der Annahmestellen zur Erreichung der Ziele des § 1, das baden-württembergische Ausführungsgesetz wiederholt jedoch nur, dass Anzahl und flächenmäßige Verteilung der Annahmestellen an den Zielen des § 1 GlüStV auszurichten seien. Darüber hinaus normiert es nur, dass nicht mehr Annahmestellen unterhalten werden dürften, als zur Sicherstellung eines ausreichenden Glücksspielangebots erforderlich sei (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 u. Satz 2 Ausführungsgesetz). Anhaltspunkte, wie viel Glücksspiel als ausreichend anzusehen ist, liefert das Gesetz nicht. Auch für das vom Gesetz vorgesehene Vertriebskonzept des Veranstalters (§§ 2 Abs. 2 Nr. 5, 7 Abs. 1 Satz 3 AG-GlüStV) fehlen inhaltliche Vorgaben. In § 7 Abs. 1 Satz 4 AG-GlüStV heißt es nur, dass das Konzept sich insbesondere an der räumlichen Bevölkerungsstruktur zu orientieren habe. Eine solche Orientierung mag eventuell Anhaltspunkte für die flächenmäßige Verteilung der Annahmestellen geben, lässt jedoch keinerlei Rückschlüsse auf die zulässige Anzahl von Annahmestellen zu.
37 
Außer konkreten, inhaltlichen Vorgaben für die Begrenzung der Zahl der Annahmestellen fehlen auch gesetzlich geregelte wirksame Kontrollmechanismen.
38 
§ 7 Abs. 1 Satz 3 AG-GlüStV überträgt die nähere Ausgestaltung der Anzahl und der flächenmäßigen Verteilung der Annahmestellen dem Veranstalter oder der mit der Durchführung der Glücksspiele beauftragten juristischen Person, die ein entsprechendes Vertriebskonzept zu erstellen haben. Damit aber wird die Festlegung der Grenzen an den eigentlich zu kontrollierenden Monopolisten selbst delegiert.
39 
Auch eine Kontrolle des Vertriebskonzepts sieht das Ausführungsgesetz nicht unmittelbar vor, sondern nur mittelbar bei der Erteilung der Glücksspielerlaubnis (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 5). Die Übergangsregelungen des § 25 Abs. 1 GlüStV, wonach die bis zum 01.01.2007 erteilten Konzessionen, Genehmigungen und Erlaubnisse bis zum 31.12.2008 als Erlaubnis fortgelten, sowie des § 2 Abs. 1 Satz 2 AG-GlüStV, wonach die vom Land bereits zum 01.01.2007 veranstalteten Glücksspiele noch bis zum 31.12.2008 ohne Erlaubnis fortgeführt werden dürfen, führen jedoch dazu, dass bis Ende diesen Jahres noch nicht einmal diese mittelbare Kontrolle über § 2 Abs. 2 Nr. 5 AG-GlüStV stattfindet.
40 
Allein die Möglichkeit des Einschreitens der Glückspielaufsicht nach § 9 Abs. 1 GlüStV stellt keinen wirksamen Kontrollmechanismus dar. Dies zeigt sich etwa daran, dass der baden-württembergische Monopolist, die Toto-Lotto GmbH, trotz gesetzlicher Verpflichtung nach § 7 Abs.1 AG-GlüStV bislang kein Vertriebskonzept besitzt, ohne dass dies Konsequenzen für seine Tätigkeit nach sich gezogen hätte. Nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung hat dieser bisher nur einen unzureichenden Entwurf eines Vertriebskonzepts vorgelegt.
41 
Auch zu den einzelnen Annahmestellen enthalten die gesetzlichen Regelungen keinerlei konkrete Vorgaben. So heißt es unter § 7 Abs. 2 AG-GlüStV neben Zuverlässigkeitsanforderungen an den Betreiber nur allgemein, dass die Anforderungen der § 4 Abs. 3, §§ 5, 7 GlüStV sichergestellt werden müssten und dass die Annahmestelle dem Vertriebskonzept entsprechen und nicht in Spielhallen oder in Räumlichkeiten betrieben werden dürfe, die nach ihrer Lage, Beschaffenheit, Ausstattung und Einteilung dem Ziel entgegenstünden, nur ein begrenztes Glücksspielangebot zuzulassen (§ 7 Abs. 2 Nr. 5 AG-GlüStV). Genaueres fehlt wiederum, etwa dazu, zusammen mit welchem Warenangebot Oddset vertrieben werden darf, damit es gerade nicht mehr als allerorts verfügbares Gut des täglichen Lebens (vgl. dazu BVerfG, a. a. O., Rdnr. 138) gehandelt wird, oder dazu, welche Entfernung die Annahmestelle zu besonders von Jugendlichen genutzten Einrichtungen wie Schulen, Jugendzentren oder Ähnlichem einzuhalten hat.
42 
Auch für den überwiegenden Teil der Annahmestellen sieht das Gesetz derzeit keine Kontrolle vor. Denn nach § 7 Abs. 4 AG-GlüStV darf eine Annahmestelle, die bereits zum 01.01.2007 in ein öffentliches Glücksspiel des Landes vermittelt hat, diese Vermittlung noch bis zum 31.12.2008 ohne Erlaubnis fortsetzen. Darüber hinaus ist in § 7 Abs. 2 Satz 3 AG-GlüStV vorgesehen, dass die zuständige Behörde die Aufgabe der Erteilung der Erlaubnis für den Betrieb einer Annahmestelle der mit der Durchführung des Glücksspiels beauftragten Stelle im Wege der Beleihung übertragen kann. Durch ein solche Beleihung wird wiederum der Monopolist selbst mit seiner eigenen Kontrolle beauftragt. Auch dies macht deutlich, dass das Gesetz nicht auf eine effektive Kontrolle des Monopolisten zur Sicherstellung der Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV, insbesondere der Suchtbekämpfung, angelegt ist.
43 
Die derzeitige tatsächliche Situation spiegelt diese aufgezeigten rechtlichen Defizite wider. Ein Vertriebskonzept existiert nicht; die Zahl der Annahmestellen ist seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach den Angaben des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung nur geringfügig von 3.750 auf 3.656 gesunken. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass dieser Rückgang auf ein entsprechendes Konzept und nicht nur auf Insolvenzen oder sonstige wirtschaftlich bedingte Aufgaben der Annahmestellen zurückzuführen ist. Die freiwillige Schließung von legalen Annahmestellen der Toto-Lotto GmbH durch ihre Betreiber ist nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung jedenfalls nicht genutzt worden, um die Gesamtzahl der Stellen zu reduzieren; vielmehr ist in etwa 40 bis 50 Fällen für geschlossene Annahmestellen jeweils Ersatz zugelassen worden, entweder indem der Weiterbetrieb durch einen neuen Inhaber oder aber die Eröffnung einer neuen Annahmestelle in der Nachbarschaft zugelassen wurde. Nach wie vor ist Oddset deshalb wie ein Gut des täglichen Lebens allerorts verfügbar. Die Zahl der Annahmestellen in Baden-Württemberg (3.656 - d.h. bei 10.736.000 Einwohnern kommt eine Annahmestelle auf 2.936 Einwohner; Ende 2006 waren es 3.674, d.h. eine je 2923 Einwohner - siehe Geschäftsbericht 2006 der Toto-Lotto GmbH v. 17.04.2007, S. 36 - www.lotto-bw.de) übertrifft bei weitem die Zahl etwa von Postfilialen (bundesweit eine für 6.875 Einwohner, vgl. VG Berlin, Beschl. v. 02.04.2008 -VG 35 A 52.08 -) und selbst die von Apotheken (bundesweit eine für 3.889 Einwohner, vgl. VG Berlin, a. a. O.). Auch wenn diese Zahlen angesichts der Unterschiede von Postfilialen, Apotheken und Annahmestellen nicht ohne weiteres direkt miteinander vergleichbar sind, vermitteln sie jedoch einen plastischen Eindruck von der tatsächlichen Dichte der vorhandenen Annahmestellen. Weshalb eine solche Dichte in der heutigen Mobilitätsgesellschaft für die Sicherstellung eines am Ziel der Suchtbekämpfung orientierten Glücksspielangebots notwendig sein soll, ist nicht ersichtlich.
44 
Nach wie vor wird Oddset vor allem in Zeitschriften-, Schreibwaren- und Tabakläden, Supermärkten und Tankstellen vertrieben und damit nicht nur gezielt dem interessierten Kundenkreis, sondern einem breiten Publikum angeboten und darüber hinaus auch Jugendlichen und Kindern bekannt gemacht. Nach wie vor existieren Annahmestellen in unmittelbarer Nähe zu Schulen oder anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen, wie in der mündlichen Verhandlung beispielhaft aus Waldshut-Tiengen berichtet wurde. Damit ist der Vertrieb auf Expansion und nicht auf Selbstbeschränkung und Eingrenzung angelegt. Dass es nach den Teilnahmebedingungen für Oddset zum Wetten einer Kundenkarte bedarf (vgl. § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi-Wette vom 08.11.2007, GABl. 2007, S. 639 und § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette, Ausgabe Januar 2008, GABl. 2007, S. 648), ändert an der Verfügbarkeit wie ein Gut des täglichen Lebens nichts, nachdem die Kundenkarte als „Spielpass“ kostenlos gegen Vorlage eines Ausweises ausgegeben wird und sofort nach Beantragung dieses „Passes“ gespielt werden kann (vgl. Informationen zum Spielangebot der Toto-Lotto GmbH Bad.-Württ., Stand Januar 2008, S. 20).
45 
Die Betreiber der Annahmestellen erhalten nach wie vor umsatzabhängige Provisionen für die Vermittlung von Sportwetten und haben damit ein starkes Eigeninteresse an der Steigerung des Umsatzes. Dieses Interesse wird nicht dadurch beseitigt, dass die Toto-Lotto GmbH seit dem 01.01.2008 eine Zusatzvereinbarung mit den Inhabern der Annahmestellen geschlossen hat, wonach der Glücksspielbereich nur eine untergeordnete Nebentätigkeit sein darf. Abgesehen davon, dass in der mündlichen Verhandlung von den Klägervertretern konkret Fälle genannt wurden, bei denen diese Zusatzvereinbarung nicht eingehalten werden soll, und der Beklagtenvertreter dem nichts zu entgegnen wusste, bedeutet der privatrechtliche Handelsvertretervertrag, den die Lottogesellschaften mit ihren Annahmestellen geschlossen haben (vgl. dazu Bundeskartellamt, Beschl. vom 23.08.2006 - B 10-92713-Kc-148/05 - Rdnr. 77), dass deren Betreiber einen Provisionsanspruch nach § 87 HGB besitzen und umso mehr verdienen, je mehr Spieleinnahmen sie für die Lottogesellschaft eingebracht haben. Daher haben sie auch dann, wenn sie die Glücksspielvermittlung nur als Nebentätigkeit betreiben, ein eigenes und sehr großes wirtschaftliches Interesse daran, möglichst viele Kunden zu akquirieren. An diesem System, wie es das Bundeskartellamt im Jahr 2006 vorgefunden hat (vgl. Beschl. v. 23.08.2006, a. a. O.), hat sich bislang nichts geändert, wie der Vertreter des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat. Die Bestimmung in den Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht (Anhang zum Glücksspielstaatsvertrag), dass die Vergütung der leitenden Angestellten von Glücksspielveranstaltern nicht abhängig vom Umsatz berechnet werden darf (Nr. 3 der Richtlinien), hat eher Feigenblattcharakter, nachdem der Verdienst gerade der Personen mit dem direkten Kundenkontakt, nämlich der Betreiber der Annahmestellen, umsatzabhängig ist.
46 
Die Glücksspielaufsicht ist nur minimal ausgestattet. Für ganz Baden-Württemberg sind im zuständigen Regierungspräsidium Karlsruhe (vgl. § 2 des Gesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag vom 11.12.2007) nur zwei Personen für die Überwachung des Monopolisten und seiner 3.656 Annahmestellen zuständig. Dem entspricht, dass es nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung noch nicht zu einer Sichtung, geschweige denn Überprüfung des Bestands an Annahmestellen gekommen ist. Auch über einzelne Beanstandungen bei Annahmestellen konnte der Beklagtenvertreter nichts berichten, was angesichts der hohen Zahl von Annahmestellen sicherlich nicht darauf zurückzuführen ist, dass es keine zu beanstandenden Verstöße gegeben hat.
47 
bb) Diese Defizite in der rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung des Vertriebssystems werden auch nicht durch die qualitativen Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags zur Einschränkung der Werbung und zur Suchtprävention ausgeglichen.
48 
Die inhaltlichen Regelungen zur zulässigen Werbung in § 5 Abs. 1 u. 2 GlüStV sind sehr allgemein gehalten und kranken vor allem daran, dass unklar ist und auch vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung nicht erhellt werden konnte, wo die Grenze zwischen informativer, aufklärender Werbung und unzulässiger anreizender und ermunternder Werbung verläuft. Dementsprechend konnte einer der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung auch eine Vielzahl von Werbebroschüren und -artikeln präsentieren, die weit über eine Information und Aufklärung hinausgingen und sich offensichtlich auch an Minderjährige richteten, wie etwa Schokoladentäfelchen mit dem Aufdruck auf der Banderole: „Der Leckerbissen im Jubiläumsjahr 2008 Lotto Baden-Württemberg“. Auch wenn die vorgelegten Beispiele Werbung für die Dachmarke Lotto (vgl. zur Ausgestaltung und Wirkung der Dachmarke VG Berlin, a. a. O., S.25) und verschiedene Lotterieveranstaltungen, nicht aber unmittelbar für Sportwetten enthielten, belegen sie doch, dass die Werbebeschränkungen rechtlich wie tatsächlich nicht die Ziele des § 1 GlüStV verwirklichen. Denn nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung stimmt die Toto-Lotto GmbH jede Werbemaßnahme mit der Glücksspielaufsicht ab, so dass davon auszugehen ist, dass auch die vorgelegten Werbeexemplare vorher von der Glücksspielaufsicht als unbedenklich eingestuft worden waren. Gleiches gilt für die unstreitig in Fußballstadien vorhandene Bandenwerbung für die Dachmarke Lotto, die wohl kaum als informativ und aufklärend im Sinne des § 5 Abs. 1 GlüStV bezeichnet werden kann und zudem eine Umgehung des Verbots von Bandenwerbung für Sportwetten in § 21 Abs. 2 Satz 2 GlüStV darstellt. Denn die Dachmarke steht nach ihrem Sinn und Zweck gerade für das gesamte, unter ihr vertriebene Glücksspielangebot, zu dem auch die Sportwetten gehören.
49 
Darüber hinaus ist Werbung zwar im Fernsehen, Internet und über Telekommunikationsanlagen verboten (§ 5 Abs. 3 GlüStV), jedoch nach wie vor in großer Bandbreite über Radiospots, Werbetafeln, Printmedien, Zeitungsanzeigen und Postwurfsendungen möglich (siehe dazu VG Berlin, a. a. O., S. 25-27).
50 
Soweit der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass der Umsatz der Oddset-Kombiwette im Jahr 2007 um 28 % und der Topwette um 48% sowie im ersten Quartal 2008 um 22% bzw. 32% zurückgegangen sei, konnte seinen Ausführungen nicht entnommen werden, dass dieser Rückgang Folge einer streng an der Begrenzung der Wetttätigkeit orientierten Glücksspielpolitik und Glücksspielaufsicht wäre. Vielmehr ist im Geschäftsbericht der staatlichen Toto- Lotto GmbH nachzulesen, dass die im Glücksspielstaatsvertrag geregelte Einstellung des Internetspiels und die Reduzierung der Werbeaktivitäten nur zu „leichten Umsatzrückgängen“ geführt hätten und davon auszugehen sei, dass eine fortgesetzte Werbeinschränkung zwecks Spielerschutz in Zukunft nur „vorübergehend“ zu Umsatzrückgängen führen werde (Geschäftsbericht a.a.O., S.38).
51 
Auch die Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrags zur Suchtprävention enthalten strukturelle Defizite, die sich wiederum in der aktuellen, tatsächlichen Situation widerspiegeln.
52 
Zwar sieht § 8 GlüStV eine Spielersperre vor; es fehlt jedoch an der Regelung eines Verfahrens, das sicherstellt, dass es tatsächlich auch zu Spielersperren kommt. Eine Kontrolle der Spielausgaben eines einzelnen Spielers, aus deren Höhe auf eine Spielsuchtgefährdung geschlossen werden könnte, sieht der Glücksspielstaatsvertrag nicht vor. Eine Spielersperre kann also nur dann verhängt werden, wenn der Spieler sie selbst beantragt oder das Personal oder sonstige Dritte zufällig Anhaltspunkte für Spielsuchtgefährdung, Überschuldung oder überhöhte Spieleinsätze wahrnehmen. Diese Möglichkeiten laufen in der Praxis aber weitgehend leer. Das Personal erfährt auch über die Kundenkarten oder Spielpässe (vgl. dazu Informationen zum Spielangebot der Toto-Lotto GmbH Bad.-Württ., Stand Januar 2008, S. 20, 21), die vor allem der Identifizierung eines Spielers dienen sollen (vgl. § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi-Wette vom 08.11.2007, GABl. 2007, S. 639 und § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette, Ausgabe Januar 2008, GABl. 2007, S. 648), nichts über sein früheres Spielverhalten. Damit wird die vorgesehene Schulung des Personals, das problematisches Spielverhalten anhand eines plötzlichen Anstiegs des Entgelts oder der Spielfrequenz frühzeitig erkennen soll (vgl. § 6 Satz 2 GlüStV i. V. m. Nr. 1c der Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht), gerade angesichts der Dichte der Annahmestellen und der Möglichkeit für Spieler, ihre Wetten zu streuen, zu einem wenig wirkungsvollen Instrument. Abgesehen davon dürfte ein großer Teil des Personals bislang noch nicht geschult sein; bis Ende 2006 jedenfalls hatten erst 1.297 Betreiber von Annahmestellen, also nur ein gutes Drittel, an Schulungen teilgenommen (Geschäftsbericht Toto-Lotto GmbH, S. 27). So verwundert es nicht, dass der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung von keiner einzigen verhängten Spielersperre berichten konnte, obwohl bundesweit doch immerhin 250.000 Personen Anzeichen von Glücksspielsucht aufweisen sollen (vgl. Drucks. 14/1350 des Landtags von Bad.-Württ., S. 2).
53 
Höchsteinsätze für Sportwetten - spieler- und zeitraumbezogen oder wenigstens spielbezogen - sind weder im Glücksspielstaatsvertrag noch im Ausführungsgesetz geregelt. Allein die normativ nicht verankerten Teilnahmebedingungen enthalten gewisse, teilweise sehr hohe (bis zu 5.000 EUR) Grenzen, die sich jedoch nur auf einen Spielvorgang, nicht aber auf die Ausgaben eines Spielers innerhalb eines bestimmten Zeitraums beziehen (vgl. § 6 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi-Wette vom 08.11.2007, GABl. 2007, S. 639 und § 6 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette, Ausgabe Januar 2008, GABl. 2007, S. 648; s. dazu auch VG Berlin, a. a. O., S. 30 f.).
54 
Das in § 6 GlüStV vorgesehene Sozialkonzept wird in seiner Ausgestaltung wiederum dem Monopolisten selbst überlassen. Nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung gibt es zwar ein Sozialkonzept des baden-württembergischen Monopolisten. Dieses stammt aber noch aus dem Jahr 2004, kann die Vorgaben des neuen Glücksspielstaatsvertrags also gar nicht umgesetzt haben.
55 
Am Rande sei im Übrigen darauf hingewiesen, dass auch der in § 10 Abs. 1 Satz 2 GlüStV vorgesehene Fachbeirat offensichtlich nicht existiert, nachdem dem Beklagtenvertreter darüber nichts bekannt war.
56 
Die Kammer verkennt nicht, dass die Toto-Lotto GmbH im Bereich der Aufklärung (§ 7 GlüStV) mit den Hinweisen auf Spielscheinen, Losen und Quittungen (§ 7 Abs. 2 GlüStV), der Aufklärungsbroschüre „Spielen mit Verantwortung“, der Einrichtung der Internetseite „www.spielen-mit-verantwortung.de“ und - vor allem telefonischen - Beratungsangeboten konkrete Schritte zur Suchtbekämpfung unternommen hat. Diese Schritte ändern jedoch nichts daran, dass das Konzept des Spielerschutzes unzureichend ausgestaltet ist, und sind vor allem nicht geeignet, ein zum Wetten anreizendes und ermunterndes europarechts- und verfassungswidriges Vertriebssystem zu rechtfertigen.
57 
3. Das Sportwettenmonopol des Landes ist zudem auch deshalb europarechtswidrig, weil es eine unverhältnismäßige, nämlich zur Erreichung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags nicht erforderliche Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt (ebenso VG Arnsberg, Beschl. v.l 05.03.2008 -1 L 12/08 -, juris und VG Frankfurt a.M., Beschl. v. 09. 01. 2008 - 7 G 4107/07(3) ).
58 
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dürfen Maßnahmen zur Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist (vgl. EuGH, Urt. v. 30.11.1995 - C-55/94 -, Gebhard, Rdnr.37; Urt. v. 31.03.1993 - C-19/92-, Kraus, Rdnr.41; Urt. v. 26.11.2002 - C-100/01, Olazabal, Rdnr.43; vgl. zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Europarecht: Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2.Aufl., 2005, S.805 - 841; zur Verhältnismäßigkeit in den EuGH-Urteilen zum Glücksspielmarkt: Haltern, Gemeinschaftsrechtliche Aspekte des Glücksspiels, 2007, S.21, 22).
59 
Hinsichtlich eines staatlichen Glücksspiel-Monopols haben die nationalen Gerichte daher zu prüfen, ob dieses notwendig ist, um die mit dem Glücksspiel verbundenen Probleme (Spielsucht, Missbrauchsgefahren, Kriminalität etc.) auf das angestrebte Maß zu reduzieren oder dies nicht genauso gut durch weniger einschneidende Maßnahmen, wie etwa die Zulassung privater Anbieter unter strengen Konzessionsbedingungen erreicht werden kann (EuGH, Urt. Läärä, Rdnr.39; EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr.48, 49). Insbesondere ist zu prüfen, ob der staatliche Monopolist verglichen mit einem konzessionierten privaten Anbieter einen geringeren wirtschaftlichen Anreiz zur Verletzung reglementierender Vorschriften und ein geringeres Interesse an aggressiver Vermarktung hat und ob der Staat den öffentlich-rechtlichen Monopolanbieter effektiver überwachen kann oder ob nicht private Anbieter gleichermaßen einer solchen Überwachung unterworfen werden können (vgl. EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 30.05.2007 - E 3/06 -, Ladbrokes, Rdnr.58, 62). Die zentralen Punkte der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind dabei die Effektivität der Überwachung und die Durchsetzung einer wirklich restriktiven Glücksspielpolitik (EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr.51).
60 
Zwar steht es grundsätzlich im Beurteilungsermessen des Mitgliedsstaates, zu entscheiden, ob ein Monopol unter diesen Aspekten vorzugswürdiger ist als eine staatliche Aufsicht über private Anbieter. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist dabei allerdings in jedem Fall einzuhalten (EuGH, Urt. Läärä, Rdnr.39). Die eng auszulegende Ausnahme einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit muss der Mitgliedsstaat außerdem rechtfertigen, nämlich schlüssig, plausibel und überzeugend darlegen, dass die Beschränkung gerechtfertigt ist und auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Insoweit trägt er die Darlegungslast dafür, dass das Ziel nicht auch durch mildere Mittel erreicht werden kann (vgl. EuGH, Urt. v. 13.09.2007 - C-260/04-, Kommission./.Italien.Republik, Rdnr.33 m.w.N.; Urt. Placanica, Rdnr.48,49; Urt. Rosengren, Rdnr.50, 57; ähnlich der EFTA-Gerichtshof, der von einer „Beweislast“ des Mitgliedstaates spricht: vgl. Urt. Ladbrokes, Rdnr.42 und Urt. Gaming-Machines, Rdnr.31; zur Darlegungslast auch Haltern, Gemeinschaftsrechtliche Aspekte des Glücksspiels, 2007, S.28 ). Versäumt der Mitgliedstaat eine solche Darlegung, ist die Maßnahme unverhältnismäßig (EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr.50).
61 
Insoweit unterscheidet sich die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs von der des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 18.12.1968 - 1 BvL 5/64 u.a. -, BVerfGE 25, 1; Beschl. v. 14.10.1975 - 1 BvL 35/70 u.a. -, BVerfGE 40, 196; Beschl. v. 06.10.1987 - 1 BvR 1086/82 u.a. -, BVerfGE 77, 84; Beschl. v. 19.07.2000 - 1 BvR 539/96 - BVerfGE 102, 197 und Urt. v. 28.03.2006, a.a.O.), das die Last, die gesetzgeberischen Einschätzungen zu widerlegen und zu entkräften, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung dem Gericht auferlegt (zu diesem Unterschied Bungenberg, DVBl. 2005, 1405 [1410, 1411]; zum Unterschied zwischen EuGH und EFTA-Gerichtshof in diesem Punkt Winkelmüller, GewArch 2007, 235 [237]). Gültigkeit dürfte aber auch im europarechtlichen Kontext der Ansicht des BVerfG zukommen, dass der Gesetzgeber nicht vor Ergreifung des strengeren Mittels erst den ungewissen Ausgang der Anwendung eines milderen Mittels abwarten muss, zumal dann, wenn er in der Vergangenheit schon erfolglose Schritte in dieser Richtung unternommen hat (Beschl. v. 14.02.1967 - 1 BvL 17/63 -, BVerfGE 21, 150 [158]). Das gilt auch für die Aussage, dass der mit einer vorgeschlagenen Alternative verbundene hohe Kontrollaufwand beachtlich ist und dass nicht erwartet werden kann, dass über das vernünftigerweise von der Gesellschaft erwartbare Maß hinaus Mittel zur Aufstockung personeller und sachlicher Ressourcen der Kontrollbehörden eingesetzt werden, um eine in das Grundrecht stärker eingreifende Regelung zu vermeiden (Beschl. v. 06.10.1987, a.a.O.). Schließlich sind bei der Alternativenprüfung auch die dem Gesetzgeber bekannten Tatsachen und die bisher in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen mit Alternativen beachtlich (Beschl. v. 18.12.1968, a.a.O., S. 12, 19). Insbesondere kann es zur Unverhältnismäßigkeit eines staatlichen Monopols führen, wenn die bisherigen mit konzessionierten Privaten gemachten positiven Erfahrungen ignoriert werden (Beschl. v. 19.07.2000, a.a.O.). Schließlich muss sich der Gesetzgeber um eine flexible Gestaltung des Marktsystems und, „wo immer der Markt es erlaubt“, auch um die Eröffnung des Zugangs zum Markt bemühen (Beschl. v. 14.10.1975, a.a.O.).
62 
Nach diesen Maßstäben und Grundsätzen ist vom beklagten Land weder plausibel dargelegt noch sonst ersichtlich, dass das durch den Glücksspielstaatsvertrag begründete Sportwettenmonopol zur Erreichung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags erforderlich ist. Der Landesgesetzgeber (siehe Gesetzentwurf „III. Alternativen“ , LT-Drs. 14/1930, S. 31) beruft sich lediglich darauf, eine völlige Liberalisierung des Glücksspielmarktes anstelle eines staatlichen Monopolangebots sei völlig ungeeignet, weil es dann zu einer enormen Expansion des Marktes mit einer Verzehnfachung der gegenwärtigen Umsätze der Annahmestellen komme und damit gleichermaßen die Zahl der suchtkranken und suchtgefährdeten Glücksspieler sowie die Begleit- und Beschaffungskriminalität ansteige (so auch BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr. 113 und -im Rahmen der Folgenabwägung- ebenso VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.03.2008 - 6 S 3069/07-, juris). Dieser Einwand greift hingegen nicht gegenüber der ohne weiteres auch denkbaren Alternative der Erteilung eines begrenzten Kontingents von Konzessionen an private Wettanbieter (EuGH, Urt. Placanica, Rdnr.57, 58). Dagegen führt der Landesgesetzgeber unter Bezug auf die Sportwettenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Urt. v. 28.03.2006, a.a.O.) an, die Suchtgefahren könnten mit Hilfe eines auf die Bekämpfung von Glücksspielsucht und problematischem Spielverhalten ausgerichteten Monopols mit staatlich verantwortetem Angebot „effektiver beherrscht werden“ als im Wege einer Kontrolle privater Veranstalter (LT-Drs. 14/1930, S. 29). Diese Einschätzung beruht auf der Annahme, dass der Staat ein staatlich beherrschtes Monopolunternehmen grundsätzlich leichter überwachen und instruieren kann als er dies gegenüber einer Vielzahl privater Anbieter könnte (so ausdrücklich EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr. 51). Dies setzt aber voraus, dass die öffentliche Hand anders als bei der Beaufsichtigung Privater zur Durchsetzung einer an der Suchtprävention orientierten Vertriebsform nicht auf den Einsatz mitunter langwieriger hoheitlicher Aufsichts- und Ordnungsmittel angewiesen ist, sondern die Zielkonformität der Geschäftspolitik des ihr unterworfenen staatlichen Monopolbetriebs durch direkte Weisungen durchsetzen kann (vgl. Fremuth, EuZW 2007, 565 [568]) und dass es hier nur der Beaufsichtigung eines einzigen Wettanbieters, nämlich des staatlichen Monopolanbieters, statt der Beaufsichtigung einer Vielzahl von privaten Wettanbietern bedarf, die einen viel umfangreicheren Kontrollaufwand bedingt (vgl. Walz, EuZW 2004, 523 [525] ).
63 
An diesen beiden Grundvoraussetzungen für Annahme größerer Effektivität fehlt es jedoch im vorliegenden Fall des baden-württembergischen Sportwettenmonopols gerade. Die Toto-Lotto GmbH, die in Baden-Württemberg die Sportwetten als staatlicher Monopolbetrieb anbietet, steht zwar aufgrund der unmittelbaren Landesbeteiligung gem. § 1 Abs.5 AG-GlüStV unter dem direkten Einfluss des Landes auf die Zielkonformität der Unternehmenspolitik. Ihrerseits aber bietet sie die Sportwetten nicht über ein Netz eigener zahlenmäßig begrenzter Annahmestellen mit eigenen, unmittelbarer Weisung unterworfenen Angestellten an. Vielmehr besteht das Vertriebsnetz der Toto-Lotto GmbH aus einer Vielzahl von 3656 Annahmestellen, die von privaten Inhabern von Lebensmittel-, Zeitschriften- und Tabakläden sowie Tankstellen aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags mit der Toto-Lotto GmbH betrieben werden. Der Kontrollaufwand, den die Toto-Lotto GmbH selbst und vor allem die staatliche Glücksspielaufsicht bei der Beaufsichtigung dieser großen Zahl von Annahmestellen zu leisten hat, ist damit nicht ohne weiteres geringer als im Falle einer zahlenmäßig begrenzten Konzessionierung privater Sportwettenanbieter. Auch die Durchsetzungsmacht des staatlichen Sportwettenmonopols im Falle von Verstößen der Annahmestellen gegen die Vorschriften über die Spielsuchtprävention ist nicht größer als im letztgenannten Fall eines kontingentierten Konzessionssystems: Zwar erwecken die Teilnahmebedingungen den Eindruck, die Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg betreibe eigene Verkaufsstellen in eigener Regie (§ 1 Abs.2 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi und die Oddset-Top-Wette - GABl. 2007, S. 639: „Die Gesellschaft unterhält zur Durchführung ihres Auftrags in Baden-Württemberg Verkaufsstellen und Bezirksdirektionen“). Tatsächlich aber bedient sie sich nicht eigener Verkaufsstellen, sondern lediglich eines Netzes von Privaten, die ihr auf privatvertraglicher Basis Wetten vermitteln. Mangels direkter Weisungsbefugnis hat also auch die staatliche Toto-Lotto GmbH im Falle von Verstößen gegen Vorschriften über die Spielsuchtbegrenzung nur die Möglichkeit vertragsrechtlicher Konsequenzen, gegen die die privaten Inhaber der Annahmestellen ebenso Vertragsrechtsschutz vor den Zivilgerichten in Anspruch nehmen könnten, wie private Konzessionäre vor den Verwaltungsgerichten öffentlich-rechtliche Ordnungsverfügungen der Glücksspielaufsichtsbehörde anfechten könnten. Der EuGH hat insoweit aber klar entschieden (Urt. Rosengren, Rdnrn. 52 - 57), dass z.B. ein Alkohol-Monopol nur dann gerechtfertigt ist, wenn es den „Bediensteten des Monopols“ erlaubt, eine konsequente Alterskontrolle durchzuführen, dass es hingegen unverhältnismäßig ist, wenn der staatliche Monopolist sich gar nicht eigener Angestellter bedient, sondern die Verantwortung für die Alterskontrolle privaten Dritten überträgt, indem er sich damit einverstanden erklärt, dass zahlreiche Angestellte „außerhalb der Niederlassungen des Monopols“, beispielsweise in „Lebensmittelgeschäften und Tankstellen“ diese Kontrollen vornehmen. Die Verhältnismäßigkeit des Monopols sei nicht nachgewiesen, denn unwidersprochen sei geblieben, dass eine Alterskontrolle auch mittels einer Formblatterklärung gegenüber Privaten verbunden mit geeigneten strafrechtlichen Sanktionen als weniger einschneidende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit in Betracht komme.
64 
Das staatliche Monopolsystem lässt sich im vorliegenden Fall auch nicht mit dem Argument rechtfertigen, es sei weniger als die privaten Sportwettenanbieter auf die Einnahmen aus den Sportwetten angewiesen, habe also einen geringeren wirtschaftlichen Anreiz, gegen die zur Eindämmung der Spielsucht erlassenen Vorschriften zu verstoßen (so aber Fremuth, a.a.O., S. 568). Die gegenteilige Einschätzung ergibt sich vielmehr aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr. 154), das gerade gegenüber den staatlichen Monopolanbietern von Sportwetten die Einführung einer von staatlichen Finanzinteressen unabhängigen Kontrollinstanz gefordert hat (siehe § 9 Abs.6 GlüStV), nachdem aufgrund der bisherigen Erfahrungen die Gefahr besteht, dass sie eine allein an finanziellen Interessen, nicht aber an der Spielsuchtprävention orientierte Glücksspielpolitik betreiben (siehe zu dem nach wie vor fortbestehenden starken finanziellen Interesse an Beibehaltung des Sportwettenmonopols auch die entsprechenden Äußerungen von Landtagsabgeordneten - LT-Drs.14/1526, S.6).
65 
Das staatliche Monopolsystem kann zudem nicht für sich reklamieren, weniger an einer aggressiven Vermarktung von Sportwetten interessiert zu sein, als es im Alternativfall kontingentiert konzessionierte private Sportwettenanbieter wären. Zwar müssen die konkurrierenden Wettanbieter schon aus Profitinteresse werbend auf sich aufmerksam machen, wenn sie den Spielermarkt unter sich aufteilen und sich dazu voneinander unterscheiden wollen (vgl. zur Werbung als wesentlichem Wettbewerbselement EuGH, Urt. v. 19.09.2006 - C-356/04 -, Lidl), während ein Monopolbetrieb naturnotwendig dann keiner Werbung bedarf, wenn er tatsächlich der einzige Anbieter auf dem Markt ist. Die staatliche Toto-Lotto GmbH ist aber tatsächlich gar nicht der einzige Sportwettenanbieter und muss daher ebenfalls mit intensiver Werbung auf sich aufmerksam machen, wie ihre Strategie einer Werbung unter der Dachmarke „Lotto“ zeigt (dazu oben ). Denn den Spielern in Baden-Württemberg steht neben dem staatlichen Sportwettenangebot ein großer Sportwettenmarkt im Internet offen, der sich trotz seiner Illegalität schlichtweg nicht unterdrücken lässt und durch seine Konkurrenz in den letzten Jahren zu einem kontinuierlichen Umsatzrückgang bei den staatlichen Sportwetten geführt hat (siehe Geschäftsbericht der Toto-Lotto GmbH, a.a.O. 37).
66 
Schließlich ist auch die Annahme nicht plausibel, das staatliche Sportwettenmonopol sei geeigneter als ein System kontingentierter Konzessionierung privater Sportwettenanbieter, die befürchteten Gefahren einer mit dem Sportwettengeschäft verbundenen Kriminalität (Betrug, Sportwettenbetrug, Geldwäsche, Einstieg des organisierten Verbrechens) oder des Gewinnausfalls zu Lasten eines Spielers durch Insolvenz des Anbieters (siehe zu alledem BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnrn. 103 - 106) einzudämmen oder gar völlig zu vermeiden. Die seit langem mit legal im Glücksspielbereich tätigen privaten Anbietern gemachten Erfahrungen dürfen dabei nämlich nicht ignoriert werden. Pferdewetten werden seit 1922 von privaten Wettanbietern veranstaltet und angeboten, in den neuen Bundesländer sind seit Jahren vier private Sportwettenanbieter auf der Grundlage von alten DDR-Erlaubnissen tätig, der Spielbankenbetrieb in Baden-Württemberg wird seit Jahrzehnten von privaten Betreibern durchgeführt und der Glücksspielmarkt im Bereich der Spielautomaten wird sogar ohne Kontingentierung ausschließlich von Privaten betrieben (siehe LT-Drs.14/393, S.5). Gleichwohl liegen ganz offenbar keine negativen Erfahrungen mit ihnen im Hinblick auf die befürchteten Kriminalitäts- und Liquiditätsgefahren vor. Das Finanzministerium (a.a.O. S.5, 6) stützt entsprechende Befürchtungen weder auf Statistiken noch auf Untersuchungen, sondern beruft sich nur auf die insoweit ebenso wenig fundierten Annahmen des BVerfG. Dem Regierungspräsidium Karlsruhe als der zuständigen Glücksspielaufsichtsbehörde sind diesbezüglich auch keine entsprechenden Missstände (Betrugsstraftaten, Insolvenzen, sonstige gewerberechtliche Unzuverlässigkeiten) etwa aus der früheren Tätigkeit der ca. 500 privaten Sportwettenvermittler (vgl. LT-Drs. 14/495, 10) bekannt geworden, deren Tätigkeit sie untersagt hat (zur Unverhältnismäßigkeit eines Spielbankenmonopols wegen der Nichtberücksichtigung der zuvor jahrelang mit privaten Spielbankenbetreibern gemachten positiven Erfahrungen: BVerfG, Beschl. v. 19.07.2000, a.a.O.; zur Unverhältnismäßigkeit eines Monopols mangels Darlegung, dass ein Konzessionierungssystem mit privaten Anbietern unter strengen Zulassungsvoraussetzungen zur Vermeidung von Untreue, Unterschlagung und Geldwäsche nicht gleichermaßen effektiv sei: EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr. 50).
67 
Ohnedies sind die genannten Gefahren im Bereich der Sportwetten nicht besonders ausgeprägt bzw. durch geringer einschneidende Maßnahmen als durch ein staatliches Monopol zu reduzieren. Das Bundesverfassungsgericht selbst hat dazu in seiner Grundsatzentscheidung ausgeführt, die typischen Betrugsgefahren durch manipulierte Spielgeräte und Spielmittel oder durch Einflussnahme auf den Spielverlauf bestünden bei Sportwetten in geringerem Maße als bei anderen Glücksspielen, da auf ein von dritter Seite veranstaltetes Sportereignis gewettet werde, das der Wettnehmer selbst nicht beeinflussen könne. Auch die Übervorteilung der Spieler durch Täuschung über die Gewinnchancen sei bei Sportwetten mit festen Gewinnquoten geringer, da Risiko und Gewinnchancen aufgrund der fest vereinbarten Gewinnquoten transparenter seien als bei anderen Glücksspielen. Stärker als bei Spielformen, bei denen der Veranstalter nur das von den Spielern eingesammelte Geld nach Einbehalt eines gewissen Anteils auskehre, könne der Spieler hingegen durch die Zahlungsunfähigkeit des Veranstalters gefährdet werden. Wie bei „anderen gewerblichen Betätigungen“, bei denen dem Unternehmer fremde Gelder anvertraut seien, sei bei Sportwetten mit festen Gewinnquoten daher die finanzielle Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit des Veranstalters im Interesse der Wettteilnehmer zu sichern (Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr.103, 104). Was die vom Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang auch angeführte spezifische Gefahr des Sportwettenbetrugs durch Einflussnahme der Wettteilnehmer auf den Verlauf des Sportereignisses selbst angeht, ist nicht ersichtlich, dass eine solche Einflussnahmemöglichkeit im Fall der Wettveranstaltung durch Private größer wäre als im Fall eines staatlich monopolisierten Sportwettenangebots. Auch die Gefahr der Begleitkriminalität in Form einer Beschaffungskriminalität von Spielsüchtigen würde nur dann ein Argument für die Notwendigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols darstellen, wenn dieses im Hinblick auf die Suchtprävention effektiver wäre als eine kontingentierte Zulassung privater Anbieter unter strengen Verhaltensvorschriften. Das aber ist aber nach dem oben Gesagten gerade nicht der Fall, weil es an einer solchen konsequenten Spielsuchtprävention fehlt.
68 
In der Literatur wird zudem zu Recht darauf verwiesen, dass ein rechtskonformes Verhalten gewerblicher Spielvermittler, die bislang in der Vergangenheit keinen Vorwürfen hinsichtlich aggressiver Spielerwerbung ausgesetzt waren, sich auch durch das mildere Mittel einer Zuverlässigkeitsprüfung im staatlichen Zulassungs- und Überwachungsverfahren wie in anderen Bereichen des Gewerberechts auch hinreichend sicherstellen lässt (Wissenschaftlicher Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landtags, Gutachten vom 11.10.2007, S. 30, a.a.O.). Auch der Europäische Gerichtshof hat es in der Placanica-Entscheidung (a.a.O., Rdnr. 62 ff.) für ein wesentlich milderes Mittel gehalten, die Kontrolle der ausländischen Wettanbieter zwecks Schutz des Glücksspielmarktes vor kriminellen und betrügerischen Tätigkeiten durch Einholung von Informationen über deren Vertreter oder Hauptanteilseigner auszuüben, anstatt sie zur Erreichung dieses Ziels vollständig vom Glücksspielmarkt auszuschließen.
69 
Gegen eine Konzessionierung Privater lässt sich auch nicht einwenden, die Annahmestellen des staatlichen Sportwettenmonopols seien wegen ihrer Ausgestaltung als bloßer Nebenbetrieb von Tankstellen, Lebensmittel-, Zeitschriften oder Tabakwarenläden deutlich weniger attraktiv für Spieler als reine private Sportwettenagenturen, die durch entsprechende räumliche Gestaltung und Aufmachung (Sitzgelegenheiten, Getränke- und Fernsehangebot) die Wettteilnehmer stärker zum Verweilen und Wetten animierten und damit den Spielerschutz und die Suchtprävention beeinträchtigten. Denn im Rahmen einer Konzessionserteilung könnte auch privaten Sportwettenanbietern eine insoweit vergleichbar nüchterne Gestaltung vorgegeben werden. Gleiches gilt für den Einwand, die Gewinnquoten der staatlich veranstalteten Oddsetwette seien erheblich geringer und damit weniger suchtgefährlich als die Gewinnquoten der privaten Sportwettenanbieter. Denn im Rahmen einer staatlichen Konzessionierung ließen sich den privaten Anbietern gegenüber ohne weiteres auch Vorgaben zur Beschränkung der Höhe der Gewinnquoten machen.
70 
Was die im Lindmann-Urteil des EuGH (Urt.v. 13.11.2003 - C-42/02-, Rdnr.25,26) geforderte begleitende Untersuchung der Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit angeht, hat das Land lediglich auf die vom Bundesverfassungsgericht erwähnte Studie zum Suchtpotenzial von Sportwetten verwiesen (LT-Drs.14/393, S. 8, 9), hält aber im Übrigen seinerseits „längerfristig alternative Modelle wie beispielsweise eine beschränkte Konzessionierung“ nicht für ausgeschlossen (vgl. Stellungnahme des Finanzministeriums vom 30.10.2006 -LT-Drs.14/393, S.3; siehe auch Finanzminister Stratthaus - LT-Drs.14/495, S.11: „Über die Idee private Anbieter zuzulassen und eine Steuer zu erheben, kann durchaus nachgedacht werden“). Außerdem hat das Land zusammen mit Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein in einer Protokollerklärung zum Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 22.06.2006 zum Staatsmonopol im Glücksspielbereich erklärt, es halte es „unter Einbeziehung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben und praktischer Marktentwicklungen mittel- und langfristig für zielführender, eine begrenzte Konzessionierung in diesem Bereich vorzubereiten“ (siehe dazu LT-Drs.14/393, S. 554). Soweit aber für die Einführung eines solchen alternativen Konzessionierungsmodells erst die „zukünftige Entwicklung des Glücksspielmarktes“ und die Frage entscheidend sein soll, „ob sich das Monopol dabei als geeignetes Mittel zur Erreichung der ordnungspolitischen Ziele erweist“, und soweit dazu für einen Zeitpunkt drei Jahre nach Inkrafttreten des Staatsvertrages eine Evaluierung zur Effizienz und einem etwaigen Anpassungsbedarf ankündigt wird (vgl. Finanzministerium v. 30.10.2006 - LT-Drs.14/393, S.3), trägt dieses Argument nicht. Denn es ist nicht dargelegt, dass diese Vorgehensweise angesichts der bisherigen positiven Erfahrungen mit privaten Glücksspielanbietern einen Erkenntnisgewinn bringen würde. Nach allem kann also keine Rede davon sein, das Monopol sei zur Zielerreichung geeigneter als die kontingentierte Zulassung privater Sportwettenanbieter.
71 
4. In seiner rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung verstößt das staatliche Glücksspielmonopol für Sportwetten schließlich auch gegen EG-Wettbewerbsrecht in Gestalt des Art. 86 EG i.V.m. Art. 82 EG (ebenso im Ergebnis: Winkelmüller/Kessler, EuZW 2007, 404; König, EuZW 2007, 33, sowie Bungenberg, DVBl. 2007, 1405, 1411; a. A.: Fremuth, EuZW 2007, 565).
72 
Art. 86 Abs. 1 EG bestimmt, dass die Mitgliedstaaten in Bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine dem EG-Vertrag und insbesondere dessen Artikeln 12 und 81 bis 89 EG widersprechende Maßnahmen treffen oder beibehalten werden. Das Sportwettenmonopol ist untrennbar mit der Gewährung eines ausschließlichen Rechts an ein - zudem: öffentliches - Unternehmen, die Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg, verbunden. Dieser Gesellschaft allein wird ein wirtschaftlicher Tätigkeitsbereich unter Ausschluss von Wettbewerbern vorbehalten (vgl. zum Charakter ausschließlicher Rechte: EuGH, Urt. v. 30.04.1974 - Rs. 155/73 -, Sacchi; Urt. v. 18.06.1991 - C-260/89 -, ERT; Urt. v. 10.12.1991 - C-179/90 -, Hafen von Genua). Auch wenn die Gründe für das Monopol nichtwirtschaftlicher Art sind (§ 1 GlüStV), stellen das als (ordnungsrechtliche) öffentliche Aufgabe (§ 10 Abs. 1 und 2 GlüStV) zu qualifizierende Anbieten und die Veranstaltung von Glücksspielen eine wirtschaftliche Tätigkeit dar (anders hingegen, wenn eine staatliche Stelle hoheitliche Befugnisse ausübt: EuGH, Urt. v. 14.12.1995 - C-387/93 -, Banchero, Rnr. 49). Alle Glücksspiele sind als wirtschaftliche Tätigkeiten im Sinne von Artikel 2 EG zu qualifizieren, denn sie erfüllen die beiden Kriterien der Erbringung einer bestimmten Dienstleistung gegen Entgelt und der Erwartung eines Gewinns in Geld (EuGH, Urt. v. 11.09.2003 - C-6/01 -, ANOMAR, Rnr. 47; Urt. v. 25.10.2001 - C-475/99 -, Ambulanz Glöckner, Rnr. 19). Dass die Veranstaltung von Sportwetten bislang schon vom Staat beherrschten Gesellschaften übertragen war (vgl. bereits den Staatsvertrag zum Lotteriewesen aus 2004) und weiterhin ist, spricht nicht gegen die wirtschaftliche Natur dieser Tätigkeit, weil sie (gemeinschaftsweit betrachtet) nicht stets in der Hand des Staates ist und ferner nicht notwendig von solchen Einrichtungen betrieben werden muss (vgl. zum Arbeitsvermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit: EuGH, Urt. v. 23.04.1991 - C-41/90 -, Höfner und Elser, Rnr. 22).
73 
Das mit dem GlüStV bzw. den diesen umsetzenden gesetzlichen Regelungen bewirkte Dienstleistungsmonopol der Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg bei der Durchführung ausschließlich vom Land veranstalteter Sportwetten stellt die Einräumung einer marktbeherrschenden Stellung i.S.v. Art. 82 EG dar. Ein Unternehmen, das ein gesetzliches Monopol besitzt, kann als Inhaber einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 82 EG angesehen werden. Ferner kann bereits das Teilgebiet zumindest eines der größeren EU-Mitgliedsstaaten einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes darstellen (Brinker, in: Schwarze, EU-Kommentar, 1. Aufl. 2000, Art. 82 Rnr. 10) Das Land Baden-Württemberg ist angesichts seiner Einwohnerzahl (über 10,7 Mio.) und des betroffenen Wirtschaftszweigs (zur Lukrativität des Glücksspielmarkts vgl. Diegmann/Hoffmann, NJW 2004, 2642) als gemeinschaftsrelevanter Markt anzusehen (so im Ergebnis auch Fremuth, a.a.O., S. 565). Der EuGH hat in der Sache Ambulanz Glöckner (a.a.O., Rdnr. 38) für das im Bundeslandvergleich kleinere Rheinland-Pfalz angesichts der „großen Fläche“ dieses Landes von fast 20.000 qkm und seiner hohen Einwohnerzahl von etwa vier Millionen, die über der einiger Mitgliedstaaten liegt, die Annahme geäußert, dass eine beherrschende Stellung (dort des DRK-Rettungsdienstes) einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes betrifft.
74 
Das Sportwettenmonopol ist ferner als missbräuchliche Ausnutzung dieser Marktstellung zu qualifizieren. Unter Berücksichtigung einer weiten, am Verbraucherinteresse, an der Marktöffnung sowie an der Sicherung unverfälschten Wettbewerbs orientierten Auslegung des Missbrauchsbegriffs (vgl. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2007, Art. 82 EG, Rdnrn. 126 bzw. 116; Brinker, a.a.O., Rdnr. 15; ferner EuGH, Urt. v. 15.03.2007 - C95/04 P -, Britisch Airways, Rdnr. 57) unterfallen die Monopolbestimmungen der Bestimmung des Art. 82 Abs. 2 lit. b EG. Danach kann ein Missbrauch insbesondere in einer Beschränkung der Leistung („Einschränkung des Absatzes“) zum Schaden derjenigen bestehen, die die betreffende Dienstleistung in Anspruch nehmen wollen (in diesem Sinne: Fremuth, a.a.O. S. 566 ff.; König, a.a.O., S. 33 sowie Bungenberg, a.a.O., S. 1411/1412). Insbesondere auf einem ausgedehnten und differenzierten Markt, der überdies aufgrund wirtschaftlicher und sozialer Entwicklungen Veränderungen unterliegt, kann es dazu kommen, dass ein Monopolist einen bedeutenden Teil der Gesamtnachfrage nach Dienstleistungen nicht mehr befriedigen kann (EuGH, Urt. v. 11.12.1997 - C-55/96 -, Job Centre, Rdnrn. 32 bis 34). Die nach Art. 82 Abs. 1 EG ferner erforderliche mögliche Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten liegt insbesondere vor, wenn - wie hier - nationale Märkte dem Ziel eines einheitlichen Markts zuwider gegenüber Dienstleistungserbringern aus anderen Mitgliedstaaten abgeschottet werden (EuGH, Urt. Ambulanz Glöckner, Rdnr. 47).
75 
Dieser wettbewerbsrechtliche Verstoß gegen Art. 82 EG ist schließlich nicht durch Art. 86 Abs. 2 EG gerechtfertigt. Danach gelten für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, die Vorschriften des EG-Vertrags, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. Im Zusammenhang mit den das Sportwettenmonopol begründenden und ausgestaltenden Regelungen des GlüStV sowie des AG-GlüStV findet eine Betrauung der Toto-Lotto GmbH mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse statt. Der Begriff „wirtschaftlich“ begrenzt den Kreis der Tätigkeiten, auf die Art. 86 Abs. 2 EG Anwendung finden kann, nicht aber den Kreis der Interessen, die Mitgliedstaaten mit diesen Tätigkeiten verfolgen können; diese können wirtschaftlicher oder nichtwirtschaftlicher Natur sein (EuGH, Urt. v. 23.10.1997 - C-157/94 -, Energiemonopole Niederlande, Rdnr. 40; Mestmäcker/Schweitzer, a.a.O., Art. 86 Abs. 2 Rdnrn. 66/67 m.w.N.). Das über §§ 1 bis 8 GlüStV i.V.m. § 10 Abs. 1 GlüStV bzw. § 1 Abs. 5 und § 2 AG-GlüStV monopolisierte Angebot von Sportwetten geht untrennbar mit einem allgemeinen Interesse einher, nämlich der Sicherstellung eines ausreichenden, aber zugleich begrenzten Glücksspielangebots. Glücksspiel-spezifisch hat der EuGH zuletzt noch einmal in der Sache Placanica (Rdnr. 46 - 48) ausgeführt, dass Ziele des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung und der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen sowie der Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen zwingende Gründe des Allgemeininteresses darstellen. Diese für eine Beschränkung der Grundfreiheiten legitimierten Ziele haben auch im Rahmen des Art. 86 Abs. 2 EG zu gelten.
76 
Die Beschränkung des Wettbewerbs mittels eines andere Sportwettenanbieter ausschließenden Monopols ist jedoch nicht geeignet bzw. nicht erforderlich zur Erfüllung der übertragenen besonderen Aufgabe. Das Erfordernis der rechtlichen oder tatsächlichen Verhinderung in Art. 86 Abs. 2 EG ist ebenfalls Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. EuGH Urt. Ambulanz Glöckner, Rdnrn. 56 und 57; Urt. v. 23.05.2000 - C-209/98 -, Sydhavnens - Rdnr. 74; Urt. v. 23.10.1997 C-159/94 -, Energiemonopole Frankreich, Rdnr. 49). Damit führt aber die oben unter 2. getroffene Feststellung einer unzulässigen Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit auch hier zum Ergebnis einer Nichtrechtfertigung des Wettbewerbsverstoßes. Wo die Gelegenheiten zum Spiel nicht wirklich vermindert und die Wetttätigkeiten nicht kohärent und systematisch begrenzt werden, kann ein Monopol keine wettbewerbsrechtliche Rechtfertigung finden (vgl. die entsprechenden Erwägungen des EuGH betreffend das staatliche Handelsmonopol für Alkohol in der Sache Rosengren). Auch in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht gilt schließlich, dass das beklagte Land nicht dargelegt hat, dass ein Dienstleistungsmonopol gegenüber der vollständigen oder zumindest teilweisen Zulassung Privater erforderlich ist. Da es sich bei Art. 86 Abs. 2 EG um eine Ausnahme von den Grundvorschriften des EG-Vertrags handelt, obliegt dem Mitgliedstaat, der sich auf diese Bestimmung beruft, der Nachweis, dass ihr Tatbestand erfüllt ist. Der Mitgliedsstaat muss folglich in einer das Gericht überzeugenden Weise darlegen, dass dieses Ziel nicht ebenso mit anderen Mitteln erreicht werden kann (EuGH, Urt. v. 25.06.1998 - C-203/96 -, Dusseldorp, Rdnr. 67; Mestmäcker/Schweitzer, a.a.O., Art. 86 Abs. 2 Rdnrn. 84 und 93). Dieser Obliegenheit ist das beklagte Land nach dem bereits oben unter 3. Dargelegten nicht gerecht geworden.
III.
77 
Die neben der Untersagung in Nrn. 1, 2, 4 und 6 getroffenen Entscheidungen über die Entfernung der Geräte, die unverzügliche Einstellung der Tätigkeiten und ihre schriftliche Mitteilung sowie schließlich die Zwangsgeldandrohung und die Gebührenfestsetzung sind, weil der ihnen vorangehende Grundverwaltungsakt der Aufhebung unterliegt, ebenfalls rechtswidrig und aufzuheben. Darauf, ob sie an eigenständigen Mängeln leiden, kommt es nicht mehr an.
IV.
78 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Kammer hat keinen Anlass, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Da diese Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, ist die Berufung zuzulassen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Gründe

 
16 
Die Anfechtungsklage ist ohne Durchführung eines Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 VwGO, § 6a Satz 1 AGVwGO) zulässig und begründet. Die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 21.11.2006 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
17 
Als Rechtsgrundlage der Untersagung, in Baden-Württemberg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen (Ziff. 1 Satz 1 der Verfügung), kommt nunmehr allein § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV -, vgl. GBl. 2007, 571 ff.) in Betracht, der am 01.01.2008 in Kraft getreten ist (vgl. GBl. 2008, 56). Gleiches gilt für das Gebot, die zur Veranstaltung oder Vermittlung solcher Glücksspiele vorgehaltenen Geräte aus den öffentlich zugänglichen Räumen zu entfernen (Ziff. 1 Satz 2 der Verfügung), die untersagten Tätigkeiten unverzüglich einzustellen und die Einstellung dem Regierungspräsidium schriftlich mitzuteilen (Ziff. 2 der Verfügung). Diese neue Rechtslage ist deshalb maßgeblich, weil es sich bei der angefochtenen Verfügung um einen Dauerverwaltungsakt handelt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 17.03.2008 - 6 S 3069/07 -) und weil für die verwaltungsgerichtliche Überprüfung derartiger Verwaltungsakte regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 09.03.2005, Buchholz 451.20, § 15 GewO Nr. 5; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 113 Rdnr. 43 ff.). Für die gerichtliche Entscheidung maßgebend sind deshalb die Bestimmungen des oben genannten Glücksspielstaatsvertrags und die Bestimmungen des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag - AG-GlüStV -) vom 04.03.2008 (GBl. 2008, 81 ff.), das am 08.03.2008 in Kraft getreten ist (vgl. § 19 AG-GlüStV).
18 
Zwar vermittelt der Kläger unerlaubte Glücksspiele, was nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV Voraussetzung dafür ist, dass das Regierungspräsidium Karlsruhe als zuständige Behörde der Glücksspielaufsicht (§ 2 des Gesetzes zu dem Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 11.12.2007, GBl. 2007, 571; § 16 Abs. 1 AG-GlüStV) mit der angefochtenen Verfügung einschreitet (dazu I.). Die derzeitige Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols in Baden-Württemberg (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV) ist aber nach Auffassung der Kammer mit dem primären Gemeinschaftsrecht, nämlich der Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG) und dem EG-Wettbewerbsrecht (Art. 86, 82 EG), unvereinbar. Nach dem grundlegenden Prinzip des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts hat das Verwaltungsgericht das gemeinschaftsrechtswidrige nationale Recht außer Anwendung zu lassen (dazu II.).
I.
19 
Dadurch, dass der Kläger in seiner Gaststätte das Internetterminal „Tipomat“ aufstellen lässt, das auf die Nutzung zum Abschluss von Sportwetten bei dem maltesischen Sportwettenanbieter ... ausgerichtet ist, eröffnet er Spielern die Möglichkeit zur Teilnahme an Sportwetten. Damit ist er Vermittler (vgl. § 3 Abs. 4 GlüStV) von Sportwetten, die als Glücksspiele i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV anzusehen sind. Davon sind die Verwaltungsgerichte bereits in den früheren Entscheidungen, die zur Rechtslage vor Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrages ergangen sind, ausgegangen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12.01.2005, VBlBW 2005, 181 m.w.N.). § 3 Abs. 1 Satz 3 GlüStV bestimmt nunmehr ausdrücklich, dass auch Wetten gegen Entgelt auf den Eintritt oder Ausgang eines zukünftigen Ereignisses Glücksspiele sind (vgl. zuletzt VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.03.2008 - 6 S 3069/07 -).
20 
Die vom Kläger vermittelten Sportwetten sind auch unerlaubte Glücksspiele. Nach § 4 Abs. 1 GlüStV dürfen öffentliche Glücksspiele nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Das Veranstalten und das Vermitteln ohne diese Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel) ist verboten. Weder der Kläger noch der maltesische Sportwettenveranstalter haben jemals vom Land Baden-Württemberg eine solche Erlaubnis erhalten. Zwar vermittelt der Kläger die Sportwetten in das EU-Ausland (Malta); das entbindet ihn aber nicht von dem Erfordernis einer Erlaubnis durch die zuständige Behörde des Landes; denn nach § 3 Abs. 4 GlüStV wird ein Glücksspiel dort veranstaltet und vermittelt, wo dem Spieler die Möglichkeit zur Teilnahme eröffnet wird. Das ist die Gaststätte des Klägers in Konstanz.
21 
Dass der Firma ..., an die der Kläger Sportwetten vermittelt, in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union (hier: Malta) eine Erlaubnis zum Veranstalten von Sportwetten erteilt wurde, ändert an der Einstufung als unerlaubtes Glücksspiel nichts. Aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt sich nicht, dass diese Erlaubnis auch im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Geltung beanspruchen kann. Es sieht keine generelle Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zur gegenseitigen Anerkennung von Erlaubnissen vor, die von einem Mitgliedsstaat erteilt wurden. Der Glücksspielbereich ist auch nicht Gegenstand einer gemeinschaftsrechtlichen Harmonisierung. Vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt vom 12.12.2006 (ABl. Nr. L376/36 v. 27.12.2006) sind Glücksspiele einschließlich Lotterien und Wetten ausdrücklich ausgenommen (vgl. Erwägungsgrund Nr. 25 und Art. 2 Abs. 2 Buchst. h dieser Richtlinie). Auch die Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr vom 08.06.2000 (ABl. Nr. L178 v. 17.07.2000, S. 1), die in ihrem Artikel 3 das Herkunftslandprinzip vorschreibt, ist auf Glücksspiele nicht anwendbar (vgl. den Erwägungsgrund Nr. 16 und Art. 1 Abs. 5 Buchst. d, 3. Spiegelstrich). Die Auffassung des Generalanwalts (vgl. dessen Schlussanträge vom 16.05.2006 - Rs. C-338/04, C-359/04 und C-360/04, Placanica u.a.), wonach Gemeinschaftsrecht einer nationalen Regelung entgegenstehe, die unter anderem die Übermittlung von Wetten ohne die hierfür erforderliche Konzession des jeweiligen Mitgliedsstaats für Rechnung eines Unternehmers verbiete, der lediglich eine in dem Mitgliedsstaat seiner Niederlassung erteilte Zulassung besitzt, lässt sich mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht vereinbaren. Denn dieser hat mehrfach entschieden, dass den einzelnen Mitgliedsstaaten gerade ein Ermessensspielraum bei der Gestaltung ihrer Glücksspielpolitik eingeräumt wird (vgl. etwa EuGH, Urt. v. 06.11.2003, C-243/01 - Gambelli -). Dementsprechend hat sich der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 06.03.2007 (C-338/04 - Placanica -) diese Ausführungen auch nicht zu eigen gemacht. Vielmehr hat er auf seine bisherige Rechtsprechung verwiesen, die eine Reihe von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses anerkannt habe, aus denen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs gerechtfertigt seien.
22 
Dass die von einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft erteilte Konzession zum Veranstalten von Sportwetten im Bundesgebiet keine Geltung beanspruchen kann, ist mittlerweile gefestigte Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (vgl. zuletzt VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.03.2008 - 6 S 3069/07 -, mit zahlreichen Nachweisen).
II.
23 
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüstV scheidet als Rechtsgrundlage der angefochtenen Untersagungsverfügung jedoch aus.
24 
Die derzeitige Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols in Baden-Württemberg (vgl. § 10 Abs. 2 und 5 GlüstV) stellt eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des Klägers dar und ist europarechtswidrig (dazu II. 2 - 4). Das führt zur Europarechtswidrigkeit auch von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüstV; denn diese Bestimmung ermächtigt die Glücksspielaufsicht, das europarechtswidrige staatliche Glücksspielmonopol durchzusetzen und privaten Anbietern das Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten allein deshalb zu untersagen, weil dies gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüstV ohne Erlaubnis verboten ist. Ein auf präventive Kontrolle gerichtetes Erlaubnisverfahren existiert für private Sportwettenveranstalter wegen der Regelung des staatlichen Wettmonopols im Glücksspielstaatsvertrag aber nicht. Wegen der europarechtswidrigen Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols kann derzeit deshalb nicht von einer Erlaubnispflicht für private Anbieter von Sportwetten ausgegangen werden (so ebenfalls VG Berlin, Beschl. v. 02.04.2008 -VG 35 A 52/08-).
25 
Aus diesem Grunde kann die angefochtene Verfügung auch nicht - wovon das Regierungspräsidium ausgegangen ist - darauf gestützt werden, dass mit ihr ein Verstoß gegen die Strafrechtsnorm des § 284 StGB abgewehrt wird. Denn aus der verwaltungsakzessorischen Natur des § 284 StGB (vgl. hierzu: BGH, Urt. v. 16.08.2007 - 4 StR 62/07 -, NJW 2007, 3078 ff.) folgt, dass sich ein Anbieter oder Vermittler von Sportwetten nicht nach dieser Vorschrift strafbar macht, wenn - wie hier - die fehlende Erlaubnis auf einem Rechtszustand beruht, der europarechtswidrig die Dienstleistungsfreiheit verletzt.
26 
Dem stehen auch nicht die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 28.03.2006 entgegen; denn das Gericht hat lediglich für die von ihm eingeräumte Übergangszeit bis 31.12.2007 angenommen, dass das gewerbliche Veranstalten von Sportwetten durch private Wettunternehmen weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden darf (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, 1 BvR 1054/01 -, NJW 2006, 1261 ff.). Erweist sich die Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols nach Ablauf der Übergangsfrist aber als europarechtswidrig, kann von einem Verbot als Grundlage der angegriffenen Verfügung nicht mehr ausgegangen werden (vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 22.11.2007 - 1 BvR 2218/06 -, NVwZ 2008, 301 ff.).
27 
1. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile v. 15.07.1964 - Rs 6/64 - Costa/E.N.E.L. , und v. 09.03.1978 - Rs 106/77 - Simmenthal) besteht aus Art. 10 EG und dem als Strukturprinzip des Gemeinschaftsrechts entwickelten Grundsatz des „effet utile“ für nationale Gerichte die Pflicht, gemeinschaftsrechtswidriges nationales Recht von sich aus außer Anwendung zu lassen (vgl. zum Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts auch Streinz/Herrmann, BayVBl. 2008, 1 ff.). Hinsichtlich der Verwerfung nationaler Gesetze wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit ist zwar eine besonders sorgfältige Prüfung und auch Zurückhaltung geboten. Bei hinreichend manifesten Verstößen nationaler Rechtsnormen gegen das Gemeinschaftsrecht sind die nationalen Gerichte zu deren Nichtanwendung jedoch nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet. So verhält es sich nach Auffassung der Kammer hier. Denn der Europäische Gerichtshof hat bereits in mehreren Entscheidungen zum Glücksspielbereich die Voraussetzungen genau dargelegt, die erfüllt sein müssen, damit Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind (dazu im einzelnen II. 2 - 4). Er hat auch immer wieder betont, es sei Sache der nationalen Gerichte, darüber zu befinden, ob die streitigen Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs diese Voraussetzungen erfüllen. Angesichts dieser Rechtsprechung sieht die Kammer hinsichtlich der europarechtlichen Voraussetzungen für die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit keinen weiteren Klärungsbedarf, der Anlass für eine Vorlage an den Gerichtshof nach Art. 234 EG sein könnte. Zwar haben mehrere deutsche Verwaltungsgerichte (vgl. z.B. VG Stuttgart, Beschl. v. 24.07.2007 - 4 K 4435/06-) dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob der für eine Rechtfertigung des staatlichen Sportwettenmonopols gemeinschaftsrechtlich gebotene kohärente und systematische Beitrag zur Begrenzung der Wetttätigkeit lediglich auf den jeweiligen Glücksspielsektor zu beziehen oder unter Einbeziehung auch der nicht monopolisierten Glücksspiele, die -wie etwa Geldspielgeräte- ein höheres Suchtpotential aufweisen, umfassend zu verstehen ist. Auf die Beantwortung dieser Frage kommt es für die Kammer aber entscheidungserheblich nicht an, weil das staatliche Sportwettenmonopol auch ohne Berücksichtigung anderer Glücksspielsektoren derzeit gegen Gemeinschaftsrecht verstößt.
28 
2.a) Das Sportwettenmonopol des Landes stellt eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des Klägers dar. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist geklärt, dass die Veranstaltung, Vermittlung und Durchführung von Sportwetten Dienstleistungen i. S. v. Art. 49 EG sind (EuGH, Urt. v. 21.10.1999, C-67/98 - Zenatti -, Rdnr. 19; Urt. v. 24.03.1994, C-275/92 - Schindler -, Rdnr. 25; Urt. v. 21.09.1999, C-124/97 – Läärä -, Rdnr. 14). Ebenso ist geklärt, dass Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit außerhalb der Vorgaben des Art. 55 EG i. V. m. Art. 45, 46 EG nur dann zulässig sind, wenn sie nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 29).
29 
b) Im Bereich von Glücksspielen sind als zwingende Gründe des Allgemeininteresses der Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung, die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen und die Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung anerkannt (EuGH, Urt. Gambelli, Rdnr. 67). Innerhalb dieses Rahmens steht es im Ermessen jedes einzelnen Mitgliedstaats, welches Schutzniveau er gewährleisten will (EuGH, Urt. Schindler, Rdnr. 60, 61; Urt. Zenatti, Rdnr. 33, 34). Er kann sich zum Beispiel für ein Präventionsmodell entscheiden, das auf eine wesentliche Verminderung der Gelegenheit zum Spiel ausgerichtet ist, oder etwa auch für ein Kanalisierungsmodell, das darauf abzielt, durch ein auf Einnahmeerzielung und Expansion angelegtes Angebot einer begrenzten Zahl konzessionierter Privater die Glücksspieltätigkeiten aus dem Bereich des Illegalen und Kriminellen in geordnete und staatlich überwachte Bahnen zu lenken (EuGH, Urt. Placanica, Rdnr. 54, 55; s. dazu auch Wissenschaftlicher Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landtags, Gutachten v. 11.10.2007, S. 7 - Drs. LT-SLH 16/2460 -).
30 
Mit dem Glücksspielstaatsvertrag haben sich die deutschen Landesgesetzgeber für ein Präventionsmodell entschieden, das als Mittel zur Prävention auch die Kanalisierung des Spieltriebs der Bevölkerung beinhaltet. § 1 GlüStV nennt als Ziele, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirkliche wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen (Nr. 1), das Glücksspielangebot zu begrenzen und den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, insbesondere ein Ausweichen auf nicht erlaubte Glücksspiele zu verhindern (Nr. 2), den Jugend- und den Spielerschutz zu gewährleisten (Nr. 3) sowie sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt, die Spieler vor betrügerischen Machenschaften geschützt und die mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität abgewehrt werden (Nr. 4). Diese Ziele werden zwar ohne weiteres von den europarechtlich anerkannten Gründen des Allgemeininteresses umfasst. Von diesen Zielen hat allerdings bei verfassungskonformer Auslegung des Glücksspielstaatsvertrags nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 28.03.2006 (a.a.O., Rdnrn. 98 ff.) das in § 1 Nr. 1 des Vertrags genannte Ziel der Suchtbekämpfung im Vordergrund zu stehen. Nur mit Bezug zu diesem Ziel kann die in § 1 Nr. 2 GlüStV vorgesehene Kanalisierung durch ein staatliches, ausreichendes Glücksspielangebot (vgl. § 10 GlüStV) überhaupt verfassungsgemäß sein. Denn ein staatliches Monopol für Sportwetten ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft ausgerichtet ist (BVerfG, a. a. O., Rdnrn. 98, 119, 120). Ein auf Einnahmeerzielung und Expansion (vgl. EuGH, Urt. Placanica, Rdnr. 54, 55) angelegtes Staatsmonopol ist verfassungswidrig (BVerfG, a. a. O., Rdnr. 107, 141).
31 
c) Europarechtlich ist eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses nur zu rechtfertigen, wenn sie geeignet ist, die Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele zu gewährleisten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 32; Urt. Gambelli, Rdnr. 65). Hat sich ein Staat wie hier im Glücksspielstaatsvertrag - entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben - vorrangig für das Ziel der Suchtbekämpfung entschieden, so muss die Verwirklichung dieses Ziels in dem Sinne gewährleistet sein, dass die Beschränkungen kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen (EuGH, Urt. Gambelli, Rdnr. 67; Urt. Placanica, Rdnr. 53; siehe auch EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 14.03.2007, E-1/06 – Gaming Machines, Rdnr. 53). Dabei kommt es zentral auf die „Effektivität der Überwachung“ und die „Durchsetzung“ einer „wirklich restriktiven“ Glücksspielpolitik an (EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming Machines, Rdnr. 51).
32 
Diesen europarechtlichen Maßgaben entsprechen auch die verfassungsrechtlichen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts im Sportwetten-Urteil vom 28.3.2006 (a.a.O., Rdnr. 120), wonach eine konsequente Ausrichtung am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Spielsucht materiellrechtliche Regelungen und strukturelle Sicherungen erforderlich macht. Dementsprechend können die konkreten Vorgaben aus dem bundesverfassungsgerichtlichen Urteil auch zur Beantwortung der Frage der europarechtlichen Kohärenz und Konsistenz herangezogen werden.
33 
d) Der Europäische Gerichtshof hat immer wieder betont, dass es Sache des nationalen Gerichts - und damit hier der Kammer - ist zu prüfen, ob die angegriffene Regelung angesichts ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten tatsächlich den Zielen Rechnung trägt, die sie rechtfertigen könnten, und ob die mit ihr auferlegten Beschränkungen nicht außer Verhältnis zu diesen Zielen stehen (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 37; Urt. Gambelli, Rdnr. 75, 76; Urt. Placanica, Rdnr. 58, 72; vgl. auch EuGH, Urt. v. 5.6.2007, C-170/04 - Rosengren -, Rdnr. 46/47 bzw. Rdnr. 53/54). Maßgeblich sind dabei nicht nur die rechtliche Ausgestaltung der Beschränkung, sondern auch ihre tatsächlichen Anwendungsmodalitäten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 37, Urt. Gambelli, Rdnr. 75, 76), ihre Handhabung in der Praxis (EuGH, Urt. Rosengren, Rdnr. 46). Der Begriff des „Vorbehalts des Gesetzes“ in seiner im deutschen Staatsrecht geläufigen Ausprägung findet im Gemeinschaftsrecht keine Entsprechung, weil es hier nicht primär um den Schutz der Individualsphäre gegenüber hoheitlicher Macht, sondern um die Abgrenzung zwischen nationaler und gemeinschaftlicher Regelungsbefugnis geht (vgl. Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2.Aufl., 2005, S. 193 [219, 238]). Allerdings ist die vom Europäischen Gerichtshof geforderte „Kohärenz“ und „Systematik“ hinsichtlich der Begrenzung der Wetttätigkeiten ohne normative Vorgaben zur Ausgestaltung eines staatlichen Monopolbetriebs kaum denkbar. Ohne solche inhaltlich bestimmten Regelungen blieben Maß und Umfang der Begrenzung der Wetttätigkeit der Willkür des staatlichen Monopolisten überlassen, die infolge ihrer begriffsnotwendigen Konturlosigkeit und der Unvorhersehbarkeit ihrer Ergebnisse schlechterdings ungeeignet ist, die gebotene Begrenzung effektiv, widerspruchsfrei und nach klaren Regeln umzusetzen (vgl. zur Ungeeignetheit der schwedischen gesetzlichen Bestimmungen zum staatlichen Monopolvertrieb für Alkohol EuGH, Urt. Rosengren, Rdnr. 45 - 47). Entscheidend ist hier damit vor allem die rechtliche Ausgestaltung des Sportwettenmonopols, ohne dass jedoch die tatsächliche Umsetzung aus dem Blick gelassen werden darf.
34 
e) Danach kann das Staatsmonopol des Landes keinen Bestand haben, weil es in seiner aktuellen rechtlichen und tatsächlichen Verfassung das Ziel der Suchtbekämpfung nicht durch einen kohärenten und systematischen Beitrag zur Begrenzung der Wetttätigkeiten verwirklicht. Weder quantitativ noch qualitativ erweist sich das Monopol als Umsetzung einer konsequent an der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht ausgerichteten Glücksspielpolitik.
35 
aa) Gerade das vom Bundesverfassungsgericht beanstandete terrestrische Vertriebssystem unter der Maxime „weites Land – kurze Wege“, das das Wetten nicht begrenzt, sondern dazu ermuntert und anreizt, wird durch den neuen Glücksspielstaatsvertrag und das baden-württembergische Ausführungsgesetz nicht in Frage gestellt. Noch immer besteht das Vertriebsnetz - entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts - aus einer fast unvermindert gebliebenen Vielzahl von Zeitschriften- und Tabakläden oder ähnlichen kleinen oder mittelständischen Gewerbebetrieben, so dass der Vertrieb in „bewusster Nähe zum Kunden“ stattfindet und die Möglichkeit zum Sportwetten ein allerorts verfügbares "normales“ Gut des täglichen Lebens darstellt (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr. 138). Von dem europarechtlich gebotenen Beitrag zur Begrenzung der Wetttätigkeiten kann bei einem solchen Vertriebssystem, über das Oddset nach dem Verbot des Internetvertriebs (§ 4 Abs. 4 GlüStV) ausschließlich vermarktet wird, nicht die Rede sein.
36 
Eine bezifferte Obergrenze für die Zahl der Annahmestellen in Baden-Württemberg gibt es nicht (anders etwa § 7 SächsGlüStV -AG v. 14.12.2007 - SächsGVBl. 2007, S. 542: eine Annahmestelle je 3.200 Einwohner oder § 2 Abs. 5 Thüring. Gesetz zum GlüStV v. 18.12.2007 - GVBl. 2007, S.243: Gesamtzahl von 750 Annahmestellen in Thüringen darf nicht überschritten werden oder Art.1 Abs.3 S.2 BayAG-GlüStV v. 20.12.2007 - GVBl. 2007, S. 992: Zahl der Annahmestellen ist bis 31.12.2011 auf insgesamt 3.700 zu begrenzen). Zwar heißt es in § 10 Abs. 3 GlüStV, die Länder begrenzten die Zahl der Annahmestellen zur Erreichung der Ziele des § 1, das baden-württembergische Ausführungsgesetz wiederholt jedoch nur, dass Anzahl und flächenmäßige Verteilung der Annahmestellen an den Zielen des § 1 GlüStV auszurichten seien. Darüber hinaus normiert es nur, dass nicht mehr Annahmestellen unterhalten werden dürften, als zur Sicherstellung eines ausreichenden Glücksspielangebots erforderlich sei (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 u. Satz 2 Ausführungsgesetz). Anhaltspunkte, wie viel Glücksspiel als ausreichend anzusehen ist, liefert das Gesetz nicht. Auch für das vom Gesetz vorgesehene Vertriebskonzept des Veranstalters (§§ 2 Abs. 2 Nr. 5, 7 Abs. 1 Satz 3 AG-GlüStV) fehlen inhaltliche Vorgaben. In § 7 Abs. 1 Satz 4 AG-GlüStV heißt es nur, dass das Konzept sich insbesondere an der räumlichen Bevölkerungsstruktur zu orientieren habe. Eine solche Orientierung mag eventuell Anhaltspunkte für die flächenmäßige Verteilung der Annahmestellen geben, lässt jedoch keinerlei Rückschlüsse auf die zulässige Anzahl von Annahmestellen zu.
37 
Außer konkreten, inhaltlichen Vorgaben für die Begrenzung der Zahl der Annahmestellen fehlen auch gesetzlich geregelte wirksame Kontrollmechanismen.
38 
§ 7 Abs. 1 Satz 3 AG-GlüStV überträgt die nähere Ausgestaltung der Anzahl und der flächenmäßigen Verteilung der Annahmestellen dem Veranstalter oder der mit der Durchführung der Glücksspiele beauftragten juristischen Person, die ein entsprechendes Vertriebskonzept zu erstellen haben. Damit aber wird die Festlegung der Grenzen an den eigentlich zu kontrollierenden Monopolisten selbst delegiert.
39 
Auch eine Kontrolle des Vertriebskonzepts sieht das Ausführungsgesetz nicht unmittelbar vor, sondern nur mittelbar bei der Erteilung der Glücksspielerlaubnis (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 5). Die Übergangsregelungen des § 25 Abs. 1 GlüStV, wonach die bis zum 01.01.2007 erteilten Konzessionen, Genehmigungen und Erlaubnisse bis zum 31.12.2008 als Erlaubnis fortgelten, sowie des § 2 Abs. 1 Satz 2 AG-GlüStV, wonach die vom Land bereits zum 01.01.2007 veranstalteten Glücksspiele noch bis zum 31.12.2008 ohne Erlaubnis fortgeführt werden dürfen, führen jedoch dazu, dass bis Ende diesen Jahres noch nicht einmal diese mittelbare Kontrolle über § 2 Abs. 2 Nr. 5 AG-GlüStV stattfindet.
40 
Allein die Möglichkeit des Einschreitens der Glückspielaufsicht nach § 9 Abs. 1 GlüStV stellt keinen wirksamen Kontrollmechanismus dar. Dies zeigt sich etwa daran, dass der baden-württembergische Monopolist, die Toto-Lotto GmbH, trotz gesetzlicher Verpflichtung nach § 7 Abs.1 AG-GlüStV bislang kein Vertriebskonzept besitzt, ohne dass dies Konsequenzen für seine Tätigkeit nach sich gezogen hätte. Nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung hat dieser bisher nur einen unzureichenden Entwurf eines Vertriebskonzepts vorgelegt.
41 
Auch zu den einzelnen Annahmestellen enthalten die gesetzlichen Regelungen keinerlei konkrete Vorgaben. So heißt es unter § 7 Abs. 2 AG-GlüStV neben Zuverlässigkeitsanforderungen an den Betreiber nur allgemein, dass die Anforderungen der § 4 Abs. 3, §§ 5, 7 GlüStV sichergestellt werden müssten und dass die Annahmestelle dem Vertriebskonzept entsprechen und nicht in Spielhallen oder in Räumlichkeiten betrieben werden dürfe, die nach ihrer Lage, Beschaffenheit, Ausstattung und Einteilung dem Ziel entgegenstünden, nur ein begrenztes Glücksspielangebot zuzulassen (§ 7 Abs. 2 Nr. 5 AG-GlüStV). Genaueres fehlt wiederum, etwa dazu, zusammen mit welchem Warenangebot Oddset vertrieben werden darf, damit es gerade nicht mehr als allerorts verfügbares Gut des täglichen Lebens (vgl. dazu BVerfG, a. a. O., Rdnr. 138) gehandelt wird, oder dazu, welche Entfernung die Annahmestelle zu besonders von Jugendlichen genutzten Einrichtungen wie Schulen, Jugendzentren oder Ähnlichem einzuhalten hat.
42 
Auch für den überwiegenden Teil der Annahmestellen sieht das Gesetz derzeit keine Kontrolle vor. Denn nach § 7 Abs. 4 AG-GlüStV darf eine Annahmestelle, die bereits zum 01.01.2007 in ein öffentliches Glücksspiel des Landes vermittelt hat, diese Vermittlung noch bis zum 31.12.2008 ohne Erlaubnis fortsetzen. Darüber hinaus ist in § 7 Abs. 2 Satz 3 AG-GlüStV vorgesehen, dass die zuständige Behörde die Aufgabe der Erteilung der Erlaubnis für den Betrieb einer Annahmestelle der mit der Durchführung des Glücksspiels beauftragten Stelle im Wege der Beleihung übertragen kann. Durch ein solche Beleihung wird wiederum der Monopolist selbst mit seiner eigenen Kontrolle beauftragt. Auch dies macht deutlich, dass das Gesetz nicht auf eine effektive Kontrolle des Monopolisten zur Sicherstellung der Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV, insbesondere der Suchtbekämpfung, angelegt ist.
43 
Die derzeitige tatsächliche Situation spiegelt diese aufgezeigten rechtlichen Defizite wider. Ein Vertriebskonzept existiert nicht; die Zahl der Annahmestellen ist seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach den Angaben des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung nur geringfügig von 3.750 auf 3.656 gesunken. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass dieser Rückgang auf ein entsprechendes Konzept und nicht nur auf Insolvenzen oder sonstige wirtschaftlich bedingte Aufgaben der Annahmestellen zurückzuführen ist. Die freiwillige Schließung von legalen Annahmestellen der Toto-Lotto GmbH durch ihre Betreiber ist nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung jedenfalls nicht genutzt worden, um die Gesamtzahl der Stellen zu reduzieren; vielmehr ist in etwa 40 bis 50 Fällen für geschlossene Annahmestellen jeweils Ersatz zugelassen worden, entweder indem der Weiterbetrieb durch einen neuen Inhaber oder aber die Eröffnung einer neuen Annahmestelle in der Nachbarschaft zugelassen wurde. Nach wie vor ist Oddset deshalb wie ein Gut des täglichen Lebens allerorts verfügbar. Die Zahl der Annahmestellen in Baden-Württemberg (3.656 - d.h. bei 10.736.000 Einwohnern kommt eine Annahmestelle auf 2.936 Einwohner; Ende 2006 waren es 3.674, d.h. eine je 2923 Einwohner - siehe Geschäftsbericht 2006 der Toto-Lotto GmbH v. 17.04.2007, S. 36 - www.lotto-bw.de) übertrifft bei weitem die Zahl etwa von Postfilialen (bundesweit eine für 6.875 Einwohner, vgl. VG Berlin, Beschl. v. 02.04.2008 -VG 35 A 52.08 -) und selbst die von Apotheken (bundesweit eine für 3.889 Einwohner, vgl. VG Berlin, a. a. O.). Auch wenn diese Zahlen angesichts der Unterschiede von Postfilialen, Apotheken und Annahmestellen nicht ohne weiteres direkt miteinander vergleichbar sind, vermitteln sie jedoch einen plastischen Eindruck von der tatsächlichen Dichte der vorhandenen Annahmestellen. Weshalb eine solche Dichte in der heutigen Mobilitätsgesellschaft für die Sicherstellung eines am Ziel der Suchtbekämpfung orientierten Glücksspielangebots notwendig sein soll, ist nicht ersichtlich.
44 
Nach wie vor wird Oddset vor allem in Zeitschriften-, Schreibwaren- und Tabakläden, Supermärkten und Tankstellen vertrieben und damit nicht nur gezielt dem interessierten Kundenkreis, sondern einem breiten Publikum angeboten und darüber hinaus auch Jugendlichen und Kindern bekannt gemacht. Nach wie vor existieren Annahmestellen in unmittelbarer Nähe zu Schulen oder anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen, wie in der mündlichen Verhandlung beispielhaft aus Waldshut-Tiengen berichtet wurde. Damit ist der Vertrieb auf Expansion und nicht auf Selbstbeschränkung und Eingrenzung angelegt. Dass es nach den Teilnahmebedingungen für Oddset zum Wetten einer Kundenkarte bedarf (vgl. § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi-Wette vom 08.11.2007, GABl. 2007, S. 639 und § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette, Ausgabe Januar 2008, GABl. 2007, S. 648), ändert an der Verfügbarkeit wie ein Gut des täglichen Lebens nichts, nachdem die Kundenkarte als „Spielpass“ kostenlos gegen Vorlage eines Ausweises ausgegeben wird und sofort nach Beantragung dieses „Passes“ gespielt werden kann (vgl. Informationen zum Spielangebot der Toto-Lotto GmbH Bad.-Württ., Stand Januar 2008, S. 20).
45 
Die Betreiber der Annahmestellen erhalten nach wie vor umsatzabhängige Provisionen für die Vermittlung von Sportwetten und haben damit ein starkes Eigeninteresse an der Steigerung des Umsatzes. Dieses Interesse wird nicht dadurch beseitigt, dass die Toto-Lotto GmbH seit dem 01.01.2008 eine Zusatzvereinbarung mit den Inhabern der Annahmestellen geschlossen hat, wonach der Glücksspielbereich nur eine untergeordnete Nebentätigkeit sein darf. Abgesehen davon, dass in der mündlichen Verhandlung von den Klägervertretern konkret Fälle genannt wurden, bei denen diese Zusatzvereinbarung nicht eingehalten werden soll, und der Beklagtenvertreter dem nichts zu entgegnen wusste, bedeutet der privatrechtliche Handelsvertretervertrag, den die Lottogesellschaften mit ihren Annahmestellen geschlossen haben (vgl. dazu Bundeskartellamt, Beschl. vom 23.08.2006 - B 10-92713-Kc-148/05 - Rdnr. 77), dass deren Betreiber einen Provisionsanspruch nach § 87 HGB besitzen und umso mehr verdienen, je mehr Spieleinnahmen sie für die Lottogesellschaft eingebracht haben. Daher haben sie auch dann, wenn sie die Glücksspielvermittlung nur als Nebentätigkeit betreiben, ein eigenes und sehr großes wirtschaftliches Interesse daran, möglichst viele Kunden zu akquirieren. An diesem System, wie es das Bundeskartellamt im Jahr 2006 vorgefunden hat (vgl. Beschl. v. 23.08.2006, a. a. O.), hat sich bislang nichts geändert, wie der Vertreter des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat. Die Bestimmung in den Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht (Anhang zum Glücksspielstaatsvertrag), dass die Vergütung der leitenden Angestellten von Glücksspielveranstaltern nicht abhängig vom Umsatz berechnet werden darf (Nr. 3 der Richtlinien), hat eher Feigenblattcharakter, nachdem der Verdienst gerade der Personen mit dem direkten Kundenkontakt, nämlich der Betreiber der Annahmestellen, umsatzabhängig ist.
46 
Die Glücksspielaufsicht ist nur minimal ausgestattet. Für ganz Baden-Württemberg sind im zuständigen Regierungspräsidium Karlsruhe (vgl. § 2 des Gesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag vom 11.12.2007) nur zwei Personen für die Überwachung des Monopolisten und seiner 3.656 Annahmestellen zuständig. Dem entspricht, dass es nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung noch nicht zu einer Sichtung, geschweige denn Überprüfung des Bestands an Annahmestellen gekommen ist. Auch über einzelne Beanstandungen bei Annahmestellen konnte der Beklagtenvertreter nichts berichten, was angesichts der hohen Zahl von Annahmestellen sicherlich nicht darauf zurückzuführen ist, dass es keine zu beanstandenden Verstöße gegeben hat.
47 
bb) Diese Defizite in der rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung des Vertriebssystems werden auch nicht durch die qualitativen Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags zur Einschränkung der Werbung und zur Suchtprävention ausgeglichen.
48 
Die inhaltlichen Regelungen zur zulässigen Werbung in § 5 Abs. 1 u. 2 GlüStV sind sehr allgemein gehalten und kranken vor allem daran, dass unklar ist und auch vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung nicht erhellt werden konnte, wo die Grenze zwischen informativer, aufklärender Werbung und unzulässiger anreizender und ermunternder Werbung verläuft. Dementsprechend konnte einer der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung auch eine Vielzahl von Werbebroschüren und -artikeln präsentieren, die weit über eine Information und Aufklärung hinausgingen und sich offensichtlich auch an Minderjährige richteten, wie etwa Schokoladentäfelchen mit dem Aufdruck auf der Banderole: „Der Leckerbissen im Jubiläumsjahr 2008 Lotto Baden-Württemberg“. Auch wenn die vorgelegten Beispiele Werbung für die Dachmarke Lotto (vgl. zur Ausgestaltung und Wirkung der Dachmarke VG Berlin, a. a. O., S.25) und verschiedene Lotterieveranstaltungen, nicht aber unmittelbar für Sportwetten enthielten, belegen sie doch, dass die Werbebeschränkungen rechtlich wie tatsächlich nicht die Ziele des § 1 GlüStV verwirklichen. Denn nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung stimmt die Toto-Lotto GmbH jede Werbemaßnahme mit der Glücksspielaufsicht ab, so dass davon auszugehen ist, dass auch die vorgelegten Werbeexemplare vorher von der Glücksspielaufsicht als unbedenklich eingestuft worden waren. Gleiches gilt für die unstreitig in Fußballstadien vorhandene Bandenwerbung für die Dachmarke Lotto, die wohl kaum als informativ und aufklärend im Sinne des § 5 Abs. 1 GlüStV bezeichnet werden kann und zudem eine Umgehung des Verbots von Bandenwerbung für Sportwetten in § 21 Abs. 2 Satz 2 GlüStV darstellt. Denn die Dachmarke steht nach ihrem Sinn und Zweck gerade für das gesamte, unter ihr vertriebene Glücksspielangebot, zu dem auch die Sportwetten gehören.
49 
Darüber hinaus ist Werbung zwar im Fernsehen, Internet und über Telekommunikationsanlagen verboten (§ 5 Abs. 3 GlüStV), jedoch nach wie vor in großer Bandbreite über Radiospots, Werbetafeln, Printmedien, Zeitungsanzeigen und Postwurfsendungen möglich (siehe dazu VG Berlin, a. a. O., S. 25-27).
50 
Soweit der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass der Umsatz der Oddset-Kombiwette im Jahr 2007 um 28 % und der Topwette um 48% sowie im ersten Quartal 2008 um 22% bzw. 32% zurückgegangen sei, konnte seinen Ausführungen nicht entnommen werden, dass dieser Rückgang Folge einer streng an der Begrenzung der Wetttätigkeit orientierten Glücksspielpolitik und Glücksspielaufsicht wäre. Vielmehr ist im Geschäftsbericht der staatlichen Toto- Lotto GmbH nachzulesen, dass die im Glücksspielstaatsvertrag geregelte Einstellung des Internetspiels und die Reduzierung der Werbeaktivitäten nur zu „leichten Umsatzrückgängen“ geführt hätten und davon auszugehen sei, dass eine fortgesetzte Werbeinschränkung zwecks Spielerschutz in Zukunft nur „vorübergehend“ zu Umsatzrückgängen führen werde (Geschäftsbericht a.a.O., S.38).
51 
Auch die Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrags zur Suchtprävention enthalten strukturelle Defizite, die sich wiederum in der aktuellen, tatsächlichen Situation widerspiegeln.
52 
Zwar sieht § 8 GlüStV eine Spielersperre vor; es fehlt jedoch an der Regelung eines Verfahrens, das sicherstellt, dass es tatsächlich auch zu Spielersperren kommt. Eine Kontrolle der Spielausgaben eines einzelnen Spielers, aus deren Höhe auf eine Spielsuchtgefährdung geschlossen werden könnte, sieht der Glücksspielstaatsvertrag nicht vor. Eine Spielersperre kann also nur dann verhängt werden, wenn der Spieler sie selbst beantragt oder das Personal oder sonstige Dritte zufällig Anhaltspunkte für Spielsuchtgefährdung, Überschuldung oder überhöhte Spieleinsätze wahrnehmen. Diese Möglichkeiten laufen in der Praxis aber weitgehend leer. Das Personal erfährt auch über die Kundenkarten oder Spielpässe (vgl. dazu Informationen zum Spielangebot der Toto-Lotto GmbH Bad.-Württ., Stand Januar 2008, S. 20, 21), die vor allem der Identifizierung eines Spielers dienen sollen (vgl. § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi-Wette vom 08.11.2007, GABl. 2007, S. 639 und § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette, Ausgabe Januar 2008, GABl. 2007, S. 648), nichts über sein früheres Spielverhalten. Damit wird die vorgesehene Schulung des Personals, das problematisches Spielverhalten anhand eines plötzlichen Anstiegs des Entgelts oder der Spielfrequenz frühzeitig erkennen soll (vgl. § 6 Satz 2 GlüStV i. V. m. Nr. 1c der Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht), gerade angesichts der Dichte der Annahmestellen und der Möglichkeit für Spieler, ihre Wetten zu streuen, zu einem wenig wirkungsvollen Instrument. Abgesehen davon dürfte ein großer Teil des Personals bislang noch nicht geschult sein; bis Ende 2006 jedenfalls hatten erst 1.297 Betreiber von Annahmestellen, also nur ein gutes Drittel, an Schulungen teilgenommen (Geschäftsbericht Toto-Lotto GmbH, S. 27). So verwundert es nicht, dass der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung von keiner einzigen verhängten Spielersperre berichten konnte, obwohl bundesweit doch immerhin 250.000 Personen Anzeichen von Glücksspielsucht aufweisen sollen (vgl. Drucks. 14/1350 des Landtags von Bad.-Württ., S. 2).
53 
Höchsteinsätze für Sportwetten - spieler- und zeitraumbezogen oder wenigstens spielbezogen - sind weder im Glücksspielstaatsvertrag noch im Ausführungsgesetz geregelt. Allein die normativ nicht verankerten Teilnahmebedingungen enthalten gewisse, teilweise sehr hohe (bis zu 5.000 EUR) Grenzen, die sich jedoch nur auf einen Spielvorgang, nicht aber auf die Ausgaben eines Spielers innerhalb eines bestimmten Zeitraums beziehen (vgl. § 6 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi-Wette vom 08.11.2007, GABl. 2007, S. 639 und § 6 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette, Ausgabe Januar 2008, GABl. 2007, S. 648; s. dazu auch VG Berlin, a. a. O., S. 30 f.).
54 
Das in § 6 GlüStV vorgesehene Sozialkonzept wird in seiner Ausgestaltung wiederum dem Monopolisten selbst überlassen. Nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung gibt es zwar ein Sozialkonzept des baden-württembergischen Monopolisten. Dieses stammt aber noch aus dem Jahr 2004, kann die Vorgaben des neuen Glücksspielstaatsvertrags also gar nicht umgesetzt haben.
55 
Am Rande sei im Übrigen darauf hingewiesen, dass auch der in § 10 Abs. 1 Satz 2 GlüStV vorgesehene Fachbeirat offensichtlich nicht existiert, nachdem dem Beklagtenvertreter darüber nichts bekannt war.
56 
Die Kammer verkennt nicht, dass die Toto-Lotto GmbH im Bereich der Aufklärung (§ 7 GlüStV) mit den Hinweisen auf Spielscheinen, Losen und Quittungen (§ 7 Abs. 2 GlüStV), der Aufklärungsbroschüre „Spielen mit Verantwortung“, der Einrichtung der Internetseite „www.spielen-mit-verantwortung.de“ und - vor allem telefonischen - Beratungsangeboten konkrete Schritte zur Suchtbekämpfung unternommen hat. Diese Schritte ändern jedoch nichts daran, dass das Konzept des Spielerschutzes unzureichend ausgestaltet ist, und sind vor allem nicht geeignet, ein zum Wetten anreizendes und ermunterndes europarechts- und verfassungswidriges Vertriebssystem zu rechtfertigen.
57 
3. Das Sportwettenmonopol des Landes ist zudem auch deshalb europarechtswidrig, weil es eine unverhältnismäßige, nämlich zur Erreichung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags nicht erforderliche Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt (ebenso VG Arnsberg, Beschl. v.l 05.03.2008 -1 L 12/08 -, juris und VG Frankfurt a.M., Beschl. v. 09. 01. 2008 - 7 G 4107/07(3) ).
58 
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dürfen Maßnahmen zur Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist (vgl. EuGH, Urt. v. 30.11.1995 - C-55/94 -, Gebhard, Rdnr.37; Urt. v. 31.03.1993 - C-19/92-, Kraus, Rdnr.41; Urt. v. 26.11.2002 - C-100/01, Olazabal, Rdnr.43; vgl. zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Europarecht: Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2.Aufl., 2005, S.805 - 841; zur Verhältnismäßigkeit in den EuGH-Urteilen zum Glücksspielmarkt: Haltern, Gemeinschaftsrechtliche Aspekte des Glücksspiels, 2007, S.21, 22).
59 
Hinsichtlich eines staatlichen Glücksspiel-Monopols haben die nationalen Gerichte daher zu prüfen, ob dieses notwendig ist, um die mit dem Glücksspiel verbundenen Probleme (Spielsucht, Missbrauchsgefahren, Kriminalität etc.) auf das angestrebte Maß zu reduzieren oder dies nicht genauso gut durch weniger einschneidende Maßnahmen, wie etwa die Zulassung privater Anbieter unter strengen Konzessionsbedingungen erreicht werden kann (EuGH, Urt. Läärä, Rdnr.39; EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr.48, 49). Insbesondere ist zu prüfen, ob der staatliche Monopolist verglichen mit einem konzessionierten privaten Anbieter einen geringeren wirtschaftlichen Anreiz zur Verletzung reglementierender Vorschriften und ein geringeres Interesse an aggressiver Vermarktung hat und ob der Staat den öffentlich-rechtlichen Monopolanbieter effektiver überwachen kann oder ob nicht private Anbieter gleichermaßen einer solchen Überwachung unterworfen werden können (vgl. EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 30.05.2007 - E 3/06 -, Ladbrokes, Rdnr.58, 62). Die zentralen Punkte der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind dabei die Effektivität der Überwachung und die Durchsetzung einer wirklich restriktiven Glücksspielpolitik (EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr.51).
60 
Zwar steht es grundsätzlich im Beurteilungsermessen des Mitgliedsstaates, zu entscheiden, ob ein Monopol unter diesen Aspekten vorzugswürdiger ist als eine staatliche Aufsicht über private Anbieter. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist dabei allerdings in jedem Fall einzuhalten (EuGH, Urt. Läärä, Rdnr.39). Die eng auszulegende Ausnahme einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit muss der Mitgliedsstaat außerdem rechtfertigen, nämlich schlüssig, plausibel und überzeugend darlegen, dass die Beschränkung gerechtfertigt ist und auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Insoweit trägt er die Darlegungslast dafür, dass das Ziel nicht auch durch mildere Mittel erreicht werden kann (vgl. EuGH, Urt. v. 13.09.2007 - C-260/04-, Kommission./.Italien.Republik, Rdnr.33 m.w.N.; Urt. Placanica, Rdnr.48,49; Urt. Rosengren, Rdnr.50, 57; ähnlich der EFTA-Gerichtshof, der von einer „Beweislast“ des Mitgliedstaates spricht: vgl. Urt. Ladbrokes, Rdnr.42 und Urt. Gaming-Machines, Rdnr.31; zur Darlegungslast auch Haltern, Gemeinschaftsrechtliche Aspekte des Glücksspiels, 2007, S.28 ). Versäumt der Mitgliedstaat eine solche Darlegung, ist die Maßnahme unverhältnismäßig (EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr.50).
61 
Insoweit unterscheidet sich die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs von der des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 18.12.1968 - 1 BvL 5/64 u.a. -, BVerfGE 25, 1; Beschl. v. 14.10.1975 - 1 BvL 35/70 u.a. -, BVerfGE 40, 196; Beschl. v. 06.10.1987 - 1 BvR 1086/82 u.a. -, BVerfGE 77, 84; Beschl. v. 19.07.2000 - 1 BvR 539/96 - BVerfGE 102, 197 und Urt. v. 28.03.2006, a.a.O.), das die Last, die gesetzgeberischen Einschätzungen zu widerlegen und zu entkräften, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung dem Gericht auferlegt (zu diesem Unterschied Bungenberg, DVBl. 2005, 1405 [1410, 1411]; zum Unterschied zwischen EuGH und EFTA-Gerichtshof in diesem Punkt Winkelmüller, GewArch 2007, 235 [237]). Gültigkeit dürfte aber auch im europarechtlichen Kontext der Ansicht des BVerfG zukommen, dass der Gesetzgeber nicht vor Ergreifung des strengeren Mittels erst den ungewissen Ausgang der Anwendung eines milderen Mittels abwarten muss, zumal dann, wenn er in der Vergangenheit schon erfolglose Schritte in dieser Richtung unternommen hat (Beschl. v. 14.02.1967 - 1 BvL 17/63 -, BVerfGE 21, 150 [158]). Das gilt auch für die Aussage, dass der mit einer vorgeschlagenen Alternative verbundene hohe Kontrollaufwand beachtlich ist und dass nicht erwartet werden kann, dass über das vernünftigerweise von der Gesellschaft erwartbare Maß hinaus Mittel zur Aufstockung personeller und sachlicher Ressourcen der Kontrollbehörden eingesetzt werden, um eine in das Grundrecht stärker eingreifende Regelung zu vermeiden (Beschl. v. 06.10.1987, a.a.O.). Schließlich sind bei der Alternativenprüfung auch die dem Gesetzgeber bekannten Tatsachen und die bisher in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen mit Alternativen beachtlich (Beschl. v. 18.12.1968, a.a.O., S. 12, 19). Insbesondere kann es zur Unverhältnismäßigkeit eines staatlichen Monopols führen, wenn die bisherigen mit konzessionierten Privaten gemachten positiven Erfahrungen ignoriert werden (Beschl. v. 19.07.2000, a.a.O.). Schließlich muss sich der Gesetzgeber um eine flexible Gestaltung des Marktsystems und, „wo immer der Markt es erlaubt“, auch um die Eröffnung des Zugangs zum Markt bemühen (Beschl. v. 14.10.1975, a.a.O.).
62 
Nach diesen Maßstäben und Grundsätzen ist vom beklagten Land weder plausibel dargelegt noch sonst ersichtlich, dass das durch den Glücksspielstaatsvertrag begründete Sportwettenmonopol zur Erreichung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags erforderlich ist. Der Landesgesetzgeber (siehe Gesetzentwurf „III. Alternativen“ , LT-Drs. 14/1930, S. 31) beruft sich lediglich darauf, eine völlige Liberalisierung des Glücksspielmarktes anstelle eines staatlichen Monopolangebots sei völlig ungeeignet, weil es dann zu einer enormen Expansion des Marktes mit einer Verzehnfachung der gegenwärtigen Umsätze der Annahmestellen komme und damit gleichermaßen die Zahl der suchtkranken und suchtgefährdeten Glücksspieler sowie die Begleit- und Beschaffungskriminalität ansteige (so auch BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr. 113 und -im Rahmen der Folgenabwägung- ebenso VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.03.2008 - 6 S 3069/07-, juris). Dieser Einwand greift hingegen nicht gegenüber der ohne weiteres auch denkbaren Alternative der Erteilung eines begrenzten Kontingents von Konzessionen an private Wettanbieter (EuGH, Urt. Placanica, Rdnr.57, 58). Dagegen führt der Landesgesetzgeber unter Bezug auf die Sportwettenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Urt. v. 28.03.2006, a.a.O.) an, die Suchtgefahren könnten mit Hilfe eines auf die Bekämpfung von Glücksspielsucht und problematischem Spielverhalten ausgerichteten Monopols mit staatlich verantwortetem Angebot „effektiver beherrscht werden“ als im Wege einer Kontrolle privater Veranstalter (LT-Drs. 14/1930, S. 29). Diese Einschätzung beruht auf der Annahme, dass der Staat ein staatlich beherrschtes Monopolunternehmen grundsätzlich leichter überwachen und instruieren kann als er dies gegenüber einer Vielzahl privater Anbieter könnte (so ausdrücklich EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr. 51). Dies setzt aber voraus, dass die öffentliche Hand anders als bei der Beaufsichtigung Privater zur Durchsetzung einer an der Suchtprävention orientierten Vertriebsform nicht auf den Einsatz mitunter langwieriger hoheitlicher Aufsichts- und Ordnungsmittel angewiesen ist, sondern die Zielkonformität der Geschäftspolitik des ihr unterworfenen staatlichen Monopolbetriebs durch direkte Weisungen durchsetzen kann (vgl. Fremuth, EuZW 2007, 565 [568]) und dass es hier nur der Beaufsichtigung eines einzigen Wettanbieters, nämlich des staatlichen Monopolanbieters, statt der Beaufsichtigung einer Vielzahl von privaten Wettanbietern bedarf, die einen viel umfangreicheren Kontrollaufwand bedingt (vgl. Walz, EuZW 2004, 523 [525] ).
63 
An diesen beiden Grundvoraussetzungen für Annahme größerer Effektivität fehlt es jedoch im vorliegenden Fall des baden-württembergischen Sportwettenmonopols gerade. Die Toto-Lotto GmbH, die in Baden-Württemberg die Sportwetten als staatlicher Monopolbetrieb anbietet, steht zwar aufgrund der unmittelbaren Landesbeteiligung gem. § 1 Abs.5 AG-GlüStV unter dem direkten Einfluss des Landes auf die Zielkonformität der Unternehmenspolitik. Ihrerseits aber bietet sie die Sportwetten nicht über ein Netz eigener zahlenmäßig begrenzter Annahmestellen mit eigenen, unmittelbarer Weisung unterworfenen Angestellten an. Vielmehr besteht das Vertriebsnetz der Toto-Lotto GmbH aus einer Vielzahl von 3656 Annahmestellen, die von privaten Inhabern von Lebensmittel-, Zeitschriften- und Tabakläden sowie Tankstellen aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags mit der Toto-Lotto GmbH betrieben werden. Der Kontrollaufwand, den die Toto-Lotto GmbH selbst und vor allem die staatliche Glücksspielaufsicht bei der Beaufsichtigung dieser großen Zahl von Annahmestellen zu leisten hat, ist damit nicht ohne weiteres geringer als im Falle einer zahlenmäßig begrenzten Konzessionierung privater Sportwettenanbieter. Auch die Durchsetzungsmacht des staatlichen Sportwettenmonopols im Falle von Verstößen der Annahmestellen gegen die Vorschriften über die Spielsuchtprävention ist nicht größer als im letztgenannten Fall eines kontingentierten Konzessionssystems: Zwar erwecken die Teilnahmebedingungen den Eindruck, die Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg betreibe eigene Verkaufsstellen in eigener Regie (§ 1 Abs.2 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi und die Oddset-Top-Wette - GABl. 2007, S. 639: „Die Gesellschaft unterhält zur Durchführung ihres Auftrags in Baden-Württemberg Verkaufsstellen und Bezirksdirektionen“). Tatsächlich aber bedient sie sich nicht eigener Verkaufsstellen, sondern lediglich eines Netzes von Privaten, die ihr auf privatvertraglicher Basis Wetten vermitteln. Mangels direkter Weisungsbefugnis hat also auch die staatliche Toto-Lotto GmbH im Falle von Verstößen gegen Vorschriften über die Spielsuchtbegrenzung nur die Möglichkeit vertragsrechtlicher Konsequenzen, gegen die die privaten Inhaber der Annahmestellen ebenso Vertragsrechtsschutz vor den Zivilgerichten in Anspruch nehmen könnten, wie private Konzessionäre vor den Verwaltungsgerichten öffentlich-rechtliche Ordnungsverfügungen der Glücksspielaufsichtsbehörde anfechten könnten. Der EuGH hat insoweit aber klar entschieden (Urt. Rosengren, Rdnrn. 52 - 57), dass z.B. ein Alkohol-Monopol nur dann gerechtfertigt ist, wenn es den „Bediensteten des Monopols“ erlaubt, eine konsequente Alterskontrolle durchzuführen, dass es hingegen unverhältnismäßig ist, wenn der staatliche Monopolist sich gar nicht eigener Angestellter bedient, sondern die Verantwortung für die Alterskontrolle privaten Dritten überträgt, indem er sich damit einverstanden erklärt, dass zahlreiche Angestellte „außerhalb der Niederlassungen des Monopols“, beispielsweise in „Lebensmittelgeschäften und Tankstellen“ diese Kontrollen vornehmen. Die Verhältnismäßigkeit des Monopols sei nicht nachgewiesen, denn unwidersprochen sei geblieben, dass eine Alterskontrolle auch mittels einer Formblatterklärung gegenüber Privaten verbunden mit geeigneten strafrechtlichen Sanktionen als weniger einschneidende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit in Betracht komme.
64 
Das staatliche Monopolsystem lässt sich im vorliegenden Fall auch nicht mit dem Argument rechtfertigen, es sei weniger als die privaten Sportwettenanbieter auf die Einnahmen aus den Sportwetten angewiesen, habe also einen geringeren wirtschaftlichen Anreiz, gegen die zur Eindämmung der Spielsucht erlassenen Vorschriften zu verstoßen (so aber Fremuth, a.a.O., S. 568). Die gegenteilige Einschätzung ergibt sich vielmehr aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr. 154), das gerade gegenüber den staatlichen Monopolanbietern von Sportwetten die Einführung einer von staatlichen Finanzinteressen unabhängigen Kontrollinstanz gefordert hat (siehe § 9 Abs.6 GlüStV), nachdem aufgrund der bisherigen Erfahrungen die Gefahr besteht, dass sie eine allein an finanziellen Interessen, nicht aber an der Spielsuchtprävention orientierte Glücksspielpolitik betreiben (siehe zu dem nach wie vor fortbestehenden starken finanziellen Interesse an Beibehaltung des Sportwettenmonopols auch die entsprechenden Äußerungen von Landtagsabgeordneten - LT-Drs.14/1526, S.6).
65 
Das staatliche Monopolsystem kann zudem nicht für sich reklamieren, weniger an einer aggressiven Vermarktung von Sportwetten interessiert zu sein, als es im Alternativfall kontingentiert konzessionierte private Sportwettenanbieter wären. Zwar müssen die konkurrierenden Wettanbieter schon aus Profitinteresse werbend auf sich aufmerksam machen, wenn sie den Spielermarkt unter sich aufteilen und sich dazu voneinander unterscheiden wollen (vgl. zur Werbung als wesentlichem Wettbewerbselement EuGH, Urt. v. 19.09.2006 - C-356/04 -, Lidl), während ein Monopolbetrieb naturnotwendig dann keiner Werbung bedarf, wenn er tatsächlich der einzige Anbieter auf dem Markt ist. Die staatliche Toto-Lotto GmbH ist aber tatsächlich gar nicht der einzige Sportwettenanbieter und muss daher ebenfalls mit intensiver Werbung auf sich aufmerksam machen, wie ihre Strategie einer Werbung unter der Dachmarke „Lotto“ zeigt (dazu oben ). Denn den Spielern in Baden-Württemberg steht neben dem staatlichen Sportwettenangebot ein großer Sportwettenmarkt im Internet offen, der sich trotz seiner Illegalität schlichtweg nicht unterdrücken lässt und durch seine Konkurrenz in den letzten Jahren zu einem kontinuierlichen Umsatzrückgang bei den staatlichen Sportwetten geführt hat (siehe Geschäftsbericht der Toto-Lotto GmbH, a.a.O. 37).
66 
Schließlich ist auch die Annahme nicht plausibel, das staatliche Sportwettenmonopol sei geeigneter als ein System kontingentierter Konzessionierung privater Sportwettenanbieter, die befürchteten Gefahren einer mit dem Sportwettengeschäft verbundenen Kriminalität (Betrug, Sportwettenbetrug, Geldwäsche, Einstieg des organisierten Verbrechens) oder des Gewinnausfalls zu Lasten eines Spielers durch Insolvenz des Anbieters (siehe zu alledem BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnrn. 103 - 106) einzudämmen oder gar völlig zu vermeiden. Die seit langem mit legal im Glücksspielbereich tätigen privaten Anbietern gemachten Erfahrungen dürfen dabei nämlich nicht ignoriert werden. Pferdewetten werden seit 1922 von privaten Wettanbietern veranstaltet und angeboten, in den neuen Bundesländer sind seit Jahren vier private Sportwettenanbieter auf der Grundlage von alten DDR-Erlaubnissen tätig, der Spielbankenbetrieb in Baden-Württemberg wird seit Jahrzehnten von privaten Betreibern durchgeführt und der Glücksspielmarkt im Bereich der Spielautomaten wird sogar ohne Kontingentierung ausschließlich von Privaten betrieben (siehe LT-Drs.14/393, S.5). Gleichwohl liegen ganz offenbar keine negativen Erfahrungen mit ihnen im Hinblick auf die befürchteten Kriminalitäts- und Liquiditätsgefahren vor. Das Finanzministerium (a.a.O. S.5, 6) stützt entsprechende Befürchtungen weder auf Statistiken noch auf Untersuchungen, sondern beruft sich nur auf die insoweit ebenso wenig fundierten Annahmen des BVerfG. Dem Regierungspräsidium Karlsruhe als der zuständigen Glücksspielaufsichtsbehörde sind diesbezüglich auch keine entsprechenden Missstände (Betrugsstraftaten, Insolvenzen, sonstige gewerberechtliche Unzuverlässigkeiten) etwa aus der früheren Tätigkeit der ca. 500 privaten Sportwettenvermittler (vgl. LT-Drs. 14/495, 10) bekannt geworden, deren Tätigkeit sie untersagt hat (zur Unverhältnismäßigkeit eines Spielbankenmonopols wegen der Nichtberücksichtigung der zuvor jahrelang mit privaten Spielbankenbetreibern gemachten positiven Erfahrungen: BVerfG, Beschl. v. 19.07.2000, a.a.O.; zur Unverhältnismäßigkeit eines Monopols mangels Darlegung, dass ein Konzessionierungssystem mit privaten Anbietern unter strengen Zulassungsvoraussetzungen zur Vermeidung von Untreue, Unterschlagung und Geldwäsche nicht gleichermaßen effektiv sei: EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr. 50).
67 
Ohnedies sind die genannten Gefahren im Bereich der Sportwetten nicht besonders ausgeprägt bzw. durch geringer einschneidende Maßnahmen als durch ein staatliches Monopol zu reduzieren. Das Bundesverfassungsgericht selbst hat dazu in seiner Grundsatzentscheidung ausgeführt, die typischen Betrugsgefahren durch manipulierte Spielgeräte und Spielmittel oder durch Einflussnahme auf den Spielverlauf bestünden bei Sportwetten in geringerem Maße als bei anderen Glücksspielen, da auf ein von dritter Seite veranstaltetes Sportereignis gewettet werde, das der Wettnehmer selbst nicht beeinflussen könne. Auch die Übervorteilung der Spieler durch Täuschung über die Gewinnchancen sei bei Sportwetten mit festen Gewinnquoten geringer, da Risiko und Gewinnchancen aufgrund der fest vereinbarten Gewinnquoten transparenter seien als bei anderen Glücksspielen. Stärker als bei Spielformen, bei denen der Veranstalter nur das von den Spielern eingesammelte Geld nach Einbehalt eines gewissen Anteils auskehre, könne der Spieler hingegen durch die Zahlungsunfähigkeit des Veranstalters gefährdet werden. Wie bei „anderen gewerblichen Betätigungen“, bei denen dem Unternehmer fremde Gelder anvertraut seien, sei bei Sportwetten mit festen Gewinnquoten daher die finanzielle Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit des Veranstalters im Interesse der Wettteilnehmer zu sichern (Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr.103, 104). Was die vom Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang auch angeführte spezifische Gefahr des Sportwettenbetrugs durch Einflussnahme der Wettteilnehmer auf den Verlauf des Sportereignisses selbst angeht, ist nicht ersichtlich, dass eine solche Einflussnahmemöglichkeit im Fall der Wettveranstaltung durch Private größer wäre als im Fall eines staatlich monopolisierten Sportwettenangebots. Auch die Gefahr der Begleitkriminalität in Form einer Beschaffungskriminalität von Spielsüchtigen würde nur dann ein Argument für die Notwendigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols darstellen, wenn dieses im Hinblick auf die Suchtprävention effektiver wäre als eine kontingentierte Zulassung privater Anbieter unter strengen Verhaltensvorschriften. Das aber ist aber nach dem oben Gesagten gerade nicht der Fall, weil es an einer solchen konsequenten Spielsuchtprävention fehlt.
68 
In der Literatur wird zudem zu Recht darauf verwiesen, dass ein rechtskonformes Verhalten gewerblicher Spielvermittler, die bislang in der Vergangenheit keinen Vorwürfen hinsichtlich aggressiver Spielerwerbung ausgesetzt waren, sich auch durch das mildere Mittel einer Zuverlässigkeitsprüfung im staatlichen Zulassungs- und Überwachungsverfahren wie in anderen Bereichen des Gewerberechts auch hinreichend sicherstellen lässt (Wissenschaftlicher Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landtags, Gutachten vom 11.10.2007, S. 30, a.a.O.). Auch der Europäische Gerichtshof hat es in der Placanica-Entscheidung (a.a.O., Rdnr. 62 ff.) für ein wesentlich milderes Mittel gehalten, die Kontrolle der ausländischen Wettanbieter zwecks Schutz des Glücksspielmarktes vor kriminellen und betrügerischen Tätigkeiten durch Einholung von Informationen über deren Vertreter oder Hauptanteilseigner auszuüben, anstatt sie zur Erreichung dieses Ziels vollständig vom Glücksspielmarkt auszuschließen.
69 
Gegen eine Konzessionierung Privater lässt sich auch nicht einwenden, die Annahmestellen des staatlichen Sportwettenmonopols seien wegen ihrer Ausgestaltung als bloßer Nebenbetrieb von Tankstellen, Lebensmittel-, Zeitschriften oder Tabakwarenläden deutlich weniger attraktiv für Spieler als reine private Sportwettenagenturen, die durch entsprechende räumliche Gestaltung und Aufmachung (Sitzgelegenheiten, Getränke- und Fernsehangebot) die Wettteilnehmer stärker zum Verweilen und Wetten animierten und damit den Spielerschutz und die Suchtprävention beeinträchtigten. Denn im Rahmen einer Konzessionserteilung könnte auch privaten Sportwettenanbietern eine insoweit vergleichbar nüchterne Gestaltung vorgegeben werden. Gleiches gilt für den Einwand, die Gewinnquoten der staatlich veranstalteten Oddsetwette seien erheblich geringer und damit weniger suchtgefährlich als die Gewinnquoten der privaten Sportwettenanbieter. Denn im Rahmen einer staatlichen Konzessionierung ließen sich den privaten Anbietern gegenüber ohne weiteres auch Vorgaben zur Beschränkung der Höhe der Gewinnquoten machen.
70 
Was die im Lindmann-Urteil des EuGH (Urt.v. 13.11.2003 - C-42/02-, Rdnr.25,26) geforderte begleitende Untersuchung der Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit angeht, hat das Land lediglich auf die vom Bundesverfassungsgericht erwähnte Studie zum Suchtpotenzial von Sportwetten verwiesen (LT-Drs.14/393, S. 8, 9), hält aber im Übrigen seinerseits „längerfristig alternative Modelle wie beispielsweise eine beschränkte Konzessionierung“ nicht für ausgeschlossen (vgl. Stellungnahme des Finanzministeriums vom 30.10.2006 -LT-Drs.14/393, S.3; siehe auch Finanzminister Stratthaus - LT-Drs.14/495, S.11: „Über die Idee private Anbieter zuzulassen und eine Steuer zu erheben, kann durchaus nachgedacht werden“). Außerdem hat das Land zusammen mit Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein in einer Protokollerklärung zum Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 22.06.2006 zum Staatsmonopol im Glücksspielbereich erklärt, es halte es „unter Einbeziehung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben und praktischer Marktentwicklungen mittel- und langfristig für zielführender, eine begrenzte Konzessionierung in diesem Bereich vorzubereiten“ (siehe dazu LT-Drs.14/393, S. 554). Soweit aber für die Einführung eines solchen alternativen Konzessionierungsmodells erst die „zukünftige Entwicklung des Glücksspielmarktes“ und die Frage entscheidend sein soll, „ob sich das Monopol dabei als geeignetes Mittel zur Erreichung der ordnungspolitischen Ziele erweist“, und soweit dazu für einen Zeitpunkt drei Jahre nach Inkrafttreten des Staatsvertrages eine Evaluierung zur Effizienz und einem etwaigen Anpassungsbedarf ankündigt wird (vgl. Finanzministerium v. 30.10.2006 - LT-Drs.14/393, S.3), trägt dieses Argument nicht. Denn es ist nicht dargelegt, dass diese Vorgehensweise angesichts der bisherigen positiven Erfahrungen mit privaten Glücksspielanbietern einen Erkenntnisgewinn bringen würde. Nach allem kann also keine Rede davon sein, das Monopol sei zur Zielerreichung geeigneter als die kontingentierte Zulassung privater Sportwettenanbieter.
71 
4. In seiner rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung verstößt das staatliche Glücksspielmonopol für Sportwetten schließlich auch gegen EG-Wettbewerbsrecht in Gestalt des Art. 86 EG i.V.m. Art. 82 EG (ebenso im Ergebnis: Winkelmüller/Kessler, EuZW 2007, 404; König, EuZW 2007, 33, sowie Bungenberg, DVBl. 2007, 1405, 1411; a. A.: Fremuth, EuZW 2007, 565).
72 
Art. 86 Abs. 1 EG bestimmt, dass die Mitgliedstaaten in Bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine dem EG-Vertrag und insbesondere dessen Artikeln 12 und 81 bis 89 EG widersprechende Maßnahmen treffen oder beibehalten werden. Das Sportwettenmonopol ist untrennbar mit der Gewährung eines ausschließlichen Rechts an ein - zudem: öffentliches - Unternehmen, die Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg, verbunden. Dieser Gesellschaft allein wird ein wirtschaftlicher Tätigkeitsbereich unter Ausschluss von Wettbewerbern vorbehalten (vgl. zum Charakter ausschließlicher Rechte: EuGH, Urt. v. 30.04.1974 - Rs. 155/73 -, Sacchi; Urt. v. 18.06.1991 - C-260/89 -, ERT; Urt. v. 10.12.1991 - C-179/90 -, Hafen von Genua). Auch wenn die Gründe für das Monopol nichtwirtschaftlicher Art sind (§ 1 GlüStV), stellen das als (ordnungsrechtliche) öffentliche Aufgabe (§ 10 Abs. 1 und 2 GlüStV) zu qualifizierende Anbieten und die Veranstaltung von Glücksspielen eine wirtschaftliche Tätigkeit dar (anders hingegen, wenn eine staatliche Stelle hoheitliche Befugnisse ausübt: EuGH, Urt. v. 14.12.1995 - C-387/93 -, Banchero, Rnr. 49). Alle Glücksspiele sind als wirtschaftliche Tätigkeiten im Sinne von Artikel 2 EG zu qualifizieren, denn sie erfüllen die beiden Kriterien der Erbringung einer bestimmten Dienstleistung gegen Entgelt und der Erwartung eines Gewinns in Geld (EuGH, Urt. v. 11.09.2003 - C-6/01 -, ANOMAR, Rnr. 47; Urt. v. 25.10.2001 - C-475/99 -, Ambulanz Glöckner, Rnr. 19). Dass die Veranstaltung von Sportwetten bislang schon vom Staat beherrschten Gesellschaften übertragen war (vgl. bereits den Staatsvertrag zum Lotteriewesen aus 2004) und weiterhin ist, spricht nicht gegen die wirtschaftliche Natur dieser Tätigkeit, weil sie (gemeinschaftsweit betrachtet) nicht stets in der Hand des Staates ist und ferner nicht notwendig von solchen Einrichtungen betrieben werden muss (vgl. zum Arbeitsvermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit: EuGH, Urt. v. 23.04.1991 - C-41/90 -, Höfner und Elser, Rnr. 22).
73 
Das mit dem GlüStV bzw. den diesen umsetzenden gesetzlichen Regelungen bewirkte Dienstleistungsmonopol der Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg bei der Durchführung ausschließlich vom Land veranstalteter Sportwetten stellt die Einräumung einer marktbeherrschenden Stellung i.S.v. Art. 82 EG dar. Ein Unternehmen, das ein gesetzliches Monopol besitzt, kann als Inhaber einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 82 EG angesehen werden. Ferner kann bereits das Teilgebiet zumindest eines der größeren EU-Mitgliedsstaaten einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes darstellen (Brinker, in: Schwarze, EU-Kommentar, 1. Aufl. 2000, Art. 82 Rnr. 10) Das Land Baden-Württemberg ist angesichts seiner Einwohnerzahl (über 10,7 Mio.) und des betroffenen Wirtschaftszweigs (zur Lukrativität des Glücksspielmarkts vgl. Diegmann/Hoffmann, NJW 2004, 2642) als gemeinschaftsrelevanter Markt anzusehen (so im Ergebnis auch Fremuth, a.a.O., S. 565). Der EuGH hat in der Sache Ambulanz Glöckner (a.a.O., Rdnr. 38) für das im Bundeslandvergleich kleinere Rheinland-Pfalz angesichts der „großen Fläche“ dieses Landes von fast 20.000 qkm und seiner hohen Einwohnerzahl von etwa vier Millionen, die über der einiger Mitgliedstaaten liegt, die Annahme geäußert, dass eine beherrschende Stellung (dort des DRK-Rettungsdienstes) einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes betrifft.
74 
Das Sportwettenmonopol ist ferner als missbräuchliche Ausnutzung dieser Marktstellung zu qualifizieren. Unter Berücksichtigung einer weiten, am Verbraucherinteresse, an der Marktöffnung sowie an der Sicherung unverfälschten Wettbewerbs orientierten Auslegung des Missbrauchsbegriffs (vgl. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2007, Art. 82 EG, Rdnrn. 126 bzw. 116; Brinker, a.a.O., Rdnr. 15; ferner EuGH, Urt. v. 15.03.2007 - C95/04 P -, Britisch Airways, Rdnr. 57) unterfallen die Monopolbestimmungen der Bestimmung des Art. 82 Abs. 2 lit. b EG. Danach kann ein Missbrauch insbesondere in einer Beschränkung der Leistung („Einschränkung des Absatzes“) zum Schaden derjenigen bestehen, die die betreffende Dienstleistung in Anspruch nehmen wollen (in diesem Sinne: Fremuth, a.a.O. S. 566 ff.; König, a.a.O., S. 33 sowie Bungenberg, a.a.O., S. 1411/1412). Insbesondere auf einem ausgedehnten und differenzierten Markt, der überdies aufgrund wirtschaftlicher und sozialer Entwicklungen Veränderungen unterliegt, kann es dazu kommen, dass ein Monopolist einen bedeutenden Teil der Gesamtnachfrage nach Dienstleistungen nicht mehr befriedigen kann (EuGH, Urt. v. 11.12.1997 - C-55/96 -, Job Centre, Rdnrn. 32 bis 34). Die nach Art. 82 Abs. 1 EG ferner erforderliche mögliche Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten liegt insbesondere vor, wenn - wie hier - nationale Märkte dem Ziel eines einheitlichen Markts zuwider gegenüber Dienstleistungserbringern aus anderen Mitgliedstaaten abgeschottet werden (EuGH, Urt. Ambulanz Glöckner, Rdnr. 47).
75 
Dieser wettbewerbsrechtliche Verstoß gegen Art. 82 EG ist schließlich nicht durch Art. 86 Abs. 2 EG gerechtfertigt. Danach gelten für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, die Vorschriften des EG-Vertrags, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. Im Zusammenhang mit den das Sportwettenmonopol begründenden und ausgestaltenden Regelungen des GlüStV sowie des AG-GlüStV findet eine Betrauung der Toto-Lotto GmbH mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse statt. Der Begriff „wirtschaftlich“ begrenzt den Kreis der Tätigkeiten, auf die Art. 86 Abs. 2 EG Anwendung finden kann, nicht aber den Kreis der Interessen, die Mitgliedstaaten mit diesen Tätigkeiten verfolgen können; diese können wirtschaftlicher oder nichtwirtschaftlicher Natur sein (EuGH, Urt. v. 23.10.1997 - C-157/94 -, Energiemonopole Niederlande, Rdnr. 40; Mestmäcker/Schweitzer, a.a.O., Art. 86 Abs. 2 Rdnrn. 66/67 m.w.N.). Das über §§ 1 bis 8 GlüStV i.V.m. § 10 Abs. 1 GlüStV bzw. § 1 Abs. 5 und § 2 AG-GlüStV monopolisierte Angebot von Sportwetten geht untrennbar mit einem allgemeinen Interesse einher, nämlich der Sicherstellung eines ausreichenden, aber zugleich begrenzten Glücksspielangebots. Glücksspiel-spezifisch hat der EuGH zuletzt noch einmal in der Sache Placanica (Rdnr. 46 - 48) ausgeführt, dass Ziele des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung und der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen sowie der Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen zwingende Gründe des Allgemeininteresses darstellen. Diese für eine Beschränkung der Grundfreiheiten legitimierten Ziele haben auch im Rahmen des Art. 86 Abs. 2 EG zu gelten.
76 
Die Beschränkung des Wettbewerbs mittels eines andere Sportwettenanbieter ausschließenden Monopols ist jedoch nicht geeignet bzw. nicht erforderlich zur Erfüllung der übertragenen besonderen Aufgabe. Das Erfordernis der rechtlichen oder tatsächlichen Verhinderung in Art. 86 Abs. 2 EG ist ebenfalls Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. EuGH Urt. Ambulanz Glöckner, Rdnrn. 56 und 57; Urt. v. 23.05.2000 - C-209/98 -, Sydhavnens - Rdnr. 74; Urt. v. 23.10.1997 C-159/94 -, Energiemonopole Frankreich, Rdnr. 49). Damit führt aber die oben unter 2. getroffene Feststellung einer unzulässigen Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit auch hier zum Ergebnis einer Nichtrechtfertigung des Wettbewerbsverstoßes. Wo die Gelegenheiten zum Spiel nicht wirklich vermindert und die Wetttätigkeiten nicht kohärent und systematisch begrenzt werden, kann ein Monopol keine wettbewerbsrechtliche Rechtfertigung finden (vgl. die entsprechenden Erwägungen des EuGH betreffend das staatliche Handelsmonopol für Alkohol in der Sache Rosengren). Auch in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht gilt schließlich, dass das beklagte Land nicht dargelegt hat, dass ein Dienstleistungsmonopol gegenüber der vollständigen oder zumindest teilweisen Zulassung Privater erforderlich ist. Da es sich bei Art. 86 Abs. 2 EG um eine Ausnahme von den Grundvorschriften des EG-Vertrags handelt, obliegt dem Mitgliedstaat, der sich auf diese Bestimmung beruft, der Nachweis, dass ihr Tatbestand erfüllt ist. Der Mitgliedsstaat muss folglich in einer das Gericht überzeugenden Weise darlegen, dass dieses Ziel nicht ebenso mit anderen Mitteln erreicht werden kann (EuGH, Urt. v. 25.06.1998 - C-203/96 -, Dusseldorp, Rdnr. 67; Mestmäcker/Schweitzer, a.a.O., Art. 86 Abs. 2 Rdnrn. 84 und 93). Dieser Obliegenheit ist das beklagte Land nach dem bereits oben unter 3. Dargelegten nicht gerecht geworden.
III.
77 
Die neben der Untersagung in Nrn. 1, 2, 4 und 6 getroffenen Entscheidungen über die Entfernung der Geräte, die unverzügliche Einstellung der Tätigkeiten und ihre schriftliche Mitteilung sowie schließlich die Zwangsgeldandrohung und die Gebührenfestsetzung sind, weil der ihnen vorangehende Grundverwaltungsakt der Aufhebung unterliegt, ebenfalls rechtswidrig und aufzuheben. Darauf, ob sie an eigenständigen Mängeln leiden, kommt es nicht mehr an.
IV.
78 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Kammer hat keinen Anlass, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Da diese Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, ist die Berufung zuzulassen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Tenor

Der Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 09.01.2007 wird aufgehoben.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein Staatsangehöriger Bosnien-Herzegowinas, wendet sich gegen eine Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe, mit der ihm untersagt wurde, in Baden-Württemberg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen.
Das beklagte Land veranstaltet in Baden-Württemberg neben mehreren Lotterien u. a. die staatlichen Sportwetten „Oddset-Kombi-Wette“ und „Oddset-Top-Wette“. Mit der Durchführung der Lotterien und Sportwetten hat es die Staatliche Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg (STLG) beauftragt. Diese Gesellschaft vertreibt ihr staatliches Glücksspielangebot in Baden-Württemberg über zahlreiche Toto-Lotto-Annahmestellen, die in Zeitschriften-, Schreibwaren- und Tabakhandlungen, Supermärkten und Tankstellen eingerichtet sind. Nach Auskunft des beklagten Landes gibt es in Baden-Württemberg derzeit 3612 solcher Annahmestellen. Die einzelnen Betreiber der Annahmestellen erhalten auf der Grundlage privatrechtlicher Verträge mit der Toto-Lotto GmbH eine Provision, die von der Höhe des auf den Glücksspielsektor entfallenden Umsatzes abhängt.
Der Kläger betreibt in seinem Geschäftsraum eine Annahmestelle für Sportwetten mit festen Gewinnquoten (sogenannte Oddset-Wetten). Er vermittelt diese Wetten gegen eine Provision aufgrund eines Vermittlungsvertrages an ein staatlich konzessioniertes Sportwettunternehmen mit Sitz in Österreich, das europaweit Sportwetten anbietet.
Bezug nehmend auf das Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 28.03.2006 teilte ihm das Regierungspräsidium Karlsruhe mit, es beabsichtige, ihm die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten in Baden-Württemberg zu untersagen, und gab ihm Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen. Das Bundesverfassungsgericht habe ausdrücklich festgestellt, dass das gewerbliche Veranstalten von Wetten durch private Wettunternehmen und die Vermittlung von Wetten weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden dürften.
Mit Verfügung vom 09.01.2007 untersagte das Regierungspräsidium Karlsruhe dem Kläger, in Baden-Württemberg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen. Die zur Veranstaltung oder zur Vermittlung solcher Glücksspiele vorgehaltenen Geräte seien aus den öffentlich zugänglichen Räumen zu entfernen (Nr. 1). Die untersagten Tätigkeiten seien unverzüglich einzustellen; die Einstellung sei der Behörde schriftlich mitzuteilen (Nr. 2). Die sofortige Vollziehung der Verfügungen in Nrn. 1 und 2 werde angeordnet (Nr. 3). Für den Fall, dass der Kläger seinen Verpflichtungen aus Nr. 1 und 2 der Verfügung nicht binnen zwei Wochen nach Zustellung nachkomme, werde ihm ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,-- EUR angedroht (Nr. 4). Zur Begründung der Verfügung, die auf § 12 Abs. 1 des Lotteriestaatsvertrages vom 18.06.2004 i.V.m. § 3 Abs. 1 des Ausführungsgesetzes zum Lotteriestaatsvertrag vom 28.07.2005 gestützt wurde, ist ausgeführt: Die Sportwetten mit festen Gewinnquoten, die der Kläger vermittle, seien ein Glücksspiel im Sinne des Lotteriestaatsvertrages. Die Vermittlung erfolge öffentlich und ohne die erforderliche Erlaubnis i.S.v. § 284 Abs. 1 StGB. Eine solche Erlaubnis könne dem Kläger nach der Rechtslage in Baden-Württemberg auch nicht erteilt werden. Er könne sich auch nicht darauf berufen, dass der Sportwettenveranstalter, für den er vermittle, in einem EU-Mitgliedsstaat konzessioniert sei.
Am 08.02.2007 hat der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Freiburg erhoben.
Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger im wesentlichen vor, das Sportwettenmonopol sei verfassungs- und europarechtswidrig.
Der Kläger beantragt,
die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 09.01.2007 aufzuheben.
10 
Das beklagte Land beantragt,
11 
die Klage abzuweisen.
12 
Es hält das Sportwettenmonopol des Landes für verfassungs- und europarechtsgemäß.
13 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten des Regierungspräsidiums sowie auf die Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die Anfechtungsklage ist ohne Durchführung eines Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 VwGO, § 6 a Satz 1 AGVwGO) zulässig und begründet. Die angegriffene Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15 
Die Kammer hat in den Urteilen vom 16.04.2008 (u.a. 1 K 2683/07, juris = www.vgfreiburg.de > Entscheidungen = www.glücksspielstaatsvertrag.de >Urteile) entschieden, dass das staatliche Sportwettenmonopol in Baden-Württemberg derzeit eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG) darstellt und europarechtswidrig ist. An dieser Auffassung hält die Kammer auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 09.07.2008 fest. Zu den dagegen erhobenen Einwendungen des beklagten Landes ist im Einzelnen zu sagen:
I.
16 
Die Kammer geht in den o. g. Urteilen davon aus, die Europarechtswidrigkeit der Bestimmungen des Glückspielstaatsvertrages, die das staatliche Sportwettenmonopol begründen (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV), erfasse auch die Eingriffsgrundlage des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV sowie die Bestimmungen über die Erlaubnispflicht und das Verbot des Veranstaltens und des Vermittelns unerlaubten Glücksspiels in § 4 Abs. 1 GlüStV.
17 
Das beklagte Land wendet dagegen ein, die vom Verwaltungsgericht angenommene Europarechtswidrigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols lasse die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 4 Abs. 1 GlüStV über die Erlaubnispflicht für öffentliche Glücksspiele unberührt. Da eine solche Erlaubnis nicht vorliege, sei die angefochtene Untersagungsverfügung auch bei unterstellter Europarechtswidrigkeit des Sportwettenmonopols rechtmäßig.
18 
Dem folgt die Kammer nicht.
19 
Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 06.03.2007 (C - 338/04 -Placanica-) ausgeführt, ein polizeiliches Genehmigungsverfahren, mit dem die im Glücksspielsektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer einer vorherigen Kontrolle unterzogen würden, sei zwar eine ohne weiteres verhältnismäßige Maßnahme. Setze die Erteilung einer solchen polizeilichen Genehmigung aber den Besitz einer Konzession voraus, von deren Erhalt die betroffenen Personen unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht ausgeschlossen worden seien, hafteten auch dem polizeilichen Genehmigungsverfahren die europarechtlichen Mängel an, die die Konzessionsvergabe berührten (vgl. RdNr. 65 bis 67 des Urteils).
20 
Das gilt gleichermaßen für die Bestimmung über die Erlaubnispflicht für öffentliche Glücksspiele in § 4 Abs. 1 GlüStV. Die danach erforderliche Erlaubnis kann privaten Sportwettenvermittlern oder Sportwettenveranstaltern nicht erteilt werden, weil aufgrund des staatlichen Monopols diese Tätigkeiten nur juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder privatrechtlichen Gesellschaften erlaubt werden (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV), an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind. Ein auf präventive Kontrolle gerichtetes Erlaubnisverfahren existiert für private Sportwettenveranstalter nicht. Das Fehlen einer Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 GlüStV, die sich Private wegen des europarechtswidrigen staatlichen Sportwettenmonopols nicht hätten beschaffen können, scheidet deshalb als zulässiger Grund einer Untersagung aus.
21 
Entgegen der Auffassung des beklagten Landes folgt aus dem Urteil des EFTA-Gerichtshofs vom 30.05.2007 (RS. 3/06 - Ladbrokes -) nichts anderes. Die Ausführungen des Gerichtshofs unter RdNr. 88, auf die das beklagte Land in diesem Zusammenhang hinweist, betreffen die Antwort auf die fünfte Vorlagefrage (vgl. RdNr. 82 ff.). Mit der fünften Vorlagefrage wollte das vorlegende norwegische Gericht wissen, ob durch Art. 36 EWR eine nationale gesetzliche Regelung präkludiert wird, die das Anbieten und Vermarkten von Glücksspielen untersagt, für die in Norwegen keine Konzession erteilt wurde, die aber nach dem nationalen Recht eines anderen EWR-Staates gestattet sind. Hierzu führt der EFTA-Gerichtshof unter RdNr. 84 aus, sofern und soweit das nationale Gericht zu der Auffassung gelangen sollte, dass die in den drei Gesetzen enthaltenen Verbote für gewerbsmäßige Anbieter irgendeiner Form von Glücksspielen eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 36 EWR) seien, könnten die nationalen Behörden den ausländischen Anbietern immer noch die Pflicht zur Beantragung einer nationalen Konzession mit denselben auch für einheimische Anbieter geltenden Voraussetzungen und Anforderungen auferlegen.
22 
Das hat auch die Kammer in ihren o. g. Urteilen nicht in Frage gestellt. Zur Beantwortung der Frage, ob die Europarechtswidrigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols auch die Erlaubnispflicht des § 4 Abs. 1 GlüStV erfasst, geben diese Ausführungen jedoch nichts her. Denn ein Erlaubnis- oder Konzessionsverfahren für private Veranstalter sieht der Glücksspielstaatsvertrag - wie oben ausgeführt wurde - gerade nicht vor. Vielmehr kann ein privater Anbieter selbst bei Erfüllung sämtlicher materieller Voraussetzungen des Glücksspielstaatsvertrages die erforderliche Erlaubnis nicht erhalten.
23 
Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 22.11.2007 (1 BvR 2218/06) entschieden, dass eine ordnungsrechtliche Untersagungsverfügung, die - wie im vorliegenden Fall - nicht mit anderen Gefahren für ordnungsrechtliche Schutzgüter, sondern allein mit einem objektiven Verstoß gegen das staatliche Sportwettenmonopol begründet ist, sich wegen der verfassungswidrigen Rechtslage jedenfalls in der Zeit bis zum 28.03.2006 nicht als rechtmäßig erweisen kann. Zwar betrifft diese Entscheidung die Unvereinbarkeit des Monopols mit Art. 12 Abs. 1 GG. Hinsichtlich der Unvereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht kann aber nichts anderes gelten.
II.
24 
Die Kammer ist weiterhin der Auffassung, dass das Sportwettenmonopol des Landes in seiner derzeitigen Ausgestaltung nach wie vor eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs (Art. 49 EG) darstellt (vgl. Urteile vom 16.04.2008, dort unter II. 2 a) - d)). Folgendes ist nochmals zu betonen:
25 
Europarechtlich steht es im Ermessen jedes Mitgliedsstaats, welches Schutzniveau er im Bereich von Glücksspielen gewährleisten will (EuGH, Urt. Schindler, Rdnr. 60, 61; Urt. Zenatti, Rdnr. 33, 34). Er kann sich etwa für ein Präventionsmodell entscheiden, das auf eine wesentliche Verminderung der Gelegenheit zum Spiel ausgerichtet ist, oder auch für ein Kanalisierungsmodell, das darauf abzielt, durch ein auf Einnahmeerzielung und Expansion angelegtes Angebot einer begrenzten Zahl konzessionierter Privater die Glücksspieltätigkeiten aus dem Bereich des Illegalen und Kriminellen in geordnete und staatlich überwachte Bahnen zu lenken (EuGH, Urt. Placanica, Rdnr. 54, 55).
26 
Dies bedeutet aber nicht, dass der deutsche Gesetzgeber nach nationalem Recht die Gestaltungsfreiheit hätte, sich für ein Kanalisierungsmodell in Form eines staatlichen Monopols zu entscheiden. Ein solches auf Einnahmeerzielung und Expansion angelegtes, europarechtlich zulässiges Monopol wäre verfassungswidrig (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01 , Rdnr. 107, 141). Denn ein staatliches Monopol für Sportwetten ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft ausgerichtet ist (BVerfG, a.a.O., Rdnrn. 98, 119, 120). Daher kann die Aufgabe der Länder nach § 10 GlüstV, ein ausreichendes Glücksspielangebot mit dem Ziel der Kanalisierung des Spieltriebs der Bevölkerung (§ 1 Nr. 2, 2. Alt. GlüStV) sicherzustellen, nicht etwa als ein Auftrag verstanden werden, der gleichrangig neben dem Auftrag zur Suchtbekämpfung (§ 1 Nr. 1 GlüStV) steht. Vielmehr hat von Verfassungs wegen die Suchtbekämpfung im Vordergrund zu stehen; nur diese rechtfertigt ein Monopol. Die Sicherstellung eines ausreichenden Glücksspielangebots und die Kanalisierung des Spieltriebs sind verfassungsrechtlich nur zulässig, soweit sie als Mittel zum Zweck der Suchtbekämpfung dienen. Dementsprechend ist der Glücksspielstaatsvertrag verfassungskonform auszulegen.
27 
Europarechtlich ist zu untersuchen, ob der Glücksspielstaatsvertrag als Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit geeignet ist, die Verwirklichung des - verfassungsrechtlich gebotenen - Ziels der Suchtbekämpfung zu gewährleisten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 32; Urt. Gambelli, Rdnr. 65). Dies bedeutet, dass er kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen muss (EuGH, Urt. Gambelli, Rdnr. 67; Urt. Placanica, Rdnr. 53; siehe auch EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 14.03.2007, E-1/06 – Gaming Machines, Rdnr. 53).
28 
Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Sportwetten-Urteil vom 28.3.2006 ein Staatsmonopol nur dann für zulässig erachtet, wenn es konsequent am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Spielsucht ausgerichtet und mit materiellrechtlichen Regelungen und strukturellen Sicherungen versehen ist (a.a.O., Rdnr. 120). Insoweit laufen die europarechtlichen und die verfassungsrechtlichen Vorgaben also parallel (BVerfG, a.a.O., Rdnr. 144). Daher können die Anforderungen, die sich aus dem Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergeben, auch zur Beantwortung der Frage der europarechtlichen Kohärenz und Konsistenz herangezogen werden.
29 
Allerdings ist europarechtlich, anders als verfassungsrechtlich, nicht nur die rechtliche Ausgestaltung der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit maßgeblich, sondern es kommt auch auf ihre tatsächlichen Anwendungsmodalitäten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 37, Urt. Gambelli, Rdnr. 75, 76) und ihre Handhabung in der Praxis an (EuGH, Urt. Rosengren, Rdnr. 46). Jedoch sind die vom Europäischen Gerichtshof geforderte „Kohärenz“ und „Systematik“ hinsichtlich der Begrenzung der Wetttätigkeiten ohne normative Vorgaben zur Ausgestaltung eines staatlichen Monopolbetriebs kaum denkbar, so dass zunächst das rechtliche Regelungssystem in den Blick zu nehmen ist. Seine tatsächliche Umsetzung darf aber nicht aus den Augen verloren werden.
III.
30 
Die Kammer hält auch bei Berücksichtigung der aktuellen Situation an der Auffassung fest, dass es an einer rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung des Monopols fehlt, die als konsequenter und aktiver bzw. systematischer und kohärenter Beitrag zur Vermeidung und Abwehr von Spiel- und Wettsucht angesehen werden kann (vgl. Urteile vom 16.4.2008, dort unter II.2.e.). Bereits in der Gestaltung des terrestrischen Vertriebssystems liegt ein wesentlicher Strukturmangel (dazu unter 1.), der auch durch Folge- und Begleitmaßnahmen nicht kompensiert wird (dazu unter 2.). Schließlich fehlt es daneben an einem effektiven Kontrollsystem (dazu unter 3.).
31 
1. Schon mit der Wahl und Einrichtung der Vertriebswege hat das Land Baden-Württemberg einen Weg beschritten, der angesichts der Anzahl der Wettannahmestellen (dazu a.), ferner der unterlassenen begleitenden Bekämpfung des illegalen Wettmarktes (dazu b.) sowie schließlich mit Blick auf die inhaltliche Ausgestaltung des Annahmestellenwesens (dazu c.) und seine betont wirtschaftliche Basis (dazu d.) nicht wirklich der Zielerreichung dienen kann.
32 
a) Bereits die äußerst geringe Reduktion der Zahl der Annahmestellen spricht gegen einen Systemwechsel bzw. -wandel, wie er erforderlich gewesen wäre, um einen konsequenten Übergang von einem aus rein unternehmerischem - d.h. wirtschaftlichem - Kalkül hervorgegangenen Annahmestellennetz im Jahr 2006 zu einem zulässigerweise nur an Begrenzung und Kanalisierung der Wettleidenschaft orientiertem Vertriebssystem zu belegen. Die Zahl der noch Anfang 2006 vorhandenen 3.764 baden-württembergischen Annahmestellen ist im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auf 3.612 gesunken. Das bedeutet eine Verminderung um absolut nur 152 und relativ nur etwa 4% der Stellen. Kamen früher 2.852 Einwohner auf eine Annahmestelle, so sind es heute immer noch 2.972, d.h. jede der noch vorhandenen Annahmestellen versorgt geringfügig mehr Einwohner, nämlich 120.
33 
An dem vom Bundesverfassungsgericht im Sportwettenurteil vom 28.3.2006 (dort Rdnr. 138) bzw. in der Baden-Württemberg betreffenden Entscheidung vom 4.7.2006 (1 BvR 138/05 - juris) erhobenen und beanstandeten Befund, wonach Sportwetten über ein breit gefächertes Netz von Lotto-Annahmestellen vertrieben werden, welches mit der Maxime „weites Land - kurze Wege“ einhergeht, hat sich damit in quantitativer Hinsicht so gut wie nichts geändert.
34 
Gründe, die diesen in quantitativer Hinsicht auffälligen und problematischen Ausgangsbefund in positiver Hinsicht relativieren könnten, sind nicht vorhanden. Bereits normativ geht weder aus dem GlüStV (§ 10 Abs. 3) noch aus dem AGGlüStV (§§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5, 7 Abs. 1) hervor, wie die beabsichtigte Begrenzung der Zahl der Annahmestellen zwecks Gewährleistung eines ausreichenden Spielangebots in absoluten Zahlen bzw. zumindest in methodischer Hinsicht durchzuführen ist. Die Umsetzung ist folglich der Aufsichtsbehörde und der staatlichen Toto-Lotto GmbH (im Folgenden: STLG) überlassen, ohne dass es normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften oder andere orientierende Hilfen gäbe. Wie die Vertreter der STLG letztlich selbst in der mündlichen Verhandlung eingeräumt haben, ist Ausgangspunkt für die künftigen Bedarfszahlen die „historisch gewachsene“ Zahl der Annahmestellen des Jahres 2006 gewesen. In ihrem Vertriebskonzept vom Juni 2008 (dort Seite 4, Mitte) führt die STLG zwar aus, aufgrund des Sportwettenurteils des Bundesverfassungsgerichts sei in der Zeit nach 2006 der Wegfall von Annahmestellen nicht mehr durch die Aufnahme neuer Annahmestellen in das Vertriebsnetz ausgeglichen worden. Der bloße Verzicht auf eine Ausweitung und die schlichte Hinnahme des Wegfalls von Stellen lediglich im Rahmen der üblichen Fluktuation stellen jedoch alles andere als eine aktive und systematische Begrenzungspolitik dar. Berücksichtigt man ferner die Angaben des Beklagten-Vertreters in der mündlichen Verhandlung vom 16.4.2008, wonach in etwa 40 bis 50 Fällen für geschlossene Annahmestellen jeweils sogar noch Ersatz zugelassen wurde (entweder in Gestalt des Weiterbetriebs durch einen neuen Inhaber oder aber durch Eröffnung einer neuen Annahmestelle in der Nachbarschaft), ist diese ohnehin schon äußerst geringfügige und eher als passiv zu bezeichnende Reduktion sogar noch in sich zurückhaltend gewesen.
35 
Schlüssig und überzeugend geht eine systematische Politik auch nicht aus dem Vertriebskonzept der STLG vom Juni 2008 hervor. Vielmehr ist dort (Seiten 4 ff.) feststellbar, dass die vom Monopolisten im Mai 2008 vorgefundene Zahl von 3.630 Annahmestellen schlicht mit einem Bedarfsberechnungsmodell „überzogen“ und „gebilligt“ wurden, welches nicht darlegt, wie es anhand von „Einwohnerbewegungen“, „Verteilung der Kaufkraft“ sowie „Einkaufsströmen“ zu den konkreten Richtwerten für ländliche, städtische und großstädtische Gebiete gelangt. Ohnehin lässt die Verwendung dieser eher an Marketingstrategien erinnernden Parameter nicht erkennen, welchen tauglichen Beitrag sie zum ausschließlich zulässigen Ziel einer Vermeidung und Begrenzung von Glücksspielsucht leisten können. Die Kammer verkennt nicht die sowohl im Vertriebskonzept als auch in der mündlichen Verhandlung von den Vertretern der STLG geäußerten Schwierigkeiten, konkrete Zahlen zu greifen. Dieses Dilemma ist jedoch letztlich auf das Fehlen konkreter Vorgaben im Gesetz bzw. durch die Aufsichtsbehörde zurückzuführen. Gerade eine nicht - oder jedenfalls nicht ausschließlich - vom Monopolisten selbst ermittelte Zahl der erforderlichen Annahmestellen wäre weitaus weniger anfällig für etwaige (und wenn auch noch so unbewusste) systemwidrige und unzulässige Rücksichten auf vorhandene Vertriebsstrukturen gewesen.
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b) Daran ändert nichts, dass das RP Karlsruhe das Vertriebskonzept im Kontext der Erteilung der Glücksspielerlaubnis prüft bzw. bereits - offensichtlich mit dem Ergebnis der Billigung - geprüft hat. Denn gerade auch von der Aufsichtsbehörde kamen insoweit in der mündlichen Verhandlung keine substantiierten Argumente, welche die dargelegten Bedenken hätten zerstreuen können. Zwar prognostiziert das Vertriebskonzept in der Endstufe die Absicht, mit ca. 3.300 Annahmestellen auszukommen. Notwendige Bedingung hierfür soll aber der Rückgang der nach dem GlüStV illegalen Konkurrenzangebote terrestrisch und im Internet tätiger privater Wettanbieter und -vermittler sein. Das RP Karlsruhe hat insoweit ausgeführt, gegen die (ca. 30 % bis 50 % des Sportwettenumsatzes erzielenden) Internetanbieter solle zunächst mit Grundverfügungen vorgegangen werden (zu einem solchen Fall vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 5.11.2007 - 6 S 2223/07 -, ZfWG 2007, 432), um dann auf einer nächsten Stufe unter Zusammenarbeit mit den Banken oder notfalls auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 4 GlüStV die Finanzströme betreffend untersagte Sportwetten zu unterbrechen. Damit aber wird deutlich, dass sich ein überaus wichtiger Teilbereich der Glücksspielpolitik (noch) in einem äußerst „frühen Stadium“ befindet. Ein möglicher Schritt zur Austrocknung des illegalen Glücksspielmarkts wurde folglich bislang unterlassen. Obwohl die strukturellen Gefahren eines staatlichen Glücksspielmonopols spätestens seit Frühjahr 2006 bekannt waren, wurde dem Monopolisten nicht nur die Erstellung eines Vertriebskonzepts überlassen, sondern auch (noch) keine wirklichen Schritte unternommen , eine Begrenzung der Vertriebswege zugleich mit der Bekämpfung der wirtschaftlichen Basis des illegalen Sportwettenmarkts konsequent zu begleiten.
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c) Ferner weist diese fortdauernd auf Breite angelegte Vertriebsstruktur auch qualitativ erhebliche Mängel auf, weil sie (noch) nicht systematisch und konsequent vom Charakter einer „grundsätzlich unbedenklichen Freizeitbeschäftigung“ (vgl. Sportwettenurteil Rdnr. 125) und eines „allerorts verfügbaren normalen Gutes des täglichen Lebens“ (vgl. Sportwettenurteil Rdnr. 138) Abstand nimmt. Mit dem Vertrieb der Sportwetten in Zeitschriften-, Schreibwaren- und Tabakläden sowie in Supermärkten und Tankstellen hat der Monopolist an der gesuchten „bewussten Nähe zum Kunden“ (Sportwettenurteil Rdrn. 138) nichts geändert. Dass die STLG diese Betriebsstätten im Rahmen des Kanalisierungsauftrags für den Zweck der kommunizierten Suchtprävention als „besonders geeignet“ darstellt (Vertriebskonzept Seite 5), verstellt den Blick darauf, dass gerade diese Vertriebsform des legalen Sportwettenangebots in der Öffentlichkeit problematischem Spielverhalten weiterhin Vorschub leistet. So ist es nach Auffassung der Kammer inkonsequent, dass die STLG für sich in Anspruch nimmt, zur Erfüllung des Ordnungsauftrags derzeit und bis auf weiteres auf die konkrete hohe Zahl von Annahmestellen angewiesen zu sein, aus dieser „Präsenzforderung“ jedoch gleichwohl nicht die Notwendigkeit ableitet, ein weitaus zurückhaltenderes als aktuell an den Tag gelegtes Werbeverhalten zu betreiben. Vielmehr betreibt der Monopolist parallel zur breitflächigen Vermarktung eine intensive - wenngleich um die Möglichkeit auffordernden, anreizenden oder ermunternden Charakters reduzierte sowie im Fernsehen, im Internet und über Telekommunikationsanlagen verbotene - Werbung mittels Radio, Printmedien, Litfasssäulen und Postwurfsendungen. Es ist nicht ersichtlich und von den Vertretern der STLG in der mündlichen Verhandlung auch nicht überzeugend dargelegt worden, warum die (aus Sicht der STLG weiterhin erforderliche) breit gefächerte „physische Präsenz“ von Glücksspielannahmestellen eine zusätzliche, über den Ort der Leistung hinausgehende weitere Werbung als Begleitmaßnahme benötigt.
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An dem nach Auffassung der Kammer folglich fortdauernden Signal, man vertreibe immer noch, wenngleich nunmehr modifiziert, ein Gut des täglichen Lebens, ändern auch sonstige Modalitäten beim Vertrieb nichts. Die Wirkung von Vorkehrungen wie Identifizierung des Kunden unter Verwendung einer Kundenkarte, Verstärkung des Minderjährigenschutzes sowie Hinweise auf Spielscheinen und Aufklärungsmaterial über die Gefahren des Spiels (vgl. Vertriebskonzept, Seite 6) wird nach Auffassung der Kammer schon vor dem Hintergrund der nahezu unveränderten Annahmestellen-Zahl überschätzt. Gerade weil die in den Annahmestellen verkehrenden Kunden des Einzelhandels, zu denen regelmäßig auch Kinder und Jugendliche gehören, die Parallelität des Verkaufs von Glücksspielen mit demjenigen von Produkten des täglichen Bedarfs ständig wahrnehmen, darf ein Gewöhnungseffekt nicht vernachlässigt werden. Selbst das neuerdings getrennte „Kassenwesen“, also ein doppelter Kassiervorgang bei gleichzeitigem Einkauf von Waren aus dem Hauptsortiment und von Lotterieprodukten, kann niemanden darüber hinwegtäuschen, dass Verkaufsstellen zugleich auch Annahmestellen sind. Ferner steht im Zeitalter zahlreicher, verschiedenster Kundenkarten eine spezifisch disziplinierende Funktion einer solchen Karte im Bereich des Glücksspiels nicht mit der erforderlichen Gewissheit fest. Das beklagte Land hat zwar Umsatzrückgänge bei den Sportwetten im Jahr 2007 von 28 % (Oddset-Kombiwette) bzw. 48 % (Toppwette) sowie im ersten Quartal 2008 von weiteren 22 % bzw. 32 % zum Beweis der Restriktionswirkung des Monopols ins Feld geführt. Eine nähere Analyse, worauf diese Rückgänge tatsächlich beruhen, und eine Aussage dazu, ob dies nicht nur ein vorübergehendes Phänomen ist, gibt es bislang jedoch nicht. Insofern ist der schon im Kammerurteil vom 16.4.2008 enthaltene Hinweis nicht nachhaltig entkräftet worden, der immerhin im Jahr 2007, also in Kenntnis eines künftig erforderlichen Restriktionskurses erstellte Geschäftsbericht 2006 der STLG gehe selbst von nur „vorübergehenden“ Umsatzrückgängen aus.
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d) Einen zentralen und fortdauernden Strukturmangel sieht die Kammer schließlich im wirtschaftlichen Aufbau des Annahmestellensystems. Der Monopolist bedient sich beim Vertrieb seines Wettangebots privater Dritter, die mittels umsatzabhängiger und folglich stets die Gefahr einer extensiven Vermarktung in sich bergender Provisionen bezahlt werden. Wie in der Vergangenheit auch, erhalten die Annahmestelleninhaber derzeit einen festen und einheitlichen Provisionssatz (Vertriebskonzept, Seite 11/12). Dieser liegt für alle Glücksspiele (ausgenommen Rubbellos, wo es 10 % sind) bei 6,6 % des bei den Annahmestellen getätigten Spieleinsatzes. Vergegenwärtigt man sich, dass angesichts des in 2007 in Baden-Württemberg getätigten Glücksspielumsatzes von ca. 1 Mrd. EUR jede der Annahmestellen hierzu einen (durchschnittlichen) Umsatz von etwa 270.000,-- EUR beitrug, was wiederum einer (durchschnittlichen) Jahresprovision (ohne Rubbellos) von etwa 18.000,-- EUR entsprach, kann diese Einnahmequelle wirtschaftlich nicht vernachlässigt werden.
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Das gilt ungeachtet der in Nr. 8 des jeweiligen Zusatzvertrages zwischen der STLG und den Annahmestellenleitern vereinbarten Bedingung, wonach die Verkaufsstelle nur im Nebenerwerb betrieben werden und der Spielbetrieb nicht die vorrangige Einnahmequelle sein darf. Diese Regelung ist nach Auffassung der Kammer ungeeignet, eine relevante Begrenzung und Steuerung des Wirtschaftsgebarens eines Annahmestellenleiters auszuüben. Mit dieser Formulierung sind schon Auslegungs- und Erfüllungsschwierigkeiten vorprogrammiert. Denn die Grenze zwischen Haupt- und Nebenerwerb kann periodisch durchaus fließend sein, ferner bleibt unklar, ob spätere Änderungen eine Mitteilungspflicht auslösen und schließlich kann kaum von allen der mehr als 3.600 Vertragspartner erwartet werden, dass diese ständig ihre möglicherweise zeitlich variierenden Erwerbsverhältnisse vor Augen haben. Weitaus problematischer allerdings ist es, dass das RP Karlsruhe - seitens der STLG übrigens bezeichnenderweise unwidersprochen - dem Begriff des „Nebenerwerbs“ die Auslegung gibt, das gesamte Glücksspielgeschäft dürfe bis 49 % des Umsatzes ausmachen. Es liegt aber selbst bei Parallelwertung durch einen Nicht-Kaufmann auf der Hand, dass ein dieser Interpretation noch genügender Umsatz von „nur“ 40 % bis 49 % wirtschaftlich für einen Annahmestelleninhaber von erheblicher Bedeutung ist. Ein wirtschaftliches „Standbein“ in dieser Größenordnung übt nämlich auf den Provisionsnehmer erhebliche Anreizwirkungen hin auf eine Umsatzsteigerung aus. Das gilt auch ungeachtet dessen, dass Sportwetten wiederum nur 4 % des gesamten Jahresglücksspielumsatzes ausmachen. Gerade weil die Bereitstellung des gesamten Wett- und Lotterieangebots in den Annahmestellen erfolgt (vgl. Seite 7 des Vertriebskonzepts - wenngleich dies unter dem Gesichtspunkt der „besseren sozialen Kontrolle“ hervorhebend), kann in wirtschaftlicher Hinsicht ein Anreiz des Annahmestelleninhabers, auch für Sportwetten Umsätze zu erzielen, vernünftigerweise nicht verneint werden. Zwar ist eine Reduktion der Umsatzabhängigkeit im Jahr 2009 vorgesehen und es soll dann auch der Einsatz weiterer umsatzunabhängiger Faktoren bei der Ausgestaltung der Provision geprüft werden (vgl. Vertriebskonzept, Seite 12), die zuvor dargelegten aktuellen - d.h. im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt existierenden - Mängel werden durch eine bloße Absicht jedoch nicht behoben.
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2. Die vorgenannten strukturellen Mängel des Vertriebskonzepts beeinträchtigen die Erreichung des Ziels der Spielsuchtbekämpfung auch derart gravierend, dass sie nach Auffassung der Kammer nicht durch die Kompensationsmaßnahmen des Beklagten wirklich ausgeglichen werden, die auf diesen Gebieten bis zum heutigen Zeitpunkt konkret ergriffen und umgesetzt wurden.
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a) Das System der Spielersperre in seiner jetzigen Ausgestaltung ist nicht geeignet, spielsuchtgefährdete oder gar klar spielsüchtige Wettteilnehmer zu identifizieren und von einer weiteren Teilnahme effektiv auszuschließen. Das zeigen schon die geringen Zahlen der tatsächlich verhängten Sperren: Im ersten Quartal 2008 wurden im Wege der Fremdsperre lediglich 9 Spieler durch die STLG gesperrt und damit effektiv vor sich selbst geschützt. Angesichts eines geschätzten Anteils von ca. 4 % Spielsüchtigen unter den Sportwettenteilnehmern (vgl. Stöver, Bremer Institut für Drogenforschung - BISDRO - , Glücksspiel in Deutschland - Eine repräsentative Untersuchung zur Teilhabe und Problemlage des Spielens um Geld, Dezember 2006, S.7 - aufrufbar unter: www.gluecksspielsucht.de > Forschungsergebnisse) und bei einer Gesamtzahl von 3612 Annahmestellen und bundesweit 250.000 Spielsüchtigen ist dies eine nur sehr geringe Zahl. Diese erklärt sich schon daraus, dass die Kriterien für die Verhängung einer Fremdsperre im Glücksspielstaatsvertrag, aber auch im Ausführungsgesetz nicht klar definiert werden. Auch die Kriterien, anhand deren die Annahmestellenbetreiber nach dem vorgelegten Sozialkonzept Spielsuchtgefährdete identifizieren sollen (unverhältnismäßig hohe Einsätze in Relation zum Einkommen, häufige große Verluste etc. - siehe § 9 Abs.1 S.1 Nr.2 GlüStV und S.26 der Schulungsunterlagen für die Verkaufsstellen als Anlage zum Sozialkonzept) sind kaum praktikabel, weil die Annahmestelleninhaber - außer bei persönlicher Bekanntschaft mit dem Teilnehmer oder in Fällen eines offensichtlichen äußeren Erscheinungsbildes - regelmäßig keine Kenntnis von den Einkommensverhältnissen ihrer Kunden und auch nicht von der Höhe ihrer sonstigen Einsätze bei anderen Annahmestellen haben. Obendrein lässt sich eine persönliche Identifizierung als Spielsüchtiger anhand übermäßig hoher und häufiger Einsätze und Verluste seitens der Teilnehmer leicht durch das Aufsuchen zahlreicher verschiedener Annahmestellen vermeiden, wie sie aufgrund des dichten Netzes buchstäblich „an jeder Straßenecke“ vorhanden sind. Von daher verfängt das Argument des Beklagten nicht, der durchschnittliche Spieleinsatz bei den Sportwetten betrage nur zwischen 8,50 und 14 EUR, so dass schon jeder davon abweichende höhere Einsatz auffalle und dem Annahmestellenbetreiber ggf. Anlass für Nachfragen geben könne. Ganz abgesehen davon beträgt nach eigenen Angaben der STLG der Höchsteinsatz pro Tipp auf einem Spielschein immerhin 250 EUR, so dass bis zu einem solchen Betrag wohl keine Nachfrage indiziert erscheint. Zudem wurde im Termin deutlich, dass die STLG gegenüber Fremdsperren eher eine zurückhaltende Linie verfolgt. Zum einen geht sie davon aus, dass die wirklich suchtgefährdeten Spieler sich ohnehin bei den privaten gewerblichen Sportwettenanbietern aufhalten, die 80% des gesamten Sportwettenmarktes ausmachen, und zum anderen befürchtet sie erklärtermaßen, Spielsuchtgefährdete sonst ganz aus den Augen bzw. an die private Konkurrenz zu verlieren. Sie favorisiert daher die Eigensperre, zu der sich der suchtgefährdete Spieler aufgrund nachhaltiger sozialpädagogischer Einwirkungen und Gesprächen mit Suchtberatungsstellen, Annahmestellenbetreibern und Bezirksdirektoren entschließt. Das Argument des Beklagten, andernfalls würden solche Spieler gleich zur privaten Konkurrenz abwandern, die ohnehin 80% des Marktes bediene, stellt im Übrigen das staatliche Monopol in aller Deutlichkeit selbst in Frage.
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Auch das Anfang 2008 eingeführte Oddset-Informationssystem trägt bei genauer Betrachtung nicht zu einer effektiveren Handhabung des im Glücksspielstaatsvertrag angelegten Instruments der Fremdsperre bei. Der Spielerschutz ist hier nur ein Nebeneffekt, da dieses System primär der Aufdeckung von Spielmanipulationen anhand ungewöhnlich hoher Umsatzzahlen bei einzelnen Annahmestellen dient und deshalb allenfalls mittelbar in Fällen über den Schwellenwerten (3000, 7000 und 10.000 EUR) liegender Umsätze dazu führen kann, dass eine bestimmte Annahmestelle und die dort wettenden Spieler und deren Verhalten genauer in den Blick genommen werden. Die genannten Schwellenwerte sind zudem derart hoch angesetzt, dass sie angesichts eines Durchschnittsumsatzes einer Annahmestelle von lediglich 180 EUR wöchentlich kaum dazu taugen, auf Spielsucht indizierende hohe Einsätze einzelner Spieler aufmerksam zu werden. Eine individuelle Identifizierung Spielsüchtiger anhand der Kundenkartenidentifizierung und der Datenbankinformationen der STLG über die Häufigkeit und Höhe der Einsätze und der Verluste ist außerdem schon aus Datenschutzgründen gar nicht möglich.
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b) Das zum Schutz spielsuchtgefährdeter Spieler und zur Vorbeugung der Spielsucht durchaus effektive und sinnvolle Instrument von nur maximal zuzulassenden Höchsteinsätzen pro Spieler gibt es schließlich nach wie vor nur in der seinerzeit von der Kammer in ihren Grundsatzurteilen als nicht zureichend qualifizierten rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung, die bis heute im Wesentlichen unverändert geblieben ist. Die Halbierung der Höhe des möglichen Einsatzes pro Tipp bei Oddset-Wetten von 500.- EUR auf 250.- EUR ändert nichts daran, dass mit mehreren Spielscheinen und an verschiedenen Annahmestellen weiterhin um insgesamt große Summen gespielt werden kann. Das Argument des Beklagten, eine weitere Verbesserung der Höchsteinsatzregelung sei schon deshalb nicht erforderlich, weil eine Höchstgrenze nur in Relation zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Sportwettenteilnehmers sinnvoll sei, verkennt, dass sich der Spielerkreis wohl überwiegend nicht aus finanziell und sozial besser Gestellten zusammensetzt, für die auch Einsätze von mehreren hundert Euro kein Problem darstellen, sondern aus Personen, die gerade durch das Wetten versuchen, ihre insoweit wirtschaftlich eher bescheidene Stellung aufzubessern (vgl. Hayer/Meyer, Das Gefährdungspotenzial von Lotterien und Sportwetten, Mai 2005, S.100, 101 - abrufbar unter: www.landesfachstelle-gluecksspielsucht-nrw.de/pdf/ gefaehrdungspotenzial-Hayer-Meyer.pdf, wonach 35% der befragten Sportwettenteilnehmer arbeitslos, Rentner, Student, oder berufsunfähig waren und 60% nur zwischen 500 -1500 EUR netto verdienten). Auch das Argument, eine strengere Höchstgrenzenregelung sei nicht erforderlich, weil ein einmaliges Spiel mit einem hohen Einsatz noch keine Suchtgefahren auslöse, spricht nicht gegen eine Höchstgrenzenregelung, die den Gesamteinsatz eines Spielers etwa pro Woche limitiert (siehe insoweit etwa Ziff.14 der Stellungnahme des Fachverbandes Glücksspielsucht e.V. zum Entwurf des Glücksspielstaatsvertrags - abrufbar unter www.gluecksspielsucht.de > Materialien > Stellungnahmen).
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c) Was die Spielsuchtbekämpfung und insbesondere die Prävention angeht, verkennt die Kammer nicht, dass hier ausweislich des mittlerweile vorliegenden Vertriebskonzepts und des ebenfalls jetzt vorgelegten Sozialkonzepts sowohl im Bereich der Hinweise, der Beratungsangebote als auch der Schulungen der Mitarbeiter der Annahmestellen deutliche Fortschritte gegenüber dem vom Bundesverfassungsgericht noch missbilligten Zustand im Jahre 2006 zu verzeichnen sind, als es in dieser Richtung gar keine bzw. nur sehr wenige Bemühungen gab. Inzwischen kann davon ausgegangen werden, dass die Annahmestellenbetreiber und deren Personal alle geschult wurden und regelmäßig auch weiter zum Thema Suchtgefahren und Jugendschutz geschult werden. Es ist auch nicht zu übersehen, dass in großem Umfang und optisch auffällig auf Flyern, Plakaten, Hinweisschildern, Broschüren, Spielquittungen, Internetseiten usw. auf die Gefahren der Spielsucht und auf das Spielverbot für unter 18-Jährige hingewiesen wird. Außerdem existiert mittlerweile ein Fachbeirat, der beratend tätig wird.
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Das vermag aber nicht, die strukturellen Mängel des staatlichen monopolisierten Sportwettensystems mit einem landesweit dichten Netz umsatzorientiert operierender Annahmestellen zu konterkarieren, die betont kundennah im direkten Kontext mit dem Vertrieb alltäglicher Waren und ohne wirkliche Distanz zu Jugendlichen arbeiten und dadurch der Missachtung des Spieler- und Jugendschutzes sowie der Spielsucht erst einmal deutlich Vorschub leisten.
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d) Auch die Schulungen der Annahmestellenbetreiber (vgl. Ziff.4 des Vertriebskonzepts, Ziff.4.6 des Sozialkonzepts , Ziff.4 des Annahmestellenzusatzvertrags) vermögen offenbar nur sehr begrenzt, den systemimmanent bestehenden Zielkonflikt aufzulösen, dem sie sich ausgesetzt sehen, wenn sie einerseits einträglich wirtschaften wollen, sich andererseits dabei aber ohne wirtschaftlichen Anreiz allein aus Rücksicht auf Jugendliche und Spielsuchtgefährdete selbst zurücknehmen sollen. Schon der bloße Umstand, dass es offenbar nötig erscheint, durch intensive Schulungen überhaupt die für jedermann leicht verständliche und eingängige Minimalregel des Jugendschutzes, nämlich das Spielverbot für unter 18-Jährige, gegenüber den Annahmestellenbetreibern zu betonen, obwohl die entsprechenden Regelungen schon seit Jahrzehnten existieren (vgl. § 6 Abs.2 JuSchG), zeigt, dass schon nach Ansicht der STLG hier ein aus ökonomischen Interessen gespeistes Potential an tendenzieller Missachtung des Jugendschutzes besteht, das allein durch die Geltung des JuSchG offenbar noch nicht ausreichend eingedämmt wird. Soweit zum Jugendschutz geschult wird, stellt dies eine „Schulung“ zu einer bloßen Selbstverständlichkeit dar. Soweit zu Suchtgefahren mit dem Ziel geschult wird, die Annahmestellenbetreiber in die Lage zu versetzen, beratend bzw. abratend auf Spieler einzuwirken bzw. spielsüchtige Spieler zu erkennen und dann durch Schaltung einer Sperre am weiteren Spiel zu hindern, ergibt sich aus dem oben Gesagten, dass die Annahmestellenbetreiber ganz offenkundig die dafür wirklich wesentlichen Informationen über Einkommensverhältnisse, Spielergebnis, Häufigkeiten des Spiels und Verluste der bei ihnen Wetten abschließenden Personen nicht haben und allenfalls zufällig erlangen können bzw. sich in einem Rollenkonflikt zwischen Verkäufer und invasiv in die Privatsphäre des Kunden hineinforschenden Sozialarbeiter wiederfinden (siehe die vorgelegte Dokumentation und Auswertung der Schulungen für Januar bis März 2008 der mit den Schulungen beauftragten Evangelischen Gesellschaft: Suchtberatungsstelle „eva“, S. 14). Aus der Dokumentation ergibt sich insoweit auch, dass viele Annahmestellenbetreiber eher dazu neigen, den Zielkonflikt zugunsten eigener wirtschaftlichen Interessen zu lösen, und zu einem nicht unbeträchtlichen Teil obendrein selbst aktive Spieler sind, von denen manche sogar Tendenzen zur Spielsucht in sich tragen (siehe Dokumentation S.10 ).
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Die im Wesentlichen übereinstimmenden Ergebnisse des im April 2008 bei 110 Lottoannahmestellen in Baden-Württemberg durchgeführten sog. „Mystery-Shopping“ (= Testkauf, Testspielaktion) und der in der mündlichen Verhandlung von den STLG Mitarbeitern dargelegten eigenen Erfahrungen mit Testkäufen/Testspielern zeigen zudem deutlich, dass offenbar selbst intensive Schulungen keinen nachhaltigen Effekt erzielen, denn in einer prozentual weit überdurchschnittlichen Zahl von Fällen (laut Mysteryshopping: ca. 62 % , laut eigener Testaktionen der STLG: ca. 50 %) war es Kunden möglich, ohne Ausweiskontrolle zu spielen und Wetten abzuschließen. (In die gleiche Richtung weisen auch die in einem FOCUS-Artikel (Ausgabe v. 7.7.2008) zitierte Untersuchungen zum gleichen Thema in Bayern).
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e) Was die nunmehr allenthalben anzutreffenden Warnhinweise bezüglich der Spielsuchtgefahren angeht, ist angesichts des aus der Psychologie bekannten Phänomens der kognitiven Dissonanz (Verarbeitung konfligierender Informationen/Erfahrungen: z.B. „Ich rauche“ - „Rauchen ist schädlich“) und der Erfahrungen z.B. mit entsprechenden Hinweisen auf die tödlichen Gefahren des Rauchens auf Zigarettenpackungen, die von vielen Rauchern schon nach eigener Aussage gar nicht mehr wahrgenommen, sondern ausgeblendet werden (siehe dazu http://de.wikipedia.org/wiki/Kognitive_Dissonanz), fraglich, inwieweit ein vornehmlich aus finanziellen Erwägungen (Gewinnerwartung) gespeistes und durch entsprechende Werbung sogar noch erregtes Interesse an der Sportwettenteilnahme dadurch wirklich nennenswert wieder eingedämmt wird.
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f) Auch die rechtlichen und tatsächlichen Regelungen über die Art und den Zuschnitt des Sportwettenangebots sind nach wie vor in ihrer derzeitigen Ausgestaltung nicht geeignet, die Spielsucht konsistent und systematisch einzudämmen. Eine Beschränkung der Sportwetten, denen insbesondere bei den Oddset-Wetten wegen ihrer festen Gewinnquoten ein besonders hohes Suchtpotential zugeschrieben wird, durch die Begrenzung des Spielangebots (nur geringe Zahl wöchentlicher Wettpaarungen, Verzicht auf überproportional suchtgefährliche Varianten wie z.B. Live-Wetten oder Verzicht auf Wetten mit erhöhter Manipulierbarkeit des Sportereignisses wie z.B. Wetten auf die Zahl der in einem Fußballspiel gezeigten gelben Karten ) findet sich ebenso wie die Reduzierung der Gewinnausschüttungen auf maximal 50 - 55% lediglich pauschal formuliert unter Ziff.5.2 des Sozialkonzepts der STLG. Ein wirklich handhabbarer und detailliert kontrollierbarer Rahmen wird damit indessen nicht vorgegeben. Auch die nach wie vor gültigen Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi- und Top-Wette, die das Finanzministerium am 08.11.2007 bekanntgemacht hat und die von der STLG als ein lediglich weiter Rahmen des Erlaubten im Sinne einer Allgemeinen Geschäftsbedingung verstanden und der Gestaltung ihres Spielangebots zugrunde gelegt werden, enthalten keine wirklich klaren Einschränkungen und Vorgaben für eine Begrenzung des Spielangebots. Sie widersprechen zudem in ihrer noch immer unverändert aktuell gültigen Form teilweise direkt § 21 Abs.1 GlüStV, der ausdrücklich regelt, dass nur auf den Ausgang von Sportereignissen gewettet werden kann, also Live-Wetten auf Zwischenspielstände und dergleichen ausgeschlossen sind. Die Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette (GABl. v. 20.12.2007, S.648) lassen hingegen unter § 3 Abs.1, Abs.5 und Abs.6 auch Wetten nicht nur auf den Ausgang, sondern auch auf bestimmte Ereignisse innerhalb eines Sportereignisses zu. Dasselbe gilt für die Oddset-Kombi-Wette (GABl. 20.12.2007, S. 639), deren Teilnahmebedingungen Wetten auf einen bestimmten Ausgang oder ein bestimmtes Ergebnis, aber auch auf ein bestimmtes Ereignis zulassen. § 21 Abs.1 GlüStV ist im Übrigen normativ defizitär, da diese Vorschrift es ohne jegliche weitere inhaltliche Vorgaben der erst zum Jahresende 2008 notwendigen Erteilung der Glücksspielerlaubnis durch das Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde überlässt, im Detail Art und Zuschnitt des Angebots ggf. durch entsprechende Auflagen sicherzustellen. Ferner liegen interne Richtlinien zu Art und Zuschnitt des Sportwettenangebots auf der Verwaltungsebene der Glücksspielaufsichtsbehörde bisher nicht vor. Wie sich in der mündlichen Verhandlung herausstellte, besteht vor diesem Hintergrund noch nicht einmal vollständige Klarheit, ob etwa die sogenannte Handicap-Wette danach ein zulässiges Sportwettenangebot sein soll oder nicht. Der seit 01.01.2008 eingerichtete Fachbeirat (§ 10 Abs.1 S. 2 GlüStV) hat sich bisher zwar unter anderem auch mit dem Sportwettenangebot befasst, ohne dass diese Arbeit sich aber bislang in konkreten Empfehlungen, Beschlüssen oder Leitlinien niedergeschlagen hätte. Insgesamt offenbart sich auch hier ein derzeit bestehendes normativ-regulatives Strukturdefizit, das es mangels klarer Vorgaben aktuell noch immer genau besehen allein der STLG, also dem wirtschaftlich interessierten Monopolisten, selbst überlässt, zu definieren, welches Angebot seiner Ansicht nach zulässig bzw. unzulässig ist. Von dieser Definitionsmacht hat die STLG bisher aber nur in nicht wirklich dauerhaft selbstbindender Weise und nur nach eher vagen, zufälligen Kriterien Gebrauch gemacht.
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g) Ähnliches gilt für die Werbebeschränkungen . Hier findet sich neben der inhaltlich nur sehr vagen gesetzlichen Vorgabe in § 5 Abs.1, Abs.2 GlüStV, die Werbung dürfe nur informativ aufklärend, aber nicht aufmunternd, anreizend, irreführend und an Jugendliche gerichtet sein, bislang nur unter Ziff.5.3 des Sozialkonzepts der STLG eine katalogartige Aneinanderreihung ähnlich unbestimmter Begriffe, die zu einer positiven wie negativen Abgrenzung beitragen sollen und immerhin durch einige Beispiele zu einer gewissen Konkretisierung beitragen können (keine Darstellung als unbedenkliche Freizeitbeschäftigung, keine gezielte Ansprache eine jugendlichen Publikums, keine Werbung mit jugendlichen Werbeträgern und keine Versprechen eines schnellen risikolosen Reichtums usw.). Außerdem soll es inzwischen bundesweit zwischen den Ländern abgesprochene Werberichtlinien geben. Die Beaufsichtigung bundesweiter Werbeaktionen des Toto-Lotto-Blocks (DTLB) ist dabei allerdings noch ungeklärt. Die Bedenken, wie sie die Kammer gegenüber dem Werbekonzept der STLG in ihren Grundsatzurteilen vom April 2008 geäußert hat, sind damit aber nicht ausgeräumt. Insbesondere die Werbung mit der Dachmarke Lotto, die schon nach den eigenen Unterlagen und Broschüren der STLG deutlich mit ihren Unterprodukten z.B. Oddset, KENO etc. genannt und somit in Verbindung gebracht wird (Oddset, die Sportwette von Lotto - siehe www.lotto-bw.de > oddset), ist nach wie vor überregional mit zum Spiel animierender Werbung aktiv und zwar mit immer wieder besonders auffälliger, selbst vom beklagten Land als „atypisch“ qualifizierter Werbung, die mit immer wieder neuen besonderen Anlässen wie z.B. der Fußballeuropameisterschaft oder dem 50-jährigen Bestehen von Lotto Bad.-Württ. gerechtfertigt wird. Da die STLG sogar nach Ergehen des Bundesverfassungsgerichtsurteils noch im Sommer 2006 anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2006 aggressiv und namentlich für Oddset geworben hat, ist es auch besonders darlegungsbedürftig, konnte von der STLG im Termin aber nicht überzeugend dargelegt werden, dass Oddset nicht zum sogenannten „accepted set“ der deutlich und anpreisend beworbenen Dachmarke Lotto-BW gehören soll, also nicht mit deren Nennung vom Adressatenpublikum positiv mitassoziiert werden soll.
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Auch sonst geht die überregional auftretende Sportwettenwerbung weit darüber hinaus, dass sich nur die Annahmestellen selbst mit Flyern, örtlich geschalteten Anzeigen, Wimpeln, Schaufenstergestaltung etc. auf rein örtlicher Ebene dem Publikum bekannt machen und im Rahmen des dem staatlichen Monopolisten aufgegebenen Kanalisierungskonzepts über ihre Existenz informieren. Das ist auch nicht etwa zufällig so, sondern direkte Folge des Zielkonflikts, der darin besteht, dass der staatliche Monopolist STLG neben dem von ihm immer wieder hervorgehobenen insbesondere im Internet anzutreffenden breiten privaten Sportwettenmarkt existiert, also kein wirkliches Monopol im echten Sinne besitzt und daher anders als ein echter Monopolist gegenüber dieser Konkurrenz werbend bestehen muss, derer er sich in absehbarer Zeit wohl so schnell nicht wird entledigen können.
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Nach wie vor ist es auch so, dass der Glücksspielstaatsvertrag selbst keine Werbeeinschränkung hinsichtlich der Printmedien und des Rundfunks sowie der Postwurfsendungen und großflächiger Plakatwerbung regelt, so dass diese weiterhin zulässig sind (vgl. zu Bedenken insbesondere gegenüber unverlangt zugesandten Werbematerialien, wie Postwurfsendungen: Ziff.4 der Stellungnahme des Fachverbandes Glücksspielsucht e.V. zum Entwurf des GlüStV - a.a.O.). Dem Beklagten mag zwar zuzugeben sein, dass dem Land ein gewisser Beurteilungsspielraum dahingehend zukommt, selbst einzuschätzen und zu entscheiden, welche Werbeträger es für besonders aggressiv, öffentlichkeitswirksam, jugendnah und suchtfördernd hält und daher beschränken will. Wenig überzeugend ist insoweit allerdings sein Hinweis, die genannten noch zulässigen Werbeträger (Radio, großflächige Plakate, Printmedien) sprächen anders als das Internet und das Fernsehen das vorwiegend zu schützende jugendliche Publikum nur wenig an. Auch wenn die Leseneigung bei Jugendlichen zurückgegangen sein mag, dürfte doch das Radio als leicht konsumierbares Medium ebenso wie das Fernsehen ohne weiteres auch und gerade Jugendliche erreichen. Dafür, dass auch Plakatwerbung Jugendliche durchaus erreicht, spricht zudem, dass die STLG den Boxer Krasniqi, der als Sympathieträger gerade auch Jugendliche anspricht, im Rahmen der Suchtaufklärungskampagnen selbst auf großflächigen Plakaten auftreten lässt. Der bloße Ausschluss von Internetwerbung (und Fernsehwerbung) dürfte im Übrigen wohl schon deshalb nicht ausreichen, weil gar nicht dargetan ist, dass es sich nach der Spielerstruktur bei den Sportwettenteilnehmern der terrestrischen Annahmestellen vorzugsweise um Personen mit Internetzugang handelt. Vielmehr könnten als Kunden gerade technikferne, ältere Kunden in Betracht kommen, die keinen Internetzugang haben, oder aber Jugendliche, die zwar einen Internetzugang haben, aber noch nicht über eigene Kreditkarten verfügen, wie sie für eine Sportwettenteilnahme im Internet unerlässlich ist.
54 
3. Schließlich fehlt es derzeit an einem wirksamen Kontrollsystem, das die Ausrichtung des Monopols am Ziel der Suchtbekämpfung sicherstellt. Europarechtlich kommt es für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zentral auf die Effektivität der Überwachung und die Durchsetzung einer wirklich restriktiven Glücksspielpolitik an (vgl. EFTA-Gerichtshof, Urt. vom 14.03.2007, E -1/06, - Gaming Machines -, Rdnr. 51). Auch das Bundesverfassungsgericht verlangt strukturelle Sicherungen, die für die Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht sorgen; der Gesetzgeber muss geeignete staatliche Kontrollinstanzen mit ausreichender Distanz zu den fiskalischen Interessen des Staates einrichten (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnrn.120, 154). Denn nur so kann gesichert werden, dass ein Konflikt mit dem Ziel der Suchtbekämpfung nicht zugunsten der fiskalischen Interessen des Staates ausgeht (BVerfG, a.a.O., Rdnr. 127 f.)
55 
a) Der Glücksspielstaatsvertrag sieht zwar in § 9 eine finanzverwaltungsferne Glücksspielaufsicht vor. Diese kann aber derzeit auf kein wirksames normatives Kontrollsystem zurückgreifen. Auf das Instrument der Glücksspielerlaubnis, die an die Erfüllung konkreter Voraussetzungen gebunden ist (§ 2 Abs. 2 AG-GlüStV) und mit Bedingungen und Auflagen versehen werden kann (§ 2 Abs. 1 Satz 2 AG-GlüStV), kann die Glücksspielaufsicht nach derzeitiger, für die Entscheidung des Gerichts maßgeblicher Rechtslage allenfalls in geringfügigem Umfang als Kontrollmechanismus zurückgreifen. Denn der Landesgesetzgeber hat dem Monopolisten über die vom Bundesverfassungsgericht zugebilligte Übergangszeit hinaus einen weiteren Zeitraum bis zum 31.12.2008 zugestanden, in dem er seine bereits zum 01.01.2007 veranstalteten Glücksspiele ohne Erlaubnis fortführen darf (§ 2 Abs. 1 Satz 3 AG-GlüStV). Gleiches gilt für die Annahmestellen, die ihre Vermittlung ohne Erlaubnis bis zum 31.12.2008 fortsetzen dürfen, wenn sie bereits am 01.01.2007 in ein öffentliches Glücksspiel des Landes vermittelt haben (§ 7 Abs. 4 AG-GlüStV). Andere Kontrollinstrumente der Glücksspielaufsicht gegenüber dem Monopolisten oder einzelnen Annahmestellen sind gesetzlich nicht vorgesehen. Der Aufsicht bleibt in der Vielzahl der Fälle, in denen die Übergangsregelungen der §§ 2 Abs.1 Satz 3, 7 Abs. 4 AG-GlüStV greifen, nur die Möglichkeit, im Einzelfall Anordnungen nach § 9 GlüStV zu treffen. Damit diese Möglichkeit als effektiver Kontrollmechanismus wirkt, bedürfte es gerade angesichts der Vielzahl der Annahmestellen einer entsprechend gut ausgestatteten Glücksspielaufsicht. Hierzu enthält das Gesetz jedoch keinerlei Vorgaben.
56 
b) Tatsächlich ist die Glücksspielaufsicht personell auch schwach besetzt. Im gesamten Glücksspielreferat des Regierungspräsidiums Karlsruhe, das für ganz Baden-Württemberg zuständig ist, sind vier Juristen, sechs Mitarbeiter im gehobenen Dienst und fünf weitere Mitarbeiter für den Schreibdienst und Ähnliches tätig. Das Sachgebiet „Aufsicht und Erlaubnisse für staatlich veranstaltetes Glücksspiel und gewerbliche Spielevermittler“ betreuen ein Jurist und ein Mitarbeiter des gehobenen Dienstes. Der vom beklagten Land hervorgehobene Austausch zwischen den Mitarbeitern der einzelnen Sachgebiete ist nur begrenzt, wie die mündliche Verhandlung vom 16.04.2008 anschaulich belegt hat. Dort war als Beklagtenvertreter allein der Sachgebietsleiter für die Unterbindung unerlaubten Glücksspiels anwesend, der viele Fragen zum Bereich der Aufsicht und Erlaubnisse für staatlich veranstaltetes Glücksspiel nicht beantworten konnte.
57 
Die Mitarbeiter des Monopolisten, die mit monopolinternen Kontrollfunktionen befasst sind, können entgegen der vom beklagten Land vertretenen Auffassung nicht bei der personellen Ausstattung der Glücksspielaufsicht berücksichtigt werden. Schon § 10 Abs. 6 GlüStV setzt die Trennung der staatlichen Glücksspielaufsicht und des Monopolisten als Glücksspielveranstalter nach § 10 Abs. 2 GlüStV voraus. Vor allem aber kann von der europarechtlich gebotenen effektiven Überwachung des Monopolisten nicht mehr die Rede sein, wenn ihm als einem Unternehmen, das seine Wirtschaftlichkeit im Auge behalten muss, die Kontrolle über sich selbst übertragen wird. Vielmehr verlangt eine effektive Überwachung, dass die Endkontrolle der staatlichen, von fiskalischen Interessen unabhängigen Aufsicht vorbehalten bleibt.
58 
c) Dies schließt sicher kein „System der Kontrolle der Kontrolle“ aus, auf das sich das beklagte Land beruft. Ein solches System muss aber derartige strukturelle Sicherungen enthalten, dass eine effektive Kontrolle des Monopolisten durch die staatliche Aufsicht gewährleistet ist. Das ist hier nicht der Fall.
59 
aa) Das Gesetz räumt dem Monopolisten weite Spielräume bei der Ausgestaltung des Vertriebskonzepts (§ 7 Abs. 1 AG-GlüStV) sowie bei Art und Zuschnitt des Wettangebots ein, die ab 01.01.2009 in der Erlaubnis im Einzelnen zu regeln sind (§ 21 Abs. 1 Satz 2 GlüStV). Verwaltungsvorschriften oder Richtlinien wenigstens als Hilfe zur Interpretation der gesetzlichen Vorgaben - etwa welche Kriterien neben der räumlichen Bevölkerungsstruktur für das Vertriebskonzept noch zu berücksichtigen sind (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 4: „insbesondere“) oder welche Wetten als Einzelwetten auf den Ausgang eines Sportereignisses (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GlüStV) angesehen werden können - existieren jedoch nicht.
60 
bb) Auch Beschlüsse des inzwischen eingeführten Fachbeirats, die ungeachtet der rein beratenden Funktion dieses Gremiums (§ 10 Abs. 1 Satz 2 GlüStV) als Orientierungshilfe dienen könnten, liegen nicht vor. Gerade beim zulässigen Wettangebot bestehen aber erhebliche Unsicherheiten, wie die Diskussion in der mündlichen Verhandlung zwischen den Beteiligten einschließlich der Vertreter der STLG über die Zulässigkeit von Handicap-Wetten deutlich gezeigt hat.
61 
cc) Das inzwischen vorliegende Vertriebskonzept der STLG -das fast ein halbes Jahr zu spät erstellt worden ist, ohne dass dies zu irgendwelchen Konsequenzen der Glücksspielaufsicht gegenüber der STLG geführt hätte - ist zwar von der Glücksspielaufsicht gebilligt worden, jedoch mangels Integrierbarkeit in eine Glücksspielerlaubnis in keiner Weise abgesichert.
62 
dd) Allein im Bereich der Werbung sollen bundesweite, dem Gericht allerdings nicht vorgelegte Richtlinien existieren. Außerdem ist zwischen der Glücksspielaufsicht und der STLG eine Vorlage neuer Werbemaßnahmen vor Veröffentlichung abgesprochen.
63 
ee) Darüber hinaus bestehen strukturelle Sicherungen des Systems der Kontrolle der Kontrolle derzeit nicht. Die Ankündigung, dem Monopolisten in seiner Erlaubnis als Nebenbestimmung aufzugeben, mindestens halbjährliche unangekündigte Kontrollen zur Einhaltung des Jugendschutzes und des Spielerschutzes in allen Annahmestellen durchzuführen und der Aufsicht darüber halbjährlich zu berichten, weist in die richtige Richtung, ist aber zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht umgesetzt worden. Eine Glücksspielerlaubnis für die STLG - mit entsprechender Nebenbestimmung - liegt bislang nicht vor.
64 
ff) Sonstige Informations- oder Berichtspflichten der STLG zu bestimmten Themen bestehen nicht. In der mündlichen Verhandlung wurde zwar von monatlichen Gesprächsrunden über anstehende Probleme berichtet, gleichzeitig zeigte sich aber, dass die Glücksspielaufsicht weder über das aktuelle Wettangebot des Monopolisten noch über den konkreten Bestand der Annahmestellen und die einzelnen Fälle von Beanstandungen bei von der STLG veranlassten Kontrollen informiert war. Vielmehr erklärte der Vertreter des beklagten Landes, dass die Glücksspielaufsicht außerhalb des Bereichs der Werbung grundsätzlich davon ausgehe, dass die STLG sich an die gesetzlichen Vorgaben halte. Die STLG werde gebeten, die Glücksspielaufsicht zu benachrichtigen, wenn rechtliche Probleme auftauchten; sie teile der Aufsicht auf Anfrage Kontrollergebnisse mit. Diese Haltung der Glücksspielaufsicht gegenüber dem Monopolisten ist mit dem Auftrag einer effektiven Überwachung offensichtlich nicht zu vereinbaren. Schon bei einer Kontrolle staatlicher Behörden wäre ein solcher Vertrauensvorschuss unangebracht (vgl. dazu auch Millgramm, DVBl 2008, 821, 827 f., insbes. Fn. 29); dies gilt umso mehr für die Kontrolle der STLG, einer juristischen Person des Privatrechts, die bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im März 2006 primär umsatzorientiert gewirtschaftet hat und auch heute als Gesellschaft mit beschränkter Haftung wirtschaftlich handeln muss (siehe nur §§ 17, 19 InsO). Allein die Tatsache, dass das Land 100% der Gesellschaftsanteile hält, legt zwar vereinfachte Kontrollmöglichkeiten nahe, lässt die Überwachungspflichten aber keinesfalls entfallen (vgl. dazu EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming Machines, Rdnr. 51).
65 
gg) Dass die in der mündlichen Verhandlung von den Beklagtenvertretern erwähnten „sporadischen Kontrollen“ des Sportwettenangebots des Monopolisten sowie die 22 vom Referatsleiter persönlich getätigten Testkäufe ohne Bezug zu den von der STLG großflächig angelegten Testkaufserien keine wirksame „Kontrolle der Kontrolle“ darstellen, bedarf keiner näheren Ausführung.
66 
hh) Die Kammer verkennt nicht, dass die STLG gerade mit den Testkaufserien durch Externe einerseits und die Bezirksdirektionen andererseits sowie die Zusatzverträge mit den Verkaufsstellen, die bei Verstößen gegen die gesetzlichen Verpflichtungen aus dem GlüStV und dem AG-GlüStV Sanktionsmöglichkeiten bis zur fristlosen Kündigung des Vertrags vorsehen, Ansatzpunkte für ein System der „Kontrolle der Kontrolle“ geschaffen hat. Ohne durchsetzbare, festgelegte Berichts- und Meldepflichten gegenüber der Glücksspielaufsicht kann aber von einer effektiven Überwachung nicht die Rede sein.
67 
ii) Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Ergebnisse der Testkäufe mit einer Quote von etwa 50% Beanstandungen (so die Auskunft der Vertreter der STLG in der mündlichen Verhandlung; die Ergebnisse des Mystery-Shopping lagen bei einer noch höheren Beanstandungsquote von 62 %) nahelegen, dass dieser Missstand, wie oben ausgeführt, durch das Provisionsmodell strukturell bedingt ist und allein durch ein effektives Überwachungssystem nicht beseitigt werden wird.
IV.
68 
Das staatliche Sportwettenmonopol erweist sich auch unter Berücksichtigung des aktuellen Vorbringens des Beklagten und der jetzigen Sachlage weiterhin auch deshalb als derzeit (noch) europarechtswidrig, weil es eine zur Erreichung der Ziele des GlüStV nicht erforderliche Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt (vgl. Urteile vom 16.04.2008, dort II.3).
69 
Im Termin ist erneut deutlich geworden, dass das staatliche Monopol nur im Bereich der terrestrischen Annahmestellen ein echtes, nämlich gegen illegale Konkurrenz wirklich durchsetzbares Monopol darstellt, hingegen im Bereich des vom Angebot der STLG entsprechend den Vorschriften des GlüStV nicht abgedeckten Sportwettenmarktes im Internet ein sehr großes illegales Sportwettenangebot privater Veranstalter existiert, über das nach Schätzungen zwischen 30 - 50 % des gesamten Sportwettenumsatzes erzielt werden. Ferner hat sich bestätigt, dass dieses private Internetangebot jedenfalls bislang vom Beklagten insbesondere wegen der damit verbundenen rechtlichen und praktischen Schwierigkeiten noch nicht in nennenswertem Umfang durch Ordnungsverfügungen gegen die Veranstalter bzw. mittels Kooperationsabsprachen mit Banken über eine Drosselung der Finanzierung durch Kreditkartenabbuchungen zurückgedrängt wurde. Damit bleibt es bei dem Grundkonflikt, dass das staatliche Sportwettenmonopol, weil es sich gegenüber dem Internetangebot behaupten muss, nach wie vor einem starken Anreiz ausgesetzt ist, sich ebenso wie private Sportwettenanbieter durch offensive, aktive Werbestrategien zu behaupten, um erklärtermaßen einer Abwanderung von Sportwettenteilnehmern in diesen illegalen Bereich gegenzusteuern. Unverändert geblieben ist auch der Umstand, dass die STLG ihre Sportwetten über ein Vertriebsnetz vermarktet, das sich aus einer Vielzahl umsatzabhängiger privater Annahmestelleninhaber zusammensetzt und sich somit von privaten Sportwettenanbietern hinsichtlich der Anreize zur Missachtung von Spielerschutz- und Suchtbekämpfungsmaßnahmen nicht wesentlich unterscheidet.
70 
Was die Effektivität der Kontrolle und die Durchsetzungsmacht der STLG gegenüber ihren privaten Vertragspartnern im Vertriebsnetz angeht, ist ihr zwar zuzugestehen, dass sie in der Praxis nicht nur die Möglichkeit hat, gegenüber einer Annahmestelle mit rechtlichen Maßnahmen wie Abmahnungen, Vertragsstrafen oder fristloser Kündigung einzuschreiten, sondern diese darüber hinaus auch rein tatsächlich direkt durch Abkoppelung der Annahmestelle von der zentralen computergestützten Sportwettenannahme und -vermittlung aus ihrem Vertriebsnetz nehmen kann, wenn es zu Schwierigkeiten kommt, was die staatliche Aufsichtsbehörde gegenüber privaten Sportwettenveranstalten nicht tun könnte. Allerdings ist dem entgegenzuhalten, dass sich ein Annahmestelleninhaber auch gegen ein solches schlichtes Abkoppeln vom Vertriebsnetz ohne weiteres vor den ordentlichen Gerichten mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Wehr setzen könnte, da auch ein faktisches Abkoppeln vom Vertriebsnetz gegen den Annahmestellenvertrag verstoßen würde, wenn es grundlos erfolgt bzw. der Anlass bestritten wird. Unter diesem Aspekt wäre die faktische Durchsetzungsmacht zwar größer als gegenüber Sportwettenvermittlern, die an andere Sportwettenanbieter als die STLG vermitteln, aber letztlich auch nicht wieder so signifikant größer, dass sich hieraus die Erforderlichkeit eines staatlichen Monopols begründen ließe.
71 
Es mag auch zutreffen, dass es für die staatliche Aufsichtsbehörde einen geringeren Aufwand darstellt, lediglich das Werbekonzept eines einzigen staatlichen Sportwettenmonopolisten zu kontrollieren anstatt die Werbekonzepte von drei bis vier großen überregional auftretenden internationalen Sportwettenanbietern zu prüfen. Andererseits erfordert die Kontrolle der Werbung noch den geringsten Aufwand im Rahmen der gesamten Kontrolltätigkeit, denn in der Regel wird es sich um nur wenige gleichlautende Plakate, Werbespots oder Hinweiszettel handeln, die sich relativ leicht und schnell auf Verstöße gegen die Werbeeinschränkungen aus dem GlüStV kontrollieren lassen.
72 
Wie das vorgelegte Sozialkonzept des Verbands der Europäischen Wettunternehmer (VEWU) zeigt, sind diese auch durchaus bereit, sich freiwillig Beschränkungen hinsichtlich der Gewinnausschüttungsquote, der Art und des Zuschnitts der Sportwettenangebote und der Ausgestaltung ihrer Wettbüros aufzuerlegen, ein System der Spielersperre zu installieren, einen Sicherungsfond gegen Insolvenzausfälle einzurichten und Jugendlichen konsequent den Zugang zu verweigern, so dass es ihnen gegenüber jedenfalls nicht einer stärkeren und dichteren staatlichen Kontrolle als gegenüber den privaten Annahmestelleninhabern der STLG bedürfte.
73 
Was die Kriminalitätsrisiken und Betrugsgefahren angeht, hat das beklagte Land selbst eingeräumt, dass diese nicht an erster Stelle der Ziele stehen, mit denen das staatliche Monopol zu rechtfertigen ist. Das insoweit nach den europarechtlichen Vorgaben darlegungsbelastete Land hat es auch nicht vermocht, zur Frage negativer bisheriger Erfahrungen mit den privaten Betreibern legaler Glücksspiele (Pferdewetten, Geldspielautomaten, Spielcasinos) sowie mit den privaten Annahmestelleninhabern der STLG hinsichtlich der Kriminalitätsbelastung aussagekräftigen Angaben zu machen. Es mag zwar sein, dass es in diesem Bereich Dunkelziffern gibt und dass die Anzeigefreudigkeit von Kriminalitätsopfern gering ist, die sich im Bereich illegaler Glücksspiele womöglich wegen eigener Teilnahme nach § 285 StGB strafbar machen würden. Hier aber geht es um legale Glücksspielbereiche, die obendrein seit Jahrzehnten von Privaten betrieben werden, so dass bei wirklichen Missständen zu erwarten wäre, dass entsprechende Kriminalitätsbelastungen zumindest ansatzweise bekannt geworden wären. Dafür fehlt hier aber jeder Anhaltspunkt. Zwar mag immerhin ein gewisser Anteil der mit Untersagungsverfügungen landesweit geschlossenen ca.700 privaten Sportwettenbüros selbst nach Bestätigung der Untersagungsverfügungen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Vermittlungstätigkeit tatsächlich nicht aufgegeben und sich damit als nicht rechtstreu bzw. mit Blick auf § 284 StGB womöglich sogar als kriminell erwiesen haben. Das besagt aber nicht, dass ein staatliches Monopol erforderlich ist, um mit dem Sportwettenbetrieb verbundene Kriminalitätsgefahren zu bekämpfen.
V.
74 
Noch einmal zu bestätigen ist schließlich, dass das Sportwettenmonopol mangels systematischer und kohärenter Zielverfolgung auch EG-wettbewerbswidrig ist. (vgl. dazu bereits Urteil vom 16.4.2008, unter II.4.). Der Einwand des beklagten Landes, die Ausführungen der Kammer in den Urteilen vom 16.4.2008 ließen nicht erkennen, welcher Bezug der Wettbewerbsvorschriften zum subjektiven Recht des jeweiligen Klägers bestehe bzw. es werde übersehen, dass die Wettbewerbsvorschrift des Art. 82 EG sich nicht an den Staat, sondern an Unternehmen richte, greift nicht durch.
75 
Die Prüfung des Sportwettenmonopols erfolgt am Maßstab des Art. 86 EG. Adressaten von Art. 86 Abs. 1 EG sind ausschließlich die Mitgliedstaaten und nicht die Unternehmen selbst, für die wiederum direkt nur Art. 81 und 82 EG gelten. Den Mitgliedsstaaten stehen Hoheitsträger im Staatsgebiet, insbesondere die Gebietskörperschaften gleich. Gerade im Bereich von - wie hier - Dienstleistungsmonopolen gelangt Art. 86 EG in Verbindung mit den Wettbewerbsregeln zur Anwendung (Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, 4. Auflage 2007, B. Art. 86 im System des EG-Vertrags, Rnrn. 55, 56; von Burchard, in: Schwarze, EU-Kommentar, 1. Aufl. 2000, Art. 49 Rnr. 87 [unter Hinweis darauf, dass der EuGH offenbar Art. 86 Abs. 2 EG gegenüber Art. 49 EG als speziellere Vorschrift ansehe] und Art. 86 Rnr. 11). Die Tatsache, dass Art. 86 Abs. 1 EG die Existenz von Unternehmen voraussetzt, die bestimmte besondere oder ausschließliche Rechte innehaben, ist nicht dahin zu verstehen, dass alle besonderen und ausschließlichen Rechte notwendigerweise mit dem EG-Vertrag vereinbar sind. Dies hängt vielmehr von den Vertragsvorschriften ab, auf die Art. 86 Abs. 1 EG verweist (so zu Art. 90 Abs. 1 EG-Vertrag: EuGH, Urt. v. 19.3.1991 - C-202/88 - [Telekommunikations-Endgeräte], Leitsatz 2; von Burchard, a.a.O., Art. 86, Rnr. 27). Zu den zu beachtenden Vorschriften gehören - soweit vorliegend bedeutsam - insbesondere der ausdrücklich in Art. 86 Abs. 1 EG genannte Art. 82, ferner aber gerade auch die Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr (EuGH, Urt. v. 18.6.1991 - C-260/89 [ERT], Rnr. 27). Dem Anwendungsbereich des Art. 86 EG unterfallen folglich auch Maßnahmen eines Mitgliedstaats (hier: Inkraftsetzen einer Gesetzesbestimmung), mit denen er eine Lage schafft, in der das bevorrechtigte Unternehmen schon durch die bloße Ausübung des übertragenen Rechts (hier: monopolartige Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten) zwangsläufig gegen den Vertrag verstoßen muss (EuGH, Urt. v. 11.12.1997 - C-55/96 [Job Centre] - Rnr. 29; von Burchard, a.a.O., Art. 86 Rnr. 37). Ein wettbewerbswidriges Verhalten der STLG muss sich damit aber das beklagte Land zugleich als unzulässige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zurechnen lassen (so auch von Burchard, a.a.O., Art. 49 Rnr. 88), worauf sich der jeweilige grundfreiheitsberechtigte Kläger wiederum für den Erfolg seiner Klage berufen kann.
VI.
76 
Die angefochtene Untersagungsverfügung des Regierungspräsidiums ist auch insoweit rechtswidrig und aufzuheben, als sie die Vermittlung von Sportwetten an solche Veranstalter untersagt, die im Bundesgebiet ansässig sind. Zwar vermittelte der Kläger in der Vergangenheit Sportwetten nur an einen in einem EU-Mitgliedsstaat ansässigen und dort konzessionierten Sportwettenveranstalter. Die angefochtene Verfügung untersagt aber darüber hinaus umfassend auch jede Vermittlungstätigkeit für im Bundesgebiet ansässige Sportwettenveranstalter. Eine solche Dienstleistung ohne grenzüberschreitenden Bezug wird vom Schutz der Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EG nicht erfasst. Ob die Verfügung insoweit bereits deshalb rechtlichen Bedenken unterliegt, weil die Ermittlungen und Feststellungen, die zum Erlass der Verfügung führten, keine Anhaltspunkte für die Annahme einer Vermittlung an einen im Bundesgebiet ansässigen privaten Veranstalter ergaben, kann offen bleiben. Denn jedenfalls leidet die Verfügung an einem zu ihrer Rechtswidrigkeit führenden Ermessensfehler. Da das staatliche Sportwettenmonopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung keine rechtmäßige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EG darstellt und deshalb gemeinschaftsrechtswidrig ist, müssen - jedenfalls bis zu einer gemeinschaftsrechtskonformen Ausgestaltung - Wettvermittlungen an in EU-Mitgliedsstaaten ansässige und dort konzessionierte Sportwettenveranstalter vom beklagten Land hingenommen werden, soweit sie durch Unionsbürger oder in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaften im Sinne der Art. 55, 48 EG erfolgen. Auf derartige Wettvermittlungen beschränkte sich die bisherige Tätigkeit des Klägers. Vor diesem Hintergrund kann das beklagte Land das mit den Untersagungsverfügungen verfolgte Ziel, landesweit die Vermittlung von Sportwetten an private Veranstalter zu unterbinden, weil es diese Tätigkeit wegen des staatlichen Sportwettenmonopols für unerlaubt hält, nicht mehr verwirklichen. Der terrestrische Vertrieb von Sportwetten betrifft in ganz erheblichem Umfang Sportwettenveranstalter, die im EU-Ausland ansässig sind, weil sie ihr Sportwettengeschäft auch über terrestrische Annahmestellen abwickeln. Entfällt demnach derzeit für das beklagte Land die Möglichkeit, die Vermittlung von Sportwetten an im EU-Ausland ansässige Sportwettenveranstalter zu unterbinden, bedarf es im Rahmen der Ermessensausübung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV tragfähiger Erwägungen, die ein Einschreiten gegen die Sportwettenvermittlung im Inland rechtfertigen, obwohl die weit umfangreichere grenzüberschreitende Vermittlung ins EU-Ausland hingenommen werden muss. Solche Erwägungen finden sich weder in der angefochtenen Untersagungsverfügung noch sind sie bisher vorgetragen worden.
VII.
77 
Der Kläger ist nicht Angehöriger eines Mitgliedsstaats, sondern Drittstaatsangehöriger. Drittstaatsangehörige können sich grundsätzlich nicht auf Art. 49 EG berufen. Von der Möglichkeit des Art. 49 Satz 2 EG, die Dienstleistungsfreiheit auf in der Gemeinschaft ansässige Drittstaatsangehörige auszudehnen, wurde - soweit ersichtlich - bislang kein Gebrauch gemacht (vgl. Schwarze, EU-Kommentar, 1. Auflage 2000, Art. 49 EGV, RdNr. 36). Ob im vorliegenden Fall der persönliche Geltungsbereich des Art. 49 EG im Wege eines Assoziierungsabkommens auf Drittstaatsangehörige ganz oder teilweise erstreckt wurde, erscheint fraglich, kann aber offen bleiben. Die angefochtene Untersagungsverfügung erweist sich nämlich auch dann als rechtswidrig, wenn sich der Kläger nicht auf Art. 49 EG berufen kann.
78 
Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV steht es im Ermessen des Regierungspräsidiums, die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür zu untersagen. Auf den einzelnen Fall bezogene Ermessenserwägungen enthält die angefochtene Untersagungsverfügung nicht. Vielmehr schreitet das Regierungspräsidium landesweit gegen jeden privaten Sportwettenvermittler mit Untersagungsverfügungen ein, weil es dessen Tätigkeiten aufgrund des staatlichen Sportwettenmonopols für unerlaubt hält. Da dieses in seiner derzeitigen Ausgestaltung jedoch keine gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt und deshalb gemeinschaftsrechtswidrig ist, müssen - jedenfalls bis zu einer gemeinschaftsrechtskonformen Ausgestaltung - Wettvermittlungen an in EU-Mitgliedstaaten ansässige und dort konzessionierte Sportwettenveranstalter vom beklagten Land hingenommen werden, wenn sie durch Unionsbürger oder in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaften im Sinne von Art. 55, 48 EG erfolgen. Mit einem Einschreiten ausschließlich gegen Sportwettenvermittlungen durch im Bundesgebiet ansässige Drittstaatsangehörige lässt sich das mit den Untersagungsverfügungen verfolgte Ziel nicht erreichen, landesweit die Vermittlung von Sportwetten durch Private zu unterbinden, um auf diese Weise die Spielleidenschaft zu begrenzen und die Spielsucht zu bekämpfen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Unterbindung grenzüberschreitender Sportwettenvermittlungen in das EU-Ausland ausschließlich gegenüber Drittstaatsangehörigen mit dem bei der Ermessensausübung zu wahrenden Gleichbehandlungsgebot und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist (vgl. hierzu OVG Saarland, Beschl. v. 25.04.2007 - 3 W 24/06 - juris).
VIII.
79 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Kammer hat keinen Anlass, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO).
80 
Da diese Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, ist die Berufung zuzulassen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Gründe

 
14 
Die Anfechtungsklage ist ohne Durchführung eines Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 VwGO, § 6 a Satz 1 AGVwGO) zulässig und begründet. Die angegriffene Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15 
Die Kammer hat in den Urteilen vom 16.04.2008 (u.a. 1 K 2683/07, juris = www.vgfreiburg.de > Entscheidungen = www.glücksspielstaatsvertrag.de >Urteile) entschieden, dass das staatliche Sportwettenmonopol in Baden-Württemberg derzeit eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG) darstellt und europarechtswidrig ist. An dieser Auffassung hält die Kammer auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 09.07.2008 fest. Zu den dagegen erhobenen Einwendungen des beklagten Landes ist im Einzelnen zu sagen:
I.
16 
Die Kammer geht in den o. g. Urteilen davon aus, die Europarechtswidrigkeit der Bestimmungen des Glückspielstaatsvertrages, die das staatliche Sportwettenmonopol begründen (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV), erfasse auch die Eingriffsgrundlage des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV sowie die Bestimmungen über die Erlaubnispflicht und das Verbot des Veranstaltens und des Vermittelns unerlaubten Glücksspiels in § 4 Abs. 1 GlüStV.
17 
Das beklagte Land wendet dagegen ein, die vom Verwaltungsgericht angenommene Europarechtswidrigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols lasse die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 4 Abs. 1 GlüStV über die Erlaubnispflicht für öffentliche Glücksspiele unberührt. Da eine solche Erlaubnis nicht vorliege, sei die angefochtene Untersagungsverfügung auch bei unterstellter Europarechtswidrigkeit des Sportwettenmonopols rechtmäßig.
18 
Dem folgt die Kammer nicht.
19 
Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 06.03.2007 (C - 338/04 -Placanica-) ausgeführt, ein polizeiliches Genehmigungsverfahren, mit dem die im Glücksspielsektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer einer vorherigen Kontrolle unterzogen würden, sei zwar eine ohne weiteres verhältnismäßige Maßnahme. Setze die Erteilung einer solchen polizeilichen Genehmigung aber den Besitz einer Konzession voraus, von deren Erhalt die betroffenen Personen unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht ausgeschlossen worden seien, hafteten auch dem polizeilichen Genehmigungsverfahren die europarechtlichen Mängel an, die die Konzessionsvergabe berührten (vgl. RdNr. 65 bis 67 des Urteils).
20 
Das gilt gleichermaßen für die Bestimmung über die Erlaubnispflicht für öffentliche Glücksspiele in § 4 Abs. 1 GlüStV. Die danach erforderliche Erlaubnis kann privaten Sportwettenvermittlern oder Sportwettenveranstaltern nicht erteilt werden, weil aufgrund des staatlichen Monopols diese Tätigkeiten nur juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder privatrechtlichen Gesellschaften erlaubt werden (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV), an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind. Ein auf präventive Kontrolle gerichtetes Erlaubnisverfahren existiert für private Sportwettenveranstalter nicht. Das Fehlen einer Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 GlüStV, die sich Private wegen des europarechtswidrigen staatlichen Sportwettenmonopols nicht hätten beschaffen können, scheidet deshalb als zulässiger Grund einer Untersagung aus.
21 
Entgegen der Auffassung des beklagten Landes folgt aus dem Urteil des EFTA-Gerichtshofs vom 30.05.2007 (RS. 3/06 - Ladbrokes -) nichts anderes. Die Ausführungen des Gerichtshofs unter RdNr. 88, auf die das beklagte Land in diesem Zusammenhang hinweist, betreffen die Antwort auf die fünfte Vorlagefrage (vgl. RdNr. 82 ff.). Mit der fünften Vorlagefrage wollte das vorlegende norwegische Gericht wissen, ob durch Art. 36 EWR eine nationale gesetzliche Regelung präkludiert wird, die das Anbieten und Vermarkten von Glücksspielen untersagt, für die in Norwegen keine Konzession erteilt wurde, die aber nach dem nationalen Recht eines anderen EWR-Staates gestattet sind. Hierzu führt der EFTA-Gerichtshof unter RdNr. 84 aus, sofern und soweit das nationale Gericht zu der Auffassung gelangen sollte, dass die in den drei Gesetzen enthaltenen Verbote für gewerbsmäßige Anbieter irgendeiner Form von Glücksspielen eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 36 EWR) seien, könnten die nationalen Behörden den ausländischen Anbietern immer noch die Pflicht zur Beantragung einer nationalen Konzession mit denselben auch für einheimische Anbieter geltenden Voraussetzungen und Anforderungen auferlegen.
22 
Das hat auch die Kammer in ihren o. g. Urteilen nicht in Frage gestellt. Zur Beantwortung der Frage, ob die Europarechtswidrigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols auch die Erlaubnispflicht des § 4 Abs. 1 GlüStV erfasst, geben diese Ausführungen jedoch nichts her. Denn ein Erlaubnis- oder Konzessionsverfahren für private Veranstalter sieht der Glücksspielstaatsvertrag - wie oben ausgeführt wurde - gerade nicht vor. Vielmehr kann ein privater Anbieter selbst bei Erfüllung sämtlicher materieller Voraussetzungen des Glücksspielstaatsvertrages die erforderliche Erlaubnis nicht erhalten.
23 
Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 22.11.2007 (1 BvR 2218/06) entschieden, dass eine ordnungsrechtliche Untersagungsverfügung, die - wie im vorliegenden Fall - nicht mit anderen Gefahren für ordnungsrechtliche Schutzgüter, sondern allein mit einem objektiven Verstoß gegen das staatliche Sportwettenmonopol begründet ist, sich wegen der verfassungswidrigen Rechtslage jedenfalls in der Zeit bis zum 28.03.2006 nicht als rechtmäßig erweisen kann. Zwar betrifft diese Entscheidung die Unvereinbarkeit des Monopols mit Art. 12 Abs. 1 GG. Hinsichtlich der Unvereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht kann aber nichts anderes gelten.
II.
24 
Die Kammer ist weiterhin der Auffassung, dass das Sportwettenmonopol des Landes in seiner derzeitigen Ausgestaltung nach wie vor eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs (Art. 49 EG) darstellt (vgl. Urteile vom 16.04.2008, dort unter II. 2 a) - d)). Folgendes ist nochmals zu betonen:
25 
Europarechtlich steht es im Ermessen jedes Mitgliedsstaats, welches Schutzniveau er im Bereich von Glücksspielen gewährleisten will (EuGH, Urt. Schindler, Rdnr. 60, 61; Urt. Zenatti, Rdnr. 33, 34). Er kann sich etwa für ein Präventionsmodell entscheiden, das auf eine wesentliche Verminderung der Gelegenheit zum Spiel ausgerichtet ist, oder auch für ein Kanalisierungsmodell, das darauf abzielt, durch ein auf Einnahmeerzielung und Expansion angelegtes Angebot einer begrenzten Zahl konzessionierter Privater die Glücksspieltätigkeiten aus dem Bereich des Illegalen und Kriminellen in geordnete und staatlich überwachte Bahnen zu lenken (EuGH, Urt. Placanica, Rdnr. 54, 55).
26 
Dies bedeutet aber nicht, dass der deutsche Gesetzgeber nach nationalem Recht die Gestaltungsfreiheit hätte, sich für ein Kanalisierungsmodell in Form eines staatlichen Monopols zu entscheiden. Ein solches auf Einnahmeerzielung und Expansion angelegtes, europarechtlich zulässiges Monopol wäre verfassungswidrig (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01 , Rdnr. 107, 141). Denn ein staatliches Monopol für Sportwetten ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft ausgerichtet ist (BVerfG, a.a.O., Rdnrn. 98, 119, 120). Daher kann die Aufgabe der Länder nach § 10 GlüstV, ein ausreichendes Glücksspielangebot mit dem Ziel der Kanalisierung des Spieltriebs der Bevölkerung (§ 1 Nr. 2, 2. Alt. GlüStV) sicherzustellen, nicht etwa als ein Auftrag verstanden werden, der gleichrangig neben dem Auftrag zur Suchtbekämpfung (§ 1 Nr. 1 GlüStV) steht. Vielmehr hat von Verfassungs wegen die Suchtbekämpfung im Vordergrund zu stehen; nur diese rechtfertigt ein Monopol. Die Sicherstellung eines ausreichenden Glücksspielangebots und die Kanalisierung des Spieltriebs sind verfassungsrechtlich nur zulässig, soweit sie als Mittel zum Zweck der Suchtbekämpfung dienen. Dementsprechend ist der Glücksspielstaatsvertrag verfassungskonform auszulegen.
27 
Europarechtlich ist zu untersuchen, ob der Glücksspielstaatsvertrag als Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit geeignet ist, die Verwirklichung des - verfassungsrechtlich gebotenen - Ziels der Suchtbekämpfung zu gewährleisten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 32; Urt. Gambelli, Rdnr. 65). Dies bedeutet, dass er kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen muss (EuGH, Urt. Gambelli, Rdnr. 67; Urt. Placanica, Rdnr. 53; siehe auch EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 14.03.2007, E-1/06 – Gaming Machines, Rdnr. 53).
28 
Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Sportwetten-Urteil vom 28.3.2006 ein Staatsmonopol nur dann für zulässig erachtet, wenn es konsequent am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Spielsucht ausgerichtet und mit materiellrechtlichen Regelungen und strukturellen Sicherungen versehen ist (a.a.O., Rdnr. 120). Insoweit laufen die europarechtlichen und die verfassungsrechtlichen Vorgaben also parallel (BVerfG, a.a.O., Rdnr. 144). Daher können die Anforderungen, die sich aus dem Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergeben, auch zur Beantwortung der Frage der europarechtlichen Kohärenz und Konsistenz herangezogen werden.
29 
Allerdings ist europarechtlich, anders als verfassungsrechtlich, nicht nur die rechtliche Ausgestaltung der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit maßgeblich, sondern es kommt auch auf ihre tatsächlichen Anwendungsmodalitäten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 37, Urt. Gambelli, Rdnr. 75, 76) und ihre Handhabung in der Praxis an (EuGH, Urt. Rosengren, Rdnr. 46). Jedoch sind die vom Europäischen Gerichtshof geforderte „Kohärenz“ und „Systematik“ hinsichtlich der Begrenzung der Wetttätigkeiten ohne normative Vorgaben zur Ausgestaltung eines staatlichen Monopolbetriebs kaum denkbar, so dass zunächst das rechtliche Regelungssystem in den Blick zu nehmen ist. Seine tatsächliche Umsetzung darf aber nicht aus den Augen verloren werden.
III.
30 
Die Kammer hält auch bei Berücksichtigung der aktuellen Situation an der Auffassung fest, dass es an einer rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung des Monopols fehlt, die als konsequenter und aktiver bzw. systematischer und kohärenter Beitrag zur Vermeidung und Abwehr von Spiel- und Wettsucht angesehen werden kann (vgl. Urteile vom 16.4.2008, dort unter II.2.e.). Bereits in der Gestaltung des terrestrischen Vertriebssystems liegt ein wesentlicher Strukturmangel (dazu unter 1.), der auch durch Folge- und Begleitmaßnahmen nicht kompensiert wird (dazu unter 2.). Schließlich fehlt es daneben an einem effektiven Kontrollsystem (dazu unter 3.).
31 
1. Schon mit der Wahl und Einrichtung der Vertriebswege hat das Land Baden-Württemberg einen Weg beschritten, der angesichts der Anzahl der Wettannahmestellen (dazu a.), ferner der unterlassenen begleitenden Bekämpfung des illegalen Wettmarktes (dazu b.) sowie schließlich mit Blick auf die inhaltliche Ausgestaltung des Annahmestellenwesens (dazu c.) und seine betont wirtschaftliche Basis (dazu d.) nicht wirklich der Zielerreichung dienen kann.
32 
a) Bereits die äußerst geringe Reduktion der Zahl der Annahmestellen spricht gegen einen Systemwechsel bzw. -wandel, wie er erforderlich gewesen wäre, um einen konsequenten Übergang von einem aus rein unternehmerischem - d.h. wirtschaftlichem - Kalkül hervorgegangenen Annahmestellennetz im Jahr 2006 zu einem zulässigerweise nur an Begrenzung und Kanalisierung der Wettleidenschaft orientiertem Vertriebssystem zu belegen. Die Zahl der noch Anfang 2006 vorhandenen 3.764 baden-württembergischen Annahmestellen ist im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auf 3.612 gesunken. Das bedeutet eine Verminderung um absolut nur 152 und relativ nur etwa 4% der Stellen. Kamen früher 2.852 Einwohner auf eine Annahmestelle, so sind es heute immer noch 2.972, d.h. jede der noch vorhandenen Annahmestellen versorgt geringfügig mehr Einwohner, nämlich 120.
33 
An dem vom Bundesverfassungsgericht im Sportwettenurteil vom 28.3.2006 (dort Rdnr. 138) bzw. in der Baden-Württemberg betreffenden Entscheidung vom 4.7.2006 (1 BvR 138/05 - juris) erhobenen und beanstandeten Befund, wonach Sportwetten über ein breit gefächertes Netz von Lotto-Annahmestellen vertrieben werden, welches mit der Maxime „weites Land - kurze Wege“ einhergeht, hat sich damit in quantitativer Hinsicht so gut wie nichts geändert.
34 
Gründe, die diesen in quantitativer Hinsicht auffälligen und problematischen Ausgangsbefund in positiver Hinsicht relativieren könnten, sind nicht vorhanden. Bereits normativ geht weder aus dem GlüStV (§ 10 Abs. 3) noch aus dem AGGlüStV (§§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5, 7 Abs. 1) hervor, wie die beabsichtigte Begrenzung der Zahl der Annahmestellen zwecks Gewährleistung eines ausreichenden Spielangebots in absoluten Zahlen bzw. zumindest in methodischer Hinsicht durchzuführen ist. Die Umsetzung ist folglich der Aufsichtsbehörde und der staatlichen Toto-Lotto GmbH (im Folgenden: STLG) überlassen, ohne dass es normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften oder andere orientierende Hilfen gäbe. Wie die Vertreter der STLG letztlich selbst in der mündlichen Verhandlung eingeräumt haben, ist Ausgangspunkt für die künftigen Bedarfszahlen die „historisch gewachsene“ Zahl der Annahmestellen des Jahres 2006 gewesen. In ihrem Vertriebskonzept vom Juni 2008 (dort Seite 4, Mitte) führt die STLG zwar aus, aufgrund des Sportwettenurteils des Bundesverfassungsgerichts sei in der Zeit nach 2006 der Wegfall von Annahmestellen nicht mehr durch die Aufnahme neuer Annahmestellen in das Vertriebsnetz ausgeglichen worden. Der bloße Verzicht auf eine Ausweitung und die schlichte Hinnahme des Wegfalls von Stellen lediglich im Rahmen der üblichen Fluktuation stellen jedoch alles andere als eine aktive und systematische Begrenzungspolitik dar. Berücksichtigt man ferner die Angaben des Beklagten-Vertreters in der mündlichen Verhandlung vom 16.4.2008, wonach in etwa 40 bis 50 Fällen für geschlossene Annahmestellen jeweils sogar noch Ersatz zugelassen wurde (entweder in Gestalt des Weiterbetriebs durch einen neuen Inhaber oder aber durch Eröffnung einer neuen Annahmestelle in der Nachbarschaft), ist diese ohnehin schon äußerst geringfügige und eher als passiv zu bezeichnende Reduktion sogar noch in sich zurückhaltend gewesen.
35 
Schlüssig und überzeugend geht eine systematische Politik auch nicht aus dem Vertriebskonzept der STLG vom Juni 2008 hervor. Vielmehr ist dort (Seiten 4 ff.) feststellbar, dass die vom Monopolisten im Mai 2008 vorgefundene Zahl von 3.630 Annahmestellen schlicht mit einem Bedarfsberechnungsmodell „überzogen“ und „gebilligt“ wurden, welches nicht darlegt, wie es anhand von „Einwohnerbewegungen“, „Verteilung der Kaufkraft“ sowie „Einkaufsströmen“ zu den konkreten Richtwerten für ländliche, städtische und großstädtische Gebiete gelangt. Ohnehin lässt die Verwendung dieser eher an Marketingstrategien erinnernden Parameter nicht erkennen, welchen tauglichen Beitrag sie zum ausschließlich zulässigen Ziel einer Vermeidung und Begrenzung von Glücksspielsucht leisten können. Die Kammer verkennt nicht die sowohl im Vertriebskonzept als auch in der mündlichen Verhandlung von den Vertretern der STLG geäußerten Schwierigkeiten, konkrete Zahlen zu greifen. Dieses Dilemma ist jedoch letztlich auf das Fehlen konkreter Vorgaben im Gesetz bzw. durch die Aufsichtsbehörde zurückzuführen. Gerade eine nicht - oder jedenfalls nicht ausschließlich - vom Monopolisten selbst ermittelte Zahl der erforderlichen Annahmestellen wäre weitaus weniger anfällig für etwaige (und wenn auch noch so unbewusste) systemwidrige und unzulässige Rücksichten auf vorhandene Vertriebsstrukturen gewesen.
36 
b) Daran ändert nichts, dass das RP Karlsruhe das Vertriebskonzept im Kontext der Erteilung der Glücksspielerlaubnis prüft bzw. bereits - offensichtlich mit dem Ergebnis der Billigung - geprüft hat. Denn gerade auch von der Aufsichtsbehörde kamen insoweit in der mündlichen Verhandlung keine substantiierten Argumente, welche die dargelegten Bedenken hätten zerstreuen können. Zwar prognostiziert das Vertriebskonzept in der Endstufe die Absicht, mit ca. 3.300 Annahmestellen auszukommen. Notwendige Bedingung hierfür soll aber der Rückgang der nach dem GlüStV illegalen Konkurrenzangebote terrestrisch und im Internet tätiger privater Wettanbieter und -vermittler sein. Das RP Karlsruhe hat insoweit ausgeführt, gegen die (ca. 30 % bis 50 % des Sportwettenumsatzes erzielenden) Internetanbieter solle zunächst mit Grundverfügungen vorgegangen werden (zu einem solchen Fall vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 5.11.2007 - 6 S 2223/07 -, ZfWG 2007, 432), um dann auf einer nächsten Stufe unter Zusammenarbeit mit den Banken oder notfalls auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 4 GlüStV die Finanzströme betreffend untersagte Sportwetten zu unterbrechen. Damit aber wird deutlich, dass sich ein überaus wichtiger Teilbereich der Glücksspielpolitik (noch) in einem äußerst „frühen Stadium“ befindet. Ein möglicher Schritt zur Austrocknung des illegalen Glücksspielmarkts wurde folglich bislang unterlassen. Obwohl die strukturellen Gefahren eines staatlichen Glücksspielmonopols spätestens seit Frühjahr 2006 bekannt waren, wurde dem Monopolisten nicht nur die Erstellung eines Vertriebskonzepts überlassen, sondern auch (noch) keine wirklichen Schritte unternommen , eine Begrenzung der Vertriebswege zugleich mit der Bekämpfung der wirtschaftlichen Basis des illegalen Sportwettenmarkts konsequent zu begleiten.
37 
c) Ferner weist diese fortdauernd auf Breite angelegte Vertriebsstruktur auch qualitativ erhebliche Mängel auf, weil sie (noch) nicht systematisch und konsequent vom Charakter einer „grundsätzlich unbedenklichen Freizeitbeschäftigung“ (vgl. Sportwettenurteil Rdnr. 125) und eines „allerorts verfügbaren normalen Gutes des täglichen Lebens“ (vgl. Sportwettenurteil Rdnr. 138) Abstand nimmt. Mit dem Vertrieb der Sportwetten in Zeitschriften-, Schreibwaren- und Tabakläden sowie in Supermärkten und Tankstellen hat der Monopolist an der gesuchten „bewussten Nähe zum Kunden“ (Sportwettenurteil Rdrn. 138) nichts geändert. Dass die STLG diese Betriebsstätten im Rahmen des Kanalisierungsauftrags für den Zweck der kommunizierten Suchtprävention als „besonders geeignet“ darstellt (Vertriebskonzept Seite 5), verstellt den Blick darauf, dass gerade diese Vertriebsform des legalen Sportwettenangebots in der Öffentlichkeit problematischem Spielverhalten weiterhin Vorschub leistet. So ist es nach Auffassung der Kammer inkonsequent, dass die STLG für sich in Anspruch nimmt, zur Erfüllung des Ordnungsauftrags derzeit und bis auf weiteres auf die konkrete hohe Zahl von Annahmestellen angewiesen zu sein, aus dieser „Präsenzforderung“ jedoch gleichwohl nicht die Notwendigkeit ableitet, ein weitaus zurückhaltenderes als aktuell an den Tag gelegtes Werbeverhalten zu betreiben. Vielmehr betreibt der Monopolist parallel zur breitflächigen Vermarktung eine intensive - wenngleich um die Möglichkeit auffordernden, anreizenden oder ermunternden Charakters reduzierte sowie im Fernsehen, im Internet und über Telekommunikationsanlagen verbotene - Werbung mittels Radio, Printmedien, Litfasssäulen und Postwurfsendungen. Es ist nicht ersichtlich und von den Vertretern der STLG in der mündlichen Verhandlung auch nicht überzeugend dargelegt worden, warum die (aus Sicht der STLG weiterhin erforderliche) breit gefächerte „physische Präsenz“ von Glücksspielannahmestellen eine zusätzliche, über den Ort der Leistung hinausgehende weitere Werbung als Begleitmaßnahme benötigt.
38 
An dem nach Auffassung der Kammer folglich fortdauernden Signal, man vertreibe immer noch, wenngleich nunmehr modifiziert, ein Gut des täglichen Lebens, ändern auch sonstige Modalitäten beim Vertrieb nichts. Die Wirkung von Vorkehrungen wie Identifizierung des Kunden unter Verwendung einer Kundenkarte, Verstärkung des Minderjährigenschutzes sowie Hinweise auf Spielscheinen und Aufklärungsmaterial über die Gefahren des Spiels (vgl. Vertriebskonzept, Seite 6) wird nach Auffassung der Kammer schon vor dem Hintergrund der nahezu unveränderten Annahmestellen-Zahl überschätzt. Gerade weil die in den Annahmestellen verkehrenden Kunden des Einzelhandels, zu denen regelmäßig auch Kinder und Jugendliche gehören, die Parallelität des Verkaufs von Glücksspielen mit demjenigen von Produkten des täglichen Bedarfs ständig wahrnehmen, darf ein Gewöhnungseffekt nicht vernachlässigt werden. Selbst das neuerdings getrennte „Kassenwesen“, also ein doppelter Kassiervorgang bei gleichzeitigem Einkauf von Waren aus dem Hauptsortiment und von Lotterieprodukten, kann niemanden darüber hinwegtäuschen, dass Verkaufsstellen zugleich auch Annahmestellen sind. Ferner steht im Zeitalter zahlreicher, verschiedenster Kundenkarten eine spezifisch disziplinierende Funktion einer solchen Karte im Bereich des Glücksspiels nicht mit der erforderlichen Gewissheit fest. Das beklagte Land hat zwar Umsatzrückgänge bei den Sportwetten im Jahr 2007 von 28 % (Oddset-Kombiwette) bzw. 48 % (Toppwette) sowie im ersten Quartal 2008 von weiteren 22 % bzw. 32 % zum Beweis der Restriktionswirkung des Monopols ins Feld geführt. Eine nähere Analyse, worauf diese Rückgänge tatsächlich beruhen, und eine Aussage dazu, ob dies nicht nur ein vorübergehendes Phänomen ist, gibt es bislang jedoch nicht. Insofern ist der schon im Kammerurteil vom 16.4.2008 enthaltene Hinweis nicht nachhaltig entkräftet worden, der immerhin im Jahr 2007, also in Kenntnis eines künftig erforderlichen Restriktionskurses erstellte Geschäftsbericht 2006 der STLG gehe selbst von nur „vorübergehenden“ Umsatzrückgängen aus.
39 
d) Einen zentralen und fortdauernden Strukturmangel sieht die Kammer schließlich im wirtschaftlichen Aufbau des Annahmestellensystems. Der Monopolist bedient sich beim Vertrieb seines Wettangebots privater Dritter, die mittels umsatzabhängiger und folglich stets die Gefahr einer extensiven Vermarktung in sich bergender Provisionen bezahlt werden. Wie in der Vergangenheit auch, erhalten die Annahmestelleninhaber derzeit einen festen und einheitlichen Provisionssatz (Vertriebskonzept, Seite 11/12). Dieser liegt für alle Glücksspiele (ausgenommen Rubbellos, wo es 10 % sind) bei 6,6 % des bei den Annahmestellen getätigten Spieleinsatzes. Vergegenwärtigt man sich, dass angesichts des in 2007 in Baden-Württemberg getätigten Glücksspielumsatzes von ca. 1 Mrd. EUR jede der Annahmestellen hierzu einen (durchschnittlichen) Umsatz von etwa 270.000,-- EUR beitrug, was wiederum einer (durchschnittlichen) Jahresprovision (ohne Rubbellos) von etwa 18.000,-- EUR entsprach, kann diese Einnahmequelle wirtschaftlich nicht vernachlässigt werden.
40 
Das gilt ungeachtet der in Nr. 8 des jeweiligen Zusatzvertrages zwischen der STLG und den Annahmestellenleitern vereinbarten Bedingung, wonach die Verkaufsstelle nur im Nebenerwerb betrieben werden und der Spielbetrieb nicht die vorrangige Einnahmequelle sein darf. Diese Regelung ist nach Auffassung der Kammer ungeeignet, eine relevante Begrenzung und Steuerung des Wirtschaftsgebarens eines Annahmestellenleiters auszuüben. Mit dieser Formulierung sind schon Auslegungs- und Erfüllungsschwierigkeiten vorprogrammiert. Denn die Grenze zwischen Haupt- und Nebenerwerb kann periodisch durchaus fließend sein, ferner bleibt unklar, ob spätere Änderungen eine Mitteilungspflicht auslösen und schließlich kann kaum von allen der mehr als 3.600 Vertragspartner erwartet werden, dass diese ständig ihre möglicherweise zeitlich variierenden Erwerbsverhältnisse vor Augen haben. Weitaus problematischer allerdings ist es, dass das RP Karlsruhe - seitens der STLG übrigens bezeichnenderweise unwidersprochen - dem Begriff des „Nebenerwerbs“ die Auslegung gibt, das gesamte Glücksspielgeschäft dürfe bis 49 % des Umsatzes ausmachen. Es liegt aber selbst bei Parallelwertung durch einen Nicht-Kaufmann auf der Hand, dass ein dieser Interpretation noch genügender Umsatz von „nur“ 40 % bis 49 % wirtschaftlich für einen Annahmestelleninhaber von erheblicher Bedeutung ist. Ein wirtschaftliches „Standbein“ in dieser Größenordnung übt nämlich auf den Provisionsnehmer erhebliche Anreizwirkungen hin auf eine Umsatzsteigerung aus. Das gilt auch ungeachtet dessen, dass Sportwetten wiederum nur 4 % des gesamten Jahresglücksspielumsatzes ausmachen. Gerade weil die Bereitstellung des gesamten Wett- und Lotterieangebots in den Annahmestellen erfolgt (vgl. Seite 7 des Vertriebskonzepts - wenngleich dies unter dem Gesichtspunkt der „besseren sozialen Kontrolle“ hervorhebend), kann in wirtschaftlicher Hinsicht ein Anreiz des Annahmestelleninhabers, auch für Sportwetten Umsätze zu erzielen, vernünftigerweise nicht verneint werden. Zwar ist eine Reduktion der Umsatzabhängigkeit im Jahr 2009 vorgesehen und es soll dann auch der Einsatz weiterer umsatzunabhängiger Faktoren bei der Ausgestaltung der Provision geprüft werden (vgl. Vertriebskonzept, Seite 12), die zuvor dargelegten aktuellen - d.h. im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt existierenden - Mängel werden durch eine bloße Absicht jedoch nicht behoben.
41 
2. Die vorgenannten strukturellen Mängel des Vertriebskonzepts beeinträchtigen die Erreichung des Ziels der Spielsuchtbekämpfung auch derart gravierend, dass sie nach Auffassung der Kammer nicht durch die Kompensationsmaßnahmen des Beklagten wirklich ausgeglichen werden, die auf diesen Gebieten bis zum heutigen Zeitpunkt konkret ergriffen und umgesetzt wurden.
42 
a) Das System der Spielersperre in seiner jetzigen Ausgestaltung ist nicht geeignet, spielsuchtgefährdete oder gar klar spielsüchtige Wettteilnehmer zu identifizieren und von einer weiteren Teilnahme effektiv auszuschließen. Das zeigen schon die geringen Zahlen der tatsächlich verhängten Sperren: Im ersten Quartal 2008 wurden im Wege der Fremdsperre lediglich 9 Spieler durch die STLG gesperrt und damit effektiv vor sich selbst geschützt. Angesichts eines geschätzten Anteils von ca. 4 % Spielsüchtigen unter den Sportwettenteilnehmern (vgl. Stöver, Bremer Institut für Drogenforschung - BISDRO - , Glücksspiel in Deutschland - Eine repräsentative Untersuchung zur Teilhabe und Problemlage des Spielens um Geld, Dezember 2006, S.7 - aufrufbar unter: www.gluecksspielsucht.de > Forschungsergebnisse) und bei einer Gesamtzahl von 3612 Annahmestellen und bundesweit 250.000 Spielsüchtigen ist dies eine nur sehr geringe Zahl. Diese erklärt sich schon daraus, dass die Kriterien für die Verhängung einer Fremdsperre im Glücksspielstaatsvertrag, aber auch im Ausführungsgesetz nicht klar definiert werden. Auch die Kriterien, anhand deren die Annahmestellenbetreiber nach dem vorgelegten Sozialkonzept Spielsuchtgefährdete identifizieren sollen (unverhältnismäßig hohe Einsätze in Relation zum Einkommen, häufige große Verluste etc. - siehe § 9 Abs.1 S.1 Nr.2 GlüStV und S.26 der Schulungsunterlagen für die Verkaufsstellen als Anlage zum Sozialkonzept) sind kaum praktikabel, weil die Annahmestelleninhaber - außer bei persönlicher Bekanntschaft mit dem Teilnehmer oder in Fällen eines offensichtlichen äußeren Erscheinungsbildes - regelmäßig keine Kenntnis von den Einkommensverhältnissen ihrer Kunden und auch nicht von der Höhe ihrer sonstigen Einsätze bei anderen Annahmestellen haben. Obendrein lässt sich eine persönliche Identifizierung als Spielsüchtiger anhand übermäßig hoher und häufiger Einsätze und Verluste seitens der Teilnehmer leicht durch das Aufsuchen zahlreicher verschiedener Annahmestellen vermeiden, wie sie aufgrund des dichten Netzes buchstäblich „an jeder Straßenecke“ vorhanden sind. Von daher verfängt das Argument des Beklagten nicht, der durchschnittliche Spieleinsatz bei den Sportwetten betrage nur zwischen 8,50 und 14 EUR, so dass schon jeder davon abweichende höhere Einsatz auffalle und dem Annahmestellenbetreiber ggf. Anlass für Nachfragen geben könne. Ganz abgesehen davon beträgt nach eigenen Angaben der STLG der Höchsteinsatz pro Tipp auf einem Spielschein immerhin 250 EUR, so dass bis zu einem solchen Betrag wohl keine Nachfrage indiziert erscheint. Zudem wurde im Termin deutlich, dass die STLG gegenüber Fremdsperren eher eine zurückhaltende Linie verfolgt. Zum einen geht sie davon aus, dass die wirklich suchtgefährdeten Spieler sich ohnehin bei den privaten gewerblichen Sportwettenanbietern aufhalten, die 80% des gesamten Sportwettenmarktes ausmachen, und zum anderen befürchtet sie erklärtermaßen, Spielsuchtgefährdete sonst ganz aus den Augen bzw. an die private Konkurrenz zu verlieren. Sie favorisiert daher die Eigensperre, zu der sich der suchtgefährdete Spieler aufgrund nachhaltiger sozialpädagogischer Einwirkungen und Gesprächen mit Suchtberatungsstellen, Annahmestellenbetreibern und Bezirksdirektoren entschließt. Das Argument des Beklagten, andernfalls würden solche Spieler gleich zur privaten Konkurrenz abwandern, die ohnehin 80% des Marktes bediene, stellt im Übrigen das staatliche Monopol in aller Deutlichkeit selbst in Frage.
43 
Auch das Anfang 2008 eingeführte Oddset-Informationssystem trägt bei genauer Betrachtung nicht zu einer effektiveren Handhabung des im Glücksspielstaatsvertrag angelegten Instruments der Fremdsperre bei. Der Spielerschutz ist hier nur ein Nebeneffekt, da dieses System primär der Aufdeckung von Spielmanipulationen anhand ungewöhnlich hoher Umsatzzahlen bei einzelnen Annahmestellen dient und deshalb allenfalls mittelbar in Fällen über den Schwellenwerten (3000, 7000 und 10.000 EUR) liegender Umsätze dazu führen kann, dass eine bestimmte Annahmestelle und die dort wettenden Spieler und deren Verhalten genauer in den Blick genommen werden. Die genannten Schwellenwerte sind zudem derart hoch angesetzt, dass sie angesichts eines Durchschnittsumsatzes einer Annahmestelle von lediglich 180 EUR wöchentlich kaum dazu taugen, auf Spielsucht indizierende hohe Einsätze einzelner Spieler aufmerksam zu werden. Eine individuelle Identifizierung Spielsüchtiger anhand der Kundenkartenidentifizierung und der Datenbankinformationen der STLG über die Häufigkeit und Höhe der Einsätze und der Verluste ist außerdem schon aus Datenschutzgründen gar nicht möglich.
44 
b) Das zum Schutz spielsuchtgefährdeter Spieler und zur Vorbeugung der Spielsucht durchaus effektive und sinnvolle Instrument von nur maximal zuzulassenden Höchsteinsätzen pro Spieler gibt es schließlich nach wie vor nur in der seinerzeit von der Kammer in ihren Grundsatzurteilen als nicht zureichend qualifizierten rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung, die bis heute im Wesentlichen unverändert geblieben ist. Die Halbierung der Höhe des möglichen Einsatzes pro Tipp bei Oddset-Wetten von 500.- EUR auf 250.- EUR ändert nichts daran, dass mit mehreren Spielscheinen und an verschiedenen Annahmestellen weiterhin um insgesamt große Summen gespielt werden kann. Das Argument des Beklagten, eine weitere Verbesserung der Höchsteinsatzregelung sei schon deshalb nicht erforderlich, weil eine Höchstgrenze nur in Relation zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Sportwettenteilnehmers sinnvoll sei, verkennt, dass sich der Spielerkreis wohl überwiegend nicht aus finanziell und sozial besser Gestellten zusammensetzt, für die auch Einsätze von mehreren hundert Euro kein Problem darstellen, sondern aus Personen, die gerade durch das Wetten versuchen, ihre insoweit wirtschaftlich eher bescheidene Stellung aufzubessern (vgl. Hayer/Meyer, Das Gefährdungspotenzial von Lotterien und Sportwetten, Mai 2005, S.100, 101 - abrufbar unter: www.landesfachstelle-gluecksspielsucht-nrw.de/pdf/ gefaehrdungspotenzial-Hayer-Meyer.pdf, wonach 35% der befragten Sportwettenteilnehmer arbeitslos, Rentner, Student, oder berufsunfähig waren und 60% nur zwischen 500 -1500 EUR netto verdienten). Auch das Argument, eine strengere Höchstgrenzenregelung sei nicht erforderlich, weil ein einmaliges Spiel mit einem hohen Einsatz noch keine Suchtgefahren auslöse, spricht nicht gegen eine Höchstgrenzenregelung, die den Gesamteinsatz eines Spielers etwa pro Woche limitiert (siehe insoweit etwa Ziff.14 der Stellungnahme des Fachverbandes Glücksspielsucht e.V. zum Entwurf des Glücksspielstaatsvertrags - abrufbar unter www.gluecksspielsucht.de > Materialien > Stellungnahmen).
45 
c) Was die Spielsuchtbekämpfung und insbesondere die Prävention angeht, verkennt die Kammer nicht, dass hier ausweislich des mittlerweile vorliegenden Vertriebskonzepts und des ebenfalls jetzt vorgelegten Sozialkonzepts sowohl im Bereich der Hinweise, der Beratungsangebote als auch der Schulungen der Mitarbeiter der Annahmestellen deutliche Fortschritte gegenüber dem vom Bundesverfassungsgericht noch missbilligten Zustand im Jahre 2006 zu verzeichnen sind, als es in dieser Richtung gar keine bzw. nur sehr wenige Bemühungen gab. Inzwischen kann davon ausgegangen werden, dass die Annahmestellenbetreiber und deren Personal alle geschult wurden und regelmäßig auch weiter zum Thema Suchtgefahren und Jugendschutz geschult werden. Es ist auch nicht zu übersehen, dass in großem Umfang und optisch auffällig auf Flyern, Plakaten, Hinweisschildern, Broschüren, Spielquittungen, Internetseiten usw. auf die Gefahren der Spielsucht und auf das Spielverbot für unter 18-Jährige hingewiesen wird. Außerdem existiert mittlerweile ein Fachbeirat, der beratend tätig wird.
46 
Das vermag aber nicht, die strukturellen Mängel des staatlichen monopolisierten Sportwettensystems mit einem landesweit dichten Netz umsatzorientiert operierender Annahmestellen zu konterkarieren, die betont kundennah im direkten Kontext mit dem Vertrieb alltäglicher Waren und ohne wirkliche Distanz zu Jugendlichen arbeiten und dadurch der Missachtung des Spieler- und Jugendschutzes sowie der Spielsucht erst einmal deutlich Vorschub leisten.
47 
d) Auch die Schulungen der Annahmestellenbetreiber (vgl. Ziff.4 des Vertriebskonzepts, Ziff.4.6 des Sozialkonzepts , Ziff.4 des Annahmestellenzusatzvertrags) vermögen offenbar nur sehr begrenzt, den systemimmanent bestehenden Zielkonflikt aufzulösen, dem sie sich ausgesetzt sehen, wenn sie einerseits einträglich wirtschaften wollen, sich andererseits dabei aber ohne wirtschaftlichen Anreiz allein aus Rücksicht auf Jugendliche und Spielsuchtgefährdete selbst zurücknehmen sollen. Schon der bloße Umstand, dass es offenbar nötig erscheint, durch intensive Schulungen überhaupt die für jedermann leicht verständliche und eingängige Minimalregel des Jugendschutzes, nämlich das Spielverbot für unter 18-Jährige, gegenüber den Annahmestellenbetreibern zu betonen, obwohl die entsprechenden Regelungen schon seit Jahrzehnten existieren (vgl. § 6 Abs.2 JuSchG), zeigt, dass schon nach Ansicht der STLG hier ein aus ökonomischen Interessen gespeistes Potential an tendenzieller Missachtung des Jugendschutzes besteht, das allein durch die Geltung des JuSchG offenbar noch nicht ausreichend eingedämmt wird. Soweit zum Jugendschutz geschult wird, stellt dies eine „Schulung“ zu einer bloßen Selbstverständlichkeit dar. Soweit zu Suchtgefahren mit dem Ziel geschult wird, die Annahmestellenbetreiber in die Lage zu versetzen, beratend bzw. abratend auf Spieler einzuwirken bzw. spielsüchtige Spieler zu erkennen und dann durch Schaltung einer Sperre am weiteren Spiel zu hindern, ergibt sich aus dem oben Gesagten, dass die Annahmestellenbetreiber ganz offenkundig die dafür wirklich wesentlichen Informationen über Einkommensverhältnisse, Spielergebnis, Häufigkeiten des Spiels und Verluste der bei ihnen Wetten abschließenden Personen nicht haben und allenfalls zufällig erlangen können bzw. sich in einem Rollenkonflikt zwischen Verkäufer und invasiv in die Privatsphäre des Kunden hineinforschenden Sozialarbeiter wiederfinden (siehe die vorgelegte Dokumentation und Auswertung der Schulungen für Januar bis März 2008 der mit den Schulungen beauftragten Evangelischen Gesellschaft: Suchtberatungsstelle „eva“, S. 14). Aus der Dokumentation ergibt sich insoweit auch, dass viele Annahmestellenbetreiber eher dazu neigen, den Zielkonflikt zugunsten eigener wirtschaftlichen Interessen zu lösen, und zu einem nicht unbeträchtlichen Teil obendrein selbst aktive Spieler sind, von denen manche sogar Tendenzen zur Spielsucht in sich tragen (siehe Dokumentation S.10 ).
48 
Die im Wesentlichen übereinstimmenden Ergebnisse des im April 2008 bei 110 Lottoannahmestellen in Baden-Württemberg durchgeführten sog. „Mystery-Shopping“ (= Testkauf, Testspielaktion) und der in der mündlichen Verhandlung von den STLG Mitarbeitern dargelegten eigenen Erfahrungen mit Testkäufen/Testspielern zeigen zudem deutlich, dass offenbar selbst intensive Schulungen keinen nachhaltigen Effekt erzielen, denn in einer prozentual weit überdurchschnittlichen Zahl von Fällen (laut Mysteryshopping: ca. 62 % , laut eigener Testaktionen der STLG: ca. 50 %) war es Kunden möglich, ohne Ausweiskontrolle zu spielen und Wetten abzuschließen. (In die gleiche Richtung weisen auch die in einem FOCUS-Artikel (Ausgabe v. 7.7.2008) zitierte Untersuchungen zum gleichen Thema in Bayern).
49 
e) Was die nunmehr allenthalben anzutreffenden Warnhinweise bezüglich der Spielsuchtgefahren angeht, ist angesichts des aus der Psychologie bekannten Phänomens der kognitiven Dissonanz (Verarbeitung konfligierender Informationen/Erfahrungen: z.B. „Ich rauche“ - „Rauchen ist schädlich“) und der Erfahrungen z.B. mit entsprechenden Hinweisen auf die tödlichen Gefahren des Rauchens auf Zigarettenpackungen, die von vielen Rauchern schon nach eigener Aussage gar nicht mehr wahrgenommen, sondern ausgeblendet werden (siehe dazu http://de.wikipedia.org/wiki/Kognitive_Dissonanz), fraglich, inwieweit ein vornehmlich aus finanziellen Erwägungen (Gewinnerwartung) gespeistes und durch entsprechende Werbung sogar noch erregtes Interesse an der Sportwettenteilnahme dadurch wirklich nennenswert wieder eingedämmt wird.
50 
f) Auch die rechtlichen und tatsächlichen Regelungen über die Art und den Zuschnitt des Sportwettenangebots sind nach wie vor in ihrer derzeitigen Ausgestaltung nicht geeignet, die Spielsucht konsistent und systematisch einzudämmen. Eine Beschränkung der Sportwetten, denen insbesondere bei den Oddset-Wetten wegen ihrer festen Gewinnquoten ein besonders hohes Suchtpotential zugeschrieben wird, durch die Begrenzung des Spielangebots (nur geringe Zahl wöchentlicher Wettpaarungen, Verzicht auf überproportional suchtgefährliche Varianten wie z.B. Live-Wetten oder Verzicht auf Wetten mit erhöhter Manipulierbarkeit des Sportereignisses wie z.B. Wetten auf die Zahl der in einem Fußballspiel gezeigten gelben Karten ) findet sich ebenso wie die Reduzierung der Gewinnausschüttungen auf maximal 50 - 55% lediglich pauschal formuliert unter Ziff.5.2 des Sozialkonzepts der STLG. Ein wirklich handhabbarer und detailliert kontrollierbarer Rahmen wird damit indessen nicht vorgegeben. Auch die nach wie vor gültigen Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi- und Top-Wette, die das Finanzministerium am 08.11.2007 bekanntgemacht hat und die von der STLG als ein lediglich weiter Rahmen des Erlaubten im Sinne einer Allgemeinen Geschäftsbedingung verstanden und der Gestaltung ihres Spielangebots zugrunde gelegt werden, enthalten keine wirklich klaren Einschränkungen und Vorgaben für eine Begrenzung des Spielangebots. Sie widersprechen zudem in ihrer noch immer unverändert aktuell gültigen Form teilweise direkt § 21 Abs.1 GlüStV, der ausdrücklich regelt, dass nur auf den Ausgang von Sportereignissen gewettet werden kann, also Live-Wetten auf Zwischenspielstände und dergleichen ausgeschlossen sind. Die Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette (GABl. v. 20.12.2007, S.648) lassen hingegen unter § 3 Abs.1, Abs.5 und Abs.6 auch Wetten nicht nur auf den Ausgang, sondern auch auf bestimmte Ereignisse innerhalb eines Sportereignisses zu. Dasselbe gilt für die Oddset-Kombi-Wette (GABl. 20.12.2007, S. 639), deren Teilnahmebedingungen Wetten auf einen bestimmten Ausgang oder ein bestimmtes Ergebnis, aber auch auf ein bestimmtes Ereignis zulassen. § 21 Abs.1 GlüStV ist im Übrigen normativ defizitär, da diese Vorschrift es ohne jegliche weitere inhaltliche Vorgaben der erst zum Jahresende 2008 notwendigen Erteilung der Glücksspielerlaubnis durch das Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde überlässt, im Detail Art und Zuschnitt des Angebots ggf. durch entsprechende Auflagen sicherzustellen. Ferner liegen interne Richtlinien zu Art und Zuschnitt des Sportwettenangebots auf der Verwaltungsebene der Glücksspielaufsichtsbehörde bisher nicht vor. Wie sich in der mündlichen Verhandlung herausstellte, besteht vor diesem Hintergrund noch nicht einmal vollständige Klarheit, ob etwa die sogenannte Handicap-Wette danach ein zulässiges Sportwettenangebot sein soll oder nicht. Der seit 01.01.2008 eingerichtete Fachbeirat (§ 10 Abs.1 S. 2 GlüStV) hat sich bisher zwar unter anderem auch mit dem Sportwettenangebot befasst, ohne dass diese Arbeit sich aber bislang in konkreten Empfehlungen, Beschlüssen oder Leitlinien niedergeschlagen hätte. Insgesamt offenbart sich auch hier ein derzeit bestehendes normativ-regulatives Strukturdefizit, das es mangels klarer Vorgaben aktuell noch immer genau besehen allein der STLG, also dem wirtschaftlich interessierten Monopolisten, selbst überlässt, zu definieren, welches Angebot seiner Ansicht nach zulässig bzw. unzulässig ist. Von dieser Definitionsmacht hat die STLG bisher aber nur in nicht wirklich dauerhaft selbstbindender Weise und nur nach eher vagen, zufälligen Kriterien Gebrauch gemacht.
51 
g) Ähnliches gilt für die Werbebeschränkungen . Hier findet sich neben der inhaltlich nur sehr vagen gesetzlichen Vorgabe in § 5 Abs.1, Abs.2 GlüStV, die Werbung dürfe nur informativ aufklärend, aber nicht aufmunternd, anreizend, irreführend und an Jugendliche gerichtet sein, bislang nur unter Ziff.5.3 des Sozialkonzepts der STLG eine katalogartige Aneinanderreihung ähnlich unbestimmter Begriffe, die zu einer positiven wie negativen Abgrenzung beitragen sollen und immerhin durch einige Beispiele zu einer gewissen Konkretisierung beitragen können (keine Darstellung als unbedenkliche Freizeitbeschäftigung, keine gezielte Ansprache eine jugendlichen Publikums, keine Werbung mit jugendlichen Werbeträgern und keine Versprechen eines schnellen risikolosen Reichtums usw.). Außerdem soll es inzwischen bundesweit zwischen den Ländern abgesprochene Werberichtlinien geben. Die Beaufsichtigung bundesweiter Werbeaktionen des Toto-Lotto-Blocks (DTLB) ist dabei allerdings noch ungeklärt. Die Bedenken, wie sie die Kammer gegenüber dem Werbekonzept der STLG in ihren Grundsatzurteilen vom April 2008 geäußert hat, sind damit aber nicht ausgeräumt. Insbesondere die Werbung mit der Dachmarke Lotto, die schon nach den eigenen Unterlagen und Broschüren der STLG deutlich mit ihren Unterprodukten z.B. Oddset, KENO etc. genannt und somit in Verbindung gebracht wird (Oddset, die Sportwette von Lotto - siehe www.lotto-bw.de > oddset), ist nach wie vor überregional mit zum Spiel animierender Werbung aktiv und zwar mit immer wieder besonders auffälliger, selbst vom beklagten Land als „atypisch“ qualifizierter Werbung, die mit immer wieder neuen besonderen Anlässen wie z.B. der Fußballeuropameisterschaft oder dem 50-jährigen Bestehen von Lotto Bad.-Württ. gerechtfertigt wird. Da die STLG sogar nach Ergehen des Bundesverfassungsgerichtsurteils noch im Sommer 2006 anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2006 aggressiv und namentlich für Oddset geworben hat, ist es auch besonders darlegungsbedürftig, konnte von der STLG im Termin aber nicht überzeugend dargelegt werden, dass Oddset nicht zum sogenannten „accepted set“ der deutlich und anpreisend beworbenen Dachmarke Lotto-BW gehören soll, also nicht mit deren Nennung vom Adressatenpublikum positiv mitassoziiert werden soll.
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Auch sonst geht die überregional auftretende Sportwettenwerbung weit darüber hinaus, dass sich nur die Annahmestellen selbst mit Flyern, örtlich geschalteten Anzeigen, Wimpeln, Schaufenstergestaltung etc. auf rein örtlicher Ebene dem Publikum bekannt machen und im Rahmen des dem staatlichen Monopolisten aufgegebenen Kanalisierungskonzepts über ihre Existenz informieren. Das ist auch nicht etwa zufällig so, sondern direkte Folge des Zielkonflikts, der darin besteht, dass der staatliche Monopolist STLG neben dem von ihm immer wieder hervorgehobenen insbesondere im Internet anzutreffenden breiten privaten Sportwettenmarkt existiert, also kein wirkliches Monopol im echten Sinne besitzt und daher anders als ein echter Monopolist gegenüber dieser Konkurrenz werbend bestehen muss, derer er sich in absehbarer Zeit wohl so schnell nicht wird entledigen können.
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Nach wie vor ist es auch so, dass der Glücksspielstaatsvertrag selbst keine Werbeeinschränkung hinsichtlich der Printmedien und des Rundfunks sowie der Postwurfsendungen und großflächiger Plakatwerbung regelt, so dass diese weiterhin zulässig sind (vgl. zu Bedenken insbesondere gegenüber unverlangt zugesandten Werbematerialien, wie Postwurfsendungen: Ziff.4 der Stellungnahme des Fachverbandes Glücksspielsucht e.V. zum Entwurf des GlüStV - a.a.O.). Dem Beklagten mag zwar zuzugeben sein, dass dem Land ein gewisser Beurteilungsspielraum dahingehend zukommt, selbst einzuschätzen und zu entscheiden, welche Werbeträger es für besonders aggressiv, öffentlichkeitswirksam, jugendnah und suchtfördernd hält und daher beschränken will. Wenig überzeugend ist insoweit allerdings sein Hinweis, die genannten noch zulässigen Werbeträger (Radio, großflächige Plakate, Printmedien) sprächen anders als das Internet und das Fernsehen das vorwiegend zu schützende jugendliche Publikum nur wenig an. Auch wenn die Leseneigung bei Jugendlichen zurückgegangen sein mag, dürfte doch das Radio als leicht konsumierbares Medium ebenso wie das Fernsehen ohne weiteres auch und gerade Jugendliche erreichen. Dafür, dass auch Plakatwerbung Jugendliche durchaus erreicht, spricht zudem, dass die STLG den Boxer Krasniqi, der als Sympathieträger gerade auch Jugendliche anspricht, im Rahmen der Suchtaufklärungskampagnen selbst auf großflächigen Plakaten auftreten lässt. Der bloße Ausschluss von Internetwerbung (und Fernsehwerbung) dürfte im Übrigen wohl schon deshalb nicht ausreichen, weil gar nicht dargetan ist, dass es sich nach der Spielerstruktur bei den Sportwettenteilnehmern der terrestrischen Annahmestellen vorzugsweise um Personen mit Internetzugang handelt. Vielmehr könnten als Kunden gerade technikferne, ältere Kunden in Betracht kommen, die keinen Internetzugang haben, oder aber Jugendliche, die zwar einen Internetzugang haben, aber noch nicht über eigene Kreditkarten verfügen, wie sie für eine Sportwettenteilnahme im Internet unerlässlich ist.
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3. Schließlich fehlt es derzeit an einem wirksamen Kontrollsystem, das die Ausrichtung des Monopols am Ziel der Suchtbekämpfung sicherstellt. Europarechtlich kommt es für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zentral auf die Effektivität der Überwachung und die Durchsetzung einer wirklich restriktiven Glücksspielpolitik an (vgl. EFTA-Gerichtshof, Urt. vom 14.03.2007, E -1/06, - Gaming Machines -, Rdnr. 51). Auch das Bundesverfassungsgericht verlangt strukturelle Sicherungen, die für die Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht sorgen; der Gesetzgeber muss geeignete staatliche Kontrollinstanzen mit ausreichender Distanz zu den fiskalischen Interessen des Staates einrichten (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnrn.120, 154). Denn nur so kann gesichert werden, dass ein Konflikt mit dem Ziel der Suchtbekämpfung nicht zugunsten der fiskalischen Interessen des Staates ausgeht (BVerfG, a.a.O., Rdnr. 127 f.)
55 
a) Der Glücksspielstaatsvertrag sieht zwar in § 9 eine finanzverwaltungsferne Glücksspielaufsicht vor. Diese kann aber derzeit auf kein wirksames normatives Kontrollsystem zurückgreifen. Auf das Instrument der Glücksspielerlaubnis, die an die Erfüllung konkreter Voraussetzungen gebunden ist (§ 2 Abs. 2 AG-GlüStV) und mit Bedingungen und Auflagen versehen werden kann (§ 2 Abs. 1 Satz 2 AG-GlüStV), kann die Glücksspielaufsicht nach derzeitiger, für die Entscheidung des Gerichts maßgeblicher Rechtslage allenfalls in geringfügigem Umfang als Kontrollmechanismus zurückgreifen. Denn der Landesgesetzgeber hat dem Monopolisten über die vom Bundesverfassungsgericht zugebilligte Übergangszeit hinaus einen weiteren Zeitraum bis zum 31.12.2008 zugestanden, in dem er seine bereits zum 01.01.2007 veranstalteten Glücksspiele ohne Erlaubnis fortführen darf (§ 2 Abs. 1 Satz 3 AG-GlüStV). Gleiches gilt für die Annahmestellen, die ihre Vermittlung ohne Erlaubnis bis zum 31.12.2008 fortsetzen dürfen, wenn sie bereits am 01.01.2007 in ein öffentliches Glücksspiel des Landes vermittelt haben (§ 7 Abs. 4 AG-GlüStV). Andere Kontrollinstrumente der Glücksspielaufsicht gegenüber dem Monopolisten oder einzelnen Annahmestellen sind gesetzlich nicht vorgesehen. Der Aufsicht bleibt in der Vielzahl der Fälle, in denen die Übergangsregelungen der §§ 2 Abs.1 Satz 3, 7 Abs. 4 AG-GlüStV greifen, nur die Möglichkeit, im Einzelfall Anordnungen nach § 9 GlüStV zu treffen. Damit diese Möglichkeit als effektiver Kontrollmechanismus wirkt, bedürfte es gerade angesichts der Vielzahl der Annahmestellen einer entsprechend gut ausgestatteten Glücksspielaufsicht. Hierzu enthält das Gesetz jedoch keinerlei Vorgaben.
56 
b) Tatsächlich ist die Glücksspielaufsicht personell auch schwach besetzt. Im gesamten Glücksspielreferat des Regierungspräsidiums Karlsruhe, das für ganz Baden-Württemberg zuständig ist, sind vier Juristen, sechs Mitarbeiter im gehobenen Dienst und fünf weitere Mitarbeiter für den Schreibdienst und Ähnliches tätig. Das Sachgebiet „Aufsicht und Erlaubnisse für staatlich veranstaltetes Glücksspiel und gewerbliche Spielevermittler“ betreuen ein Jurist und ein Mitarbeiter des gehobenen Dienstes. Der vom beklagten Land hervorgehobene Austausch zwischen den Mitarbeitern der einzelnen Sachgebiete ist nur begrenzt, wie die mündliche Verhandlung vom 16.04.2008 anschaulich belegt hat. Dort war als Beklagtenvertreter allein der Sachgebietsleiter für die Unterbindung unerlaubten Glücksspiels anwesend, der viele Fragen zum Bereich der Aufsicht und Erlaubnisse für staatlich veranstaltetes Glücksspiel nicht beantworten konnte.
57 
Die Mitarbeiter des Monopolisten, die mit monopolinternen Kontrollfunktionen befasst sind, können entgegen der vom beklagten Land vertretenen Auffassung nicht bei der personellen Ausstattung der Glücksspielaufsicht berücksichtigt werden. Schon § 10 Abs. 6 GlüStV setzt die Trennung der staatlichen Glücksspielaufsicht und des Monopolisten als Glücksspielveranstalter nach § 10 Abs. 2 GlüStV voraus. Vor allem aber kann von der europarechtlich gebotenen effektiven Überwachung des Monopolisten nicht mehr die Rede sein, wenn ihm als einem Unternehmen, das seine Wirtschaftlichkeit im Auge behalten muss, die Kontrolle über sich selbst übertragen wird. Vielmehr verlangt eine effektive Überwachung, dass die Endkontrolle der staatlichen, von fiskalischen Interessen unabhängigen Aufsicht vorbehalten bleibt.
58 
c) Dies schließt sicher kein „System der Kontrolle der Kontrolle“ aus, auf das sich das beklagte Land beruft. Ein solches System muss aber derartige strukturelle Sicherungen enthalten, dass eine effektive Kontrolle des Monopolisten durch die staatliche Aufsicht gewährleistet ist. Das ist hier nicht der Fall.
59 
aa) Das Gesetz räumt dem Monopolisten weite Spielräume bei der Ausgestaltung des Vertriebskonzepts (§ 7 Abs. 1 AG-GlüStV) sowie bei Art und Zuschnitt des Wettangebots ein, die ab 01.01.2009 in der Erlaubnis im Einzelnen zu regeln sind (§ 21 Abs. 1 Satz 2 GlüStV). Verwaltungsvorschriften oder Richtlinien wenigstens als Hilfe zur Interpretation der gesetzlichen Vorgaben - etwa welche Kriterien neben der räumlichen Bevölkerungsstruktur für das Vertriebskonzept noch zu berücksichtigen sind (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 4: „insbesondere“) oder welche Wetten als Einzelwetten auf den Ausgang eines Sportereignisses (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GlüStV) angesehen werden können - existieren jedoch nicht.
60 
bb) Auch Beschlüsse des inzwischen eingeführten Fachbeirats, die ungeachtet der rein beratenden Funktion dieses Gremiums (§ 10 Abs. 1 Satz 2 GlüStV) als Orientierungshilfe dienen könnten, liegen nicht vor. Gerade beim zulässigen Wettangebot bestehen aber erhebliche Unsicherheiten, wie die Diskussion in der mündlichen Verhandlung zwischen den Beteiligten einschließlich der Vertreter der STLG über die Zulässigkeit von Handicap-Wetten deutlich gezeigt hat.
61 
cc) Das inzwischen vorliegende Vertriebskonzept der STLG -das fast ein halbes Jahr zu spät erstellt worden ist, ohne dass dies zu irgendwelchen Konsequenzen der Glücksspielaufsicht gegenüber der STLG geführt hätte - ist zwar von der Glücksspielaufsicht gebilligt worden, jedoch mangels Integrierbarkeit in eine Glücksspielerlaubnis in keiner Weise abgesichert.
62 
dd) Allein im Bereich der Werbung sollen bundesweite, dem Gericht allerdings nicht vorgelegte Richtlinien existieren. Außerdem ist zwischen der Glücksspielaufsicht und der STLG eine Vorlage neuer Werbemaßnahmen vor Veröffentlichung abgesprochen.
63 
ee) Darüber hinaus bestehen strukturelle Sicherungen des Systems der Kontrolle der Kontrolle derzeit nicht. Die Ankündigung, dem Monopolisten in seiner Erlaubnis als Nebenbestimmung aufzugeben, mindestens halbjährliche unangekündigte Kontrollen zur Einhaltung des Jugendschutzes und des Spielerschutzes in allen Annahmestellen durchzuführen und der Aufsicht darüber halbjährlich zu berichten, weist in die richtige Richtung, ist aber zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht umgesetzt worden. Eine Glücksspielerlaubnis für die STLG - mit entsprechender Nebenbestimmung - liegt bislang nicht vor.
64 
ff) Sonstige Informations- oder Berichtspflichten der STLG zu bestimmten Themen bestehen nicht. In der mündlichen Verhandlung wurde zwar von monatlichen Gesprächsrunden über anstehende Probleme berichtet, gleichzeitig zeigte sich aber, dass die Glücksspielaufsicht weder über das aktuelle Wettangebot des Monopolisten noch über den konkreten Bestand der Annahmestellen und die einzelnen Fälle von Beanstandungen bei von der STLG veranlassten Kontrollen informiert war. Vielmehr erklärte der Vertreter des beklagten Landes, dass die Glücksspielaufsicht außerhalb des Bereichs der Werbung grundsätzlich davon ausgehe, dass die STLG sich an die gesetzlichen Vorgaben halte. Die STLG werde gebeten, die Glücksspielaufsicht zu benachrichtigen, wenn rechtliche Probleme auftauchten; sie teile der Aufsicht auf Anfrage Kontrollergebnisse mit. Diese Haltung der Glücksspielaufsicht gegenüber dem Monopolisten ist mit dem Auftrag einer effektiven Überwachung offensichtlich nicht zu vereinbaren. Schon bei einer Kontrolle staatlicher Behörden wäre ein solcher Vertrauensvorschuss unangebracht (vgl. dazu auch Millgramm, DVBl 2008, 821, 827 f., insbes. Fn. 29); dies gilt umso mehr für die Kontrolle der STLG, einer juristischen Person des Privatrechts, die bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im März 2006 primär umsatzorientiert gewirtschaftet hat und auch heute als Gesellschaft mit beschränkter Haftung wirtschaftlich handeln muss (siehe nur §§ 17, 19 InsO). Allein die Tatsache, dass das Land 100% der Gesellschaftsanteile hält, legt zwar vereinfachte Kontrollmöglichkeiten nahe, lässt die Überwachungspflichten aber keinesfalls entfallen (vgl. dazu EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming Machines, Rdnr. 51).
65 
gg) Dass die in der mündlichen Verhandlung von den Beklagtenvertretern erwähnten „sporadischen Kontrollen“ des Sportwettenangebots des Monopolisten sowie die 22 vom Referatsleiter persönlich getätigten Testkäufe ohne Bezug zu den von der STLG großflächig angelegten Testkaufserien keine wirksame „Kontrolle der Kontrolle“ darstellen, bedarf keiner näheren Ausführung.
66 
hh) Die Kammer verkennt nicht, dass die STLG gerade mit den Testkaufserien durch Externe einerseits und die Bezirksdirektionen andererseits sowie die Zusatzverträge mit den Verkaufsstellen, die bei Verstößen gegen die gesetzlichen Verpflichtungen aus dem GlüStV und dem AG-GlüStV Sanktionsmöglichkeiten bis zur fristlosen Kündigung des Vertrags vorsehen, Ansatzpunkte für ein System der „Kontrolle der Kontrolle“ geschaffen hat. Ohne durchsetzbare, festgelegte Berichts- und Meldepflichten gegenüber der Glücksspielaufsicht kann aber von einer effektiven Überwachung nicht die Rede sein.
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ii) Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Ergebnisse der Testkäufe mit einer Quote von etwa 50% Beanstandungen (so die Auskunft der Vertreter der STLG in der mündlichen Verhandlung; die Ergebnisse des Mystery-Shopping lagen bei einer noch höheren Beanstandungsquote von 62 %) nahelegen, dass dieser Missstand, wie oben ausgeführt, durch das Provisionsmodell strukturell bedingt ist und allein durch ein effektives Überwachungssystem nicht beseitigt werden wird.
IV.
68 
Das staatliche Sportwettenmonopol erweist sich auch unter Berücksichtigung des aktuellen Vorbringens des Beklagten und der jetzigen Sachlage weiterhin auch deshalb als derzeit (noch) europarechtswidrig, weil es eine zur Erreichung der Ziele des GlüStV nicht erforderliche Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt (vgl. Urteile vom 16.04.2008, dort II.3).
69 
Im Termin ist erneut deutlich geworden, dass das staatliche Monopol nur im Bereich der terrestrischen Annahmestellen ein echtes, nämlich gegen illegale Konkurrenz wirklich durchsetzbares Monopol darstellt, hingegen im Bereich des vom Angebot der STLG entsprechend den Vorschriften des GlüStV nicht abgedeckten Sportwettenmarktes im Internet ein sehr großes illegales Sportwettenangebot privater Veranstalter existiert, über das nach Schätzungen zwischen 30 - 50 % des gesamten Sportwettenumsatzes erzielt werden. Ferner hat sich bestätigt, dass dieses private Internetangebot jedenfalls bislang vom Beklagten insbesondere wegen der damit verbundenen rechtlichen und praktischen Schwierigkeiten noch nicht in nennenswertem Umfang durch Ordnungsverfügungen gegen die Veranstalter bzw. mittels Kooperationsabsprachen mit Banken über eine Drosselung der Finanzierung durch Kreditkartenabbuchungen zurückgedrängt wurde. Damit bleibt es bei dem Grundkonflikt, dass das staatliche Sportwettenmonopol, weil es sich gegenüber dem Internetangebot behaupten muss, nach wie vor einem starken Anreiz ausgesetzt ist, sich ebenso wie private Sportwettenanbieter durch offensive, aktive Werbestrategien zu behaupten, um erklärtermaßen einer Abwanderung von Sportwettenteilnehmern in diesen illegalen Bereich gegenzusteuern. Unverändert geblieben ist auch der Umstand, dass die STLG ihre Sportwetten über ein Vertriebsnetz vermarktet, das sich aus einer Vielzahl umsatzabhängiger privater Annahmestelleninhaber zusammensetzt und sich somit von privaten Sportwettenanbietern hinsichtlich der Anreize zur Missachtung von Spielerschutz- und Suchtbekämpfungsmaßnahmen nicht wesentlich unterscheidet.
70 
Was die Effektivität der Kontrolle und die Durchsetzungsmacht der STLG gegenüber ihren privaten Vertragspartnern im Vertriebsnetz angeht, ist ihr zwar zuzugestehen, dass sie in der Praxis nicht nur die Möglichkeit hat, gegenüber einer Annahmestelle mit rechtlichen Maßnahmen wie Abmahnungen, Vertragsstrafen oder fristloser Kündigung einzuschreiten, sondern diese darüber hinaus auch rein tatsächlich direkt durch Abkoppelung der Annahmestelle von der zentralen computergestützten Sportwettenannahme und -vermittlung aus ihrem Vertriebsnetz nehmen kann, wenn es zu Schwierigkeiten kommt, was die staatliche Aufsichtsbehörde gegenüber privaten Sportwettenveranstalten nicht tun könnte. Allerdings ist dem entgegenzuhalten, dass sich ein Annahmestelleninhaber auch gegen ein solches schlichtes Abkoppeln vom Vertriebsnetz ohne weiteres vor den ordentlichen Gerichten mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Wehr setzen könnte, da auch ein faktisches Abkoppeln vom Vertriebsnetz gegen den Annahmestellenvertrag verstoßen würde, wenn es grundlos erfolgt bzw. der Anlass bestritten wird. Unter diesem Aspekt wäre die faktische Durchsetzungsmacht zwar größer als gegenüber Sportwettenvermittlern, die an andere Sportwettenanbieter als die STLG vermitteln, aber letztlich auch nicht wieder so signifikant größer, dass sich hieraus die Erforderlichkeit eines staatlichen Monopols begründen ließe.
71 
Es mag auch zutreffen, dass es für die staatliche Aufsichtsbehörde einen geringeren Aufwand darstellt, lediglich das Werbekonzept eines einzigen staatlichen Sportwettenmonopolisten zu kontrollieren anstatt die Werbekonzepte von drei bis vier großen überregional auftretenden internationalen Sportwettenanbietern zu prüfen. Andererseits erfordert die Kontrolle der Werbung noch den geringsten Aufwand im Rahmen der gesamten Kontrolltätigkeit, denn in der Regel wird es sich um nur wenige gleichlautende Plakate, Werbespots oder Hinweiszettel handeln, die sich relativ leicht und schnell auf Verstöße gegen die Werbeeinschränkungen aus dem GlüStV kontrollieren lassen.
72 
Wie das vorgelegte Sozialkonzept des Verbands der Europäischen Wettunternehmer (VEWU) zeigt, sind diese auch durchaus bereit, sich freiwillig Beschränkungen hinsichtlich der Gewinnausschüttungsquote, der Art und des Zuschnitts der Sportwettenangebote und der Ausgestaltung ihrer Wettbüros aufzuerlegen, ein System der Spielersperre zu installieren, einen Sicherungsfond gegen Insolvenzausfälle einzurichten und Jugendlichen konsequent den Zugang zu verweigern, so dass es ihnen gegenüber jedenfalls nicht einer stärkeren und dichteren staatlichen Kontrolle als gegenüber den privaten Annahmestelleninhabern der STLG bedürfte.
73 
Was die Kriminalitätsrisiken und Betrugsgefahren angeht, hat das beklagte Land selbst eingeräumt, dass diese nicht an erster Stelle der Ziele stehen, mit denen das staatliche Monopol zu rechtfertigen ist. Das insoweit nach den europarechtlichen Vorgaben darlegungsbelastete Land hat es auch nicht vermocht, zur Frage negativer bisheriger Erfahrungen mit den privaten Betreibern legaler Glücksspiele (Pferdewetten, Geldspielautomaten, Spielcasinos) sowie mit den privaten Annahmestelleninhabern der STLG hinsichtlich der Kriminalitätsbelastung aussagekräftigen Angaben zu machen. Es mag zwar sein, dass es in diesem Bereich Dunkelziffern gibt und dass die Anzeigefreudigkeit von Kriminalitätsopfern gering ist, die sich im Bereich illegaler Glücksspiele womöglich wegen eigener Teilnahme nach § 285 StGB strafbar machen würden. Hier aber geht es um legale Glücksspielbereiche, die obendrein seit Jahrzehnten von Privaten betrieben werden, so dass bei wirklichen Missständen zu erwarten wäre, dass entsprechende Kriminalitätsbelastungen zumindest ansatzweise bekannt geworden wären. Dafür fehlt hier aber jeder Anhaltspunkt. Zwar mag immerhin ein gewisser Anteil der mit Untersagungsverfügungen landesweit geschlossenen ca.700 privaten Sportwettenbüros selbst nach Bestätigung der Untersagungsverfügungen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Vermittlungstätigkeit tatsächlich nicht aufgegeben und sich damit als nicht rechtstreu bzw. mit Blick auf § 284 StGB womöglich sogar als kriminell erwiesen haben. Das besagt aber nicht, dass ein staatliches Monopol erforderlich ist, um mit dem Sportwettenbetrieb verbundene Kriminalitätsgefahren zu bekämpfen.
V.
74 
Noch einmal zu bestätigen ist schließlich, dass das Sportwettenmonopol mangels systematischer und kohärenter Zielverfolgung auch EG-wettbewerbswidrig ist. (vgl. dazu bereits Urteil vom 16.4.2008, unter II.4.). Der Einwand des beklagten Landes, die Ausführungen der Kammer in den Urteilen vom 16.4.2008 ließen nicht erkennen, welcher Bezug der Wettbewerbsvorschriften zum subjektiven Recht des jeweiligen Klägers bestehe bzw. es werde übersehen, dass die Wettbewerbsvorschrift des Art. 82 EG sich nicht an den Staat, sondern an Unternehmen richte, greift nicht durch.
75 
Die Prüfung des Sportwettenmonopols erfolgt am Maßstab des Art. 86 EG. Adressaten von Art. 86 Abs. 1 EG sind ausschließlich die Mitgliedstaaten und nicht die Unternehmen selbst, für die wiederum direkt nur Art. 81 und 82 EG gelten. Den Mitgliedsstaaten stehen Hoheitsträger im Staatsgebiet, insbesondere die Gebietskörperschaften gleich. Gerade im Bereich von - wie hier - Dienstleistungsmonopolen gelangt Art. 86 EG in Verbindung mit den Wettbewerbsregeln zur Anwendung (Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, 4. Auflage 2007, B. Art. 86 im System des EG-Vertrags, Rnrn. 55, 56; von Burchard, in: Schwarze, EU-Kommentar, 1. Aufl. 2000, Art. 49 Rnr. 87 [unter Hinweis darauf, dass der EuGH offenbar Art. 86 Abs. 2 EG gegenüber Art. 49 EG als speziellere Vorschrift ansehe] und Art. 86 Rnr. 11). Die Tatsache, dass Art. 86 Abs. 1 EG die Existenz von Unternehmen voraussetzt, die bestimmte besondere oder ausschließliche Rechte innehaben, ist nicht dahin zu verstehen, dass alle besonderen und ausschließlichen Rechte notwendigerweise mit dem EG-Vertrag vereinbar sind. Dies hängt vielmehr von den Vertragsvorschriften ab, auf die Art. 86 Abs. 1 EG verweist (so zu Art. 90 Abs. 1 EG-Vertrag: EuGH, Urt. v. 19.3.1991 - C-202/88 - [Telekommunikations-Endgeräte], Leitsatz 2; von Burchard, a.a.O., Art. 86, Rnr. 27). Zu den zu beachtenden Vorschriften gehören - soweit vorliegend bedeutsam - insbesondere der ausdrücklich in Art. 86 Abs. 1 EG genannte Art. 82, ferner aber gerade auch die Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr (EuGH, Urt. v. 18.6.1991 - C-260/89 [ERT], Rnr. 27). Dem Anwendungsbereich des Art. 86 EG unterfallen folglich auch Maßnahmen eines Mitgliedstaats (hier: Inkraftsetzen einer Gesetzesbestimmung), mit denen er eine Lage schafft, in der das bevorrechtigte Unternehmen schon durch die bloße Ausübung des übertragenen Rechts (hier: monopolartige Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten) zwangsläufig gegen den Vertrag verstoßen muss (EuGH, Urt. v. 11.12.1997 - C-55/96 [Job Centre] - Rnr. 29; von Burchard, a.a.O., Art. 86 Rnr. 37). Ein wettbewerbswidriges Verhalten der STLG muss sich damit aber das beklagte Land zugleich als unzulässige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zurechnen lassen (so auch von Burchard, a.a.O., Art. 49 Rnr. 88), worauf sich der jeweilige grundfreiheitsberechtigte Kläger wiederum für den Erfolg seiner Klage berufen kann.
VI.
76 
Die angefochtene Untersagungsverfügung des Regierungspräsidiums ist auch insoweit rechtswidrig und aufzuheben, als sie die Vermittlung von Sportwetten an solche Veranstalter untersagt, die im Bundesgebiet ansässig sind. Zwar vermittelte der Kläger in der Vergangenheit Sportwetten nur an einen in einem EU-Mitgliedsstaat ansässigen und dort konzessionierten Sportwettenveranstalter. Die angefochtene Verfügung untersagt aber darüber hinaus umfassend auch jede Vermittlungstätigkeit für im Bundesgebiet ansässige Sportwettenveranstalter. Eine solche Dienstleistung ohne grenzüberschreitenden Bezug wird vom Schutz der Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EG nicht erfasst. Ob die Verfügung insoweit bereits deshalb rechtlichen Bedenken unterliegt, weil die Ermittlungen und Feststellungen, die zum Erlass der Verfügung führten, keine Anhaltspunkte für die Annahme einer Vermittlung an einen im Bundesgebiet ansässigen privaten Veranstalter ergaben, kann offen bleiben. Denn jedenfalls leidet die Verfügung an einem zu ihrer Rechtswidrigkeit führenden Ermessensfehler. Da das staatliche Sportwettenmonopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung keine rechtmäßige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EG darstellt und deshalb gemeinschaftsrechtswidrig ist, müssen - jedenfalls bis zu einer gemeinschaftsrechtskonformen Ausgestaltung - Wettvermittlungen an in EU-Mitgliedsstaaten ansässige und dort konzessionierte Sportwettenveranstalter vom beklagten Land hingenommen werden, soweit sie durch Unionsbürger oder in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaften im Sinne der Art. 55, 48 EG erfolgen. Auf derartige Wettvermittlungen beschränkte sich die bisherige Tätigkeit des Klägers. Vor diesem Hintergrund kann das beklagte Land das mit den Untersagungsverfügungen verfolgte Ziel, landesweit die Vermittlung von Sportwetten an private Veranstalter zu unterbinden, weil es diese Tätigkeit wegen des staatlichen Sportwettenmonopols für unerlaubt hält, nicht mehr verwirklichen. Der terrestrische Vertrieb von Sportwetten betrifft in ganz erheblichem Umfang Sportwettenveranstalter, die im EU-Ausland ansässig sind, weil sie ihr Sportwettengeschäft auch über terrestrische Annahmestellen abwickeln. Entfällt demnach derzeit für das beklagte Land die Möglichkeit, die Vermittlung von Sportwetten an im EU-Ausland ansässige Sportwettenveranstalter zu unterbinden, bedarf es im Rahmen der Ermessensausübung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV tragfähiger Erwägungen, die ein Einschreiten gegen die Sportwettenvermittlung im Inland rechtfertigen, obwohl die weit umfangreichere grenzüberschreitende Vermittlung ins EU-Ausland hingenommen werden muss. Solche Erwägungen finden sich weder in der angefochtenen Untersagungsverfügung noch sind sie bisher vorgetragen worden.
VII.
77 
Der Kläger ist nicht Angehöriger eines Mitgliedsstaats, sondern Drittstaatsangehöriger. Drittstaatsangehörige können sich grundsätzlich nicht auf Art. 49 EG berufen. Von der Möglichkeit des Art. 49 Satz 2 EG, die Dienstleistungsfreiheit auf in der Gemeinschaft ansässige Drittstaatsangehörige auszudehnen, wurde - soweit ersichtlich - bislang kein Gebrauch gemacht (vgl. Schwarze, EU-Kommentar, 1. Auflage 2000, Art. 49 EGV, RdNr. 36). Ob im vorliegenden Fall der persönliche Geltungsbereich des Art. 49 EG im Wege eines Assoziierungsabkommens auf Drittstaatsangehörige ganz oder teilweise erstreckt wurde, erscheint fraglich, kann aber offen bleiben. Die angefochtene Untersagungsverfügung erweist sich nämlich auch dann als rechtswidrig, wenn sich der Kläger nicht auf Art. 49 EG berufen kann.
78 
Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV steht es im Ermessen des Regierungspräsidiums, die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür zu untersagen. Auf den einzelnen Fall bezogene Ermessenserwägungen enthält die angefochtene Untersagungsverfügung nicht. Vielmehr schreitet das Regierungspräsidium landesweit gegen jeden privaten Sportwettenvermittler mit Untersagungsverfügungen ein, weil es dessen Tätigkeiten aufgrund des staatlichen Sportwettenmonopols für unerlaubt hält. Da dieses in seiner derzeitigen Ausgestaltung jedoch keine gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt und deshalb gemeinschaftsrechtswidrig ist, müssen - jedenfalls bis zu einer gemeinschaftsrechtskonformen Ausgestaltung - Wettvermittlungen an in EU-Mitgliedstaaten ansässige und dort konzessionierte Sportwettenveranstalter vom beklagten Land hingenommen werden, wenn sie durch Unionsbürger oder in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaften im Sinne von Art. 55, 48 EG erfolgen. Mit einem Einschreiten ausschließlich gegen Sportwettenvermittlungen durch im Bundesgebiet ansässige Drittstaatsangehörige lässt sich das mit den Untersagungsverfügungen verfolgte Ziel nicht erreichen, landesweit die Vermittlung von Sportwetten durch Private zu unterbinden, um auf diese Weise die Spielleidenschaft zu begrenzen und die Spielsucht zu bekämpfen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Unterbindung grenzüberschreitender Sportwettenvermittlungen in das EU-Ausland ausschließlich gegenüber Drittstaatsangehörigen mit dem bei der Ermessensausübung zu wahrenden Gleichbehandlungsgebot und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist (vgl. hierzu OVG Saarland, Beschl. v. 25.04.2007 - 3 W 24/06 - juris).
VIII.
79 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Kammer hat keinen Anlass, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO).
80 
Da diese Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, ist die Berufung zuzulassen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Tenor

Die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 28.11.2007 wird aufgehoben.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Untersagung der Veranstaltung, Vermittlung und Unterstützung von Sportwetten.
Das beklagte Land veranstaltet in Baden-Württemberg neben mehreren Lotterien u. a. die staatlichen Sportwetten „Oddset-Kombi-Wette“ und „Oddset-Top-Wette“. Mit der Durchführung der Lotterien und Sportwetten hat es die Staatliche Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg beauftragt (vgl. hierzu zuletzt die Bekanntmachungen des Finanzministeriums über die Neufassung der Teilnahmebedingungen für die beiden staatlichen Sportwetten, GABl. 2007, S. 639 ff. u. 648 ff.). Diese Gesellschaft vertreibt ihr staatliches Glücksspielangebot in Baden-Württemberg über zahlreiche Toto-Lotto-Annahmestellen, die in Zeitschriften-, Schreibwaren- und Tabakhandlungen, Supermärkten und Tankstellen eingerichtet sind. Nach Auskunft des beklagten Landes gibt es in Baden-Württemberg derzeit 3656 solcher Annahmestellen. Die einzelnen Betreiber der Annahmestellen erhalten auf der Grundlage privatrechtlicher Verträge mit der Toto-Lotto GmbH eine Provision, die von der Höhe des auf den Glücksspielsektor entfallenden Umsatzes abhängt.
Der Kläger ist Inhaber einer Gaststätte in Konstanz, in der die Firma ... ein Internetterminal der Marke Tipomat aufgestellt hat. Über dieses Terminal kann auch die Internetsite des maltesischen Sportwettenanbieters ... aufgerufen werden, der eine vom 19.01.2006 bis 19.01.2012 gültige Lizenz der maltesischen „Lotteries and Gaming Authority“ besitzt. Schließt ein Nutzer des Terminals mit der Firma ... eine Oddsetwette ab, so erhält die Firma ... eine Provision, an der sie den Kläger beteiligt.
Unter dem 24.10.2007 forderte die Stadt Konstanz den Kläger zum Abbau des Terminals auf, weil er nicht die erforderliche Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten besitze. Dagegen wandte der Kläger ein, er dulde lediglich die Aufstellung des Terminals und sei daher der falsche Adressat für das Verfahren. Darüber hinaus verstoße die Untersagung der Vermittlung von Sportwetten gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht, weil sich sowohl der maltesische Wettveranstalter als auch der Dienstleister vor Ort auf die Dienst- und Niederlassungsfreiheit berufen könnten.
Nach Anhörung untersagte das Regierungspräsidium Karlsruhe dem Kläger am 28.11.2007, in Baden-Württemberg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen, und gab ihm auf, die entsprechenden Geräte aus den öffentlich zugänglichen Räumen zu entfernen (Ziffer 1) und die untersagten Tätigkeiten unverzüglich einzustellen (Ziffer 2). Außerdem wurde dem Kläger für den Fall, dass er den Verpflichtungen aus der - mit Anordnung des Sofortvollzugs versehenen - Verfügung binnen zwei Wochen nicht nachkomme, ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,- EUR angedroht (Ziffer 4), und schließlich eine Gebühr von 250,- EUR festgesetzt. Zur Begründung führte das Regierungspräsidium Karlsruhe im Wesentlichen aus, dass es die Aufgabe habe, im öffentlichen Interesse darüber zu wachen, dass in Baden-Württemberg kein unerlaubtes Glücksspiel stattfinde bzw. jegliche Werbung hierfür unterbleibe. Zu diesem Zweck dürfe es die Veranstaltung unerlaubten Glücksspiels untersagen. Bei den von dem Kläger veranstalteten Sportwetten mit festen Gewinnquoten handele es sich um Glücksspiele, die der Kläger veranstalte, indem er der Öffentlichkeit Zugang dazu ermögliche. Er besitze nicht die dafür erforderliche Erlaubnis; eine solche könne ihm auch wegen des Staatsmonopols nicht erteilt werden. Die Sach- und Rechtslage in Baden-Württemberg stehe in Einklang mit den verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Anforderungen. Eine Bindung an Bewilligungen eines anderen Mitgliedsstaats der EU bestehe europarechtlich nicht.
Gegen den ihm am 30.11.2007 zustellten Bescheid hat der Kläger am 10.12.2007 Klage erhoben und beantragt, deren aufschiebende Wirkung wiederherzustellen bzw. anzuordnen (1 K 2684/07). Eine Entscheidung hierüber ist noch nicht ergangen.
Zur Begründung der Klage führt der Kläger aus, er sei nicht Veranstalter eines Glücksspiels, und legt ausführlich dar, das Staatsmonopol für Sportwetten sei verfassungs- und gemeinschaftsrechtswidrig. Den Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 sei weder rechtlich durch den neuen Glücksspielvertrag noch im Tatsächlichen Rechnung getragen worden. Das Vertriebssystem und Marktverhalten der staatlichen Anbieter habe sich nicht geändert, es werde weiter anreizend geworben und es mangele an einer konkreten Suchtprävention. Die staatlichen Anbieter hielten noch nicht einmal die Vorgaben des Glücksspielstaatvertrags ein. Den Belangen des Jugendschutzes werde nicht Rechnung getragen. Die Liberalisierung des Glücksspielmarkts sei während des ganzen Gesetzgebungsverfahrens nicht ernsthaft in Erwägung gezogen worden.
Vor allem aber greife das Staatsmonopol unzulässig in die europarechtliche Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit ein, wie der Rechtsprechung des EuGH, insbesondere in Sachen Lindmann, Läärä, Lindman Gambelli und Placanica, und auch der des EFTA-Gerichtshofs, eindeutig zu entnehmen sei. Daher dürften die entsprechenden nationalen Regelungen auch des seit dem 01.01.2008 geltenden Glücksspielstaatsvertrags wegen des Anwendungsvorrangs des Europarechts nicht angewandt werden. Eigentlicher Grund für das Staatsmonopol seien auch nach der Neuregelung fiskalische Interessen, die es jedoch nicht rechtfertigen könnten. Aber auch die vom Gesetzgeber angeführten Ziele der Suchtprävention, der Kriminalitätsbekämpfung und des Jugendschutzes ließen sich ohne weiteres durch ein die Grundfreiheiten weniger einschränkendes Konzessionssystem erreichen. Darüber hinaus fehle es an einer für die Einschränkung der Dienst- und Niederlassungsfreiheit erforderlichen systematischen und kohärenten Regelung des Glückspiels in ganz Deutschland. Insbesondere bei Pferdewetten bestehe anders als bei sonstigen Sportwetten kein Staatsmonopol. Ein sachlicher Grund dafür sei nicht ersichtlich. Auch Spielautomaten, bei denen ein besonders hohes Suchtpotential bestehe, dürften von Privaten betrieben werden; die Anforderungen seien in der SpielVO sogar gelockert worden. Spielbanken, von denen eine hohe Suchtgefahr ausgehe, insbesondere auch von den dort aufgestellten Slotmachines, für die keine Verlustbegrenzung gelte, dürften von Privaten betrieben werden. In Rheinland-Pfalz würden Sportwetten und Lotterien seit vielen Jahren von einem rein privatrechtlichen Unternehmen, der Lotto Rheinland-Pfalz GmbH, veranstaltet. DDR-Konzessionen für Sportwetten bestünden fort. Außerdem fehle es an der gebotenen Untersuchung der Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der Einschränkungen der Grundfreiheiten, insbesondere an Daten zur Spielsucht und zur Folgenabschätzung, gerade auch mit Blick auf die Alternative eines Konzessionssystems. Ein besonderes Suchtpotential von Oddset-Sportwetten sei nicht nachgewiesen. Zudem mangele es der angefochtenen Verfügung nach Ablauf der vom Bundesverfassungsgericht zugebilligten Übergangszeit am 31.12.2007 und dem Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrags an einer ordnungsgemäßen Begründung. Schließlich sei das Land Baden-Württemberg seiner Notifizierungspflicht für sein Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag nicht nachgekommen.
Die Klägerin beantragt,
10 
die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 28.11.2007 aufzuheben.
11 
Das beklagte Land beantragt,
12 
die Klage abzuweisen.
13 
Es beruft sich auf die Begründung seiner Entscheidung und darauf, dass das Regierungspräsidium nach § 9 Abs. 1 Glücksspielstaatsvertrag darauf hinzuwirken habe, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben, und die im Einzelfall erforderlichen Anordnungen erlassen könne. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil vom 28.03.2006 entschieden, dass das staatliche Sportwettenmonopol verfassungsgemäß sei, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren ausgerichtet sei. Diese Vorgaben erfülle der zum 01.01.2008 in Kraft getretene Glücksspielstaatsvertrag. Wichtigstes Ziel des Glücksspielstaatsvertrags sei die Vermeidung und Bekämpfung der Glücksspiel- und Wettsucht. Weitere Ziele seien die Kanalisierung und Begrenzung des Glücksspielangebots, vor allem aber auch der Jugendschutz. Deshalb sei das Monopol bei Sportwetten und Lotterien mit besonderem Gefährdungspotential erhalten geblieben. Anders als die Tätigkeit privater Anbieter sei die Tätigkeit der Toto-Lotto GmbH an der Suchtbekämpfung orientiert. Ihr Wettangebot sei begrenzt, Oddset-Wetten würden nunmehr allein als Kombi- und Topwetten angeboten, es könne nur noch mit Kundenkarten gewettet werden, Werbung sei nur eingeschränkt zulässig und es seien eine Vielzahl von Maßnahmen zur Suchtprävention ergriffen worden wie etwa die Erstellung von Informationsbroschüren, Anzeigen, Plakaten, einer Internetseite und eines Kinospots sowie die Einrichtung einer telefonischen Beratungsstelle zum Thema Spielsucht. Die Zulassung privater Anbieter würde die Zahl der Marktteilnehmer und Wettgelegenheiten vergrößern und damit zu einer enormen Expansion des Angebots führen.
14 
Die Untersagungsverfügung verstoße auch nicht gegen Gemeinschaftsrecht. Die Grundfreiheiten könnten aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses eingeschränkt werden, wozu die Verminderung von Gelegenheiten zum Spiel zähle. Die in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geforderte Kohärenz fordere keine national gleichartigen Regelungen für den gesamten Glücksspielmarkt. Die verschiedenen Bereiche unterschieden sich hinsichtlich des Spielanreizes und des Suchtpotentials wesentlich voneinander. Außerdem könnte ein staatliches Defizit in einem Bereich nicht zu einem Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht führen. Das Notifizierungsverfahren nach Art. 8 der Richtlinie 98/34/EG (geändert durch die Richtlinie 98/48/EG) sei durchgeführt worden.
15 
Dem Gericht liegt ein Heft Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe sowie die Akte des Eilverfahrens 1 K 2684/07 vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt dieser Akten sowie der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die Anfechtungsklage ist ohne Durchführung eines Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 VwGO, § 6a Satz 1 AGVwGO) zulässig und begründet. Die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 21.11.2006 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
17 
Als Rechtsgrundlage der Untersagung, in Baden-Württemberg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen (Ziff. 1 Satz 1 der Verfügung), kommt nunmehr allein § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV -, vgl. GBl. 2007, 571 ff.) in Betracht, der am 01.01.2008 in Kraft getreten ist (vgl. GBl. 2008, 56). Gleiches gilt für das Gebot, die zur Veranstaltung oder Vermittlung solcher Glücksspiele vorgehaltenen Geräte aus den öffentlich zugänglichen Räumen zu entfernen (Ziff. 1 Satz 2 der Verfügung), die untersagten Tätigkeiten unverzüglich einzustellen und die Einstellung dem Regierungspräsidium schriftlich mitzuteilen (Ziff. 2 der Verfügung). Diese neue Rechtslage ist deshalb maßgeblich, weil es sich bei der angefochtenen Verfügung um einen Dauerverwaltungsakt handelt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 17.03.2008 - 6 S 3069/07 -) und weil für die verwaltungsgerichtliche Überprüfung derartiger Verwaltungsakte regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 09.03.2005, Buchholz 451.20, § 15 GewO Nr. 5; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 113 Rdnr. 43 ff.). Für die gerichtliche Entscheidung maßgebend sind deshalb die Bestimmungen des oben genannten Glücksspielstaatsvertrags und die Bestimmungen des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag - AG-GlüStV -) vom 04.03.2008 (GBl. 2008, 81 ff.), das am 08.03.2008 in Kraft getreten ist (vgl. § 19 AG-GlüStV).
18 
Zwar vermittelt der Kläger unerlaubte Glücksspiele, was nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV Voraussetzung dafür ist, dass das Regierungspräsidium Karlsruhe als zuständige Behörde der Glücksspielaufsicht (§ 2 des Gesetzes zu dem Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 11.12.2007, GBl. 2007, 571; § 16 Abs. 1 AG-GlüStV) mit der angefochtenen Verfügung einschreitet (dazu I.). Die derzeitige Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols in Baden-Württemberg (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV) ist aber nach Auffassung der Kammer mit dem primären Gemeinschaftsrecht, nämlich der Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG) und dem EG-Wettbewerbsrecht (Art. 86, 82 EG), unvereinbar. Nach dem grundlegenden Prinzip des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts hat das Verwaltungsgericht das gemeinschaftsrechtswidrige nationale Recht außer Anwendung zu lassen (dazu II.).
I.
19 
Dadurch, dass der Kläger in seiner Gaststätte das Internetterminal „Tipomat“ aufstellen lässt, das auf die Nutzung zum Abschluss von Sportwetten bei dem maltesischen Sportwettenanbieter ... ausgerichtet ist, eröffnet er Spielern die Möglichkeit zur Teilnahme an Sportwetten. Damit ist er Vermittler (vgl. § 3 Abs. 4 GlüStV) von Sportwetten, die als Glücksspiele i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV anzusehen sind. Davon sind die Verwaltungsgerichte bereits in den früheren Entscheidungen, die zur Rechtslage vor Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrages ergangen sind, ausgegangen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12.01.2005, VBlBW 2005, 181 m.w.N.). § 3 Abs. 1 Satz 3 GlüStV bestimmt nunmehr ausdrücklich, dass auch Wetten gegen Entgelt auf den Eintritt oder Ausgang eines zukünftigen Ereignisses Glücksspiele sind (vgl. zuletzt VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.03.2008 - 6 S 3069/07 -).
20 
Die vom Kläger vermittelten Sportwetten sind auch unerlaubte Glücksspiele. Nach § 4 Abs. 1 GlüStV dürfen öffentliche Glücksspiele nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Das Veranstalten und das Vermitteln ohne diese Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel) ist verboten. Weder der Kläger noch der maltesische Sportwettenveranstalter haben jemals vom Land Baden-Württemberg eine solche Erlaubnis erhalten. Zwar vermittelt der Kläger die Sportwetten in das EU-Ausland (Malta); das entbindet ihn aber nicht von dem Erfordernis einer Erlaubnis durch die zuständige Behörde des Landes; denn nach § 3 Abs. 4 GlüStV wird ein Glücksspiel dort veranstaltet und vermittelt, wo dem Spieler die Möglichkeit zur Teilnahme eröffnet wird. Das ist die Gaststätte des Klägers in Konstanz.
21 
Dass der Firma ..., an die der Kläger Sportwetten vermittelt, in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union (hier: Malta) eine Erlaubnis zum Veranstalten von Sportwetten erteilt wurde, ändert an der Einstufung als unerlaubtes Glücksspiel nichts. Aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt sich nicht, dass diese Erlaubnis auch im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Geltung beanspruchen kann. Es sieht keine generelle Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zur gegenseitigen Anerkennung von Erlaubnissen vor, die von einem Mitgliedsstaat erteilt wurden. Der Glücksspielbereich ist auch nicht Gegenstand einer gemeinschaftsrechtlichen Harmonisierung. Vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt vom 12.12.2006 (ABl. Nr. L376/36 v. 27.12.2006) sind Glücksspiele einschließlich Lotterien und Wetten ausdrücklich ausgenommen (vgl. Erwägungsgrund Nr. 25 und Art. 2 Abs. 2 Buchst. h dieser Richtlinie). Auch die Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr vom 08.06.2000 (ABl. Nr. L178 v. 17.07.2000, S. 1), die in ihrem Artikel 3 das Herkunftslandprinzip vorschreibt, ist auf Glücksspiele nicht anwendbar (vgl. den Erwägungsgrund Nr. 16 und Art. 1 Abs. 5 Buchst. d, 3. Spiegelstrich). Die Auffassung des Generalanwalts (vgl. dessen Schlussanträge vom 16.05.2006 - Rs. C-338/04, C-359/04 und C-360/04, Placanica u.a.), wonach Gemeinschaftsrecht einer nationalen Regelung entgegenstehe, die unter anderem die Übermittlung von Wetten ohne die hierfür erforderliche Konzession des jeweiligen Mitgliedsstaats für Rechnung eines Unternehmers verbiete, der lediglich eine in dem Mitgliedsstaat seiner Niederlassung erteilte Zulassung besitzt, lässt sich mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht vereinbaren. Denn dieser hat mehrfach entschieden, dass den einzelnen Mitgliedsstaaten gerade ein Ermessensspielraum bei der Gestaltung ihrer Glücksspielpolitik eingeräumt wird (vgl. etwa EuGH, Urt. v. 06.11.2003, C-243/01 - Gambelli -). Dementsprechend hat sich der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 06.03.2007 (C-338/04 - Placanica -) diese Ausführungen auch nicht zu eigen gemacht. Vielmehr hat er auf seine bisherige Rechtsprechung verwiesen, die eine Reihe von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses anerkannt habe, aus denen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs gerechtfertigt seien.
22 
Dass die von einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft erteilte Konzession zum Veranstalten von Sportwetten im Bundesgebiet keine Geltung beanspruchen kann, ist mittlerweile gefestigte Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (vgl. zuletzt VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.03.2008 - 6 S 3069/07 -, mit zahlreichen Nachweisen).
II.
23 
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüstV scheidet als Rechtsgrundlage der angefochtenen Untersagungsverfügung jedoch aus.
24 
Die derzeitige Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols in Baden-Württemberg (vgl. § 10 Abs. 2 und 5 GlüstV) stellt eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des Klägers dar und ist europarechtswidrig (dazu II. 2 - 4). Das führt zur Europarechtswidrigkeit auch von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüstV; denn diese Bestimmung ermächtigt die Glücksspielaufsicht, das europarechtswidrige staatliche Glücksspielmonopol durchzusetzen und privaten Anbietern das Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten allein deshalb zu untersagen, weil dies gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüstV ohne Erlaubnis verboten ist. Ein auf präventive Kontrolle gerichtetes Erlaubnisverfahren existiert für private Sportwettenveranstalter wegen der Regelung des staatlichen Wettmonopols im Glücksspielstaatsvertrag aber nicht. Wegen der europarechtswidrigen Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols kann derzeit deshalb nicht von einer Erlaubnispflicht für private Anbieter von Sportwetten ausgegangen werden (so ebenfalls VG Berlin, Beschl. v. 02.04.2008 -VG 35 A 52/08-).
25 
Aus diesem Grunde kann die angefochtene Verfügung auch nicht - wovon das Regierungspräsidium ausgegangen ist - darauf gestützt werden, dass mit ihr ein Verstoß gegen die Strafrechtsnorm des § 284 StGB abgewehrt wird. Denn aus der verwaltungsakzessorischen Natur des § 284 StGB (vgl. hierzu: BGH, Urt. v. 16.08.2007 - 4 StR 62/07 -, NJW 2007, 3078 ff.) folgt, dass sich ein Anbieter oder Vermittler von Sportwetten nicht nach dieser Vorschrift strafbar macht, wenn - wie hier - die fehlende Erlaubnis auf einem Rechtszustand beruht, der europarechtswidrig die Dienstleistungsfreiheit verletzt.
26 
Dem stehen auch nicht die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 28.03.2006 entgegen; denn das Gericht hat lediglich für die von ihm eingeräumte Übergangszeit bis 31.12.2007 angenommen, dass das gewerbliche Veranstalten von Sportwetten durch private Wettunternehmen weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden darf (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, 1 BvR 1054/01 -, NJW 2006, 1261 ff.). Erweist sich die Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols nach Ablauf der Übergangsfrist aber als europarechtswidrig, kann von einem Verbot als Grundlage der angegriffenen Verfügung nicht mehr ausgegangen werden (vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 22.11.2007 - 1 BvR 2218/06 -, NVwZ 2008, 301 ff.).
27 
1. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile v. 15.07.1964 - Rs 6/64 - Costa/E.N.E.L. , und v. 09.03.1978 - Rs 106/77 - Simmenthal) besteht aus Art. 10 EG und dem als Strukturprinzip des Gemeinschaftsrechts entwickelten Grundsatz des „effet utile“ für nationale Gerichte die Pflicht, gemeinschaftsrechtswidriges nationales Recht von sich aus außer Anwendung zu lassen (vgl. zum Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts auch Streinz/Herrmann, BayVBl. 2008, 1 ff.). Hinsichtlich der Verwerfung nationaler Gesetze wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit ist zwar eine besonders sorgfältige Prüfung und auch Zurückhaltung geboten. Bei hinreichend manifesten Verstößen nationaler Rechtsnormen gegen das Gemeinschaftsrecht sind die nationalen Gerichte zu deren Nichtanwendung jedoch nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet. So verhält es sich nach Auffassung der Kammer hier. Denn der Europäische Gerichtshof hat bereits in mehreren Entscheidungen zum Glücksspielbereich die Voraussetzungen genau dargelegt, die erfüllt sein müssen, damit Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind (dazu im einzelnen II. 2 - 4). Er hat auch immer wieder betont, es sei Sache der nationalen Gerichte, darüber zu befinden, ob die streitigen Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs diese Voraussetzungen erfüllen. Angesichts dieser Rechtsprechung sieht die Kammer hinsichtlich der europarechtlichen Voraussetzungen für die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit keinen weiteren Klärungsbedarf, der Anlass für eine Vorlage an den Gerichtshof nach Art. 234 EG sein könnte. Zwar haben mehrere deutsche Verwaltungsgerichte (vgl. z.B. VG Stuttgart, Beschl. v. 24.07.2007 - 4 K 4435/06-) dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob der für eine Rechtfertigung des staatlichen Sportwettenmonopols gemeinschaftsrechtlich gebotene kohärente und systematische Beitrag zur Begrenzung der Wetttätigkeit lediglich auf den jeweiligen Glücksspielsektor zu beziehen oder unter Einbeziehung auch der nicht monopolisierten Glücksspiele, die -wie etwa Geldspielgeräte- ein höheres Suchtpotential aufweisen, umfassend zu verstehen ist. Auf die Beantwortung dieser Frage kommt es für die Kammer aber entscheidungserheblich nicht an, weil das staatliche Sportwettenmonopol auch ohne Berücksichtigung anderer Glücksspielsektoren derzeit gegen Gemeinschaftsrecht verstößt.
28 
2.a) Das Sportwettenmonopol des Landes stellt eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des Klägers dar. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist geklärt, dass die Veranstaltung, Vermittlung und Durchführung von Sportwetten Dienstleistungen i. S. v. Art. 49 EG sind (EuGH, Urt. v. 21.10.1999, C-67/98 - Zenatti -, Rdnr. 19; Urt. v. 24.03.1994, C-275/92 - Schindler -, Rdnr. 25; Urt. v. 21.09.1999, C-124/97 – Läärä -, Rdnr. 14). Ebenso ist geklärt, dass Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit außerhalb der Vorgaben des Art. 55 EG i. V. m. Art. 45, 46 EG nur dann zulässig sind, wenn sie nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 29).
29 
b) Im Bereich von Glücksspielen sind als zwingende Gründe des Allgemeininteresses der Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung, die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen und die Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung anerkannt (EuGH, Urt. Gambelli, Rdnr. 67). Innerhalb dieses Rahmens steht es im Ermessen jedes einzelnen Mitgliedstaats, welches Schutzniveau er gewährleisten will (EuGH, Urt. Schindler, Rdnr. 60, 61; Urt. Zenatti, Rdnr. 33, 34). Er kann sich zum Beispiel für ein Präventionsmodell entscheiden, das auf eine wesentliche Verminderung der Gelegenheit zum Spiel ausgerichtet ist, oder etwa auch für ein Kanalisierungsmodell, das darauf abzielt, durch ein auf Einnahmeerzielung und Expansion angelegtes Angebot einer begrenzten Zahl konzessionierter Privater die Glücksspieltätigkeiten aus dem Bereich des Illegalen und Kriminellen in geordnete und staatlich überwachte Bahnen zu lenken (EuGH, Urt. Placanica, Rdnr. 54, 55; s. dazu auch Wissenschaftlicher Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landtags, Gutachten v. 11.10.2007, S. 7 - Drs. LT-SLH 16/2460 -).
30 
Mit dem Glücksspielstaatsvertrag haben sich die deutschen Landesgesetzgeber für ein Präventionsmodell entschieden, das als Mittel zur Prävention auch die Kanalisierung des Spieltriebs der Bevölkerung beinhaltet. § 1 GlüStV nennt als Ziele, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirkliche wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen (Nr. 1), das Glücksspielangebot zu begrenzen und den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, insbesondere ein Ausweichen auf nicht erlaubte Glücksspiele zu verhindern (Nr. 2), den Jugend- und den Spielerschutz zu gewährleisten (Nr. 3) sowie sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt, die Spieler vor betrügerischen Machenschaften geschützt und die mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität abgewehrt werden (Nr. 4). Diese Ziele werden zwar ohne weiteres von den europarechtlich anerkannten Gründen des Allgemeininteresses umfasst. Von diesen Zielen hat allerdings bei verfassungskonformer Auslegung des Glücksspielstaatsvertrags nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 28.03.2006 (a.a.O., Rdnrn. 98 ff.) das in § 1 Nr. 1 des Vertrags genannte Ziel der Suchtbekämpfung im Vordergrund zu stehen. Nur mit Bezug zu diesem Ziel kann die in § 1 Nr. 2 GlüStV vorgesehene Kanalisierung durch ein staatliches, ausreichendes Glücksspielangebot (vgl. § 10 GlüStV) überhaupt verfassungsgemäß sein. Denn ein staatliches Monopol für Sportwetten ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft ausgerichtet ist (BVerfG, a. a. O., Rdnrn. 98, 119, 120). Ein auf Einnahmeerzielung und Expansion (vgl. EuGH, Urt. Placanica, Rdnr. 54, 55) angelegtes Staatsmonopol ist verfassungswidrig (BVerfG, a. a. O., Rdnr. 107, 141).
31 
c) Europarechtlich ist eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses nur zu rechtfertigen, wenn sie geeignet ist, die Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele zu gewährleisten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 32; Urt. Gambelli, Rdnr. 65). Hat sich ein Staat wie hier im Glücksspielstaatsvertrag - entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben - vorrangig für das Ziel der Suchtbekämpfung entschieden, so muss die Verwirklichung dieses Ziels in dem Sinne gewährleistet sein, dass die Beschränkungen kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen (EuGH, Urt. Gambelli, Rdnr. 67; Urt. Placanica, Rdnr. 53; siehe auch EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 14.03.2007, E-1/06 – Gaming Machines, Rdnr. 53). Dabei kommt es zentral auf die „Effektivität der Überwachung“ und die „Durchsetzung“ einer „wirklich restriktiven“ Glücksspielpolitik an (EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming Machines, Rdnr. 51).
32 
Diesen europarechtlichen Maßgaben entsprechen auch die verfassungsrechtlichen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts im Sportwetten-Urteil vom 28.3.2006 (a.a.O., Rdnr. 120), wonach eine konsequente Ausrichtung am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Spielsucht materiellrechtliche Regelungen und strukturelle Sicherungen erforderlich macht. Dementsprechend können die konkreten Vorgaben aus dem bundesverfassungsgerichtlichen Urteil auch zur Beantwortung der Frage der europarechtlichen Kohärenz und Konsistenz herangezogen werden.
33 
d) Der Europäische Gerichtshof hat immer wieder betont, dass es Sache des nationalen Gerichts - und damit hier der Kammer - ist zu prüfen, ob die angegriffene Regelung angesichts ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten tatsächlich den Zielen Rechnung trägt, die sie rechtfertigen könnten, und ob die mit ihr auferlegten Beschränkungen nicht außer Verhältnis zu diesen Zielen stehen (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 37; Urt. Gambelli, Rdnr. 75, 76; Urt. Placanica, Rdnr. 58, 72; vgl. auch EuGH, Urt. v. 5.6.2007, C-170/04 - Rosengren -, Rdnr. 46/47 bzw. Rdnr. 53/54). Maßgeblich sind dabei nicht nur die rechtliche Ausgestaltung der Beschränkung, sondern auch ihre tatsächlichen Anwendungsmodalitäten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 37, Urt. Gambelli, Rdnr. 75, 76), ihre Handhabung in der Praxis (EuGH, Urt. Rosengren, Rdnr. 46). Der Begriff des „Vorbehalts des Gesetzes“ in seiner im deutschen Staatsrecht geläufigen Ausprägung findet im Gemeinschaftsrecht keine Entsprechung, weil es hier nicht primär um den Schutz der Individualsphäre gegenüber hoheitlicher Macht, sondern um die Abgrenzung zwischen nationaler und gemeinschaftlicher Regelungsbefugnis geht (vgl. Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2.Aufl., 2005, S. 193 [219, 238]). Allerdings ist die vom Europäischen Gerichtshof geforderte „Kohärenz“ und „Systematik“ hinsichtlich der Begrenzung der Wetttätigkeiten ohne normative Vorgaben zur Ausgestaltung eines staatlichen Monopolbetriebs kaum denkbar. Ohne solche inhaltlich bestimmten Regelungen blieben Maß und Umfang der Begrenzung der Wetttätigkeit der Willkür des staatlichen Monopolisten überlassen, die infolge ihrer begriffsnotwendigen Konturlosigkeit und der Unvorhersehbarkeit ihrer Ergebnisse schlechterdings ungeeignet ist, die gebotene Begrenzung effektiv, widerspruchsfrei und nach klaren Regeln umzusetzen (vgl. zur Ungeeignetheit der schwedischen gesetzlichen Bestimmungen zum staatlichen Monopolvertrieb für Alkohol EuGH, Urt. Rosengren, Rdnr. 45 - 47). Entscheidend ist hier damit vor allem die rechtliche Ausgestaltung des Sportwettenmonopols, ohne dass jedoch die tatsächliche Umsetzung aus dem Blick gelassen werden darf.
34 
e) Danach kann das Staatsmonopol des Landes keinen Bestand haben, weil es in seiner aktuellen rechtlichen und tatsächlichen Verfassung das Ziel der Suchtbekämpfung nicht durch einen kohärenten und systematischen Beitrag zur Begrenzung der Wetttätigkeiten verwirklicht. Weder quantitativ noch qualitativ erweist sich das Monopol als Umsetzung einer konsequent an der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht ausgerichteten Glücksspielpolitik.
35 
aa) Gerade das vom Bundesverfassungsgericht beanstandete terrestrische Vertriebssystem unter der Maxime „weites Land – kurze Wege“, das das Wetten nicht begrenzt, sondern dazu ermuntert und anreizt, wird durch den neuen Glücksspielstaatsvertrag und das baden-württembergische Ausführungsgesetz nicht in Frage gestellt. Noch immer besteht das Vertriebsnetz - entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts - aus einer fast unvermindert gebliebenen Vielzahl von Zeitschriften- und Tabakläden oder ähnlichen kleinen oder mittelständischen Gewerbebetrieben, so dass der Vertrieb in „bewusster Nähe zum Kunden“ stattfindet und die Möglichkeit zum Sportwetten ein allerorts verfügbares "normales“ Gut des täglichen Lebens darstellt (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr. 138). Von dem europarechtlich gebotenen Beitrag zur Begrenzung der Wetttätigkeiten kann bei einem solchen Vertriebssystem, über das Oddset nach dem Verbot des Internetvertriebs (§ 4 Abs. 4 GlüStV) ausschließlich vermarktet wird, nicht die Rede sein.
36 
Eine bezifferte Obergrenze für die Zahl der Annahmestellen in Baden-Württemberg gibt es nicht (anders etwa § 7 SächsGlüStV -AG v. 14.12.2007 - SächsGVBl. 2007, S. 542: eine Annahmestelle je 3.200 Einwohner oder § 2 Abs. 5 Thüring. Gesetz zum GlüStV v. 18.12.2007 - GVBl. 2007, S.243: Gesamtzahl von 750 Annahmestellen in Thüringen darf nicht überschritten werden oder Art.1 Abs.3 S.2 BayAG-GlüStV v. 20.12.2007 - GVBl. 2007, S. 992: Zahl der Annahmestellen ist bis 31.12.2011 auf insgesamt 3.700 zu begrenzen). Zwar heißt es in § 10 Abs. 3 GlüStV, die Länder begrenzten die Zahl der Annahmestellen zur Erreichung der Ziele des § 1, das baden-württembergische Ausführungsgesetz wiederholt jedoch nur, dass Anzahl und flächenmäßige Verteilung der Annahmestellen an den Zielen des § 1 GlüStV auszurichten seien. Darüber hinaus normiert es nur, dass nicht mehr Annahmestellen unterhalten werden dürften, als zur Sicherstellung eines ausreichenden Glücksspielangebots erforderlich sei (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 u. Satz 2 Ausführungsgesetz). Anhaltspunkte, wie viel Glücksspiel als ausreichend anzusehen ist, liefert das Gesetz nicht. Auch für das vom Gesetz vorgesehene Vertriebskonzept des Veranstalters (§§ 2 Abs. 2 Nr. 5, 7 Abs. 1 Satz 3 AG-GlüStV) fehlen inhaltliche Vorgaben. In § 7 Abs. 1 Satz 4 AG-GlüStV heißt es nur, dass das Konzept sich insbesondere an der räumlichen Bevölkerungsstruktur zu orientieren habe. Eine solche Orientierung mag eventuell Anhaltspunkte für die flächenmäßige Verteilung der Annahmestellen geben, lässt jedoch keinerlei Rückschlüsse auf die zulässige Anzahl von Annahmestellen zu.
37 
Außer konkreten, inhaltlichen Vorgaben für die Begrenzung der Zahl der Annahmestellen fehlen auch gesetzlich geregelte wirksame Kontrollmechanismen.
38 
§ 7 Abs. 1 Satz 3 AG-GlüStV überträgt die nähere Ausgestaltung der Anzahl und der flächenmäßigen Verteilung der Annahmestellen dem Veranstalter oder der mit der Durchführung der Glücksspiele beauftragten juristischen Person, die ein entsprechendes Vertriebskonzept zu erstellen haben. Damit aber wird die Festlegung der Grenzen an den eigentlich zu kontrollierenden Monopolisten selbst delegiert.
39 
Auch eine Kontrolle des Vertriebskonzepts sieht das Ausführungsgesetz nicht unmittelbar vor, sondern nur mittelbar bei der Erteilung der Glücksspielerlaubnis (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 5). Die Übergangsregelungen des § 25 Abs. 1 GlüStV, wonach die bis zum 01.01.2007 erteilten Konzessionen, Genehmigungen und Erlaubnisse bis zum 31.12.2008 als Erlaubnis fortgelten, sowie des § 2 Abs. 1 Satz 2 AG-GlüStV, wonach die vom Land bereits zum 01.01.2007 veranstalteten Glücksspiele noch bis zum 31.12.2008 ohne Erlaubnis fortgeführt werden dürfen, führen jedoch dazu, dass bis Ende diesen Jahres noch nicht einmal diese mittelbare Kontrolle über § 2 Abs. 2 Nr. 5 AG-GlüStV stattfindet.
40 
Allein die Möglichkeit des Einschreitens der Glückspielaufsicht nach § 9 Abs. 1 GlüStV stellt keinen wirksamen Kontrollmechanismus dar. Dies zeigt sich etwa daran, dass der baden-württembergische Monopolist, die Toto-Lotto GmbH, trotz gesetzlicher Verpflichtung nach § 7 Abs.1 AG-GlüStV bislang kein Vertriebskonzept besitzt, ohne dass dies Konsequenzen für seine Tätigkeit nach sich gezogen hätte. Nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung hat dieser bisher nur einen unzureichenden Entwurf eines Vertriebskonzepts vorgelegt.
41 
Auch zu den einzelnen Annahmestellen enthalten die gesetzlichen Regelungen keinerlei konkrete Vorgaben. So heißt es unter § 7 Abs. 2 AG-GlüStV neben Zuverlässigkeitsanforderungen an den Betreiber nur allgemein, dass die Anforderungen der § 4 Abs. 3, §§ 5, 7 GlüStV sichergestellt werden müssten und dass die Annahmestelle dem Vertriebskonzept entsprechen und nicht in Spielhallen oder in Räumlichkeiten betrieben werden dürfe, die nach ihrer Lage, Beschaffenheit, Ausstattung und Einteilung dem Ziel entgegenstünden, nur ein begrenztes Glücksspielangebot zuzulassen (§ 7 Abs. 2 Nr. 5 AG-GlüStV). Genaueres fehlt wiederum, etwa dazu, zusammen mit welchem Warenangebot Oddset vertrieben werden darf, damit es gerade nicht mehr als allerorts verfügbares Gut des täglichen Lebens (vgl. dazu BVerfG, a. a. O., Rdnr. 138) gehandelt wird, oder dazu, welche Entfernung die Annahmestelle zu besonders von Jugendlichen genutzten Einrichtungen wie Schulen, Jugendzentren oder Ähnlichem einzuhalten hat.
42 
Auch für den überwiegenden Teil der Annahmestellen sieht das Gesetz derzeit keine Kontrolle vor. Denn nach § 7 Abs. 4 AG-GlüStV darf eine Annahmestelle, die bereits zum 01.01.2007 in ein öffentliches Glücksspiel des Landes vermittelt hat, diese Vermittlung noch bis zum 31.12.2008 ohne Erlaubnis fortsetzen. Darüber hinaus ist in § 7 Abs. 2 Satz 3 AG-GlüStV vorgesehen, dass die zuständige Behörde die Aufgabe der Erteilung der Erlaubnis für den Betrieb einer Annahmestelle der mit der Durchführung des Glücksspiels beauftragten Stelle im Wege der Beleihung übertragen kann. Durch ein solche Beleihung wird wiederum der Monopolist selbst mit seiner eigenen Kontrolle beauftragt. Auch dies macht deutlich, dass das Gesetz nicht auf eine effektive Kontrolle des Monopolisten zur Sicherstellung der Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV, insbesondere der Suchtbekämpfung, angelegt ist.
43 
Die derzeitige tatsächliche Situation spiegelt diese aufgezeigten rechtlichen Defizite wider. Ein Vertriebskonzept existiert nicht; die Zahl der Annahmestellen ist seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach den Angaben des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung nur geringfügig von 3.750 auf 3.656 gesunken. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass dieser Rückgang auf ein entsprechendes Konzept und nicht nur auf Insolvenzen oder sonstige wirtschaftlich bedingte Aufgaben der Annahmestellen zurückzuführen ist. Die freiwillige Schließung von legalen Annahmestellen der Toto-Lotto GmbH durch ihre Betreiber ist nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung jedenfalls nicht genutzt worden, um die Gesamtzahl der Stellen zu reduzieren; vielmehr ist in etwa 40 bis 50 Fällen für geschlossene Annahmestellen jeweils Ersatz zugelassen worden, entweder indem der Weiterbetrieb durch einen neuen Inhaber oder aber die Eröffnung einer neuen Annahmestelle in der Nachbarschaft zugelassen wurde. Nach wie vor ist Oddset deshalb wie ein Gut des täglichen Lebens allerorts verfügbar. Die Zahl der Annahmestellen in Baden-Württemberg (3.656 - d.h. bei 10.736.000 Einwohnern kommt eine Annahmestelle auf 2.936 Einwohner; Ende 2006 waren es 3.674, d.h. eine je 2923 Einwohner - siehe Geschäftsbericht 2006 der Toto-Lotto GmbH v. 17.04.2007, S. 36 - www.lotto-bw.de) übertrifft bei weitem die Zahl etwa von Postfilialen (bundesweit eine für 6.875 Einwohner, vgl. VG Berlin, Beschl. v. 02.04.2008 -VG 35 A 52.08 -) und selbst die von Apotheken (bundesweit eine für 3.889 Einwohner, vgl. VG Berlin, a. a. O.). Auch wenn diese Zahlen angesichts der Unterschiede von Postfilialen, Apotheken und Annahmestellen nicht ohne weiteres direkt miteinander vergleichbar sind, vermitteln sie jedoch einen plastischen Eindruck von der tatsächlichen Dichte der vorhandenen Annahmestellen. Weshalb eine solche Dichte in der heutigen Mobilitätsgesellschaft für die Sicherstellung eines am Ziel der Suchtbekämpfung orientierten Glücksspielangebots notwendig sein soll, ist nicht ersichtlich.
44 
Nach wie vor wird Oddset vor allem in Zeitschriften-, Schreibwaren- und Tabakläden, Supermärkten und Tankstellen vertrieben und damit nicht nur gezielt dem interessierten Kundenkreis, sondern einem breiten Publikum angeboten und darüber hinaus auch Jugendlichen und Kindern bekannt gemacht. Nach wie vor existieren Annahmestellen in unmittelbarer Nähe zu Schulen oder anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen, wie in der mündlichen Verhandlung beispielhaft aus Waldshut-Tiengen berichtet wurde. Damit ist der Vertrieb auf Expansion und nicht auf Selbstbeschränkung und Eingrenzung angelegt. Dass es nach den Teilnahmebedingungen für Oddset zum Wetten einer Kundenkarte bedarf (vgl. § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi-Wette vom 08.11.2007, GABl. 2007, S. 639 und § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette, Ausgabe Januar 2008, GABl. 2007, S. 648), ändert an der Verfügbarkeit wie ein Gut des täglichen Lebens nichts, nachdem die Kundenkarte als „Spielpass“ kostenlos gegen Vorlage eines Ausweises ausgegeben wird und sofort nach Beantragung dieses „Passes“ gespielt werden kann (vgl. Informationen zum Spielangebot der Toto-Lotto GmbH Bad.-Württ., Stand Januar 2008, S. 20).
45 
Die Betreiber der Annahmestellen erhalten nach wie vor umsatzabhängige Provisionen für die Vermittlung von Sportwetten und haben damit ein starkes Eigeninteresse an der Steigerung des Umsatzes. Dieses Interesse wird nicht dadurch beseitigt, dass die Toto-Lotto GmbH seit dem 01.01.2008 eine Zusatzvereinbarung mit den Inhabern der Annahmestellen geschlossen hat, wonach der Glücksspielbereich nur eine untergeordnete Nebentätigkeit sein darf. Abgesehen davon, dass in der mündlichen Verhandlung von den Klägervertretern konkret Fälle genannt wurden, bei denen diese Zusatzvereinbarung nicht eingehalten werden soll, und der Beklagtenvertreter dem nichts zu entgegnen wusste, bedeutet der privatrechtliche Handelsvertretervertrag, den die Lottogesellschaften mit ihren Annahmestellen geschlossen haben (vgl. dazu Bundeskartellamt, Beschl. vom 23.08.2006 - B 10-92713-Kc-148/05 - Rdnr. 77), dass deren Betreiber einen Provisionsanspruch nach § 87 HGB besitzen und umso mehr verdienen, je mehr Spieleinnahmen sie für die Lottogesellschaft eingebracht haben. Daher haben sie auch dann, wenn sie die Glücksspielvermittlung nur als Nebentätigkeit betreiben, ein eigenes und sehr großes wirtschaftliches Interesse daran, möglichst viele Kunden zu akquirieren. An diesem System, wie es das Bundeskartellamt im Jahr 2006 vorgefunden hat (vgl. Beschl. v. 23.08.2006, a. a. O.), hat sich bislang nichts geändert, wie der Vertreter des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat. Die Bestimmung in den Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht (Anhang zum Glücksspielstaatsvertrag), dass die Vergütung der leitenden Angestellten von Glücksspielveranstaltern nicht abhängig vom Umsatz berechnet werden darf (Nr. 3 der Richtlinien), hat eher Feigenblattcharakter, nachdem der Verdienst gerade der Personen mit dem direkten Kundenkontakt, nämlich der Betreiber der Annahmestellen, umsatzabhängig ist.
46 
Die Glücksspielaufsicht ist nur minimal ausgestattet. Für ganz Baden-Württemberg sind im zuständigen Regierungspräsidium Karlsruhe (vgl. § 2 des Gesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag vom 11.12.2007) nur zwei Personen für die Überwachung des Monopolisten und seiner 3.656 Annahmestellen zuständig. Dem entspricht, dass es nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung noch nicht zu einer Sichtung, geschweige denn Überprüfung des Bestands an Annahmestellen gekommen ist. Auch über einzelne Beanstandungen bei Annahmestellen konnte der Beklagtenvertreter nichts berichten, was angesichts der hohen Zahl von Annahmestellen sicherlich nicht darauf zurückzuführen ist, dass es keine zu beanstandenden Verstöße gegeben hat.
47 
bb) Diese Defizite in der rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung des Vertriebssystems werden auch nicht durch die qualitativen Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags zur Einschränkung der Werbung und zur Suchtprävention ausgeglichen.
48 
Die inhaltlichen Regelungen zur zulässigen Werbung in § 5 Abs. 1 u. 2 GlüStV sind sehr allgemein gehalten und kranken vor allem daran, dass unklar ist und auch vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung nicht erhellt werden konnte, wo die Grenze zwischen informativer, aufklärender Werbung und unzulässiger anreizender und ermunternder Werbung verläuft. Dementsprechend konnte einer der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung auch eine Vielzahl von Werbebroschüren und -artikeln präsentieren, die weit über eine Information und Aufklärung hinausgingen und sich offensichtlich auch an Minderjährige richteten, wie etwa Schokoladentäfelchen mit dem Aufdruck auf der Banderole: „Der Leckerbissen im Jubiläumsjahr 2008 Lotto Baden-Württemberg“. Auch wenn die vorgelegten Beispiele Werbung für die Dachmarke Lotto (vgl. zur Ausgestaltung und Wirkung der Dachmarke VG Berlin, a. a. O., S.25) und verschiedene Lotterieveranstaltungen, nicht aber unmittelbar für Sportwetten enthielten, belegen sie doch, dass die Werbebeschränkungen rechtlich wie tatsächlich nicht die Ziele des § 1 GlüStV verwirklichen. Denn nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung stimmt die Toto-Lotto GmbH jede Werbemaßnahme mit der Glücksspielaufsicht ab, so dass davon auszugehen ist, dass auch die vorgelegten Werbeexemplare vorher von der Glücksspielaufsicht als unbedenklich eingestuft worden waren. Gleiches gilt für die unstreitig in Fußballstadien vorhandene Bandenwerbung für die Dachmarke Lotto, die wohl kaum als informativ und aufklärend im Sinne des § 5 Abs. 1 GlüStV bezeichnet werden kann und zudem eine Umgehung des Verbots von Bandenwerbung für Sportwetten in § 21 Abs. 2 Satz 2 GlüStV darstellt. Denn die Dachmarke steht nach ihrem Sinn und Zweck gerade für das gesamte, unter ihr vertriebene Glücksspielangebot, zu dem auch die Sportwetten gehören.
49 
Darüber hinaus ist Werbung zwar im Fernsehen, Internet und über Telekommunikationsanlagen verboten (§ 5 Abs. 3 GlüStV), jedoch nach wie vor in großer Bandbreite über Radiospots, Werbetafeln, Printmedien, Zeitungsanzeigen und Postwurfsendungen möglich (siehe dazu VG Berlin, a. a. O., S. 25-27).
50 
Soweit der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass der Umsatz der Oddset-Kombiwette im Jahr 2007 um 28 % und der Topwette um 48% sowie im ersten Quartal 2008 um 22% bzw. 32% zurückgegangen sei, konnte seinen Ausführungen nicht entnommen werden, dass dieser Rückgang Folge einer streng an der Begrenzung der Wetttätigkeit orientierten Glücksspielpolitik und Glücksspielaufsicht wäre. Vielmehr ist im Geschäftsbericht der staatlichen Toto- Lotto GmbH nachzulesen, dass die im Glücksspielstaatsvertrag geregelte Einstellung des Internetspiels und die Reduzierung der Werbeaktivitäten nur zu „leichten Umsatzrückgängen“ geführt hätten und davon auszugehen sei, dass eine fortgesetzte Werbeinschränkung zwecks Spielerschutz in Zukunft nur „vorübergehend“ zu Umsatzrückgängen führen werde (Geschäftsbericht a.a.O., S.38).
51 
Auch die Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrags zur Suchtprävention enthalten strukturelle Defizite, die sich wiederum in der aktuellen, tatsächlichen Situation widerspiegeln.
52 
Zwar sieht § 8 GlüStV eine Spielersperre vor; es fehlt jedoch an der Regelung eines Verfahrens, das sicherstellt, dass es tatsächlich auch zu Spielersperren kommt. Eine Kontrolle der Spielausgaben eines einzelnen Spielers, aus deren Höhe auf eine Spielsuchtgefährdung geschlossen werden könnte, sieht der Glücksspielstaatsvertrag nicht vor. Eine Spielersperre kann also nur dann verhängt werden, wenn der Spieler sie selbst beantragt oder das Personal oder sonstige Dritte zufällig Anhaltspunkte für Spielsuchtgefährdung, Überschuldung oder überhöhte Spieleinsätze wahrnehmen. Diese Möglichkeiten laufen in der Praxis aber weitgehend leer. Das Personal erfährt auch über die Kundenkarten oder Spielpässe (vgl. dazu Informationen zum Spielangebot der Toto-Lotto GmbH Bad.-Württ., Stand Januar 2008, S. 20, 21), die vor allem der Identifizierung eines Spielers dienen sollen (vgl. § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi-Wette vom 08.11.2007, GABl. 2007, S. 639 und § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette, Ausgabe Januar 2008, GABl. 2007, S. 648), nichts über sein früheres Spielverhalten. Damit wird die vorgesehene Schulung des Personals, das problematisches Spielverhalten anhand eines plötzlichen Anstiegs des Entgelts oder der Spielfrequenz frühzeitig erkennen soll (vgl. § 6 Satz 2 GlüStV i. V. m. Nr. 1c der Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht), gerade angesichts der Dichte der Annahmestellen und der Möglichkeit für Spieler, ihre Wetten zu streuen, zu einem wenig wirkungsvollen Instrument. Abgesehen davon dürfte ein großer Teil des Personals bislang noch nicht geschult sein; bis Ende 2006 jedenfalls hatten erst 1.297 Betreiber von Annahmestellen, also nur ein gutes Drittel, an Schulungen teilgenommen (Geschäftsbericht Toto-Lotto GmbH, S. 27). So verwundert es nicht, dass der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung von keiner einzigen verhängten Spielersperre berichten konnte, obwohl bundesweit doch immerhin 250.000 Personen Anzeichen von Glücksspielsucht aufweisen sollen (vgl. Drucks. 14/1350 des Landtags von Bad.-Württ., S. 2).
53 
Höchsteinsätze für Sportwetten - spieler- und zeitraumbezogen oder wenigstens spielbezogen - sind weder im Glücksspielstaatsvertrag noch im Ausführungsgesetz geregelt. Allein die normativ nicht verankerten Teilnahmebedingungen enthalten gewisse, teilweise sehr hohe (bis zu 5.000 EUR) Grenzen, die sich jedoch nur auf einen Spielvorgang, nicht aber auf die Ausgaben eines Spielers innerhalb eines bestimmten Zeitraums beziehen (vgl. § 6 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi-Wette vom 08.11.2007, GABl. 2007, S. 639 und § 6 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette, Ausgabe Januar 2008, GABl. 2007, S. 648; s. dazu auch VG Berlin, a. a. O., S. 30 f.).
54 
Das in § 6 GlüStV vorgesehene Sozialkonzept wird in seiner Ausgestaltung wiederum dem Monopolisten selbst überlassen. Nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung gibt es zwar ein Sozialkonzept des baden-württembergischen Monopolisten. Dieses stammt aber noch aus dem Jahr 2004, kann die Vorgaben des neuen Glücksspielstaatsvertrags also gar nicht umgesetzt haben.
55 
Am Rande sei im Übrigen darauf hingewiesen, dass auch der in § 10 Abs. 1 Satz 2 GlüStV vorgesehene Fachbeirat offensichtlich nicht existiert, nachdem dem Beklagtenvertreter darüber nichts bekannt war.
56 
Die Kammer verkennt nicht, dass die Toto-Lotto GmbH im Bereich der Aufklärung (§ 7 GlüStV) mit den Hinweisen auf Spielscheinen, Losen und Quittungen (§ 7 Abs. 2 GlüStV), der Aufklärungsbroschüre „Spielen mit Verantwortung“, der Einrichtung der Internetseite „www.spielen-mit-verantwortung.de“ und - vor allem telefonischen - Beratungsangeboten konkrete Schritte zur Suchtbekämpfung unternommen hat. Diese Schritte ändern jedoch nichts daran, dass das Konzept des Spielerschutzes unzureichend ausgestaltet ist, und sind vor allem nicht geeignet, ein zum Wetten anreizendes und ermunterndes europarechts- und verfassungswidriges Vertriebssystem zu rechtfertigen.
57 
3. Das Sportwettenmonopol des Landes ist zudem auch deshalb europarechtswidrig, weil es eine unverhältnismäßige, nämlich zur Erreichung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags nicht erforderliche Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt (ebenso VG Arnsberg, Beschl. v.l 05.03.2008 -1 L 12/08 -, juris und VG Frankfurt a.M., Beschl. v. 09. 01. 2008 - 7 G 4107/07(3) ).
58 
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dürfen Maßnahmen zur Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist (vgl. EuGH, Urt. v. 30.11.1995 - C-55/94 -, Gebhard, Rdnr.37; Urt. v. 31.03.1993 - C-19/92-, Kraus, Rdnr.41; Urt. v. 26.11.2002 - C-100/01, Olazabal, Rdnr.43; vgl. zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Europarecht: Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2.Aufl., 2005, S.805 - 841; zur Verhältnismäßigkeit in den EuGH-Urteilen zum Glücksspielmarkt: Haltern, Gemeinschaftsrechtliche Aspekte des Glücksspiels, 2007, S.21, 22).
59 
Hinsichtlich eines staatlichen Glücksspiel-Monopols haben die nationalen Gerichte daher zu prüfen, ob dieses notwendig ist, um die mit dem Glücksspiel verbundenen Probleme (Spielsucht, Missbrauchsgefahren, Kriminalität etc.) auf das angestrebte Maß zu reduzieren oder dies nicht genauso gut durch weniger einschneidende Maßnahmen, wie etwa die Zulassung privater Anbieter unter strengen Konzessionsbedingungen erreicht werden kann (EuGH, Urt. Läärä, Rdnr.39; EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr.48, 49). Insbesondere ist zu prüfen, ob der staatliche Monopolist verglichen mit einem konzessionierten privaten Anbieter einen geringeren wirtschaftlichen Anreiz zur Verletzung reglementierender Vorschriften und ein geringeres Interesse an aggressiver Vermarktung hat und ob der Staat den öffentlich-rechtlichen Monopolanbieter effektiver überwachen kann oder ob nicht private Anbieter gleichermaßen einer solchen Überwachung unterworfen werden können (vgl. EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 30.05.2007 - E 3/06 -, Ladbrokes, Rdnr.58, 62). Die zentralen Punkte der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind dabei die Effektivität der Überwachung und die Durchsetzung einer wirklich restriktiven Glücksspielpolitik (EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr.51).
60 
Zwar steht es grundsätzlich im Beurteilungsermessen des Mitgliedsstaates, zu entscheiden, ob ein Monopol unter diesen Aspekten vorzugswürdiger ist als eine staatliche Aufsicht über private Anbieter. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist dabei allerdings in jedem Fall einzuhalten (EuGH, Urt. Läärä, Rdnr.39). Die eng auszulegende Ausnahme einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit muss der Mitgliedsstaat außerdem rechtfertigen, nämlich schlüssig, plausibel und überzeugend darlegen, dass die Beschränkung gerechtfertigt ist und auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Insoweit trägt er die Darlegungslast dafür, dass das Ziel nicht auch durch mildere Mittel erreicht werden kann (vgl. EuGH, Urt. v. 13.09.2007 - C-260/04-, Kommission./.Italien.Republik, Rdnr.33 m.w.N.; Urt. Placanica, Rdnr.48,49; Urt. Rosengren, Rdnr.50, 57; ähnlich der EFTA-Gerichtshof, der von einer „Beweislast“ des Mitgliedstaates spricht: vgl. Urt. Ladbrokes, Rdnr.42 und Urt. Gaming-Machines, Rdnr.31; zur Darlegungslast auch Haltern, Gemeinschaftsrechtliche Aspekte des Glücksspiels, 2007, S.28 ). Versäumt der Mitgliedstaat eine solche Darlegung, ist die Maßnahme unverhältnismäßig (EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr.50).
61 
Insoweit unterscheidet sich die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs von der des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 18.12.1968 - 1 BvL 5/64 u.a. -, BVerfGE 25, 1; Beschl. v. 14.10.1975 - 1 BvL 35/70 u.a. -, BVerfGE 40, 196; Beschl. v. 06.10.1987 - 1 BvR 1086/82 u.a. -, BVerfGE 77, 84; Beschl. v. 19.07.2000 - 1 BvR 539/96 - BVerfGE 102, 197 und Urt. v. 28.03.2006, a.a.O.), das die Last, die gesetzgeberischen Einschätzungen zu widerlegen und zu entkräften, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung dem Gericht auferlegt (zu diesem Unterschied Bungenberg, DVBl. 2005, 1405 [1410, 1411]; zum Unterschied zwischen EuGH und EFTA-Gerichtshof in diesem Punkt Winkelmüller, GewArch 2007, 235 [237]). Gültigkeit dürfte aber auch im europarechtlichen Kontext der Ansicht des BVerfG zukommen, dass der Gesetzgeber nicht vor Ergreifung des strengeren Mittels erst den ungewissen Ausgang der Anwendung eines milderen Mittels abwarten muss, zumal dann, wenn er in der Vergangenheit schon erfolglose Schritte in dieser Richtung unternommen hat (Beschl. v. 14.02.1967 - 1 BvL 17/63 -, BVerfGE 21, 150 [158]). Das gilt auch für die Aussage, dass der mit einer vorgeschlagenen Alternative verbundene hohe Kontrollaufwand beachtlich ist und dass nicht erwartet werden kann, dass über das vernünftigerweise von der Gesellschaft erwartbare Maß hinaus Mittel zur Aufstockung personeller und sachlicher Ressourcen der Kontrollbehörden eingesetzt werden, um eine in das Grundrecht stärker eingreifende Regelung zu vermeiden (Beschl. v. 06.10.1987, a.a.O.). Schließlich sind bei der Alternativenprüfung auch die dem Gesetzgeber bekannten Tatsachen und die bisher in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen mit Alternativen beachtlich (Beschl. v. 18.12.1968, a.a.O., S. 12, 19). Insbesondere kann es zur Unverhältnismäßigkeit eines staatlichen Monopols führen, wenn die bisherigen mit konzessionierten Privaten gemachten positiven Erfahrungen ignoriert werden (Beschl. v. 19.07.2000, a.a.O.). Schließlich muss sich der Gesetzgeber um eine flexible Gestaltung des Marktsystems und, „wo immer der Markt es erlaubt“, auch um die Eröffnung des Zugangs zum Markt bemühen (Beschl. v. 14.10.1975, a.a.O.).
62 
Nach diesen Maßstäben und Grundsätzen ist vom beklagten Land weder plausibel dargelegt noch sonst ersichtlich, dass das durch den Glücksspielstaatsvertrag begründete Sportwettenmonopol zur Erreichung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags erforderlich ist. Der Landesgesetzgeber (siehe Gesetzentwurf „III. Alternativen“ , LT-Drs. 14/1930, S. 31) beruft sich lediglich darauf, eine völlige Liberalisierung des Glücksspielmarktes anstelle eines staatlichen Monopolangebots sei völlig ungeeignet, weil es dann zu einer enormen Expansion des Marktes mit einer Verzehnfachung der gegenwärtigen Umsätze der Annahmestellen komme und damit gleichermaßen die Zahl der suchtkranken und suchtgefährdeten Glücksspieler sowie die Begleit- und Beschaffungskriminalität ansteige (so auch BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr. 113 und -im Rahmen der Folgenabwägung- ebenso VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.03.2008 - 6 S 3069/07-, juris). Dieser Einwand greift hingegen nicht gegenüber der ohne weiteres auch denkbaren Alternative der Erteilung eines begrenzten Kontingents von Konzessionen an private Wettanbieter (EuGH, Urt. Placanica, Rdnr.57, 58). Dagegen führt der Landesgesetzgeber unter Bezug auf die Sportwettenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Urt. v. 28.03.2006, a.a.O.) an, die Suchtgefahren könnten mit Hilfe eines auf die Bekämpfung von Glücksspielsucht und problematischem Spielverhalten ausgerichteten Monopols mit staatlich verantwortetem Angebot „effektiver beherrscht werden“ als im Wege einer Kontrolle privater Veranstalter (LT-Drs. 14/1930, S. 29). Diese Einschätzung beruht auf der Annahme, dass der Staat ein staatlich beherrschtes Monopolunternehmen grundsätzlich leichter überwachen und instruieren kann als er dies gegenüber einer Vielzahl privater Anbieter könnte (so ausdrücklich EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr. 51). Dies setzt aber voraus, dass die öffentliche Hand anders als bei der Beaufsichtigung Privater zur Durchsetzung einer an der Suchtprävention orientierten Vertriebsform nicht auf den Einsatz mitunter langwieriger hoheitlicher Aufsichts- und Ordnungsmittel angewiesen ist, sondern die Zielkonformität der Geschäftspolitik des ihr unterworfenen staatlichen Monopolbetriebs durch direkte Weisungen durchsetzen kann (vgl. Fremuth, EuZW 2007, 565 [568]) und dass es hier nur der Beaufsichtigung eines einzigen Wettanbieters, nämlich des staatlichen Monopolanbieters, statt der Beaufsichtigung einer Vielzahl von privaten Wettanbietern bedarf, die einen viel umfangreicheren Kontrollaufwand bedingt (vgl. Walz, EuZW 2004, 523 [525] ).
63 
An diesen beiden Grundvoraussetzungen für Annahme größerer Effektivität fehlt es jedoch im vorliegenden Fall des baden-württembergischen Sportwettenmonopols gerade. Die Toto-Lotto GmbH, die in Baden-Württemberg die Sportwetten als staatlicher Monopolbetrieb anbietet, steht zwar aufgrund der unmittelbaren Landesbeteiligung gem. § 1 Abs.5 AG-GlüStV unter dem direkten Einfluss des Landes auf die Zielkonformität der Unternehmenspolitik. Ihrerseits aber bietet sie die Sportwetten nicht über ein Netz eigener zahlenmäßig begrenzter Annahmestellen mit eigenen, unmittelbarer Weisung unterworfenen Angestellten an. Vielmehr besteht das Vertriebsnetz der Toto-Lotto GmbH aus einer Vielzahl von 3656 Annahmestellen, die von privaten Inhabern von Lebensmittel-, Zeitschriften- und Tabakläden sowie Tankstellen aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags mit der Toto-Lotto GmbH betrieben werden. Der Kontrollaufwand, den die Toto-Lotto GmbH selbst und vor allem die staatliche Glücksspielaufsicht bei der Beaufsichtigung dieser großen Zahl von Annahmestellen zu leisten hat, ist damit nicht ohne weiteres geringer als im Falle einer zahlenmäßig begrenzten Konzessionierung privater Sportwettenanbieter. Auch die Durchsetzungsmacht des staatlichen Sportwettenmonopols im Falle von Verstößen der Annahmestellen gegen die Vorschriften über die Spielsuchtprävention ist nicht größer als im letztgenannten Fall eines kontingentierten Konzessionssystems: Zwar erwecken die Teilnahmebedingungen den Eindruck, die Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg betreibe eigene Verkaufsstellen in eigener Regie (§ 1 Abs.2 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi und die Oddset-Top-Wette - GABl. 2007, S. 639: „Die Gesellschaft unterhält zur Durchführung ihres Auftrags in Baden-Württemberg Verkaufsstellen und Bezirksdirektionen“). Tatsächlich aber bedient sie sich nicht eigener Verkaufsstellen, sondern lediglich eines Netzes von Privaten, die ihr auf privatvertraglicher Basis Wetten vermitteln. Mangels direkter Weisungsbefugnis hat also auch die staatliche Toto-Lotto GmbH im Falle von Verstößen gegen Vorschriften über die Spielsuchtbegrenzung nur die Möglichkeit vertragsrechtlicher Konsequenzen, gegen die die privaten Inhaber der Annahmestellen ebenso Vertragsrechtsschutz vor den Zivilgerichten in Anspruch nehmen könnten, wie private Konzessionäre vor den Verwaltungsgerichten öffentlich-rechtliche Ordnungsverfügungen der Glücksspielaufsichtsbehörde anfechten könnten. Der EuGH hat insoweit aber klar entschieden (Urt. Rosengren, Rdnrn. 52 - 57), dass z.B. ein Alkohol-Monopol nur dann gerechtfertigt ist, wenn es den „Bediensteten des Monopols“ erlaubt, eine konsequente Alterskontrolle durchzuführen, dass es hingegen unverhältnismäßig ist, wenn der staatliche Monopolist sich gar nicht eigener Angestellter bedient, sondern die Verantwortung für die Alterskontrolle privaten Dritten überträgt, indem er sich damit einverstanden erklärt, dass zahlreiche Angestellte „außerhalb der Niederlassungen des Monopols“, beispielsweise in „Lebensmittelgeschäften und Tankstellen“ diese Kontrollen vornehmen. Die Verhältnismäßigkeit des Monopols sei nicht nachgewiesen, denn unwidersprochen sei geblieben, dass eine Alterskontrolle auch mittels einer Formblatterklärung gegenüber Privaten verbunden mit geeigneten strafrechtlichen Sanktionen als weniger einschneidende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit in Betracht komme.
64 
Das staatliche Monopolsystem lässt sich im vorliegenden Fall auch nicht mit dem Argument rechtfertigen, es sei weniger als die privaten Sportwettenanbieter auf die Einnahmen aus den Sportwetten angewiesen, habe also einen geringeren wirtschaftlichen Anreiz, gegen die zur Eindämmung der Spielsucht erlassenen Vorschriften zu verstoßen (so aber Fremuth, a.a.O., S. 568). Die gegenteilige Einschätzung ergibt sich vielmehr aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr. 154), das gerade gegenüber den staatlichen Monopolanbietern von Sportwetten die Einführung einer von staatlichen Finanzinteressen unabhängigen Kontrollinstanz gefordert hat (siehe § 9 Abs.6 GlüStV), nachdem aufgrund der bisherigen Erfahrungen die Gefahr besteht, dass sie eine allein an finanziellen Interessen, nicht aber an der Spielsuchtprävention orientierte Glücksspielpolitik betreiben (siehe zu dem nach wie vor fortbestehenden starken finanziellen Interesse an Beibehaltung des Sportwettenmonopols auch die entsprechenden Äußerungen von Landtagsabgeordneten - LT-Drs.14/1526, S.6).
65 
Das staatliche Monopolsystem kann zudem nicht für sich reklamieren, weniger an einer aggressiven Vermarktung von Sportwetten interessiert zu sein, als es im Alternativfall kontingentiert konzessionierte private Sportwettenanbieter wären. Zwar müssen die konkurrierenden Wettanbieter schon aus Profitinteresse werbend auf sich aufmerksam machen, wenn sie den Spielermarkt unter sich aufteilen und sich dazu voneinander unterscheiden wollen (vgl. zur Werbung als wesentlichem Wettbewerbselement EuGH, Urt. v. 19.09.2006 - C-356/04 -, Lidl), während ein Monopolbetrieb naturnotwendig dann keiner Werbung bedarf, wenn er tatsächlich der einzige Anbieter auf dem Markt ist. Die staatliche Toto-Lotto GmbH ist aber tatsächlich gar nicht der einzige Sportwettenanbieter und muss daher ebenfalls mit intensiver Werbung auf sich aufmerksam machen, wie ihre Strategie einer Werbung unter der Dachmarke „Lotto“ zeigt (dazu oben ). Denn den Spielern in Baden-Württemberg steht neben dem staatlichen Sportwettenangebot ein großer Sportwettenmarkt im Internet offen, der sich trotz seiner Illegalität schlichtweg nicht unterdrücken lässt und durch seine Konkurrenz in den letzten Jahren zu einem kontinuierlichen Umsatzrückgang bei den staatlichen Sportwetten geführt hat (siehe Geschäftsbericht der Toto-Lotto GmbH, a.a.O. 37).
66 
Schließlich ist auch die Annahme nicht plausibel, das staatliche Sportwettenmonopol sei geeigneter als ein System kontingentierter Konzessionierung privater Sportwettenanbieter, die befürchteten Gefahren einer mit dem Sportwettengeschäft verbundenen Kriminalität (Betrug, Sportwettenbetrug, Geldwäsche, Einstieg des organisierten Verbrechens) oder des Gewinnausfalls zu Lasten eines Spielers durch Insolvenz des Anbieters (siehe zu alledem BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnrn. 103 - 106) einzudämmen oder gar völlig zu vermeiden. Die seit langem mit legal im Glücksspielbereich tätigen privaten Anbietern gemachten Erfahrungen dürfen dabei nämlich nicht ignoriert werden. Pferdewetten werden seit 1922 von privaten Wettanbietern veranstaltet und angeboten, in den neuen Bundesländer sind seit Jahren vier private Sportwettenanbieter auf der Grundlage von alten DDR-Erlaubnissen tätig, der Spielbankenbetrieb in Baden-Württemberg wird seit Jahrzehnten von privaten Betreibern durchgeführt und der Glücksspielmarkt im Bereich der Spielautomaten wird sogar ohne Kontingentierung ausschließlich von Privaten betrieben (siehe LT-Drs.14/393, S.5). Gleichwohl liegen ganz offenbar keine negativen Erfahrungen mit ihnen im Hinblick auf die befürchteten Kriminalitäts- und Liquiditätsgefahren vor. Das Finanzministerium (a.a.O. S.5, 6) stützt entsprechende Befürchtungen weder auf Statistiken noch auf Untersuchungen, sondern beruft sich nur auf die insoweit ebenso wenig fundierten Annahmen des BVerfG. Dem Regierungspräsidium Karlsruhe als der zuständigen Glücksspielaufsichtsbehörde sind diesbezüglich auch keine entsprechenden Missstände (Betrugsstraftaten, Insolvenzen, sonstige gewerberechtliche Unzuverlässigkeiten) etwa aus der früheren Tätigkeit der ca. 500 privaten Sportwettenvermittler (vgl. LT-Drs. 14/495, 10) bekannt geworden, deren Tätigkeit sie untersagt hat (zur Unverhältnismäßigkeit eines Spielbankenmonopols wegen der Nichtberücksichtigung der zuvor jahrelang mit privaten Spielbankenbetreibern gemachten positiven Erfahrungen: BVerfG, Beschl. v. 19.07.2000, a.a.O.; zur Unverhältnismäßigkeit eines Monopols mangels Darlegung, dass ein Konzessionierungssystem mit privaten Anbietern unter strengen Zulassungsvoraussetzungen zur Vermeidung von Untreue, Unterschlagung und Geldwäsche nicht gleichermaßen effektiv sei: EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr. 50).
67 
Ohnedies sind die genannten Gefahren im Bereich der Sportwetten nicht besonders ausgeprägt bzw. durch geringer einschneidende Maßnahmen als durch ein staatliches Monopol zu reduzieren. Das Bundesverfassungsgericht selbst hat dazu in seiner Grundsatzentscheidung ausgeführt, die typischen Betrugsgefahren durch manipulierte Spielgeräte und Spielmittel oder durch Einflussnahme auf den Spielverlauf bestünden bei Sportwetten in geringerem Maße als bei anderen Glücksspielen, da auf ein von dritter Seite veranstaltetes Sportereignis gewettet werde, das der Wettnehmer selbst nicht beeinflussen könne. Auch die Übervorteilung der Spieler durch Täuschung über die Gewinnchancen sei bei Sportwetten mit festen Gewinnquoten geringer, da Risiko und Gewinnchancen aufgrund der fest vereinbarten Gewinnquoten transparenter seien als bei anderen Glücksspielen. Stärker als bei Spielformen, bei denen der Veranstalter nur das von den Spielern eingesammelte Geld nach Einbehalt eines gewissen Anteils auskehre, könne der Spieler hingegen durch die Zahlungsunfähigkeit des Veranstalters gefährdet werden. Wie bei „anderen gewerblichen Betätigungen“, bei denen dem Unternehmer fremde Gelder anvertraut seien, sei bei Sportwetten mit festen Gewinnquoten daher die finanzielle Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit des Veranstalters im Interesse der Wettteilnehmer zu sichern (Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr.103, 104). Was die vom Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang auch angeführte spezifische Gefahr des Sportwettenbetrugs durch Einflussnahme der Wettteilnehmer auf den Verlauf des Sportereignisses selbst angeht, ist nicht ersichtlich, dass eine solche Einflussnahmemöglichkeit im Fall der Wettveranstaltung durch Private größer wäre als im Fall eines staatlich monopolisierten Sportwettenangebots. Auch die Gefahr der Begleitkriminalität in Form einer Beschaffungskriminalität von Spielsüchtigen würde nur dann ein Argument für die Notwendigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols darstellen, wenn dieses im Hinblick auf die Suchtprävention effektiver wäre als eine kontingentierte Zulassung privater Anbieter unter strengen Verhaltensvorschriften. Das aber ist aber nach dem oben Gesagten gerade nicht der Fall, weil es an einer solchen konsequenten Spielsuchtprävention fehlt.
68 
In der Literatur wird zudem zu Recht darauf verwiesen, dass ein rechtskonformes Verhalten gewerblicher Spielvermittler, die bislang in der Vergangenheit keinen Vorwürfen hinsichtlich aggressiver Spielerwerbung ausgesetzt waren, sich auch durch das mildere Mittel einer Zuverlässigkeitsprüfung im staatlichen Zulassungs- und Überwachungsverfahren wie in anderen Bereichen des Gewerberechts auch hinreichend sicherstellen lässt (Wissenschaftlicher Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landtags, Gutachten vom 11.10.2007, S. 30, a.a.O.). Auch der Europäische Gerichtshof hat es in der Placanica-Entscheidung (a.a.O., Rdnr. 62 ff.) für ein wesentlich milderes Mittel gehalten, die Kontrolle der ausländischen Wettanbieter zwecks Schutz des Glücksspielmarktes vor kriminellen und betrügerischen Tätigkeiten durch Einholung von Informationen über deren Vertreter oder Hauptanteilseigner auszuüben, anstatt sie zur Erreichung dieses Ziels vollständig vom Glücksspielmarkt auszuschließen.
69 
Gegen eine Konzessionierung Privater lässt sich auch nicht einwenden, die Annahmestellen des staatlichen Sportwettenmonopols seien wegen ihrer Ausgestaltung als bloßer Nebenbetrieb von Tankstellen, Lebensmittel-, Zeitschriften oder Tabakwarenläden deutlich weniger attraktiv für Spieler als reine private Sportwettenagenturen, die durch entsprechende räumliche Gestaltung und Aufmachung (Sitzgelegenheiten, Getränke- und Fernsehangebot) die Wettteilnehmer stärker zum Verweilen und Wetten animierten und damit den Spielerschutz und die Suchtprävention beeinträchtigten. Denn im Rahmen einer Konzessionserteilung könnte auch privaten Sportwettenanbietern eine insoweit vergleichbar nüchterne Gestaltung vorgegeben werden. Gleiches gilt für den Einwand, die Gewinnquoten der staatlich veranstalteten Oddsetwette seien erheblich geringer und damit weniger suchtgefährlich als die Gewinnquoten der privaten Sportwettenanbieter. Denn im Rahmen einer staatlichen Konzessionierung ließen sich den privaten Anbietern gegenüber ohne weiteres auch Vorgaben zur Beschränkung der Höhe der Gewinnquoten machen.
70 
Was die im Lindmann-Urteil des EuGH (Urt.v. 13.11.2003 - C-42/02-, Rdnr.25,26) geforderte begleitende Untersuchung der Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit angeht, hat das Land lediglich auf die vom Bundesverfassungsgericht erwähnte Studie zum Suchtpotenzial von Sportwetten verwiesen (LT-Drs.14/393, S. 8, 9), hält aber im Übrigen seinerseits „längerfristig alternative Modelle wie beispielsweise eine beschränkte Konzessionierung“ nicht für ausgeschlossen (vgl. Stellungnahme des Finanzministeriums vom 30.10.2006 -LT-Drs.14/393, S.3; siehe auch Finanzminister Stratthaus - LT-Drs.14/495, S.11: „Über die Idee private Anbieter zuzulassen und eine Steuer zu erheben, kann durchaus nachgedacht werden“). Außerdem hat das Land zusammen mit Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein in einer Protokollerklärung zum Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 22.06.2006 zum Staatsmonopol im Glücksspielbereich erklärt, es halte es „unter Einbeziehung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben und praktischer Marktentwicklungen mittel- und langfristig für zielführender, eine begrenzte Konzessionierung in diesem Bereich vorzubereiten“ (siehe dazu LT-Drs.14/393, S. 554). Soweit aber für die Einführung eines solchen alternativen Konzessionierungsmodells erst die „zukünftige Entwicklung des Glücksspielmarktes“ und die Frage entscheidend sein soll, „ob sich das Monopol dabei als geeignetes Mittel zur Erreichung der ordnungspolitischen Ziele erweist“, und soweit dazu für einen Zeitpunkt drei Jahre nach Inkrafttreten des Staatsvertrages eine Evaluierung zur Effizienz und einem etwaigen Anpassungsbedarf ankündigt wird (vgl. Finanzministerium v. 30.10.2006 - LT-Drs.14/393, S.3), trägt dieses Argument nicht. Denn es ist nicht dargelegt, dass diese Vorgehensweise angesichts der bisherigen positiven Erfahrungen mit privaten Glücksspielanbietern einen Erkenntnisgewinn bringen würde. Nach allem kann also keine Rede davon sein, das Monopol sei zur Zielerreichung geeigneter als die kontingentierte Zulassung privater Sportwettenanbieter.
71 
4. In seiner rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung verstößt das staatliche Glücksspielmonopol für Sportwetten schließlich auch gegen EG-Wettbewerbsrecht in Gestalt des Art. 86 EG i.V.m. Art. 82 EG (ebenso im Ergebnis: Winkelmüller/Kessler, EuZW 2007, 404; König, EuZW 2007, 33, sowie Bungenberg, DVBl. 2007, 1405, 1411; a. A.: Fremuth, EuZW 2007, 565).
72 
Art. 86 Abs. 1 EG bestimmt, dass die Mitgliedstaaten in Bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine dem EG-Vertrag und insbesondere dessen Artikeln 12 und 81 bis 89 EG widersprechende Maßnahmen treffen oder beibehalten werden. Das Sportwettenmonopol ist untrennbar mit der Gewährung eines ausschließlichen Rechts an ein - zudem: öffentliches - Unternehmen, die Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg, verbunden. Dieser Gesellschaft allein wird ein wirtschaftlicher Tätigkeitsbereich unter Ausschluss von Wettbewerbern vorbehalten (vgl. zum Charakter ausschließlicher Rechte: EuGH, Urt. v. 30.04.1974 - Rs. 155/73 -, Sacchi; Urt. v. 18.06.1991 - C-260/89 -, ERT; Urt. v. 10.12.1991 - C-179/90 -, Hafen von Genua). Auch wenn die Gründe für das Monopol nichtwirtschaftlicher Art sind (§ 1 GlüStV), stellen das als (ordnungsrechtliche) öffentliche Aufgabe (§ 10 Abs. 1 und 2 GlüStV) zu qualifizierende Anbieten und die Veranstaltung von Glücksspielen eine wirtschaftliche Tätigkeit dar (anders hingegen, wenn eine staatliche Stelle hoheitliche Befugnisse ausübt: EuGH, Urt. v. 14.12.1995 - C-387/93 -, Banchero, Rnr. 49). Alle Glücksspiele sind als wirtschaftliche Tätigkeiten im Sinne von Artikel 2 EG zu qualifizieren, denn sie erfüllen die beiden Kriterien der Erbringung einer bestimmten Dienstleistung gegen Entgelt und der Erwartung eines Gewinns in Geld (EuGH, Urt. v. 11.09.2003 - C-6/01 -, ANOMAR, Rnr. 47; Urt. v. 25.10.2001 - C-475/99 -, Ambulanz Glöckner, Rnr. 19). Dass die Veranstaltung von Sportwetten bislang schon vom Staat beherrschten Gesellschaften übertragen war (vgl. bereits den Staatsvertrag zum Lotteriewesen aus 2004) und weiterhin ist, spricht nicht gegen die wirtschaftliche Natur dieser Tätigkeit, weil sie (gemeinschaftsweit betrachtet) nicht stets in der Hand des Staates ist und ferner nicht notwendig von solchen Einrichtungen betrieben werden muss (vgl. zum Arbeitsvermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit: EuGH, Urt. v. 23.04.1991 - C-41/90 -, Höfner und Elser, Rnr. 22).
73 
Das mit dem GlüStV bzw. den diesen umsetzenden gesetzlichen Regelungen bewirkte Dienstleistungsmonopol der Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg bei der Durchführung ausschließlich vom Land veranstalteter Sportwetten stellt die Einräumung einer marktbeherrschenden Stellung i.S.v. Art. 82 EG dar. Ein Unternehmen, das ein gesetzliches Monopol besitzt, kann als Inhaber einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 82 EG angesehen werden. Ferner kann bereits das Teilgebiet zumindest eines der größeren EU-Mitgliedsstaaten einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes darstellen (Brinker, in: Schwarze, EU-Kommentar, 1. Aufl. 2000, Art. 82 Rnr. 10) Das Land Baden-Württemberg ist angesichts seiner Einwohnerzahl (über 10,7 Mio.) und des betroffenen Wirtschaftszweigs (zur Lukrativität des Glücksspielmarkts vgl. Diegmann/Hoffmann, NJW 2004, 2642) als gemeinschaftsrelevanter Markt anzusehen (so im Ergebnis auch Fremuth, a.a.O., S. 565). Der EuGH hat in der Sache Ambulanz Glöckner (a.a.O., Rdnr. 38) für das im Bundeslandvergleich kleinere Rheinland-Pfalz angesichts der „großen Fläche“ dieses Landes von fast 20.000 qkm und seiner hohen Einwohnerzahl von etwa vier Millionen, die über der einiger Mitgliedstaaten liegt, die Annahme geäußert, dass eine beherrschende Stellung (dort des DRK-Rettungsdienstes) einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes betrifft.
74 
Das Sportwettenmonopol ist ferner als missbräuchliche Ausnutzung dieser Marktstellung zu qualifizieren. Unter Berücksichtigung einer weiten, am Verbraucherinteresse, an der Marktöffnung sowie an der Sicherung unverfälschten Wettbewerbs orientierten Auslegung des Missbrauchsbegriffs (vgl. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2007, Art. 82 EG, Rdnrn. 126 bzw. 116; Brinker, a.a.O., Rdnr. 15; ferner EuGH, Urt. v. 15.03.2007 - C95/04 P -, Britisch Airways, Rdnr. 57) unterfallen die Monopolbestimmungen der Bestimmung des Art. 82 Abs. 2 lit. b EG. Danach kann ein Missbrauch insbesondere in einer Beschränkung der Leistung („Einschränkung des Absatzes“) zum Schaden derjenigen bestehen, die die betreffende Dienstleistung in Anspruch nehmen wollen (in diesem Sinne: Fremuth, a.a.O. S. 566 ff.; König, a.a.O., S. 33 sowie Bungenberg, a.a.O., S. 1411/1412). Insbesondere auf einem ausgedehnten und differenzierten Markt, der überdies aufgrund wirtschaftlicher und sozialer Entwicklungen Veränderungen unterliegt, kann es dazu kommen, dass ein Monopolist einen bedeutenden Teil der Gesamtnachfrage nach Dienstleistungen nicht mehr befriedigen kann (EuGH, Urt. v. 11.12.1997 - C-55/96 -, Job Centre, Rdnrn. 32 bis 34). Die nach Art. 82 Abs. 1 EG ferner erforderliche mögliche Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten liegt insbesondere vor, wenn - wie hier - nationale Märkte dem Ziel eines einheitlichen Markts zuwider gegenüber Dienstleistungserbringern aus anderen Mitgliedstaaten abgeschottet werden (EuGH, Urt. Ambulanz Glöckner, Rdnr. 47).
75 
Dieser wettbewerbsrechtliche Verstoß gegen Art. 82 EG ist schließlich nicht durch Art. 86 Abs. 2 EG gerechtfertigt. Danach gelten für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, die Vorschriften des EG-Vertrags, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. Im Zusammenhang mit den das Sportwettenmonopol begründenden und ausgestaltenden Regelungen des GlüStV sowie des AG-GlüStV findet eine Betrauung der Toto-Lotto GmbH mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse statt. Der Begriff „wirtschaftlich“ begrenzt den Kreis der Tätigkeiten, auf die Art. 86 Abs. 2 EG Anwendung finden kann, nicht aber den Kreis der Interessen, die Mitgliedstaaten mit diesen Tätigkeiten verfolgen können; diese können wirtschaftlicher oder nichtwirtschaftlicher Natur sein (EuGH, Urt. v. 23.10.1997 - C-157/94 -, Energiemonopole Niederlande, Rdnr. 40; Mestmäcker/Schweitzer, a.a.O., Art. 86 Abs. 2 Rdnrn. 66/67 m.w.N.). Das über §§ 1 bis 8 GlüStV i.V.m. § 10 Abs. 1 GlüStV bzw. § 1 Abs. 5 und § 2 AG-GlüStV monopolisierte Angebot von Sportwetten geht untrennbar mit einem allgemeinen Interesse einher, nämlich der Sicherstellung eines ausreichenden, aber zugleich begrenzten Glücksspielangebots. Glücksspiel-spezifisch hat der EuGH zuletzt noch einmal in der Sache Placanica (Rdnr. 46 - 48) ausgeführt, dass Ziele des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung und der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen sowie der Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen zwingende Gründe des Allgemeininteresses darstellen. Diese für eine Beschränkung der Grundfreiheiten legitimierten Ziele haben auch im Rahmen des Art. 86 Abs. 2 EG zu gelten.
76 
Die Beschränkung des Wettbewerbs mittels eines andere Sportwettenanbieter ausschließenden Monopols ist jedoch nicht geeignet bzw. nicht erforderlich zur Erfüllung der übertragenen besonderen Aufgabe. Das Erfordernis der rechtlichen oder tatsächlichen Verhinderung in Art. 86 Abs. 2 EG ist ebenfalls Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. EuGH Urt. Ambulanz Glöckner, Rdnrn. 56 und 57; Urt. v. 23.05.2000 - C-209/98 -, Sydhavnens - Rdnr. 74; Urt. v. 23.10.1997 C-159/94 -, Energiemonopole Frankreich, Rdnr. 49). Damit führt aber die oben unter 2. getroffene Feststellung einer unzulässigen Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit auch hier zum Ergebnis einer Nichtrechtfertigung des Wettbewerbsverstoßes. Wo die Gelegenheiten zum Spiel nicht wirklich vermindert und die Wetttätigkeiten nicht kohärent und systematisch begrenzt werden, kann ein Monopol keine wettbewerbsrechtliche Rechtfertigung finden (vgl. die entsprechenden Erwägungen des EuGH betreffend das staatliche Handelsmonopol für Alkohol in der Sache Rosengren). Auch in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht gilt schließlich, dass das beklagte Land nicht dargelegt hat, dass ein Dienstleistungsmonopol gegenüber der vollständigen oder zumindest teilweisen Zulassung Privater erforderlich ist. Da es sich bei Art. 86 Abs. 2 EG um eine Ausnahme von den Grundvorschriften des EG-Vertrags handelt, obliegt dem Mitgliedstaat, der sich auf diese Bestimmung beruft, der Nachweis, dass ihr Tatbestand erfüllt ist. Der Mitgliedsstaat muss folglich in einer das Gericht überzeugenden Weise darlegen, dass dieses Ziel nicht ebenso mit anderen Mitteln erreicht werden kann (EuGH, Urt. v. 25.06.1998 - C-203/96 -, Dusseldorp, Rdnr. 67; Mestmäcker/Schweitzer, a.a.O., Art. 86 Abs. 2 Rdnrn. 84 und 93). Dieser Obliegenheit ist das beklagte Land nach dem bereits oben unter 3. Dargelegten nicht gerecht geworden.
III.
77 
Die neben der Untersagung in Nrn. 1, 2, 4 und 6 getroffenen Entscheidungen über die Entfernung der Geräte, die unverzügliche Einstellung der Tätigkeiten und ihre schriftliche Mitteilung sowie schließlich die Zwangsgeldandrohung und die Gebührenfestsetzung sind, weil der ihnen vorangehende Grundverwaltungsakt der Aufhebung unterliegt, ebenfalls rechtswidrig und aufzuheben. Darauf, ob sie an eigenständigen Mängeln leiden, kommt es nicht mehr an.
IV.
78 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Kammer hat keinen Anlass, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Da diese Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, ist die Berufung zuzulassen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Gründe

 
16 
Die Anfechtungsklage ist ohne Durchführung eines Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 VwGO, § 6a Satz 1 AGVwGO) zulässig und begründet. Die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 21.11.2006 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
17 
Als Rechtsgrundlage der Untersagung, in Baden-Württemberg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen (Ziff. 1 Satz 1 der Verfügung), kommt nunmehr allein § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV -, vgl. GBl. 2007, 571 ff.) in Betracht, der am 01.01.2008 in Kraft getreten ist (vgl. GBl. 2008, 56). Gleiches gilt für das Gebot, die zur Veranstaltung oder Vermittlung solcher Glücksspiele vorgehaltenen Geräte aus den öffentlich zugänglichen Räumen zu entfernen (Ziff. 1 Satz 2 der Verfügung), die untersagten Tätigkeiten unverzüglich einzustellen und die Einstellung dem Regierungspräsidium schriftlich mitzuteilen (Ziff. 2 der Verfügung). Diese neue Rechtslage ist deshalb maßgeblich, weil es sich bei der angefochtenen Verfügung um einen Dauerverwaltungsakt handelt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 17.03.2008 - 6 S 3069/07 -) und weil für die verwaltungsgerichtliche Überprüfung derartiger Verwaltungsakte regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 09.03.2005, Buchholz 451.20, § 15 GewO Nr. 5; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 113 Rdnr. 43 ff.). Für die gerichtliche Entscheidung maßgebend sind deshalb die Bestimmungen des oben genannten Glücksspielstaatsvertrags und die Bestimmungen des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag - AG-GlüStV -) vom 04.03.2008 (GBl. 2008, 81 ff.), das am 08.03.2008 in Kraft getreten ist (vgl. § 19 AG-GlüStV).
18 
Zwar vermittelt der Kläger unerlaubte Glücksspiele, was nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV Voraussetzung dafür ist, dass das Regierungspräsidium Karlsruhe als zuständige Behörde der Glücksspielaufsicht (§ 2 des Gesetzes zu dem Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 11.12.2007, GBl. 2007, 571; § 16 Abs. 1 AG-GlüStV) mit der angefochtenen Verfügung einschreitet (dazu I.). Die derzeitige Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols in Baden-Württemberg (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV) ist aber nach Auffassung der Kammer mit dem primären Gemeinschaftsrecht, nämlich der Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG) und dem EG-Wettbewerbsrecht (Art. 86, 82 EG), unvereinbar. Nach dem grundlegenden Prinzip des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts hat das Verwaltungsgericht das gemeinschaftsrechtswidrige nationale Recht außer Anwendung zu lassen (dazu II.).
I.
19 
Dadurch, dass der Kläger in seiner Gaststätte das Internetterminal „Tipomat“ aufstellen lässt, das auf die Nutzung zum Abschluss von Sportwetten bei dem maltesischen Sportwettenanbieter ... ausgerichtet ist, eröffnet er Spielern die Möglichkeit zur Teilnahme an Sportwetten. Damit ist er Vermittler (vgl. § 3 Abs. 4 GlüStV) von Sportwetten, die als Glücksspiele i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV anzusehen sind. Davon sind die Verwaltungsgerichte bereits in den früheren Entscheidungen, die zur Rechtslage vor Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrages ergangen sind, ausgegangen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12.01.2005, VBlBW 2005, 181 m.w.N.). § 3 Abs. 1 Satz 3 GlüStV bestimmt nunmehr ausdrücklich, dass auch Wetten gegen Entgelt auf den Eintritt oder Ausgang eines zukünftigen Ereignisses Glücksspiele sind (vgl. zuletzt VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.03.2008 - 6 S 3069/07 -).
20 
Die vom Kläger vermittelten Sportwetten sind auch unerlaubte Glücksspiele. Nach § 4 Abs. 1 GlüStV dürfen öffentliche Glücksspiele nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Das Veranstalten und das Vermitteln ohne diese Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel) ist verboten. Weder der Kläger noch der maltesische Sportwettenveranstalter haben jemals vom Land Baden-Württemberg eine solche Erlaubnis erhalten. Zwar vermittelt der Kläger die Sportwetten in das EU-Ausland (Malta); das entbindet ihn aber nicht von dem Erfordernis einer Erlaubnis durch die zuständige Behörde des Landes; denn nach § 3 Abs. 4 GlüStV wird ein Glücksspiel dort veranstaltet und vermittelt, wo dem Spieler die Möglichkeit zur Teilnahme eröffnet wird. Das ist die Gaststätte des Klägers in Konstanz.
21 
Dass der Firma ..., an die der Kläger Sportwetten vermittelt, in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union (hier: Malta) eine Erlaubnis zum Veranstalten von Sportwetten erteilt wurde, ändert an der Einstufung als unerlaubtes Glücksspiel nichts. Aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt sich nicht, dass diese Erlaubnis auch im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Geltung beanspruchen kann. Es sieht keine generelle Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zur gegenseitigen Anerkennung von Erlaubnissen vor, die von einem Mitgliedsstaat erteilt wurden. Der Glücksspielbereich ist auch nicht Gegenstand einer gemeinschaftsrechtlichen Harmonisierung. Vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt vom 12.12.2006 (ABl. Nr. L376/36 v. 27.12.2006) sind Glücksspiele einschließlich Lotterien und Wetten ausdrücklich ausgenommen (vgl. Erwägungsgrund Nr. 25 und Art. 2 Abs. 2 Buchst. h dieser Richtlinie). Auch die Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr vom 08.06.2000 (ABl. Nr. L178 v. 17.07.2000, S. 1), die in ihrem Artikel 3 das Herkunftslandprinzip vorschreibt, ist auf Glücksspiele nicht anwendbar (vgl. den Erwägungsgrund Nr. 16 und Art. 1 Abs. 5 Buchst. d, 3. Spiegelstrich). Die Auffassung des Generalanwalts (vgl. dessen Schlussanträge vom 16.05.2006 - Rs. C-338/04, C-359/04 und C-360/04, Placanica u.a.), wonach Gemeinschaftsrecht einer nationalen Regelung entgegenstehe, die unter anderem die Übermittlung von Wetten ohne die hierfür erforderliche Konzession des jeweiligen Mitgliedsstaats für Rechnung eines Unternehmers verbiete, der lediglich eine in dem Mitgliedsstaat seiner Niederlassung erteilte Zulassung besitzt, lässt sich mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht vereinbaren. Denn dieser hat mehrfach entschieden, dass den einzelnen Mitgliedsstaaten gerade ein Ermessensspielraum bei der Gestaltung ihrer Glücksspielpolitik eingeräumt wird (vgl. etwa EuGH, Urt. v. 06.11.2003, C-243/01 - Gambelli -). Dementsprechend hat sich der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 06.03.2007 (C-338/04 - Placanica -) diese Ausführungen auch nicht zu eigen gemacht. Vielmehr hat er auf seine bisherige Rechtsprechung verwiesen, die eine Reihe von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses anerkannt habe, aus denen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs gerechtfertigt seien.
22 
Dass die von einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft erteilte Konzession zum Veranstalten von Sportwetten im Bundesgebiet keine Geltung beanspruchen kann, ist mittlerweile gefestigte Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (vgl. zuletzt VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.03.2008 - 6 S 3069/07 -, mit zahlreichen Nachweisen).
II.
23 
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüstV scheidet als Rechtsgrundlage der angefochtenen Untersagungsverfügung jedoch aus.
24 
Die derzeitige Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols in Baden-Württemberg (vgl. § 10 Abs. 2 und 5 GlüstV) stellt eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des Klägers dar und ist europarechtswidrig (dazu II. 2 - 4). Das führt zur Europarechtswidrigkeit auch von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüstV; denn diese Bestimmung ermächtigt die Glücksspielaufsicht, das europarechtswidrige staatliche Glücksspielmonopol durchzusetzen und privaten Anbietern das Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten allein deshalb zu untersagen, weil dies gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüstV ohne Erlaubnis verboten ist. Ein auf präventive Kontrolle gerichtetes Erlaubnisverfahren existiert für private Sportwettenveranstalter wegen der Regelung des staatlichen Wettmonopols im Glücksspielstaatsvertrag aber nicht. Wegen der europarechtswidrigen Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols kann derzeit deshalb nicht von einer Erlaubnispflicht für private Anbieter von Sportwetten ausgegangen werden (so ebenfalls VG Berlin, Beschl. v. 02.04.2008 -VG 35 A 52/08-).
25 
Aus diesem Grunde kann die angefochtene Verfügung auch nicht - wovon das Regierungspräsidium ausgegangen ist - darauf gestützt werden, dass mit ihr ein Verstoß gegen die Strafrechtsnorm des § 284 StGB abgewehrt wird. Denn aus der verwaltungsakzessorischen Natur des § 284 StGB (vgl. hierzu: BGH, Urt. v. 16.08.2007 - 4 StR 62/07 -, NJW 2007, 3078 ff.) folgt, dass sich ein Anbieter oder Vermittler von Sportwetten nicht nach dieser Vorschrift strafbar macht, wenn - wie hier - die fehlende Erlaubnis auf einem Rechtszustand beruht, der europarechtswidrig die Dienstleistungsfreiheit verletzt.
26 
Dem stehen auch nicht die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 28.03.2006 entgegen; denn das Gericht hat lediglich für die von ihm eingeräumte Übergangszeit bis 31.12.2007 angenommen, dass das gewerbliche Veranstalten von Sportwetten durch private Wettunternehmen weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden darf (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, 1 BvR 1054/01 -, NJW 2006, 1261 ff.). Erweist sich die Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols nach Ablauf der Übergangsfrist aber als europarechtswidrig, kann von einem Verbot als Grundlage der angegriffenen Verfügung nicht mehr ausgegangen werden (vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 22.11.2007 - 1 BvR 2218/06 -, NVwZ 2008, 301 ff.).
27 
1. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile v. 15.07.1964 - Rs 6/64 - Costa/E.N.E.L. , und v. 09.03.1978 - Rs 106/77 - Simmenthal) besteht aus Art. 10 EG und dem als Strukturprinzip des Gemeinschaftsrechts entwickelten Grundsatz des „effet utile“ für nationale Gerichte die Pflicht, gemeinschaftsrechtswidriges nationales Recht von sich aus außer Anwendung zu lassen (vgl. zum Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts auch Streinz/Herrmann, BayVBl. 2008, 1 ff.). Hinsichtlich der Verwerfung nationaler Gesetze wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit ist zwar eine besonders sorgfältige Prüfung und auch Zurückhaltung geboten. Bei hinreichend manifesten Verstößen nationaler Rechtsnormen gegen das Gemeinschaftsrecht sind die nationalen Gerichte zu deren Nichtanwendung jedoch nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet. So verhält es sich nach Auffassung der Kammer hier. Denn der Europäische Gerichtshof hat bereits in mehreren Entscheidungen zum Glücksspielbereich die Voraussetzungen genau dargelegt, die erfüllt sein müssen, damit Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind (dazu im einzelnen II. 2 - 4). Er hat auch immer wieder betont, es sei Sache der nationalen Gerichte, darüber zu befinden, ob die streitigen Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs diese Voraussetzungen erfüllen. Angesichts dieser Rechtsprechung sieht die Kammer hinsichtlich der europarechtlichen Voraussetzungen für die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit keinen weiteren Klärungsbedarf, der Anlass für eine Vorlage an den Gerichtshof nach Art. 234 EG sein könnte. Zwar haben mehrere deutsche Verwaltungsgerichte (vgl. z.B. VG Stuttgart, Beschl. v. 24.07.2007 - 4 K 4435/06-) dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob der für eine Rechtfertigung des staatlichen Sportwettenmonopols gemeinschaftsrechtlich gebotene kohärente und systematische Beitrag zur Begrenzung der Wetttätigkeit lediglich auf den jeweiligen Glücksspielsektor zu beziehen oder unter Einbeziehung auch der nicht monopolisierten Glücksspiele, die -wie etwa Geldspielgeräte- ein höheres Suchtpotential aufweisen, umfassend zu verstehen ist. Auf die Beantwortung dieser Frage kommt es für die Kammer aber entscheidungserheblich nicht an, weil das staatliche Sportwettenmonopol auch ohne Berücksichtigung anderer Glücksspielsektoren derzeit gegen Gemeinschaftsrecht verstößt.
28 
2.a) Das Sportwettenmonopol des Landes stellt eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des Klägers dar. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist geklärt, dass die Veranstaltung, Vermittlung und Durchführung von Sportwetten Dienstleistungen i. S. v. Art. 49 EG sind (EuGH, Urt. v. 21.10.1999, C-67/98 - Zenatti -, Rdnr. 19; Urt. v. 24.03.1994, C-275/92 - Schindler -, Rdnr. 25; Urt. v. 21.09.1999, C-124/97 – Läärä -, Rdnr. 14). Ebenso ist geklärt, dass Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit außerhalb der Vorgaben des Art. 55 EG i. V. m. Art. 45, 46 EG nur dann zulässig sind, wenn sie nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 29).
29 
b) Im Bereich von Glücksspielen sind als zwingende Gründe des Allgemeininteresses der Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung, die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen und die Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung anerkannt (EuGH, Urt. Gambelli, Rdnr. 67). Innerhalb dieses Rahmens steht es im Ermessen jedes einzelnen Mitgliedstaats, welches Schutzniveau er gewährleisten will (EuGH, Urt. Schindler, Rdnr. 60, 61; Urt. Zenatti, Rdnr. 33, 34). Er kann sich zum Beispiel für ein Präventionsmodell entscheiden, das auf eine wesentliche Verminderung der Gelegenheit zum Spiel ausgerichtet ist, oder etwa auch für ein Kanalisierungsmodell, das darauf abzielt, durch ein auf Einnahmeerzielung und Expansion angelegtes Angebot einer begrenzten Zahl konzessionierter Privater die Glücksspieltätigkeiten aus dem Bereich des Illegalen und Kriminellen in geordnete und staatlich überwachte Bahnen zu lenken (EuGH, Urt. Placanica, Rdnr. 54, 55; s. dazu auch Wissenschaftlicher Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landtags, Gutachten v. 11.10.2007, S. 7 - Drs. LT-SLH 16/2460 -).
30 
Mit dem Glücksspielstaatsvertrag haben sich die deutschen Landesgesetzgeber für ein Präventionsmodell entschieden, das als Mittel zur Prävention auch die Kanalisierung des Spieltriebs der Bevölkerung beinhaltet. § 1 GlüStV nennt als Ziele, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirkliche wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen (Nr. 1), das Glücksspielangebot zu begrenzen und den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, insbesondere ein Ausweichen auf nicht erlaubte Glücksspiele zu verhindern (Nr. 2), den Jugend- und den Spielerschutz zu gewährleisten (Nr. 3) sowie sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt, die Spieler vor betrügerischen Machenschaften geschützt und die mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität abgewehrt werden (Nr. 4). Diese Ziele werden zwar ohne weiteres von den europarechtlich anerkannten Gründen des Allgemeininteresses umfasst. Von diesen Zielen hat allerdings bei verfassungskonformer Auslegung des Glücksspielstaatsvertrags nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 28.03.2006 (a.a.O., Rdnrn. 98 ff.) das in § 1 Nr. 1 des Vertrags genannte Ziel der Suchtbekämpfung im Vordergrund zu stehen. Nur mit Bezug zu diesem Ziel kann die in § 1 Nr. 2 GlüStV vorgesehene Kanalisierung durch ein staatliches, ausreichendes Glücksspielangebot (vgl. § 10 GlüStV) überhaupt verfassungsgemäß sein. Denn ein staatliches Monopol für Sportwetten ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft ausgerichtet ist (BVerfG, a. a. O., Rdnrn. 98, 119, 120). Ein auf Einnahmeerzielung und Expansion (vgl. EuGH, Urt. Placanica, Rdnr. 54, 55) angelegtes Staatsmonopol ist verfassungswidrig (BVerfG, a. a. O., Rdnr. 107, 141).
31 
c) Europarechtlich ist eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses nur zu rechtfertigen, wenn sie geeignet ist, die Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele zu gewährleisten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 32; Urt. Gambelli, Rdnr. 65). Hat sich ein Staat wie hier im Glücksspielstaatsvertrag - entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben - vorrangig für das Ziel der Suchtbekämpfung entschieden, so muss die Verwirklichung dieses Ziels in dem Sinne gewährleistet sein, dass die Beschränkungen kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen (EuGH, Urt. Gambelli, Rdnr. 67; Urt. Placanica, Rdnr. 53; siehe auch EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 14.03.2007, E-1/06 – Gaming Machines, Rdnr. 53). Dabei kommt es zentral auf die „Effektivität der Überwachung“ und die „Durchsetzung“ einer „wirklich restriktiven“ Glücksspielpolitik an (EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming Machines, Rdnr. 51).
32 
Diesen europarechtlichen Maßgaben entsprechen auch die verfassungsrechtlichen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts im Sportwetten-Urteil vom 28.3.2006 (a.a.O., Rdnr. 120), wonach eine konsequente Ausrichtung am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Spielsucht materiellrechtliche Regelungen und strukturelle Sicherungen erforderlich macht. Dementsprechend können die konkreten Vorgaben aus dem bundesverfassungsgerichtlichen Urteil auch zur Beantwortung der Frage der europarechtlichen Kohärenz und Konsistenz herangezogen werden.
33 
d) Der Europäische Gerichtshof hat immer wieder betont, dass es Sache des nationalen Gerichts - und damit hier der Kammer - ist zu prüfen, ob die angegriffene Regelung angesichts ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten tatsächlich den Zielen Rechnung trägt, die sie rechtfertigen könnten, und ob die mit ihr auferlegten Beschränkungen nicht außer Verhältnis zu diesen Zielen stehen (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 37; Urt. Gambelli, Rdnr. 75, 76; Urt. Placanica, Rdnr. 58, 72; vgl. auch EuGH, Urt. v. 5.6.2007, C-170/04 - Rosengren -, Rdnr. 46/47 bzw. Rdnr. 53/54). Maßgeblich sind dabei nicht nur die rechtliche Ausgestaltung der Beschränkung, sondern auch ihre tatsächlichen Anwendungsmodalitäten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 37, Urt. Gambelli, Rdnr. 75, 76), ihre Handhabung in der Praxis (EuGH, Urt. Rosengren, Rdnr. 46). Der Begriff des „Vorbehalts des Gesetzes“ in seiner im deutschen Staatsrecht geläufigen Ausprägung findet im Gemeinschaftsrecht keine Entsprechung, weil es hier nicht primär um den Schutz der Individualsphäre gegenüber hoheitlicher Macht, sondern um die Abgrenzung zwischen nationaler und gemeinschaftlicher Regelungsbefugnis geht (vgl. Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2.Aufl., 2005, S. 193 [219, 238]). Allerdings ist die vom Europäischen Gerichtshof geforderte „Kohärenz“ und „Systematik“ hinsichtlich der Begrenzung der Wetttätigkeiten ohne normative Vorgaben zur Ausgestaltung eines staatlichen Monopolbetriebs kaum denkbar. Ohne solche inhaltlich bestimmten Regelungen blieben Maß und Umfang der Begrenzung der Wetttätigkeit der Willkür des staatlichen Monopolisten überlassen, die infolge ihrer begriffsnotwendigen Konturlosigkeit und der Unvorhersehbarkeit ihrer Ergebnisse schlechterdings ungeeignet ist, die gebotene Begrenzung effektiv, widerspruchsfrei und nach klaren Regeln umzusetzen (vgl. zur Ungeeignetheit der schwedischen gesetzlichen Bestimmungen zum staatlichen Monopolvertrieb für Alkohol EuGH, Urt. Rosengren, Rdnr. 45 - 47). Entscheidend ist hier damit vor allem die rechtliche Ausgestaltung des Sportwettenmonopols, ohne dass jedoch die tatsächliche Umsetzung aus dem Blick gelassen werden darf.
34 
e) Danach kann das Staatsmonopol des Landes keinen Bestand haben, weil es in seiner aktuellen rechtlichen und tatsächlichen Verfassung das Ziel der Suchtbekämpfung nicht durch einen kohärenten und systematischen Beitrag zur Begrenzung der Wetttätigkeiten verwirklicht. Weder quantitativ noch qualitativ erweist sich das Monopol als Umsetzung einer konsequent an der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht ausgerichteten Glücksspielpolitik.
35 
aa) Gerade das vom Bundesverfassungsgericht beanstandete terrestrische Vertriebssystem unter der Maxime „weites Land – kurze Wege“, das das Wetten nicht begrenzt, sondern dazu ermuntert und anreizt, wird durch den neuen Glücksspielstaatsvertrag und das baden-württembergische Ausführungsgesetz nicht in Frage gestellt. Noch immer besteht das Vertriebsnetz - entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts - aus einer fast unvermindert gebliebenen Vielzahl von Zeitschriften- und Tabakläden oder ähnlichen kleinen oder mittelständischen Gewerbebetrieben, so dass der Vertrieb in „bewusster Nähe zum Kunden“ stattfindet und die Möglichkeit zum Sportwetten ein allerorts verfügbares "normales“ Gut des täglichen Lebens darstellt (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr. 138). Von dem europarechtlich gebotenen Beitrag zur Begrenzung der Wetttätigkeiten kann bei einem solchen Vertriebssystem, über das Oddset nach dem Verbot des Internetvertriebs (§ 4 Abs. 4 GlüStV) ausschließlich vermarktet wird, nicht die Rede sein.
36 
Eine bezifferte Obergrenze für die Zahl der Annahmestellen in Baden-Württemberg gibt es nicht (anders etwa § 7 SächsGlüStV -AG v. 14.12.2007 - SächsGVBl. 2007, S. 542: eine Annahmestelle je 3.200 Einwohner oder § 2 Abs. 5 Thüring. Gesetz zum GlüStV v. 18.12.2007 - GVBl. 2007, S.243: Gesamtzahl von 750 Annahmestellen in Thüringen darf nicht überschritten werden oder Art.1 Abs.3 S.2 BayAG-GlüStV v. 20.12.2007 - GVBl. 2007, S. 992: Zahl der Annahmestellen ist bis 31.12.2011 auf insgesamt 3.700 zu begrenzen). Zwar heißt es in § 10 Abs. 3 GlüStV, die Länder begrenzten die Zahl der Annahmestellen zur Erreichung der Ziele des § 1, das baden-württembergische Ausführungsgesetz wiederholt jedoch nur, dass Anzahl und flächenmäßige Verteilung der Annahmestellen an den Zielen des § 1 GlüStV auszurichten seien. Darüber hinaus normiert es nur, dass nicht mehr Annahmestellen unterhalten werden dürften, als zur Sicherstellung eines ausreichenden Glücksspielangebots erforderlich sei (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 u. Satz 2 Ausführungsgesetz). Anhaltspunkte, wie viel Glücksspiel als ausreichend anzusehen ist, liefert das Gesetz nicht. Auch für das vom Gesetz vorgesehene Vertriebskonzept des Veranstalters (§§ 2 Abs. 2 Nr. 5, 7 Abs. 1 Satz 3 AG-GlüStV) fehlen inhaltliche Vorgaben. In § 7 Abs. 1 Satz 4 AG-GlüStV heißt es nur, dass das Konzept sich insbesondere an der räumlichen Bevölkerungsstruktur zu orientieren habe. Eine solche Orientierung mag eventuell Anhaltspunkte für die flächenmäßige Verteilung der Annahmestellen geben, lässt jedoch keinerlei Rückschlüsse auf die zulässige Anzahl von Annahmestellen zu.
37 
Außer konkreten, inhaltlichen Vorgaben für die Begrenzung der Zahl der Annahmestellen fehlen auch gesetzlich geregelte wirksame Kontrollmechanismen.
38 
§ 7 Abs. 1 Satz 3 AG-GlüStV überträgt die nähere Ausgestaltung der Anzahl und der flächenmäßigen Verteilung der Annahmestellen dem Veranstalter oder der mit der Durchführung der Glücksspiele beauftragten juristischen Person, die ein entsprechendes Vertriebskonzept zu erstellen haben. Damit aber wird die Festlegung der Grenzen an den eigentlich zu kontrollierenden Monopolisten selbst delegiert.
39 
Auch eine Kontrolle des Vertriebskonzepts sieht das Ausführungsgesetz nicht unmittelbar vor, sondern nur mittelbar bei der Erteilung der Glücksspielerlaubnis (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 5). Die Übergangsregelungen des § 25 Abs. 1 GlüStV, wonach die bis zum 01.01.2007 erteilten Konzessionen, Genehmigungen und Erlaubnisse bis zum 31.12.2008 als Erlaubnis fortgelten, sowie des § 2 Abs. 1 Satz 2 AG-GlüStV, wonach die vom Land bereits zum 01.01.2007 veranstalteten Glücksspiele noch bis zum 31.12.2008 ohne Erlaubnis fortgeführt werden dürfen, führen jedoch dazu, dass bis Ende diesen Jahres noch nicht einmal diese mittelbare Kontrolle über § 2 Abs. 2 Nr. 5 AG-GlüStV stattfindet.
40 
Allein die Möglichkeit des Einschreitens der Glückspielaufsicht nach § 9 Abs. 1 GlüStV stellt keinen wirksamen Kontrollmechanismus dar. Dies zeigt sich etwa daran, dass der baden-württembergische Monopolist, die Toto-Lotto GmbH, trotz gesetzlicher Verpflichtung nach § 7 Abs.1 AG-GlüStV bislang kein Vertriebskonzept besitzt, ohne dass dies Konsequenzen für seine Tätigkeit nach sich gezogen hätte. Nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung hat dieser bisher nur einen unzureichenden Entwurf eines Vertriebskonzepts vorgelegt.
41 
Auch zu den einzelnen Annahmestellen enthalten die gesetzlichen Regelungen keinerlei konkrete Vorgaben. So heißt es unter § 7 Abs. 2 AG-GlüStV neben Zuverlässigkeitsanforderungen an den Betreiber nur allgemein, dass die Anforderungen der § 4 Abs. 3, §§ 5, 7 GlüStV sichergestellt werden müssten und dass die Annahmestelle dem Vertriebskonzept entsprechen und nicht in Spielhallen oder in Räumlichkeiten betrieben werden dürfe, die nach ihrer Lage, Beschaffenheit, Ausstattung und Einteilung dem Ziel entgegenstünden, nur ein begrenztes Glücksspielangebot zuzulassen (§ 7 Abs. 2 Nr. 5 AG-GlüStV). Genaueres fehlt wiederum, etwa dazu, zusammen mit welchem Warenangebot Oddset vertrieben werden darf, damit es gerade nicht mehr als allerorts verfügbares Gut des täglichen Lebens (vgl. dazu BVerfG, a. a. O., Rdnr. 138) gehandelt wird, oder dazu, welche Entfernung die Annahmestelle zu besonders von Jugendlichen genutzten Einrichtungen wie Schulen, Jugendzentren oder Ähnlichem einzuhalten hat.
42 
Auch für den überwiegenden Teil der Annahmestellen sieht das Gesetz derzeit keine Kontrolle vor. Denn nach § 7 Abs. 4 AG-GlüStV darf eine Annahmestelle, die bereits zum 01.01.2007 in ein öffentliches Glücksspiel des Landes vermittelt hat, diese Vermittlung noch bis zum 31.12.2008 ohne Erlaubnis fortsetzen. Darüber hinaus ist in § 7 Abs. 2 Satz 3 AG-GlüStV vorgesehen, dass die zuständige Behörde die Aufgabe der Erteilung der Erlaubnis für den Betrieb einer Annahmestelle der mit der Durchführung des Glücksspiels beauftragten Stelle im Wege der Beleihung übertragen kann. Durch ein solche Beleihung wird wiederum der Monopolist selbst mit seiner eigenen Kontrolle beauftragt. Auch dies macht deutlich, dass das Gesetz nicht auf eine effektive Kontrolle des Monopolisten zur Sicherstellung der Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV, insbesondere der Suchtbekämpfung, angelegt ist.
43 
Die derzeitige tatsächliche Situation spiegelt diese aufgezeigten rechtlichen Defizite wider. Ein Vertriebskonzept existiert nicht; die Zahl der Annahmestellen ist seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach den Angaben des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung nur geringfügig von 3.750 auf 3.656 gesunken. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass dieser Rückgang auf ein entsprechendes Konzept und nicht nur auf Insolvenzen oder sonstige wirtschaftlich bedingte Aufgaben der Annahmestellen zurückzuführen ist. Die freiwillige Schließung von legalen Annahmestellen der Toto-Lotto GmbH durch ihre Betreiber ist nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung jedenfalls nicht genutzt worden, um die Gesamtzahl der Stellen zu reduzieren; vielmehr ist in etwa 40 bis 50 Fällen für geschlossene Annahmestellen jeweils Ersatz zugelassen worden, entweder indem der Weiterbetrieb durch einen neuen Inhaber oder aber die Eröffnung einer neuen Annahmestelle in der Nachbarschaft zugelassen wurde. Nach wie vor ist Oddset deshalb wie ein Gut des täglichen Lebens allerorts verfügbar. Die Zahl der Annahmestellen in Baden-Württemberg (3.656 - d.h. bei 10.736.000 Einwohnern kommt eine Annahmestelle auf 2.936 Einwohner; Ende 2006 waren es 3.674, d.h. eine je 2923 Einwohner - siehe Geschäftsbericht 2006 der Toto-Lotto GmbH v. 17.04.2007, S. 36 - www.lotto-bw.de) übertrifft bei weitem die Zahl etwa von Postfilialen (bundesweit eine für 6.875 Einwohner, vgl. VG Berlin, Beschl. v. 02.04.2008 -VG 35 A 52.08 -) und selbst die von Apotheken (bundesweit eine für 3.889 Einwohner, vgl. VG Berlin, a. a. O.). Auch wenn diese Zahlen angesichts der Unterschiede von Postfilialen, Apotheken und Annahmestellen nicht ohne weiteres direkt miteinander vergleichbar sind, vermitteln sie jedoch einen plastischen Eindruck von der tatsächlichen Dichte der vorhandenen Annahmestellen. Weshalb eine solche Dichte in der heutigen Mobilitätsgesellschaft für die Sicherstellung eines am Ziel der Suchtbekämpfung orientierten Glücksspielangebots notwendig sein soll, ist nicht ersichtlich.
44 
Nach wie vor wird Oddset vor allem in Zeitschriften-, Schreibwaren- und Tabakläden, Supermärkten und Tankstellen vertrieben und damit nicht nur gezielt dem interessierten Kundenkreis, sondern einem breiten Publikum angeboten und darüber hinaus auch Jugendlichen und Kindern bekannt gemacht. Nach wie vor existieren Annahmestellen in unmittelbarer Nähe zu Schulen oder anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen, wie in der mündlichen Verhandlung beispielhaft aus Waldshut-Tiengen berichtet wurde. Damit ist der Vertrieb auf Expansion und nicht auf Selbstbeschränkung und Eingrenzung angelegt. Dass es nach den Teilnahmebedingungen für Oddset zum Wetten einer Kundenkarte bedarf (vgl. § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi-Wette vom 08.11.2007, GABl. 2007, S. 639 und § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette, Ausgabe Januar 2008, GABl. 2007, S. 648), ändert an der Verfügbarkeit wie ein Gut des täglichen Lebens nichts, nachdem die Kundenkarte als „Spielpass“ kostenlos gegen Vorlage eines Ausweises ausgegeben wird und sofort nach Beantragung dieses „Passes“ gespielt werden kann (vgl. Informationen zum Spielangebot der Toto-Lotto GmbH Bad.-Württ., Stand Januar 2008, S. 20).
45 
Die Betreiber der Annahmestellen erhalten nach wie vor umsatzabhängige Provisionen für die Vermittlung von Sportwetten und haben damit ein starkes Eigeninteresse an der Steigerung des Umsatzes. Dieses Interesse wird nicht dadurch beseitigt, dass die Toto-Lotto GmbH seit dem 01.01.2008 eine Zusatzvereinbarung mit den Inhabern der Annahmestellen geschlossen hat, wonach der Glücksspielbereich nur eine untergeordnete Nebentätigkeit sein darf. Abgesehen davon, dass in der mündlichen Verhandlung von den Klägervertretern konkret Fälle genannt wurden, bei denen diese Zusatzvereinbarung nicht eingehalten werden soll, und der Beklagtenvertreter dem nichts zu entgegnen wusste, bedeutet der privatrechtliche Handelsvertretervertrag, den die Lottogesellschaften mit ihren Annahmestellen geschlossen haben (vgl. dazu Bundeskartellamt, Beschl. vom 23.08.2006 - B 10-92713-Kc-148/05 - Rdnr. 77), dass deren Betreiber einen Provisionsanspruch nach § 87 HGB besitzen und umso mehr verdienen, je mehr Spieleinnahmen sie für die Lottogesellschaft eingebracht haben. Daher haben sie auch dann, wenn sie die Glücksspielvermittlung nur als Nebentätigkeit betreiben, ein eigenes und sehr großes wirtschaftliches Interesse daran, möglichst viele Kunden zu akquirieren. An diesem System, wie es das Bundeskartellamt im Jahr 2006 vorgefunden hat (vgl. Beschl. v. 23.08.2006, a. a. O.), hat sich bislang nichts geändert, wie der Vertreter des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat. Die Bestimmung in den Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht (Anhang zum Glücksspielstaatsvertrag), dass die Vergütung der leitenden Angestellten von Glücksspielveranstaltern nicht abhängig vom Umsatz berechnet werden darf (Nr. 3 der Richtlinien), hat eher Feigenblattcharakter, nachdem der Verdienst gerade der Personen mit dem direkten Kundenkontakt, nämlich der Betreiber der Annahmestellen, umsatzabhängig ist.
46 
Die Glücksspielaufsicht ist nur minimal ausgestattet. Für ganz Baden-Württemberg sind im zuständigen Regierungspräsidium Karlsruhe (vgl. § 2 des Gesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag vom 11.12.2007) nur zwei Personen für die Überwachung des Monopolisten und seiner 3.656 Annahmestellen zuständig. Dem entspricht, dass es nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung noch nicht zu einer Sichtung, geschweige denn Überprüfung des Bestands an Annahmestellen gekommen ist. Auch über einzelne Beanstandungen bei Annahmestellen konnte der Beklagtenvertreter nichts berichten, was angesichts der hohen Zahl von Annahmestellen sicherlich nicht darauf zurückzuführen ist, dass es keine zu beanstandenden Verstöße gegeben hat.
47 
bb) Diese Defizite in der rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung des Vertriebssystems werden auch nicht durch die qualitativen Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags zur Einschränkung der Werbung und zur Suchtprävention ausgeglichen.
48 
Die inhaltlichen Regelungen zur zulässigen Werbung in § 5 Abs. 1 u. 2 GlüStV sind sehr allgemein gehalten und kranken vor allem daran, dass unklar ist und auch vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung nicht erhellt werden konnte, wo die Grenze zwischen informativer, aufklärender Werbung und unzulässiger anreizender und ermunternder Werbung verläuft. Dementsprechend konnte einer der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung auch eine Vielzahl von Werbebroschüren und -artikeln präsentieren, die weit über eine Information und Aufklärung hinausgingen und sich offensichtlich auch an Minderjährige richteten, wie etwa Schokoladentäfelchen mit dem Aufdruck auf der Banderole: „Der Leckerbissen im Jubiläumsjahr 2008 Lotto Baden-Württemberg“. Auch wenn die vorgelegten Beispiele Werbung für die Dachmarke Lotto (vgl. zur Ausgestaltung und Wirkung der Dachmarke VG Berlin, a. a. O., S.25) und verschiedene Lotterieveranstaltungen, nicht aber unmittelbar für Sportwetten enthielten, belegen sie doch, dass die Werbebeschränkungen rechtlich wie tatsächlich nicht die Ziele des § 1 GlüStV verwirklichen. Denn nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung stimmt die Toto-Lotto GmbH jede Werbemaßnahme mit der Glücksspielaufsicht ab, so dass davon auszugehen ist, dass auch die vorgelegten Werbeexemplare vorher von der Glücksspielaufsicht als unbedenklich eingestuft worden waren. Gleiches gilt für die unstreitig in Fußballstadien vorhandene Bandenwerbung für die Dachmarke Lotto, die wohl kaum als informativ und aufklärend im Sinne des § 5 Abs. 1 GlüStV bezeichnet werden kann und zudem eine Umgehung des Verbots von Bandenwerbung für Sportwetten in § 21 Abs. 2 Satz 2 GlüStV darstellt. Denn die Dachmarke steht nach ihrem Sinn und Zweck gerade für das gesamte, unter ihr vertriebene Glücksspielangebot, zu dem auch die Sportwetten gehören.
49 
Darüber hinaus ist Werbung zwar im Fernsehen, Internet und über Telekommunikationsanlagen verboten (§ 5 Abs. 3 GlüStV), jedoch nach wie vor in großer Bandbreite über Radiospots, Werbetafeln, Printmedien, Zeitungsanzeigen und Postwurfsendungen möglich (siehe dazu VG Berlin, a. a. O., S. 25-27).
50 
Soweit der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass der Umsatz der Oddset-Kombiwette im Jahr 2007 um 28 % und der Topwette um 48% sowie im ersten Quartal 2008 um 22% bzw. 32% zurückgegangen sei, konnte seinen Ausführungen nicht entnommen werden, dass dieser Rückgang Folge einer streng an der Begrenzung der Wetttätigkeit orientierten Glücksspielpolitik und Glücksspielaufsicht wäre. Vielmehr ist im Geschäftsbericht der staatlichen Toto- Lotto GmbH nachzulesen, dass die im Glücksspielstaatsvertrag geregelte Einstellung des Internetspiels und die Reduzierung der Werbeaktivitäten nur zu „leichten Umsatzrückgängen“ geführt hätten und davon auszugehen sei, dass eine fortgesetzte Werbeinschränkung zwecks Spielerschutz in Zukunft nur „vorübergehend“ zu Umsatzrückgängen führen werde (Geschäftsbericht a.a.O., S.38).
51 
Auch die Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrags zur Suchtprävention enthalten strukturelle Defizite, die sich wiederum in der aktuellen, tatsächlichen Situation widerspiegeln.
52 
Zwar sieht § 8 GlüStV eine Spielersperre vor; es fehlt jedoch an der Regelung eines Verfahrens, das sicherstellt, dass es tatsächlich auch zu Spielersperren kommt. Eine Kontrolle der Spielausgaben eines einzelnen Spielers, aus deren Höhe auf eine Spielsuchtgefährdung geschlossen werden könnte, sieht der Glücksspielstaatsvertrag nicht vor. Eine Spielersperre kann also nur dann verhängt werden, wenn der Spieler sie selbst beantragt oder das Personal oder sonstige Dritte zufällig Anhaltspunkte für Spielsuchtgefährdung, Überschuldung oder überhöhte Spieleinsätze wahrnehmen. Diese Möglichkeiten laufen in der Praxis aber weitgehend leer. Das Personal erfährt auch über die Kundenkarten oder Spielpässe (vgl. dazu Informationen zum Spielangebot der Toto-Lotto GmbH Bad.-Württ., Stand Januar 2008, S. 20, 21), die vor allem der Identifizierung eines Spielers dienen sollen (vgl. § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi-Wette vom 08.11.2007, GABl. 2007, S. 639 und § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette, Ausgabe Januar 2008, GABl. 2007, S. 648), nichts über sein früheres Spielverhalten. Damit wird die vorgesehene Schulung des Personals, das problematisches Spielverhalten anhand eines plötzlichen Anstiegs des Entgelts oder der Spielfrequenz frühzeitig erkennen soll (vgl. § 6 Satz 2 GlüStV i. V. m. Nr. 1c der Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht), gerade angesichts der Dichte der Annahmestellen und der Möglichkeit für Spieler, ihre Wetten zu streuen, zu einem wenig wirkungsvollen Instrument. Abgesehen davon dürfte ein großer Teil des Personals bislang noch nicht geschult sein; bis Ende 2006 jedenfalls hatten erst 1.297 Betreiber von Annahmestellen, also nur ein gutes Drittel, an Schulungen teilgenommen (Geschäftsbericht Toto-Lotto GmbH, S. 27). So verwundert es nicht, dass der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung von keiner einzigen verhängten Spielersperre berichten konnte, obwohl bundesweit doch immerhin 250.000 Personen Anzeichen von Glücksspielsucht aufweisen sollen (vgl. Drucks. 14/1350 des Landtags von Bad.-Württ., S. 2).
53 
Höchsteinsätze für Sportwetten - spieler- und zeitraumbezogen oder wenigstens spielbezogen - sind weder im Glücksspielstaatsvertrag noch im Ausführungsgesetz geregelt. Allein die normativ nicht verankerten Teilnahmebedingungen enthalten gewisse, teilweise sehr hohe (bis zu 5.000 EUR) Grenzen, die sich jedoch nur auf einen Spielvorgang, nicht aber auf die Ausgaben eines Spielers innerhalb eines bestimmten Zeitraums beziehen (vgl. § 6 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi-Wette vom 08.11.2007, GABl. 2007, S. 639 und § 6 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette, Ausgabe Januar 2008, GABl. 2007, S. 648; s. dazu auch VG Berlin, a. a. O., S. 30 f.).
54 
Das in § 6 GlüStV vorgesehene Sozialkonzept wird in seiner Ausgestaltung wiederum dem Monopolisten selbst überlassen. Nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung gibt es zwar ein Sozialkonzept des baden-württembergischen Monopolisten. Dieses stammt aber noch aus dem Jahr 2004, kann die Vorgaben des neuen Glücksspielstaatsvertrags also gar nicht umgesetzt haben.
55 
Am Rande sei im Übrigen darauf hingewiesen, dass auch der in § 10 Abs. 1 Satz 2 GlüStV vorgesehene Fachbeirat offensichtlich nicht existiert, nachdem dem Beklagtenvertreter darüber nichts bekannt war.
56 
Die Kammer verkennt nicht, dass die Toto-Lotto GmbH im Bereich der Aufklärung (§ 7 GlüStV) mit den Hinweisen auf Spielscheinen, Losen und Quittungen (§ 7 Abs. 2 GlüStV), der Aufklärungsbroschüre „Spielen mit Verantwortung“, der Einrichtung der Internetseite „www.spielen-mit-verantwortung.de“ und - vor allem telefonischen - Beratungsangeboten konkrete Schritte zur Suchtbekämpfung unternommen hat. Diese Schritte ändern jedoch nichts daran, dass das Konzept des Spielerschutzes unzureichend ausgestaltet ist, und sind vor allem nicht geeignet, ein zum Wetten anreizendes und ermunterndes europarechts- und verfassungswidriges Vertriebssystem zu rechtfertigen.
57 
3. Das Sportwettenmonopol des Landes ist zudem auch deshalb europarechtswidrig, weil es eine unverhältnismäßige, nämlich zur Erreichung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags nicht erforderliche Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt (ebenso VG Arnsberg, Beschl. v.l 05.03.2008 -1 L 12/08 -, juris und VG Frankfurt a.M., Beschl. v. 09. 01. 2008 - 7 G 4107/07(3) ).
58 
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dürfen Maßnahmen zur Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist (vgl. EuGH, Urt. v. 30.11.1995 - C-55/94 -, Gebhard, Rdnr.37; Urt. v. 31.03.1993 - C-19/92-, Kraus, Rdnr.41; Urt. v. 26.11.2002 - C-100/01, Olazabal, Rdnr.43; vgl. zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Europarecht: Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2.Aufl., 2005, S.805 - 841; zur Verhältnismäßigkeit in den EuGH-Urteilen zum Glücksspielmarkt: Haltern, Gemeinschaftsrechtliche Aspekte des Glücksspiels, 2007, S.21, 22).
59 
Hinsichtlich eines staatlichen Glücksspiel-Monopols haben die nationalen Gerichte daher zu prüfen, ob dieses notwendig ist, um die mit dem Glücksspiel verbundenen Probleme (Spielsucht, Missbrauchsgefahren, Kriminalität etc.) auf das angestrebte Maß zu reduzieren oder dies nicht genauso gut durch weniger einschneidende Maßnahmen, wie etwa die Zulassung privater Anbieter unter strengen Konzessionsbedingungen erreicht werden kann (EuGH, Urt. Läärä, Rdnr.39; EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr.48, 49). Insbesondere ist zu prüfen, ob der staatliche Monopolist verglichen mit einem konzessionierten privaten Anbieter einen geringeren wirtschaftlichen Anreiz zur Verletzung reglementierender Vorschriften und ein geringeres Interesse an aggressiver Vermarktung hat und ob der Staat den öffentlich-rechtlichen Monopolanbieter effektiver überwachen kann oder ob nicht private Anbieter gleichermaßen einer solchen Überwachung unterworfen werden können (vgl. EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 30.05.2007 - E 3/06 -, Ladbrokes, Rdnr.58, 62). Die zentralen Punkte der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind dabei die Effektivität der Überwachung und die Durchsetzung einer wirklich restriktiven Glücksspielpolitik (EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr.51).
60 
Zwar steht es grundsätzlich im Beurteilungsermessen des Mitgliedsstaates, zu entscheiden, ob ein Monopol unter diesen Aspekten vorzugswürdiger ist als eine staatliche Aufsicht über private Anbieter. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist dabei allerdings in jedem Fall einzuhalten (EuGH, Urt. Läärä, Rdnr.39). Die eng auszulegende Ausnahme einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit muss der Mitgliedsstaat außerdem rechtfertigen, nämlich schlüssig, plausibel und überzeugend darlegen, dass die Beschränkung gerechtfertigt ist und auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Insoweit trägt er die Darlegungslast dafür, dass das Ziel nicht auch durch mildere Mittel erreicht werden kann (vgl. EuGH, Urt. v. 13.09.2007 - C-260/04-, Kommission./.Italien.Republik, Rdnr.33 m.w.N.; Urt. Placanica, Rdnr.48,49; Urt. Rosengren, Rdnr.50, 57; ähnlich der EFTA-Gerichtshof, der von einer „Beweislast“ des Mitgliedstaates spricht: vgl. Urt. Ladbrokes, Rdnr.42 und Urt. Gaming-Machines, Rdnr.31; zur Darlegungslast auch Haltern, Gemeinschaftsrechtliche Aspekte des Glücksspiels, 2007, S.28 ). Versäumt der Mitgliedstaat eine solche Darlegung, ist die Maßnahme unverhältnismäßig (EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr.50).
61 
Insoweit unterscheidet sich die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs von der des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 18.12.1968 - 1 BvL 5/64 u.a. -, BVerfGE 25, 1; Beschl. v. 14.10.1975 - 1 BvL 35/70 u.a. -, BVerfGE 40, 196; Beschl. v. 06.10.1987 - 1 BvR 1086/82 u.a. -, BVerfGE 77, 84; Beschl. v. 19.07.2000 - 1 BvR 539/96 - BVerfGE 102, 197 und Urt. v. 28.03.2006, a.a.O.), das die Last, die gesetzgeberischen Einschätzungen zu widerlegen und zu entkräften, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung dem Gericht auferlegt (zu diesem Unterschied Bungenberg, DVBl. 2005, 1405 [1410, 1411]; zum Unterschied zwischen EuGH und EFTA-Gerichtshof in diesem Punkt Winkelmüller, GewArch 2007, 235 [237]). Gültigkeit dürfte aber auch im europarechtlichen Kontext der Ansicht des BVerfG zukommen, dass der Gesetzgeber nicht vor Ergreifung des strengeren Mittels erst den ungewissen Ausgang der Anwendung eines milderen Mittels abwarten muss, zumal dann, wenn er in der Vergangenheit schon erfolglose Schritte in dieser Richtung unternommen hat (Beschl. v. 14.02.1967 - 1 BvL 17/63 -, BVerfGE 21, 150 [158]). Das gilt auch für die Aussage, dass der mit einer vorgeschlagenen Alternative verbundene hohe Kontrollaufwand beachtlich ist und dass nicht erwartet werden kann, dass über das vernünftigerweise von der Gesellschaft erwartbare Maß hinaus Mittel zur Aufstockung personeller und sachlicher Ressourcen der Kontrollbehörden eingesetzt werden, um eine in das Grundrecht stärker eingreifende Regelung zu vermeiden (Beschl. v. 06.10.1987, a.a.O.). Schließlich sind bei der Alternativenprüfung auch die dem Gesetzgeber bekannten Tatsachen und die bisher in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen mit Alternativen beachtlich (Beschl. v. 18.12.1968, a.a.O., S. 12, 19). Insbesondere kann es zur Unverhältnismäßigkeit eines staatlichen Monopols führen, wenn die bisherigen mit konzessionierten Privaten gemachten positiven Erfahrungen ignoriert werden (Beschl. v. 19.07.2000, a.a.O.). Schließlich muss sich der Gesetzgeber um eine flexible Gestaltung des Marktsystems und, „wo immer der Markt es erlaubt“, auch um die Eröffnung des Zugangs zum Markt bemühen (Beschl. v. 14.10.1975, a.a.O.).
62 
Nach diesen Maßstäben und Grundsätzen ist vom beklagten Land weder plausibel dargelegt noch sonst ersichtlich, dass das durch den Glücksspielstaatsvertrag begründete Sportwettenmonopol zur Erreichung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags erforderlich ist. Der Landesgesetzgeber (siehe Gesetzentwurf „III. Alternativen“ , LT-Drs. 14/1930, S. 31) beruft sich lediglich darauf, eine völlige Liberalisierung des Glücksspielmarktes anstelle eines staatlichen Monopolangebots sei völlig ungeeignet, weil es dann zu einer enormen Expansion des Marktes mit einer Verzehnfachung der gegenwärtigen Umsätze der Annahmestellen komme und damit gleichermaßen die Zahl der suchtkranken und suchtgefährdeten Glücksspieler sowie die Begleit- und Beschaffungskriminalität ansteige (so auch BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr. 113 und -im Rahmen der Folgenabwägung- ebenso VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.03.2008 - 6 S 3069/07-, juris). Dieser Einwand greift hingegen nicht gegenüber der ohne weiteres auch denkbaren Alternative der Erteilung eines begrenzten Kontingents von Konzessionen an private Wettanbieter (EuGH, Urt. Placanica, Rdnr.57, 58). Dagegen führt der Landesgesetzgeber unter Bezug auf die Sportwettenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Urt. v. 28.03.2006, a.a.O.) an, die Suchtgefahren könnten mit Hilfe eines auf die Bekämpfung von Glücksspielsucht und problematischem Spielverhalten ausgerichteten Monopols mit staatlich verantwortetem Angebot „effektiver beherrscht werden“ als im Wege einer Kontrolle privater Veranstalter (LT-Drs. 14/1930, S. 29). Diese Einschätzung beruht auf der Annahme, dass der Staat ein staatlich beherrschtes Monopolunternehmen grundsätzlich leichter überwachen und instruieren kann als er dies gegenüber einer Vielzahl privater Anbieter könnte (so ausdrücklich EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr. 51). Dies setzt aber voraus, dass die öffentliche Hand anders als bei der Beaufsichtigung Privater zur Durchsetzung einer an der Suchtprävention orientierten Vertriebsform nicht auf den Einsatz mitunter langwieriger hoheitlicher Aufsichts- und Ordnungsmittel angewiesen ist, sondern die Zielkonformität der Geschäftspolitik des ihr unterworfenen staatlichen Monopolbetriebs durch direkte Weisungen durchsetzen kann (vgl. Fremuth, EuZW 2007, 565 [568]) und dass es hier nur der Beaufsichtigung eines einzigen Wettanbieters, nämlich des staatlichen Monopolanbieters, statt der Beaufsichtigung einer Vielzahl von privaten Wettanbietern bedarf, die einen viel umfangreicheren Kontrollaufwand bedingt (vgl. Walz, EuZW 2004, 523 [525] ).
63 
An diesen beiden Grundvoraussetzungen für Annahme größerer Effektivität fehlt es jedoch im vorliegenden Fall des baden-württembergischen Sportwettenmonopols gerade. Die Toto-Lotto GmbH, die in Baden-Württemberg die Sportwetten als staatlicher Monopolbetrieb anbietet, steht zwar aufgrund der unmittelbaren Landesbeteiligung gem. § 1 Abs.5 AG-GlüStV unter dem direkten Einfluss des Landes auf die Zielkonformität der Unternehmenspolitik. Ihrerseits aber bietet sie die Sportwetten nicht über ein Netz eigener zahlenmäßig begrenzter Annahmestellen mit eigenen, unmittelbarer Weisung unterworfenen Angestellten an. Vielmehr besteht das Vertriebsnetz der Toto-Lotto GmbH aus einer Vielzahl von 3656 Annahmestellen, die von privaten Inhabern von Lebensmittel-, Zeitschriften- und Tabakläden sowie Tankstellen aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags mit der Toto-Lotto GmbH betrieben werden. Der Kontrollaufwand, den die Toto-Lotto GmbH selbst und vor allem die staatliche Glücksspielaufsicht bei der Beaufsichtigung dieser großen Zahl von Annahmestellen zu leisten hat, ist damit nicht ohne weiteres geringer als im Falle einer zahlenmäßig begrenzten Konzessionierung privater Sportwettenanbieter. Auch die Durchsetzungsmacht des staatlichen Sportwettenmonopols im Falle von Verstößen der Annahmestellen gegen die Vorschriften über die Spielsuchtprävention ist nicht größer als im letztgenannten Fall eines kontingentierten Konzessionssystems: Zwar erwecken die Teilnahmebedingungen den Eindruck, die Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg betreibe eigene Verkaufsstellen in eigener Regie (§ 1 Abs.2 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi und die Oddset-Top-Wette - GABl. 2007, S. 639: „Die Gesellschaft unterhält zur Durchführung ihres Auftrags in Baden-Württemberg Verkaufsstellen und Bezirksdirektionen“). Tatsächlich aber bedient sie sich nicht eigener Verkaufsstellen, sondern lediglich eines Netzes von Privaten, die ihr auf privatvertraglicher Basis Wetten vermitteln. Mangels direkter Weisungsbefugnis hat also auch die staatliche Toto-Lotto GmbH im Falle von Verstößen gegen Vorschriften über die Spielsuchtbegrenzung nur die Möglichkeit vertragsrechtlicher Konsequenzen, gegen die die privaten Inhaber der Annahmestellen ebenso Vertragsrechtsschutz vor den Zivilgerichten in Anspruch nehmen könnten, wie private Konzessionäre vor den Verwaltungsgerichten öffentlich-rechtliche Ordnungsverfügungen der Glücksspielaufsichtsbehörde anfechten könnten. Der EuGH hat insoweit aber klar entschieden (Urt. Rosengren, Rdnrn. 52 - 57), dass z.B. ein Alkohol-Monopol nur dann gerechtfertigt ist, wenn es den „Bediensteten des Monopols“ erlaubt, eine konsequente Alterskontrolle durchzuführen, dass es hingegen unverhältnismäßig ist, wenn der staatliche Monopolist sich gar nicht eigener Angestellter bedient, sondern die Verantwortung für die Alterskontrolle privaten Dritten überträgt, indem er sich damit einverstanden erklärt, dass zahlreiche Angestellte „außerhalb der Niederlassungen des Monopols“, beispielsweise in „Lebensmittelgeschäften und Tankstellen“ diese Kontrollen vornehmen. Die Verhältnismäßigkeit des Monopols sei nicht nachgewiesen, denn unwidersprochen sei geblieben, dass eine Alterskontrolle auch mittels einer Formblatterklärung gegenüber Privaten verbunden mit geeigneten strafrechtlichen Sanktionen als weniger einschneidende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit in Betracht komme.
64 
Das staatliche Monopolsystem lässt sich im vorliegenden Fall auch nicht mit dem Argument rechtfertigen, es sei weniger als die privaten Sportwettenanbieter auf die Einnahmen aus den Sportwetten angewiesen, habe also einen geringeren wirtschaftlichen Anreiz, gegen die zur Eindämmung der Spielsucht erlassenen Vorschriften zu verstoßen (so aber Fremuth, a.a.O., S. 568). Die gegenteilige Einschätzung ergibt sich vielmehr aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr. 154), das gerade gegenüber den staatlichen Monopolanbietern von Sportwetten die Einführung einer von staatlichen Finanzinteressen unabhängigen Kontrollinstanz gefordert hat (siehe § 9 Abs.6 GlüStV), nachdem aufgrund der bisherigen Erfahrungen die Gefahr besteht, dass sie eine allein an finanziellen Interessen, nicht aber an der Spielsuchtprävention orientierte Glücksspielpolitik betreiben (siehe zu dem nach wie vor fortbestehenden starken finanziellen Interesse an Beibehaltung des Sportwettenmonopols auch die entsprechenden Äußerungen von Landtagsabgeordneten - LT-Drs.14/1526, S.6).
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Das staatliche Monopolsystem kann zudem nicht für sich reklamieren, weniger an einer aggressiven Vermarktung von Sportwetten interessiert zu sein, als es im Alternativfall kontingentiert konzessionierte private Sportwettenanbieter wären. Zwar müssen die konkurrierenden Wettanbieter schon aus Profitinteresse werbend auf sich aufmerksam machen, wenn sie den Spielermarkt unter sich aufteilen und sich dazu voneinander unterscheiden wollen (vgl. zur Werbung als wesentlichem Wettbewerbselement EuGH, Urt. v. 19.09.2006 - C-356/04 -, Lidl), während ein Monopolbetrieb naturnotwendig dann keiner Werbung bedarf, wenn er tatsächlich der einzige Anbieter auf dem Markt ist. Die staatliche Toto-Lotto GmbH ist aber tatsächlich gar nicht der einzige Sportwettenanbieter und muss daher ebenfalls mit intensiver Werbung auf sich aufmerksam machen, wie ihre Strategie einer Werbung unter der Dachmarke „Lotto“ zeigt (dazu oben ). Denn den Spielern in Baden-Württemberg steht neben dem staatlichen Sportwettenangebot ein großer Sportwettenmarkt im Internet offen, der sich trotz seiner Illegalität schlichtweg nicht unterdrücken lässt und durch seine Konkurrenz in den letzten Jahren zu einem kontinuierlichen Umsatzrückgang bei den staatlichen Sportwetten geführt hat (siehe Geschäftsbericht der Toto-Lotto GmbH, a.a.O. 37).
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Schließlich ist auch die Annahme nicht plausibel, das staatliche Sportwettenmonopol sei geeigneter als ein System kontingentierter Konzessionierung privater Sportwettenanbieter, die befürchteten Gefahren einer mit dem Sportwettengeschäft verbundenen Kriminalität (Betrug, Sportwettenbetrug, Geldwäsche, Einstieg des organisierten Verbrechens) oder des Gewinnausfalls zu Lasten eines Spielers durch Insolvenz des Anbieters (siehe zu alledem BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnrn. 103 - 106) einzudämmen oder gar völlig zu vermeiden. Die seit langem mit legal im Glücksspielbereich tätigen privaten Anbietern gemachten Erfahrungen dürfen dabei nämlich nicht ignoriert werden. Pferdewetten werden seit 1922 von privaten Wettanbietern veranstaltet und angeboten, in den neuen Bundesländer sind seit Jahren vier private Sportwettenanbieter auf der Grundlage von alten DDR-Erlaubnissen tätig, der Spielbankenbetrieb in Baden-Württemberg wird seit Jahrzehnten von privaten Betreibern durchgeführt und der Glücksspielmarkt im Bereich der Spielautomaten wird sogar ohne Kontingentierung ausschließlich von Privaten betrieben (siehe LT-Drs.14/393, S.5). Gleichwohl liegen ganz offenbar keine negativen Erfahrungen mit ihnen im Hinblick auf die befürchteten Kriminalitäts- und Liquiditätsgefahren vor. Das Finanzministerium (a.a.O. S.5, 6) stützt entsprechende Befürchtungen weder auf Statistiken noch auf Untersuchungen, sondern beruft sich nur auf die insoweit ebenso wenig fundierten Annahmen des BVerfG. Dem Regierungspräsidium Karlsruhe als der zuständigen Glücksspielaufsichtsbehörde sind diesbezüglich auch keine entsprechenden Missstände (Betrugsstraftaten, Insolvenzen, sonstige gewerberechtliche Unzuverlässigkeiten) etwa aus der früheren Tätigkeit der ca. 500 privaten Sportwettenvermittler (vgl. LT-Drs. 14/495, 10) bekannt geworden, deren Tätigkeit sie untersagt hat (zur Unverhältnismäßigkeit eines Spielbankenmonopols wegen der Nichtberücksichtigung der zuvor jahrelang mit privaten Spielbankenbetreibern gemachten positiven Erfahrungen: BVerfG, Beschl. v. 19.07.2000, a.a.O.; zur Unverhältnismäßigkeit eines Monopols mangels Darlegung, dass ein Konzessionierungssystem mit privaten Anbietern unter strengen Zulassungsvoraussetzungen zur Vermeidung von Untreue, Unterschlagung und Geldwäsche nicht gleichermaßen effektiv sei: EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr. 50).
67 
Ohnedies sind die genannten Gefahren im Bereich der Sportwetten nicht besonders ausgeprägt bzw. durch geringer einschneidende Maßnahmen als durch ein staatliches Monopol zu reduzieren. Das Bundesverfassungsgericht selbst hat dazu in seiner Grundsatzentscheidung ausgeführt, die typischen Betrugsgefahren durch manipulierte Spielgeräte und Spielmittel oder durch Einflussnahme auf den Spielverlauf bestünden bei Sportwetten in geringerem Maße als bei anderen Glücksspielen, da auf ein von dritter Seite veranstaltetes Sportereignis gewettet werde, das der Wettnehmer selbst nicht beeinflussen könne. Auch die Übervorteilung der Spieler durch Täuschung über die Gewinnchancen sei bei Sportwetten mit festen Gewinnquoten geringer, da Risiko und Gewinnchancen aufgrund der fest vereinbarten Gewinnquoten transparenter seien als bei anderen Glücksspielen. Stärker als bei Spielformen, bei denen der Veranstalter nur das von den Spielern eingesammelte Geld nach Einbehalt eines gewissen Anteils auskehre, könne der Spieler hingegen durch die Zahlungsunfähigkeit des Veranstalters gefährdet werden. Wie bei „anderen gewerblichen Betätigungen“, bei denen dem Unternehmer fremde Gelder anvertraut seien, sei bei Sportwetten mit festen Gewinnquoten daher die finanzielle Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit des Veranstalters im Interesse der Wettteilnehmer zu sichern (Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr.103, 104). Was die vom Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang auch angeführte spezifische Gefahr des Sportwettenbetrugs durch Einflussnahme der Wettteilnehmer auf den Verlauf des Sportereignisses selbst angeht, ist nicht ersichtlich, dass eine solche Einflussnahmemöglichkeit im Fall der Wettveranstaltung durch Private größer wäre als im Fall eines staatlich monopolisierten Sportwettenangebots. Auch die Gefahr der Begleitkriminalität in Form einer Beschaffungskriminalität von Spielsüchtigen würde nur dann ein Argument für die Notwendigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols darstellen, wenn dieses im Hinblick auf die Suchtprävention effektiver wäre als eine kontingentierte Zulassung privater Anbieter unter strengen Verhaltensvorschriften. Das aber ist aber nach dem oben Gesagten gerade nicht der Fall, weil es an einer solchen konsequenten Spielsuchtprävention fehlt.
68 
In der Literatur wird zudem zu Recht darauf verwiesen, dass ein rechtskonformes Verhalten gewerblicher Spielvermittler, die bislang in der Vergangenheit keinen Vorwürfen hinsichtlich aggressiver Spielerwerbung ausgesetzt waren, sich auch durch das mildere Mittel einer Zuverlässigkeitsprüfung im staatlichen Zulassungs- und Überwachungsverfahren wie in anderen Bereichen des Gewerberechts auch hinreichend sicherstellen lässt (Wissenschaftlicher Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landtags, Gutachten vom 11.10.2007, S. 30, a.a.O.). Auch der Europäische Gerichtshof hat es in der Placanica-Entscheidung (a.a.O., Rdnr. 62 ff.) für ein wesentlich milderes Mittel gehalten, die Kontrolle der ausländischen Wettanbieter zwecks Schutz des Glücksspielmarktes vor kriminellen und betrügerischen Tätigkeiten durch Einholung von Informationen über deren Vertreter oder Hauptanteilseigner auszuüben, anstatt sie zur Erreichung dieses Ziels vollständig vom Glücksspielmarkt auszuschließen.
69 
Gegen eine Konzessionierung Privater lässt sich auch nicht einwenden, die Annahmestellen des staatlichen Sportwettenmonopols seien wegen ihrer Ausgestaltung als bloßer Nebenbetrieb von Tankstellen, Lebensmittel-, Zeitschriften oder Tabakwarenläden deutlich weniger attraktiv für Spieler als reine private Sportwettenagenturen, die durch entsprechende räumliche Gestaltung und Aufmachung (Sitzgelegenheiten, Getränke- und Fernsehangebot) die Wettteilnehmer stärker zum Verweilen und Wetten animierten und damit den Spielerschutz und die Suchtprävention beeinträchtigten. Denn im Rahmen einer Konzessionserteilung könnte auch privaten Sportwettenanbietern eine insoweit vergleichbar nüchterne Gestaltung vorgegeben werden. Gleiches gilt für den Einwand, die Gewinnquoten der staatlich veranstalteten Oddsetwette seien erheblich geringer und damit weniger suchtgefährlich als die Gewinnquoten der privaten Sportwettenanbieter. Denn im Rahmen einer staatlichen Konzessionierung ließen sich den privaten Anbietern gegenüber ohne weiteres auch Vorgaben zur Beschränkung der Höhe der Gewinnquoten machen.
70 
Was die im Lindmann-Urteil des EuGH (Urt.v. 13.11.2003 - C-42/02-, Rdnr.25,26) geforderte begleitende Untersuchung der Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit angeht, hat das Land lediglich auf die vom Bundesverfassungsgericht erwähnte Studie zum Suchtpotenzial von Sportwetten verwiesen (LT-Drs.14/393, S. 8, 9), hält aber im Übrigen seinerseits „längerfristig alternative Modelle wie beispielsweise eine beschränkte Konzessionierung“ nicht für ausgeschlossen (vgl. Stellungnahme des Finanzministeriums vom 30.10.2006 -LT-Drs.14/393, S.3; siehe auch Finanzminister Stratthaus - LT-Drs.14/495, S.11: „Über die Idee private Anbieter zuzulassen und eine Steuer zu erheben, kann durchaus nachgedacht werden“). Außerdem hat das Land zusammen mit Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein in einer Protokollerklärung zum Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 22.06.2006 zum Staatsmonopol im Glücksspielbereich erklärt, es halte es „unter Einbeziehung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben und praktischer Marktentwicklungen mittel- und langfristig für zielführender, eine begrenzte Konzessionierung in diesem Bereich vorzubereiten“ (siehe dazu LT-Drs.14/393, S. 554). Soweit aber für die Einführung eines solchen alternativen Konzessionierungsmodells erst die „zukünftige Entwicklung des Glücksspielmarktes“ und die Frage entscheidend sein soll, „ob sich das Monopol dabei als geeignetes Mittel zur Erreichung der ordnungspolitischen Ziele erweist“, und soweit dazu für einen Zeitpunkt drei Jahre nach Inkrafttreten des Staatsvertrages eine Evaluierung zur Effizienz und einem etwaigen Anpassungsbedarf ankündigt wird (vgl. Finanzministerium v. 30.10.2006 - LT-Drs.14/393, S.3), trägt dieses Argument nicht. Denn es ist nicht dargelegt, dass diese Vorgehensweise angesichts der bisherigen positiven Erfahrungen mit privaten Glücksspielanbietern einen Erkenntnisgewinn bringen würde. Nach allem kann also keine Rede davon sein, das Monopol sei zur Zielerreichung geeigneter als die kontingentierte Zulassung privater Sportwettenanbieter.
71 
4. In seiner rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung verstößt das staatliche Glücksspielmonopol für Sportwetten schließlich auch gegen EG-Wettbewerbsrecht in Gestalt des Art. 86 EG i.V.m. Art. 82 EG (ebenso im Ergebnis: Winkelmüller/Kessler, EuZW 2007, 404; König, EuZW 2007, 33, sowie Bungenberg, DVBl. 2007, 1405, 1411; a. A.: Fremuth, EuZW 2007, 565).
72 
Art. 86 Abs. 1 EG bestimmt, dass die Mitgliedstaaten in Bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine dem EG-Vertrag und insbesondere dessen Artikeln 12 und 81 bis 89 EG widersprechende Maßnahmen treffen oder beibehalten werden. Das Sportwettenmonopol ist untrennbar mit der Gewährung eines ausschließlichen Rechts an ein - zudem: öffentliches - Unternehmen, die Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg, verbunden. Dieser Gesellschaft allein wird ein wirtschaftlicher Tätigkeitsbereich unter Ausschluss von Wettbewerbern vorbehalten (vgl. zum Charakter ausschließlicher Rechte: EuGH, Urt. v. 30.04.1974 - Rs. 155/73 -, Sacchi; Urt. v. 18.06.1991 - C-260/89 -, ERT; Urt. v. 10.12.1991 - C-179/90 -, Hafen von Genua). Auch wenn die Gründe für das Monopol nichtwirtschaftlicher Art sind (§ 1 GlüStV), stellen das als (ordnungsrechtliche) öffentliche Aufgabe (§ 10 Abs. 1 und 2 GlüStV) zu qualifizierende Anbieten und die Veranstaltung von Glücksspielen eine wirtschaftliche Tätigkeit dar (anders hingegen, wenn eine staatliche Stelle hoheitliche Befugnisse ausübt: EuGH, Urt. v. 14.12.1995 - C-387/93 -, Banchero, Rnr. 49). Alle Glücksspiele sind als wirtschaftliche Tätigkeiten im Sinne von Artikel 2 EG zu qualifizieren, denn sie erfüllen die beiden Kriterien der Erbringung einer bestimmten Dienstleistung gegen Entgelt und der Erwartung eines Gewinns in Geld (EuGH, Urt. v. 11.09.2003 - C-6/01 -, ANOMAR, Rnr. 47; Urt. v. 25.10.2001 - C-475/99 -, Ambulanz Glöckner, Rnr. 19). Dass die Veranstaltung von Sportwetten bislang schon vom Staat beherrschten Gesellschaften übertragen war (vgl. bereits den Staatsvertrag zum Lotteriewesen aus 2004) und weiterhin ist, spricht nicht gegen die wirtschaftliche Natur dieser Tätigkeit, weil sie (gemeinschaftsweit betrachtet) nicht stets in der Hand des Staates ist und ferner nicht notwendig von solchen Einrichtungen betrieben werden muss (vgl. zum Arbeitsvermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit: EuGH, Urt. v. 23.04.1991 - C-41/90 -, Höfner und Elser, Rnr. 22).
73 
Das mit dem GlüStV bzw. den diesen umsetzenden gesetzlichen Regelungen bewirkte Dienstleistungsmonopol der Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg bei der Durchführung ausschließlich vom Land veranstalteter Sportwetten stellt die Einräumung einer marktbeherrschenden Stellung i.S.v. Art. 82 EG dar. Ein Unternehmen, das ein gesetzliches Monopol besitzt, kann als Inhaber einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 82 EG angesehen werden. Ferner kann bereits das Teilgebiet zumindest eines der größeren EU-Mitgliedsstaaten einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes darstellen (Brinker, in: Schwarze, EU-Kommentar, 1. Aufl. 2000, Art. 82 Rnr. 10) Das Land Baden-Württemberg ist angesichts seiner Einwohnerzahl (über 10,7 Mio.) und des betroffenen Wirtschaftszweigs (zur Lukrativität des Glücksspielmarkts vgl. Diegmann/Hoffmann, NJW 2004, 2642) als gemeinschaftsrelevanter Markt anzusehen (so im Ergebnis auch Fremuth, a.a.O., S. 565). Der EuGH hat in der Sache Ambulanz Glöckner (a.a.O., Rdnr. 38) für das im Bundeslandvergleich kleinere Rheinland-Pfalz angesichts der „großen Fläche“ dieses Landes von fast 20.000 qkm und seiner hohen Einwohnerzahl von etwa vier Millionen, die über der einiger Mitgliedstaaten liegt, die Annahme geäußert, dass eine beherrschende Stellung (dort des DRK-Rettungsdienstes) einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes betrifft.
74 
Das Sportwettenmonopol ist ferner als missbräuchliche Ausnutzung dieser Marktstellung zu qualifizieren. Unter Berücksichtigung einer weiten, am Verbraucherinteresse, an der Marktöffnung sowie an der Sicherung unverfälschten Wettbewerbs orientierten Auslegung des Missbrauchsbegriffs (vgl. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2007, Art. 82 EG, Rdnrn. 126 bzw. 116; Brinker, a.a.O., Rdnr. 15; ferner EuGH, Urt. v. 15.03.2007 - C95/04 P -, Britisch Airways, Rdnr. 57) unterfallen die Monopolbestimmungen der Bestimmung des Art. 82 Abs. 2 lit. b EG. Danach kann ein Missbrauch insbesondere in einer Beschränkung der Leistung („Einschränkung des Absatzes“) zum Schaden derjenigen bestehen, die die betreffende Dienstleistung in Anspruch nehmen wollen (in diesem Sinne: Fremuth, a.a.O. S. 566 ff.; König, a.a.O., S. 33 sowie Bungenberg, a.a.O., S. 1411/1412). Insbesondere auf einem ausgedehnten und differenzierten Markt, der überdies aufgrund wirtschaftlicher und sozialer Entwicklungen Veränderungen unterliegt, kann es dazu kommen, dass ein Monopolist einen bedeutenden Teil der Gesamtnachfrage nach Dienstleistungen nicht mehr befriedigen kann (EuGH, Urt. v. 11.12.1997 - C-55/96 -, Job Centre, Rdnrn. 32 bis 34). Die nach Art. 82 Abs. 1 EG ferner erforderliche mögliche Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten liegt insbesondere vor, wenn - wie hier - nationale Märkte dem Ziel eines einheitlichen Markts zuwider gegenüber Dienstleistungserbringern aus anderen Mitgliedstaaten abgeschottet werden (EuGH, Urt. Ambulanz Glöckner, Rdnr. 47).
75 
Dieser wettbewerbsrechtliche Verstoß gegen Art. 82 EG ist schließlich nicht durch Art. 86 Abs. 2 EG gerechtfertigt. Danach gelten für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, die Vorschriften des EG-Vertrags, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. Im Zusammenhang mit den das Sportwettenmonopol begründenden und ausgestaltenden Regelungen des GlüStV sowie des AG-GlüStV findet eine Betrauung der Toto-Lotto GmbH mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse statt. Der Begriff „wirtschaftlich“ begrenzt den Kreis der Tätigkeiten, auf die Art. 86 Abs. 2 EG Anwendung finden kann, nicht aber den Kreis der Interessen, die Mitgliedstaaten mit diesen Tätigkeiten verfolgen können; diese können wirtschaftlicher oder nichtwirtschaftlicher Natur sein (EuGH, Urt. v. 23.10.1997 - C-157/94 -, Energiemonopole Niederlande, Rdnr. 40; Mestmäcker/Schweitzer, a.a.O., Art. 86 Abs. 2 Rdnrn. 66/67 m.w.N.). Das über §§ 1 bis 8 GlüStV i.V.m. § 10 Abs. 1 GlüStV bzw. § 1 Abs. 5 und § 2 AG-GlüStV monopolisierte Angebot von Sportwetten geht untrennbar mit einem allgemeinen Interesse einher, nämlich der Sicherstellung eines ausreichenden, aber zugleich begrenzten Glücksspielangebots. Glücksspiel-spezifisch hat der EuGH zuletzt noch einmal in der Sache Placanica (Rdnr. 46 - 48) ausgeführt, dass Ziele des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung und der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen sowie der Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen zwingende Gründe des Allgemeininteresses darstellen. Diese für eine Beschränkung der Grundfreiheiten legitimierten Ziele haben auch im Rahmen des Art. 86 Abs. 2 EG zu gelten.
76 
Die Beschränkung des Wettbewerbs mittels eines andere Sportwettenanbieter ausschließenden Monopols ist jedoch nicht geeignet bzw. nicht erforderlich zur Erfüllung der übertragenen besonderen Aufgabe. Das Erfordernis der rechtlichen oder tatsächlichen Verhinderung in Art. 86 Abs. 2 EG ist ebenfalls Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. EuGH Urt. Ambulanz Glöckner, Rdnrn. 56 und 57; Urt. v. 23.05.2000 - C-209/98 -, Sydhavnens - Rdnr. 74; Urt. v. 23.10.1997 C-159/94 -, Energiemonopole Frankreich, Rdnr. 49). Damit führt aber die oben unter 2. getroffene Feststellung einer unzulässigen Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit auch hier zum Ergebnis einer Nichtrechtfertigung des Wettbewerbsverstoßes. Wo die Gelegenheiten zum Spiel nicht wirklich vermindert und die Wetttätigkeiten nicht kohärent und systematisch begrenzt werden, kann ein Monopol keine wettbewerbsrechtliche Rechtfertigung finden (vgl. die entsprechenden Erwägungen des EuGH betreffend das staatliche Handelsmonopol für Alkohol in der Sache Rosengren). Auch in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht gilt schließlich, dass das beklagte Land nicht dargelegt hat, dass ein Dienstleistungsmonopol gegenüber der vollständigen oder zumindest teilweisen Zulassung Privater erforderlich ist. Da es sich bei Art. 86 Abs. 2 EG um eine Ausnahme von den Grundvorschriften des EG-Vertrags handelt, obliegt dem Mitgliedstaat, der sich auf diese Bestimmung beruft, der Nachweis, dass ihr Tatbestand erfüllt ist. Der Mitgliedsstaat muss folglich in einer das Gericht überzeugenden Weise darlegen, dass dieses Ziel nicht ebenso mit anderen Mitteln erreicht werden kann (EuGH, Urt. v. 25.06.1998 - C-203/96 -, Dusseldorp, Rdnr. 67; Mestmäcker/Schweitzer, a.a.O., Art. 86 Abs. 2 Rdnrn. 84 und 93). Dieser Obliegenheit ist das beklagte Land nach dem bereits oben unter 3. Dargelegten nicht gerecht geworden.
III.
77 
Die neben der Untersagung in Nrn. 1, 2, 4 und 6 getroffenen Entscheidungen über die Entfernung der Geräte, die unverzügliche Einstellung der Tätigkeiten und ihre schriftliche Mitteilung sowie schließlich die Zwangsgeldandrohung und die Gebührenfestsetzung sind, weil der ihnen vorangehende Grundverwaltungsakt der Aufhebung unterliegt, ebenfalls rechtswidrig und aufzuheben. Darauf, ob sie an eigenständigen Mängeln leiden, kommt es nicht mehr an.
IV.
78 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Kammer hat keinen Anlass, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Da diese Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, ist die Berufung zuzulassen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tenor

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 23. November 2006 – 6 F 46/06 – wird die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheides des Antragsgegners vom 30. Juni 2006 ausgesetzt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller, der türkischer Staatsangehöriger ist, vermittelt seit Ende 2005/Anfang 2006 (s. Gewerbeanmeldung vom 10.1.2006 - Bl. 45 der Akten -) in seinen Geschäftsräumen in A-Stadt, M.- Straße , Sportwetten mit fester Gewinnquote an die in Malta ansässige und dort als Veranstalterin von Sportwetten konzessionierte Top-Sportwetten Ltd. (s. Bl. 36 der Akten).

Mit Bescheid vom 30.6.2006 untersagte der Antragsgegner dem Antragsteller unter gleichzeitiger Anordnung des Sofortvollzuges und Androhung sowie aufschiebend bedingter Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 2.000,-- Euro für den Fall der Nichtbefolgung mit sofortiger Wirkung die Vermittlung von Sportwetten für im Saarland nicht konzessionierte Veranstaltungen im Bereich der Stadt Dillingen. Die Auszahlung von Wettgewinnen wurde ihm binnen einer Woche ab Zustellung gestattet. Die Anordnung ist auf die § 8 SPolG in Verbindung mit den §§ 2, 3 und 5 LottStV2004 und die §§ 2 Abs. 1, 4 SportwettG gestützt. Außerdem ist § 284 StGB angeführt.

Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller unter dem 10.7.2006 Widerspruch erhoben, über den noch nicht entschieden ist. Am 13.7.2006 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht um vorläufigen Rechtschutz nachgesucht. Mit Beschluss vom 23.11.2006 hat es das Verwaltungsgericht abgelehnt, die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheides vom 30.6.2006 auszusetzen. Gegen diesen am 27.11.2006 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 11.12.2006 Beschwerde erhoben und diese am 27.12.2006 begründet. Er verfolgt sein erstinstanzliches Begehren weiter.

II.

Die gemäß § 146 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat Erfolg.

Nach dem Ergebnis der durch das Beschwerdevorbringen begrenzten (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung in dem vorliegenden Rechtsmittelverfahren hat der Antragsteller einen Anspruch auf Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheides vom 30.6.2006.

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts erweist sich die umstrittene ordnungsbehördliche Anordnung des Antragsgegners nicht als offensichtlich rechtmäßig. Nach dem Ergebnis des Beschwerdeverfahrens muss der Ausgang des Hauptsacheverfahrens noch als offen angesehen werden. Die in einem solchen Falle vorzunehmende allgemeine Interessenabwägung fällt zugunsten des Antragstellers aus.

Das Verwaltungsgericht hat die umstrittene Anordnung im Rahmen seiner Beurteilung unter anderem an den europarechtlichen Gewährleistungen der Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EGV) und des freien Dienstleistungsverkehrs (Art. 49 EGV) gemessen und ist zu dem Ergebnis gelangt, es bestehe kein Anlass zu der Annahme, dass das derzeit praktizierte Sportwettenmonopol gegen europäisches Gemeinschaftsrecht verstoße.

Die gegen diesen Teil der verwaltungsgerichtlichen Würdigung vorgebrachten Einwände der Beschwerde greifen mit der Maßgabe durch, dass der Senat - objektiv rechtlich - die Vereinbarkeit der angefochtenen Verwaltungsentscheidung mit der durch Art. 49 EGV gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit für zumindest zweifelhaft und die Rechtmäßigkeit des ordnungsbehördlichen Einschreitens gegen den Antragsteller, der türkischer Staatsangehöriger und damit nicht als Angehöriger eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft (Unionsbürger, Art. 17 EGV) Träger dieser gemeinschaftsrechtlichen Gewährleistung ist, unter dem Gesichtspunkt des vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz mit umfassten Erfordernisses der Geeignetheit der getroffenen Anordnung für offen hält.

Der Senat hat in seinen Beschlüssen vom 4.4.2007 in insgesamt acht Verfahren betreffend Eilrechtschutzanträge von Unionsbürgern (Art. 17, 49 Abs. 1 EGV) und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Gesellschaften (Art. 48, 49, 55 EGV), die ebenfalls Sportwetten an im EU-Ausland ansässige und dort konzessionierte Wettveranstalter vermitteln, gegen in hier wesentlicher Hinsicht inhaltsgleiche ortspolizeiliche Verfügungen die Vereinbarkeit der umstrittenen ordnungsbehördlichen Maßnahmen mit der gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit bezweifelt. Er hat in diesem Zusammenhang in seinem Beschluss vom 4.4.2007 in dem Verfahren 3 W 18/06 (und weitgehend gleich lautend in den übrigen sieben Beschlüssen) ausgeführt:

„Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass Gemeinschaftsrecht prinzipiell ein Anwendungsvorrang vor entgegenstehendem nationalem Recht zukommt und sowohl die nationalen Verwaltungsbehörden als auch die nationalen Gerichte gehalten sind, diesem Anwendungsvorrang im Kollisionsfall Geltung zu verschaffen. Das gilt auch in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes

vgl. ausführlich OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 22.1.2007 – 3 W 14/06 und 3 W 15/06 -,

wobei der Senat – wie in den zuletzt zitierten Entscheidungen im Einzelnen dargelegt – davon ausgeht, dass in derartigen Verfahren keine Verpflichtung der nationalen Gerichte besteht, im Falle der Überprüfung europarechtlicher Fragestellungen in gegebenenfalls Kollision mit nationalem Recht eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen.

Vorliegend spricht nach dem derzeitigen Erkenntnisstand zumindest viel dafür, dass das Einschreiten des Antragsgegners gegen die Antragstellerin der durch Art. 49 EGV gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit zuwiderläuft. Die Bestimmung des Art. 49 EGV verbietet nach näherer Maßgabe anschließender Bestimmungen die Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind. Die Antragstellerin ist als Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland, einem Mitgliedsstaat der europäischen Gemeinschaft, hat, gemäß Art. 55, 48 EGV Adressantin dieser Gewährleistung

vgl. dazu, dass auch BGB-Gesellschaften von Art. 48, 55 EGV erfasst werden, Geiger, EUV, EGV, 3. Auflage 2000, Art. 48 EGV Rdnr. 2.

Die Betätigung der Antragstellerin fällt auch in den Schutzbereich von Art. 49 EGV, der sich gemäß Art. 50 EGV umfassend auf Leistungen erstreckt, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen, und insbesondere gewerbliche, kaufmännische und freiberufliche Tätigkeiten einschließt.

Dem steht zunächst nicht entgegen, dass – wovon für das vorliegende Eilrechtschutzverfahren auszugehen ist – die Sportwetten, die die Antragstellerin vermittelt, deshalb als – prinzipiell sozial unerwünschte – Glücksspiele einzustufen sind, weil angesichts der zahllosen Unwägbarkeiten des sportlichen Geschehens die Entscheidung über Gewinn und Verlust nicht wesentlich von den Fähigkeiten und Kenntnissen oder vom Grade der Aufmerksamkeit des der Beurteilung zugrunde zu legenden durchschnittlichen Spielers abhängt, für den das Spiel eröffnet und gewöhnlich betrieben wird, sondern allein oder hauptsächlich vom Zufall, was letztlich auch Grundlage der Gewinnerwartungen des Wettveranstalters ist

vgl. in diesem Zusammenhang zum Beispiel BVerwG, Urteile vom 23.8.1994 – 1 C 18/91 – E 96, 293, vom 28.3.2001 – 6 C 2/01 – E 114, 92, und vom 21.6.2006 – 6 C 19/06 – zitiert nach Juris, siehe dort Rdnr. 45; Schönke-Schröder, StGB, 27. Auflage 2006, § 284 StGB Rdnr. 5, 7, BGH, Urteil vom 14.3.2002 – I. ZR 279/99 – NJW 2002, 2175.

Das bedarf indes aus Anlass des vorliegenden Verfahrens keiner Vertiefung, da in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anerkannt ist, dass die Bestimmungen des EG-Vertrages über den freien Dienstleistungsverkehr auch auf Tätigkeiten Anwendung finden, die darin bestehen, den Nutzern gegen Entgelt die Teilnahme an einem Glücksspiel zu ermöglichen

vgl. zum Beispiel EuGH, Urteile vom 24.3.1994 – C-275/92 – „Schindler“, zu Lotterien, vom 13.11.2003 – C-42/02 – „Lindman“, und vom 21.10.1999 – C-67/98 – „Zenatti“, jeweils zitiert nach Juris.

Ferner ist auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes

vgl. EuGH, Urteil vom 6.11.2003 – C-243/01 – „Gambelli“ und vom 6.3.2007 – C-338/04 -, C-359/04 und C-360/04 – „Placanica u.a.“

davon auszugehen, dass die Tätigkeit der Antragstellerin das für die Inanspruchnahme der Gewährleistung des Art. 49 EGV erforderliche „grenzüberschreitende“ Element aufweist. Denn nach dem derzeitigen Erkenntnisstand informiert die Antragstellerin in ihrem Geschäftslokal in A-Stadt über das Wettangebot der in Malta ansässigen Tipico Co Ltd., nimmt Wetten für diesen Wettveranstalter entgegen und vermittelt sie nach Malta oder stellt zumindest in ihrem Geschäftslokal in A-Stadt Einrichtungen bereit, mittels derer Wetten bei der Tipico in Malta abgeschlossen werden können. Ferner zieht sie die Wetteinsätze für die Tipico ein und zahlt Gewinne aus. Letztlich führt die Antragstellerin durch ihre Vermittlungstätigkeit den in Malta ansässigen Wettveranstalter mit in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wettinteressenten zusammen und ermöglicht diesen den Abschluss von Sportwetten. Mit dieser Vermittlungstätigkeit erbringt sie jedenfalls von A-Stadt aus grenzüberschreitend Dienstleistungen für die in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Tipico , für die sie von dieser eine Vergütung erhält. Es spricht zumindest viel dafür, dass diese Tätigkeit unter die durch Art. 49 EGV gewährleistete Dienstleistungsfreiheit fällt.

Die Ausnutzung dieser Dienstleistungsfreiheit wird im Saarland durch § 1 SportwettG, der das Alleinrecht zur Veranstaltung von Sportwetten dem Staat vorbehält, der wiederum unter seiner Mehrheitsbeteiligung ein öffentliches Wettunternehmen errichtet hat, dessen Betrieb der Saarland Sporttoto GmbH übertragen ist, eingeschränkt, soweit aus diesem Wettmonopol das Verbot auch der Vermittlung von Sportwetten für nicht im Saarland konzessionierte Veranstalter abzuleiten ist. Eine weitere Einschränkung, die letztlich nicht losgelöst von dem staatlichen Wettmonopol gesehen werden kann, liegt in § 284 StGB, der denjenigen mit Strafe bedroht, der ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet oder hält oder die Einrichtung hierzu bereit stellt

vgl. in diesem Zusammenhang BVerwG, Urteil vom 28.3.2001 – 6 C 2/01 – E 114, 92, wonach § 284 StGB nicht nur einen Straftatbestand darstellt sondern auch als repressive Verbotsnorm für sozial unerwünschtes Verhalten zu verstehen ist, dessen Zulassung durch Gesetzgeber und Behörde lediglich nicht ausgeschlossen ist.

Derartige Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit sind allerdings nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs – soweit hier wesentlich – nur dann gerechtfertigt, wenn sie auf zwingende Gründe des Allgemeininteresses gestützt sind, geeignet sind, die Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele zu gewährleisten, nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist und nicht in diskriminierender Weise angewandt werden

vgl. EuGH, Urteil vom 6.11.2003 – C-243/01 – „Gambelli“.

Hiervon ausgehend ist in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anerkannt, dass das Bedürfnis nach Verbraucherschutz, das Ziel der Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen im Grundsatz zwingende Gründe des Allgemeininteresses bilden können, die eine Beschränkung von Spieltätigkeiten rechtfertigen können, und dass die sittlichen, religiösen oder kulturellen Besonderheiten und die sittlich und finanziell schädlichen Folgen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft, die mit Spielen und Wetten einhergehen, den staatlichen Stellen ein Ermessen vermitteln können, das sie ermächtigt festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutzbedürfnis der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben

vgl. EuGH, Urteile vom 21.9.1999 – C-124/97 – „Läärä“, vom 21.10.1999 – C-67/98 – „Zenatti“ und vom 6.11.2003 – C-243/01 – „Gambelli“.

Das schließt die Befugnis des einzelnen Mitgliedstaates ein, nach eigenem Ermessen zu entscheiden, inwieweit er auf seinem Gebiet den Schutz bei Lotterien und anderen Glückspielen ausdehnen will, wobei allein der Umstand, dass ein Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem als ein anderer Mitgliedstaat gewählt hat, keinen Einfluss auf die Beurteilung der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit der einzelnen Bestimmungen haben kann

vgl. EuGH, Urteil vom 21.9.1999 – C-124/97 – „Läärä“.

Steht es danach im Ermessen des jeweiligen Mitgliedstaates, die Ziele seiner Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele festzulegen und gegebenenfalls das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen, so dürfte er grundsätzlich auch befugt sein, ein staatliches Monopol für die Veranstaltung von Glücksspielen zu begründen, vorausgesetzt, die insoweit getroffenen Regelungen genügen den sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergebenden Anforderungen hinsichtlich ihrer Verhältnismäßigkeit

vgl. EuGH, Urteil vom 21.9.1999 – C-124/97 – „Läärä“ – Rdnr. 39 -.

Zu diesen Anforderungen gehört, dass Beschränkungen der Spieltätigkeiten, die auf Gründe des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung und der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen sowie auf die Notwendigkeit gestützt sind, Störungen der sozialen Ordnung vorzubeugen, auch geeignet sind, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie „kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen“

EuGH, Urteil vom 6.11.2003 – C-243/01 – „Gambelli“.

Auf die sich aus den angesprochenen Gründen ergebende Notwendigkeit, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, kann sich nach der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ein Mitgliedstaat freilich dann nicht berufen, wenn seine eigenen Stellen die Verbraucher dazu anreizen und ermuntern, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, um Einnahmen für die Staatskasse oder sonstige soziale Zwecke zu erzielen.

Bei Zugrundlegung dieser Maßstäbe spricht aus den den Beteiligten bekannten Gründen des Sportwettenurteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28.3.2006

- 1 BvR 1054/01 – zitiert nach Juris,

das die Unvereinbarkeit des staatlichen Monopols für Sportwetten in Bayern mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit festgestellt hat und insoweit von der Parallelität der Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts zu den vom Europäischen Gerichtshof zum Gemeinschaftsrecht formulierten Vorgaben ausgegangen ist

vgl. BVerfG, Urteil vom 28.3.2006 – 1 BvR 1054/01 – zitiert nach Juris, Rdnr. 144,

nach dem Erkenntnisstand des vorliegenden Eilrechtschutzverfahrens alles dafür, dass die Regelungen des Sportwettenmonopols im Saarland und dessen Handhabung, die den vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten bayerischen Gegebenheiten in hier wesentlicher Hinsicht durchaus vergleichbar sind, jedenfalls bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im März 2006 nicht nur ebenfalls unvereinbar mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit, sondern auch als Beschränkungen der gemeinschaftsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit nicht gerechtfertigt waren. Auch insoweit gilt, dass die Begründung eines staatlichen Wettmonopols als solche, weil ihr auch das fiskalische Motiv der Einnahmeerzielung zugrunde liegen kann, sich nicht schon gleichsam aus sich heraus als Maßnahme zur Begrenzung der Spielleidenschaft und zur Bekämpfung der Wettsucht rechtfertigt. Denn wie sich bis in die jüngere Vergangenheit gezeigt hat, kann es auch unter einem Monopol zu einer Erweiterung der Gelegenheiten zum Glücksspiel kommen und kann eine zum Glücksspiel animierende Werbung stattfinden, die dem öffentlichen Interesse an der Bekämpfung von problematischem Spielverhalten und Wettsucht keinerlei Beachtung schenkt. Vielmehr müssen sich die das Wettmonopol rechtfertigenden Gemeinwohlbelange in der rechtlichen wie in der tatsächlichen Ausgestaltung des Monopols positiv ausdrücken. Insoweit erweisen sich die derzeitigen saarländischen Regelungen ebenso wie die bayerischen aus den vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 8.3.2006, a.a.O., dargelegten Gründen als defizitär. So gilt auch im Saarland auf der Grundlage des Gesetzes Nr. 1547 über die „Zustimmung zum Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland und zum Staatsvertrag über die Regionalisierung von Teilen der von den Unternehmen des deutschen Lotto- und Totoblocks erzielten Einnahmen„ vom 31.3.2004 – Amtsbl. 2004, S. 1030 –, der am 13.4.2004 unterzeichnete Staatsvertrag zum Lotteriewesen, dessen Regelungen gemessen an den Zielen der Bekämpfung von Wettsucht und problematischem Spielverhalten nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts unzureichend sind, und enthält auch das Gesetz über die Veranstaltung von Sportwetten im Saarland vom 8.6.1951 – Amtsbl. 1951, S. 804 – in der derzeit geltenden Fassung keine Regelungen, die dem Anliegen Rechnung tragen, mittels des Staatsmonopols die Spielleidenschaft zu begrenzen und der Spielsucht vorzubeugen. Das Sportwettengesetz beschränkt sich im Wesentlichen darauf, das Alleinrecht des Staates zur Veranstaltung von Sportwetten zu begründen, ein öffentliches Wettunternehmen zu errichten und dessen Betrieb der Saarland-Sporttoto GmbH zu übertragen, die nähere Ausgestaltung der Saarland-Sporttoto GmbH und die Verteilung der Spieleinsätze zu regeln und Anforderungen an das Sportwettenpersonal zu stellen.

Ebenso wenig wie danach die rechtliche Ausgestaltung des Sportwettenmonopols im Saarland wurde jedenfalls bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im März 2006 die tatsächliche Handhabung dieses Monopols den Zielen der Begrenzung der Spielleidenschaft und der Suchtbekämpfung gerecht. Auch insoweit kann auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 28.3.2006 zu den bayerischen Gegebenheiten verwiesen werden, da das hier im Vordergrund der Betrachtung stehende Sportwettenangebot „Oddset“ über den deutschen Lotto- und Totoblock bundesweit koordiniert wurde beziehungsweise wird.

Ist danach davon auszugehen, dass die rechtliche Ausgestaltung und die Handhabung des Sportwettenmonopols auch im Saarland bezogen auf den Zeitpunkt des Sportwettenurteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28.3.2006 aus den in diesem Urteil dargelegten Gründen nicht nur mit Art. 12 GG unvereinbar war, sondern auch die durch Art. 49 EGV gemeinschaftsrechtlich gewährleistete Dienstleistungsfreiheit verletzte, so spricht ferner, wenn, worauf Formulierungen in den zitierten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs hindeuten, dessen Forderung nach einer kohärenten und systematischen an den Zielen der Begrenzung der Spielleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht ausgerichteten Ausgestaltung von Glücksspielmonopolen nicht nur auf den Sportwetten- sondern auf den gesamten Glücksspielsektor zu beziehen sein sollten, sehr viel dafür, dass diesen Anforderungen in der Vergangenheit auch deshalb nicht entsprochen war, weil in den zurückliegenden Jahren eine kontinuierliche Ausweitung des Glücksspielangebotes durch die staatlichen Lotterieveranstalter oder –unternehmen erfolgt ist.

So sind zu dem „klassischen“ Samstagslotto das so genannte „Mittwochslotto“ und sodann in jüngerer Zeit das Angebot „Keno“ als tägliches Zahlenlotto hinzugetreten. Das Sportwettenangebot „Toto“ wurde 1999 um das Oddset-Angebot mit verschiedenen Varianten von Sportwetten erweitert. Von einer Ausrichtung der Wettangebote an den Zielen der Begrenzung der Spielleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht war bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts am 28.3.2006, soweit ersichtlich, nie die Rede.

Ist danach davon auszugehen, dass das (saarländische) Sportwettenmonopol bezogen auf den Zeitpunkt des Sportwettenurteils vom 28.3.2006 auch gemeinschaftsrechtswidrig war, so deutet nichts daraufhin, dass sich hieran seither Durchgreifendes geändert haben könnte. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in der genannten Entscheidung die Regelungen über das bayerische Sportwettenmonopol nicht für nichtig, sondern die bisherige Rechtslage für eine Übergangszeit bis zu einer gesetzlichen Neuregelung unter der Voraussetzung weiterhin für anwendbar erklärt, dass unverzüglich ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung des Monopols andererseits herzustellen ist. Auch haben in der Folge die staatlichen Lotterieverwaltungen der Bundesländer eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, mit denen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen werden soll. So hat auch das saarländische Ministerium für Inneres, Familie, Frauen und Sport als nach § 3 Abs. 4 SportwettG zuständige Aufsichtsbehörde auf entsprechende Verfügung des Senats vom 29.1.2007 hin unter dem 13.2.2007 einen Katalog von Maßnahmen vorgelegt, die auf der Grundlage mündlicher Vereinbarungen mit der Saarland Sporttoto GmbH ab der 14. Kalenderwoche des Jahres 2006 umgesetzt worden sein sollen, um den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts Rechnung zu tragen. Außerdem wurden ein von der Saarland-Sporttoto GmbH erarbeitetes „Sozialkonzept“ unter dem Slogan „Spielen mit Verantwortung“, Aufklärungs- und Informationsschriften zum Thema „Spielsucht“ sowie Spielscheine mit aufgedruckten Warnhinweisen betreffend Suchtgefahren eingereicht und auf die Zusammenarbeit der Saarland Sporttoto GmbH mit der Charité-Universitätsklinik zur Suchtprävention hingewiesen. Auch unter Würdigung dieser mittlerweile ergriffenen Maßnahmen hält es der Senat jedoch für zweifelhaft, dass das Sportwettenmonopol inzwischen in einer Weise ausgestaltet ist, die im Verständnis der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeit beiträgt. Zu sehen ist hierbei zunächst, dass das vom Bundesverfassungsgericht beanstandete Regelungsdefizit bei der rechtlichen Ausgestaltung des Sportwettenmonopols mit Blick auf die es rechtfertigende Zielsetzung der Begrenzung der Spielleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht bislang keineswegs behoben ist. Verwirklicht wurden jedenfalls im Saarland lediglich Maßnahmen auf der Grundlage mündlicher Absprachen mit dem Betreiber des öffentlichen Wettunternehmens, der Saarland-Sporttoto GmbH. Insoweit ist darauf hin zu weisen, das eine bloße Verwaltungspraxis, die auch wieder geändert werden könnte und die im Übrigen nur unzureichend bekannt (gemacht) ist, zumal sie hier auf inhaltlich nicht näher dokumentierten und veröffentlichten mündlichen Abreden mit der Saarland-Sporttoto GmbH beruht, nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs regelmäßig nicht ausreicht, um einen Verstoß gegen Verpflichtungen des EG-Vertrages auszuräumen

vgl. EuGH, Urteil vom 15.10.1986 – C-168/85 – zitiert nach Juris.

Zudem lässt sich nach dem derzeitigen Erkenntnisstand nicht feststellen, dass die ergriffenen Maßnahmen inhaltlich wirklich einen nennenswerten Beitrag zu einer kohärenten und systematischen Begrenzung der Wetttätigkeiten darstellen, wobei es für die gemeinschaftsrechtliche Beurteilung insoweit auf die Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Union ankommen dürfte und von daher die Betrachtung nicht auf die saarländischen Gegebenheiten beschränkt werden kann. Auch wenn hier nicht verkannt werden soll, dass auch die Gemeinwohlbelange der Begrenzung von Spielleidenschaft und der Bekämpfung von Wettsucht -selbst wenn sich ein Zielkonflikt insoweit nicht von der Hand weisen lässt- es nicht ausschließen, dass das im Rahmen eines Monopols zur Verfügung gestellte Wettangebot attraktiv ausgestaltet ist, eine gewisse Vielfalt aufweist und auch in gewissem Umfang dafür geworben wird

vgl. EuGH, Urteil vom 6.3.2007 -C-338/04, C-359/04 und C-360/04 - „Placanica u.a.“, freilich bezogen auf das italienische System einer begrenzten Anzahl von Konzessionen für Private -1000- und dem zur Rechtfertigung dieser Begrenzung geltend machten Gemeinwohlinteresse, die Glücksspielbetätigungen in kontrollierbare Bahnen zu lenken, um ihrer Ausbeutung zu kriminellen und betrügerischen Zwecken vorzubeugen,

und ferner berücksichtigt wird, dass nicht nur im Saarland, sondern auch in den anderen Bundesländern durch eine ganze Anzahl von Einzelmaßnahmen die früher aufdringliche und allgegenwärtige Werbung für das Wettangebot „Oddset“ deutlich reduziert und mittlerweile, um entsprechenden Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts Rechnung zu tragen, auch ein Sozialkonzept für Spielsuchtprävention und -bekämpfung entwickelt wurde, bleibt festzuhalten, dass die Gelegenheiten zum Spiel nicht nennenswert reduziert wurden. Nach wie vor können offenbar Sportwetten in sämtlichen der zahlreichen Lotto- und Toto-Annahmestellen der staatlichen Lotterieunternehmen platziert werden, in und an denen auch für die entsprechenden Spielangebote geworben wird. Das entbehrt deshalb nicht einer gewissen Problematik, weil diese Annahmestellen häufig in Verbindung mit Zeitschriften-, Tabakwaren- und sonstigem Einzelhandel betrieben werden und demzufolge auch von Kunden aufgesucht werden, die an anderen dort angebotenen Produkten interessiert sind. Insofern lässt sich nicht von der Hand weisen, dass die Werbung für das Glückspielangebot auch solche Kunden zur Spielteilnahme animiert. Zudem besteht nach wie vor die – nach Experteneinschätzung besonders suchtgefährdende –

siehe Erläuterungen zum Entwurf eines (neuen) Staatsvertrages zum Glückspielwesen in Deutschland, Seite 6,

Möglichkeit, an Sportwetten und anderen Glücksspielen im Internet teilzunehmen, in einem jedenfalls im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahrens nicht verlässlich überschaubaren weiteren Umfang. Zwar heißt es in der dem Gericht übermittelten Auflistung der „Maßnahmen der Saarland-Sporttoto GmbH nach dem BVerfG-Urteil“, der Internet-Spielvertrieb sei in der 45. Kalenderwoche 2006 eingestellt worden. Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob diese Maßnahmen mit dem Ziel der Begrenzung der Spielmöglichkeiten oder wegen einer kartellrechtlichen Auseinandersetzung erfolgt und von Dauer ist. Denn die Einstellung des Internetvertriebes der Saarland-Sporttoto GmbH ändert nichts daran, dass Oddset-Wetten und andere Glücksspiele, die von den staatlichen Glücksspielmonopolen der Länder entweder selbst oder über den Deutschen Lotto- und Totoblock veranstaltet werden, nach wie vor zumindest von gewerblichen Wettvermittlern im Internet vertrieben werden, wobei dieser Vertrieb nicht nur über die jeweiligen Internetseite des Spielevermittlers, sondern auch mittels entsprechenden Links über die Internetseiten von eingeschalteten Vertriebspartnern erfolgt mit der Konsequenz, dass das Spielangebot von Oddset und im Übrigen auch von Lotto an zahlreichen Stellen im Internet präsent ist. Von daher kann in dem Wegfall des Internetvertriebes unmittelbar über die Internetseite von Saartoto kaum eine nennenswerte Beschränkung der Spielgelegenheiten gesehen werden. So ist lediglich exemplarisch darauf hinzuweisen, dass Sportwetten und sonstige Glücksspiele über den gewerblichen Spielevermittler „Tipp24“ unter anderem von der Internetseite des saarländischen Wochenspiegels (www.wochenspiegel-saarland.de) aus möglich sind, wobei „Tipp 24“ auf seiner eigenen Internetseite auf langjährige Partnerschaften mit 8 Landeslotteriegesellschaften (siehe unter Tipp 24 – Das Geschäftsmodell) sowie auf sein Partnermodell hinweist, für das sich schon über zehntausend Website-Besitzer entschieden haben sollen, und das offenbar darauf beruht, dass diese (Vertriebs-)Partner einen Link zu Tipp 24 auf die eigene Internetseite setzen und für auf diesem Wege erfolgende Vermittlungen Provisionen erhalten. Der gewerbliche Spielevermittler „ Fluxx “ ist bei dem Internet-Provider AOL präsent. Gerade zu konterkariert wird dann die vorgetragene Beschränkung der Spielgelegenheiten durch Einstellung des unter dem Gesichtspunkt der Suchtgefährdung besonders problematischen Internetvertriebes, wenn, wie offenbar in Nordrhein-Westfalen geschehen, der Betreiber des öffentlichen Wettunternehmens seinen Internet-Vertrieb an einen gewerblichen Spielevermittler weiterreicht und auf seiner Internetseite hierauf hinweist (vgl. Website von Westlotto vom 3.2.2007).

Im Hinblick hierauf kann jedenfalls für das vorliegende Eilrechtsschutzverfahren nicht angenommen werden, dass die im Anschluss an das Sportwettenurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.3.2006 ergriffenen Maßnahmen schon ausreichen, um das derzeit bestehende Staatsmonopol für Sportwetten und Glücksspiele gemessen an den vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Kriterien als gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit einzustufen.

Der Umstand, dass mittlerweile das Verfahren zum Abschluss eines neuen Lotteriestaatsvertrages eingeleitet ist, der den verfassungsrechtlichen und gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an ein Glücksspielmonopol Rechnung tragen soll, erlaubt ebenfalls keine andere Beurteilung. Unabhängig von der umstrittenen Frage, ob der vorliegende Entwurf des Staatsvertrages inhaltlich diesen Anforderungen wirklich gerecht wird, ist derzeit nicht überschaubar, ob er den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen auch dann Rechnung tragen kann, wenn er – was aufgrund der ablehnenden Haltung des Bundeslandes Schleswig-Holstein nicht auszuschließen ist – nicht von allen Bundesländern unterzeichnet wird und wenn es nach wie vor Bundesländer geben wird, in denen auf der Grundlage von seitens von Behörden der früheren DDR erteilten Konzessionen ein von privaten Veranstaltern vertriebenes Sportwettenangebot bestehen bleibt. Das bedarf indes hier keiner Vertiefung. Festzuhalten ist jedenfalls, dass gegenwärtig keine gemeinschaftskonforme Regelung der Sportwetten- und sonstigen Glücksspielmonopole in den Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland existieren dürfte

vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 28.6.2006 – 4 B 961/06 – DVBl. 2006, 1462, das einen Widerspruch des (nordrhein-westfälischen) Sportwettenmonopols zur gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit ebenfalls unter dem Gesichtspunkt des vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Regelungsdefizits sieht; ebenso VGH Kassel, Beschluss vom 25.7.2006 – 1 TG 1465/06 – NVwZ 2006, 1435.

Gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, das Einschreiten gegen die Antragstellerin erweise sich auch unter gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkten als offensichtlich rechtmäßig, spricht ferner mit Gewicht, dass das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 29.11.2006

- 6 B 89/06 – zitiert nach Juris,

die Revision gegen ein die Vermittlung von Sportwetten an einen in Großbritannien konzessionierten Veranstalter betreffendes Urteil des VGH München vom 10.7.2006

- 22 BV 05.457 – zitiert nach Juris,

wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen und zur Begründung ausgeführt hat, das von der Klägerin angestrebte Revisionsverfahren könne voraussichtlich Gelegenheit geben, die gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an den Bestand eines Staatsmonopols für Sportwetten weiter zu verdeutlichen und die Rechtsfolgen einer etwaigen Unvereinbarkeit des Monopols mit dem Gemeinschaftsrecht für die grenzüberschreitende Tätigkeit eines privaten Vermittlers, gegebenenfalls für die Zeit bis zum Inkrafttreten und Umsetzen der Anordnung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 28. März 2006 – 1 BvR 1054/01 – einerseits und für die Zeit danach andererseits mit unterschiedlichen Ergebnissen, zu klären.

Letztlich dürfte sich die Frage der Gemeinschaftsrechtskonformität des (saarländischen) Sportwettenmonopols aller Voraussicht nach erst auf der Grundlage des Ergebnisses eines Vorabentscheidungsverfahrens beim Europäischen Gerichtshof endgültig beantworten lassen.

Bestehen danach Zweifel daran, dass das saarländische Sportwettenmonopol derzeit eine gemeinschaftsrechtskonforme Beschränkung der durch Art. 49 EGV gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit darstellt, so gilt im Ergebnis nichts anderes hinsichtlich der Regelung des § 284 StGB, die der Antragsgegner ebenfalls in seine Erwägungen zur Begründung seiner Verwaltungsentscheidung einbezogen hat.

Das gilt zunächst hinsichtlich der im vorliegenden Verfahren zumindest nicht in erster Linie interessierenden Frage, ob auf der Grundlage dieser Bestimmung gegenwärtig die strafgerichtliche Verurteilung eines Wettvermittlers erfolgen kann, der Sportwetten an einen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässigen und dort konzessionierten Wettveranstalter vermittelt, wobei in diesem Zusammenhang auf den vom Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof unter dem 28.6.2006 in dem Verfahren 2 StR 55/06 gestellten Antrag auf Verfahrenseinstellung zu verweisen ist, in dem unter anderem als klärungsbedürftig bezeichnet wird, ob das Strafrecht zur Durchsetzung eines staatlichen Wettmonopols dienen kann, das sowohl gegen deutsches Verfassungsrecht als auch gegen europäisches Gemeinschaftsrecht verstößt, und welche Auswirkungen vor dem Hintergrund der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs eine Genehmigung aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union auf die mögliche Strafbarkeit haben kann, und dem der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 29.11.2006 – 2 StR 55/06 mit Blick auf unter anderem auf Grund verschiedener Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs bestehender Bedenken gegen die Richtigkeit der in jenem Verfahren angegriffenen strafgerichtlichen Verurteilung entsprochen hat.

Zweifel an der Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht bestehen auch dann, wenn in § 284 StGB verwaltungsrechtlich ein repressives Verbot gesehen wird, Glücksspiele ohne behördliche Erlaubnis öffentlich zu veranstalten, zu halten oder Einrichtungen hierzu bereitzustellen

vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 28.3.2001 – 6 C 2/01 – E 114, 92, und vom 21.6.2006 – 6 C 19/06 – zitiert nach Juris.

Mit diesem Inhalt stellt sich § 284 StGB ebenfalls als Beschränkung der durch Art. 49 EGV gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit dar, die gemäß den vom Europäischen Gerichtshof formulierten Vorgaben verhältnismäßig sein muss. Das heißt, die Bestimmung muss – wie bereits ausgeführt – aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie muss geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zieles zu gewährleisten und darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Zieles erforderlich ist. Hieran gemessen erweist sich nach dem Erkenntnis des vorliegenden Eilrechtschutzverfahrens als fraglich, ob § 284 Abs. 1 StGB, verstanden als repressive Verbotsnorm, die Dienstleistungsfreiheit in zulässiger Weise beschränkt. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung betreffend den Entwurf eines 6. Gesetzes zur Reform des Strafrechts (6 StrRG) – BT-Drs. 13/8587 vom 25.9.1997 – Seite 67 – besteht der Zweck der Regelungen der §§ 284, 286 StGB darin,

1. eine übermäßige Anregung der Nachfrage nach Glücksspielen zu verhindern,
2. durch staatliche Kontrolle einen ordnungsgemäßen Spielablauf zu gewährleisten,
3. die Ausnutzung des natürlichen Spieltriebs zu privaten oder zu gewerblichen Gewinnzwecken zu verhindern und
4. einen nicht unerheblichen Teil der Einnahmen aus Glücksspielen (mindestens 25 %) zur Finanzierung gemeinnütziger oder öffentlicher Zwecke heranzuziehen.

Dass die beiden letztgenannten Zwecke die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch ein repressives Glücksspielverbot nicht zu rechtfertigen vermögen, dürfte in Anbetracht des Sportwettenurteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28.3.2006 und des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 6.11.2003

- C-243/01 – „Gambelli“,

außer Frage stehen. Das Bundesverfassungsgericht hat in der zitierten Entscheidung – siehe dort Rdnr. 110 – zu der insoweit gleich lautenden Regelung in § 1 Nr. 3 LottStV 2004 ausgeführt, eine Ausnutzung des privaten Spieltriebes zu privaten oder gewerblichen Gewinnzwecken auszuschließen, stelle im Hinblick darauf, dass Art. 12 Abs. 1 GG eine Tätigkeit auch im Hinblick darauf unter Schutz stelle, dass sie zu privatem finanziellen Nutzen ausgeübt werde, kein verfassungsrechtlich zulässiges Ziel dar. Auch das Ziel sicherzustellen, dass ein erheblicher Teil der Einnahmen aus Glücksspielen zur Förderung öffentlicher oder gemeinnütziger Zwecke verwendet werde (vgl. § 1 Nr. 5 LottStV 2004), könne gemessen an Art. 12 Abs. 1 GG nicht als selbstständiges Ziel eines Monopols, sondern nur als Weg zur Suchtbekämpfung und als Konsequenz aus einem öffentlichen Monopol anerkannt werden

vgl. BVerfG, Urteil vom 28.3.2006 – 1 BvR 1054/01 – zitiert nach Juris, Rdnr. 109.

Gemeinschaftsrechtlich dürfte ebenfalls gelten, dass der Umstand, dass eine Dienstleistung in der Absicht privater Gewinnerzielung erbracht wird, für sich allein nicht ausreicht, die Dienstleistungsfreiheit zu beschränken, da nach Art. 50 EGV gerade Kriterium der durch Art. 49 EGV geschützten Dienstleistungen ist, dass sie in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, und in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anerkannt ist, dass die Bestimmungen des EG-Vertrages über den freien Dienstleistungsverkehr auch auf Tätigkeiten Anwendung finden, die darin bestehen, den Nutzern gegen Entgelt die Teilnahme an einem Glücksspiel zu ermöglichen

vgl. zum Beispiel EuGH, Urteil vom 13.11.2003 – C-42/02 – „Lindman“, zitiert nach Juris.

Zudem hat der Europäische Gerichtshof betont, dass die Finanzierung sozialer Aktivitäten mit Hilfe von Abgaben auf die Einnahmen aus genehmigten Spielen nur eine nützliche Nebenfolge, nicht aber der eigentliche Grund der betriebenen restriktiven Politik sein darf

vgl. zum Beispiel EuGH, Urteil vom 6.11.2003 – C-243/01 – „Gambelli“, zitiert nach Juris Rdnr. 62.

Auch das deutet mit Gewicht darauf hin, dass das Anliegen der Sicherstellung eines nicht unerheblichen Teils der Einnahmen aus Glücksspielen zur Finanzierung gemeinnütziger oder öffentlicher Zwecke für sich gesehen kaum geeignet sein dürfte, die Dienstleistungsfreiheit mittels eines repressiven Verbotes (zum Schutz staatlicher Monopole) zu beschränken.

Was den im Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Begründung der Regelungen der § 284, 286 StGB unter Nr. 1 genannten Zweck anbelangt, eine übermäßige Anregung der Nachfrage nach Glücksspielen zu verhindern, so steht zwar auf der Grundlage der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs außer Frage, dass es sich hierbei um einen Belang handelt, der prinzipiell geeignet ist, ein staatliches Glücksspielmonopol zu rechtfertigen. Aber auch wenn hieraus abzuleiten ist, dass dieser Gesichtspunkt das in § 284 Abs. 1 StGB ausgesprochene repressive Verbot von Glücksspielen ohne behördliche Genehmigung ebenfalls tragen kann, bestehen nach dem derzeitigen Stand Zweifel, ob dieses Verbot im Verständnis der zitierten Rechtsprechung des EuGH geeignet ist, die Verwirklichung dieses Zweckes zu gewährleisten. Denn wie der Europäische Gerichtshof ausgeführt hat

vgl. Urteil vom 6.11.2003 – C-243/01 – „Gambelli“, zitiert nach Juris, Rdnr. 69,

ist ein Mitgliedstaat, dessen Stellen die Verbraucher dazu anreizen und ermuntern, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen, gehindert, sich im Hinblick auf die Notwendigkeit, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, auf die öffentliche Sozialordnung zu berufen, um Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit zu rechtfertigen. Hiervon ausgehend hält es der Senat für fraglich, ob ein repressives Verbot von Sportwetten zu dem Zweck der Verhinderung der übermäßigen Nachfrage nach Glücksspielen gerechtfertigt sein kann, wenn, wofür wie bereits dargelegt auch vorliegend alles spricht, die staatlichen Wettmonopole weder nach ihrer rechtlichen Ausgestaltung noch nach ihrer tatsächlichen Handhabung kohärent und systematisch auf eine Begrenzung der Wetttätigkeit ausgerichtet sind, sondern selbst über ihre zahlreichen Annahmestellen sowie jedenfalls über gewerbliche Spielevermittler im Internet ein nahezu allgegenwärtiges Angebot an Sportwetten und sonstigen Glücksspielen zur Verfügung stellen. Insoweit ist auch ein Zusammenhang zwischen dem § 284 Abs. 1 StGB zu entnehmenden repressiven Verbot ungenehmigten Glücksspiels zum Zwecke der Begrenzung der Spielleidenschaft und der staatlichen Handhabung des „eigenen“ Wett- und sonstigen Glücksspielangebotes zu sehen. Ist letzteres nicht an diesem Ziel ausgerichtet, stellt sich die Frage der Eignung des in § 284 StGB enthaltenen Verbotes zur Erreichung dieses Zweckes. Auch insoweit überschreitet eine abschließende Beurteilung den Rahmen des vorliegenden Eilrechtschutzverfahrens und muss unter Umständen auf der Grundlage einer noch einzuholenden Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Schließlich dürfte auch der weitere in der Gesetzesbegründung angeführte Zweck der Regelung der §§ 284, 286 StGB, durch staatliche Kontrolle einen ordnungsgemäßen Spielablauf zu gewährleisten, für sich allein es nicht rechtfertigen, die Dienstleistungsfreiheit auf dem Sportwettensektor mittels eines repressiven Verbotes einzuschränken. Zwar erscheint die Einführung einer Genehmigungspflicht zur präventiven Kontrolle von im Glücksspielbereich tätigen Wirtschaftsteilnehmern mit Blick auf das Anliegen, Personen, die sich an Sportwetten und sonstigem Glücksspiel beteiligen, vor betrügerischen und sonstigen kriminellen Machenschaften zu schützen, durchaus als eine prinzipiell auch die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigende Maßnahme

vgl. EuGH, Urteil vom 6.3.2007 in den verbundenen Rechtssachen C-338/04, C-359/04 und C-360/04 – „Placanica u.a.“.

Allerdings ist vorliegend zu berücksichtigen, dass ein Verwaltungsverfahren zur Durchführung einer solchen Präventivkontrolle, in dem bei Unbedenklichkeit eine Genehmigung zur Veranstaltung oder zur Vermittlung von Sportwetten auch erlangt werden könnte, anders als im Übrigen in § 33 c GewO für das Aufstellen von unter dem Gesichtspunkt einer Suchtgefährdung offenbar besonders problematischen Geldspielautomaten

vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 28.3.2006 – 1 BvR 1054/01 -, zitiert nach Juris, Rdnr. 100, zum Stand der Suchtforschung,

rechtlich nicht vorgesehen ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zwar ausgeführt, dass kein Anhaltspunkt für die Annahme bestehe, die Strafbarkeit von ohne behördliche Genehmigung veranstaltetem Glücksspiel setze die Möglichkeit legalen Glücksspiels notwendig voraus. Die gesetzliche Regelung des § 284 StGB schließe als Repressivverbot die Zulassung von Glücksspiel durch Gesetzgeber und Behörde lediglich nicht aus

vgl. BVerwG, Urteil vom 28.3.2001 – 6 C 2/01 – E 114, 92.

Gleichwohl ist im vorliegenden Zusammenhang die Frage aufzuwerfen, ob der hier in Rede stehende Zweck der §§ 284, 286 StGB, durch staatliche Kontrolle einen ordnungsgemäßen Spielablauf zu gewährleisten, für sich gesehen die Beschränkung der gemeinschaftsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit durch ein solches Repressivverbot rechtfertigt, das heißt allein das Interesse, die an Glücksspielen Beteiligten vor betrügerischen und sonstigen kriminellen Machenschaften zu schützen es erlaubt, Sportwetten ohne die Möglichkeit einer Erlaubniserteilung zu verbieten. Das hält der Senat zum einen im Hinblick darauf für zweifelhaft, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem bereits mehrfach zitierten Sportwettenurteil vom 28.3.2006 (siehe dort Rdnr. 118), es als nicht von vornherein für ausgeschlossen bezeichnet hat, Verbraucher- und Jugendschutz sowie die Vermeidung von Folge- und Begleitkriminalität grundsätzlich auch durch die Normierung entsprechender rechtlicher Anforderungen an ein gewerbliches Wettangebot privater Wettunternehmer zu realisieren, deren Einhaltung dann durch Genehmigungsvorbehalte und behördliche Kontrollen mit den Mitteln der Wirtschaftsaufsicht sicher gestellt werden könnte, und letztlich allein in dem Ziel der Bekämpfung der Suchtgefahr eine mögliche Rechtfertigung eines staatlichen Wettmonopols gesehen hat. Zum anderen ist die Frage aufzuwerfen, ob ein repressives Verbot allein mit dem Ziel, die an Sportwetten Beteiligten vor betrügerischen oder sonstigen kriminellen Machenschaften zu schützen, sich im Rahmen des im Verständnis der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Erforderlichen bewegt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass auch der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 6.11.2003

- C-243/01 – „Gambelli“, zitiert nach Juris, Rdnrn. 73, 74,

die Verhältnismäßigkeit der in jenem Verfahren in Rede stehenden strafbewehrten italienischen Verbotsnorm im Hinblick darauf problematisiert hat, dass der Leistungserbringer – gemeint ist hier der Wettveranstalter – im Mitgliedstaat der Niederlassung einer Kontroll- und Sanktionsregelung unterliegt, und die Möglichkeit besteht, die Konten und Tätigkeiten der nach damaligem italienischem Recht von der Konzessionsvergabe ausgeschlossenen Kapitalgesellschaften zu kontrollieren, um betrügerischen und sonstigen kriminellen Machenschaften vorzubeugen. Hiervon ausgehend bedarf auch die Frage eines Anwendungsvorrangs der gemeinschaftsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit vor der Verbotsregelung des § 284 Abs. 1 StGB auf dem Sektor der Sportwetten einer umfassenden Würdigung, die über den Rahmen des vorliegenden Eilrechtschutzverfahrens hinausgeht und dem Hauptsacheverfahren gegebenenfalls auf der Grundlage einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs vorbehalten bleiben muss.

Steht somit nach dem Ergebnis der summarischen Würdigung durchaus im Raum, dass sich das (saarländische) Sportwettenmonopol und das § 284 Abs. 1 StGB wohl zu entnehmende repressive Verbot der Vermittlung von Sportwetten an in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ansässige und dort konzessionierte Wettveranstalter unter den derzeitigen Gegebenheiten als unzulässige Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EGV darstellen, so wären diese Beschränkungen, sollte sich ihre Gemeinschaftsrechtswidrigkeit im Hauptsacheverfahren bestätigen, auch nicht – zum Beispiel unter den Voraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Sportwettenurteil vom 28.3.2006 für die vorläufige Weitergeltung des bayerischen Sportwettenmonopols formuliert hat - für eine Übergangszeit bis zu einer gesetzlichen Neuregelung hinzunehmen.

Der Senat hat zur Frage der zeitlich begrenzten Fortgeltung nationaler Vorschriften trotz ihrer Unvereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht bereits in seinen Beschlüssen vom 22.1.2007

- 3 W 14/06 und 3 W 15/06

Stellung genommen, sich hierbei mit den Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Münster

Beschlüsse vom 28.6.2006 – 4 B 961/06 – DVBl. 2006, 1462, und vom 9.10.2006 – 4 B 898/06 – zitiert nach Juris,

und des VGH Kassel

Beschluss vom 25.7.2006 – TG 1465/06 – zitiert nach Juris

auseinandergesetzt, die unter strengen Voraussetzungen – inakzeptable Gesetzeslücke beziehungsweise Schutz wichtiger Allgemeininteressen – die vorübergehende Weitergeltung auch gemeinschaftsrechtswidriger Normen angenommen und die auf nationales Recht gestützten Untersagungsbescheide in jenen Verfahren bestätigt haben, und darauf hingewiesen, dass der Europäische Gerichtshof in seiner Rechtsprechung prinzipiell von der aktuellen Anwendungspflicht unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechts durch alle staatlichen Träger ausgeht und nur in Ausnahmefällen, etwa aus Gründen des Vertrauensschutzes bei in die Vergangenheit fallenden Tatbeständen und aus Gründen der Rechtssicherheit, eine zeitliche Begrenzung der Gültigkeit von Gemeinschaftsrecht allein mit Blick auf die zeitliche Begrenzung der Wirkung seiner Urteile vornimmt. Der Senat hat in diesem Zusammenhang weiter dargelegt, dass sich der von ihm zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nichts dahin entnehmen lässt, dass nationales Recht oder die Gefahr von Gesetzeslücken im nationalen Recht die Befugnis nationaler Behörden oder Gerichte begründen könnten, Gemeinschaftsrecht – hier immerhin eine der Grundfreiheiten des EG-Vertrages – vorübergehend außer Kraft zu setzen. Hieran ist auch für das vorliegende Verfahren festzuhalten, wobei zusätzlich anzumerken ist, dass der Senat auch keinen verlässlichen Anknüpfungspunkt für die Bestimmung einer solchen Übergangsfrist sieht. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass der Europäische Gerichtshof bereits in seinem Urteil vom 6.11.2003

- C-243/01 – „Gambelli“, zitiert nach Juris, Rdnr. 67

klargestellt hat, dass Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit auf dem Sportwettensektor, die unter anderem mit der Vermeidung von Anreizen für den Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen begründet sowie auf die Notwendigkeit gestützt sind, Störungen der sozialen Ordnung vorzubeugen, auch geeignet sein müssen, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen. Der Europäische Gerichtshof hat in dieser Entscheidung (Rdnr. 69) weiter ausgeführt, dass Behörden eines Mitgliedstaates, soweit sie Verbraucher dazu anreizen und ermuntern, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen, sich nicht im Hinblick auf die Notwendigkeit, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, auf die öffentliche Sozialordnung berufen können, um Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit zu rechtfertigen. Es deutet nichts daraufhin, dass diese Rechtsprechung bei der Ausgestaltung und Handhabung des (saarländischen) Sportwettenmonopols Beachtung gefunden hätte. Die Länder haben noch zum 1.7.2004 einen Glücksspielstaatsvertrag in Kraft gesetzt, dessen Regelungen gemessen an dem Ziel einer Begrenzung der Spielgelegenheiten nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts im Sportwettenurteil vom 28.3.2006 defizitär sind. Auch der Vertrieb des Sportwettenangebots von Oddset war bezogen auf den Zeitpunkt der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht aktiv an der Bekämpfung von Spielsucht und problematischem Spielverhalten ausgerichtet. Das tatsächliche Erscheinungsbild entsprach „dem der wirtschaftlich effektiven Vermarktung einer grundsätzlich unbedenklichen Freizeitbeschäftigung“

siehe BVerfG, Urteil vom 28.3.2006 – 1 BvR 1054/01 – zitiert nach Juris, Rdnr. 134.

Es existierte eine breit angelegte Werbung, in der das Wetten als sozial adäquate, wenn nicht sogar positiv bewertete Unterhaltung dargestellt wird, und die – im Rahmen der über den Deutschen Toto- und Lottoblock bundesweit koordinierten Veranstaltung von Oddset überall auffallend und präsent war

BVerfG, Urteil vom 28.3.2006, a.a.O., Rdnr. 136.

Eine Rückführung dieser Werbung ist dann auch erst zum Zwecke der Erfüllung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für eine vorübergehende Weitergeltung des bayerischen Sportwettenmonopols eingeleitet worden.

Haben danach die staatlichen Lotterieveranstalter in der Bundesrepublik Deutschland noch im Frühjahr 2006 eine im Widerspruch zu den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs im Urteil vom 6.11.2003 stehende Vermarktung des Sportwettenangebots von Oddset betrieben, die den Zielen der Begrenzung von Spielleidenschaft und problematischem Spielverhalten keinerlei Beachtung geschenkt hat, so ist jedenfalls für das vorliegende Eilrechtsschutzverfahren nicht erkennbar, auf welcher Grundlage zum gegenwärtigen Zeitpunkt von einer noch nicht abgelaufenen Übergangsfrist zur Herbeiführung eines gemeinschaftsrechtskonformen Zustandes ausgegangen werden könnte.

Zusammenfassend ist danach als Ergebnis der im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Würdigung festzuhalten, dass der Senat es für zweifelhaft hält, dass das (saarländische) Sportwettenmonopol und ein § 284 Abs. 1 StGB gegebenenfalls zu entnehmendes repressives Verbot der Vermittlung von Sportwetten an einen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässigen und dort konzessionierten Wettveranstalter unter den gegenwärtigen rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Verständnis der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verhältnismäßige Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EGV auf dem Sportwettensektor darstellen, dass sich in Anbetracht des der Dienstleistungsfreiheit bei Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der in Rede stehenden Beschränkungen zukommenden und von den nationalen Behörden und Gerichten zu beachtenden Anwendungsvorranges die Rechtmäßigkeit des Einschreitens des Antragsgegners gegen die Vermittlungstätigkeit der Antragstellerin derzeit nicht abschließend beurteilen lässt und der Ausgang des Hauptsacheverfahrens mithin noch offen ist.“

Allerdings waren das zitierte und die anderen sieben Verfahren dadurch gekennzeichnet, dass wie bereits angesprochen die Adressaten der umstrittenen Anordnungen und Antragsteller jeweils Unionsbürger oder in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaften sind, die sich gemäß den Artikeln 17, 48, 49 und 55 EGV auf die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs berufen können. Der Antragsteller des vorliegenden Verfahrens ist hingegen türkischer Staatsangehöriger. Es ist daher für das vorliegende Eilrechtsschutzverfahren davon auszugehen, dass er Angehöriger eines so genannten Drittstaates ist. Als Drittstaater ist er, wie sich schon aus dem Wortlaut von Art. 49 Abs. 1 EGV ergibt, nicht Träger der Dienstleistungsfreiheit. Von der Möglichkeit des Art. 49 Abs. 2 EGV, Kapitel 3 des Titels III im Dritten Teil des EG-Vertrages auch auf Erbringer von Dienstleistungen anzuwenden, welche die Staatsangehörigkeit eines dritten Landes besitzen und innerhalb der Gemeinschaft ansässig sind, hat der Rat der Europäischen Gemeinschaft, soweit ersichtlich, bislang keinen Gebrauch gemacht.

Vgl. zum Beispiel Randelzhofer/Forsthoff in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Band 1, Art. 49/50 Rdnr. 20; Kluth in Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 3. Auflage 2007, Art. 49 EGV Rdnr. 34.

Auch spricht nach dem Erkenntnisstand des vorliegenden Eilrechtsschutzverfahrens nichts dafür, dass der Antragsteller auf der Grundlage eines Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Türkei, Begünstigter der durch Art. 49 EGV gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit ist

vgl. dazu, dass das Assoziierungsabkommen mit der Türkei keine subjektiven Rechte vermittelt, Randelzhofer/Forsthoff, a.a.O., vor Art. 39 bis 55 EGV, Rdnrn. 31 und 35; Kluth, a.a.O., Art. 43 Rdnr. 7 zur Niederlassungsfreiheit.

Soweit in dem Einschreiten gegen den Antragsteller zugleich eine nicht gerechtfertigte Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit des in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ansässigen und dort konzessionierten Wettveranstalters liegen sollte, sind keine eigenen subjektiven Rechte des Antragstellers betroffen.

Hiervon ausgehend spricht derzeit nichts dafür, dass der Antragsteller, sollte in dem Einschreiten gegen ihn – objektiv-rechtlich – eine rechtswidrige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegen, dadurch, dass ihm diese Dienstleistungsfreiheit vorenthalten wird, im Verständnis von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten verletzt wird.

Gleichwohl stellt sich vorliegend in Anbetracht der Zweifel an der Vereinbarkeit des ordnungsbehördlichen Vorgehens gegen Wettvermittler, die Sportwetten an in EU-Mitgliedstaaten ansässige und dort konzessionierte Wettveranstalter vermitteln, mit der gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit die Frage der Rechtmäßigkeit des Einschreitens gegen den Antragsteller unter dem Gesichtspunkt des vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im weiteren Sinne mit umfassten Erfordernisses der Geeignetheit der umstrittenen Anordnung. Der Senat hat hierzu erwogen: Sollte sich – zum Beispiel in den Hauptsacheverfahren zu den durch Beschlüsse des Senats vom 4.4.2007 entschiedenen Eilrechtschutzverfahren – herausstellen, dass das Sportwettenmonopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung und auch § 284 Abs. 1 StGB auf dem Sportwettensektor keine rechtmäßigen Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EGV darstellen, so müssten jedenfalls bis zu einer gemeinschaftsrechtskonformen Änderung der Rechtslage Wettvermittlungen an in EU-Mitgliedsstaaten ansässige und dort konzessionierte Sportwettenveranstalter hingenommen werden, soweit sie durch Unionsbürger und in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaften im Sinne der Art. 55, 48 EGV erfolgen. Treten in der Bundesrepublik ansässige Drittstaater wie der Antragsteller als Wettvermittler auf, könnten zwar nicht diese selbst, aber wohl die Wettveranstalter als Dienstleistungsempfänger die Dienstleistungsfreiheit einfordern

vgl. die Beispielskonstellationen bei Randelzhofer/Forsthoff in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Band 1, Art. 49/50 EGV Rdnr. 17, 21.

In diesem Falle dürfte die Vermittlungstätigkeit des Drittstaaters ebenfalls hinzunehmen sein. Hiervon ausgehend ist vorliegend die Frage aufzuwerfen, ob das Einschreiten gegen den Antragsteller überhaupt geeignet ist, das mit dieser Maßnahme verfolgte Ziel, die Vermittlung von Sportwetten an in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft ansässige und dort konzessionierte Wettveranstalter – gleichsam „flächendeckend“ – zu unterbinden, um auf diese Weise die Spielleidenschaft zu begrenzen und die Spielsucht zu bekämpfen, überhaupt erreicht werden kann. Für das Ausmaß der Beeinträchtigung dieser öffentlichen Belange ist es offenkundig ohne Bedeutung, ob der Wettvermittler Unionsbürger, in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaft im Sinne der Art. 55, 48 EGV oder Drittstaater ist oder anders gewendet, die Beeinträchtigung der in Rede stehenden Belange wiegt nicht dadurch schwerer, dass der Antragsteller vorliegend Drittstaater ist. Sollte sich herausstellen, dass das Einschreiten gegen die Wettvermittlung durch Unionsbürger oder Gesellschaften im Sinne der Art. 55, 48 EGV gegen die vorrangig anzuwendende Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EGV verstößt und deshalb eine Fortsetzung dieser Vermittlungstätigkeit hinzunehmen ist, spricht allenfalls wenig dafür, dass sich die darin liegende Beeinträchtigung der öffentlichen Belange der Begrenzung der Wettgelegenheiten durch ein Vorgehen gegen diejenigen Wettvermittler ausräumen lässt, die – zufällig – Drittstaater sind, zumal alles daraufhin deutet, dass in diesem Falle der Wettveranstalter als Dienstleistungsempfänger sich erfolgreich auf die Dienstleistungsfreiheit berufen könnte, von der Frage einer Gesellschaftsgründung durch den Drittstaater einmal ganz abgesehen

vgl. in diesem Zusammenhang eingehend zur Frage der Verhältnismäßigkeit und Geeignetheit nationaler Regelungen in den Fällen der so genannten Inländerdiskriminierung Gundel, Die Inländerdiskriminierung zwischen Verfassungs- und Europarecht: Neue Ansätze in der Deutschen Rechtsprechung, DVBl. 2007, 269, 276 f., der der Inländerdiskriminierung auch Sachverhalte mit Auslandsberührung zurechnet, soweit es sich um einen Drittstaat handelt und der Sachverhalt nicht vom Gemeinschaftsrecht erfasst wird (siehe S. 270 Fußnoten 19); vgl. außerdem Streinz, EUV/EGV, 2003, Art. 12 EGV Rdnr. 58, wonach in den Fällen der so genannten Inländerdiskriminierung der Inländerbegriff von der Staatsangehörigkeit gelöst werden muss, da wesentliches Kriterium die Bindung an die Rechtsordnung des Mitgliedstaates ist, was auch auf einen im Inland ansässigen Ausländer zutreffen kann.

Sollte sich demnach ergeben, dass ein Einschreiten gegen die Vermittlung von Sportwetten an einen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ansässigen und dort konzessionierten Wettveranstalter rechtswidrig ist, sofern diese Tätigkeit durch einen Unionsbürger oder eine in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaft im Sinne der Art. 55, 48 EGV erfolgt, so dürfte dies ein Umstand sein, der zumindest bei der Betätigung des Entschließungsermessens zugunsten eines Einschreitens gegen Drittstaater, die die gleiche Tätigkeit ausüben, angemessen Berücksichtigung finden müsste. Dies gilt umso mehr, wenn, wofür gegenwärtig alles spricht, der im EU-Ausland ansässige Wettveranstalter auch insoweit mit Erfolg die Dienstleistungsfreiheit einfordern könnte.

Derartige Ermessenserwägungen hat der Antragsgegner – von seinem rechtlichen Ansatz her konsequent – bislang nicht angestellt.

Die abschließende Beantwortung der insoweit aufgeworfenen Fragen nach Klärung der Vereinbarkeit des ordnungsbehördlichen Vorgehens mit Gemeinschaftsrecht erfordert eine umfassende Würdigung des Sachverhaltes, die über den Rahmen des vorliegenden Eilrechtschutzverfahrens hinausgeht und dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss. Das rechtfertigt es, im vorliegenden Verfahren ebenso wie in den mit Beschlüssen vom 4.4.2007 entschiedenen Eilrechtschutzverfahren einen noch offenen Ausgang des Hauptsacheverfahrens anzunehmen.

Die in diesem Falle vorzunehmende allgemeine Interessenabwägung fällt zugunsten des Antragstellers aus. Sein wirtschaftlich motiviertes Interesse daran, die zur Durchführung seiner Vermittlungstätigkeit getätigten Investitionen in Geschäftslokal, Einrichtungen und sonstige Ausstattung vorläufig weiter nutzen zu dürfen und hieraus Erträge zu erzielen, überwiegt die gegenläufigen öffentlichen Interessen. Der Senat hat in seinen bereits mehrfach angeführten Beschlüssen vom 4.4.2007 betreffend Eilrechtschutzanträge von insgesamt acht Unionsbürgern und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Gesellschaften im Sinne der Art. 55, 48 EGV, gegen die im Wesentlichen inhaltsgleiche ortspolizeiliche Anordnungen ergangen sind, bei ebenfalls noch offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens einen Vorrang der den Interessen des Antragstellers des vorliegenden Verfahrens gleich gelagerten privaten Interessen vor den gegenläufigen öffentlichen Belangen angenommen. Er hat in diesem Zusammenhang in dem bereits teilweise zitierten Beschluss in dem Verfahren 3 W 18/06 ausgeführt:

„Die privaten Interessen der Antragstellerin sind nicht deshalb in ihrer Schutzwürdigkeit entscheidend gemindert, weil sich diese mit Aufnahme ihrer Vermittlungstätigkeit im Juni 2006 in Kenntnis der Regelung des § 284 Abs. 1 StGB bewusst dem Risiko einer ordnungsbehördlichen Unterbindung ihrer Betätigung ausgesetzt hätte. Die Frage, ob § 284 Abs. 1 StGB ein gemeinschaftsrechtskonformes Verbot der Vermittlung von Sportwetten an einen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässigen und dort konzessionierten Wettveranstalter entnommen werden kann, ist – wie dargelegt – offen. Das schließt es aus, der Antragstellerin im Rahmen der hier vorzunehmenden Abwägung schutzmindernd anzulasten, sie sei in Anbetracht dieses Verbotes ein bewusstes Risiko eingegangen. Sollte sich nämlich die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 284 StGB gegebenenfalls zu entnehmenden Verbotes herausstellen, hätte die Antragstellerin mit der Aufnahme ihrer Vermittlungstätigkeit zu Recht von der Dienstleistungsfreiheit Gebrauch gemacht. Im Übrigen muss in diesem Zusammenhang gesehen werden, dass ein Genehmigungsverfahren, in dem die Antragstellerin vor Betriebsaufnahme die Zulässigkeit ihrer Betätigung hätte klären können, nicht vorgesehen ist. Vielmehr ist bei der Gewichtung ihrer Interessen zu berücksichtigen, dass sie sich auf die zu den Grundprinzipien des EG-Vertrages gehörende Dienstleistungsfreiheit beruft, an deren wirksame Beschränkung hohe Anforderungen zu stellen sind. Was die gegenläufigen öffentlichen Interessen anbelangt, so ist zunächst festzuhalten, dass einem etwaigen fiskalisch motivierten Interesse an der sofortigen Unterbindung der Betätigung der Antragstellerin im vorliegenden Zusammenhang keine beachtliche Bedeutung zukäme, da wie bereits dargelegt, das Anliegen, einen nicht unerheblichen Teil der Einnahmen aus Glücksspielen zur Finanzierung gemeinnütziger oder sonstiger öffentlicher Zwecke heranzuziehen, eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch Unterbindung einer privaten Betätigung auf dem Sportwettensektor nicht zu rechtfertigen vermag. Dass das öffentliche Interesse an der Vermeidung betrügerischer oder sonstiger krimineller Machenschaften in Verbindung mit Sportwetten bei einer vorläufig weiteren Hinnahme der Betätigung der Antragstellerin beeinträchtigt wäre, ist weder konkret aufgezeigt noch sonst erkennbar. Aber auch dem auf die Verringerung der Spielgelegenheiten abzielenden öffentlichen Interesse an der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Suchtbekämpfung kann keine hier durchgreifende Bedeutung beigemessen werden. Unter diesem Gesichtspunkt ist darauf hinzuweisen, dass die zahlreichen Annahmestellen der Saarland-Sporttoto GmbH und das über Links auf den Internetseiten zahlreicher Vertriebspartner weit verbreitete Internetangebot gewerblicher Spielvermittler eine derartig große Anzahl von Gelegenheiten zum Abschluss von Sportwetten bieten, dass in der vorübergehenden weiteren Hinnahme der Vermittlungstätigkeit der Antragstellerin keine nennenswerte Erhöhung des Gefährdungspotentials für Spielsucht gesehen werden kann. Auch bei sofortiger Unterbindung der Betätigung der Antragstellerin könnte ein an Sportwetten Interessierter problemlos auf die anderen Angebote ausweichen. Für die Betroffenheit eines Spielsüchtigen und gegebenenfalls seiner Familie macht es dabei keinen Unterschied, ob die verlorenen Wetteinsätze von privaten oder staatlichen Wettveranstaltern vereinnahmt werden. Zwar soll hier nicht verkannt werden, dass sowohl der Betreiber des öffentlichen Wettunternehmens im Saarland als auch private Wettvermittler Maßnahmen zur Suchprävention ergriffen haben. Jedenfalls bei den gewerblichen Wettvermittlern, die den nach Einschätzung von Suchtexperten besonders problematischen Internetvertrieb bestreiten, beschränken sich diese Maßnahmen indes, soweit nach dem derzeitigen Erkenntnisstand ersichtlich, auf die Eröffnung der Möglichkeit, eine Internetseite aufzurufen, die eine Warnung vor Suchtgefahren enthält, einen Selbsttest anbietet und auf eine Beratungsadresse (bei Tipp 24.de die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) verweist. Dass diesen Maßnahmen eine nennenswerte präventive Wirkung zukommt, kann nicht angenommen werden. Immerhin müsste sich ein Wettinteressent zunächst dazu entschließen, die einschlägige Internetseite überhaupt aufzurufen. Nach dem Eindruck des Senats hat die betreffende Maßnahme eher salvatorischen Charakter

vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerfG, Urteil vom 28.3.1006 – 1 BvR 1054/01 – zitiert nach Juris, Rdnr. 141, das bloße Faltblatt- und Internetinformationen und die Verweisung auf das Beratungsangebot der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung als unzureichende Maßnahmen der Suchtpräventionen ansieht.

Anzumerken ist in diesem Zusammenhang im Übrigen, dass auch der in der Aufstellung der „Maßnahmen der Saarland-Sporttoto GmbH“ unter der Rubrik „Annahmestellen, Sonstiges“ wiedergegebene Plakatslogan „Wer hier spielt, spielt mit Verantwortung“ durchaus zweideutig erscheint. Er kann zum einen als Appell zu verantwortungsbewusstem Spielverhalten verstanden werden, zum anderen aber auch „entlastend“ suggerieren, dass Spielen in den Annahmestellen der Saarland-Sporttoto GmbH – per se – verantwortungsbewusstes Spielen sei. Das bedarf indes hier keiner näheren Vertiefung. Jedenfalls kann aus dem Umstand, dass der Betreiber des öffentlichen Wettunternehmens im Saarland und die gewerblichen Wettvermittler inzwischen einige Maßnahmen zur Suchtprävention eingeleitet haben, nicht geschlossen werden, dass von der Betätigung der Antragstellerin, die in dieses Konzept nicht eingebunden ist, eine nennenswert höhere Gefährdung ausgeht, die es rechtfertigt, ihre Fortsetzung mit sofortiger Wirkung zu unterbinden. Zu berücksichtigen ist bei dieser Interessenabwägung ferner, dass gerade die staatlichen Lotterieunternehmen unter den Augen der Aufsichtsbehörden bis in die jüngere Vergangenheit eine Politik der kontinuierlichen Erweiterung des Spielangebotes verbunden mit einer breit angelegten Werbung betrieben und zum Beispiel – das gilt zumindest für das Saarland – den Weg zu dem besonders problematischen Internetvertrieb durch eine extensive Auslegung von § 4 Abs. 1 SportwettG eröffnet haben, indem die dort festgelegte Beschränkung des Sportwettenabschlusses auf amtlich zugelassene Annahmestellen auf das Internet als „virtuelle Annahmestelle“ erweitert wurde. Den Belangen der Begrenzung der Spielleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht ist im Rahmen dieser Geschäftspolitik ersichtlich keine Beachtung geschenkt worden. Haben danach – soweit von Sportwetten Suchtgefahren ausgehen – die staatlichen Wettunternehmen mit ihrer Geschäftspolitik einen nicht unbeträchtlichen Beitrag zu der Problematik geleistet, so kann ein besonderes öffentliches Interesse daran, zur Suchtprävention und zur Bekämpfung von Suchtgefahren gerade die Vermittlungstätigkeit der Antragstellerin bei weiterhin fortbestehendem verbreitetem Angebot der staatlichen Sportwettenveranstalter und der gewerblichen Spielvermittler mit sofortiger Wirkung zu unterbinden, nicht anerkannt werden. Dieses Interesse erhält, wie bereits angesprochen, seine Legitimation auch nicht dadurch, dass die Veranstalter des staatlichen Angebotes und die gewerblichen Wettvermittler mittlerweile einige Maßnahmen zur Suchtprävention ergriffen oder eingeleitet haben. Immerhin sieht auch der Entwurf des neuen Lotteriestaatsvertrages in seinem § 25 Abs. 6 die Möglichkeit vor, abweichend von den in § 4 Abs. 4 des Vertragsentwurfs vorgesehenen Verbots des Veranstaltens und des Vermittelns öffentlicher Glücksspiele im Internet, die Fortsetzung dieser Betätigung für einen Zeitraum von einem Jahr nach Inkrafttreten des Staatsvertrages bei Erfüllung näher beschriebener Voraussetzungen zu erlauben. Insoweit wird den gewerblichen Wettvermittlern, obwohl gerade die Möglichkeit des Glücksspiels im Internet mit Blick auf die von ihr ausgehende Suchtgefährdung als besonders problematisch bewertet wird, die Möglichkeit eröffnet, ihre Betätigung für eine Übergangszeit fortzusetzen. Da zudem, was in der hier vorzunehmenden Interessenabwägung ebenfalls nicht unberücksichtigt bleiben solle, die Antragstellerin ihre Vermittlungstätigkeit zwar erst im Juni 2006 und damit nach Ergehen des Sportwettenurteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28.3.2006, aber noch zu einem Zeitpunkt aufgenommen hat, zu dem noch nicht einmal die lediglich auf mündlichen Absprachen mit der Aufsichtsbehörde beruhende Änderung der Geschäftspolitik der Saarland-Sporttoto GmbH zur Erfüllung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nach außen manifest geworden ist, hält es der Senat für gerechtfertigt, ihrem Interesse an der einstweiligen Fortsetzung ihrer aller Voraussicht nach durch die gemeinschaftsrechtlich gewährleistete Dienstleistungsfreiheit geschützten Vermittlungstätigkeit den Vorrang vor den gegenläufigen öffentlichen Interessen einzuräumen und die sofortige Vollziehbarkeit der ihr gegenüber ergangenen Untersagungsverfügung auszusetzen.“

Die in jenen Verfahren angestellten Erwägungen lassen sich im Wesentlichen auf die Interessenabwägung in dem vorliegenden Verfahren übertragen. Nach dem Erkenntnisstand des vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren hat der Antragsteller seine Vermittlungstätigkeit Ende 2005/Anfang 2006 und damit zu einem Zeitpunkt aufgenommen, zu dem die staatlichen beziehungsweise staatlich konzessionierten Wettveranstalter ihr Wettangebot noch mittels breit angelegter Werbung als unbedenkliche Freizeitbeschäftigung vermarktet haben

vgl. BVerfG, Urteil vom 28.3.2006 – 1 BvR 1054/01 – a.a.O., Rdnr. 134, 136.

Allerdings ist der Antragsteller nach dem Erkenntnisstand des vorliegenden Eilrechtschutzverfahrens weder deutscher Staatsbürger noch Angehöriger eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union. Er kann sich daher für das Gewicht seiner Interessen nicht mit Erfolg auf die Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EGV und auch nicht auf das nach dem Wortlaut von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG nur Deutschen zustehende Grundrecht der Berufsfreiheit und damit auf Gewährleistungen berufen, an deren wirksame Einschränkung besonders hohe Anforderungen zu stellen sind. Seine Vermittlungstätigkeit wird nach wohl herrschender Meinung „lediglich“ durch Art. 2 Abs. 1 GG, und zwar nicht in dem selben Ausmaß wie durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG, sondern in den Grenzen der verfassungsmäßigen Ordnung geschützt, die jede formell und materiell verfassungsmäßige Rechtsnorm einschließt

vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.5.1988 – 1 BvR 482/84 u.a. – E 78, 179, 196 f., Urteil vom 6.11.2001 – 1 BvR 1783/99 – E 104, 337, 346; Jarass/Pieroth, GG, 8. Auflage 2006, Art. 12 Rdnr. 10.

Gleichwohl ist auch insoweit zu berücksichtigen, dass angesichts der offenen Frage der Rechtmäßigkeit des Einschreitens gegen die Vermittlungstätigkeit des Antragstellers unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im weiteren Sinne auch die Frage einer Verletzung seiner durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit gerade noch offen und damit das Gewicht seiner Interessen in rechtlicher Hinsicht nicht verlässlich bestimmbar ist. Das schließt es aus, die privaten Interessen des Antragstellers schon deshalb in hier durchgreifender Hinsicht gering zu bewerten, weil er sich jedenfalls weder auf Art. 49 EGV noch auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen kann. Auf der anderen Seite folgt aus den Entscheidungen des Senats vom 4.4.2007, dass die Vermittlung von Sportwetten an einen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ansässigen und dort konzessionierten Wettveranstalter, soweit sie durch Unionsbürger und durch in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaften im Sinne der Art. 55, 48 EGV erfolgt, und die darin liegenden Nachteile für das öffentliche Interesse an der Verringerung der Spielgelegenheiten zur Beschränkung von Spielleidenschaft und zur Bekämpfung von Wettsucht bis zur Entscheidung in den betreffenden Hauptsacheverfahren prinzipiell vorläufig hingenommen werden müssen. Von daher ließe sich bei – wenn auch unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt – offener Rechtslage im vorliegenden Fall ein Vorrang dieser öffentlichen Interessen lediglich dann anerkennen, wenn in dem Umstand, dass der Antragsteller Drittstaater ist, eine nennenswerte zusätzliche Beeinträchtigung dieser Belange läge. Hiervon kann in Anbetracht des verbreiteten Spielangebotes der staatlichen Sportwettenveranstalter und der gewerblichen Wettvermittler, zu denen noch die – die in Anbetracht dieses Spielangebotes ebenfalls keine durchgreifende zusätzliche Beeinträchtigung der in Rede stehenden öffentliche Belange darstellenden - Spielgelegenheiten treten, die sich aus dem zumindest vorübergehend hinzunehmenden Wettangebot ergeben, das Unionsbürger und in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaften an Wettveranstalter in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft vermitteln, keine Rede sein. Es spricht nichts dafür, dass mit der sofortigen Unterbindung der Vermittlungstätigkeit des Antragstellers eine nennenswerte Verringerung der Spielgelegenheiten einherginge, da ein an Sportwetten Interessierter ohne weiteres auf das umfassende und allgegenwärtige Angebot staatlicher Wettveranstalter oder gewerblicher Wettvermittler zurückgreifen könnte, wenn ihm das von dem Antragsteller vermittelte Angebot nicht mehr zur Verfügung stünde.

Soweit in der Begründung der Vollzugsanordnung ein überwiegendes Interesse an der Verhinderung einer Beeinträchtigung der Strafrechtsordnung durch auch nur vorübergehende Hinnahme eines Verstoßes gegen § 284 StGB angeführt wird, ist darauf zu verweisen, dass – wie in dem zitierten Beschluss vom 4.4.2007 – 3 W 18/06 – näher dargelegt – sowohl Bundesanwaltschaft als auch Bundesgerichtshof

siehe Antrag der Bundesanwaltschaft auf Verfahrenseinstellung vom 28.6.2006 – 2 StR 55/06 – und Beschluss des BGH vom 29.11.2006 – 2 StR 55/06

es als zweifelhaft angesehen haben, ob Strafrecht zur Durchsetzung eines staatlichen Wettmonopols dienen kann, das sowohl gegen deutsches Verfassungsrecht als auch – möglicherweise – gegen europäisches Gemeinschaftsrecht verstößt. Angesichts der insoweit bestehenden Unklarheiten darüber, ob die in Rede stehende Wettvermittlung überhaupt gemäß § 284 StGB strafbar ist, können hier durchgreifende öffentliche Interessen unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung der Strafrechtsordnung nicht anerkannt werden.

Die privaten Interessen des Antragstellers an der vorläufigen Fortsetzung seiner Vermittlungstätigkeit sind danach vorrangig vor den gegenläufigen öffentlichen Interessen mit der Folge, dass die sofortige Vollziehbarkeit der ihm gegenüber ergangenen Untersagungsverfügung auszusetzen ist.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 63 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Der Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 09.01.2007 wird aufgehoben.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein Staatsangehöriger Bosnien-Herzegowinas, wendet sich gegen eine Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe, mit der ihm untersagt wurde, in Baden-Württemberg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen.
Das beklagte Land veranstaltet in Baden-Württemberg neben mehreren Lotterien u. a. die staatlichen Sportwetten „Oddset-Kombi-Wette“ und „Oddset-Top-Wette“. Mit der Durchführung der Lotterien und Sportwetten hat es die Staatliche Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg (STLG) beauftragt. Diese Gesellschaft vertreibt ihr staatliches Glücksspielangebot in Baden-Württemberg über zahlreiche Toto-Lotto-Annahmestellen, die in Zeitschriften-, Schreibwaren- und Tabakhandlungen, Supermärkten und Tankstellen eingerichtet sind. Nach Auskunft des beklagten Landes gibt es in Baden-Württemberg derzeit 3612 solcher Annahmestellen. Die einzelnen Betreiber der Annahmestellen erhalten auf der Grundlage privatrechtlicher Verträge mit der Toto-Lotto GmbH eine Provision, die von der Höhe des auf den Glücksspielsektor entfallenden Umsatzes abhängt.
Der Kläger betreibt in seinem Geschäftsraum eine Annahmestelle für Sportwetten mit festen Gewinnquoten (sogenannte Oddset-Wetten). Er vermittelt diese Wetten gegen eine Provision aufgrund eines Vermittlungsvertrages an ein staatlich konzessioniertes Sportwettunternehmen mit Sitz in Österreich, das europaweit Sportwetten anbietet.
Bezug nehmend auf das Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 28.03.2006 teilte ihm das Regierungspräsidium Karlsruhe mit, es beabsichtige, ihm die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten in Baden-Württemberg zu untersagen, und gab ihm Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen. Das Bundesverfassungsgericht habe ausdrücklich festgestellt, dass das gewerbliche Veranstalten von Wetten durch private Wettunternehmen und die Vermittlung von Wetten weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden dürften.
Mit Verfügung vom 09.01.2007 untersagte das Regierungspräsidium Karlsruhe dem Kläger, in Baden-Württemberg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen. Die zur Veranstaltung oder zur Vermittlung solcher Glücksspiele vorgehaltenen Geräte seien aus den öffentlich zugänglichen Räumen zu entfernen (Nr. 1). Die untersagten Tätigkeiten seien unverzüglich einzustellen; die Einstellung sei der Behörde schriftlich mitzuteilen (Nr. 2). Die sofortige Vollziehung der Verfügungen in Nrn. 1 und 2 werde angeordnet (Nr. 3). Für den Fall, dass der Kläger seinen Verpflichtungen aus Nr. 1 und 2 der Verfügung nicht binnen zwei Wochen nach Zustellung nachkomme, werde ihm ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,-- EUR angedroht (Nr. 4). Zur Begründung der Verfügung, die auf § 12 Abs. 1 des Lotteriestaatsvertrages vom 18.06.2004 i.V.m. § 3 Abs. 1 des Ausführungsgesetzes zum Lotteriestaatsvertrag vom 28.07.2005 gestützt wurde, ist ausgeführt: Die Sportwetten mit festen Gewinnquoten, die der Kläger vermittle, seien ein Glücksspiel im Sinne des Lotteriestaatsvertrages. Die Vermittlung erfolge öffentlich und ohne die erforderliche Erlaubnis i.S.v. § 284 Abs. 1 StGB. Eine solche Erlaubnis könne dem Kläger nach der Rechtslage in Baden-Württemberg auch nicht erteilt werden. Er könne sich auch nicht darauf berufen, dass der Sportwettenveranstalter, für den er vermittle, in einem EU-Mitgliedsstaat konzessioniert sei.
Am 08.02.2007 hat der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Freiburg erhoben.
Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger im wesentlichen vor, das Sportwettenmonopol sei verfassungs- und europarechtswidrig.
Der Kläger beantragt,
die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 09.01.2007 aufzuheben.
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Das beklagte Land beantragt,
11 
die Klage abzuweisen.
12 
Es hält das Sportwettenmonopol des Landes für verfassungs- und europarechtsgemäß.
13 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten des Regierungspräsidiums sowie auf die Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die Anfechtungsklage ist ohne Durchführung eines Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 VwGO, § 6 a Satz 1 AGVwGO) zulässig und begründet. Die angegriffene Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15 
Die Kammer hat in den Urteilen vom 16.04.2008 (u.a. 1 K 2683/07, juris = www.vgfreiburg.de > Entscheidungen = www.glücksspielstaatsvertrag.de >Urteile) entschieden, dass das staatliche Sportwettenmonopol in Baden-Württemberg derzeit eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG) darstellt und europarechtswidrig ist. An dieser Auffassung hält die Kammer auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 09.07.2008 fest. Zu den dagegen erhobenen Einwendungen des beklagten Landes ist im Einzelnen zu sagen:
I.
16 
Die Kammer geht in den o. g. Urteilen davon aus, die Europarechtswidrigkeit der Bestimmungen des Glückspielstaatsvertrages, die das staatliche Sportwettenmonopol begründen (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV), erfasse auch die Eingriffsgrundlage des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV sowie die Bestimmungen über die Erlaubnispflicht und das Verbot des Veranstaltens und des Vermittelns unerlaubten Glücksspiels in § 4 Abs. 1 GlüStV.
17 
Das beklagte Land wendet dagegen ein, die vom Verwaltungsgericht angenommene Europarechtswidrigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols lasse die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 4 Abs. 1 GlüStV über die Erlaubnispflicht für öffentliche Glücksspiele unberührt. Da eine solche Erlaubnis nicht vorliege, sei die angefochtene Untersagungsverfügung auch bei unterstellter Europarechtswidrigkeit des Sportwettenmonopols rechtmäßig.
18 
Dem folgt die Kammer nicht.
19 
Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 06.03.2007 (C - 338/04 -Placanica-) ausgeführt, ein polizeiliches Genehmigungsverfahren, mit dem die im Glücksspielsektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer einer vorherigen Kontrolle unterzogen würden, sei zwar eine ohne weiteres verhältnismäßige Maßnahme. Setze die Erteilung einer solchen polizeilichen Genehmigung aber den Besitz einer Konzession voraus, von deren Erhalt die betroffenen Personen unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht ausgeschlossen worden seien, hafteten auch dem polizeilichen Genehmigungsverfahren die europarechtlichen Mängel an, die die Konzessionsvergabe berührten (vgl. RdNr. 65 bis 67 des Urteils).
20 
Das gilt gleichermaßen für die Bestimmung über die Erlaubnispflicht für öffentliche Glücksspiele in § 4 Abs. 1 GlüStV. Die danach erforderliche Erlaubnis kann privaten Sportwettenvermittlern oder Sportwettenveranstaltern nicht erteilt werden, weil aufgrund des staatlichen Monopols diese Tätigkeiten nur juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder privatrechtlichen Gesellschaften erlaubt werden (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV), an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind. Ein auf präventive Kontrolle gerichtetes Erlaubnisverfahren existiert für private Sportwettenveranstalter nicht. Das Fehlen einer Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 GlüStV, die sich Private wegen des europarechtswidrigen staatlichen Sportwettenmonopols nicht hätten beschaffen können, scheidet deshalb als zulässiger Grund einer Untersagung aus.
21 
Entgegen der Auffassung des beklagten Landes folgt aus dem Urteil des EFTA-Gerichtshofs vom 30.05.2007 (RS. 3/06 - Ladbrokes -) nichts anderes. Die Ausführungen des Gerichtshofs unter RdNr. 88, auf die das beklagte Land in diesem Zusammenhang hinweist, betreffen die Antwort auf die fünfte Vorlagefrage (vgl. RdNr. 82 ff.). Mit der fünften Vorlagefrage wollte das vorlegende norwegische Gericht wissen, ob durch Art. 36 EWR eine nationale gesetzliche Regelung präkludiert wird, die das Anbieten und Vermarkten von Glücksspielen untersagt, für die in Norwegen keine Konzession erteilt wurde, die aber nach dem nationalen Recht eines anderen EWR-Staates gestattet sind. Hierzu führt der EFTA-Gerichtshof unter RdNr. 84 aus, sofern und soweit das nationale Gericht zu der Auffassung gelangen sollte, dass die in den drei Gesetzen enthaltenen Verbote für gewerbsmäßige Anbieter irgendeiner Form von Glücksspielen eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 36 EWR) seien, könnten die nationalen Behörden den ausländischen Anbietern immer noch die Pflicht zur Beantragung einer nationalen Konzession mit denselben auch für einheimische Anbieter geltenden Voraussetzungen und Anforderungen auferlegen.
22 
Das hat auch die Kammer in ihren o. g. Urteilen nicht in Frage gestellt. Zur Beantwortung der Frage, ob die Europarechtswidrigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols auch die Erlaubnispflicht des § 4 Abs. 1 GlüStV erfasst, geben diese Ausführungen jedoch nichts her. Denn ein Erlaubnis- oder Konzessionsverfahren für private Veranstalter sieht der Glücksspielstaatsvertrag - wie oben ausgeführt wurde - gerade nicht vor. Vielmehr kann ein privater Anbieter selbst bei Erfüllung sämtlicher materieller Voraussetzungen des Glücksspielstaatsvertrages die erforderliche Erlaubnis nicht erhalten.
23 
Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 22.11.2007 (1 BvR 2218/06) entschieden, dass eine ordnungsrechtliche Untersagungsverfügung, die - wie im vorliegenden Fall - nicht mit anderen Gefahren für ordnungsrechtliche Schutzgüter, sondern allein mit einem objektiven Verstoß gegen das staatliche Sportwettenmonopol begründet ist, sich wegen der verfassungswidrigen Rechtslage jedenfalls in der Zeit bis zum 28.03.2006 nicht als rechtmäßig erweisen kann. Zwar betrifft diese Entscheidung die Unvereinbarkeit des Monopols mit Art. 12 Abs. 1 GG. Hinsichtlich der Unvereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht kann aber nichts anderes gelten.
II.
24 
Die Kammer ist weiterhin der Auffassung, dass das Sportwettenmonopol des Landes in seiner derzeitigen Ausgestaltung nach wie vor eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs (Art. 49 EG) darstellt (vgl. Urteile vom 16.04.2008, dort unter II. 2 a) - d)). Folgendes ist nochmals zu betonen:
25 
Europarechtlich steht es im Ermessen jedes Mitgliedsstaats, welches Schutzniveau er im Bereich von Glücksspielen gewährleisten will (EuGH, Urt. Schindler, Rdnr. 60, 61; Urt. Zenatti, Rdnr. 33, 34). Er kann sich etwa für ein Präventionsmodell entscheiden, das auf eine wesentliche Verminderung der Gelegenheit zum Spiel ausgerichtet ist, oder auch für ein Kanalisierungsmodell, das darauf abzielt, durch ein auf Einnahmeerzielung und Expansion angelegtes Angebot einer begrenzten Zahl konzessionierter Privater die Glücksspieltätigkeiten aus dem Bereich des Illegalen und Kriminellen in geordnete und staatlich überwachte Bahnen zu lenken (EuGH, Urt. Placanica, Rdnr. 54, 55).
26 
Dies bedeutet aber nicht, dass der deutsche Gesetzgeber nach nationalem Recht die Gestaltungsfreiheit hätte, sich für ein Kanalisierungsmodell in Form eines staatlichen Monopols zu entscheiden. Ein solches auf Einnahmeerzielung und Expansion angelegtes, europarechtlich zulässiges Monopol wäre verfassungswidrig (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01 , Rdnr. 107, 141). Denn ein staatliches Monopol für Sportwetten ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft ausgerichtet ist (BVerfG, a.a.O., Rdnrn. 98, 119, 120). Daher kann die Aufgabe der Länder nach § 10 GlüstV, ein ausreichendes Glücksspielangebot mit dem Ziel der Kanalisierung des Spieltriebs der Bevölkerung (§ 1 Nr. 2, 2. Alt. GlüStV) sicherzustellen, nicht etwa als ein Auftrag verstanden werden, der gleichrangig neben dem Auftrag zur Suchtbekämpfung (§ 1 Nr. 1 GlüStV) steht. Vielmehr hat von Verfassungs wegen die Suchtbekämpfung im Vordergrund zu stehen; nur diese rechtfertigt ein Monopol. Die Sicherstellung eines ausreichenden Glücksspielangebots und die Kanalisierung des Spieltriebs sind verfassungsrechtlich nur zulässig, soweit sie als Mittel zum Zweck der Suchtbekämpfung dienen. Dementsprechend ist der Glücksspielstaatsvertrag verfassungskonform auszulegen.
27 
Europarechtlich ist zu untersuchen, ob der Glücksspielstaatsvertrag als Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit geeignet ist, die Verwirklichung des - verfassungsrechtlich gebotenen - Ziels der Suchtbekämpfung zu gewährleisten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 32; Urt. Gambelli, Rdnr. 65). Dies bedeutet, dass er kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen muss (EuGH, Urt. Gambelli, Rdnr. 67; Urt. Placanica, Rdnr. 53; siehe auch EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 14.03.2007, E-1/06 – Gaming Machines, Rdnr. 53).
28 
Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Sportwetten-Urteil vom 28.3.2006 ein Staatsmonopol nur dann für zulässig erachtet, wenn es konsequent am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Spielsucht ausgerichtet und mit materiellrechtlichen Regelungen und strukturellen Sicherungen versehen ist (a.a.O., Rdnr. 120). Insoweit laufen die europarechtlichen und die verfassungsrechtlichen Vorgaben also parallel (BVerfG, a.a.O., Rdnr. 144). Daher können die Anforderungen, die sich aus dem Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergeben, auch zur Beantwortung der Frage der europarechtlichen Kohärenz und Konsistenz herangezogen werden.
29 
Allerdings ist europarechtlich, anders als verfassungsrechtlich, nicht nur die rechtliche Ausgestaltung der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit maßgeblich, sondern es kommt auch auf ihre tatsächlichen Anwendungsmodalitäten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 37, Urt. Gambelli, Rdnr. 75, 76) und ihre Handhabung in der Praxis an (EuGH, Urt. Rosengren, Rdnr. 46). Jedoch sind die vom Europäischen Gerichtshof geforderte „Kohärenz“ und „Systematik“ hinsichtlich der Begrenzung der Wetttätigkeiten ohne normative Vorgaben zur Ausgestaltung eines staatlichen Monopolbetriebs kaum denkbar, so dass zunächst das rechtliche Regelungssystem in den Blick zu nehmen ist. Seine tatsächliche Umsetzung darf aber nicht aus den Augen verloren werden.
III.
30 
Die Kammer hält auch bei Berücksichtigung der aktuellen Situation an der Auffassung fest, dass es an einer rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung des Monopols fehlt, die als konsequenter und aktiver bzw. systematischer und kohärenter Beitrag zur Vermeidung und Abwehr von Spiel- und Wettsucht angesehen werden kann (vgl. Urteile vom 16.4.2008, dort unter II.2.e.). Bereits in der Gestaltung des terrestrischen Vertriebssystems liegt ein wesentlicher Strukturmangel (dazu unter 1.), der auch durch Folge- und Begleitmaßnahmen nicht kompensiert wird (dazu unter 2.). Schließlich fehlt es daneben an einem effektiven Kontrollsystem (dazu unter 3.).
31 
1. Schon mit der Wahl und Einrichtung der Vertriebswege hat das Land Baden-Württemberg einen Weg beschritten, der angesichts der Anzahl der Wettannahmestellen (dazu a.), ferner der unterlassenen begleitenden Bekämpfung des illegalen Wettmarktes (dazu b.) sowie schließlich mit Blick auf die inhaltliche Ausgestaltung des Annahmestellenwesens (dazu c.) und seine betont wirtschaftliche Basis (dazu d.) nicht wirklich der Zielerreichung dienen kann.
32 
a) Bereits die äußerst geringe Reduktion der Zahl der Annahmestellen spricht gegen einen Systemwechsel bzw. -wandel, wie er erforderlich gewesen wäre, um einen konsequenten Übergang von einem aus rein unternehmerischem - d.h. wirtschaftlichem - Kalkül hervorgegangenen Annahmestellennetz im Jahr 2006 zu einem zulässigerweise nur an Begrenzung und Kanalisierung der Wettleidenschaft orientiertem Vertriebssystem zu belegen. Die Zahl der noch Anfang 2006 vorhandenen 3.764 baden-württembergischen Annahmestellen ist im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auf 3.612 gesunken. Das bedeutet eine Verminderung um absolut nur 152 und relativ nur etwa 4% der Stellen. Kamen früher 2.852 Einwohner auf eine Annahmestelle, so sind es heute immer noch 2.972, d.h. jede der noch vorhandenen Annahmestellen versorgt geringfügig mehr Einwohner, nämlich 120.
33 
An dem vom Bundesverfassungsgericht im Sportwettenurteil vom 28.3.2006 (dort Rdnr. 138) bzw. in der Baden-Württemberg betreffenden Entscheidung vom 4.7.2006 (1 BvR 138/05 - juris) erhobenen und beanstandeten Befund, wonach Sportwetten über ein breit gefächertes Netz von Lotto-Annahmestellen vertrieben werden, welches mit der Maxime „weites Land - kurze Wege“ einhergeht, hat sich damit in quantitativer Hinsicht so gut wie nichts geändert.
34 
Gründe, die diesen in quantitativer Hinsicht auffälligen und problematischen Ausgangsbefund in positiver Hinsicht relativieren könnten, sind nicht vorhanden. Bereits normativ geht weder aus dem GlüStV (§ 10 Abs. 3) noch aus dem AGGlüStV (§§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5, 7 Abs. 1) hervor, wie die beabsichtigte Begrenzung der Zahl der Annahmestellen zwecks Gewährleistung eines ausreichenden Spielangebots in absoluten Zahlen bzw. zumindest in methodischer Hinsicht durchzuführen ist. Die Umsetzung ist folglich der Aufsichtsbehörde und der staatlichen Toto-Lotto GmbH (im Folgenden: STLG) überlassen, ohne dass es normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften oder andere orientierende Hilfen gäbe. Wie die Vertreter der STLG letztlich selbst in der mündlichen Verhandlung eingeräumt haben, ist Ausgangspunkt für die künftigen Bedarfszahlen die „historisch gewachsene“ Zahl der Annahmestellen des Jahres 2006 gewesen. In ihrem Vertriebskonzept vom Juni 2008 (dort Seite 4, Mitte) führt die STLG zwar aus, aufgrund des Sportwettenurteils des Bundesverfassungsgerichts sei in der Zeit nach 2006 der Wegfall von Annahmestellen nicht mehr durch die Aufnahme neuer Annahmestellen in das Vertriebsnetz ausgeglichen worden. Der bloße Verzicht auf eine Ausweitung und die schlichte Hinnahme des Wegfalls von Stellen lediglich im Rahmen der üblichen Fluktuation stellen jedoch alles andere als eine aktive und systematische Begrenzungspolitik dar. Berücksichtigt man ferner die Angaben des Beklagten-Vertreters in der mündlichen Verhandlung vom 16.4.2008, wonach in etwa 40 bis 50 Fällen für geschlossene Annahmestellen jeweils sogar noch Ersatz zugelassen wurde (entweder in Gestalt des Weiterbetriebs durch einen neuen Inhaber oder aber durch Eröffnung einer neuen Annahmestelle in der Nachbarschaft), ist diese ohnehin schon äußerst geringfügige und eher als passiv zu bezeichnende Reduktion sogar noch in sich zurückhaltend gewesen.
35 
Schlüssig und überzeugend geht eine systematische Politik auch nicht aus dem Vertriebskonzept der STLG vom Juni 2008 hervor. Vielmehr ist dort (Seiten 4 ff.) feststellbar, dass die vom Monopolisten im Mai 2008 vorgefundene Zahl von 3.630 Annahmestellen schlicht mit einem Bedarfsberechnungsmodell „überzogen“ und „gebilligt“ wurden, welches nicht darlegt, wie es anhand von „Einwohnerbewegungen“, „Verteilung der Kaufkraft“ sowie „Einkaufsströmen“ zu den konkreten Richtwerten für ländliche, städtische und großstädtische Gebiete gelangt. Ohnehin lässt die Verwendung dieser eher an Marketingstrategien erinnernden Parameter nicht erkennen, welchen tauglichen Beitrag sie zum ausschließlich zulässigen Ziel einer Vermeidung und Begrenzung von Glücksspielsucht leisten können. Die Kammer verkennt nicht die sowohl im Vertriebskonzept als auch in der mündlichen Verhandlung von den Vertretern der STLG geäußerten Schwierigkeiten, konkrete Zahlen zu greifen. Dieses Dilemma ist jedoch letztlich auf das Fehlen konkreter Vorgaben im Gesetz bzw. durch die Aufsichtsbehörde zurückzuführen. Gerade eine nicht - oder jedenfalls nicht ausschließlich - vom Monopolisten selbst ermittelte Zahl der erforderlichen Annahmestellen wäre weitaus weniger anfällig für etwaige (und wenn auch noch so unbewusste) systemwidrige und unzulässige Rücksichten auf vorhandene Vertriebsstrukturen gewesen.
36 
b) Daran ändert nichts, dass das RP Karlsruhe das Vertriebskonzept im Kontext der Erteilung der Glücksspielerlaubnis prüft bzw. bereits - offensichtlich mit dem Ergebnis der Billigung - geprüft hat. Denn gerade auch von der Aufsichtsbehörde kamen insoweit in der mündlichen Verhandlung keine substantiierten Argumente, welche die dargelegten Bedenken hätten zerstreuen können. Zwar prognostiziert das Vertriebskonzept in der Endstufe die Absicht, mit ca. 3.300 Annahmestellen auszukommen. Notwendige Bedingung hierfür soll aber der Rückgang der nach dem GlüStV illegalen Konkurrenzangebote terrestrisch und im Internet tätiger privater Wettanbieter und -vermittler sein. Das RP Karlsruhe hat insoweit ausgeführt, gegen die (ca. 30 % bis 50 % des Sportwettenumsatzes erzielenden) Internetanbieter solle zunächst mit Grundverfügungen vorgegangen werden (zu einem solchen Fall vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 5.11.2007 - 6 S 2223/07 -, ZfWG 2007, 432), um dann auf einer nächsten Stufe unter Zusammenarbeit mit den Banken oder notfalls auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 4 GlüStV die Finanzströme betreffend untersagte Sportwetten zu unterbrechen. Damit aber wird deutlich, dass sich ein überaus wichtiger Teilbereich der Glücksspielpolitik (noch) in einem äußerst „frühen Stadium“ befindet. Ein möglicher Schritt zur Austrocknung des illegalen Glücksspielmarkts wurde folglich bislang unterlassen. Obwohl die strukturellen Gefahren eines staatlichen Glücksspielmonopols spätestens seit Frühjahr 2006 bekannt waren, wurde dem Monopolisten nicht nur die Erstellung eines Vertriebskonzepts überlassen, sondern auch (noch) keine wirklichen Schritte unternommen , eine Begrenzung der Vertriebswege zugleich mit der Bekämpfung der wirtschaftlichen Basis des illegalen Sportwettenmarkts konsequent zu begleiten.
37 
c) Ferner weist diese fortdauernd auf Breite angelegte Vertriebsstruktur auch qualitativ erhebliche Mängel auf, weil sie (noch) nicht systematisch und konsequent vom Charakter einer „grundsätzlich unbedenklichen Freizeitbeschäftigung“ (vgl. Sportwettenurteil Rdnr. 125) und eines „allerorts verfügbaren normalen Gutes des täglichen Lebens“ (vgl. Sportwettenurteil Rdnr. 138) Abstand nimmt. Mit dem Vertrieb der Sportwetten in Zeitschriften-, Schreibwaren- und Tabakläden sowie in Supermärkten und Tankstellen hat der Monopolist an der gesuchten „bewussten Nähe zum Kunden“ (Sportwettenurteil Rdrn. 138) nichts geändert. Dass die STLG diese Betriebsstätten im Rahmen des Kanalisierungsauftrags für den Zweck der kommunizierten Suchtprävention als „besonders geeignet“ darstellt (Vertriebskonzept Seite 5), verstellt den Blick darauf, dass gerade diese Vertriebsform des legalen Sportwettenangebots in der Öffentlichkeit problematischem Spielverhalten weiterhin Vorschub leistet. So ist es nach Auffassung der Kammer inkonsequent, dass die STLG für sich in Anspruch nimmt, zur Erfüllung des Ordnungsauftrags derzeit und bis auf weiteres auf die konkrete hohe Zahl von Annahmestellen angewiesen zu sein, aus dieser „Präsenzforderung“ jedoch gleichwohl nicht die Notwendigkeit ableitet, ein weitaus zurückhaltenderes als aktuell an den Tag gelegtes Werbeverhalten zu betreiben. Vielmehr betreibt der Monopolist parallel zur breitflächigen Vermarktung eine intensive - wenngleich um die Möglichkeit auffordernden, anreizenden oder ermunternden Charakters reduzierte sowie im Fernsehen, im Internet und über Telekommunikationsanlagen verbotene - Werbung mittels Radio, Printmedien, Litfasssäulen und Postwurfsendungen. Es ist nicht ersichtlich und von den Vertretern der STLG in der mündlichen Verhandlung auch nicht überzeugend dargelegt worden, warum die (aus Sicht der STLG weiterhin erforderliche) breit gefächerte „physische Präsenz“ von Glücksspielannahmestellen eine zusätzliche, über den Ort der Leistung hinausgehende weitere Werbung als Begleitmaßnahme benötigt.
38 
An dem nach Auffassung der Kammer folglich fortdauernden Signal, man vertreibe immer noch, wenngleich nunmehr modifiziert, ein Gut des täglichen Lebens, ändern auch sonstige Modalitäten beim Vertrieb nichts. Die Wirkung von Vorkehrungen wie Identifizierung des Kunden unter Verwendung einer Kundenkarte, Verstärkung des Minderjährigenschutzes sowie Hinweise auf Spielscheinen und Aufklärungsmaterial über die Gefahren des Spiels (vgl. Vertriebskonzept, Seite 6) wird nach Auffassung der Kammer schon vor dem Hintergrund der nahezu unveränderten Annahmestellen-Zahl überschätzt. Gerade weil die in den Annahmestellen verkehrenden Kunden des Einzelhandels, zu denen regelmäßig auch Kinder und Jugendliche gehören, die Parallelität des Verkaufs von Glücksspielen mit demjenigen von Produkten des täglichen Bedarfs ständig wahrnehmen, darf ein Gewöhnungseffekt nicht vernachlässigt werden. Selbst das neuerdings getrennte „Kassenwesen“, also ein doppelter Kassiervorgang bei gleichzeitigem Einkauf von Waren aus dem Hauptsortiment und von Lotterieprodukten, kann niemanden darüber hinwegtäuschen, dass Verkaufsstellen zugleich auch Annahmestellen sind. Ferner steht im Zeitalter zahlreicher, verschiedenster Kundenkarten eine spezifisch disziplinierende Funktion einer solchen Karte im Bereich des Glücksspiels nicht mit der erforderlichen Gewissheit fest. Das beklagte Land hat zwar Umsatzrückgänge bei den Sportwetten im Jahr 2007 von 28 % (Oddset-Kombiwette) bzw. 48 % (Toppwette) sowie im ersten Quartal 2008 von weiteren 22 % bzw. 32 % zum Beweis der Restriktionswirkung des Monopols ins Feld geführt. Eine nähere Analyse, worauf diese Rückgänge tatsächlich beruhen, und eine Aussage dazu, ob dies nicht nur ein vorübergehendes Phänomen ist, gibt es bislang jedoch nicht. Insofern ist der schon im Kammerurteil vom 16.4.2008 enthaltene Hinweis nicht nachhaltig entkräftet worden, der immerhin im Jahr 2007, also in Kenntnis eines künftig erforderlichen Restriktionskurses erstellte Geschäftsbericht 2006 der STLG gehe selbst von nur „vorübergehenden“ Umsatzrückgängen aus.
39 
d) Einen zentralen und fortdauernden Strukturmangel sieht die Kammer schließlich im wirtschaftlichen Aufbau des Annahmestellensystems. Der Monopolist bedient sich beim Vertrieb seines Wettangebots privater Dritter, die mittels umsatzabhängiger und folglich stets die Gefahr einer extensiven Vermarktung in sich bergender Provisionen bezahlt werden. Wie in der Vergangenheit auch, erhalten die Annahmestelleninhaber derzeit einen festen und einheitlichen Provisionssatz (Vertriebskonzept, Seite 11/12). Dieser liegt für alle Glücksspiele (ausgenommen Rubbellos, wo es 10 % sind) bei 6,6 % des bei den Annahmestellen getätigten Spieleinsatzes. Vergegenwärtigt man sich, dass angesichts des in 2007 in Baden-Württemberg getätigten Glücksspielumsatzes von ca. 1 Mrd. EUR jede der Annahmestellen hierzu einen (durchschnittlichen) Umsatz von etwa 270.000,-- EUR beitrug, was wiederum einer (durchschnittlichen) Jahresprovision (ohne Rubbellos) von etwa 18.000,-- EUR entsprach, kann diese Einnahmequelle wirtschaftlich nicht vernachlässigt werden.
40 
Das gilt ungeachtet der in Nr. 8 des jeweiligen Zusatzvertrages zwischen der STLG und den Annahmestellenleitern vereinbarten Bedingung, wonach die Verkaufsstelle nur im Nebenerwerb betrieben werden und der Spielbetrieb nicht die vorrangige Einnahmequelle sein darf. Diese Regelung ist nach Auffassung der Kammer ungeeignet, eine relevante Begrenzung und Steuerung des Wirtschaftsgebarens eines Annahmestellenleiters auszuüben. Mit dieser Formulierung sind schon Auslegungs- und Erfüllungsschwierigkeiten vorprogrammiert. Denn die Grenze zwischen Haupt- und Nebenerwerb kann periodisch durchaus fließend sein, ferner bleibt unklar, ob spätere Änderungen eine Mitteilungspflicht auslösen und schließlich kann kaum von allen der mehr als 3.600 Vertragspartner erwartet werden, dass diese ständig ihre möglicherweise zeitlich variierenden Erwerbsverhältnisse vor Augen haben. Weitaus problematischer allerdings ist es, dass das RP Karlsruhe - seitens der STLG übrigens bezeichnenderweise unwidersprochen - dem Begriff des „Nebenerwerbs“ die Auslegung gibt, das gesamte Glücksspielgeschäft dürfe bis 49 % des Umsatzes ausmachen. Es liegt aber selbst bei Parallelwertung durch einen Nicht-Kaufmann auf der Hand, dass ein dieser Interpretation noch genügender Umsatz von „nur“ 40 % bis 49 % wirtschaftlich für einen Annahmestelleninhaber von erheblicher Bedeutung ist. Ein wirtschaftliches „Standbein“ in dieser Größenordnung übt nämlich auf den Provisionsnehmer erhebliche Anreizwirkungen hin auf eine Umsatzsteigerung aus. Das gilt auch ungeachtet dessen, dass Sportwetten wiederum nur 4 % des gesamten Jahresglücksspielumsatzes ausmachen. Gerade weil die Bereitstellung des gesamten Wett- und Lotterieangebots in den Annahmestellen erfolgt (vgl. Seite 7 des Vertriebskonzepts - wenngleich dies unter dem Gesichtspunkt der „besseren sozialen Kontrolle“ hervorhebend), kann in wirtschaftlicher Hinsicht ein Anreiz des Annahmestelleninhabers, auch für Sportwetten Umsätze zu erzielen, vernünftigerweise nicht verneint werden. Zwar ist eine Reduktion der Umsatzabhängigkeit im Jahr 2009 vorgesehen und es soll dann auch der Einsatz weiterer umsatzunabhängiger Faktoren bei der Ausgestaltung der Provision geprüft werden (vgl. Vertriebskonzept, Seite 12), die zuvor dargelegten aktuellen - d.h. im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt existierenden - Mängel werden durch eine bloße Absicht jedoch nicht behoben.
41 
2. Die vorgenannten strukturellen Mängel des Vertriebskonzepts beeinträchtigen die Erreichung des Ziels der Spielsuchtbekämpfung auch derart gravierend, dass sie nach Auffassung der Kammer nicht durch die Kompensationsmaßnahmen des Beklagten wirklich ausgeglichen werden, die auf diesen Gebieten bis zum heutigen Zeitpunkt konkret ergriffen und umgesetzt wurden.
42 
a) Das System der Spielersperre in seiner jetzigen Ausgestaltung ist nicht geeignet, spielsuchtgefährdete oder gar klar spielsüchtige Wettteilnehmer zu identifizieren und von einer weiteren Teilnahme effektiv auszuschließen. Das zeigen schon die geringen Zahlen der tatsächlich verhängten Sperren: Im ersten Quartal 2008 wurden im Wege der Fremdsperre lediglich 9 Spieler durch die STLG gesperrt und damit effektiv vor sich selbst geschützt. Angesichts eines geschätzten Anteils von ca. 4 % Spielsüchtigen unter den Sportwettenteilnehmern (vgl. Stöver, Bremer Institut für Drogenforschung - BISDRO - , Glücksspiel in Deutschland - Eine repräsentative Untersuchung zur Teilhabe und Problemlage des Spielens um Geld, Dezember 2006, S.7 - aufrufbar unter: www.gluecksspielsucht.de > Forschungsergebnisse) und bei einer Gesamtzahl von 3612 Annahmestellen und bundesweit 250.000 Spielsüchtigen ist dies eine nur sehr geringe Zahl. Diese erklärt sich schon daraus, dass die Kriterien für die Verhängung einer Fremdsperre im Glücksspielstaatsvertrag, aber auch im Ausführungsgesetz nicht klar definiert werden. Auch die Kriterien, anhand deren die Annahmestellenbetreiber nach dem vorgelegten Sozialkonzept Spielsuchtgefährdete identifizieren sollen (unverhältnismäßig hohe Einsätze in Relation zum Einkommen, häufige große Verluste etc. - siehe § 9 Abs.1 S.1 Nr.2 GlüStV und S.26 der Schulungsunterlagen für die Verkaufsstellen als Anlage zum Sozialkonzept) sind kaum praktikabel, weil die Annahmestelleninhaber - außer bei persönlicher Bekanntschaft mit dem Teilnehmer oder in Fällen eines offensichtlichen äußeren Erscheinungsbildes - regelmäßig keine Kenntnis von den Einkommensverhältnissen ihrer Kunden und auch nicht von der Höhe ihrer sonstigen Einsätze bei anderen Annahmestellen haben. Obendrein lässt sich eine persönliche Identifizierung als Spielsüchtiger anhand übermäßig hoher und häufiger Einsätze und Verluste seitens der Teilnehmer leicht durch das Aufsuchen zahlreicher verschiedener Annahmestellen vermeiden, wie sie aufgrund des dichten Netzes buchstäblich „an jeder Straßenecke“ vorhanden sind. Von daher verfängt das Argument des Beklagten nicht, der durchschnittliche Spieleinsatz bei den Sportwetten betrage nur zwischen 8,50 und 14 EUR, so dass schon jeder davon abweichende höhere Einsatz auffalle und dem Annahmestellenbetreiber ggf. Anlass für Nachfragen geben könne. Ganz abgesehen davon beträgt nach eigenen Angaben der STLG der Höchsteinsatz pro Tipp auf einem Spielschein immerhin 250 EUR, so dass bis zu einem solchen Betrag wohl keine Nachfrage indiziert erscheint. Zudem wurde im Termin deutlich, dass die STLG gegenüber Fremdsperren eher eine zurückhaltende Linie verfolgt. Zum einen geht sie davon aus, dass die wirklich suchtgefährdeten Spieler sich ohnehin bei den privaten gewerblichen Sportwettenanbietern aufhalten, die 80% des gesamten Sportwettenmarktes ausmachen, und zum anderen befürchtet sie erklärtermaßen, Spielsuchtgefährdete sonst ganz aus den Augen bzw. an die private Konkurrenz zu verlieren. Sie favorisiert daher die Eigensperre, zu der sich der suchtgefährdete Spieler aufgrund nachhaltiger sozialpädagogischer Einwirkungen und Gesprächen mit Suchtberatungsstellen, Annahmestellenbetreibern und Bezirksdirektoren entschließt. Das Argument des Beklagten, andernfalls würden solche Spieler gleich zur privaten Konkurrenz abwandern, die ohnehin 80% des Marktes bediene, stellt im Übrigen das staatliche Monopol in aller Deutlichkeit selbst in Frage.
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Auch das Anfang 2008 eingeführte Oddset-Informationssystem trägt bei genauer Betrachtung nicht zu einer effektiveren Handhabung des im Glücksspielstaatsvertrag angelegten Instruments der Fremdsperre bei. Der Spielerschutz ist hier nur ein Nebeneffekt, da dieses System primär der Aufdeckung von Spielmanipulationen anhand ungewöhnlich hoher Umsatzzahlen bei einzelnen Annahmestellen dient und deshalb allenfalls mittelbar in Fällen über den Schwellenwerten (3000, 7000 und 10.000 EUR) liegender Umsätze dazu führen kann, dass eine bestimmte Annahmestelle und die dort wettenden Spieler und deren Verhalten genauer in den Blick genommen werden. Die genannten Schwellenwerte sind zudem derart hoch angesetzt, dass sie angesichts eines Durchschnittsumsatzes einer Annahmestelle von lediglich 180 EUR wöchentlich kaum dazu taugen, auf Spielsucht indizierende hohe Einsätze einzelner Spieler aufmerksam zu werden. Eine individuelle Identifizierung Spielsüchtiger anhand der Kundenkartenidentifizierung und der Datenbankinformationen der STLG über die Häufigkeit und Höhe der Einsätze und der Verluste ist außerdem schon aus Datenschutzgründen gar nicht möglich.
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b) Das zum Schutz spielsuchtgefährdeter Spieler und zur Vorbeugung der Spielsucht durchaus effektive und sinnvolle Instrument von nur maximal zuzulassenden Höchsteinsätzen pro Spieler gibt es schließlich nach wie vor nur in der seinerzeit von der Kammer in ihren Grundsatzurteilen als nicht zureichend qualifizierten rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung, die bis heute im Wesentlichen unverändert geblieben ist. Die Halbierung der Höhe des möglichen Einsatzes pro Tipp bei Oddset-Wetten von 500.- EUR auf 250.- EUR ändert nichts daran, dass mit mehreren Spielscheinen und an verschiedenen Annahmestellen weiterhin um insgesamt große Summen gespielt werden kann. Das Argument des Beklagten, eine weitere Verbesserung der Höchsteinsatzregelung sei schon deshalb nicht erforderlich, weil eine Höchstgrenze nur in Relation zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Sportwettenteilnehmers sinnvoll sei, verkennt, dass sich der Spielerkreis wohl überwiegend nicht aus finanziell und sozial besser Gestellten zusammensetzt, für die auch Einsätze von mehreren hundert Euro kein Problem darstellen, sondern aus Personen, die gerade durch das Wetten versuchen, ihre insoweit wirtschaftlich eher bescheidene Stellung aufzubessern (vgl. Hayer/Meyer, Das Gefährdungspotenzial von Lotterien und Sportwetten, Mai 2005, S.100, 101 - abrufbar unter: www.landesfachstelle-gluecksspielsucht-nrw.de/pdf/ gefaehrdungspotenzial-Hayer-Meyer.pdf, wonach 35% der befragten Sportwettenteilnehmer arbeitslos, Rentner, Student, oder berufsunfähig waren und 60% nur zwischen 500 -1500 EUR netto verdienten). Auch das Argument, eine strengere Höchstgrenzenregelung sei nicht erforderlich, weil ein einmaliges Spiel mit einem hohen Einsatz noch keine Suchtgefahren auslöse, spricht nicht gegen eine Höchstgrenzenregelung, die den Gesamteinsatz eines Spielers etwa pro Woche limitiert (siehe insoweit etwa Ziff.14 der Stellungnahme des Fachverbandes Glücksspielsucht e.V. zum Entwurf des Glücksspielstaatsvertrags - abrufbar unter www.gluecksspielsucht.de > Materialien > Stellungnahmen).
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c) Was die Spielsuchtbekämpfung und insbesondere die Prävention angeht, verkennt die Kammer nicht, dass hier ausweislich des mittlerweile vorliegenden Vertriebskonzepts und des ebenfalls jetzt vorgelegten Sozialkonzepts sowohl im Bereich der Hinweise, der Beratungsangebote als auch der Schulungen der Mitarbeiter der Annahmestellen deutliche Fortschritte gegenüber dem vom Bundesverfassungsgericht noch missbilligten Zustand im Jahre 2006 zu verzeichnen sind, als es in dieser Richtung gar keine bzw. nur sehr wenige Bemühungen gab. Inzwischen kann davon ausgegangen werden, dass die Annahmestellenbetreiber und deren Personal alle geschult wurden und regelmäßig auch weiter zum Thema Suchtgefahren und Jugendschutz geschult werden. Es ist auch nicht zu übersehen, dass in großem Umfang und optisch auffällig auf Flyern, Plakaten, Hinweisschildern, Broschüren, Spielquittungen, Internetseiten usw. auf die Gefahren der Spielsucht und auf das Spielverbot für unter 18-Jährige hingewiesen wird. Außerdem existiert mittlerweile ein Fachbeirat, der beratend tätig wird.
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Das vermag aber nicht, die strukturellen Mängel des staatlichen monopolisierten Sportwettensystems mit einem landesweit dichten Netz umsatzorientiert operierender Annahmestellen zu konterkarieren, die betont kundennah im direkten Kontext mit dem Vertrieb alltäglicher Waren und ohne wirkliche Distanz zu Jugendlichen arbeiten und dadurch der Missachtung des Spieler- und Jugendschutzes sowie der Spielsucht erst einmal deutlich Vorschub leisten.
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d) Auch die Schulungen der Annahmestellenbetreiber (vgl. Ziff.4 des Vertriebskonzepts, Ziff.4.6 des Sozialkonzepts , Ziff.4 des Annahmestellenzusatzvertrags) vermögen offenbar nur sehr begrenzt, den systemimmanent bestehenden Zielkonflikt aufzulösen, dem sie sich ausgesetzt sehen, wenn sie einerseits einträglich wirtschaften wollen, sich andererseits dabei aber ohne wirtschaftlichen Anreiz allein aus Rücksicht auf Jugendliche und Spielsuchtgefährdete selbst zurücknehmen sollen. Schon der bloße Umstand, dass es offenbar nötig erscheint, durch intensive Schulungen überhaupt die für jedermann leicht verständliche und eingängige Minimalregel des Jugendschutzes, nämlich das Spielverbot für unter 18-Jährige, gegenüber den Annahmestellenbetreibern zu betonen, obwohl die entsprechenden Regelungen schon seit Jahrzehnten existieren (vgl. § 6 Abs.2 JuSchG), zeigt, dass schon nach Ansicht der STLG hier ein aus ökonomischen Interessen gespeistes Potential an tendenzieller Missachtung des Jugendschutzes besteht, das allein durch die Geltung des JuSchG offenbar noch nicht ausreichend eingedämmt wird. Soweit zum Jugendschutz geschult wird, stellt dies eine „Schulung“ zu einer bloßen Selbstverständlichkeit dar. Soweit zu Suchtgefahren mit dem Ziel geschult wird, die Annahmestellenbetreiber in die Lage zu versetzen, beratend bzw. abratend auf Spieler einzuwirken bzw. spielsüchtige Spieler zu erkennen und dann durch Schaltung einer Sperre am weiteren Spiel zu hindern, ergibt sich aus dem oben Gesagten, dass die Annahmestellenbetreiber ganz offenkundig die dafür wirklich wesentlichen Informationen über Einkommensverhältnisse, Spielergebnis, Häufigkeiten des Spiels und Verluste der bei ihnen Wetten abschließenden Personen nicht haben und allenfalls zufällig erlangen können bzw. sich in einem Rollenkonflikt zwischen Verkäufer und invasiv in die Privatsphäre des Kunden hineinforschenden Sozialarbeiter wiederfinden (siehe die vorgelegte Dokumentation und Auswertung der Schulungen für Januar bis März 2008 der mit den Schulungen beauftragten Evangelischen Gesellschaft: Suchtberatungsstelle „eva“, S. 14). Aus der Dokumentation ergibt sich insoweit auch, dass viele Annahmestellenbetreiber eher dazu neigen, den Zielkonflikt zugunsten eigener wirtschaftlichen Interessen zu lösen, und zu einem nicht unbeträchtlichen Teil obendrein selbst aktive Spieler sind, von denen manche sogar Tendenzen zur Spielsucht in sich tragen (siehe Dokumentation S.10 ).
48 
Die im Wesentlichen übereinstimmenden Ergebnisse des im April 2008 bei 110 Lottoannahmestellen in Baden-Württemberg durchgeführten sog. „Mystery-Shopping“ (= Testkauf, Testspielaktion) und der in der mündlichen Verhandlung von den STLG Mitarbeitern dargelegten eigenen Erfahrungen mit Testkäufen/Testspielern zeigen zudem deutlich, dass offenbar selbst intensive Schulungen keinen nachhaltigen Effekt erzielen, denn in einer prozentual weit überdurchschnittlichen Zahl von Fällen (laut Mysteryshopping: ca. 62 % , laut eigener Testaktionen der STLG: ca. 50 %) war es Kunden möglich, ohne Ausweiskontrolle zu spielen und Wetten abzuschließen. (In die gleiche Richtung weisen auch die in einem FOCUS-Artikel (Ausgabe v. 7.7.2008) zitierte Untersuchungen zum gleichen Thema in Bayern).
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e) Was die nunmehr allenthalben anzutreffenden Warnhinweise bezüglich der Spielsuchtgefahren angeht, ist angesichts des aus der Psychologie bekannten Phänomens der kognitiven Dissonanz (Verarbeitung konfligierender Informationen/Erfahrungen: z.B. „Ich rauche“ - „Rauchen ist schädlich“) und der Erfahrungen z.B. mit entsprechenden Hinweisen auf die tödlichen Gefahren des Rauchens auf Zigarettenpackungen, die von vielen Rauchern schon nach eigener Aussage gar nicht mehr wahrgenommen, sondern ausgeblendet werden (siehe dazu http://de.wikipedia.org/wiki/Kognitive_Dissonanz), fraglich, inwieweit ein vornehmlich aus finanziellen Erwägungen (Gewinnerwartung) gespeistes und durch entsprechende Werbung sogar noch erregtes Interesse an der Sportwettenteilnahme dadurch wirklich nennenswert wieder eingedämmt wird.
50 
f) Auch die rechtlichen und tatsächlichen Regelungen über die Art und den Zuschnitt des Sportwettenangebots sind nach wie vor in ihrer derzeitigen Ausgestaltung nicht geeignet, die Spielsucht konsistent und systematisch einzudämmen. Eine Beschränkung der Sportwetten, denen insbesondere bei den Oddset-Wetten wegen ihrer festen Gewinnquoten ein besonders hohes Suchtpotential zugeschrieben wird, durch die Begrenzung des Spielangebots (nur geringe Zahl wöchentlicher Wettpaarungen, Verzicht auf überproportional suchtgefährliche Varianten wie z.B. Live-Wetten oder Verzicht auf Wetten mit erhöhter Manipulierbarkeit des Sportereignisses wie z.B. Wetten auf die Zahl der in einem Fußballspiel gezeigten gelben Karten ) findet sich ebenso wie die Reduzierung der Gewinnausschüttungen auf maximal 50 - 55% lediglich pauschal formuliert unter Ziff.5.2 des Sozialkonzepts der STLG. Ein wirklich handhabbarer und detailliert kontrollierbarer Rahmen wird damit indessen nicht vorgegeben. Auch die nach wie vor gültigen Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi- und Top-Wette, die das Finanzministerium am 08.11.2007 bekanntgemacht hat und die von der STLG als ein lediglich weiter Rahmen des Erlaubten im Sinne einer Allgemeinen Geschäftsbedingung verstanden und der Gestaltung ihres Spielangebots zugrunde gelegt werden, enthalten keine wirklich klaren Einschränkungen und Vorgaben für eine Begrenzung des Spielangebots. Sie widersprechen zudem in ihrer noch immer unverändert aktuell gültigen Form teilweise direkt § 21 Abs.1 GlüStV, der ausdrücklich regelt, dass nur auf den Ausgang von Sportereignissen gewettet werden kann, also Live-Wetten auf Zwischenspielstände und dergleichen ausgeschlossen sind. Die Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette (GABl. v. 20.12.2007, S.648) lassen hingegen unter § 3 Abs.1, Abs.5 und Abs.6 auch Wetten nicht nur auf den Ausgang, sondern auch auf bestimmte Ereignisse innerhalb eines Sportereignisses zu. Dasselbe gilt für die Oddset-Kombi-Wette (GABl. 20.12.2007, S. 639), deren Teilnahmebedingungen Wetten auf einen bestimmten Ausgang oder ein bestimmtes Ergebnis, aber auch auf ein bestimmtes Ereignis zulassen. § 21 Abs.1 GlüStV ist im Übrigen normativ defizitär, da diese Vorschrift es ohne jegliche weitere inhaltliche Vorgaben der erst zum Jahresende 2008 notwendigen Erteilung der Glücksspielerlaubnis durch das Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde überlässt, im Detail Art und Zuschnitt des Angebots ggf. durch entsprechende Auflagen sicherzustellen. Ferner liegen interne Richtlinien zu Art und Zuschnitt des Sportwettenangebots auf der Verwaltungsebene der Glücksspielaufsichtsbehörde bisher nicht vor. Wie sich in der mündlichen Verhandlung herausstellte, besteht vor diesem Hintergrund noch nicht einmal vollständige Klarheit, ob etwa die sogenannte Handicap-Wette danach ein zulässiges Sportwettenangebot sein soll oder nicht. Der seit 01.01.2008 eingerichtete Fachbeirat (§ 10 Abs.1 S. 2 GlüStV) hat sich bisher zwar unter anderem auch mit dem Sportwettenangebot befasst, ohne dass diese Arbeit sich aber bislang in konkreten Empfehlungen, Beschlüssen oder Leitlinien niedergeschlagen hätte. Insgesamt offenbart sich auch hier ein derzeit bestehendes normativ-regulatives Strukturdefizit, das es mangels klarer Vorgaben aktuell noch immer genau besehen allein der STLG, also dem wirtschaftlich interessierten Monopolisten, selbst überlässt, zu definieren, welches Angebot seiner Ansicht nach zulässig bzw. unzulässig ist. Von dieser Definitionsmacht hat die STLG bisher aber nur in nicht wirklich dauerhaft selbstbindender Weise und nur nach eher vagen, zufälligen Kriterien Gebrauch gemacht.
51 
g) Ähnliches gilt für die Werbebeschränkungen . Hier findet sich neben der inhaltlich nur sehr vagen gesetzlichen Vorgabe in § 5 Abs.1, Abs.2 GlüStV, die Werbung dürfe nur informativ aufklärend, aber nicht aufmunternd, anreizend, irreführend und an Jugendliche gerichtet sein, bislang nur unter Ziff.5.3 des Sozialkonzepts der STLG eine katalogartige Aneinanderreihung ähnlich unbestimmter Begriffe, die zu einer positiven wie negativen Abgrenzung beitragen sollen und immerhin durch einige Beispiele zu einer gewissen Konkretisierung beitragen können (keine Darstellung als unbedenkliche Freizeitbeschäftigung, keine gezielte Ansprache eine jugendlichen Publikums, keine Werbung mit jugendlichen Werbeträgern und keine Versprechen eines schnellen risikolosen Reichtums usw.). Außerdem soll es inzwischen bundesweit zwischen den Ländern abgesprochene Werberichtlinien geben. Die Beaufsichtigung bundesweiter Werbeaktionen des Toto-Lotto-Blocks (DTLB) ist dabei allerdings noch ungeklärt. Die Bedenken, wie sie die Kammer gegenüber dem Werbekonzept der STLG in ihren Grundsatzurteilen vom April 2008 geäußert hat, sind damit aber nicht ausgeräumt. Insbesondere die Werbung mit der Dachmarke Lotto, die schon nach den eigenen Unterlagen und Broschüren der STLG deutlich mit ihren Unterprodukten z.B. Oddset, KENO etc. genannt und somit in Verbindung gebracht wird (Oddset, die Sportwette von Lotto - siehe www.lotto-bw.de > oddset), ist nach wie vor überregional mit zum Spiel animierender Werbung aktiv und zwar mit immer wieder besonders auffälliger, selbst vom beklagten Land als „atypisch“ qualifizierter Werbung, die mit immer wieder neuen besonderen Anlässen wie z.B. der Fußballeuropameisterschaft oder dem 50-jährigen Bestehen von Lotto Bad.-Württ. gerechtfertigt wird. Da die STLG sogar nach Ergehen des Bundesverfassungsgerichtsurteils noch im Sommer 2006 anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2006 aggressiv und namentlich für Oddset geworben hat, ist es auch besonders darlegungsbedürftig, konnte von der STLG im Termin aber nicht überzeugend dargelegt werden, dass Oddset nicht zum sogenannten „accepted set“ der deutlich und anpreisend beworbenen Dachmarke Lotto-BW gehören soll, also nicht mit deren Nennung vom Adressatenpublikum positiv mitassoziiert werden soll.
52 
Auch sonst geht die überregional auftretende Sportwettenwerbung weit darüber hinaus, dass sich nur die Annahmestellen selbst mit Flyern, örtlich geschalteten Anzeigen, Wimpeln, Schaufenstergestaltung etc. auf rein örtlicher Ebene dem Publikum bekannt machen und im Rahmen des dem staatlichen Monopolisten aufgegebenen Kanalisierungskonzepts über ihre Existenz informieren. Das ist auch nicht etwa zufällig so, sondern direkte Folge des Zielkonflikts, der darin besteht, dass der staatliche Monopolist STLG neben dem von ihm immer wieder hervorgehobenen insbesondere im Internet anzutreffenden breiten privaten Sportwettenmarkt existiert, also kein wirkliches Monopol im echten Sinne besitzt und daher anders als ein echter Monopolist gegenüber dieser Konkurrenz werbend bestehen muss, derer er sich in absehbarer Zeit wohl so schnell nicht wird entledigen können.
53 
Nach wie vor ist es auch so, dass der Glücksspielstaatsvertrag selbst keine Werbeeinschränkung hinsichtlich der Printmedien und des Rundfunks sowie der Postwurfsendungen und großflächiger Plakatwerbung regelt, so dass diese weiterhin zulässig sind (vgl. zu Bedenken insbesondere gegenüber unverlangt zugesandten Werbematerialien, wie Postwurfsendungen: Ziff.4 der Stellungnahme des Fachverbandes Glücksspielsucht e.V. zum Entwurf des GlüStV - a.a.O.). Dem Beklagten mag zwar zuzugeben sein, dass dem Land ein gewisser Beurteilungsspielraum dahingehend zukommt, selbst einzuschätzen und zu entscheiden, welche Werbeträger es für besonders aggressiv, öffentlichkeitswirksam, jugendnah und suchtfördernd hält und daher beschränken will. Wenig überzeugend ist insoweit allerdings sein Hinweis, die genannten noch zulässigen Werbeträger (Radio, großflächige Plakate, Printmedien) sprächen anders als das Internet und das Fernsehen das vorwiegend zu schützende jugendliche Publikum nur wenig an. Auch wenn die Leseneigung bei Jugendlichen zurückgegangen sein mag, dürfte doch das Radio als leicht konsumierbares Medium ebenso wie das Fernsehen ohne weiteres auch und gerade Jugendliche erreichen. Dafür, dass auch Plakatwerbung Jugendliche durchaus erreicht, spricht zudem, dass die STLG den Boxer Krasniqi, der als Sympathieträger gerade auch Jugendliche anspricht, im Rahmen der Suchtaufklärungskampagnen selbst auf großflächigen Plakaten auftreten lässt. Der bloße Ausschluss von Internetwerbung (und Fernsehwerbung) dürfte im Übrigen wohl schon deshalb nicht ausreichen, weil gar nicht dargetan ist, dass es sich nach der Spielerstruktur bei den Sportwettenteilnehmern der terrestrischen Annahmestellen vorzugsweise um Personen mit Internetzugang handelt. Vielmehr könnten als Kunden gerade technikferne, ältere Kunden in Betracht kommen, die keinen Internetzugang haben, oder aber Jugendliche, die zwar einen Internetzugang haben, aber noch nicht über eigene Kreditkarten verfügen, wie sie für eine Sportwettenteilnahme im Internet unerlässlich ist.
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3. Schließlich fehlt es derzeit an einem wirksamen Kontrollsystem, das die Ausrichtung des Monopols am Ziel der Suchtbekämpfung sicherstellt. Europarechtlich kommt es für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zentral auf die Effektivität der Überwachung und die Durchsetzung einer wirklich restriktiven Glücksspielpolitik an (vgl. EFTA-Gerichtshof, Urt. vom 14.03.2007, E -1/06, - Gaming Machines -, Rdnr. 51). Auch das Bundesverfassungsgericht verlangt strukturelle Sicherungen, die für die Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht sorgen; der Gesetzgeber muss geeignete staatliche Kontrollinstanzen mit ausreichender Distanz zu den fiskalischen Interessen des Staates einrichten (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnrn.120, 154). Denn nur so kann gesichert werden, dass ein Konflikt mit dem Ziel der Suchtbekämpfung nicht zugunsten der fiskalischen Interessen des Staates ausgeht (BVerfG, a.a.O., Rdnr. 127 f.)
55 
a) Der Glücksspielstaatsvertrag sieht zwar in § 9 eine finanzverwaltungsferne Glücksspielaufsicht vor. Diese kann aber derzeit auf kein wirksames normatives Kontrollsystem zurückgreifen. Auf das Instrument der Glücksspielerlaubnis, die an die Erfüllung konkreter Voraussetzungen gebunden ist (§ 2 Abs. 2 AG-GlüStV) und mit Bedingungen und Auflagen versehen werden kann (§ 2 Abs. 1 Satz 2 AG-GlüStV), kann die Glücksspielaufsicht nach derzeitiger, für die Entscheidung des Gerichts maßgeblicher Rechtslage allenfalls in geringfügigem Umfang als Kontrollmechanismus zurückgreifen. Denn der Landesgesetzgeber hat dem Monopolisten über die vom Bundesverfassungsgericht zugebilligte Übergangszeit hinaus einen weiteren Zeitraum bis zum 31.12.2008 zugestanden, in dem er seine bereits zum 01.01.2007 veranstalteten Glücksspiele ohne Erlaubnis fortführen darf (§ 2 Abs. 1 Satz 3 AG-GlüStV). Gleiches gilt für die Annahmestellen, die ihre Vermittlung ohne Erlaubnis bis zum 31.12.2008 fortsetzen dürfen, wenn sie bereits am 01.01.2007 in ein öffentliches Glücksspiel des Landes vermittelt haben (§ 7 Abs. 4 AG-GlüStV). Andere Kontrollinstrumente der Glücksspielaufsicht gegenüber dem Monopolisten oder einzelnen Annahmestellen sind gesetzlich nicht vorgesehen. Der Aufsicht bleibt in der Vielzahl der Fälle, in denen die Übergangsregelungen der §§ 2 Abs.1 Satz 3, 7 Abs. 4 AG-GlüStV greifen, nur die Möglichkeit, im Einzelfall Anordnungen nach § 9 GlüStV zu treffen. Damit diese Möglichkeit als effektiver Kontrollmechanismus wirkt, bedürfte es gerade angesichts der Vielzahl der Annahmestellen einer entsprechend gut ausgestatteten Glücksspielaufsicht. Hierzu enthält das Gesetz jedoch keinerlei Vorgaben.
56 
b) Tatsächlich ist die Glücksspielaufsicht personell auch schwach besetzt. Im gesamten Glücksspielreferat des Regierungspräsidiums Karlsruhe, das für ganz Baden-Württemberg zuständig ist, sind vier Juristen, sechs Mitarbeiter im gehobenen Dienst und fünf weitere Mitarbeiter für den Schreibdienst und Ähnliches tätig. Das Sachgebiet „Aufsicht und Erlaubnisse für staatlich veranstaltetes Glücksspiel und gewerbliche Spielevermittler“ betreuen ein Jurist und ein Mitarbeiter des gehobenen Dienstes. Der vom beklagten Land hervorgehobene Austausch zwischen den Mitarbeitern der einzelnen Sachgebiete ist nur begrenzt, wie die mündliche Verhandlung vom 16.04.2008 anschaulich belegt hat. Dort war als Beklagtenvertreter allein der Sachgebietsleiter für die Unterbindung unerlaubten Glücksspiels anwesend, der viele Fragen zum Bereich der Aufsicht und Erlaubnisse für staatlich veranstaltetes Glücksspiel nicht beantworten konnte.
57 
Die Mitarbeiter des Monopolisten, die mit monopolinternen Kontrollfunktionen befasst sind, können entgegen der vom beklagten Land vertretenen Auffassung nicht bei der personellen Ausstattung der Glücksspielaufsicht berücksichtigt werden. Schon § 10 Abs. 6 GlüStV setzt die Trennung der staatlichen Glücksspielaufsicht und des Monopolisten als Glücksspielveranstalter nach § 10 Abs. 2 GlüStV voraus. Vor allem aber kann von der europarechtlich gebotenen effektiven Überwachung des Monopolisten nicht mehr die Rede sein, wenn ihm als einem Unternehmen, das seine Wirtschaftlichkeit im Auge behalten muss, die Kontrolle über sich selbst übertragen wird. Vielmehr verlangt eine effektive Überwachung, dass die Endkontrolle der staatlichen, von fiskalischen Interessen unabhängigen Aufsicht vorbehalten bleibt.
58 
c) Dies schließt sicher kein „System der Kontrolle der Kontrolle“ aus, auf das sich das beklagte Land beruft. Ein solches System muss aber derartige strukturelle Sicherungen enthalten, dass eine effektive Kontrolle des Monopolisten durch die staatliche Aufsicht gewährleistet ist. Das ist hier nicht der Fall.
59 
aa) Das Gesetz räumt dem Monopolisten weite Spielräume bei der Ausgestaltung des Vertriebskonzepts (§ 7 Abs. 1 AG-GlüStV) sowie bei Art und Zuschnitt des Wettangebots ein, die ab 01.01.2009 in der Erlaubnis im Einzelnen zu regeln sind (§ 21 Abs. 1 Satz 2 GlüStV). Verwaltungsvorschriften oder Richtlinien wenigstens als Hilfe zur Interpretation der gesetzlichen Vorgaben - etwa welche Kriterien neben der räumlichen Bevölkerungsstruktur für das Vertriebskonzept noch zu berücksichtigen sind (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 4: „insbesondere“) oder welche Wetten als Einzelwetten auf den Ausgang eines Sportereignisses (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GlüStV) angesehen werden können - existieren jedoch nicht.
60 
bb) Auch Beschlüsse des inzwischen eingeführten Fachbeirats, die ungeachtet der rein beratenden Funktion dieses Gremiums (§ 10 Abs. 1 Satz 2 GlüStV) als Orientierungshilfe dienen könnten, liegen nicht vor. Gerade beim zulässigen Wettangebot bestehen aber erhebliche Unsicherheiten, wie die Diskussion in der mündlichen Verhandlung zwischen den Beteiligten einschließlich der Vertreter der STLG über die Zulässigkeit von Handicap-Wetten deutlich gezeigt hat.
61 
cc) Das inzwischen vorliegende Vertriebskonzept der STLG -das fast ein halbes Jahr zu spät erstellt worden ist, ohne dass dies zu irgendwelchen Konsequenzen der Glücksspielaufsicht gegenüber der STLG geführt hätte - ist zwar von der Glücksspielaufsicht gebilligt worden, jedoch mangels Integrierbarkeit in eine Glücksspielerlaubnis in keiner Weise abgesichert.
62 
dd) Allein im Bereich der Werbung sollen bundesweite, dem Gericht allerdings nicht vorgelegte Richtlinien existieren. Außerdem ist zwischen der Glücksspielaufsicht und der STLG eine Vorlage neuer Werbemaßnahmen vor Veröffentlichung abgesprochen.
63 
ee) Darüber hinaus bestehen strukturelle Sicherungen des Systems der Kontrolle der Kontrolle derzeit nicht. Die Ankündigung, dem Monopolisten in seiner Erlaubnis als Nebenbestimmung aufzugeben, mindestens halbjährliche unangekündigte Kontrollen zur Einhaltung des Jugendschutzes und des Spielerschutzes in allen Annahmestellen durchzuführen und der Aufsicht darüber halbjährlich zu berichten, weist in die richtige Richtung, ist aber zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht umgesetzt worden. Eine Glücksspielerlaubnis für die STLG - mit entsprechender Nebenbestimmung - liegt bislang nicht vor.
64 
ff) Sonstige Informations- oder Berichtspflichten der STLG zu bestimmten Themen bestehen nicht. In der mündlichen Verhandlung wurde zwar von monatlichen Gesprächsrunden über anstehende Probleme berichtet, gleichzeitig zeigte sich aber, dass die Glücksspielaufsicht weder über das aktuelle Wettangebot des Monopolisten noch über den konkreten Bestand der Annahmestellen und die einzelnen Fälle von Beanstandungen bei von der STLG veranlassten Kontrollen informiert war. Vielmehr erklärte der Vertreter des beklagten Landes, dass die Glücksspielaufsicht außerhalb des Bereichs der Werbung grundsätzlich davon ausgehe, dass die STLG sich an die gesetzlichen Vorgaben halte. Die STLG werde gebeten, die Glücksspielaufsicht zu benachrichtigen, wenn rechtliche Probleme auftauchten; sie teile der Aufsicht auf Anfrage Kontrollergebnisse mit. Diese Haltung der Glücksspielaufsicht gegenüber dem Monopolisten ist mit dem Auftrag einer effektiven Überwachung offensichtlich nicht zu vereinbaren. Schon bei einer Kontrolle staatlicher Behörden wäre ein solcher Vertrauensvorschuss unangebracht (vgl. dazu auch Millgramm, DVBl 2008, 821, 827 f., insbes. Fn. 29); dies gilt umso mehr für die Kontrolle der STLG, einer juristischen Person des Privatrechts, die bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im März 2006 primär umsatzorientiert gewirtschaftet hat und auch heute als Gesellschaft mit beschränkter Haftung wirtschaftlich handeln muss (siehe nur §§ 17, 19 InsO). Allein die Tatsache, dass das Land 100% der Gesellschaftsanteile hält, legt zwar vereinfachte Kontrollmöglichkeiten nahe, lässt die Überwachungspflichten aber keinesfalls entfallen (vgl. dazu EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming Machines, Rdnr. 51).
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gg) Dass die in der mündlichen Verhandlung von den Beklagtenvertretern erwähnten „sporadischen Kontrollen“ des Sportwettenangebots des Monopolisten sowie die 22 vom Referatsleiter persönlich getätigten Testkäufe ohne Bezug zu den von der STLG großflächig angelegten Testkaufserien keine wirksame „Kontrolle der Kontrolle“ darstellen, bedarf keiner näheren Ausführung.
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hh) Die Kammer verkennt nicht, dass die STLG gerade mit den Testkaufserien durch Externe einerseits und die Bezirksdirektionen andererseits sowie die Zusatzverträge mit den Verkaufsstellen, die bei Verstößen gegen die gesetzlichen Verpflichtungen aus dem GlüStV und dem AG-GlüStV Sanktionsmöglichkeiten bis zur fristlosen Kündigung des Vertrags vorsehen, Ansatzpunkte für ein System der „Kontrolle der Kontrolle“ geschaffen hat. Ohne durchsetzbare, festgelegte Berichts- und Meldepflichten gegenüber der Glücksspielaufsicht kann aber von einer effektiven Überwachung nicht die Rede sein.
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ii) Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Ergebnisse der Testkäufe mit einer Quote von etwa 50% Beanstandungen (so die Auskunft der Vertreter der STLG in der mündlichen Verhandlung; die Ergebnisse des Mystery-Shopping lagen bei einer noch höheren Beanstandungsquote von 62 %) nahelegen, dass dieser Missstand, wie oben ausgeführt, durch das Provisionsmodell strukturell bedingt ist und allein durch ein effektives Überwachungssystem nicht beseitigt werden wird.
IV.
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Das staatliche Sportwettenmonopol erweist sich auch unter Berücksichtigung des aktuellen Vorbringens des Beklagten und der jetzigen Sachlage weiterhin auch deshalb als derzeit (noch) europarechtswidrig, weil es eine zur Erreichung der Ziele des GlüStV nicht erforderliche Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt (vgl. Urteile vom 16.04.2008, dort II.3).
69 
Im Termin ist erneut deutlich geworden, dass das staatliche Monopol nur im Bereich der terrestrischen Annahmestellen ein echtes, nämlich gegen illegale Konkurrenz wirklich durchsetzbares Monopol darstellt, hingegen im Bereich des vom Angebot der STLG entsprechend den Vorschriften des GlüStV nicht abgedeckten Sportwettenmarktes im Internet ein sehr großes illegales Sportwettenangebot privater Veranstalter existiert, über das nach Schätzungen zwischen 30 - 50 % des gesamten Sportwettenumsatzes erzielt werden. Ferner hat sich bestätigt, dass dieses private Internetangebot jedenfalls bislang vom Beklagten insbesondere wegen der damit verbundenen rechtlichen und praktischen Schwierigkeiten noch nicht in nennenswertem Umfang durch Ordnungsverfügungen gegen die Veranstalter bzw. mittels Kooperationsabsprachen mit Banken über eine Drosselung der Finanzierung durch Kreditkartenabbuchungen zurückgedrängt wurde. Damit bleibt es bei dem Grundkonflikt, dass das staatliche Sportwettenmonopol, weil es sich gegenüber dem Internetangebot behaupten muss, nach wie vor einem starken Anreiz ausgesetzt ist, sich ebenso wie private Sportwettenanbieter durch offensive, aktive Werbestrategien zu behaupten, um erklärtermaßen einer Abwanderung von Sportwettenteilnehmern in diesen illegalen Bereich gegenzusteuern. Unverändert geblieben ist auch der Umstand, dass die STLG ihre Sportwetten über ein Vertriebsnetz vermarktet, das sich aus einer Vielzahl umsatzabhängiger privater Annahmestelleninhaber zusammensetzt und sich somit von privaten Sportwettenanbietern hinsichtlich der Anreize zur Missachtung von Spielerschutz- und Suchtbekämpfungsmaßnahmen nicht wesentlich unterscheidet.
70 
Was die Effektivität der Kontrolle und die Durchsetzungsmacht der STLG gegenüber ihren privaten Vertragspartnern im Vertriebsnetz angeht, ist ihr zwar zuzugestehen, dass sie in der Praxis nicht nur die Möglichkeit hat, gegenüber einer Annahmestelle mit rechtlichen Maßnahmen wie Abmahnungen, Vertragsstrafen oder fristloser Kündigung einzuschreiten, sondern diese darüber hinaus auch rein tatsächlich direkt durch Abkoppelung der Annahmestelle von der zentralen computergestützten Sportwettenannahme und -vermittlung aus ihrem Vertriebsnetz nehmen kann, wenn es zu Schwierigkeiten kommt, was die staatliche Aufsichtsbehörde gegenüber privaten Sportwettenveranstalten nicht tun könnte. Allerdings ist dem entgegenzuhalten, dass sich ein Annahmestelleninhaber auch gegen ein solches schlichtes Abkoppeln vom Vertriebsnetz ohne weiteres vor den ordentlichen Gerichten mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Wehr setzen könnte, da auch ein faktisches Abkoppeln vom Vertriebsnetz gegen den Annahmestellenvertrag verstoßen würde, wenn es grundlos erfolgt bzw. der Anlass bestritten wird. Unter diesem Aspekt wäre die faktische Durchsetzungsmacht zwar größer als gegenüber Sportwettenvermittlern, die an andere Sportwettenanbieter als die STLG vermitteln, aber letztlich auch nicht wieder so signifikant größer, dass sich hieraus die Erforderlichkeit eines staatlichen Monopols begründen ließe.
71 
Es mag auch zutreffen, dass es für die staatliche Aufsichtsbehörde einen geringeren Aufwand darstellt, lediglich das Werbekonzept eines einzigen staatlichen Sportwettenmonopolisten zu kontrollieren anstatt die Werbekonzepte von drei bis vier großen überregional auftretenden internationalen Sportwettenanbietern zu prüfen. Andererseits erfordert die Kontrolle der Werbung noch den geringsten Aufwand im Rahmen der gesamten Kontrolltätigkeit, denn in der Regel wird es sich um nur wenige gleichlautende Plakate, Werbespots oder Hinweiszettel handeln, die sich relativ leicht und schnell auf Verstöße gegen die Werbeeinschränkungen aus dem GlüStV kontrollieren lassen.
72 
Wie das vorgelegte Sozialkonzept des Verbands der Europäischen Wettunternehmer (VEWU) zeigt, sind diese auch durchaus bereit, sich freiwillig Beschränkungen hinsichtlich der Gewinnausschüttungsquote, der Art und des Zuschnitts der Sportwettenangebote und der Ausgestaltung ihrer Wettbüros aufzuerlegen, ein System der Spielersperre zu installieren, einen Sicherungsfond gegen Insolvenzausfälle einzurichten und Jugendlichen konsequent den Zugang zu verweigern, so dass es ihnen gegenüber jedenfalls nicht einer stärkeren und dichteren staatlichen Kontrolle als gegenüber den privaten Annahmestelleninhabern der STLG bedürfte.
73 
Was die Kriminalitätsrisiken und Betrugsgefahren angeht, hat das beklagte Land selbst eingeräumt, dass diese nicht an erster Stelle der Ziele stehen, mit denen das staatliche Monopol zu rechtfertigen ist. Das insoweit nach den europarechtlichen Vorgaben darlegungsbelastete Land hat es auch nicht vermocht, zur Frage negativer bisheriger Erfahrungen mit den privaten Betreibern legaler Glücksspiele (Pferdewetten, Geldspielautomaten, Spielcasinos) sowie mit den privaten Annahmestelleninhabern der STLG hinsichtlich der Kriminalitätsbelastung aussagekräftigen Angaben zu machen. Es mag zwar sein, dass es in diesem Bereich Dunkelziffern gibt und dass die Anzeigefreudigkeit von Kriminalitätsopfern gering ist, die sich im Bereich illegaler Glücksspiele womöglich wegen eigener Teilnahme nach § 285 StGB strafbar machen würden. Hier aber geht es um legale Glücksspielbereiche, die obendrein seit Jahrzehnten von Privaten betrieben werden, so dass bei wirklichen Missständen zu erwarten wäre, dass entsprechende Kriminalitätsbelastungen zumindest ansatzweise bekannt geworden wären. Dafür fehlt hier aber jeder Anhaltspunkt. Zwar mag immerhin ein gewisser Anteil der mit Untersagungsverfügungen landesweit geschlossenen ca.700 privaten Sportwettenbüros selbst nach Bestätigung der Untersagungsverfügungen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Vermittlungstätigkeit tatsächlich nicht aufgegeben und sich damit als nicht rechtstreu bzw. mit Blick auf § 284 StGB womöglich sogar als kriminell erwiesen haben. Das besagt aber nicht, dass ein staatliches Monopol erforderlich ist, um mit dem Sportwettenbetrieb verbundene Kriminalitätsgefahren zu bekämpfen.
V.
74 
Noch einmal zu bestätigen ist schließlich, dass das Sportwettenmonopol mangels systematischer und kohärenter Zielverfolgung auch EG-wettbewerbswidrig ist. (vgl. dazu bereits Urteil vom 16.4.2008, unter II.4.). Der Einwand des beklagten Landes, die Ausführungen der Kammer in den Urteilen vom 16.4.2008 ließen nicht erkennen, welcher Bezug der Wettbewerbsvorschriften zum subjektiven Recht des jeweiligen Klägers bestehe bzw. es werde übersehen, dass die Wettbewerbsvorschrift des Art. 82 EG sich nicht an den Staat, sondern an Unternehmen richte, greift nicht durch.
75 
Die Prüfung des Sportwettenmonopols erfolgt am Maßstab des Art. 86 EG. Adressaten von Art. 86 Abs. 1 EG sind ausschließlich die Mitgliedstaaten und nicht die Unternehmen selbst, für die wiederum direkt nur Art. 81 und 82 EG gelten. Den Mitgliedsstaaten stehen Hoheitsträger im Staatsgebiet, insbesondere die Gebietskörperschaften gleich. Gerade im Bereich von - wie hier - Dienstleistungsmonopolen gelangt Art. 86 EG in Verbindung mit den Wettbewerbsregeln zur Anwendung (Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, 4. Auflage 2007, B. Art. 86 im System des EG-Vertrags, Rnrn. 55, 56; von Burchard, in: Schwarze, EU-Kommentar, 1. Aufl. 2000, Art. 49 Rnr. 87 [unter Hinweis darauf, dass der EuGH offenbar Art. 86 Abs. 2 EG gegenüber Art. 49 EG als speziellere Vorschrift ansehe] und Art. 86 Rnr. 11). Die Tatsache, dass Art. 86 Abs. 1 EG die Existenz von Unternehmen voraussetzt, die bestimmte besondere oder ausschließliche Rechte innehaben, ist nicht dahin zu verstehen, dass alle besonderen und ausschließlichen Rechte notwendigerweise mit dem EG-Vertrag vereinbar sind. Dies hängt vielmehr von den Vertragsvorschriften ab, auf die Art. 86 Abs. 1 EG verweist (so zu Art. 90 Abs. 1 EG-Vertrag: EuGH, Urt. v. 19.3.1991 - C-202/88 - [Telekommunikations-Endgeräte], Leitsatz 2; von Burchard, a.a.O., Art. 86, Rnr. 27). Zu den zu beachtenden Vorschriften gehören - soweit vorliegend bedeutsam - insbesondere der ausdrücklich in Art. 86 Abs. 1 EG genannte Art. 82, ferner aber gerade auch die Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr (EuGH, Urt. v. 18.6.1991 - C-260/89 [ERT], Rnr. 27). Dem Anwendungsbereich des Art. 86 EG unterfallen folglich auch Maßnahmen eines Mitgliedstaats (hier: Inkraftsetzen einer Gesetzesbestimmung), mit denen er eine Lage schafft, in der das bevorrechtigte Unternehmen schon durch die bloße Ausübung des übertragenen Rechts (hier: monopolartige Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten) zwangsläufig gegen den Vertrag verstoßen muss (EuGH, Urt. v. 11.12.1997 - C-55/96 [Job Centre] - Rnr. 29; von Burchard, a.a.O., Art. 86 Rnr. 37). Ein wettbewerbswidriges Verhalten der STLG muss sich damit aber das beklagte Land zugleich als unzulässige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zurechnen lassen (so auch von Burchard, a.a.O., Art. 49 Rnr. 88), worauf sich der jeweilige grundfreiheitsberechtigte Kläger wiederum für den Erfolg seiner Klage berufen kann.
VI.
76 
Die angefochtene Untersagungsverfügung des Regierungspräsidiums ist auch insoweit rechtswidrig und aufzuheben, als sie die Vermittlung von Sportwetten an solche Veranstalter untersagt, die im Bundesgebiet ansässig sind. Zwar vermittelte der Kläger in der Vergangenheit Sportwetten nur an einen in einem EU-Mitgliedsstaat ansässigen und dort konzessionierten Sportwettenveranstalter. Die angefochtene Verfügung untersagt aber darüber hinaus umfassend auch jede Vermittlungstätigkeit für im Bundesgebiet ansässige Sportwettenveranstalter. Eine solche Dienstleistung ohne grenzüberschreitenden Bezug wird vom Schutz der Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EG nicht erfasst. Ob die Verfügung insoweit bereits deshalb rechtlichen Bedenken unterliegt, weil die Ermittlungen und Feststellungen, die zum Erlass der Verfügung führten, keine Anhaltspunkte für die Annahme einer Vermittlung an einen im Bundesgebiet ansässigen privaten Veranstalter ergaben, kann offen bleiben. Denn jedenfalls leidet die Verfügung an einem zu ihrer Rechtswidrigkeit führenden Ermessensfehler. Da das staatliche Sportwettenmonopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung keine rechtmäßige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EG darstellt und deshalb gemeinschaftsrechtswidrig ist, müssen - jedenfalls bis zu einer gemeinschaftsrechtskonformen Ausgestaltung - Wettvermittlungen an in EU-Mitgliedsstaaten ansässige und dort konzessionierte Sportwettenveranstalter vom beklagten Land hingenommen werden, soweit sie durch Unionsbürger oder in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaften im Sinne der Art. 55, 48 EG erfolgen. Auf derartige Wettvermittlungen beschränkte sich die bisherige Tätigkeit des Klägers. Vor diesem Hintergrund kann das beklagte Land das mit den Untersagungsverfügungen verfolgte Ziel, landesweit die Vermittlung von Sportwetten an private Veranstalter zu unterbinden, weil es diese Tätigkeit wegen des staatlichen Sportwettenmonopols für unerlaubt hält, nicht mehr verwirklichen. Der terrestrische Vertrieb von Sportwetten betrifft in ganz erheblichem Umfang Sportwettenveranstalter, die im EU-Ausland ansässig sind, weil sie ihr Sportwettengeschäft auch über terrestrische Annahmestellen abwickeln. Entfällt demnach derzeit für das beklagte Land die Möglichkeit, die Vermittlung von Sportwetten an im EU-Ausland ansässige Sportwettenveranstalter zu unterbinden, bedarf es im Rahmen der Ermessensausübung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV tragfähiger Erwägungen, die ein Einschreiten gegen die Sportwettenvermittlung im Inland rechtfertigen, obwohl die weit umfangreichere grenzüberschreitende Vermittlung ins EU-Ausland hingenommen werden muss. Solche Erwägungen finden sich weder in der angefochtenen Untersagungsverfügung noch sind sie bisher vorgetragen worden.
VII.
77 
Der Kläger ist nicht Angehöriger eines Mitgliedsstaats, sondern Drittstaatsangehöriger. Drittstaatsangehörige können sich grundsätzlich nicht auf Art. 49 EG berufen. Von der Möglichkeit des Art. 49 Satz 2 EG, die Dienstleistungsfreiheit auf in der Gemeinschaft ansässige Drittstaatsangehörige auszudehnen, wurde - soweit ersichtlich - bislang kein Gebrauch gemacht (vgl. Schwarze, EU-Kommentar, 1. Auflage 2000, Art. 49 EGV, RdNr. 36). Ob im vorliegenden Fall der persönliche Geltungsbereich des Art. 49 EG im Wege eines Assoziierungsabkommens auf Drittstaatsangehörige ganz oder teilweise erstreckt wurde, erscheint fraglich, kann aber offen bleiben. Die angefochtene Untersagungsverfügung erweist sich nämlich auch dann als rechtswidrig, wenn sich der Kläger nicht auf Art. 49 EG berufen kann.
78 
Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV steht es im Ermessen des Regierungspräsidiums, die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür zu untersagen. Auf den einzelnen Fall bezogene Ermessenserwägungen enthält die angefochtene Untersagungsverfügung nicht. Vielmehr schreitet das Regierungspräsidium landesweit gegen jeden privaten Sportwettenvermittler mit Untersagungsverfügungen ein, weil es dessen Tätigkeiten aufgrund des staatlichen Sportwettenmonopols für unerlaubt hält. Da dieses in seiner derzeitigen Ausgestaltung jedoch keine gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt und deshalb gemeinschaftsrechtswidrig ist, müssen - jedenfalls bis zu einer gemeinschaftsrechtskonformen Ausgestaltung - Wettvermittlungen an in EU-Mitgliedstaaten ansässige und dort konzessionierte Sportwettenveranstalter vom beklagten Land hingenommen werden, wenn sie durch Unionsbürger oder in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaften im Sinne von Art. 55, 48 EG erfolgen. Mit einem Einschreiten ausschließlich gegen Sportwettenvermittlungen durch im Bundesgebiet ansässige Drittstaatsangehörige lässt sich das mit den Untersagungsverfügungen verfolgte Ziel nicht erreichen, landesweit die Vermittlung von Sportwetten durch Private zu unterbinden, um auf diese Weise die Spielleidenschaft zu begrenzen und die Spielsucht zu bekämpfen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Unterbindung grenzüberschreitender Sportwettenvermittlungen in das EU-Ausland ausschließlich gegenüber Drittstaatsangehörigen mit dem bei der Ermessensausübung zu wahrenden Gleichbehandlungsgebot und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist (vgl. hierzu OVG Saarland, Beschl. v. 25.04.2007 - 3 W 24/06 - juris).
VIII.
79 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Kammer hat keinen Anlass, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO).
80 
Da diese Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, ist die Berufung zuzulassen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Gründe

 
14 
Die Anfechtungsklage ist ohne Durchführung eines Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 VwGO, § 6 a Satz 1 AGVwGO) zulässig und begründet. Die angegriffene Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15 
Die Kammer hat in den Urteilen vom 16.04.2008 (u.a. 1 K 2683/07, juris = www.vgfreiburg.de > Entscheidungen = www.glücksspielstaatsvertrag.de >Urteile) entschieden, dass das staatliche Sportwettenmonopol in Baden-Württemberg derzeit eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG) darstellt und europarechtswidrig ist. An dieser Auffassung hält die Kammer auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 09.07.2008 fest. Zu den dagegen erhobenen Einwendungen des beklagten Landes ist im Einzelnen zu sagen:
I.
16 
Die Kammer geht in den o. g. Urteilen davon aus, die Europarechtswidrigkeit der Bestimmungen des Glückspielstaatsvertrages, die das staatliche Sportwettenmonopol begründen (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV), erfasse auch die Eingriffsgrundlage des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV sowie die Bestimmungen über die Erlaubnispflicht und das Verbot des Veranstaltens und des Vermittelns unerlaubten Glücksspiels in § 4 Abs. 1 GlüStV.
17 
Das beklagte Land wendet dagegen ein, die vom Verwaltungsgericht angenommene Europarechtswidrigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols lasse die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 4 Abs. 1 GlüStV über die Erlaubnispflicht für öffentliche Glücksspiele unberührt. Da eine solche Erlaubnis nicht vorliege, sei die angefochtene Untersagungsverfügung auch bei unterstellter Europarechtswidrigkeit des Sportwettenmonopols rechtmäßig.
18 
Dem folgt die Kammer nicht.
19 
Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 06.03.2007 (C - 338/04 -Placanica-) ausgeführt, ein polizeiliches Genehmigungsverfahren, mit dem die im Glücksspielsektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer einer vorherigen Kontrolle unterzogen würden, sei zwar eine ohne weiteres verhältnismäßige Maßnahme. Setze die Erteilung einer solchen polizeilichen Genehmigung aber den Besitz einer Konzession voraus, von deren Erhalt die betroffenen Personen unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht ausgeschlossen worden seien, hafteten auch dem polizeilichen Genehmigungsverfahren die europarechtlichen Mängel an, die die Konzessionsvergabe berührten (vgl. RdNr. 65 bis 67 des Urteils).
20 
Das gilt gleichermaßen für die Bestimmung über die Erlaubnispflicht für öffentliche Glücksspiele in § 4 Abs. 1 GlüStV. Die danach erforderliche Erlaubnis kann privaten Sportwettenvermittlern oder Sportwettenveranstaltern nicht erteilt werden, weil aufgrund des staatlichen Monopols diese Tätigkeiten nur juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder privatrechtlichen Gesellschaften erlaubt werden (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV), an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind. Ein auf präventive Kontrolle gerichtetes Erlaubnisverfahren existiert für private Sportwettenveranstalter nicht. Das Fehlen einer Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 GlüStV, die sich Private wegen des europarechtswidrigen staatlichen Sportwettenmonopols nicht hätten beschaffen können, scheidet deshalb als zulässiger Grund einer Untersagung aus.
21 
Entgegen der Auffassung des beklagten Landes folgt aus dem Urteil des EFTA-Gerichtshofs vom 30.05.2007 (RS. 3/06 - Ladbrokes -) nichts anderes. Die Ausführungen des Gerichtshofs unter RdNr. 88, auf die das beklagte Land in diesem Zusammenhang hinweist, betreffen die Antwort auf die fünfte Vorlagefrage (vgl. RdNr. 82 ff.). Mit der fünften Vorlagefrage wollte das vorlegende norwegische Gericht wissen, ob durch Art. 36 EWR eine nationale gesetzliche Regelung präkludiert wird, die das Anbieten und Vermarkten von Glücksspielen untersagt, für die in Norwegen keine Konzession erteilt wurde, die aber nach dem nationalen Recht eines anderen EWR-Staates gestattet sind. Hierzu führt der EFTA-Gerichtshof unter RdNr. 84 aus, sofern und soweit das nationale Gericht zu der Auffassung gelangen sollte, dass die in den drei Gesetzen enthaltenen Verbote für gewerbsmäßige Anbieter irgendeiner Form von Glücksspielen eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 36 EWR) seien, könnten die nationalen Behörden den ausländischen Anbietern immer noch die Pflicht zur Beantragung einer nationalen Konzession mit denselben auch für einheimische Anbieter geltenden Voraussetzungen und Anforderungen auferlegen.
22 
Das hat auch die Kammer in ihren o. g. Urteilen nicht in Frage gestellt. Zur Beantwortung der Frage, ob die Europarechtswidrigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols auch die Erlaubnispflicht des § 4 Abs. 1 GlüStV erfasst, geben diese Ausführungen jedoch nichts her. Denn ein Erlaubnis- oder Konzessionsverfahren für private Veranstalter sieht der Glücksspielstaatsvertrag - wie oben ausgeführt wurde - gerade nicht vor. Vielmehr kann ein privater Anbieter selbst bei Erfüllung sämtlicher materieller Voraussetzungen des Glücksspielstaatsvertrages die erforderliche Erlaubnis nicht erhalten.
23 
Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 22.11.2007 (1 BvR 2218/06) entschieden, dass eine ordnungsrechtliche Untersagungsverfügung, die - wie im vorliegenden Fall - nicht mit anderen Gefahren für ordnungsrechtliche Schutzgüter, sondern allein mit einem objektiven Verstoß gegen das staatliche Sportwettenmonopol begründet ist, sich wegen der verfassungswidrigen Rechtslage jedenfalls in der Zeit bis zum 28.03.2006 nicht als rechtmäßig erweisen kann. Zwar betrifft diese Entscheidung die Unvereinbarkeit des Monopols mit Art. 12 Abs. 1 GG. Hinsichtlich der Unvereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht kann aber nichts anderes gelten.
II.
24 
Die Kammer ist weiterhin der Auffassung, dass das Sportwettenmonopol des Landes in seiner derzeitigen Ausgestaltung nach wie vor eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs (Art. 49 EG) darstellt (vgl. Urteile vom 16.04.2008, dort unter II. 2 a) - d)). Folgendes ist nochmals zu betonen:
25 
Europarechtlich steht es im Ermessen jedes Mitgliedsstaats, welches Schutzniveau er im Bereich von Glücksspielen gewährleisten will (EuGH, Urt. Schindler, Rdnr. 60, 61; Urt. Zenatti, Rdnr. 33, 34). Er kann sich etwa für ein Präventionsmodell entscheiden, das auf eine wesentliche Verminderung der Gelegenheit zum Spiel ausgerichtet ist, oder auch für ein Kanalisierungsmodell, das darauf abzielt, durch ein auf Einnahmeerzielung und Expansion angelegtes Angebot einer begrenzten Zahl konzessionierter Privater die Glücksspieltätigkeiten aus dem Bereich des Illegalen und Kriminellen in geordnete und staatlich überwachte Bahnen zu lenken (EuGH, Urt. Placanica, Rdnr. 54, 55).
26 
Dies bedeutet aber nicht, dass der deutsche Gesetzgeber nach nationalem Recht die Gestaltungsfreiheit hätte, sich für ein Kanalisierungsmodell in Form eines staatlichen Monopols zu entscheiden. Ein solches auf Einnahmeerzielung und Expansion angelegtes, europarechtlich zulässiges Monopol wäre verfassungswidrig (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01 , Rdnr. 107, 141). Denn ein staatliches Monopol für Sportwetten ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft ausgerichtet ist (BVerfG, a.a.O., Rdnrn. 98, 119, 120). Daher kann die Aufgabe der Länder nach § 10 GlüstV, ein ausreichendes Glücksspielangebot mit dem Ziel der Kanalisierung des Spieltriebs der Bevölkerung (§ 1 Nr. 2, 2. Alt. GlüStV) sicherzustellen, nicht etwa als ein Auftrag verstanden werden, der gleichrangig neben dem Auftrag zur Suchtbekämpfung (§ 1 Nr. 1 GlüStV) steht. Vielmehr hat von Verfassungs wegen die Suchtbekämpfung im Vordergrund zu stehen; nur diese rechtfertigt ein Monopol. Die Sicherstellung eines ausreichenden Glücksspielangebots und die Kanalisierung des Spieltriebs sind verfassungsrechtlich nur zulässig, soweit sie als Mittel zum Zweck der Suchtbekämpfung dienen. Dementsprechend ist der Glücksspielstaatsvertrag verfassungskonform auszulegen.
27 
Europarechtlich ist zu untersuchen, ob der Glücksspielstaatsvertrag als Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit geeignet ist, die Verwirklichung des - verfassungsrechtlich gebotenen - Ziels der Suchtbekämpfung zu gewährleisten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 32; Urt. Gambelli, Rdnr. 65). Dies bedeutet, dass er kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen muss (EuGH, Urt. Gambelli, Rdnr. 67; Urt. Placanica, Rdnr. 53; siehe auch EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 14.03.2007, E-1/06 – Gaming Machines, Rdnr. 53).
28 
Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Sportwetten-Urteil vom 28.3.2006 ein Staatsmonopol nur dann für zulässig erachtet, wenn es konsequent am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Spielsucht ausgerichtet und mit materiellrechtlichen Regelungen und strukturellen Sicherungen versehen ist (a.a.O., Rdnr. 120). Insoweit laufen die europarechtlichen und die verfassungsrechtlichen Vorgaben also parallel (BVerfG, a.a.O., Rdnr. 144). Daher können die Anforderungen, die sich aus dem Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergeben, auch zur Beantwortung der Frage der europarechtlichen Kohärenz und Konsistenz herangezogen werden.
29 
Allerdings ist europarechtlich, anders als verfassungsrechtlich, nicht nur die rechtliche Ausgestaltung der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit maßgeblich, sondern es kommt auch auf ihre tatsächlichen Anwendungsmodalitäten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 37, Urt. Gambelli, Rdnr. 75, 76) und ihre Handhabung in der Praxis an (EuGH, Urt. Rosengren, Rdnr. 46). Jedoch sind die vom Europäischen Gerichtshof geforderte „Kohärenz“ und „Systematik“ hinsichtlich der Begrenzung der Wetttätigkeiten ohne normative Vorgaben zur Ausgestaltung eines staatlichen Monopolbetriebs kaum denkbar, so dass zunächst das rechtliche Regelungssystem in den Blick zu nehmen ist. Seine tatsächliche Umsetzung darf aber nicht aus den Augen verloren werden.
III.
30 
Die Kammer hält auch bei Berücksichtigung der aktuellen Situation an der Auffassung fest, dass es an einer rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung des Monopols fehlt, die als konsequenter und aktiver bzw. systematischer und kohärenter Beitrag zur Vermeidung und Abwehr von Spiel- und Wettsucht angesehen werden kann (vgl. Urteile vom 16.4.2008, dort unter II.2.e.). Bereits in der Gestaltung des terrestrischen Vertriebssystems liegt ein wesentlicher Strukturmangel (dazu unter 1.), der auch durch Folge- und Begleitmaßnahmen nicht kompensiert wird (dazu unter 2.). Schließlich fehlt es daneben an einem effektiven Kontrollsystem (dazu unter 3.).
31 
1. Schon mit der Wahl und Einrichtung der Vertriebswege hat das Land Baden-Württemberg einen Weg beschritten, der angesichts der Anzahl der Wettannahmestellen (dazu a.), ferner der unterlassenen begleitenden Bekämpfung des illegalen Wettmarktes (dazu b.) sowie schließlich mit Blick auf die inhaltliche Ausgestaltung des Annahmestellenwesens (dazu c.) und seine betont wirtschaftliche Basis (dazu d.) nicht wirklich der Zielerreichung dienen kann.
32 
a) Bereits die äußerst geringe Reduktion der Zahl der Annahmestellen spricht gegen einen Systemwechsel bzw. -wandel, wie er erforderlich gewesen wäre, um einen konsequenten Übergang von einem aus rein unternehmerischem - d.h. wirtschaftlichem - Kalkül hervorgegangenen Annahmestellennetz im Jahr 2006 zu einem zulässigerweise nur an Begrenzung und Kanalisierung der Wettleidenschaft orientiertem Vertriebssystem zu belegen. Die Zahl der noch Anfang 2006 vorhandenen 3.764 baden-württembergischen Annahmestellen ist im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auf 3.612 gesunken. Das bedeutet eine Verminderung um absolut nur 152 und relativ nur etwa 4% der Stellen. Kamen früher 2.852 Einwohner auf eine Annahmestelle, so sind es heute immer noch 2.972, d.h. jede der noch vorhandenen Annahmestellen versorgt geringfügig mehr Einwohner, nämlich 120.
33 
An dem vom Bundesverfassungsgericht im Sportwettenurteil vom 28.3.2006 (dort Rdnr. 138) bzw. in der Baden-Württemberg betreffenden Entscheidung vom 4.7.2006 (1 BvR 138/05 - juris) erhobenen und beanstandeten Befund, wonach Sportwetten über ein breit gefächertes Netz von Lotto-Annahmestellen vertrieben werden, welches mit der Maxime „weites Land - kurze Wege“ einhergeht, hat sich damit in quantitativer Hinsicht so gut wie nichts geändert.
34 
Gründe, die diesen in quantitativer Hinsicht auffälligen und problematischen Ausgangsbefund in positiver Hinsicht relativieren könnten, sind nicht vorhanden. Bereits normativ geht weder aus dem GlüStV (§ 10 Abs. 3) noch aus dem AGGlüStV (§§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5, 7 Abs. 1) hervor, wie die beabsichtigte Begrenzung der Zahl der Annahmestellen zwecks Gewährleistung eines ausreichenden Spielangebots in absoluten Zahlen bzw. zumindest in methodischer Hinsicht durchzuführen ist. Die Umsetzung ist folglich der Aufsichtsbehörde und der staatlichen Toto-Lotto GmbH (im Folgenden: STLG) überlassen, ohne dass es normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften oder andere orientierende Hilfen gäbe. Wie die Vertreter der STLG letztlich selbst in der mündlichen Verhandlung eingeräumt haben, ist Ausgangspunkt für die künftigen Bedarfszahlen die „historisch gewachsene“ Zahl der Annahmestellen des Jahres 2006 gewesen. In ihrem Vertriebskonzept vom Juni 2008 (dort Seite 4, Mitte) führt die STLG zwar aus, aufgrund des Sportwettenurteils des Bundesverfassungsgerichts sei in der Zeit nach 2006 der Wegfall von Annahmestellen nicht mehr durch die Aufnahme neuer Annahmestellen in das Vertriebsnetz ausgeglichen worden. Der bloße Verzicht auf eine Ausweitung und die schlichte Hinnahme des Wegfalls von Stellen lediglich im Rahmen der üblichen Fluktuation stellen jedoch alles andere als eine aktive und systematische Begrenzungspolitik dar. Berücksichtigt man ferner die Angaben des Beklagten-Vertreters in der mündlichen Verhandlung vom 16.4.2008, wonach in etwa 40 bis 50 Fällen für geschlossene Annahmestellen jeweils sogar noch Ersatz zugelassen wurde (entweder in Gestalt des Weiterbetriebs durch einen neuen Inhaber oder aber durch Eröffnung einer neuen Annahmestelle in der Nachbarschaft), ist diese ohnehin schon äußerst geringfügige und eher als passiv zu bezeichnende Reduktion sogar noch in sich zurückhaltend gewesen.
35 
Schlüssig und überzeugend geht eine systematische Politik auch nicht aus dem Vertriebskonzept der STLG vom Juni 2008 hervor. Vielmehr ist dort (Seiten 4 ff.) feststellbar, dass die vom Monopolisten im Mai 2008 vorgefundene Zahl von 3.630 Annahmestellen schlicht mit einem Bedarfsberechnungsmodell „überzogen“ und „gebilligt“ wurden, welches nicht darlegt, wie es anhand von „Einwohnerbewegungen“, „Verteilung der Kaufkraft“ sowie „Einkaufsströmen“ zu den konkreten Richtwerten für ländliche, städtische und großstädtische Gebiete gelangt. Ohnehin lässt die Verwendung dieser eher an Marketingstrategien erinnernden Parameter nicht erkennen, welchen tauglichen Beitrag sie zum ausschließlich zulässigen Ziel einer Vermeidung und Begrenzung von Glücksspielsucht leisten können. Die Kammer verkennt nicht die sowohl im Vertriebskonzept als auch in der mündlichen Verhandlung von den Vertretern der STLG geäußerten Schwierigkeiten, konkrete Zahlen zu greifen. Dieses Dilemma ist jedoch letztlich auf das Fehlen konkreter Vorgaben im Gesetz bzw. durch die Aufsichtsbehörde zurückzuführen. Gerade eine nicht - oder jedenfalls nicht ausschließlich - vom Monopolisten selbst ermittelte Zahl der erforderlichen Annahmestellen wäre weitaus weniger anfällig für etwaige (und wenn auch noch so unbewusste) systemwidrige und unzulässige Rücksichten auf vorhandene Vertriebsstrukturen gewesen.
36 
b) Daran ändert nichts, dass das RP Karlsruhe das Vertriebskonzept im Kontext der Erteilung der Glücksspielerlaubnis prüft bzw. bereits - offensichtlich mit dem Ergebnis der Billigung - geprüft hat. Denn gerade auch von der Aufsichtsbehörde kamen insoweit in der mündlichen Verhandlung keine substantiierten Argumente, welche die dargelegten Bedenken hätten zerstreuen können. Zwar prognostiziert das Vertriebskonzept in der Endstufe die Absicht, mit ca. 3.300 Annahmestellen auszukommen. Notwendige Bedingung hierfür soll aber der Rückgang der nach dem GlüStV illegalen Konkurrenzangebote terrestrisch und im Internet tätiger privater Wettanbieter und -vermittler sein. Das RP Karlsruhe hat insoweit ausgeführt, gegen die (ca. 30 % bis 50 % des Sportwettenumsatzes erzielenden) Internetanbieter solle zunächst mit Grundverfügungen vorgegangen werden (zu einem solchen Fall vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 5.11.2007 - 6 S 2223/07 -, ZfWG 2007, 432), um dann auf einer nächsten Stufe unter Zusammenarbeit mit den Banken oder notfalls auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 4 GlüStV die Finanzströme betreffend untersagte Sportwetten zu unterbrechen. Damit aber wird deutlich, dass sich ein überaus wichtiger Teilbereich der Glücksspielpolitik (noch) in einem äußerst „frühen Stadium“ befindet. Ein möglicher Schritt zur Austrocknung des illegalen Glücksspielmarkts wurde folglich bislang unterlassen. Obwohl die strukturellen Gefahren eines staatlichen Glücksspielmonopols spätestens seit Frühjahr 2006 bekannt waren, wurde dem Monopolisten nicht nur die Erstellung eines Vertriebskonzepts überlassen, sondern auch (noch) keine wirklichen Schritte unternommen , eine Begrenzung der Vertriebswege zugleich mit der Bekämpfung der wirtschaftlichen Basis des illegalen Sportwettenmarkts konsequent zu begleiten.
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c) Ferner weist diese fortdauernd auf Breite angelegte Vertriebsstruktur auch qualitativ erhebliche Mängel auf, weil sie (noch) nicht systematisch und konsequent vom Charakter einer „grundsätzlich unbedenklichen Freizeitbeschäftigung“ (vgl. Sportwettenurteil Rdnr. 125) und eines „allerorts verfügbaren normalen Gutes des täglichen Lebens“ (vgl. Sportwettenurteil Rdnr. 138) Abstand nimmt. Mit dem Vertrieb der Sportwetten in Zeitschriften-, Schreibwaren- und Tabakläden sowie in Supermärkten und Tankstellen hat der Monopolist an der gesuchten „bewussten Nähe zum Kunden“ (Sportwettenurteil Rdrn. 138) nichts geändert. Dass die STLG diese Betriebsstätten im Rahmen des Kanalisierungsauftrags für den Zweck der kommunizierten Suchtprävention als „besonders geeignet“ darstellt (Vertriebskonzept Seite 5), verstellt den Blick darauf, dass gerade diese Vertriebsform des legalen Sportwettenangebots in der Öffentlichkeit problematischem Spielverhalten weiterhin Vorschub leistet. So ist es nach Auffassung der Kammer inkonsequent, dass die STLG für sich in Anspruch nimmt, zur Erfüllung des Ordnungsauftrags derzeit und bis auf weiteres auf die konkrete hohe Zahl von Annahmestellen angewiesen zu sein, aus dieser „Präsenzforderung“ jedoch gleichwohl nicht die Notwendigkeit ableitet, ein weitaus zurückhaltenderes als aktuell an den Tag gelegtes Werbeverhalten zu betreiben. Vielmehr betreibt der Monopolist parallel zur breitflächigen Vermarktung eine intensive - wenngleich um die Möglichkeit auffordernden, anreizenden oder ermunternden Charakters reduzierte sowie im Fernsehen, im Internet und über Telekommunikationsanlagen verbotene - Werbung mittels Radio, Printmedien, Litfasssäulen und Postwurfsendungen. Es ist nicht ersichtlich und von den Vertretern der STLG in der mündlichen Verhandlung auch nicht überzeugend dargelegt worden, warum die (aus Sicht der STLG weiterhin erforderliche) breit gefächerte „physische Präsenz“ von Glücksspielannahmestellen eine zusätzliche, über den Ort der Leistung hinausgehende weitere Werbung als Begleitmaßnahme benötigt.
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An dem nach Auffassung der Kammer folglich fortdauernden Signal, man vertreibe immer noch, wenngleich nunmehr modifiziert, ein Gut des täglichen Lebens, ändern auch sonstige Modalitäten beim Vertrieb nichts. Die Wirkung von Vorkehrungen wie Identifizierung des Kunden unter Verwendung einer Kundenkarte, Verstärkung des Minderjährigenschutzes sowie Hinweise auf Spielscheinen und Aufklärungsmaterial über die Gefahren des Spiels (vgl. Vertriebskonzept, Seite 6) wird nach Auffassung der Kammer schon vor dem Hintergrund der nahezu unveränderten Annahmestellen-Zahl überschätzt. Gerade weil die in den Annahmestellen verkehrenden Kunden des Einzelhandels, zu denen regelmäßig auch Kinder und Jugendliche gehören, die Parallelität des Verkaufs von Glücksspielen mit demjenigen von Produkten des täglichen Bedarfs ständig wahrnehmen, darf ein Gewöhnungseffekt nicht vernachlässigt werden. Selbst das neuerdings getrennte „Kassenwesen“, also ein doppelter Kassiervorgang bei gleichzeitigem Einkauf von Waren aus dem Hauptsortiment und von Lotterieprodukten, kann niemanden darüber hinwegtäuschen, dass Verkaufsstellen zugleich auch Annahmestellen sind. Ferner steht im Zeitalter zahlreicher, verschiedenster Kundenkarten eine spezifisch disziplinierende Funktion einer solchen Karte im Bereich des Glücksspiels nicht mit der erforderlichen Gewissheit fest. Das beklagte Land hat zwar Umsatzrückgänge bei den Sportwetten im Jahr 2007 von 28 % (Oddset-Kombiwette) bzw. 48 % (Toppwette) sowie im ersten Quartal 2008 von weiteren 22 % bzw. 32 % zum Beweis der Restriktionswirkung des Monopols ins Feld geführt. Eine nähere Analyse, worauf diese Rückgänge tatsächlich beruhen, und eine Aussage dazu, ob dies nicht nur ein vorübergehendes Phänomen ist, gibt es bislang jedoch nicht. Insofern ist der schon im Kammerurteil vom 16.4.2008 enthaltene Hinweis nicht nachhaltig entkräftet worden, der immerhin im Jahr 2007, also in Kenntnis eines künftig erforderlichen Restriktionskurses erstellte Geschäftsbericht 2006 der STLG gehe selbst von nur „vorübergehenden“ Umsatzrückgängen aus.
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d) Einen zentralen und fortdauernden Strukturmangel sieht die Kammer schließlich im wirtschaftlichen Aufbau des Annahmestellensystems. Der Monopolist bedient sich beim Vertrieb seines Wettangebots privater Dritter, die mittels umsatzabhängiger und folglich stets die Gefahr einer extensiven Vermarktung in sich bergender Provisionen bezahlt werden. Wie in der Vergangenheit auch, erhalten die Annahmestelleninhaber derzeit einen festen und einheitlichen Provisionssatz (Vertriebskonzept, Seite 11/12). Dieser liegt für alle Glücksspiele (ausgenommen Rubbellos, wo es 10 % sind) bei 6,6 % des bei den Annahmestellen getätigten Spieleinsatzes. Vergegenwärtigt man sich, dass angesichts des in 2007 in Baden-Württemberg getätigten Glücksspielumsatzes von ca. 1 Mrd. EUR jede der Annahmestellen hierzu einen (durchschnittlichen) Umsatz von etwa 270.000,-- EUR beitrug, was wiederum einer (durchschnittlichen) Jahresprovision (ohne Rubbellos) von etwa 18.000,-- EUR entsprach, kann diese Einnahmequelle wirtschaftlich nicht vernachlässigt werden.
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Das gilt ungeachtet der in Nr. 8 des jeweiligen Zusatzvertrages zwischen der STLG und den Annahmestellenleitern vereinbarten Bedingung, wonach die Verkaufsstelle nur im Nebenerwerb betrieben werden und der Spielbetrieb nicht die vorrangige Einnahmequelle sein darf. Diese Regelung ist nach Auffassung der Kammer ungeeignet, eine relevante Begrenzung und Steuerung des Wirtschaftsgebarens eines Annahmestellenleiters auszuüben. Mit dieser Formulierung sind schon Auslegungs- und Erfüllungsschwierigkeiten vorprogrammiert. Denn die Grenze zwischen Haupt- und Nebenerwerb kann periodisch durchaus fließend sein, ferner bleibt unklar, ob spätere Änderungen eine Mitteilungspflicht auslösen und schließlich kann kaum von allen der mehr als 3.600 Vertragspartner erwartet werden, dass diese ständig ihre möglicherweise zeitlich variierenden Erwerbsverhältnisse vor Augen haben. Weitaus problematischer allerdings ist es, dass das RP Karlsruhe - seitens der STLG übrigens bezeichnenderweise unwidersprochen - dem Begriff des „Nebenerwerbs“ die Auslegung gibt, das gesamte Glücksspielgeschäft dürfe bis 49 % des Umsatzes ausmachen. Es liegt aber selbst bei Parallelwertung durch einen Nicht-Kaufmann auf der Hand, dass ein dieser Interpretation noch genügender Umsatz von „nur“ 40 % bis 49 % wirtschaftlich für einen Annahmestelleninhaber von erheblicher Bedeutung ist. Ein wirtschaftliches „Standbein“ in dieser Größenordnung übt nämlich auf den Provisionsnehmer erhebliche Anreizwirkungen hin auf eine Umsatzsteigerung aus. Das gilt auch ungeachtet dessen, dass Sportwetten wiederum nur 4 % des gesamten Jahresglücksspielumsatzes ausmachen. Gerade weil die Bereitstellung des gesamten Wett- und Lotterieangebots in den Annahmestellen erfolgt (vgl. Seite 7 des Vertriebskonzepts - wenngleich dies unter dem Gesichtspunkt der „besseren sozialen Kontrolle“ hervorhebend), kann in wirtschaftlicher Hinsicht ein Anreiz des Annahmestelleninhabers, auch für Sportwetten Umsätze zu erzielen, vernünftigerweise nicht verneint werden. Zwar ist eine Reduktion der Umsatzabhängigkeit im Jahr 2009 vorgesehen und es soll dann auch der Einsatz weiterer umsatzunabhängiger Faktoren bei der Ausgestaltung der Provision geprüft werden (vgl. Vertriebskonzept, Seite 12), die zuvor dargelegten aktuellen - d.h. im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt existierenden - Mängel werden durch eine bloße Absicht jedoch nicht behoben.
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2. Die vorgenannten strukturellen Mängel des Vertriebskonzepts beeinträchtigen die Erreichung des Ziels der Spielsuchtbekämpfung auch derart gravierend, dass sie nach Auffassung der Kammer nicht durch die Kompensationsmaßnahmen des Beklagten wirklich ausgeglichen werden, die auf diesen Gebieten bis zum heutigen Zeitpunkt konkret ergriffen und umgesetzt wurden.
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a) Das System der Spielersperre in seiner jetzigen Ausgestaltung ist nicht geeignet, spielsuchtgefährdete oder gar klar spielsüchtige Wettteilnehmer zu identifizieren und von einer weiteren Teilnahme effektiv auszuschließen. Das zeigen schon die geringen Zahlen der tatsächlich verhängten Sperren: Im ersten Quartal 2008 wurden im Wege der Fremdsperre lediglich 9 Spieler durch die STLG gesperrt und damit effektiv vor sich selbst geschützt. Angesichts eines geschätzten Anteils von ca. 4 % Spielsüchtigen unter den Sportwettenteilnehmern (vgl. Stöver, Bremer Institut für Drogenforschung - BISDRO - , Glücksspiel in Deutschland - Eine repräsentative Untersuchung zur Teilhabe und Problemlage des Spielens um Geld, Dezember 2006, S.7 - aufrufbar unter: www.gluecksspielsucht.de > Forschungsergebnisse) und bei einer Gesamtzahl von 3612 Annahmestellen und bundesweit 250.000 Spielsüchtigen ist dies eine nur sehr geringe Zahl. Diese erklärt sich schon daraus, dass die Kriterien für die Verhängung einer Fremdsperre im Glücksspielstaatsvertrag, aber auch im Ausführungsgesetz nicht klar definiert werden. Auch die Kriterien, anhand deren die Annahmestellenbetreiber nach dem vorgelegten Sozialkonzept Spielsuchtgefährdete identifizieren sollen (unverhältnismäßig hohe Einsätze in Relation zum Einkommen, häufige große Verluste etc. - siehe § 9 Abs.1 S.1 Nr.2 GlüStV und S.26 der Schulungsunterlagen für die Verkaufsstellen als Anlage zum Sozialkonzept) sind kaum praktikabel, weil die Annahmestelleninhaber - außer bei persönlicher Bekanntschaft mit dem Teilnehmer oder in Fällen eines offensichtlichen äußeren Erscheinungsbildes - regelmäßig keine Kenntnis von den Einkommensverhältnissen ihrer Kunden und auch nicht von der Höhe ihrer sonstigen Einsätze bei anderen Annahmestellen haben. Obendrein lässt sich eine persönliche Identifizierung als Spielsüchtiger anhand übermäßig hoher und häufiger Einsätze und Verluste seitens der Teilnehmer leicht durch das Aufsuchen zahlreicher verschiedener Annahmestellen vermeiden, wie sie aufgrund des dichten Netzes buchstäblich „an jeder Straßenecke“ vorhanden sind. Von daher verfängt das Argument des Beklagten nicht, der durchschnittliche Spieleinsatz bei den Sportwetten betrage nur zwischen 8,50 und 14 EUR, so dass schon jeder davon abweichende höhere Einsatz auffalle und dem Annahmestellenbetreiber ggf. Anlass für Nachfragen geben könne. Ganz abgesehen davon beträgt nach eigenen Angaben der STLG der Höchsteinsatz pro Tipp auf einem Spielschein immerhin 250 EUR, so dass bis zu einem solchen Betrag wohl keine Nachfrage indiziert erscheint. Zudem wurde im Termin deutlich, dass die STLG gegenüber Fremdsperren eher eine zurückhaltende Linie verfolgt. Zum einen geht sie davon aus, dass die wirklich suchtgefährdeten Spieler sich ohnehin bei den privaten gewerblichen Sportwettenanbietern aufhalten, die 80% des gesamten Sportwettenmarktes ausmachen, und zum anderen befürchtet sie erklärtermaßen, Spielsuchtgefährdete sonst ganz aus den Augen bzw. an die private Konkurrenz zu verlieren. Sie favorisiert daher die Eigensperre, zu der sich der suchtgefährdete Spieler aufgrund nachhaltiger sozialpädagogischer Einwirkungen und Gesprächen mit Suchtberatungsstellen, Annahmestellenbetreibern und Bezirksdirektoren entschließt. Das Argument des Beklagten, andernfalls würden solche Spieler gleich zur privaten Konkurrenz abwandern, die ohnehin 80% des Marktes bediene, stellt im Übrigen das staatliche Monopol in aller Deutlichkeit selbst in Frage.
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Auch das Anfang 2008 eingeführte Oddset-Informationssystem trägt bei genauer Betrachtung nicht zu einer effektiveren Handhabung des im Glücksspielstaatsvertrag angelegten Instruments der Fremdsperre bei. Der Spielerschutz ist hier nur ein Nebeneffekt, da dieses System primär der Aufdeckung von Spielmanipulationen anhand ungewöhnlich hoher Umsatzzahlen bei einzelnen Annahmestellen dient und deshalb allenfalls mittelbar in Fällen über den Schwellenwerten (3000, 7000 und 10.000 EUR) liegender Umsätze dazu führen kann, dass eine bestimmte Annahmestelle und die dort wettenden Spieler und deren Verhalten genauer in den Blick genommen werden. Die genannten Schwellenwerte sind zudem derart hoch angesetzt, dass sie angesichts eines Durchschnittsumsatzes einer Annahmestelle von lediglich 180 EUR wöchentlich kaum dazu taugen, auf Spielsucht indizierende hohe Einsätze einzelner Spieler aufmerksam zu werden. Eine individuelle Identifizierung Spielsüchtiger anhand der Kundenkartenidentifizierung und der Datenbankinformationen der STLG über die Häufigkeit und Höhe der Einsätze und der Verluste ist außerdem schon aus Datenschutzgründen gar nicht möglich.
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b) Das zum Schutz spielsuchtgefährdeter Spieler und zur Vorbeugung der Spielsucht durchaus effektive und sinnvolle Instrument von nur maximal zuzulassenden Höchsteinsätzen pro Spieler gibt es schließlich nach wie vor nur in der seinerzeit von der Kammer in ihren Grundsatzurteilen als nicht zureichend qualifizierten rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung, die bis heute im Wesentlichen unverändert geblieben ist. Die Halbierung der Höhe des möglichen Einsatzes pro Tipp bei Oddset-Wetten von 500.- EUR auf 250.- EUR ändert nichts daran, dass mit mehreren Spielscheinen und an verschiedenen Annahmestellen weiterhin um insgesamt große Summen gespielt werden kann. Das Argument des Beklagten, eine weitere Verbesserung der Höchsteinsatzregelung sei schon deshalb nicht erforderlich, weil eine Höchstgrenze nur in Relation zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Sportwettenteilnehmers sinnvoll sei, verkennt, dass sich der Spielerkreis wohl überwiegend nicht aus finanziell und sozial besser Gestellten zusammensetzt, für die auch Einsätze von mehreren hundert Euro kein Problem darstellen, sondern aus Personen, die gerade durch das Wetten versuchen, ihre insoweit wirtschaftlich eher bescheidene Stellung aufzubessern (vgl. Hayer/Meyer, Das Gefährdungspotenzial von Lotterien und Sportwetten, Mai 2005, S.100, 101 - abrufbar unter: www.landesfachstelle-gluecksspielsucht-nrw.de/pdf/ gefaehrdungspotenzial-Hayer-Meyer.pdf, wonach 35% der befragten Sportwettenteilnehmer arbeitslos, Rentner, Student, oder berufsunfähig waren und 60% nur zwischen 500 -1500 EUR netto verdienten). Auch das Argument, eine strengere Höchstgrenzenregelung sei nicht erforderlich, weil ein einmaliges Spiel mit einem hohen Einsatz noch keine Suchtgefahren auslöse, spricht nicht gegen eine Höchstgrenzenregelung, die den Gesamteinsatz eines Spielers etwa pro Woche limitiert (siehe insoweit etwa Ziff.14 der Stellungnahme des Fachverbandes Glücksspielsucht e.V. zum Entwurf des Glücksspielstaatsvertrags - abrufbar unter www.gluecksspielsucht.de > Materialien > Stellungnahmen).
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c) Was die Spielsuchtbekämpfung und insbesondere die Prävention angeht, verkennt die Kammer nicht, dass hier ausweislich des mittlerweile vorliegenden Vertriebskonzepts und des ebenfalls jetzt vorgelegten Sozialkonzepts sowohl im Bereich der Hinweise, der Beratungsangebote als auch der Schulungen der Mitarbeiter der Annahmestellen deutliche Fortschritte gegenüber dem vom Bundesverfassungsgericht noch missbilligten Zustand im Jahre 2006 zu verzeichnen sind, als es in dieser Richtung gar keine bzw. nur sehr wenige Bemühungen gab. Inzwischen kann davon ausgegangen werden, dass die Annahmestellenbetreiber und deren Personal alle geschult wurden und regelmäßig auch weiter zum Thema Suchtgefahren und Jugendschutz geschult werden. Es ist auch nicht zu übersehen, dass in großem Umfang und optisch auffällig auf Flyern, Plakaten, Hinweisschildern, Broschüren, Spielquittungen, Internetseiten usw. auf die Gefahren der Spielsucht und auf das Spielverbot für unter 18-Jährige hingewiesen wird. Außerdem existiert mittlerweile ein Fachbeirat, der beratend tätig wird.
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Das vermag aber nicht, die strukturellen Mängel des staatlichen monopolisierten Sportwettensystems mit einem landesweit dichten Netz umsatzorientiert operierender Annahmestellen zu konterkarieren, die betont kundennah im direkten Kontext mit dem Vertrieb alltäglicher Waren und ohne wirkliche Distanz zu Jugendlichen arbeiten und dadurch der Missachtung des Spieler- und Jugendschutzes sowie der Spielsucht erst einmal deutlich Vorschub leisten.
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d) Auch die Schulungen der Annahmestellenbetreiber (vgl. Ziff.4 des Vertriebskonzepts, Ziff.4.6 des Sozialkonzepts , Ziff.4 des Annahmestellenzusatzvertrags) vermögen offenbar nur sehr begrenzt, den systemimmanent bestehenden Zielkonflikt aufzulösen, dem sie sich ausgesetzt sehen, wenn sie einerseits einträglich wirtschaften wollen, sich andererseits dabei aber ohne wirtschaftlichen Anreiz allein aus Rücksicht auf Jugendliche und Spielsuchtgefährdete selbst zurücknehmen sollen. Schon der bloße Umstand, dass es offenbar nötig erscheint, durch intensive Schulungen überhaupt die für jedermann leicht verständliche und eingängige Minimalregel des Jugendschutzes, nämlich das Spielverbot für unter 18-Jährige, gegenüber den Annahmestellenbetreibern zu betonen, obwohl die entsprechenden Regelungen schon seit Jahrzehnten existieren (vgl. § 6 Abs.2 JuSchG), zeigt, dass schon nach Ansicht der STLG hier ein aus ökonomischen Interessen gespeistes Potential an tendenzieller Missachtung des Jugendschutzes besteht, das allein durch die Geltung des JuSchG offenbar noch nicht ausreichend eingedämmt wird. Soweit zum Jugendschutz geschult wird, stellt dies eine „Schulung“ zu einer bloßen Selbstverständlichkeit dar. Soweit zu Suchtgefahren mit dem Ziel geschult wird, die Annahmestellenbetreiber in die Lage zu versetzen, beratend bzw. abratend auf Spieler einzuwirken bzw. spielsüchtige Spieler zu erkennen und dann durch Schaltung einer Sperre am weiteren Spiel zu hindern, ergibt sich aus dem oben Gesagten, dass die Annahmestellenbetreiber ganz offenkundig die dafür wirklich wesentlichen Informationen über Einkommensverhältnisse, Spielergebnis, Häufigkeiten des Spiels und Verluste der bei ihnen Wetten abschließenden Personen nicht haben und allenfalls zufällig erlangen können bzw. sich in einem Rollenkonflikt zwischen Verkäufer und invasiv in die Privatsphäre des Kunden hineinforschenden Sozialarbeiter wiederfinden (siehe die vorgelegte Dokumentation und Auswertung der Schulungen für Januar bis März 2008 der mit den Schulungen beauftragten Evangelischen Gesellschaft: Suchtberatungsstelle „eva“, S. 14). Aus der Dokumentation ergibt sich insoweit auch, dass viele Annahmestellenbetreiber eher dazu neigen, den Zielkonflikt zugunsten eigener wirtschaftlichen Interessen zu lösen, und zu einem nicht unbeträchtlichen Teil obendrein selbst aktive Spieler sind, von denen manche sogar Tendenzen zur Spielsucht in sich tragen (siehe Dokumentation S.10 ).
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Die im Wesentlichen übereinstimmenden Ergebnisse des im April 2008 bei 110 Lottoannahmestellen in Baden-Württemberg durchgeführten sog. „Mystery-Shopping“ (= Testkauf, Testspielaktion) und der in der mündlichen Verhandlung von den STLG Mitarbeitern dargelegten eigenen Erfahrungen mit Testkäufen/Testspielern zeigen zudem deutlich, dass offenbar selbst intensive Schulungen keinen nachhaltigen Effekt erzielen, denn in einer prozentual weit überdurchschnittlichen Zahl von Fällen (laut Mysteryshopping: ca. 62 % , laut eigener Testaktionen der STLG: ca. 50 %) war es Kunden möglich, ohne Ausweiskontrolle zu spielen und Wetten abzuschließen. (In die gleiche Richtung weisen auch die in einem FOCUS-Artikel (Ausgabe v. 7.7.2008) zitierte Untersuchungen zum gleichen Thema in Bayern).
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e) Was die nunmehr allenthalben anzutreffenden Warnhinweise bezüglich der Spielsuchtgefahren angeht, ist angesichts des aus der Psychologie bekannten Phänomens der kognitiven Dissonanz (Verarbeitung konfligierender Informationen/Erfahrungen: z.B. „Ich rauche“ - „Rauchen ist schädlich“) und der Erfahrungen z.B. mit entsprechenden Hinweisen auf die tödlichen Gefahren des Rauchens auf Zigarettenpackungen, die von vielen Rauchern schon nach eigener Aussage gar nicht mehr wahrgenommen, sondern ausgeblendet werden (siehe dazu http://de.wikipedia.org/wiki/Kognitive_Dissonanz), fraglich, inwieweit ein vornehmlich aus finanziellen Erwägungen (Gewinnerwartung) gespeistes und durch entsprechende Werbung sogar noch erregtes Interesse an der Sportwettenteilnahme dadurch wirklich nennenswert wieder eingedämmt wird.
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f) Auch die rechtlichen und tatsächlichen Regelungen über die Art und den Zuschnitt des Sportwettenangebots sind nach wie vor in ihrer derzeitigen Ausgestaltung nicht geeignet, die Spielsucht konsistent und systematisch einzudämmen. Eine Beschränkung der Sportwetten, denen insbesondere bei den Oddset-Wetten wegen ihrer festen Gewinnquoten ein besonders hohes Suchtpotential zugeschrieben wird, durch die Begrenzung des Spielangebots (nur geringe Zahl wöchentlicher Wettpaarungen, Verzicht auf überproportional suchtgefährliche Varianten wie z.B. Live-Wetten oder Verzicht auf Wetten mit erhöhter Manipulierbarkeit des Sportereignisses wie z.B. Wetten auf die Zahl der in einem Fußballspiel gezeigten gelben Karten ) findet sich ebenso wie die Reduzierung der Gewinnausschüttungen auf maximal 50 - 55% lediglich pauschal formuliert unter Ziff.5.2 des Sozialkonzepts der STLG. Ein wirklich handhabbarer und detailliert kontrollierbarer Rahmen wird damit indessen nicht vorgegeben. Auch die nach wie vor gültigen Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi- und Top-Wette, die das Finanzministerium am 08.11.2007 bekanntgemacht hat und die von der STLG als ein lediglich weiter Rahmen des Erlaubten im Sinne einer Allgemeinen Geschäftsbedingung verstanden und der Gestaltung ihres Spielangebots zugrunde gelegt werden, enthalten keine wirklich klaren Einschränkungen und Vorgaben für eine Begrenzung des Spielangebots. Sie widersprechen zudem in ihrer noch immer unverändert aktuell gültigen Form teilweise direkt § 21 Abs.1 GlüStV, der ausdrücklich regelt, dass nur auf den Ausgang von Sportereignissen gewettet werden kann, also Live-Wetten auf Zwischenspielstände und dergleichen ausgeschlossen sind. Die Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette (GABl. v. 20.12.2007, S.648) lassen hingegen unter § 3 Abs.1, Abs.5 und Abs.6 auch Wetten nicht nur auf den Ausgang, sondern auch auf bestimmte Ereignisse innerhalb eines Sportereignisses zu. Dasselbe gilt für die Oddset-Kombi-Wette (GABl. 20.12.2007, S. 639), deren Teilnahmebedingungen Wetten auf einen bestimmten Ausgang oder ein bestimmtes Ergebnis, aber auch auf ein bestimmtes Ereignis zulassen. § 21 Abs.1 GlüStV ist im Übrigen normativ defizitär, da diese Vorschrift es ohne jegliche weitere inhaltliche Vorgaben der erst zum Jahresende 2008 notwendigen Erteilung der Glücksspielerlaubnis durch das Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde überlässt, im Detail Art und Zuschnitt des Angebots ggf. durch entsprechende Auflagen sicherzustellen. Ferner liegen interne Richtlinien zu Art und Zuschnitt des Sportwettenangebots auf der Verwaltungsebene der Glücksspielaufsichtsbehörde bisher nicht vor. Wie sich in der mündlichen Verhandlung herausstellte, besteht vor diesem Hintergrund noch nicht einmal vollständige Klarheit, ob etwa die sogenannte Handicap-Wette danach ein zulässiges Sportwettenangebot sein soll oder nicht. Der seit 01.01.2008 eingerichtete Fachbeirat (§ 10 Abs.1 S. 2 GlüStV) hat sich bisher zwar unter anderem auch mit dem Sportwettenangebot befasst, ohne dass diese Arbeit sich aber bislang in konkreten Empfehlungen, Beschlüssen oder Leitlinien niedergeschlagen hätte. Insgesamt offenbart sich auch hier ein derzeit bestehendes normativ-regulatives Strukturdefizit, das es mangels klarer Vorgaben aktuell noch immer genau besehen allein der STLG, also dem wirtschaftlich interessierten Monopolisten, selbst überlässt, zu definieren, welches Angebot seiner Ansicht nach zulässig bzw. unzulässig ist. Von dieser Definitionsmacht hat die STLG bisher aber nur in nicht wirklich dauerhaft selbstbindender Weise und nur nach eher vagen, zufälligen Kriterien Gebrauch gemacht.
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g) Ähnliches gilt für die Werbebeschränkungen . Hier findet sich neben der inhaltlich nur sehr vagen gesetzlichen Vorgabe in § 5 Abs.1, Abs.2 GlüStV, die Werbung dürfe nur informativ aufklärend, aber nicht aufmunternd, anreizend, irreführend und an Jugendliche gerichtet sein, bislang nur unter Ziff.5.3 des Sozialkonzepts der STLG eine katalogartige Aneinanderreihung ähnlich unbestimmter Begriffe, die zu einer positiven wie negativen Abgrenzung beitragen sollen und immerhin durch einige Beispiele zu einer gewissen Konkretisierung beitragen können (keine Darstellung als unbedenkliche Freizeitbeschäftigung, keine gezielte Ansprache eine jugendlichen Publikums, keine Werbung mit jugendlichen Werbeträgern und keine Versprechen eines schnellen risikolosen Reichtums usw.). Außerdem soll es inzwischen bundesweit zwischen den Ländern abgesprochene Werberichtlinien geben. Die Beaufsichtigung bundesweiter Werbeaktionen des Toto-Lotto-Blocks (DTLB) ist dabei allerdings noch ungeklärt. Die Bedenken, wie sie die Kammer gegenüber dem Werbekonzept der STLG in ihren Grundsatzurteilen vom April 2008 geäußert hat, sind damit aber nicht ausgeräumt. Insbesondere die Werbung mit der Dachmarke Lotto, die schon nach den eigenen Unterlagen und Broschüren der STLG deutlich mit ihren Unterprodukten z.B. Oddset, KENO etc. genannt und somit in Verbindung gebracht wird (Oddset, die Sportwette von Lotto - siehe www.lotto-bw.de > oddset), ist nach wie vor überregional mit zum Spiel animierender Werbung aktiv und zwar mit immer wieder besonders auffälliger, selbst vom beklagten Land als „atypisch“ qualifizierter Werbung, die mit immer wieder neuen besonderen Anlässen wie z.B. der Fußballeuropameisterschaft oder dem 50-jährigen Bestehen von Lotto Bad.-Württ. gerechtfertigt wird. Da die STLG sogar nach Ergehen des Bundesverfassungsgerichtsurteils noch im Sommer 2006 anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2006 aggressiv und namentlich für Oddset geworben hat, ist es auch besonders darlegungsbedürftig, konnte von der STLG im Termin aber nicht überzeugend dargelegt werden, dass Oddset nicht zum sogenannten „accepted set“ der deutlich und anpreisend beworbenen Dachmarke Lotto-BW gehören soll, also nicht mit deren Nennung vom Adressatenpublikum positiv mitassoziiert werden soll.
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Auch sonst geht die überregional auftretende Sportwettenwerbung weit darüber hinaus, dass sich nur die Annahmestellen selbst mit Flyern, örtlich geschalteten Anzeigen, Wimpeln, Schaufenstergestaltung etc. auf rein örtlicher Ebene dem Publikum bekannt machen und im Rahmen des dem staatlichen Monopolisten aufgegebenen Kanalisierungskonzepts über ihre Existenz informieren. Das ist auch nicht etwa zufällig so, sondern direkte Folge des Zielkonflikts, der darin besteht, dass der staatliche Monopolist STLG neben dem von ihm immer wieder hervorgehobenen insbesondere im Internet anzutreffenden breiten privaten Sportwettenmarkt existiert, also kein wirkliches Monopol im echten Sinne besitzt und daher anders als ein echter Monopolist gegenüber dieser Konkurrenz werbend bestehen muss, derer er sich in absehbarer Zeit wohl so schnell nicht wird entledigen können.
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Nach wie vor ist es auch so, dass der Glücksspielstaatsvertrag selbst keine Werbeeinschränkung hinsichtlich der Printmedien und des Rundfunks sowie der Postwurfsendungen und großflächiger Plakatwerbung regelt, so dass diese weiterhin zulässig sind (vgl. zu Bedenken insbesondere gegenüber unverlangt zugesandten Werbematerialien, wie Postwurfsendungen: Ziff.4 der Stellungnahme des Fachverbandes Glücksspielsucht e.V. zum Entwurf des GlüStV - a.a.O.). Dem Beklagten mag zwar zuzugeben sein, dass dem Land ein gewisser Beurteilungsspielraum dahingehend zukommt, selbst einzuschätzen und zu entscheiden, welche Werbeträger es für besonders aggressiv, öffentlichkeitswirksam, jugendnah und suchtfördernd hält und daher beschränken will. Wenig überzeugend ist insoweit allerdings sein Hinweis, die genannten noch zulässigen Werbeträger (Radio, großflächige Plakate, Printmedien) sprächen anders als das Internet und das Fernsehen das vorwiegend zu schützende jugendliche Publikum nur wenig an. Auch wenn die Leseneigung bei Jugendlichen zurückgegangen sein mag, dürfte doch das Radio als leicht konsumierbares Medium ebenso wie das Fernsehen ohne weiteres auch und gerade Jugendliche erreichen. Dafür, dass auch Plakatwerbung Jugendliche durchaus erreicht, spricht zudem, dass die STLG den Boxer Krasniqi, der als Sympathieträger gerade auch Jugendliche anspricht, im Rahmen der Suchtaufklärungskampagnen selbst auf großflächigen Plakaten auftreten lässt. Der bloße Ausschluss von Internetwerbung (und Fernsehwerbung) dürfte im Übrigen wohl schon deshalb nicht ausreichen, weil gar nicht dargetan ist, dass es sich nach der Spielerstruktur bei den Sportwettenteilnehmern der terrestrischen Annahmestellen vorzugsweise um Personen mit Internetzugang handelt. Vielmehr könnten als Kunden gerade technikferne, ältere Kunden in Betracht kommen, die keinen Internetzugang haben, oder aber Jugendliche, die zwar einen Internetzugang haben, aber noch nicht über eigene Kreditkarten verfügen, wie sie für eine Sportwettenteilnahme im Internet unerlässlich ist.
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3. Schließlich fehlt es derzeit an einem wirksamen Kontrollsystem, das die Ausrichtung des Monopols am Ziel der Suchtbekämpfung sicherstellt. Europarechtlich kommt es für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zentral auf die Effektivität der Überwachung und die Durchsetzung einer wirklich restriktiven Glücksspielpolitik an (vgl. EFTA-Gerichtshof, Urt. vom 14.03.2007, E -1/06, - Gaming Machines -, Rdnr. 51). Auch das Bundesverfassungsgericht verlangt strukturelle Sicherungen, die für die Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht sorgen; der Gesetzgeber muss geeignete staatliche Kontrollinstanzen mit ausreichender Distanz zu den fiskalischen Interessen des Staates einrichten (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnrn.120, 154). Denn nur so kann gesichert werden, dass ein Konflikt mit dem Ziel der Suchtbekämpfung nicht zugunsten der fiskalischen Interessen des Staates ausgeht (BVerfG, a.a.O., Rdnr. 127 f.)
55 
a) Der Glücksspielstaatsvertrag sieht zwar in § 9 eine finanzverwaltungsferne Glücksspielaufsicht vor. Diese kann aber derzeit auf kein wirksames normatives Kontrollsystem zurückgreifen. Auf das Instrument der Glücksspielerlaubnis, die an die Erfüllung konkreter Voraussetzungen gebunden ist (§ 2 Abs. 2 AG-GlüStV) und mit Bedingungen und Auflagen versehen werden kann (§ 2 Abs. 1 Satz 2 AG-GlüStV), kann die Glücksspielaufsicht nach derzeitiger, für die Entscheidung des Gerichts maßgeblicher Rechtslage allenfalls in geringfügigem Umfang als Kontrollmechanismus zurückgreifen. Denn der Landesgesetzgeber hat dem Monopolisten über die vom Bundesverfassungsgericht zugebilligte Übergangszeit hinaus einen weiteren Zeitraum bis zum 31.12.2008 zugestanden, in dem er seine bereits zum 01.01.2007 veranstalteten Glücksspiele ohne Erlaubnis fortführen darf (§ 2 Abs. 1 Satz 3 AG-GlüStV). Gleiches gilt für die Annahmestellen, die ihre Vermittlung ohne Erlaubnis bis zum 31.12.2008 fortsetzen dürfen, wenn sie bereits am 01.01.2007 in ein öffentliches Glücksspiel des Landes vermittelt haben (§ 7 Abs. 4 AG-GlüStV). Andere Kontrollinstrumente der Glücksspielaufsicht gegenüber dem Monopolisten oder einzelnen Annahmestellen sind gesetzlich nicht vorgesehen. Der Aufsicht bleibt in der Vielzahl der Fälle, in denen die Übergangsregelungen der §§ 2 Abs.1 Satz 3, 7 Abs. 4 AG-GlüStV greifen, nur die Möglichkeit, im Einzelfall Anordnungen nach § 9 GlüStV zu treffen. Damit diese Möglichkeit als effektiver Kontrollmechanismus wirkt, bedürfte es gerade angesichts der Vielzahl der Annahmestellen einer entsprechend gut ausgestatteten Glücksspielaufsicht. Hierzu enthält das Gesetz jedoch keinerlei Vorgaben.
56 
b) Tatsächlich ist die Glücksspielaufsicht personell auch schwach besetzt. Im gesamten Glücksspielreferat des Regierungspräsidiums Karlsruhe, das für ganz Baden-Württemberg zuständig ist, sind vier Juristen, sechs Mitarbeiter im gehobenen Dienst und fünf weitere Mitarbeiter für den Schreibdienst und Ähnliches tätig. Das Sachgebiet „Aufsicht und Erlaubnisse für staatlich veranstaltetes Glücksspiel und gewerbliche Spielevermittler“ betreuen ein Jurist und ein Mitarbeiter des gehobenen Dienstes. Der vom beklagten Land hervorgehobene Austausch zwischen den Mitarbeitern der einzelnen Sachgebiete ist nur begrenzt, wie die mündliche Verhandlung vom 16.04.2008 anschaulich belegt hat. Dort war als Beklagtenvertreter allein der Sachgebietsleiter für die Unterbindung unerlaubten Glücksspiels anwesend, der viele Fragen zum Bereich der Aufsicht und Erlaubnisse für staatlich veranstaltetes Glücksspiel nicht beantworten konnte.
57 
Die Mitarbeiter des Monopolisten, die mit monopolinternen Kontrollfunktionen befasst sind, können entgegen der vom beklagten Land vertretenen Auffassung nicht bei der personellen Ausstattung der Glücksspielaufsicht berücksichtigt werden. Schon § 10 Abs. 6 GlüStV setzt die Trennung der staatlichen Glücksspielaufsicht und des Monopolisten als Glücksspielveranstalter nach § 10 Abs. 2 GlüStV voraus. Vor allem aber kann von der europarechtlich gebotenen effektiven Überwachung des Monopolisten nicht mehr die Rede sein, wenn ihm als einem Unternehmen, das seine Wirtschaftlichkeit im Auge behalten muss, die Kontrolle über sich selbst übertragen wird. Vielmehr verlangt eine effektive Überwachung, dass die Endkontrolle der staatlichen, von fiskalischen Interessen unabhängigen Aufsicht vorbehalten bleibt.
58 
c) Dies schließt sicher kein „System der Kontrolle der Kontrolle“ aus, auf das sich das beklagte Land beruft. Ein solches System muss aber derartige strukturelle Sicherungen enthalten, dass eine effektive Kontrolle des Monopolisten durch die staatliche Aufsicht gewährleistet ist. Das ist hier nicht der Fall.
59 
aa) Das Gesetz räumt dem Monopolisten weite Spielräume bei der Ausgestaltung des Vertriebskonzepts (§ 7 Abs. 1 AG-GlüStV) sowie bei Art und Zuschnitt des Wettangebots ein, die ab 01.01.2009 in der Erlaubnis im Einzelnen zu regeln sind (§ 21 Abs. 1 Satz 2 GlüStV). Verwaltungsvorschriften oder Richtlinien wenigstens als Hilfe zur Interpretation der gesetzlichen Vorgaben - etwa welche Kriterien neben der räumlichen Bevölkerungsstruktur für das Vertriebskonzept noch zu berücksichtigen sind (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 4: „insbesondere“) oder welche Wetten als Einzelwetten auf den Ausgang eines Sportereignisses (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GlüStV) angesehen werden können - existieren jedoch nicht.
60 
bb) Auch Beschlüsse des inzwischen eingeführten Fachbeirats, die ungeachtet der rein beratenden Funktion dieses Gremiums (§ 10 Abs. 1 Satz 2 GlüStV) als Orientierungshilfe dienen könnten, liegen nicht vor. Gerade beim zulässigen Wettangebot bestehen aber erhebliche Unsicherheiten, wie die Diskussion in der mündlichen Verhandlung zwischen den Beteiligten einschließlich der Vertreter der STLG über die Zulässigkeit von Handicap-Wetten deutlich gezeigt hat.
61 
cc) Das inzwischen vorliegende Vertriebskonzept der STLG -das fast ein halbes Jahr zu spät erstellt worden ist, ohne dass dies zu irgendwelchen Konsequenzen der Glücksspielaufsicht gegenüber der STLG geführt hätte - ist zwar von der Glücksspielaufsicht gebilligt worden, jedoch mangels Integrierbarkeit in eine Glücksspielerlaubnis in keiner Weise abgesichert.
62 
dd) Allein im Bereich der Werbung sollen bundesweite, dem Gericht allerdings nicht vorgelegte Richtlinien existieren. Außerdem ist zwischen der Glücksspielaufsicht und der STLG eine Vorlage neuer Werbemaßnahmen vor Veröffentlichung abgesprochen.
63 
ee) Darüber hinaus bestehen strukturelle Sicherungen des Systems der Kontrolle der Kontrolle derzeit nicht. Die Ankündigung, dem Monopolisten in seiner Erlaubnis als Nebenbestimmung aufzugeben, mindestens halbjährliche unangekündigte Kontrollen zur Einhaltung des Jugendschutzes und des Spielerschutzes in allen Annahmestellen durchzuführen und der Aufsicht darüber halbjährlich zu berichten, weist in die richtige Richtung, ist aber zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht umgesetzt worden. Eine Glücksspielerlaubnis für die STLG - mit entsprechender Nebenbestimmung - liegt bislang nicht vor.
64 
ff) Sonstige Informations- oder Berichtspflichten der STLG zu bestimmten Themen bestehen nicht. In der mündlichen Verhandlung wurde zwar von monatlichen Gesprächsrunden über anstehende Probleme berichtet, gleichzeitig zeigte sich aber, dass die Glücksspielaufsicht weder über das aktuelle Wettangebot des Monopolisten noch über den konkreten Bestand der Annahmestellen und die einzelnen Fälle von Beanstandungen bei von der STLG veranlassten Kontrollen informiert war. Vielmehr erklärte der Vertreter des beklagten Landes, dass die Glücksspielaufsicht außerhalb des Bereichs der Werbung grundsätzlich davon ausgehe, dass die STLG sich an die gesetzlichen Vorgaben halte. Die STLG werde gebeten, die Glücksspielaufsicht zu benachrichtigen, wenn rechtliche Probleme auftauchten; sie teile der Aufsicht auf Anfrage Kontrollergebnisse mit. Diese Haltung der Glücksspielaufsicht gegenüber dem Monopolisten ist mit dem Auftrag einer effektiven Überwachung offensichtlich nicht zu vereinbaren. Schon bei einer Kontrolle staatlicher Behörden wäre ein solcher Vertrauensvorschuss unangebracht (vgl. dazu auch Millgramm, DVBl 2008, 821, 827 f., insbes. Fn. 29); dies gilt umso mehr für die Kontrolle der STLG, einer juristischen Person des Privatrechts, die bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im März 2006 primär umsatzorientiert gewirtschaftet hat und auch heute als Gesellschaft mit beschränkter Haftung wirtschaftlich handeln muss (siehe nur §§ 17, 19 InsO). Allein die Tatsache, dass das Land 100% der Gesellschaftsanteile hält, legt zwar vereinfachte Kontrollmöglichkeiten nahe, lässt die Überwachungspflichten aber keinesfalls entfallen (vgl. dazu EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming Machines, Rdnr. 51).
65 
gg) Dass die in der mündlichen Verhandlung von den Beklagtenvertretern erwähnten „sporadischen Kontrollen“ des Sportwettenangebots des Monopolisten sowie die 22 vom Referatsleiter persönlich getätigten Testkäufe ohne Bezug zu den von der STLG großflächig angelegten Testkaufserien keine wirksame „Kontrolle der Kontrolle“ darstellen, bedarf keiner näheren Ausführung.
66 
hh) Die Kammer verkennt nicht, dass die STLG gerade mit den Testkaufserien durch Externe einerseits und die Bezirksdirektionen andererseits sowie die Zusatzverträge mit den Verkaufsstellen, die bei Verstößen gegen die gesetzlichen Verpflichtungen aus dem GlüStV und dem AG-GlüStV Sanktionsmöglichkeiten bis zur fristlosen Kündigung des Vertrags vorsehen, Ansatzpunkte für ein System der „Kontrolle der Kontrolle“ geschaffen hat. Ohne durchsetzbare, festgelegte Berichts- und Meldepflichten gegenüber der Glücksspielaufsicht kann aber von einer effektiven Überwachung nicht die Rede sein.
67 
ii) Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Ergebnisse der Testkäufe mit einer Quote von etwa 50% Beanstandungen (so die Auskunft der Vertreter der STLG in der mündlichen Verhandlung; die Ergebnisse des Mystery-Shopping lagen bei einer noch höheren Beanstandungsquote von 62 %) nahelegen, dass dieser Missstand, wie oben ausgeführt, durch das Provisionsmodell strukturell bedingt ist und allein durch ein effektives Überwachungssystem nicht beseitigt werden wird.
IV.
68 
Das staatliche Sportwettenmonopol erweist sich auch unter Berücksichtigung des aktuellen Vorbringens des Beklagten und der jetzigen Sachlage weiterhin auch deshalb als derzeit (noch) europarechtswidrig, weil es eine zur Erreichung der Ziele des GlüStV nicht erforderliche Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt (vgl. Urteile vom 16.04.2008, dort II.3).
69 
Im Termin ist erneut deutlich geworden, dass das staatliche Monopol nur im Bereich der terrestrischen Annahmestellen ein echtes, nämlich gegen illegale Konkurrenz wirklich durchsetzbares Monopol darstellt, hingegen im Bereich des vom Angebot der STLG entsprechend den Vorschriften des GlüStV nicht abgedeckten Sportwettenmarktes im Internet ein sehr großes illegales Sportwettenangebot privater Veranstalter existiert, über das nach Schätzungen zwischen 30 - 50 % des gesamten Sportwettenumsatzes erzielt werden. Ferner hat sich bestätigt, dass dieses private Internetangebot jedenfalls bislang vom Beklagten insbesondere wegen der damit verbundenen rechtlichen und praktischen Schwierigkeiten noch nicht in nennenswertem Umfang durch Ordnungsverfügungen gegen die Veranstalter bzw. mittels Kooperationsabsprachen mit Banken über eine Drosselung der Finanzierung durch Kreditkartenabbuchungen zurückgedrängt wurde. Damit bleibt es bei dem Grundkonflikt, dass das staatliche Sportwettenmonopol, weil es sich gegenüber dem Internetangebot behaupten muss, nach wie vor einem starken Anreiz ausgesetzt ist, sich ebenso wie private Sportwettenanbieter durch offensive, aktive Werbestrategien zu behaupten, um erklärtermaßen einer Abwanderung von Sportwettenteilnehmern in diesen illegalen Bereich gegenzusteuern. Unverändert geblieben ist auch der Umstand, dass die STLG ihre Sportwetten über ein Vertriebsnetz vermarktet, das sich aus einer Vielzahl umsatzabhängiger privater Annahmestelleninhaber zusammensetzt und sich somit von privaten Sportwettenanbietern hinsichtlich der Anreize zur Missachtung von Spielerschutz- und Suchtbekämpfungsmaßnahmen nicht wesentlich unterscheidet.
70 
Was die Effektivität der Kontrolle und die Durchsetzungsmacht der STLG gegenüber ihren privaten Vertragspartnern im Vertriebsnetz angeht, ist ihr zwar zuzugestehen, dass sie in der Praxis nicht nur die Möglichkeit hat, gegenüber einer Annahmestelle mit rechtlichen Maßnahmen wie Abmahnungen, Vertragsstrafen oder fristloser Kündigung einzuschreiten, sondern diese darüber hinaus auch rein tatsächlich direkt durch Abkoppelung der Annahmestelle von der zentralen computergestützten Sportwettenannahme und -vermittlung aus ihrem Vertriebsnetz nehmen kann, wenn es zu Schwierigkeiten kommt, was die staatliche Aufsichtsbehörde gegenüber privaten Sportwettenveranstalten nicht tun könnte. Allerdings ist dem entgegenzuhalten, dass sich ein Annahmestelleninhaber auch gegen ein solches schlichtes Abkoppeln vom Vertriebsnetz ohne weiteres vor den ordentlichen Gerichten mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Wehr setzen könnte, da auch ein faktisches Abkoppeln vom Vertriebsnetz gegen den Annahmestellenvertrag verstoßen würde, wenn es grundlos erfolgt bzw. der Anlass bestritten wird. Unter diesem Aspekt wäre die faktische Durchsetzungsmacht zwar größer als gegenüber Sportwettenvermittlern, die an andere Sportwettenanbieter als die STLG vermitteln, aber letztlich auch nicht wieder so signifikant größer, dass sich hieraus die Erforderlichkeit eines staatlichen Monopols begründen ließe.
71 
Es mag auch zutreffen, dass es für die staatliche Aufsichtsbehörde einen geringeren Aufwand darstellt, lediglich das Werbekonzept eines einzigen staatlichen Sportwettenmonopolisten zu kontrollieren anstatt die Werbekonzepte von drei bis vier großen überregional auftretenden internationalen Sportwettenanbietern zu prüfen. Andererseits erfordert die Kontrolle der Werbung noch den geringsten Aufwand im Rahmen der gesamten Kontrolltätigkeit, denn in der Regel wird es sich um nur wenige gleichlautende Plakate, Werbespots oder Hinweiszettel handeln, die sich relativ leicht und schnell auf Verstöße gegen die Werbeeinschränkungen aus dem GlüStV kontrollieren lassen.
72 
Wie das vorgelegte Sozialkonzept des Verbands der Europäischen Wettunternehmer (VEWU) zeigt, sind diese auch durchaus bereit, sich freiwillig Beschränkungen hinsichtlich der Gewinnausschüttungsquote, der Art und des Zuschnitts der Sportwettenangebote und der Ausgestaltung ihrer Wettbüros aufzuerlegen, ein System der Spielersperre zu installieren, einen Sicherungsfond gegen Insolvenzausfälle einzurichten und Jugendlichen konsequent den Zugang zu verweigern, so dass es ihnen gegenüber jedenfalls nicht einer stärkeren und dichteren staatlichen Kontrolle als gegenüber den privaten Annahmestelleninhabern der STLG bedürfte.
73 
Was die Kriminalitätsrisiken und Betrugsgefahren angeht, hat das beklagte Land selbst eingeräumt, dass diese nicht an erster Stelle der Ziele stehen, mit denen das staatliche Monopol zu rechtfertigen ist. Das insoweit nach den europarechtlichen Vorgaben darlegungsbelastete Land hat es auch nicht vermocht, zur Frage negativer bisheriger Erfahrungen mit den privaten Betreibern legaler Glücksspiele (Pferdewetten, Geldspielautomaten, Spielcasinos) sowie mit den privaten Annahmestelleninhabern der STLG hinsichtlich der Kriminalitätsbelastung aussagekräftigen Angaben zu machen. Es mag zwar sein, dass es in diesem Bereich Dunkelziffern gibt und dass die Anzeigefreudigkeit von Kriminalitätsopfern gering ist, die sich im Bereich illegaler Glücksspiele womöglich wegen eigener Teilnahme nach § 285 StGB strafbar machen würden. Hier aber geht es um legale Glücksspielbereiche, die obendrein seit Jahrzehnten von Privaten betrieben werden, so dass bei wirklichen Missständen zu erwarten wäre, dass entsprechende Kriminalitätsbelastungen zumindest ansatzweise bekannt geworden wären. Dafür fehlt hier aber jeder Anhaltspunkt. Zwar mag immerhin ein gewisser Anteil der mit Untersagungsverfügungen landesweit geschlossenen ca.700 privaten Sportwettenbüros selbst nach Bestätigung der Untersagungsverfügungen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Vermittlungstätigkeit tatsächlich nicht aufgegeben und sich damit als nicht rechtstreu bzw. mit Blick auf § 284 StGB womöglich sogar als kriminell erwiesen haben. Das besagt aber nicht, dass ein staatliches Monopol erforderlich ist, um mit dem Sportwettenbetrieb verbundene Kriminalitätsgefahren zu bekämpfen.
V.
74 
Noch einmal zu bestätigen ist schließlich, dass das Sportwettenmonopol mangels systematischer und kohärenter Zielverfolgung auch EG-wettbewerbswidrig ist. (vgl. dazu bereits Urteil vom 16.4.2008, unter II.4.). Der Einwand des beklagten Landes, die Ausführungen der Kammer in den Urteilen vom 16.4.2008 ließen nicht erkennen, welcher Bezug der Wettbewerbsvorschriften zum subjektiven Recht des jeweiligen Klägers bestehe bzw. es werde übersehen, dass die Wettbewerbsvorschrift des Art. 82 EG sich nicht an den Staat, sondern an Unternehmen richte, greift nicht durch.
75 
Die Prüfung des Sportwettenmonopols erfolgt am Maßstab des Art. 86 EG. Adressaten von Art. 86 Abs. 1 EG sind ausschließlich die Mitgliedstaaten und nicht die Unternehmen selbst, für die wiederum direkt nur Art. 81 und 82 EG gelten. Den Mitgliedsstaaten stehen Hoheitsträger im Staatsgebiet, insbesondere die Gebietskörperschaften gleich. Gerade im Bereich von - wie hier - Dienstleistungsmonopolen gelangt Art. 86 EG in Verbindung mit den Wettbewerbsregeln zur Anwendung (Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, 4. Auflage 2007, B. Art. 86 im System des EG-Vertrags, Rnrn. 55, 56; von Burchard, in: Schwarze, EU-Kommentar, 1. Aufl. 2000, Art. 49 Rnr. 87 [unter Hinweis darauf, dass der EuGH offenbar Art. 86 Abs. 2 EG gegenüber Art. 49 EG als speziellere Vorschrift ansehe] und Art. 86 Rnr. 11). Die Tatsache, dass Art. 86 Abs. 1 EG die Existenz von Unternehmen voraussetzt, die bestimmte besondere oder ausschließliche Rechte innehaben, ist nicht dahin zu verstehen, dass alle besonderen und ausschließlichen Rechte notwendigerweise mit dem EG-Vertrag vereinbar sind. Dies hängt vielmehr von den Vertragsvorschriften ab, auf die Art. 86 Abs. 1 EG verweist (so zu Art. 90 Abs. 1 EG-Vertrag: EuGH, Urt. v. 19.3.1991 - C-202/88 - [Telekommunikations-Endgeräte], Leitsatz 2; von Burchard, a.a.O., Art. 86, Rnr. 27). Zu den zu beachtenden Vorschriften gehören - soweit vorliegend bedeutsam - insbesondere der ausdrücklich in Art. 86 Abs. 1 EG genannte Art. 82, ferner aber gerade auch die Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr (EuGH, Urt. v. 18.6.1991 - C-260/89 [ERT], Rnr. 27). Dem Anwendungsbereich des Art. 86 EG unterfallen folglich auch Maßnahmen eines Mitgliedstaats (hier: Inkraftsetzen einer Gesetzesbestimmung), mit denen er eine Lage schafft, in der das bevorrechtigte Unternehmen schon durch die bloße Ausübung des übertragenen Rechts (hier: monopolartige Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten) zwangsläufig gegen den Vertrag verstoßen muss (EuGH, Urt. v. 11.12.1997 - C-55/96 [Job Centre] - Rnr. 29; von Burchard, a.a.O., Art. 86 Rnr. 37). Ein wettbewerbswidriges Verhalten der STLG muss sich damit aber das beklagte Land zugleich als unzulässige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zurechnen lassen (so auch von Burchard, a.a.O., Art. 49 Rnr. 88), worauf sich der jeweilige grundfreiheitsberechtigte Kläger wiederum für den Erfolg seiner Klage berufen kann.
VI.
76 
Die angefochtene Untersagungsverfügung des Regierungspräsidiums ist auch insoweit rechtswidrig und aufzuheben, als sie die Vermittlung von Sportwetten an solche Veranstalter untersagt, die im Bundesgebiet ansässig sind. Zwar vermittelte der Kläger in der Vergangenheit Sportwetten nur an einen in einem EU-Mitgliedsstaat ansässigen und dort konzessionierten Sportwettenveranstalter. Die angefochtene Verfügung untersagt aber darüber hinaus umfassend auch jede Vermittlungstätigkeit für im Bundesgebiet ansässige Sportwettenveranstalter. Eine solche Dienstleistung ohne grenzüberschreitenden Bezug wird vom Schutz der Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EG nicht erfasst. Ob die Verfügung insoweit bereits deshalb rechtlichen Bedenken unterliegt, weil die Ermittlungen und Feststellungen, die zum Erlass der Verfügung führten, keine Anhaltspunkte für die Annahme einer Vermittlung an einen im Bundesgebiet ansässigen privaten Veranstalter ergaben, kann offen bleiben. Denn jedenfalls leidet die Verfügung an einem zu ihrer Rechtswidrigkeit führenden Ermessensfehler. Da das staatliche Sportwettenmonopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung keine rechtmäßige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EG darstellt und deshalb gemeinschaftsrechtswidrig ist, müssen - jedenfalls bis zu einer gemeinschaftsrechtskonformen Ausgestaltung - Wettvermittlungen an in EU-Mitgliedsstaaten ansässige und dort konzessionierte Sportwettenveranstalter vom beklagten Land hingenommen werden, soweit sie durch Unionsbürger oder in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaften im Sinne der Art. 55, 48 EG erfolgen. Auf derartige Wettvermittlungen beschränkte sich die bisherige Tätigkeit des Klägers. Vor diesem Hintergrund kann das beklagte Land das mit den Untersagungsverfügungen verfolgte Ziel, landesweit die Vermittlung von Sportwetten an private Veranstalter zu unterbinden, weil es diese Tätigkeit wegen des staatlichen Sportwettenmonopols für unerlaubt hält, nicht mehr verwirklichen. Der terrestrische Vertrieb von Sportwetten betrifft in ganz erheblichem Umfang Sportwettenveranstalter, die im EU-Ausland ansässig sind, weil sie ihr Sportwettengeschäft auch über terrestrische Annahmestellen abwickeln. Entfällt demnach derzeit für das beklagte Land die Möglichkeit, die Vermittlung von Sportwetten an im EU-Ausland ansässige Sportwettenveranstalter zu unterbinden, bedarf es im Rahmen der Ermessensausübung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV tragfähiger Erwägungen, die ein Einschreiten gegen die Sportwettenvermittlung im Inland rechtfertigen, obwohl die weit umfangreichere grenzüberschreitende Vermittlung ins EU-Ausland hingenommen werden muss. Solche Erwägungen finden sich weder in der angefochtenen Untersagungsverfügung noch sind sie bisher vorgetragen worden.
VII.
77 
Der Kläger ist nicht Angehöriger eines Mitgliedsstaats, sondern Drittstaatsangehöriger. Drittstaatsangehörige können sich grundsätzlich nicht auf Art. 49 EG berufen. Von der Möglichkeit des Art. 49 Satz 2 EG, die Dienstleistungsfreiheit auf in der Gemeinschaft ansässige Drittstaatsangehörige auszudehnen, wurde - soweit ersichtlich - bislang kein Gebrauch gemacht (vgl. Schwarze, EU-Kommentar, 1. Auflage 2000, Art. 49 EGV, RdNr. 36). Ob im vorliegenden Fall der persönliche Geltungsbereich des Art. 49 EG im Wege eines Assoziierungsabkommens auf Drittstaatsangehörige ganz oder teilweise erstreckt wurde, erscheint fraglich, kann aber offen bleiben. Die angefochtene Untersagungsverfügung erweist sich nämlich auch dann als rechtswidrig, wenn sich der Kläger nicht auf Art. 49 EG berufen kann.
78 
Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV steht es im Ermessen des Regierungspräsidiums, die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür zu untersagen. Auf den einzelnen Fall bezogene Ermessenserwägungen enthält die angefochtene Untersagungsverfügung nicht. Vielmehr schreitet das Regierungspräsidium landesweit gegen jeden privaten Sportwettenvermittler mit Untersagungsverfügungen ein, weil es dessen Tätigkeiten aufgrund des staatlichen Sportwettenmonopols für unerlaubt hält. Da dieses in seiner derzeitigen Ausgestaltung jedoch keine gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt und deshalb gemeinschaftsrechtswidrig ist, müssen - jedenfalls bis zu einer gemeinschaftsrechtskonformen Ausgestaltung - Wettvermittlungen an in EU-Mitgliedstaaten ansässige und dort konzessionierte Sportwettenveranstalter vom beklagten Land hingenommen werden, wenn sie durch Unionsbürger oder in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaften im Sinne von Art. 55, 48 EG erfolgen. Mit einem Einschreiten ausschließlich gegen Sportwettenvermittlungen durch im Bundesgebiet ansässige Drittstaatsangehörige lässt sich das mit den Untersagungsverfügungen verfolgte Ziel nicht erreichen, landesweit die Vermittlung von Sportwetten durch Private zu unterbinden, um auf diese Weise die Spielleidenschaft zu begrenzen und die Spielsucht zu bekämpfen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Unterbindung grenzüberschreitender Sportwettenvermittlungen in das EU-Ausland ausschließlich gegenüber Drittstaatsangehörigen mit dem bei der Ermessensausübung zu wahrenden Gleichbehandlungsgebot und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist (vgl. hierzu OVG Saarland, Beschl. v. 25.04.2007 - 3 W 24/06 - juris).
VIII.
79 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Kammer hat keinen Anlass, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO).
80 
Da diese Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, ist die Berufung zuzulassen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 13. Dezember 2007 - 6 K 3798/07 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf EUR 7.500,-- festgesetzt.

Gründe

 
Die nach § 146 Abs. 4 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich (vgl. allerdings den Beschluss des Senats v. 27.01.2006, VBlBW 2006, 323) beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben zu einer Änderung der vom Verwaltungsgericht zum Nachteil des Antragstellers getroffenen Entscheidung keinen Anlass.
Das Verwaltungsgericht hat bei der von ihm nach Maßgabe des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung dem - seinerzeit nach § 80 Abs. 3 VwGO formell ordnungsgemäß begründeten - besonderen öffentlichen Interesse an der nunmehr kraft Gesetzes vorgesehenen (vgl. § 9 Abs. 2 GlüStV) sofortigen Vollziehung der angegriffenen Untersagungsverfügung vom 12.11.2007, soweit dies vom Senat zu prüfen war, zu Recht Vorrang vor dem privaten Interesse des Antragstellers gegeben, ihr vorläufig keine Folge leisten zu müssen. Mit dieser Verfügung untersagte das Regierungspräsidium Karlsruhe dem Antragsteller, in Baden-Württemberg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen und gab ihm auf, die hierzu vorgehaltenen Geräte aus den öffentlich zugänglichen Räumen zu entfernen (Ziff. 1) und die untersagten Tätigkeiten unverzüglich einzustellen (Ziff. 2); gleichzeitig wurde die sofortige Vollziehung angeordnet (Ziff. 3) und dem Antragsteller für den Fall, dass er seinen Verpflichtungen binnen zweier Wochen nicht nachkomme, ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,-- EUR angedroht (Ziff. 4). Davon, dass seine dagegen erhobene Klage im Hinblick auf die dargelegten Gründe Erfolg haben könnte, vermag der Senat einstweilen nicht auszugehen, wenn ein solcher auch nicht ausgeschlossen erscheint. Vor diesem Hintergrund hält der Senat indes bei Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen eine Aussetzung des Sofortvollzugs nicht für angezeigt.
Ob das Regierungspräsidium dem Antragsteller im Ergebnis ohne Rechts- und Ermessensfehler die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten sowie die Werbung hierfür und die Unterstützung solcher Tätigkeiten untersagt, die Entfernung der hierzu vorgehaltenen Geräte sowie die Einstellung der untersagten Tätigkeiten aufgegeben und für den Fall, dass er dem nicht fristgemäß nachkomme, ein Zwangsgeld angedroht hat, wird sich abschließend erst im Hauptsacheverfahren klären lassen.
Als Rechtsgrundlage für die angefochtene Verfügung, die seinerzeit zutreffend auf § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Staatsvertrages zum Lotteriewesen in Deutschland (vgl. GBlBW 2004, 274) - LottStV - gestützt wurde, kommt nunmehr allein § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 des - am 01.01.2008 in Kraft getretenen (vgl. GBl. 2008, 56) Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV, vgl. GBl. 2007, 571 ff.) in Betracht. Maßgeblich für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung ist, wie regelmäßig bei Dauerverwaltungsakten, der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 09.03.2005, Buchholz 451.20 § 15 GewO Nr. 5 zu § 15 Abs. 2 Satz 2 GewO m. N.); steht diese - wie hier - noch aus, ist auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV kann die für die Glücksspielaufsicht zuständige Behörde - dies ist nach § 2 des Gesetzes zu dem Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 11.12.2007 (GBl. 2007, 571) bzw. nach § 16 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag - AG-GlüStV) vom 04.03.2008 (GBl. 81 ff.) das Regierungspräsidium Karlsruhe - die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür untersagen. Insofern ist unerheblich, ob der Antragsteller nicht nur als Vermittler, sondern auch als Veranstalter von Sportwetten anzusehen wäre.
Zutreffend wird in der angefochtenen Verfügung auch von einem Glücksspiel (nunmehr i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV) ausgegangen. Bei den vermittelten Sportwetten handelt es sich ersichtlich um keine Geschicklichkeitsspiele (vgl. BGH, Urt. v. 28.11.2002, GewArch 2003, 352; Senat, Beschl. v. 12.01.2005, VBlBW 2005, 181 m.w.N.). Auch wenn man dies mit dem Antragsteller im Anschluss an eine von ihm vorgelegte gutachterliche Stellungnahme (vgl. Dannecker, Gutachterliche Stellungnahme v. 20.11.2007 zu der Frage, ob Oddset-Wetten Glücksspiele im Sinne des § 284 StGB sind) anders beurteilte (vgl. demgegenüber Anmerkung Steegmann, ZfWG 2007, 410 ff.), ändert dies im Ergebnis nichts, da Wetten gegen Entgelt auf den Eintritt oder Ausgang eines zukünftigen Ereignisses, mithin auch Sportwetten, jedenfalls nach § 3 Abs. 1 Satz 3 GlüStV Glücksspiele i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV sind.
Voraussichtlich zu Recht hat das Regierungspräsidium auch angenommen, dass die dem Antragsteller untersagte Veranstaltung bzw. Vermittlung von Sportwetten in Baden-Württemberg unerlaubt sei, nachdem zu keiner Zeit eine Erlaubnis nach baden-württembergischem Landesrecht erteilt worden ist (vgl. nunmehr § 4 Abs. 1 GlüStV). Dass die Sportwetten ins EG-Ausland, hier nach Malta, vermittelt werden, ändert nichts, dass die Vermittlung, soweit sie - wie hier - die Möglichkeit zur Teilnahme in Baden-Württemberg eröffnet (vgl. § 3 Abs. 4 GlüStV), mangels einer entsprechenden vom Land Baden-Württemberg erteilten Erlaubnis hier verboten, mithin i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV unerlaubt ist. Ob darüber hinaus - auch im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG - von einer Strafbarkeit nach § 284 Abs. 1 StGB auszugehen wäre, ist schließlich in vorliegendem Zusammenhang unerheblich. An dem Verstoß gegen § 4 Abs. 1 GlüStV ändert auch die dem Wettunternehmer im EG-Ausland (hier: Malta) erteilte Erlaubnis nichts. Überzeugende Argumente, dass eine solche kraft derzeitigen europäischen Gemeinschaftsrechts (generell oder automatisch) auch im Bundesgebiet Geltung beanspruchen können sollte, lassen sich weder dem EG-Vertrag noch den Ausführungen des Antragstellers entnehmen (gegen eine unmittelbare Geltung auch BayVGH, Beschl. v. 10.07.2006, a.a.O.; NdsOVG, Beschl. v. 17.03.2005, GewArch 2005, 282; HessVGH, Beschl. v. 25.07.2006 - 11 TG 1465/06 -; anders wohl OLG München, Urt v. 26.09.2006 - 5 St RR 115/05 -). Im Glücksspielbereich sind die Mitgliedstaaten unabhängig vom jeweiligen Schutzniveau nicht verpflichtet, Genehmigungen gegenseitig anzuerkennen; insofern sind sie berechtigt, die Beantragung einer nationalen Erlaubnis auch dann zu fordern, wenn der Leistungsanbieter bereits über eine Konzession eines anderen Mitgliedstaats verfügt (vgl. EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 30.05.2007 - Case 3/06 Rn. 86). Dem entsprechend ist auch die Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den elektronischen Geschäftsverkehr vom 08.06.2000 (ABl. Nr. L 178 v. 17.07.2000, S. 1), die in ihrem Art. 3 das Herkunftslandprinzip vorschreibt, auf Glücksspiele nicht anwendbar (vgl. den Erwägungsgrund 16 u. Art. 1 Abs. 5 Buchst. d 3. Spiegelstrich). Die Auffassung des Generalanwalts (vgl. dessen Schlussanträge v. 16.05.2006 - Rs. C-338/04, C-359/04 und C-360/04 ), wonach Gemeinschaftsrecht einer nationalen Regelung entgegenstehe, die u. a. die Übermittlung von Wetten ohne die hierfür erforderliche Konzession des jeweiligen Mitgliedstaats für Rechnung eines Unternehmers verbiete, der lediglich eine in dem Mitgliedstaat seiner Niederlassung erteilte Zulassung besitzt, lässt sich mit den dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 06.11.2003 (NJW 2005, 139 ) zugrunde liegenden Annahmen nicht vereinbaren, wo den einzelnen Mitgliedstaaten gerade ein Ermessensspielraum bei der Gestaltung ihrer Glücksspielpolitik eingeräumt wird; hierauf ist zu Recht auch in der angefochtenen Verfügung hingewiesen worden. Dem entsprechend hat sich der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 06.03.2007 - Rs. C-338/04, C-359/04 und C-360/04 - jene Ausführungen auch nicht zu eigen gemacht (ebenso EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 30.05.2007, a.a.O., Rn. 83 ff.). Vielmehr hat er auf seine bisherige Rechtsprechung verwiesen, die eine Reihe von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses anerkannt habe, aus denen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs gerechtfertigt seien (Rdnr. 45 f.), und ausdrücklich klargestellt, dass es den Mitgliedstaaten freistehe, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der (jeweiligen) Glücksspiele festzulegen und ggf. auch das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen (Rdnr. 48); die vorgeschriebenen Beschränkungen müssten lediglich den sich aus seiner Rechtsprechung ergebenden Anforderungen hinsichtlich ihrer Verhältnismäßigkeit genügen (Rdnr. 48). Vor diesem Hintergrund kann auch dahinstehen, ob sich die in Rede stehende maltesische Genehmigung überhaupt auf Wetten erstreckt, die - wie hier - per Datenleitung angenommen werden (vgl. hierzu HambOVG, Beschl. v. 11.07.2006 - 1 Bs 496/04 -).
Dass die Untersagung der Fortsetzung der Vermittlung von Sportwetten gleichwohl deshalb Ermessensfehlern begegnete, weil auch die derzeitige Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols in Baden-Württemberg (vgl. den auch für Baden-Württemberg maßgeblichen, zum 01.01.2008 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag, GBl. 2007, 571 u. GBl. 2008, 56) mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar wäre, mag zwar nicht ausgeschlossen sein, ist aufgrund des Vorbringens des Antragstellers aber nicht wahrscheinlich. Zwar darf anderen als den in § 10 Abs. 2 GlüStV Genannten weiterhin nur die Veranstaltung von Lotterien und Ausspielungen erlaubt werden (§§ 10 Abs. 5, 12 GlüStV), doch spricht einiges dafür, dass dies letztlich nicht beanstandet werden kann. Insbesondere dürften nunmehr gesetzliche Regelungen vorhanden sein, die - nach der im vorliegenden Verfahren allein gebotenen summarischen Prüfung - eine konsequente und aktive Ausrichtung des in Baden-Württemberg zulässigen Sportwettangebots an dem überragend wichtigen Gemeinwohlziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht materiell und strukturell gewährleisten, welches eine Beschränkung der Berufsfreiheit zu rechtfertigen vermag (vgl. BVerfG, Beschl. v. 04.07.2006 - 1 BvR 138/05 -; Urt. v. 28.03.2006, BVerfGE 115, 276 ff.); dass den vom Bundesverfassungsgericht an die Neuregelung gestellten konkreten Anforderungen mit dem nunmehr in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag nicht genügt wäre (vgl. Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr. 150 ff.), hat der Antragsteller auch nicht dargelegt. Soweit der Antragsteller - wenngleich in anderem Zusammenhang - rügt, dass auch nach dem neuen Glücksspielstaatsvertrag eine unbegrenzte Zahl von Annahmestellen zulässig sei und diese weder die Jugendschutzanforderungen einhalten müssten noch auf eine Bekämpfung der Suchtgefahren angelegt seien, trifft dies ersichtlich nicht zu (vgl. §§ 10 Abs. 3 GlüStV, 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5, 7 AG-GlüStV). Auch die vom Antragsteller vermissten effektiven Regelungen zum Minderjährigen- und Spielerschutz dürften inzwischen getroffen sein (vgl. §§ 4 Abs. 3, 6-8, 21 Abs. 3 GlüStV, 2 Abs. 2, 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, 5 u. 6, 9 ff. AG-GlüStV). Insofern dürfte auch der Vertriebsweg eine den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entsprechende Regelung erfahren haben. Dass diese vom Land Baden-Württemberg nicht umgesetzt würde, vermag der Senat einstweilen nicht zu erkennen. Inwiefern schließlich eine fehlende absolute Begrenzung des Jackpots bei den Lotterien (vgl. § 22 Abs. 1 GlüStV) das hier allein in Rede stehende Wettmonopol in Frage stellen sollte, ist weder aufgezeigt noch zu erkennen. Auf die Ausgestaltung der Annahmestellen in Nordrhein-Westfalen kommt es schließlich für den Bestand des in Baden-Württemberg fortgeschriebenen Wettmonopols nicht an.
Ob die vom Antragsteller vorgebrachten gemeinschaftsrechtlichen Bedenken eine andere Beurteilung rechtfertigen, erscheint zweifelhaft, lässt sich jedoch erst im Hauptsacheverfahren abschließend beurteilen. Zwar stellt auch die nunmehrige Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols eine Beschränkung der Niederlassungs- bzw. Dienstleistungsfreiheit nach Art. 43 bzw. 49 des EG-Vertrages - EG - dar, doch spricht aufgrund der vom Senat zu prüfenden Gründe einiges dafür, dass jene aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls als gerechtfertigt anzusehen sein werden (vgl. EuGH, Urt. v. 30.11.1995 - Rs. C-55/94 -, NVwZ 1996, 356 ), nachdem viel dafür spricht, dass auch die Anforderungen, die der Europäische Gerichtshof insbesondere im Urteil vom 06.11.2003 (a.a.O.) konkretisiert hat, erfüllt sind.
10 
Bei seinem Einwand, Baden-Württemberg sei schon seiner Notifizierungspflicht nicht nachgekommen, übersieht der Antragsteller, dass der Glücksspielstaatsvertrag als solcher sehr wohl notifiziert wurde (vgl. Stellungnahme der Europäischen Kommission v. 14.05.2007) und das Zustimmungsgesetz vom 11.12.2007 (GBl. 2007, 571) mangels eigenständiger - unter die Informationsrichtlinie fallender - Regelungen keiner weiteren Notifizierung bedurfte. Dazu, inwiefern das inzwischen in Kraft getretene Ausführungsgesetz vom 04.03.2008 (GBl. 81 ff.) notifizierungspflichtig sein könnte, verhält sich die Antragsbegründung nicht.
11 
Auch der Hinweis des Antragstellers, dass die von einem Mitgliedstaat geltend gemachten Rechtfertigungsgründe von einer Untersuchung der Zweckmäßigkeit und zur Verhältnismäßigkeit begleitet werden müssten (vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 13.11.2003 - Rs. C-42/02 -, EuGHE I 2003, 13519 Rn. 25, 26), vermag auf keinen Verstoß gegen europäisches Gemeinschaftsrecht zu führen. So lagen durchaus erste Untersuchungen vor (vgl. Hayer/ Meyer, Das Gefährdungspotenzial von Lotterien und Sportwetten, Mai 2005, S. 157 ff.), die bereits einen Schluss auf die Schwere der Gefahren zuließen, die mit dem Betreiben von Glücksspielen verbunden sind. Dass das Suchtpotenzial von Sportwetten derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden können mag, ändert nichts, dass schon aufgrund des gegenwärtigen Erkenntnisstandes (vgl. Hayer/Meyer, Das Suchtpotenzial von Sportwetten, Sucht 49 (2003), S. 212 ff.; Hayer/Meyer, a.a.O., S. 157 ff.) mit einem nicht unerheblichen Suchtpotenzial gerechnet und dieses mit dem Ziel der Abwehr einer höchstwahrscheinlichen Gefahr zum Anlass präventiver Maßnahmen genommen werden darf (vgl. BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rn. 101 f.).
12 
Soweit der Antragsteller einen Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot (vgl. Art. 12 EG) geltend macht, weil private und staatliche Anbieter unterschiedlich behandelt würden, geht dies fehl. Art. 12 EG verbietet lediglich Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit Bei dem hier in Rede stehenden staatlichen Monopol dürfen indes, so es verhältnismäßig ist, private Wettunternehmer - auch solche, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind -, generell von der Veranstaltung bzw. Vermittlung von (Sport-)Wetten ausgeschlossen werden. Die Zulässigkeit einer Monopolisierung hat auch der Europäische Gerichtshof nicht grundsätzlich in Frage gestellt (vgl. Urt. v. 21.09.1999 - Rs. C-124/97 - ). Entgegen der Auffassung des Antragstellers folgt aus dem Urteil vom 06.03.2007 () nichts anderes; dass dort der Ausschluss bestimmter Anbieter beanstandet wurde, beruhte darauf, dass ein solcher zur Erreichung gerade des in Italien verfolgten Ziels, eine Einbeziehung der im Bereich der Glücksspiele tätigen Wirtschaftsteilnehmer in kriminelle oder betrügerische Tätigkeiten zu unterbinden, nicht notwendig war.
13 
Die mit der Monopolisierung verfolgten, in § 1 Nr. 1 – 4 GlüStV niedergelegten Ziele stellen auch „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“ dar; dass diese nur vorgeschoben wären und die Einnahmeerzielung eigentliches Ziel der Fortschreibung des baden-württembergischen Wettmonopols wäre, vermag der Senat vor dem Hintergrund der getroffenen Neuregelung nicht zu erkennen. Dass das angegriffene staatliche Wettmonopol deren Verwirklichung gewährleistet, folgt bereits aus dem begrenzten - weil monopolisierten - Angebot (vgl. bereits OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 02.05.2007 - 6 B 10118/07 -; hierzu Hayer/Meyer, Das Suchtpotenzial von Sportwetten, a.a.O., S. 218). Eine beschränkte Zulassung privater Wettanbieter wäre im Hinblick auf die dann erforderliche staatliche Aufsicht zudem weit weniger effektiv (vgl. BVerfG, Urt. v. 19.07.2000, BVerfGE 102, 197; hierzu auch BVerwG, Urt. v. 28.03.2001, BVerwGE 114, 92 Rn. 42).
14 
Soweit der Antragsteller ferner geltend macht, es fehle an einer für den gesamten Glücksspielsektor erforderlichen kohärenten und systematischen Strategie zur Bekämpfung der Glücksspielsucht, weshalb das staatliche Wettmonopol letztlich keinen Bestand haben könne, lassen die von ihm hierzu angeführten Gesichtspunkte solche Schlüsse jedenfalls derzeit nicht zu, wenn sich die sinngemäß erhobenen Bedenken einstweilen auch nicht gänzlich von der Hand weisen lassen.
15 
Dass im Glücksspielstaatsvertrag wesentliche Bereiche des Glücksspiels - das gewerbliche Spiel in Spielhallen, Gaststätten und Wettannahmestellen - ungeregelt geblieben sind, vermag allerdings auf keinen Verstoß gegen europäisches Gemeinschaftsrecht zu führen; hieran waren die Länder durch die abschließende Normierung des Bundes in der Gewerbeordnung und der Spielverordnung von vornherein gehindert (vgl. hierzu die Erläuterungen zum neuen Glücksspielstaatsvertrag unter II. 3). Auch wenn aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht eine „kohärente und systematische Begrenzung der Wetttätigkeiten“ (vgl. EuGH, Urt. v. 06.11.2003, a.a.O., Rn. 67) auch Regelungen im Bereich des gewerblichen Spielrechts erfordern sollte, können diese vom zuständigen Gesetz- bzw. Verordnungsgeber auch außerhalb des Glücksspielstaatsvertrags getroffen werden.
16 
Dass die Novellierung der Spielverordnung „keinerlei Änderungen bei den glücksspielsuchtintensiven Automatenspielen bewirkt“ habe, dürfte schließlich kaum zutreffen. Ob mit den vom Antragsgegner unter Bezugnahme auf die Begründung zur 5. Verordnung zur Änderung der Spielverordnung (vgl. BR-Drucks. 655/05, S. 10 ff.) angeführten Änderungen allerdings zumindest so weit der Bekämpfung von Suchtgefahren entgegengewirkt wird, dass dadurch nicht der ggf. umfassend (unter Einbeziehung auch der ein vergleichbares oder höheres Suchtpotential aufweisenden - nicht monopolisierten - Glücksspiele) zu verstehende (vgl. hierzu EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 14.03.2007 - Case E-1/06 -, Rdnr. 43 ff.) „kohärente und systematische Beitrag zur Begrenzung der Wetttätigkeiten“ (vgl. EuGH, Urt. v. 06.11.2003, a.a.O., Rn. 67) wegen widersprüchlichen Verhaltens in Frage gestellt wird, wird unter Berücksichtigung des Aufforderungsschreibens der Europäischen Kommission vom 31.01.2008 (im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2007/4866) im Hauptsacheverfahren zu klären sein (vgl. hierzu die Antwort der BReg v. 25.04.2007, BT-Drucks. 16/5166, S. 20 f. sowie das Schreiben des Senats v. 21.02.2008 - 6 S 1512/07 -). Hierbei dürfte auch dem Umstand Bedeutung zukommen, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit vier Jahre nach Inkrafttreten jener Verordnung einen Bericht über die Auswirkungen der neuen Bestimmungen, insbesondere auch im Hinblick auf die Problematik des pathologischen Glücksspiels, vorlegen wird (vgl. BR-Drucks. 655/05, S. 11 unten). Im Hauptsacheverfahren wird ggf. auch zu klären sein, inwiefern sich unterschiedliche Begrenzungen bereits mit den in den jeweiligen Glücksspielmärkten bestehenden Unterschieden - hinsichtlich des jeweiligen Suchtpotenzials bzw. hinsichtlich der jeweiligen Verlustmöglichkeiten - rechtfertigen ließen (zu etwa gebotenen Differenzierungen auch EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 30.05.2007 - Case E-3/06 Rn. 52; auch bereits OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 02.05.2007 - 6 B 10118/07 - Rn. 18; Antwort der BReg. v. 15.06.2007, BT-Drucks. 16/5687, S. 6 f. u. v. 02.10.2007, BT-Drucks. 16/6551, S. 2). Allein der Umstand, dass bestimmte Arten des Glücksspiels über Konzessionen geregelt werden, andere aber einem staatlichen Monopol vorbehalten werden, dürfte eine konsistente Glücksspielpolitik allerdings noch nicht in Frage stellen; eine solche dürfte nicht voraussetzen, dass sämtliche Glücksspielsektoren einem einheitlichen Regelungswerk unterworfen werden (zutr. bereits OVG NW, Beschl. v. 22.02.2008 - 13 B 1215/07 -). Was schließlich die nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz erlaubnisfähigen Pferdewetten anbelangt, welche ohnehin nur eine „nebensächliche“ bzw. „(sehr) untergeordnete“ Rolle spielen (vgl. Hayer/Meyer, Das Gefährdungspotenzial von Lotterien und Sportwetten, a.a.O., S. 48, 82, 104; Antwort der BReg. v. 02.10.2007, a.a.O., S. 2 f.: Pferdewetten machen lediglich 0,5 % des Glücksspielmarktes aus), sich nur auf ein enges und deshalb leichter überschaubares Sportgeschehen beziehen und in einer besonderen wirtschaftlichen Situation zur Bekämpfung des „Winkelbuchmachertums“ der privaten Veranstaltung zugänglich gemacht worden waren (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.03.2001, BVerwGE 114, 92), spricht im Übrigen alles dafür, dass die entsprechenden Regelungen die ggf. umfassend zu verstehende Konsistenz der nationalen Begrenzungen im Wettsektor noch nicht in Frage stellten (vgl. hierzu auch die Stellungnahme der BReg v. 25.04.2007, BT-Drucks. 16/5166, S. 20 f. unter Hinweis auf die amtliche Begründung zum Rennwett- und Lotteriegesetz von 1922). Auch spricht einiges dafür, dass im Hinblick auf die mit dem Betrieb von Spielkasinos verbundenen Gefahren nichts anderes gilt, nachdem, worauf der Antragsgegner hingewiesen hat, das baden-württembergische Spielbankengesetz erhebliche Begrenzungen und Maßgaben zum Spielerschutz vorsieht. Auf den Verkauf niedersächsischer Spielbanken an ein österreichisches Unternehmen kommt es in diesem Zusammenhang ersichtlich nicht an.
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Soweit der Antragsteller schließlich darauf verweist, dass die Europäische Kommission in ihren Schreiben von März bzw. Mai 2007 das Verbot des Veranstaltens und des Vermittelns öffentlicher Glücksspiele im Internet (vgl. § 4 Abs. 4 GlüStV) und die bei Lotterien vorgesehene Übergangsvorschrift in § 25 Abs. 6 GlüStV sowie das lediglich für einzelne Glücksspiele normierte partielle Werbeverbot (§ 5 GlüStV) als gemeinschaftswidrig beanstandet habe, zeigt er nicht auf, inwiefern sich daraus - träfe der Einwand zu - auch die Gemeinschaftswidrigkeit des für die hier angegriffene Maßnahme allein erheblichen staatlichen Wettmonopols ergeben sollte (vgl. hierzu auch OVG NW, Beschl. v. 22.02.2008 - 13 B 1215/07 -). Im Übrigen übersieht der Antragsteller, dass die Länder an entsprechenden Regelungen für das gewerbliche Spiel gerade im Glücksspielstaatsvertrag gehindert waren; auf Spielbanken findet das beschränkte Werbeverbot im Übrigen sehr wohl Anwendung (vgl. § 2 GlüStV). Auf eine Gemeinschaftswidrigkeit des in den §§ 4 Abs. 1, 10 Abs. 5 u. 2 GlüStV fortgeschriebenen staatlichen Wettmonopols vermag auch der vom Antragsteller im Anschluss an die Stellungnahme der Europäischen Kommission vom 14.05.2007 erhobene Einwand nicht zu führen, die Ermächtigung der Glücksspielaufsicht, Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten die Mitwirkung an Zahlungen für unerlaubtes Glücksspiel und an Auszahlungen aus unerlaubtem Glücksspiel untersagen zu können, beschränke den freien Kapitalverkehr (vgl. Art. 56 EG).
18 
Von einem bereits feststehenden Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht kann auch nicht im Hinblick auf die von der Europäischen Kommission derzeit gegen die Bundesrepublik angestrengten Vertragsverletzungsverfahren ausgegangen werden (vgl. hierzu zu Recht Steegmann, ZfWG 2008, 26 <29>). Dies um so weniger, als jene im Verfahren Case E-3/06 () vor dem EFTA-Gerichtshof noch selbst die Auffassung vertreten hatte (vgl. Written Observations v. 03.11.2006, Rn. 38, 40), dass die Konsistenz einer nationalen Regelung für jeden Glücksspielsektor getrennt zu untersuchen und hierbei lediglich noch die Produkt-, Markt- und Vertriebsstrategien gerade des entsprechenden nationalen (Monopol-)Veranstalters zu berücksichtigen seien (vgl. insofern auch EuGH, Urt. v. 06.11.2003, a.a.O., Rn. 69 „die Behörden eines Mitgliedstaats“ sowie EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 30.05.2007, a.a.O., Rn. 54); insofern käme es auf die über Konzessionen geregelten Glücksspiele überhaupt nicht entscheidend an (in diesem Sinne bereits OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 02.05.2007, a.a.O., Rn. 18). Eine andere Beurteilung ist schließlich auch nicht deshalb angezeigt, weil dem Europäischen Gerichtshof wegen der gegen das staatliche Wettmonopol erhobenen gemeinschaftsrechtlichen Bedenken inzwischen verschiedene Vorabentscheidungsersuchen vorliegen.
19 
Lässt sich sonach ein Verstoß gegen Verfassungs- bzw. europäisches Gemeinschaftsrecht derzeit nicht feststellen, mag ein solcher auch nicht von der Hand zu weisen sein, kann einstweilen auch nicht beanstandet werden, dass das Regierungspräsidium die unerlaubte Vermittlung von Sportwetten wegen der anderenfalls - aufgrund des nicht unerheblichen Suchtpotentials - drohenden Gefahren ermessensfehlerfrei untersagte. Dies dürfte sich auch nicht als unverhältnismäßig erweisen, da einstweilen nicht davon ausgegangen werden kann, dass aufgrund Gemeinschaftsrechts entgegen § 10 Abs. 5 u. 2 GlüStV eine Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten ins EG-Ausland zu erteilen wäre. Die Erteilung von Auflagen, die sicherstellten, dass mögliche Wettinteressenten vor finanzieller Ausnutzung und wirtschaftlicher Gefahren durch übermäßige Teilnahme an Sportwetten geschützt würden, stellte schließlich keine geeignete mildere Maßnahme dar. Hierbei würde außer Acht gelassen, dass mit der Durchsetzung des staatlichen Wettmonopols auch eine Begrenzung der vorhandenen Wettmöglichkeiten und eine entsprechende Kanalisierung erreicht werden soll (vgl. § 1 Nr. 2 GlüStV).
20 
Ausgehend davon, dass von einem Verstoß gegen Verfassungs- oder Gemeinschaftsrecht einstweilen nicht ausgegangen werden kann, mag ein solcher auch nicht ganz von der Hand zu weisen sein, ist auch die vom Verwaltungsgericht getroffene Abwägungsentscheidung nicht zu beanstanden; eine Aussetzung folgt auch nicht bereits aus dem Grundsatz der Effektivität von Gemeinschaftsrecht (vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007 - Rs. C-432/05 - Unibet Ltd.). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht ein besonderes Interesse an der nunmehr gesetzlich vorgesehenen sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung angenommen, welches sich daraus rechtfertigt, dass auch vorübergehend bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens die schädlichen Auswirkungen vermieden werden sollen, die den Gesetzgeber zur Einführung des staatlichen Monopols bewogen haben. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass anderenfalls ein Marktgeschehen eröffnet würde, dessen Dynamik es erheblich erschwerte, das in Rede stehende Wettmonopol später mittels Verwaltungszwangs durchzusetzen (vgl. hierzu Nieders. OVG, Beschl. v. 02.05.2007, GewArch 2007, 339, Rn. 50), sollte dieses, wofür weiterhin vieles spricht, im Hauptsacheverfahren endgültig Bestand haben. Insbesondere gilt es, worauf der Antragsgegner hingewiesen hat, einen weitgehend ungeregelten Wettbewerb und eine erhebliche Ausweitung des Wettangebots zu verhindern, was zu einer erheblichen Verbreitung von Gefahren für die Bevölkerung führte, deren Abwehr indes ein legitimes Ziel staatlicher Maßnehmen ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O. Rn. 99). Diesen könnte einstweilen auch nicht wirksam durch Auflagen nach § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO entgegengewirkt werden. Gegenüber diesem öffentlichen Interesse muss das Interesse des Antragstellers zurücktreten, seine Tätigkeit vorläufig fortsetzen und daraus Gewinn ziehen zu dürfen, zumal er die Vermittlung gewerblicher Sportwetten auf nicht hinreichend gesicherter Rechtsgrundlage aufgenommen und betrieben hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.09.2006 - 1 BvR 2399/06 -). Dies gilt um so mehr, als es dem Antragsteller unbenommen bliebe, einen Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO zu stellen, sollten sich bei Durchführung des Berufungsverfahrens zumindest ernstliche Zweifel an dem Bestand des Wettmonopols dergestalt ergeben, dass nunmehr eine Aussetzung des Verfahrens (vgl. HessVGH, Beschl. v. 12.02.2008 - 7 A 165/08 -) oder aber eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht bzw. ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof angezeigt wäre.
21 
Hinsichtlich der gleichfalls kraft Gesetzes sofort vollziehbaren (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 12 LVwVG) Zwangsgeldandrohung besteht danach ebenfalls kein Anlass zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, nachdem schon keine Gründe dargelegt sind, aus denen die angefochtene Entscheidung unabhängig von den gegen die sofortige Vollziehung der Verfügungen zu Nrn. 1 (und 2) erhobenen Bedenken abzuändern wäre.
22 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 GKG.
23 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 28.11.2007 wird aufgehoben.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Untersagung der Veranstaltung, Vermittlung und Unterstützung von Sportwetten.
Das beklagte Land veranstaltet in Baden-Württemberg neben mehreren Lotterien u. a. die staatlichen Sportwetten „Oddset-Kombi-Wette“ und „Oddset-Top-Wette“. Mit der Durchführung der Lotterien und Sportwetten hat es die Staatliche Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg beauftragt (vgl. hierzu zuletzt die Bekanntmachungen des Finanzministeriums über die Neufassung der Teilnahmebedingungen für die beiden staatlichen Sportwetten, GABl. 2007, S. 639 ff. u. 648 ff.). Diese Gesellschaft vertreibt ihr staatliches Glücksspielangebot in Baden-Württemberg über zahlreiche Toto-Lotto-Annahmestellen, die in Zeitschriften-, Schreibwaren- und Tabakhandlungen, Supermärkten und Tankstellen eingerichtet sind. Nach Auskunft des beklagten Landes gibt es in Baden-Württemberg derzeit 3656 solcher Annahmestellen. Die einzelnen Betreiber der Annahmestellen erhalten auf der Grundlage privatrechtlicher Verträge mit der Toto-Lotto GmbH eine Provision, die von der Höhe des auf den Glücksspielsektor entfallenden Umsatzes abhängt.
Der Kläger ist Inhaber einer Gaststätte in Konstanz, in der die Firma ... ein Internetterminal der Marke Tipomat aufgestellt hat. Über dieses Terminal kann auch die Internetsite des maltesischen Sportwettenanbieters ... aufgerufen werden, der eine vom 19.01.2006 bis 19.01.2012 gültige Lizenz der maltesischen „Lotteries and Gaming Authority“ besitzt. Schließt ein Nutzer des Terminals mit der Firma ... eine Oddsetwette ab, so erhält die Firma ... eine Provision, an der sie den Kläger beteiligt.
Unter dem 24.10.2007 forderte die Stadt Konstanz den Kläger zum Abbau des Terminals auf, weil er nicht die erforderliche Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten besitze. Dagegen wandte der Kläger ein, er dulde lediglich die Aufstellung des Terminals und sei daher der falsche Adressat für das Verfahren. Darüber hinaus verstoße die Untersagung der Vermittlung von Sportwetten gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht, weil sich sowohl der maltesische Wettveranstalter als auch der Dienstleister vor Ort auf die Dienst- und Niederlassungsfreiheit berufen könnten.
Nach Anhörung untersagte das Regierungspräsidium Karlsruhe dem Kläger am 28.11.2007, in Baden-Württemberg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen, und gab ihm auf, die entsprechenden Geräte aus den öffentlich zugänglichen Räumen zu entfernen (Ziffer 1) und die untersagten Tätigkeiten unverzüglich einzustellen (Ziffer 2). Außerdem wurde dem Kläger für den Fall, dass er den Verpflichtungen aus der - mit Anordnung des Sofortvollzugs versehenen - Verfügung binnen zwei Wochen nicht nachkomme, ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,- EUR angedroht (Ziffer 4), und schließlich eine Gebühr von 250,- EUR festgesetzt. Zur Begründung führte das Regierungspräsidium Karlsruhe im Wesentlichen aus, dass es die Aufgabe habe, im öffentlichen Interesse darüber zu wachen, dass in Baden-Württemberg kein unerlaubtes Glücksspiel stattfinde bzw. jegliche Werbung hierfür unterbleibe. Zu diesem Zweck dürfe es die Veranstaltung unerlaubten Glücksspiels untersagen. Bei den von dem Kläger veranstalteten Sportwetten mit festen Gewinnquoten handele es sich um Glücksspiele, die der Kläger veranstalte, indem er der Öffentlichkeit Zugang dazu ermögliche. Er besitze nicht die dafür erforderliche Erlaubnis; eine solche könne ihm auch wegen des Staatsmonopols nicht erteilt werden. Die Sach- und Rechtslage in Baden-Württemberg stehe in Einklang mit den verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Anforderungen. Eine Bindung an Bewilligungen eines anderen Mitgliedsstaats der EU bestehe europarechtlich nicht.
Gegen den ihm am 30.11.2007 zustellten Bescheid hat der Kläger am 10.12.2007 Klage erhoben und beantragt, deren aufschiebende Wirkung wiederherzustellen bzw. anzuordnen (1 K 2684/07). Eine Entscheidung hierüber ist noch nicht ergangen.
Zur Begründung der Klage führt der Kläger aus, er sei nicht Veranstalter eines Glücksspiels, und legt ausführlich dar, das Staatsmonopol für Sportwetten sei verfassungs- und gemeinschaftsrechtswidrig. Den Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 sei weder rechtlich durch den neuen Glücksspielvertrag noch im Tatsächlichen Rechnung getragen worden. Das Vertriebssystem und Marktverhalten der staatlichen Anbieter habe sich nicht geändert, es werde weiter anreizend geworben und es mangele an einer konkreten Suchtprävention. Die staatlichen Anbieter hielten noch nicht einmal die Vorgaben des Glücksspielstaatvertrags ein. Den Belangen des Jugendschutzes werde nicht Rechnung getragen. Die Liberalisierung des Glücksspielmarkts sei während des ganzen Gesetzgebungsverfahrens nicht ernsthaft in Erwägung gezogen worden.
Vor allem aber greife das Staatsmonopol unzulässig in die europarechtliche Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit ein, wie der Rechtsprechung des EuGH, insbesondere in Sachen Lindmann, Läärä, Lindman Gambelli und Placanica, und auch der des EFTA-Gerichtshofs, eindeutig zu entnehmen sei. Daher dürften die entsprechenden nationalen Regelungen auch des seit dem 01.01.2008 geltenden Glücksspielstaatsvertrags wegen des Anwendungsvorrangs des Europarechts nicht angewandt werden. Eigentlicher Grund für das Staatsmonopol seien auch nach der Neuregelung fiskalische Interessen, die es jedoch nicht rechtfertigen könnten. Aber auch die vom Gesetzgeber angeführten Ziele der Suchtprävention, der Kriminalitätsbekämpfung und des Jugendschutzes ließen sich ohne weiteres durch ein die Grundfreiheiten weniger einschränkendes Konzessionssystem erreichen. Darüber hinaus fehle es an einer für die Einschränkung der Dienst- und Niederlassungsfreiheit erforderlichen systematischen und kohärenten Regelung des Glückspiels in ganz Deutschland. Insbesondere bei Pferdewetten bestehe anders als bei sonstigen Sportwetten kein Staatsmonopol. Ein sachlicher Grund dafür sei nicht ersichtlich. Auch Spielautomaten, bei denen ein besonders hohes Suchtpotential bestehe, dürften von Privaten betrieben werden; die Anforderungen seien in der SpielVO sogar gelockert worden. Spielbanken, von denen eine hohe Suchtgefahr ausgehe, insbesondere auch von den dort aufgestellten Slotmachines, für die keine Verlustbegrenzung gelte, dürften von Privaten betrieben werden. In Rheinland-Pfalz würden Sportwetten und Lotterien seit vielen Jahren von einem rein privatrechtlichen Unternehmen, der Lotto Rheinland-Pfalz GmbH, veranstaltet. DDR-Konzessionen für Sportwetten bestünden fort. Außerdem fehle es an der gebotenen Untersuchung der Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der Einschränkungen der Grundfreiheiten, insbesondere an Daten zur Spielsucht und zur Folgenabschätzung, gerade auch mit Blick auf die Alternative eines Konzessionssystems. Ein besonderes Suchtpotential von Oddset-Sportwetten sei nicht nachgewiesen. Zudem mangele es der angefochtenen Verfügung nach Ablauf der vom Bundesverfassungsgericht zugebilligten Übergangszeit am 31.12.2007 und dem Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrags an einer ordnungsgemäßen Begründung. Schließlich sei das Land Baden-Württemberg seiner Notifizierungspflicht für sein Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag nicht nachgekommen.
Die Klägerin beantragt,
10 
die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 28.11.2007 aufzuheben.
11 
Das beklagte Land beantragt,
12 
die Klage abzuweisen.
13 
Es beruft sich auf die Begründung seiner Entscheidung und darauf, dass das Regierungspräsidium nach § 9 Abs. 1 Glücksspielstaatsvertrag darauf hinzuwirken habe, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben, und die im Einzelfall erforderlichen Anordnungen erlassen könne. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil vom 28.03.2006 entschieden, dass das staatliche Sportwettenmonopol verfassungsgemäß sei, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren ausgerichtet sei. Diese Vorgaben erfülle der zum 01.01.2008 in Kraft getretene Glücksspielstaatsvertrag. Wichtigstes Ziel des Glücksspielstaatsvertrags sei die Vermeidung und Bekämpfung der Glücksspiel- und Wettsucht. Weitere Ziele seien die Kanalisierung und Begrenzung des Glücksspielangebots, vor allem aber auch der Jugendschutz. Deshalb sei das Monopol bei Sportwetten und Lotterien mit besonderem Gefährdungspotential erhalten geblieben. Anders als die Tätigkeit privater Anbieter sei die Tätigkeit der Toto-Lotto GmbH an der Suchtbekämpfung orientiert. Ihr Wettangebot sei begrenzt, Oddset-Wetten würden nunmehr allein als Kombi- und Topwetten angeboten, es könne nur noch mit Kundenkarten gewettet werden, Werbung sei nur eingeschränkt zulässig und es seien eine Vielzahl von Maßnahmen zur Suchtprävention ergriffen worden wie etwa die Erstellung von Informationsbroschüren, Anzeigen, Plakaten, einer Internetseite und eines Kinospots sowie die Einrichtung einer telefonischen Beratungsstelle zum Thema Spielsucht. Die Zulassung privater Anbieter würde die Zahl der Marktteilnehmer und Wettgelegenheiten vergrößern und damit zu einer enormen Expansion des Angebots führen.
14 
Die Untersagungsverfügung verstoße auch nicht gegen Gemeinschaftsrecht. Die Grundfreiheiten könnten aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses eingeschränkt werden, wozu die Verminderung von Gelegenheiten zum Spiel zähle. Die in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geforderte Kohärenz fordere keine national gleichartigen Regelungen für den gesamten Glücksspielmarkt. Die verschiedenen Bereiche unterschieden sich hinsichtlich des Spielanreizes und des Suchtpotentials wesentlich voneinander. Außerdem könnte ein staatliches Defizit in einem Bereich nicht zu einem Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht führen. Das Notifizierungsverfahren nach Art. 8 der Richtlinie 98/34/EG (geändert durch die Richtlinie 98/48/EG) sei durchgeführt worden.
15 
Dem Gericht liegt ein Heft Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe sowie die Akte des Eilverfahrens 1 K 2684/07 vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt dieser Akten sowie der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die Anfechtungsklage ist ohne Durchführung eines Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 VwGO, § 6a Satz 1 AGVwGO) zulässig und begründet. Die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 21.11.2006 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
17 
Als Rechtsgrundlage der Untersagung, in Baden-Württemberg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen (Ziff. 1 Satz 1 der Verfügung), kommt nunmehr allein § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV -, vgl. GBl. 2007, 571 ff.) in Betracht, der am 01.01.2008 in Kraft getreten ist (vgl. GBl. 2008, 56). Gleiches gilt für das Gebot, die zur Veranstaltung oder Vermittlung solcher Glücksspiele vorgehaltenen Geräte aus den öffentlich zugänglichen Räumen zu entfernen (Ziff. 1 Satz 2 der Verfügung), die untersagten Tätigkeiten unverzüglich einzustellen und die Einstellung dem Regierungspräsidium schriftlich mitzuteilen (Ziff. 2 der Verfügung). Diese neue Rechtslage ist deshalb maßgeblich, weil es sich bei der angefochtenen Verfügung um einen Dauerverwaltungsakt handelt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 17.03.2008 - 6 S 3069/07 -) und weil für die verwaltungsgerichtliche Überprüfung derartiger Verwaltungsakte regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 09.03.2005, Buchholz 451.20, § 15 GewO Nr. 5; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 113 Rdnr. 43 ff.). Für die gerichtliche Entscheidung maßgebend sind deshalb die Bestimmungen des oben genannten Glücksspielstaatsvertrags und die Bestimmungen des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag - AG-GlüStV -) vom 04.03.2008 (GBl. 2008, 81 ff.), das am 08.03.2008 in Kraft getreten ist (vgl. § 19 AG-GlüStV).
18 
Zwar vermittelt der Kläger unerlaubte Glücksspiele, was nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV Voraussetzung dafür ist, dass das Regierungspräsidium Karlsruhe als zuständige Behörde der Glücksspielaufsicht (§ 2 des Gesetzes zu dem Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 11.12.2007, GBl. 2007, 571; § 16 Abs. 1 AG-GlüStV) mit der angefochtenen Verfügung einschreitet (dazu I.). Die derzeitige Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols in Baden-Württemberg (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV) ist aber nach Auffassung der Kammer mit dem primären Gemeinschaftsrecht, nämlich der Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG) und dem EG-Wettbewerbsrecht (Art. 86, 82 EG), unvereinbar. Nach dem grundlegenden Prinzip des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts hat das Verwaltungsgericht das gemeinschaftsrechtswidrige nationale Recht außer Anwendung zu lassen (dazu II.).
I.
19 
Dadurch, dass der Kläger in seiner Gaststätte das Internetterminal „Tipomat“ aufstellen lässt, das auf die Nutzung zum Abschluss von Sportwetten bei dem maltesischen Sportwettenanbieter ... ausgerichtet ist, eröffnet er Spielern die Möglichkeit zur Teilnahme an Sportwetten. Damit ist er Vermittler (vgl. § 3 Abs. 4 GlüStV) von Sportwetten, die als Glücksspiele i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV anzusehen sind. Davon sind die Verwaltungsgerichte bereits in den früheren Entscheidungen, die zur Rechtslage vor Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrages ergangen sind, ausgegangen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12.01.2005, VBlBW 2005, 181 m.w.N.). § 3 Abs. 1 Satz 3 GlüStV bestimmt nunmehr ausdrücklich, dass auch Wetten gegen Entgelt auf den Eintritt oder Ausgang eines zukünftigen Ereignisses Glücksspiele sind (vgl. zuletzt VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.03.2008 - 6 S 3069/07 -).
20 
Die vom Kläger vermittelten Sportwetten sind auch unerlaubte Glücksspiele. Nach § 4 Abs. 1 GlüStV dürfen öffentliche Glücksspiele nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Das Veranstalten und das Vermitteln ohne diese Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel) ist verboten. Weder der Kläger noch der maltesische Sportwettenveranstalter haben jemals vom Land Baden-Württemberg eine solche Erlaubnis erhalten. Zwar vermittelt der Kläger die Sportwetten in das EU-Ausland (Malta); das entbindet ihn aber nicht von dem Erfordernis einer Erlaubnis durch die zuständige Behörde des Landes; denn nach § 3 Abs. 4 GlüStV wird ein Glücksspiel dort veranstaltet und vermittelt, wo dem Spieler die Möglichkeit zur Teilnahme eröffnet wird. Das ist die Gaststätte des Klägers in Konstanz.
21 
Dass der Firma ..., an die der Kläger Sportwetten vermittelt, in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union (hier: Malta) eine Erlaubnis zum Veranstalten von Sportwetten erteilt wurde, ändert an der Einstufung als unerlaubtes Glücksspiel nichts. Aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt sich nicht, dass diese Erlaubnis auch im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Geltung beanspruchen kann. Es sieht keine generelle Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zur gegenseitigen Anerkennung von Erlaubnissen vor, die von einem Mitgliedsstaat erteilt wurden. Der Glücksspielbereich ist auch nicht Gegenstand einer gemeinschaftsrechtlichen Harmonisierung. Vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt vom 12.12.2006 (ABl. Nr. L376/36 v. 27.12.2006) sind Glücksspiele einschließlich Lotterien und Wetten ausdrücklich ausgenommen (vgl. Erwägungsgrund Nr. 25 und Art. 2 Abs. 2 Buchst. h dieser Richtlinie). Auch die Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr vom 08.06.2000 (ABl. Nr. L178 v. 17.07.2000, S. 1), die in ihrem Artikel 3 das Herkunftslandprinzip vorschreibt, ist auf Glücksspiele nicht anwendbar (vgl. den Erwägungsgrund Nr. 16 und Art. 1 Abs. 5 Buchst. d, 3. Spiegelstrich). Die Auffassung des Generalanwalts (vgl. dessen Schlussanträge vom 16.05.2006 - Rs. C-338/04, C-359/04 und C-360/04, Placanica u.a.), wonach Gemeinschaftsrecht einer nationalen Regelung entgegenstehe, die unter anderem die Übermittlung von Wetten ohne die hierfür erforderliche Konzession des jeweiligen Mitgliedsstaats für Rechnung eines Unternehmers verbiete, der lediglich eine in dem Mitgliedsstaat seiner Niederlassung erteilte Zulassung besitzt, lässt sich mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht vereinbaren. Denn dieser hat mehrfach entschieden, dass den einzelnen Mitgliedsstaaten gerade ein Ermessensspielraum bei der Gestaltung ihrer Glücksspielpolitik eingeräumt wird (vgl. etwa EuGH, Urt. v. 06.11.2003, C-243/01 - Gambelli -). Dementsprechend hat sich der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 06.03.2007 (C-338/04 - Placanica -) diese Ausführungen auch nicht zu eigen gemacht. Vielmehr hat er auf seine bisherige Rechtsprechung verwiesen, die eine Reihe von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses anerkannt habe, aus denen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs gerechtfertigt seien.
22 
Dass die von einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft erteilte Konzession zum Veranstalten von Sportwetten im Bundesgebiet keine Geltung beanspruchen kann, ist mittlerweile gefestigte Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (vgl. zuletzt VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.03.2008 - 6 S 3069/07 -, mit zahlreichen Nachweisen).
II.
23 
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüstV scheidet als Rechtsgrundlage der angefochtenen Untersagungsverfügung jedoch aus.
24 
Die derzeitige Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols in Baden-Württemberg (vgl. § 10 Abs. 2 und 5 GlüstV) stellt eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des Klägers dar und ist europarechtswidrig (dazu II. 2 - 4). Das führt zur Europarechtswidrigkeit auch von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüstV; denn diese Bestimmung ermächtigt die Glücksspielaufsicht, das europarechtswidrige staatliche Glücksspielmonopol durchzusetzen und privaten Anbietern das Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten allein deshalb zu untersagen, weil dies gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüstV ohne Erlaubnis verboten ist. Ein auf präventive Kontrolle gerichtetes Erlaubnisverfahren existiert für private Sportwettenveranstalter wegen der Regelung des staatlichen Wettmonopols im Glücksspielstaatsvertrag aber nicht. Wegen der europarechtswidrigen Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols kann derzeit deshalb nicht von einer Erlaubnispflicht für private Anbieter von Sportwetten ausgegangen werden (so ebenfalls VG Berlin, Beschl. v. 02.04.2008 -VG 35 A 52/08-).
25 
Aus diesem Grunde kann die angefochtene Verfügung auch nicht - wovon das Regierungspräsidium ausgegangen ist - darauf gestützt werden, dass mit ihr ein Verstoß gegen die Strafrechtsnorm des § 284 StGB abgewehrt wird. Denn aus der verwaltungsakzessorischen Natur des § 284 StGB (vgl. hierzu: BGH, Urt. v. 16.08.2007 - 4 StR 62/07 -, NJW 2007, 3078 ff.) folgt, dass sich ein Anbieter oder Vermittler von Sportwetten nicht nach dieser Vorschrift strafbar macht, wenn - wie hier - die fehlende Erlaubnis auf einem Rechtszustand beruht, der europarechtswidrig die Dienstleistungsfreiheit verletzt.
26 
Dem stehen auch nicht die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 28.03.2006 entgegen; denn das Gericht hat lediglich für die von ihm eingeräumte Übergangszeit bis 31.12.2007 angenommen, dass das gewerbliche Veranstalten von Sportwetten durch private Wettunternehmen weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden darf (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, 1 BvR 1054/01 -, NJW 2006, 1261 ff.). Erweist sich die Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols nach Ablauf der Übergangsfrist aber als europarechtswidrig, kann von einem Verbot als Grundlage der angegriffenen Verfügung nicht mehr ausgegangen werden (vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 22.11.2007 - 1 BvR 2218/06 -, NVwZ 2008, 301 ff.).
27 
1. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile v. 15.07.1964 - Rs 6/64 - Costa/E.N.E.L. , und v. 09.03.1978 - Rs 106/77 - Simmenthal) besteht aus Art. 10 EG und dem als Strukturprinzip des Gemeinschaftsrechts entwickelten Grundsatz des „effet utile“ für nationale Gerichte die Pflicht, gemeinschaftsrechtswidriges nationales Recht von sich aus außer Anwendung zu lassen (vgl. zum Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts auch Streinz/Herrmann, BayVBl. 2008, 1 ff.). Hinsichtlich der Verwerfung nationaler Gesetze wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit ist zwar eine besonders sorgfältige Prüfung und auch Zurückhaltung geboten. Bei hinreichend manifesten Verstößen nationaler Rechtsnormen gegen das Gemeinschaftsrecht sind die nationalen Gerichte zu deren Nichtanwendung jedoch nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet. So verhält es sich nach Auffassung der Kammer hier. Denn der Europäische Gerichtshof hat bereits in mehreren Entscheidungen zum Glücksspielbereich die Voraussetzungen genau dargelegt, die erfüllt sein müssen, damit Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind (dazu im einzelnen II. 2 - 4). Er hat auch immer wieder betont, es sei Sache der nationalen Gerichte, darüber zu befinden, ob die streitigen Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs diese Voraussetzungen erfüllen. Angesichts dieser Rechtsprechung sieht die Kammer hinsichtlich der europarechtlichen Voraussetzungen für die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit keinen weiteren Klärungsbedarf, der Anlass für eine Vorlage an den Gerichtshof nach Art. 234 EG sein könnte. Zwar haben mehrere deutsche Verwaltungsgerichte (vgl. z.B. VG Stuttgart, Beschl. v. 24.07.2007 - 4 K 4435/06-) dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob der für eine Rechtfertigung des staatlichen Sportwettenmonopols gemeinschaftsrechtlich gebotene kohärente und systematische Beitrag zur Begrenzung der Wetttätigkeit lediglich auf den jeweiligen Glücksspielsektor zu beziehen oder unter Einbeziehung auch der nicht monopolisierten Glücksspiele, die -wie etwa Geldspielgeräte- ein höheres Suchtpotential aufweisen, umfassend zu verstehen ist. Auf die Beantwortung dieser Frage kommt es für die Kammer aber entscheidungserheblich nicht an, weil das staatliche Sportwettenmonopol auch ohne Berücksichtigung anderer Glücksspielsektoren derzeit gegen Gemeinschaftsrecht verstößt.
28 
2.a) Das Sportwettenmonopol des Landes stellt eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des Klägers dar. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist geklärt, dass die Veranstaltung, Vermittlung und Durchführung von Sportwetten Dienstleistungen i. S. v. Art. 49 EG sind (EuGH, Urt. v. 21.10.1999, C-67/98 - Zenatti -, Rdnr. 19; Urt. v. 24.03.1994, C-275/92 - Schindler -, Rdnr. 25; Urt. v. 21.09.1999, C-124/97 – Läärä -, Rdnr. 14). Ebenso ist geklärt, dass Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit außerhalb der Vorgaben des Art. 55 EG i. V. m. Art. 45, 46 EG nur dann zulässig sind, wenn sie nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 29).
29 
b) Im Bereich von Glücksspielen sind als zwingende Gründe des Allgemeininteresses der Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung, die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen und die Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung anerkannt (EuGH, Urt. Gambelli, Rdnr. 67). Innerhalb dieses Rahmens steht es im Ermessen jedes einzelnen Mitgliedstaats, welches Schutzniveau er gewährleisten will (EuGH, Urt. Schindler, Rdnr. 60, 61; Urt. Zenatti, Rdnr. 33, 34). Er kann sich zum Beispiel für ein Präventionsmodell entscheiden, das auf eine wesentliche Verminderung der Gelegenheit zum Spiel ausgerichtet ist, oder etwa auch für ein Kanalisierungsmodell, das darauf abzielt, durch ein auf Einnahmeerzielung und Expansion angelegtes Angebot einer begrenzten Zahl konzessionierter Privater die Glücksspieltätigkeiten aus dem Bereich des Illegalen und Kriminellen in geordnete und staatlich überwachte Bahnen zu lenken (EuGH, Urt. Placanica, Rdnr. 54, 55; s. dazu auch Wissenschaftlicher Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landtags, Gutachten v. 11.10.2007, S. 7 - Drs. LT-SLH 16/2460 -).
30 
Mit dem Glücksspielstaatsvertrag haben sich die deutschen Landesgesetzgeber für ein Präventionsmodell entschieden, das als Mittel zur Prävention auch die Kanalisierung des Spieltriebs der Bevölkerung beinhaltet. § 1 GlüStV nennt als Ziele, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirkliche wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen (Nr. 1), das Glücksspielangebot zu begrenzen und den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, insbesondere ein Ausweichen auf nicht erlaubte Glücksspiele zu verhindern (Nr. 2), den Jugend- und den Spielerschutz zu gewährleisten (Nr. 3) sowie sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt, die Spieler vor betrügerischen Machenschaften geschützt und die mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität abgewehrt werden (Nr. 4). Diese Ziele werden zwar ohne weiteres von den europarechtlich anerkannten Gründen des Allgemeininteresses umfasst. Von diesen Zielen hat allerdings bei verfassungskonformer Auslegung des Glücksspielstaatsvertrags nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 28.03.2006 (a.a.O., Rdnrn. 98 ff.) das in § 1 Nr. 1 des Vertrags genannte Ziel der Suchtbekämpfung im Vordergrund zu stehen. Nur mit Bezug zu diesem Ziel kann die in § 1 Nr. 2 GlüStV vorgesehene Kanalisierung durch ein staatliches, ausreichendes Glücksspielangebot (vgl. § 10 GlüStV) überhaupt verfassungsgemäß sein. Denn ein staatliches Monopol für Sportwetten ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft ausgerichtet ist (BVerfG, a. a. O., Rdnrn. 98, 119, 120). Ein auf Einnahmeerzielung und Expansion (vgl. EuGH, Urt. Placanica, Rdnr. 54, 55) angelegtes Staatsmonopol ist verfassungswidrig (BVerfG, a. a. O., Rdnr. 107, 141).
31 
c) Europarechtlich ist eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses nur zu rechtfertigen, wenn sie geeignet ist, die Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele zu gewährleisten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 32; Urt. Gambelli, Rdnr. 65). Hat sich ein Staat wie hier im Glücksspielstaatsvertrag - entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben - vorrangig für das Ziel der Suchtbekämpfung entschieden, so muss die Verwirklichung dieses Ziels in dem Sinne gewährleistet sein, dass die Beschränkungen kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen (EuGH, Urt. Gambelli, Rdnr. 67; Urt. Placanica, Rdnr. 53; siehe auch EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 14.03.2007, E-1/06 – Gaming Machines, Rdnr. 53). Dabei kommt es zentral auf die „Effektivität der Überwachung“ und die „Durchsetzung“ einer „wirklich restriktiven“ Glücksspielpolitik an (EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming Machines, Rdnr. 51).
32 
Diesen europarechtlichen Maßgaben entsprechen auch die verfassungsrechtlichen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts im Sportwetten-Urteil vom 28.3.2006 (a.a.O., Rdnr. 120), wonach eine konsequente Ausrichtung am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Spielsucht materiellrechtliche Regelungen und strukturelle Sicherungen erforderlich macht. Dementsprechend können die konkreten Vorgaben aus dem bundesverfassungsgerichtlichen Urteil auch zur Beantwortung der Frage der europarechtlichen Kohärenz und Konsistenz herangezogen werden.
33 
d) Der Europäische Gerichtshof hat immer wieder betont, dass es Sache des nationalen Gerichts - und damit hier der Kammer - ist zu prüfen, ob die angegriffene Regelung angesichts ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten tatsächlich den Zielen Rechnung trägt, die sie rechtfertigen könnten, und ob die mit ihr auferlegten Beschränkungen nicht außer Verhältnis zu diesen Zielen stehen (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 37; Urt. Gambelli, Rdnr. 75, 76; Urt. Placanica, Rdnr. 58, 72; vgl. auch EuGH, Urt. v. 5.6.2007, C-170/04 - Rosengren -, Rdnr. 46/47 bzw. Rdnr. 53/54). Maßgeblich sind dabei nicht nur die rechtliche Ausgestaltung der Beschränkung, sondern auch ihre tatsächlichen Anwendungsmodalitäten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 37, Urt. Gambelli, Rdnr. 75, 76), ihre Handhabung in der Praxis (EuGH, Urt. Rosengren, Rdnr. 46). Der Begriff des „Vorbehalts des Gesetzes“ in seiner im deutschen Staatsrecht geläufigen Ausprägung findet im Gemeinschaftsrecht keine Entsprechung, weil es hier nicht primär um den Schutz der Individualsphäre gegenüber hoheitlicher Macht, sondern um die Abgrenzung zwischen nationaler und gemeinschaftlicher Regelungsbefugnis geht (vgl. Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2.Aufl., 2005, S. 193 [219, 238]). Allerdings ist die vom Europäischen Gerichtshof geforderte „Kohärenz“ und „Systematik“ hinsichtlich der Begrenzung der Wetttätigkeiten ohne normative Vorgaben zur Ausgestaltung eines staatlichen Monopolbetriebs kaum denkbar. Ohne solche inhaltlich bestimmten Regelungen blieben Maß und Umfang der Begrenzung der Wetttätigkeit der Willkür des staatlichen Monopolisten überlassen, die infolge ihrer begriffsnotwendigen Konturlosigkeit und der Unvorhersehbarkeit ihrer Ergebnisse schlechterdings ungeeignet ist, die gebotene Begrenzung effektiv, widerspruchsfrei und nach klaren Regeln umzusetzen (vgl. zur Ungeeignetheit der schwedischen gesetzlichen Bestimmungen zum staatlichen Monopolvertrieb für Alkohol EuGH, Urt. Rosengren, Rdnr. 45 - 47). Entscheidend ist hier damit vor allem die rechtliche Ausgestaltung des Sportwettenmonopols, ohne dass jedoch die tatsächliche Umsetzung aus dem Blick gelassen werden darf.
34 
e) Danach kann das Staatsmonopol des Landes keinen Bestand haben, weil es in seiner aktuellen rechtlichen und tatsächlichen Verfassung das Ziel der Suchtbekämpfung nicht durch einen kohärenten und systematischen Beitrag zur Begrenzung der Wetttätigkeiten verwirklicht. Weder quantitativ noch qualitativ erweist sich das Monopol als Umsetzung einer konsequent an der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht ausgerichteten Glücksspielpolitik.
35 
aa) Gerade das vom Bundesverfassungsgericht beanstandete terrestrische Vertriebssystem unter der Maxime „weites Land – kurze Wege“, das das Wetten nicht begrenzt, sondern dazu ermuntert und anreizt, wird durch den neuen Glücksspielstaatsvertrag und das baden-württembergische Ausführungsgesetz nicht in Frage gestellt. Noch immer besteht das Vertriebsnetz - entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts - aus einer fast unvermindert gebliebenen Vielzahl von Zeitschriften- und Tabakläden oder ähnlichen kleinen oder mittelständischen Gewerbebetrieben, so dass der Vertrieb in „bewusster Nähe zum Kunden“ stattfindet und die Möglichkeit zum Sportwetten ein allerorts verfügbares "normales“ Gut des täglichen Lebens darstellt (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr. 138). Von dem europarechtlich gebotenen Beitrag zur Begrenzung der Wetttätigkeiten kann bei einem solchen Vertriebssystem, über das Oddset nach dem Verbot des Internetvertriebs (§ 4 Abs. 4 GlüStV) ausschließlich vermarktet wird, nicht die Rede sein.
36 
Eine bezifferte Obergrenze für die Zahl der Annahmestellen in Baden-Württemberg gibt es nicht (anders etwa § 7 SächsGlüStV -AG v. 14.12.2007 - SächsGVBl. 2007, S. 542: eine Annahmestelle je 3.200 Einwohner oder § 2 Abs. 5 Thüring. Gesetz zum GlüStV v. 18.12.2007 - GVBl. 2007, S.243: Gesamtzahl von 750 Annahmestellen in Thüringen darf nicht überschritten werden oder Art.1 Abs.3 S.2 BayAG-GlüStV v. 20.12.2007 - GVBl. 2007, S. 992: Zahl der Annahmestellen ist bis 31.12.2011 auf insgesamt 3.700 zu begrenzen). Zwar heißt es in § 10 Abs. 3 GlüStV, die Länder begrenzten die Zahl der Annahmestellen zur Erreichung der Ziele des § 1, das baden-württembergische Ausführungsgesetz wiederholt jedoch nur, dass Anzahl und flächenmäßige Verteilung der Annahmestellen an den Zielen des § 1 GlüStV auszurichten seien. Darüber hinaus normiert es nur, dass nicht mehr Annahmestellen unterhalten werden dürften, als zur Sicherstellung eines ausreichenden Glücksspielangebots erforderlich sei (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 u. Satz 2 Ausführungsgesetz). Anhaltspunkte, wie viel Glücksspiel als ausreichend anzusehen ist, liefert das Gesetz nicht. Auch für das vom Gesetz vorgesehene Vertriebskonzept des Veranstalters (§§ 2 Abs. 2 Nr. 5, 7 Abs. 1 Satz 3 AG-GlüStV) fehlen inhaltliche Vorgaben. In § 7 Abs. 1 Satz 4 AG-GlüStV heißt es nur, dass das Konzept sich insbesondere an der räumlichen Bevölkerungsstruktur zu orientieren habe. Eine solche Orientierung mag eventuell Anhaltspunkte für die flächenmäßige Verteilung der Annahmestellen geben, lässt jedoch keinerlei Rückschlüsse auf die zulässige Anzahl von Annahmestellen zu.
37 
Außer konkreten, inhaltlichen Vorgaben für die Begrenzung der Zahl der Annahmestellen fehlen auch gesetzlich geregelte wirksame Kontrollmechanismen.
38 
§ 7 Abs. 1 Satz 3 AG-GlüStV überträgt die nähere Ausgestaltung der Anzahl und der flächenmäßigen Verteilung der Annahmestellen dem Veranstalter oder der mit der Durchführung der Glücksspiele beauftragten juristischen Person, die ein entsprechendes Vertriebskonzept zu erstellen haben. Damit aber wird die Festlegung der Grenzen an den eigentlich zu kontrollierenden Monopolisten selbst delegiert.
39 
Auch eine Kontrolle des Vertriebskonzepts sieht das Ausführungsgesetz nicht unmittelbar vor, sondern nur mittelbar bei der Erteilung der Glücksspielerlaubnis (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 5). Die Übergangsregelungen des § 25 Abs. 1 GlüStV, wonach die bis zum 01.01.2007 erteilten Konzessionen, Genehmigungen und Erlaubnisse bis zum 31.12.2008 als Erlaubnis fortgelten, sowie des § 2 Abs. 1 Satz 2 AG-GlüStV, wonach die vom Land bereits zum 01.01.2007 veranstalteten Glücksspiele noch bis zum 31.12.2008 ohne Erlaubnis fortgeführt werden dürfen, führen jedoch dazu, dass bis Ende diesen Jahres noch nicht einmal diese mittelbare Kontrolle über § 2 Abs. 2 Nr. 5 AG-GlüStV stattfindet.
40 
Allein die Möglichkeit des Einschreitens der Glückspielaufsicht nach § 9 Abs. 1 GlüStV stellt keinen wirksamen Kontrollmechanismus dar. Dies zeigt sich etwa daran, dass der baden-württembergische Monopolist, die Toto-Lotto GmbH, trotz gesetzlicher Verpflichtung nach § 7 Abs.1 AG-GlüStV bislang kein Vertriebskonzept besitzt, ohne dass dies Konsequenzen für seine Tätigkeit nach sich gezogen hätte. Nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung hat dieser bisher nur einen unzureichenden Entwurf eines Vertriebskonzepts vorgelegt.
41 
Auch zu den einzelnen Annahmestellen enthalten die gesetzlichen Regelungen keinerlei konkrete Vorgaben. So heißt es unter § 7 Abs. 2 AG-GlüStV neben Zuverlässigkeitsanforderungen an den Betreiber nur allgemein, dass die Anforderungen der § 4 Abs. 3, §§ 5, 7 GlüStV sichergestellt werden müssten und dass die Annahmestelle dem Vertriebskonzept entsprechen und nicht in Spielhallen oder in Räumlichkeiten betrieben werden dürfe, die nach ihrer Lage, Beschaffenheit, Ausstattung und Einteilung dem Ziel entgegenstünden, nur ein begrenztes Glücksspielangebot zuzulassen (§ 7 Abs. 2 Nr. 5 AG-GlüStV). Genaueres fehlt wiederum, etwa dazu, zusammen mit welchem Warenangebot Oddset vertrieben werden darf, damit es gerade nicht mehr als allerorts verfügbares Gut des täglichen Lebens (vgl. dazu BVerfG, a. a. O., Rdnr. 138) gehandelt wird, oder dazu, welche Entfernung die Annahmestelle zu besonders von Jugendlichen genutzten Einrichtungen wie Schulen, Jugendzentren oder Ähnlichem einzuhalten hat.
42 
Auch für den überwiegenden Teil der Annahmestellen sieht das Gesetz derzeit keine Kontrolle vor. Denn nach § 7 Abs. 4 AG-GlüStV darf eine Annahmestelle, die bereits zum 01.01.2007 in ein öffentliches Glücksspiel des Landes vermittelt hat, diese Vermittlung noch bis zum 31.12.2008 ohne Erlaubnis fortsetzen. Darüber hinaus ist in § 7 Abs. 2 Satz 3 AG-GlüStV vorgesehen, dass die zuständige Behörde die Aufgabe der Erteilung der Erlaubnis für den Betrieb einer Annahmestelle der mit der Durchführung des Glücksspiels beauftragten Stelle im Wege der Beleihung übertragen kann. Durch ein solche Beleihung wird wiederum der Monopolist selbst mit seiner eigenen Kontrolle beauftragt. Auch dies macht deutlich, dass das Gesetz nicht auf eine effektive Kontrolle des Monopolisten zur Sicherstellung der Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV, insbesondere der Suchtbekämpfung, angelegt ist.
43 
Die derzeitige tatsächliche Situation spiegelt diese aufgezeigten rechtlichen Defizite wider. Ein Vertriebskonzept existiert nicht; die Zahl der Annahmestellen ist seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach den Angaben des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung nur geringfügig von 3.750 auf 3.656 gesunken. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass dieser Rückgang auf ein entsprechendes Konzept und nicht nur auf Insolvenzen oder sonstige wirtschaftlich bedingte Aufgaben der Annahmestellen zurückzuführen ist. Die freiwillige Schließung von legalen Annahmestellen der Toto-Lotto GmbH durch ihre Betreiber ist nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung jedenfalls nicht genutzt worden, um die Gesamtzahl der Stellen zu reduzieren; vielmehr ist in etwa 40 bis 50 Fällen für geschlossene Annahmestellen jeweils Ersatz zugelassen worden, entweder indem der Weiterbetrieb durch einen neuen Inhaber oder aber die Eröffnung einer neuen Annahmestelle in der Nachbarschaft zugelassen wurde. Nach wie vor ist Oddset deshalb wie ein Gut des täglichen Lebens allerorts verfügbar. Die Zahl der Annahmestellen in Baden-Württemberg (3.656 - d.h. bei 10.736.000 Einwohnern kommt eine Annahmestelle auf 2.936 Einwohner; Ende 2006 waren es 3.674, d.h. eine je 2923 Einwohner - siehe Geschäftsbericht 2006 der Toto-Lotto GmbH v. 17.04.2007, S. 36 - www.lotto-bw.de) übertrifft bei weitem die Zahl etwa von Postfilialen (bundesweit eine für 6.875 Einwohner, vgl. VG Berlin, Beschl. v. 02.04.2008 -VG 35 A 52.08 -) und selbst die von Apotheken (bundesweit eine für 3.889 Einwohner, vgl. VG Berlin, a. a. O.). Auch wenn diese Zahlen angesichts der Unterschiede von Postfilialen, Apotheken und Annahmestellen nicht ohne weiteres direkt miteinander vergleichbar sind, vermitteln sie jedoch einen plastischen Eindruck von der tatsächlichen Dichte der vorhandenen Annahmestellen. Weshalb eine solche Dichte in der heutigen Mobilitätsgesellschaft für die Sicherstellung eines am Ziel der Suchtbekämpfung orientierten Glücksspielangebots notwendig sein soll, ist nicht ersichtlich.
44 
Nach wie vor wird Oddset vor allem in Zeitschriften-, Schreibwaren- und Tabakläden, Supermärkten und Tankstellen vertrieben und damit nicht nur gezielt dem interessierten Kundenkreis, sondern einem breiten Publikum angeboten und darüber hinaus auch Jugendlichen und Kindern bekannt gemacht. Nach wie vor existieren Annahmestellen in unmittelbarer Nähe zu Schulen oder anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen, wie in der mündlichen Verhandlung beispielhaft aus Waldshut-Tiengen berichtet wurde. Damit ist der Vertrieb auf Expansion und nicht auf Selbstbeschränkung und Eingrenzung angelegt. Dass es nach den Teilnahmebedingungen für Oddset zum Wetten einer Kundenkarte bedarf (vgl. § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi-Wette vom 08.11.2007, GABl. 2007, S. 639 und § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette, Ausgabe Januar 2008, GABl. 2007, S. 648), ändert an der Verfügbarkeit wie ein Gut des täglichen Lebens nichts, nachdem die Kundenkarte als „Spielpass“ kostenlos gegen Vorlage eines Ausweises ausgegeben wird und sofort nach Beantragung dieses „Passes“ gespielt werden kann (vgl. Informationen zum Spielangebot der Toto-Lotto GmbH Bad.-Württ., Stand Januar 2008, S. 20).
45 
Die Betreiber der Annahmestellen erhalten nach wie vor umsatzabhängige Provisionen für die Vermittlung von Sportwetten und haben damit ein starkes Eigeninteresse an der Steigerung des Umsatzes. Dieses Interesse wird nicht dadurch beseitigt, dass die Toto-Lotto GmbH seit dem 01.01.2008 eine Zusatzvereinbarung mit den Inhabern der Annahmestellen geschlossen hat, wonach der Glücksspielbereich nur eine untergeordnete Nebentätigkeit sein darf. Abgesehen davon, dass in der mündlichen Verhandlung von den Klägervertretern konkret Fälle genannt wurden, bei denen diese Zusatzvereinbarung nicht eingehalten werden soll, und der Beklagtenvertreter dem nichts zu entgegnen wusste, bedeutet der privatrechtliche Handelsvertretervertrag, den die Lottogesellschaften mit ihren Annahmestellen geschlossen haben (vgl. dazu Bundeskartellamt, Beschl. vom 23.08.2006 - B 10-92713-Kc-148/05 - Rdnr. 77), dass deren Betreiber einen Provisionsanspruch nach § 87 HGB besitzen und umso mehr verdienen, je mehr Spieleinnahmen sie für die Lottogesellschaft eingebracht haben. Daher haben sie auch dann, wenn sie die Glücksspielvermittlung nur als Nebentätigkeit betreiben, ein eigenes und sehr großes wirtschaftliches Interesse daran, möglichst viele Kunden zu akquirieren. An diesem System, wie es das Bundeskartellamt im Jahr 2006 vorgefunden hat (vgl. Beschl. v. 23.08.2006, a. a. O.), hat sich bislang nichts geändert, wie der Vertreter des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat. Die Bestimmung in den Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht (Anhang zum Glücksspielstaatsvertrag), dass die Vergütung der leitenden Angestellten von Glücksspielveranstaltern nicht abhängig vom Umsatz berechnet werden darf (Nr. 3 der Richtlinien), hat eher Feigenblattcharakter, nachdem der Verdienst gerade der Personen mit dem direkten Kundenkontakt, nämlich der Betreiber der Annahmestellen, umsatzabhängig ist.
46 
Die Glücksspielaufsicht ist nur minimal ausgestattet. Für ganz Baden-Württemberg sind im zuständigen Regierungspräsidium Karlsruhe (vgl. § 2 des Gesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag vom 11.12.2007) nur zwei Personen für die Überwachung des Monopolisten und seiner 3.656 Annahmestellen zuständig. Dem entspricht, dass es nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung noch nicht zu einer Sichtung, geschweige denn Überprüfung des Bestands an Annahmestellen gekommen ist. Auch über einzelne Beanstandungen bei Annahmestellen konnte der Beklagtenvertreter nichts berichten, was angesichts der hohen Zahl von Annahmestellen sicherlich nicht darauf zurückzuführen ist, dass es keine zu beanstandenden Verstöße gegeben hat.
47 
bb) Diese Defizite in der rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung des Vertriebssystems werden auch nicht durch die qualitativen Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags zur Einschränkung der Werbung und zur Suchtprävention ausgeglichen.
48 
Die inhaltlichen Regelungen zur zulässigen Werbung in § 5 Abs. 1 u. 2 GlüStV sind sehr allgemein gehalten und kranken vor allem daran, dass unklar ist und auch vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung nicht erhellt werden konnte, wo die Grenze zwischen informativer, aufklärender Werbung und unzulässiger anreizender und ermunternder Werbung verläuft. Dementsprechend konnte einer der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung auch eine Vielzahl von Werbebroschüren und -artikeln präsentieren, die weit über eine Information und Aufklärung hinausgingen und sich offensichtlich auch an Minderjährige richteten, wie etwa Schokoladentäfelchen mit dem Aufdruck auf der Banderole: „Der Leckerbissen im Jubiläumsjahr 2008 Lotto Baden-Württemberg“. Auch wenn die vorgelegten Beispiele Werbung für die Dachmarke Lotto (vgl. zur Ausgestaltung und Wirkung der Dachmarke VG Berlin, a. a. O., S.25) und verschiedene Lotterieveranstaltungen, nicht aber unmittelbar für Sportwetten enthielten, belegen sie doch, dass die Werbebeschränkungen rechtlich wie tatsächlich nicht die Ziele des § 1 GlüStV verwirklichen. Denn nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung stimmt die Toto-Lotto GmbH jede Werbemaßnahme mit der Glücksspielaufsicht ab, so dass davon auszugehen ist, dass auch die vorgelegten Werbeexemplare vorher von der Glücksspielaufsicht als unbedenklich eingestuft worden waren. Gleiches gilt für die unstreitig in Fußballstadien vorhandene Bandenwerbung für die Dachmarke Lotto, die wohl kaum als informativ und aufklärend im Sinne des § 5 Abs. 1 GlüStV bezeichnet werden kann und zudem eine Umgehung des Verbots von Bandenwerbung für Sportwetten in § 21 Abs. 2 Satz 2 GlüStV darstellt. Denn die Dachmarke steht nach ihrem Sinn und Zweck gerade für das gesamte, unter ihr vertriebene Glücksspielangebot, zu dem auch die Sportwetten gehören.
49 
Darüber hinaus ist Werbung zwar im Fernsehen, Internet und über Telekommunikationsanlagen verboten (§ 5 Abs. 3 GlüStV), jedoch nach wie vor in großer Bandbreite über Radiospots, Werbetafeln, Printmedien, Zeitungsanzeigen und Postwurfsendungen möglich (siehe dazu VG Berlin, a. a. O., S. 25-27).
50 
Soweit der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass der Umsatz der Oddset-Kombiwette im Jahr 2007 um 28 % und der Topwette um 48% sowie im ersten Quartal 2008 um 22% bzw. 32% zurückgegangen sei, konnte seinen Ausführungen nicht entnommen werden, dass dieser Rückgang Folge einer streng an der Begrenzung der Wetttätigkeit orientierten Glücksspielpolitik und Glücksspielaufsicht wäre. Vielmehr ist im Geschäftsbericht der staatlichen Toto- Lotto GmbH nachzulesen, dass die im Glücksspielstaatsvertrag geregelte Einstellung des Internetspiels und die Reduzierung der Werbeaktivitäten nur zu „leichten Umsatzrückgängen“ geführt hätten und davon auszugehen sei, dass eine fortgesetzte Werbeinschränkung zwecks Spielerschutz in Zukunft nur „vorübergehend“ zu Umsatzrückgängen führen werde (Geschäftsbericht a.a.O., S.38).
51 
Auch die Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrags zur Suchtprävention enthalten strukturelle Defizite, die sich wiederum in der aktuellen, tatsächlichen Situation widerspiegeln.
52 
Zwar sieht § 8 GlüStV eine Spielersperre vor; es fehlt jedoch an der Regelung eines Verfahrens, das sicherstellt, dass es tatsächlich auch zu Spielersperren kommt. Eine Kontrolle der Spielausgaben eines einzelnen Spielers, aus deren Höhe auf eine Spielsuchtgefährdung geschlossen werden könnte, sieht der Glücksspielstaatsvertrag nicht vor. Eine Spielersperre kann also nur dann verhängt werden, wenn der Spieler sie selbst beantragt oder das Personal oder sonstige Dritte zufällig Anhaltspunkte für Spielsuchtgefährdung, Überschuldung oder überhöhte Spieleinsätze wahrnehmen. Diese Möglichkeiten laufen in der Praxis aber weitgehend leer. Das Personal erfährt auch über die Kundenkarten oder Spielpässe (vgl. dazu Informationen zum Spielangebot der Toto-Lotto GmbH Bad.-Württ., Stand Januar 2008, S. 20, 21), die vor allem der Identifizierung eines Spielers dienen sollen (vgl. § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi-Wette vom 08.11.2007, GABl. 2007, S. 639 und § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette, Ausgabe Januar 2008, GABl. 2007, S. 648), nichts über sein früheres Spielverhalten. Damit wird die vorgesehene Schulung des Personals, das problematisches Spielverhalten anhand eines plötzlichen Anstiegs des Entgelts oder der Spielfrequenz frühzeitig erkennen soll (vgl. § 6 Satz 2 GlüStV i. V. m. Nr. 1c der Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht), gerade angesichts der Dichte der Annahmestellen und der Möglichkeit für Spieler, ihre Wetten zu streuen, zu einem wenig wirkungsvollen Instrument. Abgesehen davon dürfte ein großer Teil des Personals bislang noch nicht geschult sein; bis Ende 2006 jedenfalls hatten erst 1.297 Betreiber von Annahmestellen, also nur ein gutes Drittel, an Schulungen teilgenommen (Geschäftsbericht Toto-Lotto GmbH, S. 27). So verwundert es nicht, dass der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung von keiner einzigen verhängten Spielersperre berichten konnte, obwohl bundesweit doch immerhin 250.000 Personen Anzeichen von Glücksspielsucht aufweisen sollen (vgl. Drucks. 14/1350 des Landtags von Bad.-Württ., S. 2).
53 
Höchsteinsätze für Sportwetten - spieler- und zeitraumbezogen oder wenigstens spielbezogen - sind weder im Glücksspielstaatsvertrag noch im Ausführungsgesetz geregelt. Allein die normativ nicht verankerten Teilnahmebedingungen enthalten gewisse, teilweise sehr hohe (bis zu 5.000 EUR) Grenzen, die sich jedoch nur auf einen Spielvorgang, nicht aber auf die Ausgaben eines Spielers innerhalb eines bestimmten Zeitraums beziehen (vgl. § 6 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi-Wette vom 08.11.2007, GABl. 2007, S. 639 und § 6 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette, Ausgabe Januar 2008, GABl. 2007, S. 648; s. dazu auch VG Berlin, a. a. O., S. 30 f.).
54 
Das in § 6 GlüStV vorgesehene Sozialkonzept wird in seiner Ausgestaltung wiederum dem Monopolisten selbst überlassen. Nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung gibt es zwar ein Sozialkonzept des baden-württembergischen Monopolisten. Dieses stammt aber noch aus dem Jahr 2004, kann die Vorgaben des neuen Glücksspielstaatsvertrags also gar nicht umgesetzt haben.
55 
Am Rande sei im Übrigen darauf hingewiesen, dass auch der in § 10 Abs. 1 Satz 2 GlüStV vorgesehene Fachbeirat offensichtlich nicht existiert, nachdem dem Beklagtenvertreter darüber nichts bekannt war.
56 
Die Kammer verkennt nicht, dass die Toto-Lotto GmbH im Bereich der Aufklärung (§ 7 GlüStV) mit den Hinweisen auf Spielscheinen, Losen und Quittungen (§ 7 Abs. 2 GlüStV), der Aufklärungsbroschüre „Spielen mit Verantwortung“, der Einrichtung der Internetseite „www.spielen-mit-verantwortung.de“ und - vor allem telefonischen - Beratungsangeboten konkrete Schritte zur Suchtbekämpfung unternommen hat. Diese Schritte ändern jedoch nichts daran, dass das Konzept des Spielerschutzes unzureichend ausgestaltet ist, und sind vor allem nicht geeignet, ein zum Wetten anreizendes und ermunterndes europarechts- und verfassungswidriges Vertriebssystem zu rechtfertigen.
57 
3. Das Sportwettenmonopol des Landes ist zudem auch deshalb europarechtswidrig, weil es eine unverhältnismäßige, nämlich zur Erreichung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags nicht erforderliche Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt (ebenso VG Arnsberg, Beschl. v.l 05.03.2008 -1 L 12/08 -, juris und VG Frankfurt a.M., Beschl. v. 09. 01. 2008 - 7 G 4107/07(3) ).
58 
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dürfen Maßnahmen zur Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist (vgl. EuGH, Urt. v. 30.11.1995 - C-55/94 -, Gebhard, Rdnr.37; Urt. v. 31.03.1993 - C-19/92-, Kraus, Rdnr.41; Urt. v. 26.11.2002 - C-100/01, Olazabal, Rdnr.43; vgl. zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Europarecht: Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2.Aufl., 2005, S.805 - 841; zur Verhältnismäßigkeit in den EuGH-Urteilen zum Glücksspielmarkt: Haltern, Gemeinschaftsrechtliche Aspekte des Glücksspiels, 2007, S.21, 22).
59 
Hinsichtlich eines staatlichen Glücksspiel-Monopols haben die nationalen Gerichte daher zu prüfen, ob dieses notwendig ist, um die mit dem Glücksspiel verbundenen Probleme (Spielsucht, Missbrauchsgefahren, Kriminalität etc.) auf das angestrebte Maß zu reduzieren oder dies nicht genauso gut durch weniger einschneidende Maßnahmen, wie etwa die Zulassung privater Anbieter unter strengen Konzessionsbedingungen erreicht werden kann (EuGH, Urt. Läärä, Rdnr.39; EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr.48, 49). Insbesondere ist zu prüfen, ob der staatliche Monopolist verglichen mit einem konzessionierten privaten Anbieter einen geringeren wirtschaftlichen Anreiz zur Verletzung reglementierender Vorschriften und ein geringeres Interesse an aggressiver Vermarktung hat und ob der Staat den öffentlich-rechtlichen Monopolanbieter effektiver überwachen kann oder ob nicht private Anbieter gleichermaßen einer solchen Überwachung unterworfen werden können (vgl. EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 30.05.2007 - E 3/06 -, Ladbrokes, Rdnr.58, 62). Die zentralen Punkte der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind dabei die Effektivität der Überwachung und die Durchsetzung einer wirklich restriktiven Glücksspielpolitik (EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr.51).
60 
Zwar steht es grundsätzlich im Beurteilungsermessen des Mitgliedsstaates, zu entscheiden, ob ein Monopol unter diesen Aspekten vorzugswürdiger ist als eine staatliche Aufsicht über private Anbieter. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist dabei allerdings in jedem Fall einzuhalten (EuGH, Urt. Läärä, Rdnr.39). Die eng auszulegende Ausnahme einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit muss der Mitgliedsstaat außerdem rechtfertigen, nämlich schlüssig, plausibel und überzeugend darlegen, dass die Beschränkung gerechtfertigt ist und auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Insoweit trägt er die Darlegungslast dafür, dass das Ziel nicht auch durch mildere Mittel erreicht werden kann (vgl. EuGH, Urt. v. 13.09.2007 - C-260/04-, Kommission./.Italien.Republik, Rdnr.33 m.w.N.; Urt. Placanica, Rdnr.48,49; Urt. Rosengren, Rdnr.50, 57; ähnlich der EFTA-Gerichtshof, der von einer „Beweislast“ des Mitgliedstaates spricht: vgl. Urt. Ladbrokes, Rdnr.42 und Urt. Gaming-Machines, Rdnr.31; zur Darlegungslast auch Haltern, Gemeinschaftsrechtliche Aspekte des Glücksspiels, 2007, S.28 ). Versäumt der Mitgliedstaat eine solche Darlegung, ist die Maßnahme unverhältnismäßig (EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr.50).
61 
Insoweit unterscheidet sich die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs von der des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 18.12.1968 - 1 BvL 5/64 u.a. -, BVerfGE 25, 1; Beschl. v. 14.10.1975 - 1 BvL 35/70 u.a. -, BVerfGE 40, 196; Beschl. v. 06.10.1987 - 1 BvR 1086/82 u.a. -, BVerfGE 77, 84; Beschl. v. 19.07.2000 - 1 BvR 539/96 - BVerfGE 102, 197 und Urt. v. 28.03.2006, a.a.O.), das die Last, die gesetzgeberischen Einschätzungen zu widerlegen und zu entkräften, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung dem Gericht auferlegt (zu diesem Unterschied Bungenberg, DVBl. 2005, 1405 [1410, 1411]; zum Unterschied zwischen EuGH und EFTA-Gerichtshof in diesem Punkt Winkelmüller, GewArch 2007, 235 [237]). Gültigkeit dürfte aber auch im europarechtlichen Kontext der Ansicht des BVerfG zukommen, dass der Gesetzgeber nicht vor Ergreifung des strengeren Mittels erst den ungewissen Ausgang der Anwendung eines milderen Mittels abwarten muss, zumal dann, wenn er in der Vergangenheit schon erfolglose Schritte in dieser Richtung unternommen hat (Beschl. v. 14.02.1967 - 1 BvL 17/63 -, BVerfGE 21, 150 [158]). Das gilt auch für die Aussage, dass der mit einer vorgeschlagenen Alternative verbundene hohe Kontrollaufwand beachtlich ist und dass nicht erwartet werden kann, dass über das vernünftigerweise von der Gesellschaft erwartbare Maß hinaus Mittel zur Aufstockung personeller und sachlicher Ressourcen der Kontrollbehörden eingesetzt werden, um eine in das Grundrecht stärker eingreifende Regelung zu vermeiden (Beschl. v. 06.10.1987, a.a.O.). Schließlich sind bei der Alternativenprüfung auch die dem Gesetzgeber bekannten Tatsachen und die bisher in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen mit Alternativen beachtlich (Beschl. v. 18.12.1968, a.a.O., S. 12, 19). Insbesondere kann es zur Unverhältnismäßigkeit eines staatlichen Monopols führen, wenn die bisherigen mit konzessionierten Privaten gemachten positiven Erfahrungen ignoriert werden (Beschl. v. 19.07.2000, a.a.O.). Schließlich muss sich der Gesetzgeber um eine flexible Gestaltung des Marktsystems und, „wo immer der Markt es erlaubt“, auch um die Eröffnung des Zugangs zum Markt bemühen (Beschl. v. 14.10.1975, a.a.O.).
62 
Nach diesen Maßstäben und Grundsätzen ist vom beklagten Land weder plausibel dargelegt noch sonst ersichtlich, dass das durch den Glücksspielstaatsvertrag begründete Sportwettenmonopol zur Erreichung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags erforderlich ist. Der Landesgesetzgeber (siehe Gesetzentwurf „III. Alternativen“ , LT-Drs. 14/1930, S. 31) beruft sich lediglich darauf, eine völlige Liberalisierung des Glücksspielmarktes anstelle eines staatlichen Monopolangebots sei völlig ungeeignet, weil es dann zu einer enormen Expansion des Marktes mit einer Verzehnfachung der gegenwärtigen Umsätze der Annahmestellen komme und damit gleichermaßen die Zahl der suchtkranken und suchtgefährdeten Glücksspieler sowie die Begleit- und Beschaffungskriminalität ansteige (so auch BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr. 113 und -im Rahmen der Folgenabwägung- ebenso VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.03.2008 - 6 S 3069/07-, juris). Dieser Einwand greift hingegen nicht gegenüber der ohne weiteres auch denkbaren Alternative der Erteilung eines begrenzten Kontingents von Konzessionen an private Wettanbieter (EuGH, Urt. Placanica, Rdnr.57, 58). Dagegen führt der Landesgesetzgeber unter Bezug auf die Sportwettenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Urt. v. 28.03.2006, a.a.O.) an, die Suchtgefahren könnten mit Hilfe eines auf die Bekämpfung von Glücksspielsucht und problematischem Spielverhalten ausgerichteten Monopols mit staatlich verantwortetem Angebot „effektiver beherrscht werden“ als im Wege einer Kontrolle privater Veranstalter (LT-Drs. 14/1930, S. 29). Diese Einschätzung beruht auf der Annahme, dass der Staat ein staatlich beherrschtes Monopolunternehmen grundsätzlich leichter überwachen und instruieren kann als er dies gegenüber einer Vielzahl privater Anbieter könnte (so ausdrücklich EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr. 51). Dies setzt aber voraus, dass die öffentliche Hand anders als bei der Beaufsichtigung Privater zur Durchsetzung einer an der Suchtprävention orientierten Vertriebsform nicht auf den Einsatz mitunter langwieriger hoheitlicher Aufsichts- und Ordnungsmittel angewiesen ist, sondern die Zielkonformität der Geschäftspolitik des ihr unterworfenen staatlichen Monopolbetriebs durch direkte Weisungen durchsetzen kann (vgl. Fremuth, EuZW 2007, 565 [568]) und dass es hier nur der Beaufsichtigung eines einzigen Wettanbieters, nämlich des staatlichen Monopolanbieters, statt der Beaufsichtigung einer Vielzahl von privaten Wettanbietern bedarf, die einen viel umfangreicheren Kontrollaufwand bedingt (vgl. Walz, EuZW 2004, 523 [525] ).
63 
An diesen beiden Grundvoraussetzungen für Annahme größerer Effektivität fehlt es jedoch im vorliegenden Fall des baden-württembergischen Sportwettenmonopols gerade. Die Toto-Lotto GmbH, die in Baden-Württemberg die Sportwetten als staatlicher Monopolbetrieb anbietet, steht zwar aufgrund der unmittelbaren Landesbeteiligung gem. § 1 Abs.5 AG-GlüStV unter dem direkten Einfluss des Landes auf die Zielkonformität der Unternehmenspolitik. Ihrerseits aber bietet sie die Sportwetten nicht über ein Netz eigener zahlenmäßig begrenzter Annahmestellen mit eigenen, unmittelbarer Weisung unterworfenen Angestellten an. Vielmehr besteht das Vertriebsnetz der Toto-Lotto GmbH aus einer Vielzahl von 3656 Annahmestellen, die von privaten Inhabern von Lebensmittel-, Zeitschriften- und Tabakläden sowie Tankstellen aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags mit der Toto-Lotto GmbH betrieben werden. Der Kontrollaufwand, den die Toto-Lotto GmbH selbst und vor allem die staatliche Glücksspielaufsicht bei der Beaufsichtigung dieser großen Zahl von Annahmestellen zu leisten hat, ist damit nicht ohne weiteres geringer als im Falle einer zahlenmäßig begrenzten Konzessionierung privater Sportwettenanbieter. Auch die Durchsetzungsmacht des staatlichen Sportwettenmonopols im Falle von Verstößen der Annahmestellen gegen die Vorschriften über die Spielsuchtprävention ist nicht größer als im letztgenannten Fall eines kontingentierten Konzessionssystems: Zwar erwecken die Teilnahmebedingungen den Eindruck, die Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg betreibe eigene Verkaufsstellen in eigener Regie (§ 1 Abs.2 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi und die Oddset-Top-Wette - GABl. 2007, S. 639: „Die Gesellschaft unterhält zur Durchführung ihres Auftrags in Baden-Württemberg Verkaufsstellen und Bezirksdirektionen“). Tatsächlich aber bedient sie sich nicht eigener Verkaufsstellen, sondern lediglich eines Netzes von Privaten, die ihr auf privatvertraglicher Basis Wetten vermitteln. Mangels direkter Weisungsbefugnis hat also auch die staatliche Toto-Lotto GmbH im Falle von Verstößen gegen Vorschriften über die Spielsuchtbegrenzung nur die Möglichkeit vertragsrechtlicher Konsequenzen, gegen die die privaten Inhaber der Annahmestellen ebenso Vertragsrechtsschutz vor den Zivilgerichten in Anspruch nehmen könnten, wie private Konzessionäre vor den Verwaltungsgerichten öffentlich-rechtliche Ordnungsverfügungen der Glücksspielaufsichtsbehörde anfechten könnten. Der EuGH hat insoweit aber klar entschieden (Urt. Rosengren, Rdnrn. 52 - 57), dass z.B. ein Alkohol-Monopol nur dann gerechtfertigt ist, wenn es den „Bediensteten des Monopols“ erlaubt, eine konsequente Alterskontrolle durchzuführen, dass es hingegen unverhältnismäßig ist, wenn der staatliche Monopolist sich gar nicht eigener Angestellter bedient, sondern die Verantwortung für die Alterskontrolle privaten Dritten überträgt, indem er sich damit einverstanden erklärt, dass zahlreiche Angestellte „außerhalb der Niederlassungen des Monopols“, beispielsweise in „Lebensmittelgeschäften und Tankstellen“ diese Kontrollen vornehmen. Die Verhältnismäßigkeit des Monopols sei nicht nachgewiesen, denn unwidersprochen sei geblieben, dass eine Alterskontrolle auch mittels einer Formblatterklärung gegenüber Privaten verbunden mit geeigneten strafrechtlichen Sanktionen als weniger einschneidende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit in Betracht komme.
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Das staatliche Monopolsystem lässt sich im vorliegenden Fall auch nicht mit dem Argument rechtfertigen, es sei weniger als die privaten Sportwettenanbieter auf die Einnahmen aus den Sportwetten angewiesen, habe also einen geringeren wirtschaftlichen Anreiz, gegen die zur Eindämmung der Spielsucht erlassenen Vorschriften zu verstoßen (so aber Fremuth, a.a.O., S. 568). Die gegenteilige Einschätzung ergibt sich vielmehr aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr. 154), das gerade gegenüber den staatlichen Monopolanbietern von Sportwetten die Einführung einer von staatlichen Finanzinteressen unabhängigen Kontrollinstanz gefordert hat (siehe § 9 Abs.6 GlüStV), nachdem aufgrund der bisherigen Erfahrungen die Gefahr besteht, dass sie eine allein an finanziellen Interessen, nicht aber an der Spielsuchtprävention orientierte Glücksspielpolitik betreiben (siehe zu dem nach wie vor fortbestehenden starken finanziellen Interesse an Beibehaltung des Sportwettenmonopols auch die entsprechenden Äußerungen von Landtagsabgeordneten - LT-Drs.14/1526, S.6).
65 
Das staatliche Monopolsystem kann zudem nicht für sich reklamieren, weniger an einer aggressiven Vermarktung von Sportwetten interessiert zu sein, als es im Alternativfall kontingentiert konzessionierte private Sportwettenanbieter wären. Zwar müssen die konkurrierenden Wettanbieter schon aus Profitinteresse werbend auf sich aufmerksam machen, wenn sie den Spielermarkt unter sich aufteilen und sich dazu voneinander unterscheiden wollen (vgl. zur Werbung als wesentlichem Wettbewerbselement EuGH, Urt. v. 19.09.2006 - C-356/04 -, Lidl), während ein Monopolbetrieb naturnotwendig dann keiner Werbung bedarf, wenn er tatsächlich der einzige Anbieter auf dem Markt ist. Die staatliche Toto-Lotto GmbH ist aber tatsächlich gar nicht der einzige Sportwettenanbieter und muss daher ebenfalls mit intensiver Werbung auf sich aufmerksam machen, wie ihre Strategie einer Werbung unter der Dachmarke „Lotto“ zeigt (dazu oben ). Denn den Spielern in Baden-Württemberg steht neben dem staatlichen Sportwettenangebot ein großer Sportwettenmarkt im Internet offen, der sich trotz seiner Illegalität schlichtweg nicht unterdrücken lässt und durch seine Konkurrenz in den letzten Jahren zu einem kontinuierlichen Umsatzrückgang bei den staatlichen Sportwetten geführt hat (siehe Geschäftsbericht der Toto-Lotto GmbH, a.a.O. 37).
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Schließlich ist auch die Annahme nicht plausibel, das staatliche Sportwettenmonopol sei geeigneter als ein System kontingentierter Konzessionierung privater Sportwettenanbieter, die befürchteten Gefahren einer mit dem Sportwettengeschäft verbundenen Kriminalität (Betrug, Sportwettenbetrug, Geldwäsche, Einstieg des organisierten Verbrechens) oder des Gewinnausfalls zu Lasten eines Spielers durch Insolvenz des Anbieters (siehe zu alledem BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnrn. 103 - 106) einzudämmen oder gar völlig zu vermeiden. Die seit langem mit legal im Glücksspielbereich tätigen privaten Anbietern gemachten Erfahrungen dürfen dabei nämlich nicht ignoriert werden. Pferdewetten werden seit 1922 von privaten Wettanbietern veranstaltet und angeboten, in den neuen Bundesländer sind seit Jahren vier private Sportwettenanbieter auf der Grundlage von alten DDR-Erlaubnissen tätig, der Spielbankenbetrieb in Baden-Württemberg wird seit Jahrzehnten von privaten Betreibern durchgeführt und der Glücksspielmarkt im Bereich der Spielautomaten wird sogar ohne Kontingentierung ausschließlich von Privaten betrieben (siehe LT-Drs.14/393, S.5). Gleichwohl liegen ganz offenbar keine negativen Erfahrungen mit ihnen im Hinblick auf die befürchteten Kriminalitäts- und Liquiditätsgefahren vor. Das Finanzministerium (a.a.O. S.5, 6) stützt entsprechende Befürchtungen weder auf Statistiken noch auf Untersuchungen, sondern beruft sich nur auf die insoweit ebenso wenig fundierten Annahmen des BVerfG. Dem Regierungspräsidium Karlsruhe als der zuständigen Glücksspielaufsichtsbehörde sind diesbezüglich auch keine entsprechenden Missstände (Betrugsstraftaten, Insolvenzen, sonstige gewerberechtliche Unzuverlässigkeiten) etwa aus der früheren Tätigkeit der ca. 500 privaten Sportwettenvermittler (vgl. LT-Drs. 14/495, 10) bekannt geworden, deren Tätigkeit sie untersagt hat (zur Unverhältnismäßigkeit eines Spielbankenmonopols wegen der Nichtberücksichtigung der zuvor jahrelang mit privaten Spielbankenbetreibern gemachten positiven Erfahrungen: BVerfG, Beschl. v. 19.07.2000, a.a.O.; zur Unverhältnismäßigkeit eines Monopols mangels Darlegung, dass ein Konzessionierungssystem mit privaten Anbietern unter strengen Zulassungsvoraussetzungen zur Vermeidung von Untreue, Unterschlagung und Geldwäsche nicht gleichermaßen effektiv sei: EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr. 50).
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Ohnedies sind die genannten Gefahren im Bereich der Sportwetten nicht besonders ausgeprägt bzw. durch geringer einschneidende Maßnahmen als durch ein staatliches Monopol zu reduzieren. Das Bundesverfassungsgericht selbst hat dazu in seiner Grundsatzentscheidung ausgeführt, die typischen Betrugsgefahren durch manipulierte Spielgeräte und Spielmittel oder durch Einflussnahme auf den Spielverlauf bestünden bei Sportwetten in geringerem Maße als bei anderen Glücksspielen, da auf ein von dritter Seite veranstaltetes Sportereignis gewettet werde, das der Wettnehmer selbst nicht beeinflussen könne. Auch die Übervorteilung der Spieler durch Täuschung über die Gewinnchancen sei bei Sportwetten mit festen Gewinnquoten geringer, da Risiko und Gewinnchancen aufgrund der fest vereinbarten Gewinnquoten transparenter seien als bei anderen Glücksspielen. Stärker als bei Spielformen, bei denen der Veranstalter nur das von den Spielern eingesammelte Geld nach Einbehalt eines gewissen Anteils auskehre, könne der Spieler hingegen durch die Zahlungsunfähigkeit des Veranstalters gefährdet werden. Wie bei „anderen gewerblichen Betätigungen“, bei denen dem Unternehmer fremde Gelder anvertraut seien, sei bei Sportwetten mit festen Gewinnquoten daher die finanzielle Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit des Veranstalters im Interesse der Wettteilnehmer zu sichern (Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr.103, 104). Was die vom Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang auch angeführte spezifische Gefahr des Sportwettenbetrugs durch Einflussnahme der Wettteilnehmer auf den Verlauf des Sportereignisses selbst angeht, ist nicht ersichtlich, dass eine solche Einflussnahmemöglichkeit im Fall der Wettveranstaltung durch Private größer wäre als im Fall eines staatlich monopolisierten Sportwettenangebots. Auch die Gefahr der Begleitkriminalität in Form einer Beschaffungskriminalität von Spielsüchtigen würde nur dann ein Argument für die Notwendigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols darstellen, wenn dieses im Hinblick auf die Suchtprävention effektiver wäre als eine kontingentierte Zulassung privater Anbieter unter strengen Verhaltensvorschriften. Das aber ist aber nach dem oben Gesagten gerade nicht der Fall, weil es an einer solchen konsequenten Spielsuchtprävention fehlt.
68 
In der Literatur wird zudem zu Recht darauf verwiesen, dass ein rechtskonformes Verhalten gewerblicher Spielvermittler, die bislang in der Vergangenheit keinen Vorwürfen hinsichtlich aggressiver Spielerwerbung ausgesetzt waren, sich auch durch das mildere Mittel einer Zuverlässigkeitsprüfung im staatlichen Zulassungs- und Überwachungsverfahren wie in anderen Bereichen des Gewerberechts auch hinreichend sicherstellen lässt (Wissenschaftlicher Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landtags, Gutachten vom 11.10.2007, S. 30, a.a.O.). Auch der Europäische Gerichtshof hat es in der Placanica-Entscheidung (a.a.O., Rdnr. 62 ff.) für ein wesentlich milderes Mittel gehalten, die Kontrolle der ausländischen Wettanbieter zwecks Schutz des Glücksspielmarktes vor kriminellen und betrügerischen Tätigkeiten durch Einholung von Informationen über deren Vertreter oder Hauptanteilseigner auszuüben, anstatt sie zur Erreichung dieses Ziels vollständig vom Glücksspielmarkt auszuschließen.
69 
Gegen eine Konzessionierung Privater lässt sich auch nicht einwenden, die Annahmestellen des staatlichen Sportwettenmonopols seien wegen ihrer Ausgestaltung als bloßer Nebenbetrieb von Tankstellen, Lebensmittel-, Zeitschriften oder Tabakwarenläden deutlich weniger attraktiv für Spieler als reine private Sportwettenagenturen, die durch entsprechende räumliche Gestaltung und Aufmachung (Sitzgelegenheiten, Getränke- und Fernsehangebot) die Wettteilnehmer stärker zum Verweilen und Wetten animierten und damit den Spielerschutz und die Suchtprävention beeinträchtigten. Denn im Rahmen einer Konzessionserteilung könnte auch privaten Sportwettenanbietern eine insoweit vergleichbar nüchterne Gestaltung vorgegeben werden. Gleiches gilt für den Einwand, die Gewinnquoten der staatlich veranstalteten Oddsetwette seien erheblich geringer und damit weniger suchtgefährlich als die Gewinnquoten der privaten Sportwettenanbieter. Denn im Rahmen einer staatlichen Konzessionierung ließen sich den privaten Anbietern gegenüber ohne weiteres auch Vorgaben zur Beschränkung der Höhe der Gewinnquoten machen.
70 
Was die im Lindmann-Urteil des EuGH (Urt.v. 13.11.2003 - C-42/02-, Rdnr.25,26) geforderte begleitende Untersuchung der Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit angeht, hat das Land lediglich auf die vom Bundesverfassungsgericht erwähnte Studie zum Suchtpotenzial von Sportwetten verwiesen (LT-Drs.14/393, S. 8, 9), hält aber im Übrigen seinerseits „längerfristig alternative Modelle wie beispielsweise eine beschränkte Konzessionierung“ nicht für ausgeschlossen (vgl. Stellungnahme des Finanzministeriums vom 30.10.2006 -LT-Drs.14/393, S.3; siehe auch Finanzminister Stratthaus - LT-Drs.14/495, S.11: „Über die Idee private Anbieter zuzulassen und eine Steuer zu erheben, kann durchaus nachgedacht werden“). Außerdem hat das Land zusammen mit Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein in einer Protokollerklärung zum Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 22.06.2006 zum Staatsmonopol im Glücksspielbereich erklärt, es halte es „unter Einbeziehung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben und praktischer Marktentwicklungen mittel- und langfristig für zielführender, eine begrenzte Konzessionierung in diesem Bereich vorzubereiten“ (siehe dazu LT-Drs.14/393, S. 554). Soweit aber für die Einführung eines solchen alternativen Konzessionierungsmodells erst die „zukünftige Entwicklung des Glücksspielmarktes“ und die Frage entscheidend sein soll, „ob sich das Monopol dabei als geeignetes Mittel zur Erreichung der ordnungspolitischen Ziele erweist“, und soweit dazu für einen Zeitpunkt drei Jahre nach Inkrafttreten des Staatsvertrages eine Evaluierung zur Effizienz und einem etwaigen Anpassungsbedarf ankündigt wird (vgl. Finanzministerium v. 30.10.2006 - LT-Drs.14/393, S.3), trägt dieses Argument nicht. Denn es ist nicht dargelegt, dass diese Vorgehensweise angesichts der bisherigen positiven Erfahrungen mit privaten Glücksspielanbietern einen Erkenntnisgewinn bringen würde. Nach allem kann also keine Rede davon sein, das Monopol sei zur Zielerreichung geeigneter als die kontingentierte Zulassung privater Sportwettenanbieter.
71 
4. In seiner rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung verstößt das staatliche Glücksspielmonopol für Sportwetten schließlich auch gegen EG-Wettbewerbsrecht in Gestalt des Art. 86 EG i.V.m. Art. 82 EG (ebenso im Ergebnis: Winkelmüller/Kessler, EuZW 2007, 404; König, EuZW 2007, 33, sowie Bungenberg, DVBl. 2007, 1405, 1411; a. A.: Fremuth, EuZW 2007, 565).
72 
Art. 86 Abs. 1 EG bestimmt, dass die Mitgliedstaaten in Bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine dem EG-Vertrag und insbesondere dessen Artikeln 12 und 81 bis 89 EG widersprechende Maßnahmen treffen oder beibehalten werden. Das Sportwettenmonopol ist untrennbar mit der Gewährung eines ausschließlichen Rechts an ein - zudem: öffentliches - Unternehmen, die Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg, verbunden. Dieser Gesellschaft allein wird ein wirtschaftlicher Tätigkeitsbereich unter Ausschluss von Wettbewerbern vorbehalten (vgl. zum Charakter ausschließlicher Rechte: EuGH, Urt. v. 30.04.1974 - Rs. 155/73 -, Sacchi; Urt. v. 18.06.1991 - C-260/89 -, ERT; Urt. v. 10.12.1991 - C-179/90 -, Hafen von Genua). Auch wenn die Gründe für das Monopol nichtwirtschaftlicher Art sind (§ 1 GlüStV), stellen das als (ordnungsrechtliche) öffentliche Aufgabe (§ 10 Abs. 1 und 2 GlüStV) zu qualifizierende Anbieten und die Veranstaltung von Glücksspielen eine wirtschaftliche Tätigkeit dar (anders hingegen, wenn eine staatliche Stelle hoheitliche Befugnisse ausübt: EuGH, Urt. v. 14.12.1995 - C-387/93 -, Banchero, Rnr. 49). Alle Glücksspiele sind als wirtschaftliche Tätigkeiten im Sinne von Artikel 2 EG zu qualifizieren, denn sie erfüllen die beiden Kriterien der Erbringung einer bestimmten Dienstleistung gegen Entgelt und der Erwartung eines Gewinns in Geld (EuGH, Urt. v. 11.09.2003 - C-6/01 -, ANOMAR, Rnr. 47; Urt. v. 25.10.2001 - C-475/99 -, Ambulanz Glöckner, Rnr. 19). Dass die Veranstaltung von Sportwetten bislang schon vom Staat beherrschten Gesellschaften übertragen war (vgl. bereits den Staatsvertrag zum Lotteriewesen aus 2004) und weiterhin ist, spricht nicht gegen die wirtschaftliche Natur dieser Tätigkeit, weil sie (gemeinschaftsweit betrachtet) nicht stets in der Hand des Staates ist und ferner nicht notwendig von solchen Einrichtungen betrieben werden muss (vgl. zum Arbeitsvermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit: EuGH, Urt. v. 23.04.1991 - C-41/90 -, Höfner und Elser, Rnr. 22).
73 
Das mit dem GlüStV bzw. den diesen umsetzenden gesetzlichen Regelungen bewirkte Dienstleistungsmonopol der Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg bei der Durchführung ausschließlich vom Land veranstalteter Sportwetten stellt die Einräumung einer marktbeherrschenden Stellung i.S.v. Art. 82 EG dar. Ein Unternehmen, das ein gesetzliches Monopol besitzt, kann als Inhaber einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 82 EG angesehen werden. Ferner kann bereits das Teilgebiet zumindest eines der größeren EU-Mitgliedsstaaten einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes darstellen (Brinker, in: Schwarze, EU-Kommentar, 1. Aufl. 2000, Art. 82 Rnr. 10) Das Land Baden-Württemberg ist angesichts seiner Einwohnerzahl (über 10,7 Mio.) und des betroffenen Wirtschaftszweigs (zur Lukrativität des Glücksspielmarkts vgl. Diegmann/Hoffmann, NJW 2004, 2642) als gemeinschaftsrelevanter Markt anzusehen (so im Ergebnis auch Fremuth, a.a.O., S. 565). Der EuGH hat in der Sache Ambulanz Glöckner (a.a.O., Rdnr. 38) für das im Bundeslandvergleich kleinere Rheinland-Pfalz angesichts der „großen Fläche“ dieses Landes von fast 20.000 qkm und seiner hohen Einwohnerzahl von etwa vier Millionen, die über der einiger Mitgliedstaaten liegt, die Annahme geäußert, dass eine beherrschende Stellung (dort des DRK-Rettungsdienstes) einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes betrifft.
74 
Das Sportwettenmonopol ist ferner als missbräuchliche Ausnutzung dieser Marktstellung zu qualifizieren. Unter Berücksichtigung einer weiten, am Verbraucherinteresse, an der Marktöffnung sowie an der Sicherung unverfälschten Wettbewerbs orientierten Auslegung des Missbrauchsbegriffs (vgl. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2007, Art. 82 EG, Rdnrn. 126 bzw. 116; Brinker, a.a.O., Rdnr. 15; ferner EuGH, Urt. v. 15.03.2007 - C95/04 P -, Britisch Airways, Rdnr. 57) unterfallen die Monopolbestimmungen der Bestimmung des Art. 82 Abs. 2 lit. b EG. Danach kann ein Missbrauch insbesondere in einer Beschränkung der Leistung („Einschränkung des Absatzes“) zum Schaden derjenigen bestehen, die die betreffende Dienstleistung in Anspruch nehmen wollen (in diesem Sinne: Fremuth, a.a.O. S. 566 ff.; König, a.a.O., S. 33 sowie Bungenberg, a.a.O., S. 1411/1412). Insbesondere auf einem ausgedehnten und differenzierten Markt, der überdies aufgrund wirtschaftlicher und sozialer Entwicklungen Veränderungen unterliegt, kann es dazu kommen, dass ein Monopolist einen bedeutenden Teil der Gesamtnachfrage nach Dienstleistungen nicht mehr befriedigen kann (EuGH, Urt. v. 11.12.1997 - C-55/96 -, Job Centre, Rdnrn. 32 bis 34). Die nach Art. 82 Abs. 1 EG ferner erforderliche mögliche Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten liegt insbesondere vor, wenn - wie hier - nationale Märkte dem Ziel eines einheitlichen Markts zuwider gegenüber Dienstleistungserbringern aus anderen Mitgliedstaaten abgeschottet werden (EuGH, Urt. Ambulanz Glöckner, Rdnr. 47).
75 
Dieser wettbewerbsrechtliche Verstoß gegen Art. 82 EG ist schließlich nicht durch Art. 86 Abs. 2 EG gerechtfertigt. Danach gelten für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, die Vorschriften des EG-Vertrags, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. Im Zusammenhang mit den das Sportwettenmonopol begründenden und ausgestaltenden Regelungen des GlüStV sowie des AG-GlüStV findet eine Betrauung der Toto-Lotto GmbH mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse statt. Der Begriff „wirtschaftlich“ begrenzt den Kreis der Tätigkeiten, auf die Art. 86 Abs. 2 EG Anwendung finden kann, nicht aber den Kreis der Interessen, die Mitgliedstaaten mit diesen Tätigkeiten verfolgen können; diese können wirtschaftlicher oder nichtwirtschaftlicher Natur sein (EuGH, Urt. v. 23.10.1997 - C-157/94 -, Energiemonopole Niederlande, Rdnr. 40; Mestmäcker/Schweitzer, a.a.O., Art. 86 Abs. 2 Rdnrn. 66/67 m.w.N.). Das über §§ 1 bis 8 GlüStV i.V.m. § 10 Abs. 1 GlüStV bzw. § 1 Abs. 5 und § 2 AG-GlüStV monopolisierte Angebot von Sportwetten geht untrennbar mit einem allgemeinen Interesse einher, nämlich der Sicherstellung eines ausreichenden, aber zugleich begrenzten Glücksspielangebots. Glücksspiel-spezifisch hat der EuGH zuletzt noch einmal in der Sache Placanica (Rdnr. 46 - 48) ausgeführt, dass Ziele des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung und der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen sowie der Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen zwingende Gründe des Allgemeininteresses darstellen. Diese für eine Beschränkung der Grundfreiheiten legitimierten Ziele haben auch im Rahmen des Art. 86 Abs. 2 EG zu gelten.
76 
Die Beschränkung des Wettbewerbs mittels eines andere Sportwettenanbieter ausschließenden Monopols ist jedoch nicht geeignet bzw. nicht erforderlich zur Erfüllung der übertragenen besonderen Aufgabe. Das Erfordernis der rechtlichen oder tatsächlichen Verhinderung in Art. 86 Abs. 2 EG ist ebenfalls Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. EuGH Urt. Ambulanz Glöckner, Rdnrn. 56 und 57; Urt. v. 23.05.2000 - C-209/98 -, Sydhavnens - Rdnr. 74; Urt. v. 23.10.1997 C-159/94 -, Energiemonopole Frankreich, Rdnr. 49). Damit führt aber die oben unter 2. getroffene Feststellung einer unzulässigen Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit auch hier zum Ergebnis einer Nichtrechtfertigung des Wettbewerbsverstoßes. Wo die Gelegenheiten zum Spiel nicht wirklich vermindert und die Wetttätigkeiten nicht kohärent und systematisch begrenzt werden, kann ein Monopol keine wettbewerbsrechtliche Rechtfertigung finden (vgl. die entsprechenden Erwägungen des EuGH betreffend das staatliche Handelsmonopol für Alkohol in der Sache Rosengren). Auch in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht gilt schließlich, dass das beklagte Land nicht dargelegt hat, dass ein Dienstleistungsmonopol gegenüber der vollständigen oder zumindest teilweisen Zulassung Privater erforderlich ist. Da es sich bei Art. 86 Abs. 2 EG um eine Ausnahme von den Grundvorschriften des EG-Vertrags handelt, obliegt dem Mitgliedstaat, der sich auf diese Bestimmung beruft, der Nachweis, dass ihr Tatbestand erfüllt ist. Der Mitgliedsstaat muss folglich in einer das Gericht überzeugenden Weise darlegen, dass dieses Ziel nicht ebenso mit anderen Mitteln erreicht werden kann (EuGH, Urt. v. 25.06.1998 - C-203/96 -, Dusseldorp, Rdnr. 67; Mestmäcker/Schweitzer, a.a.O., Art. 86 Abs. 2 Rdnrn. 84 und 93). Dieser Obliegenheit ist das beklagte Land nach dem bereits oben unter 3. Dargelegten nicht gerecht geworden.
III.
77 
Die neben der Untersagung in Nrn. 1, 2, 4 und 6 getroffenen Entscheidungen über die Entfernung der Geräte, die unverzügliche Einstellung der Tätigkeiten und ihre schriftliche Mitteilung sowie schließlich die Zwangsgeldandrohung und die Gebührenfestsetzung sind, weil der ihnen vorangehende Grundverwaltungsakt der Aufhebung unterliegt, ebenfalls rechtswidrig und aufzuheben. Darauf, ob sie an eigenständigen Mängeln leiden, kommt es nicht mehr an.
IV.
78 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Kammer hat keinen Anlass, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Da diese Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, ist die Berufung zuzulassen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Gründe

 
16 
Die Anfechtungsklage ist ohne Durchführung eines Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 VwGO, § 6a Satz 1 AGVwGO) zulässig und begründet. Die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 21.11.2006 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
17 
Als Rechtsgrundlage der Untersagung, in Baden-Württemberg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen (Ziff. 1 Satz 1 der Verfügung), kommt nunmehr allein § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV -, vgl. GBl. 2007, 571 ff.) in Betracht, der am 01.01.2008 in Kraft getreten ist (vgl. GBl. 2008, 56). Gleiches gilt für das Gebot, die zur Veranstaltung oder Vermittlung solcher Glücksspiele vorgehaltenen Geräte aus den öffentlich zugänglichen Räumen zu entfernen (Ziff. 1 Satz 2 der Verfügung), die untersagten Tätigkeiten unverzüglich einzustellen und die Einstellung dem Regierungspräsidium schriftlich mitzuteilen (Ziff. 2 der Verfügung). Diese neue Rechtslage ist deshalb maßgeblich, weil es sich bei der angefochtenen Verfügung um einen Dauerverwaltungsakt handelt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 17.03.2008 - 6 S 3069/07 -) und weil für die verwaltungsgerichtliche Überprüfung derartiger Verwaltungsakte regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 09.03.2005, Buchholz 451.20, § 15 GewO Nr. 5; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 113 Rdnr. 43 ff.). Für die gerichtliche Entscheidung maßgebend sind deshalb die Bestimmungen des oben genannten Glücksspielstaatsvertrags und die Bestimmungen des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag - AG-GlüStV -) vom 04.03.2008 (GBl. 2008, 81 ff.), das am 08.03.2008 in Kraft getreten ist (vgl. § 19 AG-GlüStV).
18 
Zwar vermittelt der Kläger unerlaubte Glücksspiele, was nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV Voraussetzung dafür ist, dass das Regierungspräsidium Karlsruhe als zuständige Behörde der Glücksspielaufsicht (§ 2 des Gesetzes zu dem Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 11.12.2007, GBl. 2007, 571; § 16 Abs. 1 AG-GlüStV) mit der angefochtenen Verfügung einschreitet (dazu I.). Die derzeitige Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols in Baden-Württemberg (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV) ist aber nach Auffassung der Kammer mit dem primären Gemeinschaftsrecht, nämlich der Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG) und dem EG-Wettbewerbsrecht (Art. 86, 82 EG), unvereinbar. Nach dem grundlegenden Prinzip des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts hat das Verwaltungsgericht das gemeinschaftsrechtswidrige nationale Recht außer Anwendung zu lassen (dazu II.).
I.
19 
Dadurch, dass der Kläger in seiner Gaststätte das Internetterminal „Tipomat“ aufstellen lässt, das auf die Nutzung zum Abschluss von Sportwetten bei dem maltesischen Sportwettenanbieter ... ausgerichtet ist, eröffnet er Spielern die Möglichkeit zur Teilnahme an Sportwetten. Damit ist er Vermittler (vgl. § 3 Abs. 4 GlüStV) von Sportwetten, die als Glücksspiele i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV anzusehen sind. Davon sind die Verwaltungsgerichte bereits in den früheren Entscheidungen, die zur Rechtslage vor Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrages ergangen sind, ausgegangen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12.01.2005, VBlBW 2005, 181 m.w.N.). § 3 Abs. 1 Satz 3 GlüStV bestimmt nunmehr ausdrücklich, dass auch Wetten gegen Entgelt auf den Eintritt oder Ausgang eines zukünftigen Ereignisses Glücksspiele sind (vgl. zuletzt VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.03.2008 - 6 S 3069/07 -).
20 
Die vom Kläger vermittelten Sportwetten sind auch unerlaubte Glücksspiele. Nach § 4 Abs. 1 GlüStV dürfen öffentliche Glücksspiele nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Das Veranstalten und das Vermitteln ohne diese Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel) ist verboten. Weder der Kläger noch der maltesische Sportwettenveranstalter haben jemals vom Land Baden-Württemberg eine solche Erlaubnis erhalten. Zwar vermittelt der Kläger die Sportwetten in das EU-Ausland (Malta); das entbindet ihn aber nicht von dem Erfordernis einer Erlaubnis durch die zuständige Behörde des Landes; denn nach § 3 Abs. 4 GlüStV wird ein Glücksspiel dort veranstaltet und vermittelt, wo dem Spieler die Möglichkeit zur Teilnahme eröffnet wird. Das ist die Gaststätte des Klägers in Konstanz.
21 
Dass der Firma ..., an die der Kläger Sportwetten vermittelt, in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union (hier: Malta) eine Erlaubnis zum Veranstalten von Sportwetten erteilt wurde, ändert an der Einstufung als unerlaubtes Glücksspiel nichts. Aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt sich nicht, dass diese Erlaubnis auch im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Geltung beanspruchen kann. Es sieht keine generelle Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zur gegenseitigen Anerkennung von Erlaubnissen vor, die von einem Mitgliedsstaat erteilt wurden. Der Glücksspielbereich ist auch nicht Gegenstand einer gemeinschaftsrechtlichen Harmonisierung. Vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt vom 12.12.2006 (ABl. Nr. L376/36 v. 27.12.2006) sind Glücksspiele einschließlich Lotterien und Wetten ausdrücklich ausgenommen (vgl. Erwägungsgrund Nr. 25 und Art. 2 Abs. 2 Buchst. h dieser Richtlinie). Auch die Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr vom 08.06.2000 (ABl. Nr. L178 v. 17.07.2000, S. 1), die in ihrem Artikel 3 das Herkunftslandprinzip vorschreibt, ist auf Glücksspiele nicht anwendbar (vgl. den Erwägungsgrund Nr. 16 und Art. 1 Abs. 5 Buchst. d, 3. Spiegelstrich). Die Auffassung des Generalanwalts (vgl. dessen Schlussanträge vom 16.05.2006 - Rs. C-338/04, C-359/04 und C-360/04, Placanica u.a.), wonach Gemeinschaftsrecht einer nationalen Regelung entgegenstehe, die unter anderem die Übermittlung von Wetten ohne die hierfür erforderliche Konzession des jeweiligen Mitgliedsstaats für Rechnung eines Unternehmers verbiete, der lediglich eine in dem Mitgliedsstaat seiner Niederlassung erteilte Zulassung besitzt, lässt sich mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht vereinbaren. Denn dieser hat mehrfach entschieden, dass den einzelnen Mitgliedsstaaten gerade ein Ermessensspielraum bei der Gestaltung ihrer Glücksspielpolitik eingeräumt wird (vgl. etwa EuGH, Urt. v. 06.11.2003, C-243/01 - Gambelli -). Dementsprechend hat sich der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 06.03.2007 (C-338/04 - Placanica -) diese Ausführungen auch nicht zu eigen gemacht. Vielmehr hat er auf seine bisherige Rechtsprechung verwiesen, die eine Reihe von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses anerkannt habe, aus denen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs gerechtfertigt seien.
22 
Dass die von einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft erteilte Konzession zum Veranstalten von Sportwetten im Bundesgebiet keine Geltung beanspruchen kann, ist mittlerweile gefestigte Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (vgl. zuletzt VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.03.2008 - 6 S 3069/07 -, mit zahlreichen Nachweisen).
II.
23 
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüstV scheidet als Rechtsgrundlage der angefochtenen Untersagungsverfügung jedoch aus.
24 
Die derzeitige Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols in Baden-Württemberg (vgl. § 10 Abs. 2 und 5 GlüstV) stellt eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des Klägers dar und ist europarechtswidrig (dazu II. 2 - 4). Das führt zur Europarechtswidrigkeit auch von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüstV; denn diese Bestimmung ermächtigt die Glücksspielaufsicht, das europarechtswidrige staatliche Glücksspielmonopol durchzusetzen und privaten Anbietern das Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten allein deshalb zu untersagen, weil dies gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüstV ohne Erlaubnis verboten ist. Ein auf präventive Kontrolle gerichtetes Erlaubnisverfahren existiert für private Sportwettenveranstalter wegen der Regelung des staatlichen Wettmonopols im Glücksspielstaatsvertrag aber nicht. Wegen der europarechtswidrigen Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols kann derzeit deshalb nicht von einer Erlaubnispflicht für private Anbieter von Sportwetten ausgegangen werden (so ebenfalls VG Berlin, Beschl. v. 02.04.2008 -VG 35 A 52/08-).
25 
Aus diesem Grunde kann die angefochtene Verfügung auch nicht - wovon das Regierungspräsidium ausgegangen ist - darauf gestützt werden, dass mit ihr ein Verstoß gegen die Strafrechtsnorm des § 284 StGB abgewehrt wird. Denn aus der verwaltungsakzessorischen Natur des § 284 StGB (vgl. hierzu: BGH, Urt. v. 16.08.2007 - 4 StR 62/07 -, NJW 2007, 3078 ff.) folgt, dass sich ein Anbieter oder Vermittler von Sportwetten nicht nach dieser Vorschrift strafbar macht, wenn - wie hier - die fehlende Erlaubnis auf einem Rechtszustand beruht, der europarechtswidrig die Dienstleistungsfreiheit verletzt.
26 
Dem stehen auch nicht die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 28.03.2006 entgegen; denn das Gericht hat lediglich für die von ihm eingeräumte Übergangszeit bis 31.12.2007 angenommen, dass das gewerbliche Veranstalten von Sportwetten durch private Wettunternehmen weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden darf (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, 1 BvR 1054/01 -, NJW 2006, 1261 ff.). Erweist sich die Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols nach Ablauf der Übergangsfrist aber als europarechtswidrig, kann von einem Verbot als Grundlage der angegriffenen Verfügung nicht mehr ausgegangen werden (vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 22.11.2007 - 1 BvR 2218/06 -, NVwZ 2008, 301 ff.).
27 
1. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile v. 15.07.1964 - Rs 6/64 - Costa/E.N.E.L. , und v. 09.03.1978 - Rs 106/77 - Simmenthal) besteht aus Art. 10 EG und dem als Strukturprinzip des Gemeinschaftsrechts entwickelten Grundsatz des „effet utile“ für nationale Gerichte die Pflicht, gemeinschaftsrechtswidriges nationales Recht von sich aus außer Anwendung zu lassen (vgl. zum Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts auch Streinz/Herrmann, BayVBl. 2008, 1 ff.). Hinsichtlich der Verwerfung nationaler Gesetze wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit ist zwar eine besonders sorgfältige Prüfung und auch Zurückhaltung geboten. Bei hinreichend manifesten Verstößen nationaler Rechtsnormen gegen das Gemeinschaftsrecht sind die nationalen Gerichte zu deren Nichtanwendung jedoch nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet. So verhält es sich nach Auffassung der Kammer hier. Denn der Europäische Gerichtshof hat bereits in mehreren Entscheidungen zum Glücksspielbereich die Voraussetzungen genau dargelegt, die erfüllt sein müssen, damit Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind (dazu im einzelnen II. 2 - 4). Er hat auch immer wieder betont, es sei Sache der nationalen Gerichte, darüber zu befinden, ob die streitigen Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs diese Voraussetzungen erfüllen. Angesichts dieser Rechtsprechung sieht die Kammer hinsichtlich der europarechtlichen Voraussetzungen für die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit keinen weiteren Klärungsbedarf, der Anlass für eine Vorlage an den Gerichtshof nach Art. 234 EG sein könnte. Zwar haben mehrere deutsche Verwaltungsgerichte (vgl. z.B. VG Stuttgart, Beschl. v. 24.07.2007 - 4 K 4435/06-) dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob der für eine Rechtfertigung des staatlichen Sportwettenmonopols gemeinschaftsrechtlich gebotene kohärente und systematische Beitrag zur Begrenzung der Wetttätigkeit lediglich auf den jeweiligen Glücksspielsektor zu beziehen oder unter Einbeziehung auch der nicht monopolisierten Glücksspiele, die -wie etwa Geldspielgeräte- ein höheres Suchtpotential aufweisen, umfassend zu verstehen ist. Auf die Beantwortung dieser Frage kommt es für die Kammer aber entscheidungserheblich nicht an, weil das staatliche Sportwettenmonopol auch ohne Berücksichtigung anderer Glücksspielsektoren derzeit gegen Gemeinschaftsrecht verstößt.
28 
2.a) Das Sportwettenmonopol des Landes stellt eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des Klägers dar. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist geklärt, dass die Veranstaltung, Vermittlung und Durchführung von Sportwetten Dienstleistungen i. S. v. Art. 49 EG sind (EuGH, Urt. v. 21.10.1999, C-67/98 - Zenatti -, Rdnr. 19; Urt. v. 24.03.1994, C-275/92 - Schindler -, Rdnr. 25; Urt. v. 21.09.1999, C-124/97 – Läärä -, Rdnr. 14). Ebenso ist geklärt, dass Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit außerhalb der Vorgaben des Art. 55 EG i. V. m. Art. 45, 46 EG nur dann zulässig sind, wenn sie nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 29).
29 
b) Im Bereich von Glücksspielen sind als zwingende Gründe des Allgemeininteresses der Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung, die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen und die Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung anerkannt (EuGH, Urt. Gambelli, Rdnr. 67). Innerhalb dieses Rahmens steht es im Ermessen jedes einzelnen Mitgliedstaats, welches Schutzniveau er gewährleisten will (EuGH, Urt. Schindler, Rdnr. 60, 61; Urt. Zenatti, Rdnr. 33, 34). Er kann sich zum Beispiel für ein Präventionsmodell entscheiden, das auf eine wesentliche Verminderung der Gelegenheit zum Spiel ausgerichtet ist, oder etwa auch für ein Kanalisierungsmodell, das darauf abzielt, durch ein auf Einnahmeerzielung und Expansion angelegtes Angebot einer begrenzten Zahl konzessionierter Privater die Glücksspieltätigkeiten aus dem Bereich des Illegalen und Kriminellen in geordnete und staatlich überwachte Bahnen zu lenken (EuGH, Urt. Placanica, Rdnr. 54, 55; s. dazu auch Wissenschaftlicher Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landtags, Gutachten v. 11.10.2007, S. 7 - Drs. LT-SLH 16/2460 -).
30 
Mit dem Glücksspielstaatsvertrag haben sich die deutschen Landesgesetzgeber für ein Präventionsmodell entschieden, das als Mittel zur Prävention auch die Kanalisierung des Spieltriebs der Bevölkerung beinhaltet. § 1 GlüStV nennt als Ziele, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirkliche wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen (Nr. 1), das Glücksspielangebot zu begrenzen und den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, insbesondere ein Ausweichen auf nicht erlaubte Glücksspiele zu verhindern (Nr. 2), den Jugend- und den Spielerschutz zu gewährleisten (Nr. 3) sowie sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt, die Spieler vor betrügerischen Machenschaften geschützt und die mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität abgewehrt werden (Nr. 4). Diese Ziele werden zwar ohne weiteres von den europarechtlich anerkannten Gründen des Allgemeininteresses umfasst. Von diesen Zielen hat allerdings bei verfassungskonformer Auslegung des Glücksspielstaatsvertrags nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 28.03.2006 (a.a.O., Rdnrn. 98 ff.) das in § 1 Nr. 1 des Vertrags genannte Ziel der Suchtbekämpfung im Vordergrund zu stehen. Nur mit Bezug zu diesem Ziel kann die in § 1 Nr. 2 GlüStV vorgesehene Kanalisierung durch ein staatliches, ausreichendes Glücksspielangebot (vgl. § 10 GlüStV) überhaupt verfassungsgemäß sein. Denn ein staatliches Monopol für Sportwetten ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft ausgerichtet ist (BVerfG, a. a. O., Rdnrn. 98, 119, 120). Ein auf Einnahmeerzielung und Expansion (vgl. EuGH, Urt. Placanica, Rdnr. 54, 55) angelegtes Staatsmonopol ist verfassungswidrig (BVerfG, a. a. O., Rdnr. 107, 141).
31 
c) Europarechtlich ist eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses nur zu rechtfertigen, wenn sie geeignet ist, die Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele zu gewährleisten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 32; Urt. Gambelli, Rdnr. 65). Hat sich ein Staat wie hier im Glücksspielstaatsvertrag - entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben - vorrangig für das Ziel der Suchtbekämpfung entschieden, so muss die Verwirklichung dieses Ziels in dem Sinne gewährleistet sein, dass die Beschränkungen kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen (EuGH, Urt. Gambelli, Rdnr. 67; Urt. Placanica, Rdnr. 53; siehe auch EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 14.03.2007, E-1/06 – Gaming Machines, Rdnr. 53). Dabei kommt es zentral auf die „Effektivität der Überwachung“ und die „Durchsetzung“ einer „wirklich restriktiven“ Glücksspielpolitik an (EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming Machines, Rdnr. 51).
32 
Diesen europarechtlichen Maßgaben entsprechen auch die verfassungsrechtlichen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts im Sportwetten-Urteil vom 28.3.2006 (a.a.O., Rdnr. 120), wonach eine konsequente Ausrichtung am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Spielsucht materiellrechtliche Regelungen und strukturelle Sicherungen erforderlich macht. Dementsprechend können die konkreten Vorgaben aus dem bundesverfassungsgerichtlichen Urteil auch zur Beantwortung der Frage der europarechtlichen Kohärenz und Konsistenz herangezogen werden.
33 
d) Der Europäische Gerichtshof hat immer wieder betont, dass es Sache des nationalen Gerichts - und damit hier der Kammer - ist zu prüfen, ob die angegriffene Regelung angesichts ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten tatsächlich den Zielen Rechnung trägt, die sie rechtfertigen könnten, und ob die mit ihr auferlegten Beschränkungen nicht außer Verhältnis zu diesen Zielen stehen (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 37; Urt. Gambelli, Rdnr. 75, 76; Urt. Placanica, Rdnr. 58, 72; vgl. auch EuGH, Urt. v. 5.6.2007, C-170/04 - Rosengren -, Rdnr. 46/47 bzw. Rdnr. 53/54). Maßgeblich sind dabei nicht nur die rechtliche Ausgestaltung der Beschränkung, sondern auch ihre tatsächlichen Anwendungsmodalitäten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 37, Urt. Gambelli, Rdnr. 75, 76), ihre Handhabung in der Praxis (EuGH, Urt. Rosengren, Rdnr. 46). Der Begriff des „Vorbehalts des Gesetzes“ in seiner im deutschen Staatsrecht geläufigen Ausprägung findet im Gemeinschaftsrecht keine Entsprechung, weil es hier nicht primär um den Schutz der Individualsphäre gegenüber hoheitlicher Macht, sondern um die Abgrenzung zwischen nationaler und gemeinschaftlicher Regelungsbefugnis geht (vgl. Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2.Aufl., 2005, S. 193 [219, 238]). Allerdings ist die vom Europäischen Gerichtshof geforderte „Kohärenz“ und „Systematik“ hinsichtlich der Begrenzung der Wetttätigkeiten ohne normative Vorgaben zur Ausgestaltung eines staatlichen Monopolbetriebs kaum denkbar. Ohne solche inhaltlich bestimmten Regelungen blieben Maß und Umfang der Begrenzung der Wetttätigkeit der Willkür des staatlichen Monopolisten überlassen, die infolge ihrer begriffsnotwendigen Konturlosigkeit und der Unvorhersehbarkeit ihrer Ergebnisse schlechterdings ungeeignet ist, die gebotene Begrenzung effektiv, widerspruchsfrei und nach klaren Regeln umzusetzen (vgl. zur Ungeeignetheit der schwedischen gesetzlichen Bestimmungen zum staatlichen Monopolvertrieb für Alkohol EuGH, Urt. Rosengren, Rdnr. 45 - 47). Entscheidend ist hier damit vor allem die rechtliche Ausgestaltung des Sportwettenmonopols, ohne dass jedoch die tatsächliche Umsetzung aus dem Blick gelassen werden darf.
34 
e) Danach kann das Staatsmonopol des Landes keinen Bestand haben, weil es in seiner aktuellen rechtlichen und tatsächlichen Verfassung das Ziel der Suchtbekämpfung nicht durch einen kohärenten und systematischen Beitrag zur Begrenzung der Wetttätigkeiten verwirklicht. Weder quantitativ noch qualitativ erweist sich das Monopol als Umsetzung einer konsequent an der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht ausgerichteten Glücksspielpolitik.
35 
aa) Gerade das vom Bundesverfassungsgericht beanstandete terrestrische Vertriebssystem unter der Maxime „weites Land – kurze Wege“, das das Wetten nicht begrenzt, sondern dazu ermuntert und anreizt, wird durch den neuen Glücksspielstaatsvertrag und das baden-württembergische Ausführungsgesetz nicht in Frage gestellt. Noch immer besteht das Vertriebsnetz - entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts - aus einer fast unvermindert gebliebenen Vielzahl von Zeitschriften- und Tabakläden oder ähnlichen kleinen oder mittelständischen Gewerbebetrieben, so dass der Vertrieb in „bewusster Nähe zum Kunden“ stattfindet und die Möglichkeit zum Sportwetten ein allerorts verfügbares "normales“ Gut des täglichen Lebens darstellt (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr. 138). Von dem europarechtlich gebotenen Beitrag zur Begrenzung der Wetttätigkeiten kann bei einem solchen Vertriebssystem, über das Oddset nach dem Verbot des Internetvertriebs (§ 4 Abs. 4 GlüStV) ausschließlich vermarktet wird, nicht die Rede sein.
36 
Eine bezifferte Obergrenze für die Zahl der Annahmestellen in Baden-Württemberg gibt es nicht (anders etwa § 7 SächsGlüStV -AG v. 14.12.2007 - SächsGVBl. 2007, S. 542: eine Annahmestelle je 3.200 Einwohner oder § 2 Abs. 5 Thüring. Gesetz zum GlüStV v. 18.12.2007 - GVBl. 2007, S.243: Gesamtzahl von 750 Annahmestellen in Thüringen darf nicht überschritten werden oder Art.1 Abs.3 S.2 BayAG-GlüStV v. 20.12.2007 - GVBl. 2007, S. 992: Zahl der Annahmestellen ist bis 31.12.2011 auf insgesamt 3.700 zu begrenzen). Zwar heißt es in § 10 Abs. 3 GlüStV, die Länder begrenzten die Zahl der Annahmestellen zur Erreichung der Ziele des § 1, das baden-württembergische Ausführungsgesetz wiederholt jedoch nur, dass Anzahl und flächenmäßige Verteilung der Annahmestellen an den Zielen des § 1 GlüStV auszurichten seien. Darüber hinaus normiert es nur, dass nicht mehr Annahmestellen unterhalten werden dürften, als zur Sicherstellung eines ausreichenden Glücksspielangebots erforderlich sei (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 u. Satz 2 Ausführungsgesetz). Anhaltspunkte, wie viel Glücksspiel als ausreichend anzusehen ist, liefert das Gesetz nicht. Auch für das vom Gesetz vorgesehene Vertriebskonzept des Veranstalters (§§ 2 Abs. 2 Nr. 5, 7 Abs. 1 Satz 3 AG-GlüStV) fehlen inhaltliche Vorgaben. In § 7 Abs. 1 Satz 4 AG-GlüStV heißt es nur, dass das Konzept sich insbesondere an der räumlichen Bevölkerungsstruktur zu orientieren habe. Eine solche Orientierung mag eventuell Anhaltspunkte für die flächenmäßige Verteilung der Annahmestellen geben, lässt jedoch keinerlei Rückschlüsse auf die zulässige Anzahl von Annahmestellen zu.
37 
Außer konkreten, inhaltlichen Vorgaben für die Begrenzung der Zahl der Annahmestellen fehlen auch gesetzlich geregelte wirksame Kontrollmechanismen.
38 
§ 7 Abs. 1 Satz 3 AG-GlüStV überträgt die nähere Ausgestaltung der Anzahl und der flächenmäßigen Verteilung der Annahmestellen dem Veranstalter oder der mit der Durchführung der Glücksspiele beauftragten juristischen Person, die ein entsprechendes Vertriebskonzept zu erstellen haben. Damit aber wird die Festlegung der Grenzen an den eigentlich zu kontrollierenden Monopolisten selbst delegiert.
39 
Auch eine Kontrolle des Vertriebskonzepts sieht das Ausführungsgesetz nicht unmittelbar vor, sondern nur mittelbar bei der Erteilung der Glücksspielerlaubnis (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 5). Die Übergangsregelungen des § 25 Abs. 1 GlüStV, wonach die bis zum 01.01.2007 erteilten Konzessionen, Genehmigungen und Erlaubnisse bis zum 31.12.2008 als Erlaubnis fortgelten, sowie des § 2 Abs. 1 Satz 2 AG-GlüStV, wonach die vom Land bereits zum 01.01.2007 veranstalteten Glücksspiele noch bis zum 31.12.2008 ohne Erlaubnis fortgeführt werden dürfen, führen jedoch dazu, dass bis Ende diesen Jahres noch nicht einmal diese mittelbare Kontrolle über § 2 Abs. 2 Nr. 5 AG-GlüStV stattfindet.
40 
Allein die Möglichkeit des Einschreitens der Glückspielaufsicht nach § 9 Abs. 1 GlüStV stellt keinen wirksamen Kontrollmechanismus dar. Dies zeigt sich etwa daran, dass der baden-württembergische Monopolist, die Toto-Lotto GmbH, trotz gesetzlicher Verpflichtung nach § 7 Abs.1 AG-GlüStV bislang kein Vertriebskonzept besitzt, ohne dass dies Konsequenzen für seine Tätigkeit nach sich gezogen hätte. Nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung hat dieser bisher nur einen unzureichenden Entwurf eines Vertriebskonzepts vorgelegt.
41 
Auch zu den einzelnen Annahmestellen enthalten die gesetzlichen Regelungen keinerlei konkrete Vorgaben. So heißt es unter § 7 Abs. 2 AG-GlüStV neben Zuverlässigkeitsanforderungen an den Betreiber nur allgemein, dass die Anforderungen der § 4 Abs. 3, §§ 5, 7 GlüStV sichergestellt werden müssten und dass die Annahmestelle dem Vertriebskonzept entsprechen und nicht in Spielhallen oder in Räumlichkeiten betrieben werden dürfe, die nach ihrer Lage, Beschaffenheit, Ausstattung und Einteilung dem Ziel entgegenstünden, nur ein begrenztes Glücksspielangebot zuzulassen (§ 7 Abs. 2 Nr. 5 AG-GlüStV). Genaueres fehlt wiederum, etwa dazu, zusammen mit welchem Warenangebot Oddset vertrieben werden darf, damit es gerade nicht mehr als allerorts verfügbares Gut des täglichen Lebens (vgl. dazu BVerfG, a. a. O., Rdnr. 138) gehandelt wird, oder dazu, welche Entfernung die Annahmestelle zu besonders von Jugendlichen genutzten Einrichtungen wie Schulen, Jugendzentren oder Ähnlichem einzuhalten hat.
42 
Auch für den überwiegenden Teil der Annahmestellen sieht das Gesetz derzeit keine Kontrolle vor. Denn nach § 7 Abs. 4 AG-GlüStV darf eine Annahmestelle, die bereits zum 01.01.2007 in ein öffentliches Glücksspiel des Landes vermittelt hat, diese Vermittlung noch bis zum 31.12.2008 ohne Erlaubnis fortsetzen. Darüber hinaus ist in § 7 Abs. 2 Satz 3 AG-GlüStV vorgesehen, dass die zuständige Behörde die Aufgabe der Erteilung der Erlaubnis für den Betrieb einer Annahmestelle der mit der Durchführung des Glücksspiels beauftragten Stelle im Wege der Beleihung übertragen kann. Durch ein solche Beleihung wird wiederum der Monopolist selbst mit seiner eigenen Kontrolle beauftragt. Auch dies macht deutlich, dass das Gesetz nicht auf eine effektive Kontrolle des Monopolisten zur Sicherstellung der Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV, insbesondere der Suchtbekämpfung, angelegt ist.
43 
Die derzeitige tatsächliche Situation spiegelt diese aufgezeigten rechtlichen Defizite wider. Ein Vertriebskonzept existiert nicht; die Zahl der Annahmestellen ist seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach den Angaben des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung nur geringfügig von 3.750 auf 3.656 gesunken. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass dieser Rückgang auf ein entsprechendes Konzept und nicht nur auf Insolvenzen oder sonstige wirtschaftlich bedingte Aufgaben der Annahmestellen zurückzuführen ist. Die freiwillige Schließung von legalen Annahmestellen der Toto-Lotto GmbH durch ihre Betreiber ist nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung jedenfalls nicht genutzt worden, um die Gesamtzahl der Stellen zu reduzieren; vielmehr ist in etwa 40 bis 50 Fällen für geschlossene Annahmestellen jeweils Ersatz zugelassen worden, entweder indem der Weiterbetrieb durch einen neuen Inhaber oder aber die Eröffnung einer neuen Annahmestelle in der Nachbarschaft zugelassen wurde. Nach wie vor ist Oddset deshalb wie ein Gut des täglichen Lebens allerorts verfügbar. Die Zahl der Annahmestellen in Baden-Württemberg (3.656 - d.h. bei 10.736.000 Einwohnern kommt eine Annahmestelle auf 2.936 Einwohner; Ende 2006 waren es 3.674, d.h. eine je 2923 Einwohner - siehe Geschäftsbericht 2006 der Toto-Lotto GmbH v. 17.04.2007, S. 36 - www.lotto-bw.de) übertrifft bei weitem die Zahl etwa von Postfilialen (bundesweit eine für 6.875 Einwohner, vgl. VG Berlin, Beschl. v. 02.04.2008 -VG 35 A 52.08 -) und selbst die von Apotheken (bundesweit eine für 3.889 Einwohner, vgl. VG Berlin, a. a. O.). Auch wenn diese Zahlen angesichts der Unterschiede von Postfilialen, Apotheken und Annahmestellen nicht ohne weiteres direkt miteinander vergleichbar sind, vermitteln sie jedoch einen plastischen Eindruck von der tatsächlichen Dichte der vorhandenen Annahmestellen. Weshalb eine solche Dichte in der heutigen Mobilitätsgesellschaft für die Sicherstellung eines am Ziel der Suchtbekämpfung orientierten Glücksspielangebots notwendig sein soll, ist nicht ersichtlich.
44 
Nach wie vor wird Oddset vor allem in Zeitschriften-, Schreibwaren- und Tabakläden, Supermärkten und Tankstellen vertrieben und damit nicht nur gezielt dem interessierten Kundenkreis, sondern einem breiten Publikum angeboten und darüber hinaus auch Jugendlichen und Kindern bekannt gemacht. Nach wie vor existieren Annahmestellen in unmittelbarer Nähe zu Schulen oder anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen, wie in der mündlichen Verhandlung beispielhaft aus Waldshut-Tiengen berichtet wurde. Damit ist der Vertrieb auf Expansion und nicht auf Selbstbeschränkung und Eingrenzung angelegt. Dass es nach den Teilnahmebedingungen für Oddset zum Wetten einer Kundenkarte bedarf (vgl. § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi-Wette vom 08.11.2007, GABl. 2007, S. 639 und § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette, Ausgabe Januar 2008, GABl. 2007, S. 648), ändert an der Verfügbarkeit wie ein Gut des täglichen Lebens nichts, nachdem die Kundenkarte als „Spielpass“ kostenlos gegen Vorlage eines Ausweises ausgegeben wird und sofort nach Beantragung dieses „Passes“ gespielt werden kann (vgl. Informationen zum Spielangebot der Toto-Lotto GmbH Bad.-Württ., Stand Januar 2008, S. 20).
45 
Die Betreiber der Annahmestellen erhalten nach wie vor umsatzabhängige Provisionen für die Vermittlung von Sportwetten und haben damit ein starkes Eigeninteresse an der Steigerung des Umsatzes. Dieses Interesse wird nicht dadurch beseitigt, dass die Toto-Lotto GmbH seit dem 01.01.2008 eine Zusatzvereinbarung mit den Inhabern der Annahmestellen geschlossen hat, wonach der Glücksspielbereich nur eine untergeordnete Nebentätigkeit sein darf. Abgesehen davon, dass in der mündlichen Verhandlung von den Klägervertretern konkret Fälle genannt wurden, bei denen diese Zusatzvereinbarung nicht eingehalten werden soll, und der Beklagtenvertreter dem nichts zu entgegnen wusste, bedeutet der privatrechtliche Handelsvertretervertrag, den die Lottogesellschaften mit ihren Annahmestellen geschlossen haben (vgl. dazu Bundeskartellamt, Beschl. vom 23.08.2006 - B 10-92713-Kc-148/05 - Rdnr. 77), dass deren Betreiber einen Provisionsanspruch nach § 87 HGB besitzen und umso mehr verdienen, je mehr Spieleinnahmen sie für die Lottogesellschaft eingebracht haben. Daher haben sie auch dann, wenn sie die Glücksspielvermittlung nur als Nebentätigkeit betreiben, ein eigenes und sehr großes wirtschaftliches Interesse daran, möglichst viele Kunden zu akquirieren. An diesem System, wie es das Bundeskartellamt im Jahr 2006 vorgefunden hat (vgl. Beschl. v. 23.08.2006, a. a. O.), hat sich bislang nichts geändert, wie der Vertreter des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat. Die Bestimmung in den Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht (Anhang zum Glücksspielstaatsvertrag), dass die Vergütung der leitenden Angestellten von Glücksspielveranstaltern nicht abhängig vom Umsatz berechnet werden darf (Nr. 3 der Richtlinien), hat eher Feigenblattcharakter, nachdem der Verdienst gerade der Personen mit dem direkten Kundenkontakt, nämlich der Betreiber der Annahmestellen, umsatzabhängig ist.
46 
Die Glücksspielaufsicht ist nur minimal ausgestattet. Für ganz Baden-Württemberg sind im zuständigen Regierungspräsidium Karlsruhe (vgl. § 2 des Gesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag vom 11.12.2007) nur zwei Personen für die Überwachung des Monopolisten und seiner 3.656 Annahmestellen zuständig. Dem entspricht, dass es nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung noch nicht zu einer Sichtung, geschweige denn Überprüfung des Bestands an Annahmestellen gekommen ist. Auch über einzelne Beanstandungen bei Annahmestellen konnte der Beklagtenvertreter nichts berichten, was angesichts der hohen Zahl von Annahmestellen sicherlich nicht darauf zurückzuführen ist, dass es keine zu beanstandenden Verstöße gegeben hat.
47 
bb) Diese Defizite in der rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung des Vertriebssystems werden auch nicht durch die qualitativen Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags zur Einschränkung der Werbung und zur Suchtprävention ausgeglichen.
48 
Die inhaltlichen Regelungen zur zulässigen Werbung in § 5 Abs. 1 u. 2 GlüStV sind sehr allgemein gehalten und kranken vor allem daran, dass unklar ist und auch vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung nicht erhellt werden konnte, wo die Grenze zwischen informativer, aufklärender Werbung und unzulässiger anreizender und ermunternder Werbung verläuft. Dementsprechend konnte einer der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung auch eine Vielzahl von Werbebroschüren und -artikeln präsentieren, die weit über eine Information und Aufklärung hinausgingen und sich offensichtlich auch an Minderjährige richteten, wie etwa Schokoladentäfelchen mit dem Aufdruck auf der Banderole: „Der Leckerbissen im Jubiläumsjahr 2008 Lotto Baden-Württemberg“. Auch wenn die vorgelegten Beispiele Werbung für die Dachmarke Lotto (vgl. zur Ausgestaltung und Wirkung der Dachmarke VG Berlin, a. a. O., S.25) und verschiedene Lotterieveranstaltungen, nicht aber unmittelbar für Sportwetten enthielten, belegen sie doch, dass die Werbebeschränkungen rechtlich wie tatsächlich nicht die Ziele des § 1 GlüStV verwirklichen. Denn nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung stimmt die Toto-Lotto GmbH jede Werbemaßnahme mit der Glücksspielaufsicht ab, so dass davon auszugehen ist, dass auch die vorgelegten Werbeexemplare vorher von der Glücksspielaufsicht als unbedenklich eingestuft worden waren. Gleiches gilt für die unstreitig in Fußballstadien vorhandene Bandenwerbung für die Dachmarke Lotto, die wohl kaum als informativ und aufklärend im Sinne des § 5 Abs. 1 GlüStV bezeichnet werden kann und zudem eine Umgehung des Verbots von Bandenwerbung für Sportwetten in § 21 Abs. 2 Satz 2 GlüStV darstellt. Denn die Dachmarke steht nach ihrem Sinn und Zweck gerade für das gesamte, unter ihr vertriebene Glücksspielangebot, zu dem auch die Sportwetten gehören.
49 
Darüber hinaus ist Werbung zwar im Fernsehen, Internet und über Telekommunikationsanlagen verboten (§ 5 Abs. 3 GlüStV), jedoch nach wie vor in großer Bandbreite über Radiospots, Werbetafeln, Printmedien, Zeitungsanzeigen und Postwurfsendungen möglich (siehe dazu VG Berlin, a. a. O., S. 25-27).
50 
Soweit der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass der Umsatz der Oddset-Kombiwette im Jahr 2007 um 28 % und der Topwette um 48% sowie im ersten Quartal 2008 um 22% bzw. 32% zurückgegangen sei, konnte seinen Ausführungen nicht entnommen werden, dass dieser Rückgang Folge einer streng an der Begrenzung der Wetttätigkeit orientierten Glücksspielpolitik und Glücksspielaufsicht wäre. Vielmehr ist im Geschäftsbericht der staatlichen Toto- Lotto GmbH nachzulesen, dass die im Glücksspielstaatsvertrag geregelte Einstellung des Internetspiels und die Reduzierung der Werbeaktivitäten nur zu „leichten Umsatzrückgängen“ geführt hätten und davon auszugehen sei, dass eine fortgesetzte Werbeinschränkung zwecks Spielerschutz in Zukunft nur „vorübergehend“ zu Umsatzrückgängen führen werde (Geschäftsbericht a.a.O., S.38).
51 
Auch die Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrags zur Suchtprävention enthalten strukturelle Defizite, die sich wiederum in der aktuellen, tatsächlichen Situation widerspiegeln.
52 
Zwar sieht § 8 GlüStV eine Spielersperre vor; es fehlt jedoch an der Regelung eines Verfahrens, das sicherstellt, dass es tatsächlich auch zu Spielersperren kommt. Eine Kontrolle der Spielausgaben eines einzelnen Spielers, aus deren Höhe auf eine Spielsuchtgefährdung geschlossen werden könnte, sieht der Glücksspielstaatsvertrag nicht vor. Eine Spielersperre kann also nur dann verhängt werden, wenn der Spieler sie selbst beantragt oder das Personal oder sonstige Dritte zufällig Anhaltspunkte für Spielsuchtgefährdung, Überschuldung oder überhöhte Spieleinsätze wahrnehmen. Diese Möglichkeiten laufen in der Praxis aber weitgehend leer. Das Personal erfährt auch über die Kundenkarten oder Spielpässe (vgl. dazu Informationen zum Spielangebot der Toto-Lotto GmbH Bad.-Württ., Stand Januar 2008, S. 20, 21), die vor allem der Identifizierung eines Spielers dienen sollen (vgl. § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi-Wette vom 08.11.2007, GABl. 2007, S. 639 und § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette, Ausgabe Januar 2008, GABl. 2007, S. 648), nichts über sein früheres Spielverhalten. Damit wird die vorgesehene Schulung des Personals, das problematisches Spielverhalten anhand eines plötzlichen Anstiegs des Entgelts oder der Spielfrequenz frühzeitig erkennen soll (vgl. § 6 Satz 2 GlüStV i. V. m. Nr. 1c der Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht), gerade angesichts der Dichte der Annahmestellen und der Möglichkeit für Spieler, ihre Wetten zu streuen, zu einem wenig wirkungsvollen Instrument. Abgesehen davon dürfte ein großer Teil des Personals bislang noch nicht geschult sein; bis Ende 2006 jedenfalls hatten erst 1.297 Betreiber von Annahmestellen, also nur ein gutes Drittel, an Schulungen teilgenommen (Geschäftsbericht Toto-Lotto GmbH, S. 27). So verwundert es nicht, dass der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung von keiner einzigen verhängten Spielersperre berichten konnte, obwohl bundesweit doch immerhin 250.000 Personen Anzeichen von Glücksspielsucht aufweisen sollen (vgl. Drucks. 14/1350 des Landtags von Bad.-Württ., S. 2).
53 
Höchsteinsätze für Sportwetten - spieler- und zeitraumbezogen oder wenigstens spielbezogen - sind weder im Glücksspielstaatsvertrag noch im Ausführungsgesetz geregelt. Allein die normativ nicht verankerten Teilnahmebedingungen enthalten gewisse, teilweise sehr hohe (bis zu 5.000 EUR) Grenzen, die sich jedoch nur auf einen Spielvorgang, nicht aber auf die Ausgaben eines Spielers innerhalb eines bestimmten Zeitraums beziehen (vgl. § 6 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi-Wette vom 08.11.2007, GABl. 2007, S. 639 und § 6 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette, Ausgabe Januar 2008, GABl. 2007, S. 648; s. dazu auch VG Berlin, a. a. O., S. 30 f.).
54 
Das in § 6 GlüStV vorgesehene Sozialkonzept wird in seiner Ausgestaltung wiederum dem Monopolisten selbst überlassen. Nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung gibt es zwar ein Sozialkonzept des baden-württembergischen Monopolisten. Dieses stammt aber noch aus dem Jahr 2004, kann die Vorgaben des neuen Glücksspielstaatsvertrags also gar nicht umgesetzt haben.
55 
Am Rande sei im Übrigen darauf hingewiesen, dass auch der in § 10 Abs. 1 Satz 2 GlüStV vorgesehene Fachbeirat offensichtlich nicht existiert, nachdem dem Beklagtenvertreter darüber nichts bekannt war.
56 
Die Kammer verkennt nicht, dass die Toto-Lotto GmbH im Bereich der Aufklärung (§ 7 GlüStV) mit den Hinweisen auf Spielscheinen, Losen und Quittungen (§ 7 Abs. 2 GlüStV), der Aufklärungsbroschüre „Spielen mit Verantwortung“, der Einrichtung der Internetseite „www.spielen-mit-verantwortung.de“ und - vor allem telefonischen - Beratungsangeboten konkrete Schritte zur Suchtbekämpfung unternommen hat. Diese Schritte ändern jedoch nichts daran, dass das Konzept des Spielerschutzes unzureichend ausgestaltet ist, und sind vor allem nicht geeignet, ein zum Wetten anreizendes und ermunterndes europarechts- und verfassungswidriges Vertriebssystem zu rechtfertigen.
57 
3. Das Sportwettenmonopol des Landes ist zudem auch deshalb europarechtswidrig, weil es eine unverhältnismäßige, nämlich zur Erreichung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags nicht erforderliche Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt (ebenso VG Arnsberg, Beschl. v.l 05.03.2008 -1 L 12/08 -, juris und VG Frankfurt a.M., Beschl. v. 09. 01. 2008 - 7 G 4107/07(3) ).
58 
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dürfen Maßnahmen zur Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist (vgl. EuGH, Urt. v. 30.11.1995 - C-55/94 -, Gebhard, Rdnr.37; Urt. v. 31.03.1993 - C-19/92-, Kraus, Rdnr.41; Urt. v. 26.11.2002 - C-100/01, Olazabal, Rdnr.43; vgl. zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Europarecht: Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2.Aufl., 2005, S.805 - 841; zur Verhältnismäßigkeit in den EuGH-Urteilen zum Glücksspielmarkt: Haltern, Gemeinschaftsrechtliche Aspekte des Glücksspiels, 2007, S.21, 22).
59 
Hinsichtlich eines staatlichen Glücksspiel-Monopols haben die nationalen Gerichte daher zu prüfen, ob dieses notwendig ist, um die mit dem Glücksspiel verbundenen Probleme (Spielsucht, Missbrauchsgefahren, Kriminalität etc.) auf das angestrebte Maß zu reduzieren oder dies nicht genauso gut durch weniger einschneidende Maßnahmen, wie etwa die Zulassung privater Anbieter unter strengen Konzessionsbedingungen erreicht werden kann (EuGH, Urt. Läärä, Rdnr.39; EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr.48, 49). Insbesondere ist zu prüfen, ob der staatliche Monopolist verglichen mit einem konzessionierten privaten Anbieter einen geringeren wirtschaftlichen Anreiz zur Verletzung reglementierender Vorschriften und ein geringeres Interesse an aggressiver Vermarktung hat und ob der Staat den öffentlich-rechtlichen Monopolanbieter effektiver überwachen kann oder ob nicht private Anbieter gleichermaßen einer solchen Überwachung unterworfen werden können (vgl. EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 30.05.2007 - E 3/06 -, Ladbrokes, Rdnr.58, 62). Die zentralen Punkte der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind dabei die Effektivität der Überwachung und die Durchsetzung einer wirklich restriktiven Glücksspielpolitik (EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr.51).
60 
Zwar steht es grundsätzlich im Beurteilungsermessen des Mitgliedsstaates, zu entscheiden, ob ein Monopol unter diesen Aspekten vorzugswürdiger ist als eine staatliche Aufsicht über private Anbieter. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist dabei allerdings in jedem Fall einzuhalten (EuGH, Urt. Läärä, Rdnr.39). Die eng auszulegende Ausnahme einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit muss der Mitgliedsstaat außerdem rechtfertigen, nämlich schlüssig, plausibel und überzeugend darlegen, dass die Beschränkung gerechtfertigt ist und auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Insoweit trägt er die Darlegungslast dafür, dass das Ziel nicht auch durch mildere Mittel erreicht werden kann (vgl. EuGH, Urt. v. 13.09.2007 - C-260/04-, Kommission./.Italien.Republik, Rdnr.33 m.w.N.; Urt. Placanica, Rdnr.48,49; Urt. Rosengren, Rdnr.50, 57; ähnlich der EFTA-Gerichtshof, der von einer „Beweislast“ des Mitgliedstaates spricht: vgl. Urt. Ladbrokes, Rdnr.42 und Urt. Gaming-Machines, Rdnr.31; zur Darlegungslast auch Haltern, Gemeinschaftsrechtliche Aspekte des Glücksspiels, 2007, S.28 ). Versäumt der Mitgliedstaat eine solche Darlegung, ist die Maßnahme unverhältnismäßig (EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr.50).
61 
Insoweit unterscheidet sich die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs von der des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 18.12.1968 - 1 BvL 5/64 u.a. -, BVerfGE 25, 1; Beschl. v. 14.10.1975 - 1 BvL 35/70 u.a. -, BVerfGE 40, 196; Beschl. v. 06.10.1987 - 1 BvR 1086/82 u.a. -, BVerfGE 77, 84; Beschl. v. 19.07.2000 - 1 BvR 539/96 - BVerfGE 102, 197 und Urt. v. 28.03.2006, a.a.O.), das die Last, die gesetzgeberischen Einschätzungen zu widerlegen und zu entkräften, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung dem Gericht auferlegt (zu diesem Unterschied Bungenberg, DVBl. 2005, 1405 [1410, 1411]; zum Unterschied zwischen EuGH und EFTA-Gerichtshof in diesem Punkt Winkelmüller, GewArch 2007, 235 [237]). Gültigkeit dürfte aber auch im europarechtlichen Kontext der Ansicht des BVerfG zukommen, dass der Gesetzgeber nicht vor Ergreifung des strengeren Mittels erst den ungewissen Ausgang der Anwendung eines milderen Mittels abwarten muss, zumal dann, wenn er in der Vergangenheit schon erfolglose Schritte in dieser Richtung unternommen hat (Beschl. v. 14.02.1967 - 1 BvL 17/63 -, BVerfGE 21, 150 [158]). Das gilt auch für die Aussage, dass der mit einer vorgeschlagenen Alternative verbundene hohe Kontrollaufwand beachtlich ist und dass nicht erwartet werden kann, dass über das vernünftigerweise von der Gesellschaft erwartbare Maß hinaus Mittel zur Aufstockung personeller und sachlicher Ressourcen der Kontrollbehörden eingesetzt werden, um eine in das Grundrecht stärker eingreifende Regelung zu vermeiden (Beschl. v. 06.10.1987, a.a.O.). Schließlich sind bei der Alternativenprüfung auch die dem Gesetzgeber bekannten Tatsachen und die bisher in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen mit Alternativen beachtlich (Beschl. v. 18.12.1968, a.a.O., S. 12, 19). Insbesondere kann es zur Unverhältnismäßigkeit eines staatlichen Monopols führen, wenn die bisherigen mit konzessionierten Privaten gemachten positiven Erfahrungen ignoriert werden (Beschl. v. 19.07.2000, a.a.O.). Schließlich muss sich der Gesetzgeber um eine flexible Gestaltung des Marktsystems und, „wo immer der Markt es erlaubt“, auch um die Eröffnung des Zugangs zum Markt bemühen (Beschl. v. 14.10.1975, a.a.O.).
62 
Nach diesen Maßstäben und Grundsätzen ist vom beklagten Land weder plausibel dargelegt noch sonst ersichtlich, dass das durch den Glücksspielstaatsvertrag begründete Sportwettenmonopol zur Erreichung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags erforderlich ist. Der Landesgesetzgeber (siehe Gesetzentwurf „III. Alternativen“ , LT-Drs. 14/1930, S. 31) beruft sich lediglich darauf, eine völlige Liberalisierung des Glücksspielmarktes anstelle eines staatlichen Monopolangebots sei völlig ungeeignet, weil es dann zu einer enormen Expansion des Marktes mit einer Verzehnfachung der gegenwärtigen Umsätze der Annahmestellen komme und damit gleichermaßen die Zahl der suchtkranken und suchtgefährdeten Glücksspieler sowie die Begleit- und Beschaffungskriminalität ansteige (so auch BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr. 113 und -im Rahmen der Folgenabwägung- ebenso VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.03.2008 - 6 S 3069/07-, juris). Dieser Einwand greift hingegen nicht gegenüber der ohne weiteres auch denkbaren Alternative der Erteilung eines begrenzten Kontingents von Konzessionen an private Wettanbieter (EuGH, Urt. Placanica, Rdnr.57, 58). Dagegen führt der Landesgesetzgeber unter Bezug auf die Sportwettenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Urt. v. 28.03.2006, a.a.O.) an, die Suchtgefahren könnten mit Hilfe eines auf die Bekämpfung von Glücksspielsucht und problematischem Spielverhalten ausgerichteten Monopols mit staatlich verantwortetem Angebot „effektiver beherrscht werden“ als im Wege einer Kontrolle privater Veranstalter (LT-Drs. 14/1930, S. 29). Diese Einschätzung beruht auf der Annahme, dass der Staat ein staatlich beherrschtes Monopolunternehmen grundsätzlich leichter überwachen und instruieren kann als er dies gegenüber einer Vielzahl privater Anbieter könnte (so ausdrücklich EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr. 51). Dies setzt aber voraus, dass die öffentliche Hand anders als bei der Beaufsichtigung Privater zur Durchsetzung einer an der Suchtprävention orientierten Vertriebsform nicht auf den Einsatz mitunter langwieriger hoheitlicher Aufsichts- und Ordnungsmittel angewiesen ist, sondern die Zielkonformität der Geschäftspolitik des ihr unterworfenen staatlichen Monopolbetriebs durch direkte Weisungen durchsetzen kann (vgl. Fremuth, EuZW 2007, 565 [568]) und dass es hier nur der Beaufsichtigung eines einzigen Wettanbieters, nämlich des staatlichen Monopolanbieters, statt der Beaufsichtigung einer Vielzahl von privaten Wettanbietern bedarf, die einen viel umfangreicheren Kontrollaufwand bedingt (vgl. Walz, EuZW 2004, 523 [525] ).
63 
An diesen beiden Grundvoraussetzungen für Annahme größerer Effektivität fehlt es jedoch im vorliegenden Fall des baden-württembergischen Sportwettenmonopols gerade. Die Toto-Lotto GmbH, die in Baden-Württemberg die Sportwetten als staatlicher Monopolbetrieb anbietet, steht zwar aufgrund der unmittelbaren Landesbeteiligung gem. § 1 Abs.5 AG-GlüStV unter dem direkten Einfluss des Landes auf die Zielkonformität der Unternehmenspolitik. Ihrerseits aber bietet sie die Sportwetten nicht über ein Netz eigener zahlenmäßig begrenzter Annahmestellen mit eigenen, unmittelbarer Weisung unterworfenen Angestellten an. Vielmehr besteht das Vertriebsnetz der Toto-Lotto GmbH aus einer Vielzahl von 3656 Annahmestellen, die von privaten Inhabern von Lebensmittel-, Zeitschriften- und Tabakläden sowie Tankstellen aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags mit der Toto-Lotto GmbH betrieben werden. Der Kontrollaufwand, den die Toto-Lotto GmbH selbst und vor allem die staatliche Glücksspielaufsicht bei der Beaufsichtigung dieser großen Zahl von Annahmestellen zu leisten hat, ist damit nicht ohne weiteres geringer als im Falle einer zahlenmäßig begrenzten Konzessionierung privater Sportwettenanbieter. Auch die Durchsetzungsmacht des staatlichen Sportwettenmonopols im Falle von Verstößen der Annahmestellen gegen die Vorschriften über die Spielsuchtprävention ist nicht größer als im letztgenannten Fall eines kontingentierten Konzessionssystems: Zwar erwecken die Teilnahmebedingungen den Eindruck, die Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg betreibe eigene Verkaufsstellen in eigener Regie (§ 1 Abs.2 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi und die Oddset-Top-Wette - GABl. 2007, S. 639: „Die Gesellschaft unterhält zur Durchführung ihres Auftrags in Baden-Württemberg Verkaufsstellen und Bezirksdirektionen“). Tatsächlich aber bedient sie sich nicht eigener Verkaufsstellen, sondern lediglich eines Netzes von Privaten, die ihr auf privatvertraglicher Basis Wetten vermitteln. Mangels direkter Weisungsbefugnis hat also auch die staatliche Toto-Lotto GmbH im Falle von Verstößen gegen Vorschriften über die Spielsuchtbegrenzung nur die Möglichkeit vertragsrechtlicher Konsequenzen, gegen die die privaten Inhaber der Annahmestellen ebenso Vertragsrechtsschutz vor den Zivilgerichten in Anspruch nehmen könnten, wie private Konzessionäre vor den Verwaltungsgerichten öffentlich-rechtliche Ordnungsverfügungen der Glücksspielaufsichtsbehörde anfechten könnten. Der EuGH hat insoweit aber klar entschieden (Urt. Rosengren, Rdnrn. 52 - 57), dass z.B. ein Alkohol-Monopol nur dann gerechtfertigt ist, wenn es den „Bediensteten des Monopols“ erlaubt, eine konsequente Alterskontrolle durchzuführen, dass es hingegen unverhältnismäßig ist, wenn der staatliche Monopolist sich gar nicht eigener Angestellter bedient, sondern die Verantwortung für die Alterskontrolle privaten Dritten überträgt, indem er sich damit einverstanden erklärt, dass zahlreiche Angestellte „außerhalb der Niederlassungen des Monopols“, beispielsweise in „Lebensmittelgeschäften und Tankstellen“ diese Kontrollen vornehmen. Die Verhältnismäßigkeit des Monopols sei nicht nachgewiesen, denn unwidersprochen sei geblieben, dass eine Alterskontrolle auch mittels einer Formblatterklärung gegenüber Privaten verbunden mit geeigneten strafrechtlichen Sanktionen als weniger einschneidende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit in Betracht komme.
64 
Das staatliche Monopolsystem lässt sich im vorliegenden Fall auch nicht mit dem Argument rechtfertigen, es sei weniger als die privaten Sportwettenanbieter auf die Einnahmen aus den Sportwetten angewiesen, habe also einen geringeren wirtschaftlichen Anreiz, gegen die zur Eindämmung der Spielsucht erlassenen Vorschriften zu verstoßen (so aber Fremuth, a.a.O., S. 568). Die gegenteilige Einschätzung ergibt sich vielmehr aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr. 154), das gerade gegenüber den staatlichen Monopolanbietern von Sportwetten die Einführung einer von staatlichen Finanzinteressen unabhängigen Kontrollinstanz gefordert hat (siehe § 9 Abs.6 GlüStV), nachdem aufgrund der bisherigen Erfahrungen die Gefahr besteht, dass sie eine allein an finanziellen Interessen, nicht aber an der Spielsuchtprävention orientierte Glücksspielpolitik betreiben (siehe zu dem nach wie vor fortbestehenden starken finanziellen Interesse an Beibehaltung des Sportwettenmonopols auch die entsprechenden Äußerungen von Landtagsabgeordneten - LT-Drs.14/1526, S.6).
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Das staatliche Monopolsystem kann zudem nicht für sich reklamieren, weniger an einer aggressiven Vermarktung von Sportwetten interessiert zu sein, als es im Alternativfall kontingentiert konzessionierte private Sportwettenanbieter wären. Zwar müssen die konkurrierenden Wettanbieter schon aus Profitinteresse werbend auf sich aufmerksam machen, wenn sie den Spielermarkt unter sich aufteilen und sich dazu voneinander unterscheiden wollen (vgl. zur Werbung als wesentlichem Wettbewerbselement EuGH, Urt. v. 19.09.2006 - C-356/04 -, Lidl), während ein Monopolbetrieb naturnotwendig dann keiner Werbung bedarf, wenn er tatsächlich der einzige Anbieter auf dem Markt ist. Die staatliche Toto-Lotto GmbH ist aber tatsächlich gar nicht der einzige Sportwettenanbieter und muss daher ebenfalls mit intensiver Werbung auf sich aufmerksam machen, wie ihre Strategie einer Werbung unter der Dachmarke „Lotto“ zeigt (dazu oben ). Denn den Spielern in Baden-Württemberg steht neben dem staatlichen Sportwettenangebot ein großer Sportwettenmarkt im Internet offen, der sich trotz seiner Illegalität schlichtweg nicht unterdrücken lässt und durch seine Konkurrenz in den letzten Jahren zu einem kontinuierlichen Umsatzrückgang bei den staatlichen Sportwetten geführt hat (siehe Geschäftsbericht der Toto-Lotto GmbH, a.a.O. 37).
66 
Schließlich ist auch die Annahme nicht plausibel, das staatliche Sportwettenmonopol sei geeigneter als ein System kontingentierter Konzessionierung privater Sportwettenanbieter, die befürchteten Gefahren einer mit dem Sportwettengeschäft verbundenen Kriminalität (Betrug, Sportwettenbetrug, Geldwäsche, Einstieg des organisierten Verbrechens) oder des Gewinnausfalls zu Lasten eines Spielers durch Insolvenz des Anbieters (siehe zu alledem BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnrn. 103 - 106) einzudämmen oder gar völlig zu vermeiden. Die seit langem mit legal im Glücksspielbereich tätigen privaten Anbietern gemachten Erfahrungen dürfen dabei nämlich nicht ignoriert werden. Pferdewetten werden seit 1922 von privaten Wettanbietern veranstaltet und angeboten, in den neuen Bundesländer sind seit Jahren vier private Sportwettenanbieter auf der Grundlage von alten DDR-Erlaubnissen tätig, der Spielbankenbetrieb in Baden-Württemberg wird seit Jahrzehnten von privaten Betreibern durchgeführt und der Glücksspielmarkt im Bereich der Spielautomaten wird sogar ohne Kontingentierung ausschließlich von Privaten betrieben (siehe LT-Drs.14/393, S.5). Gleichwohl liegen ganz offenbar keine negativen Erfahrungen mit ihnen im Hinblick auf die befürchteten Kriminalitäts- und Liquiditätsgefahren vor. Das Finanzministerium (a.a.O. S.5, 6) stützt entsprechende Befürchtungen weder auf Statistiken noch auf Untersuchungen, sondern beruft sich nur auf die insoweit ebenso wenig fundierten Annahmen des BVerfG. Dem Regierungspräsidium Karlsruhe als der zuständigen Glücksspielaufsichtsbehörde sind diesbezüglich auch keine entsprechenden Missstände (Betrugsstraftaten, Insolvenzen, sonstige gewerberechtliche Unzuverlässigkeiten) etwa aus der früheren Tätigkeit der ca. 500 privaten Sportwettenvermittler (vgl. LT-Drs. 14/495, 10) bekannt geworden, deren Tätigkeit sie untersagt hat (zur Unverhältnismäßigkeit eines Spielbankenmonopols wegen der Nichtberücksichtigung der zuvor jahrelang mit privaten Spielbankenbetreibern gemachten positiven Erfahrungen: BVerfG, Beschl. v. 19.07.2000, a.a.O.; zur Unverhältnismäßigkeit eines Monopols mangels Darlegung, dass ein Konzessionierungssystem mit privaten Anbietern unter strengen Zulassungsvoraussetzungen zur Vermeidung von Untreue, Unterschlagung und Geldwäsche nicht gleichermaßen effektiv sei: EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr. 50).
67 
Ohnedies sind die genannten Gefahren im Bereich der Sportwetten nicht besonders ausgeprägt bzw. durch geringer einschneidende Maßnahmen als durch ein staatliches Monopol zu reduzieren. Das Bundesverfassungsgericht selbst hat dazu in seiner Grundsatzentscheidung ausgeführt, die typischen Betrugsgefahren durch manipulierte Spielgeräte und Spielmittel oder durch Einflussnahme auf den Spielverlauf bestünden bei Sportwetten in geringerem Maße als bei anderen Glücksspielen, da auf ein von dritter Seite veranstaltetes Sportereignis gewettet werde, das der Wettnehmer selbst nicht beeinflussen könne. Auch die Übervorteilung der Spieler durch Täuschung über die Gewinnchancen sei bei Sportwetten mit festen Gewinnquoten geringer, da Risiko und Gewinnchancen aufgrund der fest vereinbarten Gewinnquoten transparenter seien als bei anderen Glücksspielen. Stärker als bei Spielformen, bei denen der Veranstalter nur das von den Spielern eingesammelte Geld nach Einbehalt eines gewissen Anteils auskehre, könne der Spieler hingegen durch die Zahlungsunfähigkeit des Veranstalters gefährdet werden. Wie bei „anderen gewerblichen Betätigungen“, bei denen dem Unternehmer fremde Gelder anvertraut seien, sei bei Sportwetten mit festen Gewinnquoten daher die finanzielle Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit des Veranstalters im Interesse der Wettteilnehmer zu sichern (Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr.103, 104). Was die vom Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang auch angeführte spezifische Gefahr des Sportwettenbetrugs durch Einflussnahme der Wettteilnehmer auf den Verlauf des Sportereignisses selbst angeht, ist nicht ersichtlich, dass eine solche Einflussnahmemöglichkeit im Fall der Wettveranstaltung durch Private größer wäre als im Fall eines staatlich monopolisierten Sportwettenangebots. Auch die Gefahr der Begleitkriminalität in Form einer Beschaffungskriminalität von Spielsüchtigen würde nur dann ein Argument für die Notwendigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols darstellen, wenn dieses im Hinblick auf die Suchtprävention effektiver wäre als eine kontingentierte Zulassung privater Anbieter unter strengen Verhaltensvorschriften. Das aber ist aber nach dem oben Gesagten gerade nicht der Fall, weil es an einer solchen konsequenten Spielsuchtprävention fehlt.
68 
In der Literatur wird zudem zu Recht darauf verwiesen, dass ein rechtskonformes Verhalten gewerblicher Spielvermittler, die bislang in der Vergangenheit keinen Vorwürfen hinsichtlich aggressiver Spielerwerbung ausgesetzt waren, sich auch durch das mildere Mittel einer Zuverlässigkeitsprüfung im staatlichen Zulassungs- und Überwachungsverfahren wie in anderen Bereichen des Gewerberechts auch hinreichend sicherstellen lässt (Wissenschaftlicher Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landtags, Gutachten vom 11.10.2007, S. 30, a.a.O.). Auch der Europäische Gerichtshof hat es in der Placanica-Entscheidung (a.a.O., Rdnr. 62 ff.) für ein wesentlich milderes Mittel gehalten, die Kontrolle der ausländischen Wettanbieter zwecks Schutz des Glücksspielmarktes vor kriminellen und betrügerischen Tätigkeiten durch Einholung von Informationen über deren Vertreter oder Hauptanteilseigner auszuüben, anstatt sie zur Erreichung dieses Ziels vollständig vom Glücksspielmarkt auszuschließen.
69 
Gegen eine Konzessionierung Privater lässt sich auch nicht einwenden, die Annahmestellen des staatlichen Sportwettenmonopols seien wegen ihrer Ausgestaltung als bloßer Nebenbetrieb von Tankstellen, Lebensmittel-, Zeitschriften oder Tabakwarenläden deutlich weniger attraktiv für Spieler als reine private Sportwettenagenturen, die durch entsprechende räumliche Gestaltung und Aufmachung (Sitzgelegenheiten, Getränke- und Fernsehangebot) die Wettteilnehmer stärker zum Verweilen und Wetten animierten und damit den Spielerschutz und die Suchtprävention beeinträchtigten. Denn im Rahmen einer Konzessionserteilung könnte auch privaten Sportwettenanbietern eine insoweit vergleichbar nüchterne Gestaltung vorgegeben werden. Gleiches gilt für den Einwand, die Gewinnquoten der staatlich veranstalteten Oddsetwette seien erheblich geringer und damit weniger suchtgefährlich als die Gewinnquoten der privaten Sportwettenanbieter. Denn im Rahmen einer staatlichen Konzessionierung ließen sich den privaten Anbietern gegenüber ohne weiteres auch Vorgaben zur Beschränkung der Höhe der Gewinnquoten machen.
70 
Was die im Lindmann-Urteil des EuGH (Urt.v. 13.11.2003 - C-42/02-, Rdnr.25,26) geforderte begleitende Untersuchung der Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit angeht, hat das Land lediglich auf die vom Bundesverfassungsgericht erwähnte Studie zum Suchtpotenzial von Sportwetten verwiesen (LT-Drs.14/393, S. 8, 9), hält aber im Übrigen seinerseits „längerfristig alternative Modelle wie beispielsweise eine beschränkte Konzessionierung“ nicht für ausgeschlossen (vgl. Stellungnahme des Finanzministeriums vom 30.10.2006 -LT-Drs.14/393, S.3; siehe auch Finanzminister Stratthaus - LT-Drs.14/495, S.11: „Über die Idee private Anbieter zuzulassen und eine Steuer zu erheben, kann durchaus nachgedacht werden“). Außerdem hat das Land zusammen mit Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein in einer Protokollerklärung zum Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 22.06.2006 zum Staatsmonopol im Glücksspielbereich erklärt, es halte es „unter Einbeziehung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben und praktischer Marktentwicklungen mittel- und langfristig für zielführender, eine begrenzte Konzessionierung in diesem Bereich vorzubereiten“ (siehe dazu LT-Drs.14/393, S. 554). Soweit aber für die Einführung eines solchen alternativen Konzessionierungsmodells erst die „zukünftige Entwicklung des Glücksspielmarktes“ und die Frage entscheidend sein soll, „ob sich das Monopol dabei als geeignetes Mittel zur Erreichung der ordnungspolitischen Ziele erweist“, und soweit dazu für einen Zeitpunkt drei Jahre nach Inkrafttreten des Staatsvertrages eine Evaluierung zur Effizienz und einem etwaigen Anpassungsbedarf ankündigt wird (vgl. Finanzministerium v. 30.10.2006 - LT-Drs.14/393, S.3), trägt dieses Argument nicht. Denn es ist nicht dargelegt, dass diese Vorgehensweise angesichts der bisherigen positiven Erfahrungen mit privaten Glücksspielanbietern einen Erkenntnisgewinn bringen würde. Nach allem kann also keine Rede davon sein, das Monopol sei zur Zielerreichung geeigneter als die kontingentierte Zulassung privater Sportwettenanbieter.
71 
4. In seiner rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung verstößt das staatliche Glücksspielmonopol für Sportwetten schließlich auch gegen EG-Wettbewerbsrecht in Gestalt des Art. 86 EG i.V.m. Art. 82 EG (ebenso im Ergebnis: Winkelmüller/Kessler, EuZW 2007, 404; König, EuZW 2007, 33, sowie Bungenberg, DVBl. 2007, 1405, 1411; a. A.: Fremuth, EuZW 2007, 565).
72 
Art. 86 Abs. 1 EG bestimmt, dass die Mitgliedstaaten in Bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine dem EG-Vertrag und insbesondere dessen Artikeln 12 und 81 bis 89 EG widersprechende Maßnahmen treffen oder beibehalten werden. Das Sportwettenmonopol ist untrennbar mit der Gewährung eines ausschließlichen Rechts an ein - zudem: öffentliches - Unternehmen, die Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg, verbunden. Dieser Gesellschaft allein wird ein wirtschaftlicher Tätigkeitsbereich unter Ausschluss von Wettbewerbern vorbehalten (vgl. zum Charakter ausschließlicher Rechte: EuGH, Urt. v. 30.04.1974 - Rs. 155/73 -, Sacchi; Urt. v. 18.06.1991 - C-260/89 -, ERT; Urt. v. 10.12.1991 - C-179/90 -, Hafen von Genua). Auch wenn die Gründe für das Monopol nichtwirtschaftlicher Art sind (§ 1 GlüStV), stellen das als (ordnungsrechtliche) öffentliche Aufgabe (§ 10 Abs. 1 und 2 GlüStV) zu qualifizierende Anbieten und die Veranstaltung von Glücksspielen eine wirtschaftliche Tätigkeit dar (anders hingegen, wenn eine staatliche Stelle hoheitliche Befugnisse ausübt: EuGH, Urt. v. 14.12.1995 - C-387/93 -, Banchero, Rnr. 49). Alle Glücksspiele sind als wirtschaftliche Tätigkeiten im Sinne von Artikel 2 EG zu qualifizieren, denn sie erfüllen die beiden Kriterien der Erbringung einer bestimmten Dienstleistung gegen Entgelt und der Erwartung eines Gewinns in Geld (EuGH, Urt. v. 11.09.2003 - C-6/01 -, ANOMAR, Rnr. 47; Urt. v. 25.10.2001 - C-475/99 -, Ambulanz Glöckner, Rnr. 19). Dass die Veranstaltung von Sportwetten bislang schon vom Staat beherrschten Gesellschaften übertragen war (vgl. bereits den Staatsvertrag zum Lotteriewesen aus 2004) und weiterhin ist, spricht nicht gegen die wirtschaftliche Natur dieser Tätigkeit, weil sie (gemeinschaftsweit betrachtet) nicht stets in der Hand des Staates ist und ferner nicht notwendig von solchen Einrichtungen betrieben werden muss (vgl. zum Arbeitsvermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit: EuGH, Urt. v. 23.04.1991 - C-41/90 -, Höfner und Elser, Rnr. 22).
73 
Das mit dem GlüStV bzw. den diesen umsetzenden gesetzlichen Regelungen bewirkte Dienstleistungsmonopol der Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg bei der Durchführung ausschließlich vom Land veranstalteter Sportwetten stellt die Einräumung einer marktbeherrschenden Stellung i.S.v. Art. 82 EG dar. Ein Unternehmen, das ein gesetzliches Monopol besitzt, kann als Inhaber einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 82 EG angesehen werden. Ferner kann bereits das Teilgebiet zumindest eines der größeren EU-Mitgliedsstaaten einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes darstellen (Brinker, in: Schwarze, EU-Kommentar, 1. Aufl. 2000, Art. 82 Rnr. 10) Das Land Baden-Württemberg ist angesichts seiner Einwohnerzahl (über 10,7 Mio.) und des betroffenen Wirtschaftszweigs (zur Lukrativität des Glücksspielmarkts vgl. Diegmann/Hoffmann, NJW 2004, 2642) als gemeinschaftsrelevanter Markt anzusehen (so im Ergebnis auch Fremuth, a.a.O., S. 565). Der EuGH hat in der Sache Ambulanz Glöckner (a.a.O., Rdnr. 38) für das im Bundeslandvergleich kleinere Rheinland-Pfalz angesichts der „großen Fläche“ dieses Landes von fast 20.000 qkm und seiner hohen Einwohnerzahl von etwa vier Millionen, die über der einiger Mitgliedstaaten liegt, die Annahme geäußert, dass eine beherrschende Stellung (dort des DRK-Rettungsdienstes) einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes betrifft.
74 
Das Sportwettenmonopol ist ferner als missbräuchliche Ausnutzung dieser Marktstellung zu qualifizieren. Unter Berücksichtigung einer weiten, am Verbraucherinteresse, an der Marktöffnung sowie an der Sicherung unverfälschten Wettbewerbs orientierten Auslegung des Missbrauchsbegriffs (vgl. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2007, Art. 82 EG, Rdnrn. 126 bzw. 116; Brinker, a.a.O., Rdnr. 15; ferner EuGH, Urt. v. 15.03.2007 - C95/04 P -, Britisch Airways, Rdnr. 57) unterfallen die Monopolbestimmungen der Bestimmung des Art. 82 Abs. 2 lit. b EG. Danach kann ein Missbrauch insbesondere in einer Beschränkung der Leistung („Einschränkung des Absatzes“) zum Schaden derjenigen bestehen, die die betreffende Dienstleistung in Anspruch nehmen wollen (in diesem Sinne: Fremuth, a.a.O. S. 566 ff.; König, a.a.O., S. 33 sowie Bungenberg, a.a.O., S. 1411/1412). Insbesondere auf einem ausgedehnten und differenzierten Markt, der überdies aufgrund wirtschaftlicher und sozialer Entwicklungen Veränderungen unterliegt, kann es dazu kommen, dass ein Monopolist einen bedeutenden Teil der Gesamtnachfrage nach Dienstleistungen nicht mehr befriedigen kann (EuGH, Urt. v. 11.12.1997 - C-55/96 -, Job Centre, Rdnrn. 32 bis 34). Die nach Art. 82 Abs. 1 EG ferner erforderliche mögliche Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten liegt insbesondere vor, wenn - wie hier - nationale Märkte dem Ziel eines einheitlichen Markts zuwider gegenüber Dienstleistungserbringern aus anderen Mitgliedstaaten abgeschottet werden (EuGH, Urt. Ambulanz Glöckner, Rdnr. 47).
75 
Dieser wettbewerbsrechtliche Verstoß gegen Art. 82 EG ist schließlich nicht durch Art. 86 Abs. 2 EG gerechtfertigt. Danach gelten für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, die Vorschriften des EG-Vertrags, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. Im Zusammenhang mit den das Sportwettenmonopol begründenden und ausgestaltenden Regelungen des GlüStV sowie des AG-GlüStV findet eine Betrauung der Toto-Lotto GmbH mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse statt. Der Begriff „wirtschaftlich“ begrenzt den Kreis der Tätigkeiten, auf die Art. 86 Abs. 2 EG Anwendung finden kann, nicht aber den Kreis der Interessen, die Mitgliedstaaten mit diesen Tätigkeiten verfolgen können; diese können wirtschaftlicher oder nichtwirtschaftlicher Natur sein (EuGH, Urt. v. 23.10.1997 - C-157/94 -, Energiemonopole Niederlande, Rdnr. 40; Mestmäcker/Schweitzer, a.a.O., Art. 86 Abs. 2 Rdnrn. 66/67 m.w.N.). Das über §§ 1 bis 8 GlüStV i.V.m. § 10 Abs. 1 GlüStV bzw. § 1 Abs. 5 und § 2 AG-GlüStV monopolisierte Angebot von Sportwetten geht untrennbar mit einem allgemeinen Interesse einher, nämlich der Sicherstellung eines ausreichenden, aber zugleich begrenzten Glücksspielangebots. Glücksspiel-spezifisch hat der EuGH zuletzt noch einmal in der Sache Placanica (Rdnr. 46 - 48) ausgeführt, dass Ziele des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung und der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen sowie der Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen zwingende Gründe des Allgemeininteresses darstellen. Diese für eine Beschränkung der Grundfreiheiten legitimierten Ziele haben auch im Rahmen des Art. 86 Abs. 2 EG zu gelten.
76 
Die Beschränkung des Wettbewerbs mittels eines andere Sportwettenanbieter ausschließenden Monopols ist jedoch nicht geeignet bzw. nicht erforderlich zur Erfüllung der übertragenen besonderen Aufgabe. Das Erfordernis der rechtlichen oder tatsächlichen Verhinderung in Art. 86 Abs. 2 EG ist ebenfalls Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. EuGH Urt. Ambulanz Glöckner, Rdnrn. 56 und 57; Urt. v. 23.05.2000 - C-209/98 -, Sydhavnens - Rdnr. 74; Urt. v. 23.10.1997 C-159/94 -, Energiemonopole Frankreich, Rdnr. 49). Damit führt aber die oben unter 2. getroffene Feststellung einer unzulässigen Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit auch hier zum Ergebnis einer Nichtrechtfertigung des Wettbewerbsverstoßes. Wo die Gelegenheiten zum Spiel nicht wirklich vermindert und die Wetttätigkeiten nicht kohärent und systematisch begrenzt werden, kann ein Monopol keine wettbewerbsrechtliche Rechtfertigung finden (vgl. die entsprechenden Erwägungen des EuGH betreffend das staatliche Handelsmonopol für Alkohol in der Sache Rosengren). Auch in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht gilt schließlich, dass das beklagte Land nicht dargelegt hat, dass ein Dienstleistungsmonopol gegenüber der vollständigen oder zumindest teilweisen Zulassung Privater erforderlich ist. Da es sich bei Art. 86 Abs. 2 EG um eine Ausnahme von den Grundvorschriften des EG-Vertrags handelt, obliegt dem Mitgliedstaat, der sich auf diese Bestimmung beruft, der Nachweis, dass ihr Tatbestand erfüllt ist. Der Mitgliedsstaat muss folglich in einer das Gericht überzeugenden Weise darlegen, dass dieses Ziel nicht ebenso mit anderen Mitteln erreicht werden kann (EuGH, Urt. v. 25.06.1998 - C-203/96 -, Dusseldorp, Rdnr. 67; Mestmäcker/Schweitzer, a.a.O., Art. 86 Abs. 2 Rdnrn. 84 und 93). Dieser Obliegenheit ist das beklagte Land nach dem bereits oben unter 3. Dargelegten nicht gerecht geworden.
III.
77 
Die neben der Untersagung in Nrn. 1, 2, 4 und 6 getroffenen Entscheidungen über die Entfernung der Geräte, die unverzügliche Einstellung der Tätigkeiten und ihre schriftliche Mitteilung sowie schließlich die Zwangsgeldandrohung und die Gebührenfestsetzung sind, weil der ihnen vorangehende Grundverwaltungsakt der Aufhebung unterliegt, ebenfalls rechtswidrig und aufzuheben. Darauf, ob sie an eigenständigen Mängeln leiden, kommt es nicht mehr an.
IV.
78 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Kammer hat keinen Anlass, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Da diese Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, ist die Berufung zuzulassen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Tenor

Der Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 09.01.2007 wird aufgehoben.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein Staatsangehöriger Bosnien-Herzegowinas, wendet sich gegen eine Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe, mit der ihm untersagt wurde, in Baden-Württemberg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen.
Das beklagte Land veranstaltet in Baden-Württemberg neben mehreren Lotterien u. a. die staatlichen Sportwetten „Oddset-Kombi-Wette“ und „Oddset-Top-Wette“. Mit der Durchführung der Lotterien und Sportwetten hat es die Staatliche Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg (STLG) beauftragt. Diese Gesellschaft vertreibt ihr staatliches Glücksspielangebot in Baden-Württemberg über zahlreiche Toto-Lotto-Annahmestellen, die in Zeitschriften-, Schreibwaren- und Tabakhandlungen, Supermärkten und Tankstellen eingerichtet sind. Nach Auskunft des beklagten Landes gibt es in Baden-Württemberg derzeit 3612 solcher Annahmestellen. Die einzelnen Betreiber der Annahmestellen erhalten auf der Grundlage privatrechtlicher Verträge mit der Toto-Lotto GmbH eine Provision, die von der Höhe des auf den Glücksspielsektor entfallenden Umsatzes abhängt.
Der Kläger betreibt in seinem Geschäftsraum eine Annahmestelle für Sportwetten mit festen Gewinnquoten (sogenannte Oddset-Wetten). Er vermittelt diese Wetten gegen eine Provision aufgrund eines Vermittlungsvertrages an ein staatlich konzessioniertes Sportwettunternehmen mit Sitz in Österreich, das europaweit Sportwetten anbietet.
Bezug nehmend auf das Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 28.03.2006 teilte ihm das Regierungspräsidium Karlsruhe mit, es beabsichtige, ihm die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten in Baden-Württemberg zu untersagen, und gab ihm Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen. Das Bundesverfassungsgericht habe ausdrücklich festgestellt, dass das gewerbliche Veranstalten von Wetten durch private Wettunternehmen und die Vermittlung von Wetten weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden dürften.
Mit Verfügung vom 09.01.2007 untersagte das Regierungspräsidium Karlsruhe dem Kläger, in Baden-Württemberg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen. Die zur Veranstaltung oder zur Vermittlung solcher Glücksspiele vorgehaltenen Geräte seien aus den öffentlich zugänglichen Räumen zu entfernen (Nr. 1). Die untersagten Tätigkeiten seien unverzüglich einzustellen; die Einstellung sei der Behörde schriftlich mitzuteilen (Nr. 2). Die sofortige Vollziehung der Verfügungen in Nrn. 1 und 2 werde angeordnet (Nr. 3). Für den Fall, dass der Kläger seinen Verpflichtungen aus Nr. 1 und 2 der Verfügung nicht binnen zwei Wochen nach Zustellung nachkomme, werde ihm ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,-- EUR angedroht (Nr. 4). Zur Begründung der Verfügung, die auf § 12 Abs. 1 des Lotteriestaatsvertrages vom 18.06.2004 i.V.m. § 3 Abs. 1 des Ausführungsgesetzes zum Lotteriestaatsvertrag vom 28.07.2005 gestützt wurde, ist ausgeführt: Die Sportwetten mit festen Gewinnquoten, die der Kläger vermittle, seien ein Glücksspiel im Sinne des Lotteriestaatsvertrages. Die Vermittlung erfolge öffentlich und ohne die erforderliche Erlaubnis i.S.v. § 284 Abs. 1 StGB. Eine solche Erlaubnis könne dem Kläger nach der Rechtslage in Baden-Württemberg auch nicht erteilt werden. Er könne sich auch nicht darauf berufen, dass der Sportwettenveranstalter, für den er vermittle, in einem EU-Mitgliedsstaat konzessioniert sei.
Am 08.02.2007 hat der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Freiburg erhoben.
Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger im wesentlichen vor, das Sportwettenmonopol sei verfassungs- und europarechtswidrig.
Der Kläger beantragt,
die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 09.01.2007 aufzuheben.
10 
Das beklagte Land beantragt,
11 
die Klage abzuweisen.
12 
Es hält das Sportwettenmonopol des Landes für verfassungs- und europarechtsgemäß.
13 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten des Regierungspräsidiums sowie auf die Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die Anfechtungsklage ist ohne Durchführung eines Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 VwGO, § 6 a Satz 1 AGVwGO) zulässig und begründet. Die angegriffene Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15 
Die Kammer hat in den Urteilen vom 16.04.2008 (u.a. 1 K 2683/07, juris = www.vgfreiburg.de > Entscheidungen = www.glücksspielstaatsvertrag.de >Urteile) entschieden, dass das staatliche Sportwettenmonopol in Baden-Württemberg derzeit eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG) darstellt und europarechtswidrig ist. An dieser Auffassung hält die Kammer auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 09.07.2008 fest. Zu den dagegen erhobenen Einwendungen des beklagten Landes ist im Einzelnen zu sagen:
I.
16 
Die Kammer geht in den o. g. Urteilen davon aus, die Europarechtswidrigkeit der Bestimmungen des Glückspielstaatsvertrages, die das staatliche Sportwettenmonopol begründen (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV), erfasse auch die Eingriffsgrundlage des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV sowie die Bestimmungen über die Erlaubnispflicht und das Verbot des Veranstaltens und des Vermittelns unerlaubten Glücksspiels in § 4 Abs. 1 GlüStV.
17 
Das beklagte Land wendet dagegen ein, die vom Verwaltungsgericht angenommene Europarechtswidrigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols lasse die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 4 Abs. 1 GlüStV über die Erlaubnispflicht für öffentliche Glücksspiele unberührt. Da eine solche Erlaubnis nicht vorliege, sei die angefochtene Untersagungsverfügung auch bei unterstellter Europarechtswidrigkeit des Sportwettenmonopols rechtmäßig.
18 
Dem folgt die Kammer nicht.
19 
Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 06.03.2007 (C - 338/04 -Placanica-) ausgeführt, ein polizeiliches Genehmigungsverfahren, mit dem die im Glücksspielsektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer einer vorherigen Kontrolle unterzogen würden, sei zwar eine ohne weiteres verhältnismäßige Maßnahme. Setze die Erteilung einer solchen polizeilichen Genehmigung aber den Besitz einer Konzession voraus, von deren Erhalt die betroffenen Personen unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht ausgeschlossen worden seien, hafteten auch dem polizeilichen Genehmigungsverfahren die europarechtlichen Mängel an, die die Konzessionsvergabe berührten (vgl. RdNr. 65 bis 67 des Urteils).
20 
Das gilt gleichermaßen für die Bestimmung über die Erlaubnispflicht für öffentliche Glücksspiele in § 4 Abs. 1 GlüStV. Die danach erforderliche Erlaubnis kann privaten Sportwettenvermittlern oder Sportwettenveranstaltern nicht erteilt werden, weil aufgrund des staatlichen Monopols diese Tätigkeiten nur juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder privatrechtlichen Gesellschaften erlaubt werden (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV), an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind. Ein auf präventive Kontrolle gerichtetes Erlaubnisverfahren existiert für private Sportwettenveranstalter nicht. Das Fehlen einer Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 GlüStV, die sich Private wegen des europarechtswidrigen staatlichen Sportwettenmonopols nicht hätten beschaffen können, scheidet deshalb als zulässiger Grund einer Untersagung aus.
21 
Entgegen der Auffassung des beklagten Landes folgt aus dem Urteil des EFTA-Gerichtshofs vom 30.05.2007 (RS. 3/06 - Ladbrokes -) nichts anderes. Die Ausführungen des Gerichtshofs unter RdNr. 88, auf die das beklagte Land in diesem Zusammenhang hinweist, betreffen die Antwort auf die fünfte Vorlagefrage (vgl. RdNr. 82 ff.). Mit der fünften Vorlagefrage wollte das vorlegende norwegische Gericht wissen, ob durch Art. 36 EWR eine nationale gesetzliche Regelung präkludiert wird, die das Anbieten und Vermarkten von Glücksspielen untersagt, für die in Norwegen keine Konzession erteilt wurde, die aber nach dem nationalen Recht eines anderen EWR-Staates gestattet sind. Hierzu führt der EFTA-Gerichtshof unter RdNr. 84 aus, sofern und soweit das nationale Gericht zu der Auffassung gelangen sollte, dass die in den drei Gesetzen enthaltenen Verbote für gewerbsmäßige Anbieter irgendeiner Form von Glücksspielen eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 36 EWR) seien, könnten die nationalen Behörden den ausländischen Anbietern immer noch die Pflicht zur Beantragung einer nationalen Konzession mit denselben auch für einheimische Anbieter geltenden Voraussetzungen und Anforderungen auferlegen.
22 
Das hat auch die Kammer in ihren o. g. Urteilen nicht in Frage gestellt. Zur Beantwortung der Frage, ob die Europarechtswidrigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols auch die Erlaubnispflicht des § 4 Abs. 1 GlüStV erfasst, geben diese Ausführungen jedoch nichts her. Denn ein Erlaubnis- oder Konzessionsverfahren für private Veranstalter sieht der Glücksspielstaatsvertrag - wie oben ausgeführt wurde - gerade nicht vor. Vielmehr kann ein privater Anbieter selbst bei Erfüllung sämtlicher materieller Voraussetzungen des Glücksspielstaatsvertrages die erforderliche Erlaubnis nicht erhalten.
23 
Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 22.11.2007 (1 BvR 2218/06) entschieden, dass eine ordnungsrechtliche Untersagungsverfügung, die - wie im vorliegenden Fall - nicht mit anderen Gefahren für ordnungsrechtliche Schutzgüter, sondern allein mit einem objektiven Verstoß gegen das staatliche Sportwettenmonopol begründet ist, sich wegen der verfassungswidrigen Rechtslage jedenfalls in der Zeit bis zum 28.03.2006 nicht als rechtmäßig erweisen kann. Zwar betrifft diese Entscheidung die Unvereinbarkeit des Monopols mit Art. 12 Abs. 1 GG. Hinsichtlich der Unvereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht kann aber nichts anderes gelten.
II.
24 
Die Kammer ist weiterhin der Auffassung, dass das Sportwettenmonopol des Landes in seiner derzeitigen Ausgestaltung nach wie vor eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs (Art. 49 EG) darstellt (vgl. Urteile vom 16.04.2008, dort unter II. 2 a) - d)). Folgendes ist nochmals zu betonen:
25 
Europarechtlich steht es im Ermessen jedes Mitgliedsstaats, welches Schutzniveau er im Bereich von Glücksspielen gewährleisten will (EuGH, Urt. Schindler, Rdnr. 60, 61; Urt. Zenatti, Rdnr. 33, 34). Er kann sich etwa für ein Präventionsmodell entscheiden, das auf eine wesentliche Verminderung der Gelegenheit zum Spiel ausgerichtet ist, oder auch für ein Kanalisierungsmodell, das darauf abzielt, durch ein auf Einnahmeerzielung und Expansion angelegtes Angebot einer begrenzten Zahl konzessionierter Privater die Glücksspieltätigkeiten aus dem Bereich des Illegalen und Kriminellen in geordnete und staatlich überwachte Bahnen zu lenken (EuGH, Urt. Placanica, Rdnr. 54, 55).
26 
Dies bedeutet aber nicht, dass der deutsche Gesetzgeber nach nationalem Recht die Gestaltungsfreiheit hätte, sich für ein Kanalisierungsmodell in Form eines staatlichen Monopols zu entscheiden. Ein solches auf Einnahmeerzielung und Expansion angelegtes, europarechtlich zulässiges Monopol wäre verfassungswidrig (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01 , Rdnr. 107, 141). Denn ein staatliches Monopol für Sportwetten ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft ausgerichtet ist (BVerfG, a.a.O., Rdnrn. 98, 119, 120). Daher kann die Aufgabe der Länder nach § 10 GlüstV, ein ausreichendes Glücksspielangebot mit dem Ziel der Kanalisierung des Spieltriebs der Bevölkerung (§ 1 Nr. 2, 2. Alt. GlüStV) sicherzustellen, nicht etwa als ein Auftrag verstanden werden, der gleichrangig neben dem Auftrag zur Suchtbekämpfung (§ 1 Nr. 1 GlüStV) steht. Vielmehr hat von Verfassungs wegen die Suchtbekämpfung im Vordergrund zu stehen; nur diese rechtfertigt ein Monopol. Die Sicherstellung eines ausreichenden Glücksspielangebots und die Kanalisierung des Spieltriebs sind verfassungsrechtlich nur zulässig, soweit sie als Mittel zum Zweck der Suchtbekämpfung dienen. Dementsprechend ist der Glücksspielstaatsvertrag verfassungskonform auszulegen.
27 
Europarechtlich ist zu untersuchen, ob der Glücksspielstaatsvertrag als Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit geeignet ist, die Verwirklichung des - verfassungsrechtlich gebotenen - Ziels der Suchtbekämpfung zu gewährleisten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 32; Urt. Gambelli, Rdnr. 65). Dies bedeutet, dass er kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen muss (EuGH, Urt. Gambelli, Rdnr. 67; Urt. Placanica, Rdnr. 53; siehe auch EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 14.03.2007, E-1/06 – Gaming Machines, Rdnr. 53).
28 
Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Sportwetten-Urteil vom 28.3.2006 ein Staatsmonopol nur dann für zulässig erachtet, wenn es konsequent am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Spielsucht ausgerichtet und mit materiellrechtlichen Regelungen und strukturellen Sicherungen versehen ist (a.a.O., Rdnr. 120). Insoweit laufen die europarechtlichen und die verfassungsrechtlichen Vorgaben also parallel (BVerfG, a.a.O., Rdnr. 144). Daher können die Anforderungen, die sich aus dem Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergeben, auch zur Beantwortung der Frage der europarechtlichen Kohärenz und Konsistenz herangezogen werden.
29 
Allerdings ist europarechtlich, anders als verfassungsrechtlich, nicht nur die rechtliche Ausgestaltung der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit maßgeblich, sondern es kommt auch auf ihre tatsächlichen Anwendungsmodalitäten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 37, Urt. Gambelli, Rdnr. 75, 76) und ihre Handhabung in der Praxis an (EuGH, Urt. Rosengren, Rdnr. 46). Jedoch sind die vom Europäischen Gerichtshof geforderte „Kohärenz“ und „Systematik“ hinsichtlich der Begrenzung der Wetttätigkeiten ohne normative Vorgaben zur Ausgestaltung eines staatlichen Monopolbetriebs kaum denkbar, so dass zunächst das rechtliche Regelungssystem in den Blick zu nehmen ist. Seine tatsächliche Umsetzung darf aber nicht aus den Augen verloren werden.
III.
30 
Die Kammer hält auch bei Berücksichtigung der aktuellen Situation an der Auffassung fest, dass es an einer rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung des Monopols fehlt, die als konsequenter und aktiver bzw. systematischer und kohärenter Beitrag zur Vermeidung und Abwehr von Spiel- und Wettsucht angesehen werden kann (vgl. Urteile vom 16.4.2008, dort unter II.2.e.). Bereits in der Gestaltung des terrestrischen Vertriebssystems liegt ein wesentlicher Strukturmangel (dazu unter 1.), der auch durch Folge- und Begleitmaßnahmen nicht kompensiert wird (dazu unter 2.). Schließlich fehlt es daneben an einem effektiven Kontrollsystem (dazu unter 3.).
31 
1. Schon mit der Wahl und Einrichtung der Vertriebswege hat das Land Baden-Württemberg einen Weg beschritten, der angesichts der Anzahl der Wettannahmestellen (dazu a.), ferner der unterlassenen begleitenden Bekämpfung des illegalen Wettmarktes (dazu b.) sowie schließlich mit Blick auf die inhaltliche Ausgestaltung des Annahmestellenwesens (dazu c.) und seine betont wirtschaftliche Basis (dazu d.) nicht wirklich der Zielerreichung dienen kann.
32 
a) Bereits die äußerst geringe Reduktion der Zahl der Annahmestellen spricht gegen einen Systemwechsel bzw. -wandel, wie er erforderlich gewesen wäre, um einen konsequenten Übergang von einem aus rein unternehmerischem - d.h. wirtschaftlichem - Kalkül hervorgegangenen Annahmestellennetz im Jahr 2006 zu einem zulässigerweise nur an Begrenzung und Kanalisierung der Wettleidenschaft orientiertem Vertriebssystem zu belegen. Die Zahl der noch Anfang 2006 vorhandenen 3.764 baden-württembergischen Annahmestellen ist im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auf 3.612 gesunken. Das bedeutet eine Verminderung um absolut nur 152 und relativ nur etwa 4% der Stellen. Kamen früher 2.852 Einwohner auf eine Annahmestelle, so sind es heute immer noch 2.972, d.h. jede der noch vorhandenen Annahmestellen versorgt geringfügig mehr Einwohner, nämlich 120.
33 
An dem vom Bundesverfassungsgericht im Sportwettenurteil vom 28.3.2006 (dort Rdnr. 138) bzw. in der Baden-Württemberg betreffenden Entscheidung vom 4.7.2006 (1 BvR 138/05 - juris) erhobenen und beanstandeten Befund, wonach Sportwetten über ein breit gefächertes Netz von Lotto-Annahmestellen vertrieben werden, welches mit der Maxime „weites Land - kurze Wege“ einhergeht, hat sich damit in quantitativer Hinsicht so gut wie nichts geändert.
34 
Gründe, die diesen in quantitativer Hinsicht auffälligen und problematischen Ausgangsbefund in positiver Hinsicht relativieren könnten, sind nicht vorhanden. Bereits normativ geht weder aus dem GlüStV (§ 10 Abs. 3) noch aus dem AGGlüStV (§§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5, 7 Abs. 1) hervor, wie die beabsichtigte Begrenzung der Zahl der Annahmestellen zwecks Gewährleistung eines ausreichenden Spielangebots in absoluten Zahlen bzw. zumindest in methodischer Hinsicht durchzuführen ist. Die Umsetzung ist folglich der Aufsichtsbehörde und der staatlichen Toto-Lotto GmbH (im Folgenden: STLG) überlassen, ohne dass es normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften oder andere orientierende Hilfen gäbe. Wie die Vertreter der STLG letztlich selbst in der mündlichen Verhandlung eingeräumt haben, ist Ausgangspunkt für die künftigen Bedarfszahlen die „historisch gewachsene“ Zahl der Annahmestellen des Jahres 2006 gewesen. In ihrem Vertriebskonzept vom Juni 2008 (dort Seite 4, Mitte) führt die STLG zwar aus, aufgrund des Sportwettenurteils des Bundesverfassungsgerichts sei in der Zeit nach 2006 der Wegfall von Annahmestellen nicht mehr durch die Aufnahme neuer Annahmestellen in das Vertriebsnetz ausgeglichen worden. Der bloße Verzicht auf eine Ausweitung und die schlichte Hinnahme des Wegfalls von Stellen lediglich im Rahmen der üblichen Fluktuation stellen jedoch alles andere als eine aktive und systematische Begrenzungspolitik dar. Berücksichtigt man ferner die Angaben des Beklagten-Vertreters in der mündlichen Verhandlung vom 16.4.2008, wonach in etwa 40 bis 50 Fällen für geschlossene Annahmestellen jeweils sogar noch Ersatz zugelassen wurde (entweder in Gestalt des Weiterbetriebs durch einen neuen Inhaber oder aber durch Eröffnung einer neuen Annahmestelle in der Nachbarschaft), ist diese ohnehin schon äußerst geringfügige und eher als passiv zu bezeichnende Reduktion sogar noch in sich zurückhaltend gewesen.
35 
Schlüssig und überzeugend geht eine systematische Politik auch nicht aus dem Vertriebskonzept der STLG vom Juni 2008 hervor. Vielmehr ist dort (Seiten 4 ff.) feststellbar, dass die vom Monopolisten im Mai 2008 vorgefundene Zahl von 3.630 Annahmestellen schlicht mit einem Bedarfsberechnungsmodell „überzogen“ und „gebilligt“ wurden, welches nicht darlegt, wie es anhand von „Einwohnerbewegungen“, „Verteilung der Kaufkraft“ sowie „Einkaufsströmen“ zu den konkreten Richtwerten für ländliche, städtische und großstädtische Gebiete gelangt. Ohnehin lässt die Verwendung dieser eher an Marketingstrategien erinnernden Parameter nicht erkennen, welchen tauglichen Beitrag sie zum ausschließlich zulässigen Ziel einer Vermeidung und Begrenzung von Glücksspielsucht leisten können. Die Kammer verkennt nicht die sowohl im Vertriebskonzept als auch in der mündlichen Verhandlung von den Vertretern der STLG geäußerten Schwierigkeiten, konkrete Zahlen zu greifen. Dieses Dilemma ist jedoch letztlich auf das Fehlen konkreter Vorgaben im Gesetz bzw. durch die Aufsichtsbehörde zurückzuführen. Gerade eine nicht - oder jedenfalls nicht ausschließlich - vom Monopolisten selbst ermittelte Zahl der erforderlichen Annahmestellen wäre weitaus weniger anfällig für etwaige (und wenn auch noch so unbewusste) systemwidrige und unzulässige Rücksichten auf vorhandene Vertriebsstrukturen gewesen.
36 
b) Daran ändert nichts, dass das RP Karlsruhe das Vertriebskonzept im Kontext der Erteilung der Glücksspielerlaubnis prüft bzw. bereits - offensichtlich mit dem Ergebnis der Billigung - geprüft hat. Denn gerade auch von der Aufsichtsbehörde kamen insoweit in der mündlichen Verhandlung keine substantiierten Argumente, welche die dargelegten Bedenken hätten zerstreuen können. Zwar prognostiziert das Vertriebskonzept in der Endstufe die Absicht, mit ca. 3.300 Annahmestellen auszukommen. Notwendige Bedingung hierfür soll aber der Rückgang der nach dem GlüStV illegalen Konkurrenzangebote terrestrisch und im Internet tätiger privater Wettanbieter und -vermittler sein. Das RP Karlsruhe hat insoweit ausgeführt, gegen die (ca. 30 % bis 50 % des Sportwettenumsatzes erzielenden) Internetanbieter solle zunächst mit Grundverfügungen vorgegangen werden (zu einem solchen Fall vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 5.11.2007 - 6 S 2223/07 -, ZfWG 2007, 432), um dann auf einer nächsten Stufe unter Zusammenarbeit mit den Banken oder notfalls auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 4 GlüStV die Finanzströme betreffend untersagte Sportwetten zu unterbrechen. Damit aber wird deutlich, dass sich ein überaus wichtiger Teilbereich der Glücksspielpolitik (noch) in einem äußerst „frühen Stadium“ befindet. Ein möglicher Schritt zur Austrocknung des illegalen Glücksspielmarkts wurde folglich bislang unterlassen. Obwohl die strukturellen Gefahren eines staatlichen Glücksspielmonopols spätestens seit Frühjahr 2006 bekannt waren, wurde dem Monopolisten nicht nur die Erstellung eines Vertriebskonzepts überlassen, sondern auch (noch) keine wirklichen Schritte unternommen , eine Begrenzung der Vertriebswege zugleich mit der Bekämpfung der wirtschaftlichen Basis des illegalen Sportwettenmarkts konsequent zu begleiten.
37 
c) Ferner weist diese fortdauernd auf Breite angelegte Vertriebsstruktur auch qualitativ erhebliche Mängel auf, weil sie (noch) nicht systematisch und konsequent vom Charakter einer „grundsätzlich unbedenklichen Freizeitbeschäftigung“ (vgl. Sportwettenurteil Rdnr. 125) und eines „allerorts verfügbaren normalen Gutes des täglichen Lebens“ (vgl. Sportwettenurteil Rdnr. 138) Abstand nimmt. Mit dem Vertrieb der Sportwetten in Zeitschriften-, Schreibwaren- und Tabakläden sowie in Supermärkten und Tankstellen hat der Monopolist an der gesuchten „bewussten Nähe zum Kunden“ (Sportwettenurteil Rdrn. 138) nichts geändert. Dass die STLG diese Betriebsstätten im Rahmen des Kanalisierungsauftrags für den Zweck der kommunizierten Suchtprävention als „besonders geeignet“ darstellt (Vertriebskonzept Seite 5), verstellt den Blick darauf, dass gerade diese Vertriebsform des legalen Sportwettenangebots in der Öffentlichkeit problematischem Spielverhalten weiterhin Vorschub leistet. So ist es nach Auffassung der Kammer inkonsequent, dass die STLG für sich in Anspruch nimmt, zur Erfüllung des Ordnungsauftrags derzeit und bis auf weiteres auf die konkrete hohe Zahl von Annahmestellen angewiesen zu sein, aus dieser „Präsenzforderung“ jedoch gleichwohl nicht die Notwendigkeit ableitet, ein weitaus zurückhaltenderes als aktuell an den Tag gelegtes Werbeverhalten zu betreiben. Vielmehr betreibt der Monopolist parallel zur breitflächigen Vermarktung eine intensive - wenngleich um die Möglichkeit auffordernden, anreizenden oder ermunternden Charakters reduzierte sowie im Fernsehen, im Internet und über Telekommunikationsanlagen verbotene - Werbung mittels Radio, Printmedien, Litfasssäulen und Postwurfsendungen. Es ist nicht ersichtlich und von den Vertretern der STLG in der mündlichen Verhandlung auch nicht überzeugend dargelegt worden, warum die (aus Sicht der STLG weiterhin erforderliche) breit gefächerte „physische Präsenz“ von Glücksspielannahmestellen eine zusätzliche, über den Ort der Leistung hinausgehende weitere Werbung als Begleitmaßnahme benötigt.
38 
An dem nach Auffassung der Kammer folglich fortdauernden Signal, man vertreibe immer noch, wenngleich nunmehr modifiziert, ein Gut des täglichen Lebens, ändern auch sonstige Modalitäten beim Vertrieb nichts. Die Wirkung von Vorkehrungen wie Identifizierung des Kunden unter Verwendung einer Kundenkarte, Verstärkung des Minderjährigenschutzes sowie Hinweise auf Spielscheinen und Aufklärungsmaterial über die Gefahren des Spiels (vgl. Vertriebskonzept, Seite 6) wird nach Auffassung der Kammer schon vor dem Hintergrund der nahezu unveränderten Annahmestellen-Zahl überschätzt. Gerade weil die in den Annahmestellen verkehrenden Kunden des Einzelhandels, zu denen regelmäßig auch Kinder und Jugendliche gehören, die Parallelität des Verkaufs von Glücksspielen mit demjenigen von Produkten des täglichen Bedarfs ständig wahrnehmen, darf ein Gewöhnungseffekt nicht vernachlässigt werden. Selbst das neuerdings getrennte „Kassenwesen“, also ein doppelter Kassiervorgang bei gleichzeitigem Einkauf von Waren aus dem Hauptsortiment und von Lotterieprodukten, kann niemanden darüber hinwegtäuschen, dass Verkaufsstellen zugleich auch Annahmestellen sind. Ferner steht im Zeitalter zahlreicher, verschiedenster Kundenkarten eine spezifisch disziplinierende Funktion einer solchen Karte im Bereich des Glücksspiels nicht mit der erforderlichen Gewissheit fest. Das beklagte Land hat zwar Umsatzrückgänge bei den Sportwetten im Jahr 2007 von 28 % (Oddset-Kombiwette) bzw. 48 % (Toppwette) sowie im ersten Quartal 2008 von weiteren 22 % bzw. 32 % zum Beweis der Restriktionswirkung des Monopols ins Feld geführt. Eine nähere Analyse, worauf diese Rückgänge tatsächlich beruhen, und eine Aussage dazu, ob dies nicht nur ein vorübergehendes Phänomen ist, gibt es bislang jedoch nicht. Insofern ist der schon im Kammerurteil vom 16.4.2008 enthaltene Hinweis nicht nachhaltig entkräftet worden, der immerhin im Jahr 2007, also in Kenntnis eines künftig erforderlichen Restriktionskurses erstellte Geschäftsbericht 2006 der STLG gehe selbst von nur „vorübergehenden“ Umsatzrückgängen aus.
39 
d) Einen zentralen und fortdauernden Strukturmangel sieht die Kammer schließlich im wirtschaftlichen Aufbau des Annahmestellensystems. Der Monopolist bedient sich beim Vertrieb seines Wettangebots privater Dritter, die mittels umsatzabhängiger und folglich stets die Gefahr einer extensiven Vermarktung in sich bergender Provisionen bezahlt werden. Wie in der Vergangenheit auch, erhalten die Annahmestelleninhaber derzeit einen festen und einheitlichen Provisionssatz (Vertriebskonzept, Seite 11/12). Dieser liegt für alle Glücksspiele (ausgenommen Rubbellos, wo es 10 % sind) bei 6,6 % des bei den Annahmestellen getätigten Spieleinsatzes. Vergegenwärtigt man sich, dass angesichts des in 2007 in Baden-Württemberg getätigten Glücksspielumsatzes von ca. 1 Mrd. EUR jede der Annahmestellen hierzu einen (durchschnittlichen) Umsatz von etwa 270.000,-- EUR beitrug, was wiederum einer (durchschnittlichen) Jahresprovision (ohne Rubbellos) von etwa 18.000,-- EUR entsprach, kann diese Einnahmequelle wirtschaftlich nicht vernachlässigt werden.
40 
Das gilt ungeachtet der in Nr. 8 des jeweiligen Zusatzvertrages zwischen der STLG und den Annahmestellenleitern vereinbarten Bedingung, wonach die Verkaufsstelle nur im Nebenerwerb betrieben werden und der Spielbetrieb nicht die vorrangige Einnahmequelle sein darf. Diese Regelung ist nach Auffassung der Kammer ungeeignet, eine relevante Begrenzung und Steuerung des Wirtschaftsgebarens eines Annahmestellenleiters auszuüben. Mit dieser Formulierung sind schon Auslegungs- und Erfüllungsschwierigkeiten vorprogrammiert. Denn die Grenze zwischen Haupt- und Nebenerwerb kann periodisch durchaus fließend sein, ferner bleibt unklar, ob spätere Änderungen eine Mitteilungspflicht auslösen und schließlich kann kaum von allen der mehr als 3.600 Vertragspartner erwartet werden, dass diese ständig ihre möglicherweise zeitlich variierenden Erwerbsverhältnisse vor Augen haben. Weitaus problematischer allerdings ist es, dass das RP Karlsruhe - seitens der STLG übrigens bezeichnenderweise unwidersprochen - dem Begriff des „Nebenerwerbs“ die Auslegung gibt, das gesamte Glücksspielgeschäft dürfe bis 49 % des Umsatzes ausmachen. Es liegt aber selbst bei Parallelwertung durch einen Nicht-Kaufmann auf der Hand, dass ein dieser Interpretation noch genügender Umsatz von „nur“ 40 % bis 49 % wirtschaftlich für einen Annahmestelleninhaber von erheblicher Bedeutung ist. Ein wirtschaftliches „Standbein“ in dieser Größenordnung übt nämlich auf den Provisionsnehmer erhebliche Anreizwirkungen hin auf eine Umsatzsteigerung aus. Das gilt auch ungeachtet dessen, dass Sportwetten wiederum nur 4 % des gesamten Jahresglücksspielumsatzes ausmachen. Gerade weil die Bereitstellung des gesamten Wett- und Lotterieangebots in den Annahmestellen erfolgt (vgl. Seite 7 des Vertriebskonzepts - wenngleich dies unter dem Gesichtspunkt der „besseren sozialen Kontrolle“ hervorhebend), kann in wirtschaftlicher Hinsicht ein Anreiz des Annahmestelleninhabers, auch für Sportwetten Umsätze zu erzielen, vernünftigerweise nicht verneint werden. Zwar ist eine Reduktion der Umsatzabhängigkeit im Jahr 2009 vorgesehen und es soll dann auch der Einsatz weiterer umsatzunabhängiger Faktoren bei der Ausgestaltung der Provision geprüft werden (vgl. Vertriebskonzept, Seite 12), die zuvor dargelegten aktuellen - d.h. im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt existierenden - Mängel werden durch eine bloße Absicht jedoch nicht behoben.
41 
2. Die vorgenannten strukturellen Mängel des Vertriebskonzepts beeinträchtigen die Erreichung des Ziels der Spielsuchtbekämpfung auch derart gravierend, dass sie nach Auffassung der Kammer nicht durch die Kompensationsmaßnahmen des Beklagten wirklich ausgeglichen werden, die auf diesen Gebieten bis zum heutigen Zeitpunkt konkret ergriffen und umgesetzt wurden.
42 
a) Das System der Spielersperre in seiner jetzigen Ausgestaltung ist nicht geeignet, spielsuchtgefährdete oder gar klar spielsüchtige Wettteilnehmer zu identifizieren und von einer weiteren Teilnahme effektiv auszuschließen. Das zeigen schon die geringen Zahlen der tatsächlich verhängten Sperren: Im ersten Quartal 2008 wurden im Wege der Fremdsperre lediglich 9 Spieler durch die STLG gesperrt und damit effektiv vor sich selbst geschützt. Angesichts eines geschätzten Anteils von ca. 4 % Spielsüchtigen unter den Sportwettenteilnehmern (vgl. Stöver, Bremer Institut für Drogenforschung - BISDRO - , Glücksspiel in Deutschland - Eine repräsentative Untersuchung zur Teilhabe und Problemlage des Spielens um Geld, Dezember 2006, S.7 - aufrufbar unter: www.gluecksspielsucht.de > Forschungsergebnisse) und bei einer Gesamtzahl von 3612 Annahmestellen und bundesweit 250.000 Spielsüchtigen ist dies eine nur sehr geringe Zahl. Diese erklärt sich schon daraus, dass die Kriterien für die Verhängung einer Fremdsperre im Glücksspielstaatsvertrag, aber auch im Ausführungsgesetz nicht klar definiert werden. Auch die Kriterien, anhand deren die Annahmestellenbetreiber nach dem vorgelegten Sozialkonzept Spielsuchtgefährdete identifizieren sollen (unverhältnismäßig hohe Einsätze in Relation zum Einkommen, häufige große Verluste etc. - siehe § 9 Abs.1 S.1 Nr.2 GlüStV und S.26 der Schulungsunterlagen für die Verkaufsstellen als Anlage zum Sozialkonzept) sind kaum praktikabel, weil die Annahmestelleninhaber - außer bei persönlicher Bekanntschaft mit dem Teilnehmer oder in Fällen eines offensichtlichen äußeren Erscheinungsbildes - regelmäßig keine Kenntnis von den Einkommensverhältnissen ihrer Kunden und auch nicht von der Höhe ihrer sonstigen Einsätze bei anderen Annahmestellen haben. Obendrein lässt sich eine persönliche Identifizierung als Spielsüchtiger anhand übermäßig hoher und häufiger Einsätze und Verluste seitens der Teilnehmer leicht durch das Aufsuchen zahlreicher verschiedener Annahmestellen vermeiden, wie sie aufgrund des dichten Netzes buchstäblich „an jeder Straßenecke“ vorhanden sind. Von daher verfängt das Argument des Beklagten nicht, der durchschnittliche Spieleinsatz bei den Sportwetten betrage nur zwischen 8,50 und 14 EUR, so dass schon jeder davon abweichende höhere Einsatz auffalle und dem Annahmestellenbetreiber ggf. Anlass für Nachfragen geben könne. Ganz abgesehen davon beträgt nach eigenen Angaben der STLG der Höchsteinsatz pro Tipp auf einem Spielschein immerhin 250 EUR, so dass bis zu einem solchen Betrag wohl keine Nachfrage indiziert erscheint. Zudem wurde im Termin deutlich, dass die STLG gegenüber Fremdsperren eher eine zurückhaltende Linie verfolgt. Zum einen geht sie davon aus, dass die wirklich suchtgefährdeten Spieler sich ohnehin bei den privaten gewerblichen Sportwettenanbietern aufhalten, die 80% des gesamten Sportwettenmarktes ausmachen, und zum anderen befürchtet sie erklärtermaßen, Spielsuchtgefährdete sonst ganz aus den Augen bzw. an die private Konkurrenz zu verlieren. Sie favorisiert daher die Eigensperre, zu der sich der suchtgefährdete Spieler aufgrund nachhaltiger sozialpädagogischer Einwirkungen und Gesprächen mit Suchtberatungsstellen, Annahmestellenbetreibern und Bezirksdirektoren entschließt. Das Argument des Beklagten, andernfalls würden solche Spieler gleich zur privaten Konkurrenz abwandern, die ohnehin 80% des Marktes bediene, stellt im Übrigen das staatliche Monopol in aller Deutlichkeit selbst in Frage.
43 
Auch das Anfang 2008 eingeführte Oddset-Informationssystem trägt bei genauer Betrachtung nicht zu einer effektiveren Handhabung des im Glücksspielstaatsvertrag angelegten Instruments der Fremdsperre bei. Der Spielerschutz ist hier nur ein Nebeneffekt, da dieses System primär der Aufdeckung von Spielmanipulationen anhand ungewöhnlich hoher Umsatzzahlen bei einzelnen Annahmestellen dient und deshalb allenfalls mittelbar in Fällen über den Schwellenwerten (3000, 7000 und 10.000 EUR) liegender Umsätze dazu führen kann, dass eine bestimmte Annahmestelle und die dort wettenden Spieler und deren Verhalten genauer in den Blick genommen werden. Die genannten Schwellenwerte sind zudem derart hoch angesetzt, dass sie angesichts eines Durchschnittsumsatzes einer Annahmestelle von lediglich 180 EUR wöchentlich kaum dazu taugen, auf Spielsucht indizierende hohe Einsätze einzelner Spieler aufmerksam zu werden. Eine individuelle Identifizierung Spielsüchtiger anhand der Kundenkartenidentifizierung und der Datenbankinformationen der STLG über die Häufigkeit und Höhe der Einsätze und der Verluste ist außerdem schon aus Datenschutzgründen gar nicht möglich.
44 
b) Das zum Schutz spielsuchtgefährdeter Spieler und zur Vorbeugung der Spielsucht durchaus effektive und sinnvolle Instrument von nur maximal zuzulassenden Höchsteinsätzen pro Spieler gibt es schließlich nach wie vor nur in der seinerzeit von der Kammer in ihren Grundsatzurteilen als nicht zureichend qualifizierten rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung, die bis heute im Wesentlichen unverändert geblieben ist. Die Halbierung der Höhe des möglichen Einsatzes pro Tipp bei Oddset-Wetten von 500.- EUR auf 250.- EUR ändert nichts daran, dass mit mehreren Spielscheinen und an verschiedenen Annahmestellen weiterhin um insgesamt große Summen gespielt werden kann. Das Argument des Beklagten, eine weitere Verbesserung der Höchsteinsatzregelung sei schon deshalb nicht erforderlich, weil eine Höchstgrenze nur in Relation zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Sportwettenteilnehmers sinnvoll sei, verkennt, dass sich der Spielerkreis wohl überwiegend nicht aus finanziell und sozial besser Gestellten zusammensetzt, für die auch Einsätze von mehreren hundert Euro kein Problem darstellen, sondern aus Personen, die gerade durch das Wetten versuchen, ihre insoweit wirtschaftlich eher bescheidene Stellung aufzubessern (vgl. Hayer/Meyer, Das Gefährdungspotenzial von Lotterien und Sportwetten, Mai 2005, S.100, 101 - abrufbar unter: www.landesfachstelle-gluecksspielsucht-nrw.de/pdf/ gefaehrdungspotenzial-Hayer-Meyer.pdf, wonach 35% der befragten Sportwettenteilnehmer arbeitslos, Rentner, Student, oder berufsunfähig waren und 60% nur zwischen 500 -1500 EUR netto verdienten). Auch das Argument, eine strengere Höchstgrenzenregelung sei nicht erforderlich, weil ein einmaliges Spiel mit einem hohen Einsatz noch keine Suchtgefahren auslöse, spricht nicht gegen eine Höchstgrenzenregelung, die den Gesamteinsatz eines Spielers etwa pro Woche limitiert (siehe insoweit etwa Ziff.14 der Stellungnahme des Fachverbandes Glücksspielsucht e.V. zum Entwurf des Glücksspielstaatsvertrags - abrufbar unter www.gluecksspielsucht.de > Materialien > Stellungnahmen).
45 
c) Was die Spielsuchtbekämpfung und insbesondere die Prävention angeht, verkennt die Kammer nicht, dass hier ausweislich des mittlerweile vorliegenden Vertriebskonzepts und des ebenfalls jetzt vorgelegten Sozialkonzepts sowohl im Bereich der Hinweise, der Beratungsangebote als auch der Schulungen der Mitarbeiter der Annahmestellen deutliche Fortschritte gegenüber dem vom Bundesverfassungsgericht noch missbilligten Zustand im Jahre 2006 zu verzeichnen sind, als es in dieser Richtung gar keine bzw. nur sehr wenige Bemühungen gab. Inzwischen kann davon ausgegangen werden, dass die Annahmestellenbetreiber und deren Personal alle geschult wurden und regelmäßig auch weiter zum Thema Suchtgefahren und Jugendschutz geschult werden. Es ist auch nicht zu übersehen, dass in großem Umfang und optisch auffällig auf Flyern, Plakaten, Hinweisschildern, Broschüren, Spielquittungen, Internetseiten usw. auf die Gefahren der Spielsucht und auf das Spielverbot für unter 18-Jährige hingewiesen wird. Außerdem existiert mittlerweile ein Fachbeirat, der beratend tätig wird.
46 
Das vermag aber nicht, die strukturellen Mängel des staatlichen monopolisierten Sportwettensystems mit einem landesweit dichten Netz umsatzorientiert operierender Annahmestellen zu konterkarieren, die betont kundennah im direkten Kontext mit dem Vertrieb alltäglicher Waren und ohne wirkliche Distanz zu Jugendlichen arbeiten und dadurch der Missachtung des Spieler- und Jugendschutzes sowie der Spielsucht erst einmal deutlich Vorschub leisten.
47 
d) Auch die Schulungen der Annahmestellenbetreiber (vgl. Ziff.4 des Vertriebskonzepts, Ziff.4.6 des Sozialkonzepts , Ziff.4 des Annahmestellenzusatzvertrags) vermögen offenbar nur sehr begrenzt, den systemimmanent bestehenden Zielkonflikt aufzulösen, dem sie sich ausgesetzt sehen, wenn sie einerseits einträglich wirtschaften wollen, sich andererseits dabei aber ohne wirtschaftlichen Anreiz allein aus Rücksicht auf Jugendliche und Spielsuchtgefährdete selbst zurücknehmen sollen. Schon der bloße Umstand, dass es offenbar nötig erscheint, durch intensive Schulungen überhaupt die für jedermann leicht verständliche und eingängige Minimalregel des Jugendschutzes, nämlich das Spielverbot für unter 18-Jährige, gegenüber den Annahmestellenbetreibern zu betonen, obwohl die entsprechenden Regelungen schon seit Jahrzehnten existieren (vgl. § 6 Abs.2 JuSchG), zeigt, dass schon nach Ansicht der STLG hier ein aus ökonomischen Interessen gespeistes Potential an tendenzieller Missachtung des Jugendschutzes besteht, das allein durch die Geltung des JuSchG offenbar noch nicht ausreichend eingedämmt wird. Soweit zum Jugendschutz geschult wird, stellt dies eine „Schulung“ zu einer bloßen Selbstverständlichkeit dar. Soweit zu Suchtgefahren mit dem Ziel geschult wird, die Annahmestellenbetreiber in die Lage zu versetzen, beratend bzw. abratend auf Spieler einzuwirken bzw. spielsüchtige Spieler zu erkennen und dann durch Schaltung einer Sperre am weiteren Spiel zu hindern, ergibt sich aus dem oben Gesagten, dass die Annahmestellenbetreiber ganz offenkundig die dafür wirklich wesentlichen Informationen über Einkommensverhältnisse, Spielergebnis, Häufigkeiten des Spiels und Verluste der bei ihnen Wetten abschließenden Personen nicht haben und allenfalls zufällig erlangen können bzw. sich in einem Rollenkonflikt zwischen Verkäufer und invasiv in die Privatsphäre des Kunden hineinforschenden Sozialarbeiter wiederfinden (siehe die vorgelegte Dokumentation und Auswertung der Schulungen für Januar bis März 2008 der mit den Schulungen beauftragten Evangelischen Gesellschaft: Suchtberatungsstelle „eva“, S. 14). Aus der Dokumentation ergibt sich insoweit auch, dass viele Annahmestellenbetreiber eher dazu neigen, den Zielkonflikt zugunsten eigener wirtschaftlichen Interessen zu lösen, und zu einem nicht unbeträchtlichen Teil obendrein selbst aktive Spieler sind, von denen manche sogar Tendenzen zur Spielsucht in sich tragen (siehe Dokumentation S.10 ).
48 
Die im Wesentlichen übereinstimmenden Ergebnisse des im April 2008 bei 110 Lottoannahmestellen in Baden-Württemberg durchgeführten sog. „Mystery-Shopping“ (= Testkauf, Testspielaktion) und der in der mündlichen Verhandlung von den STLG Mitarbeitern dargelegten eigenen Erfahrungen mit Testkäufen/Testspielern zeigen zudem deutlich, dass offenbar selbst intensive Schulungen keinen nachhaltigen Effekt erzielen, denn in einer prozentual weit überdurchschnittlichen Zahl von Fällen (laut Mysteryshopping: ca. 62 % , laut eigener Testaktionen der STLG: ca. 50 %) war es Kunden möglich, ohne Ausweiskontrolle zu spielen und Wetten abzuschließen. (In die gleiche Richtung weisen auch die in einem FOCUS-Artikel (Ausgabe v. 7.7.2008) zitierte Untersuchungen zum gleichen Thema in Bayern).
49 
e) Was die nunmehr allenthalben anzutreffenden Warnhinweise bezüglich der Spielsuchtgefahren angeht, ist angesichts des aus der Psychologie bekannten Phänomens der kognitiven Dissonanz (Verarbeitung konfligierender Informationen/Erfahrungen: z.B. „Ich rauche“ - „Rauchen ist schädlich“) und der Erfahrungen z.B. mit entsprechenden Hinweisen auf die tödlichen Gefahren des Rauchens auf Zigarettenpackungen, die von vielen Rauchern schon nach eigener Aussage gar nicht mehr wahrgenommen, sondern ausgeblendet werden (siehe dazu http://de.wikipedia.org/wiki/Kognitive_Dissonanz), fraglich, inwieweit ein vornehmlich aus finanziellen Erwägungen (Gewinnerwartung) gespeistes und durch entsprechende Werbung sogar noch erregtes Interesse an der Sportwettenteilnahme dadurch wirklich nennenswert wieder eingedämmt wird.
50 
f) Auch die rechtlichen und tatsächlichen Regelungen über die Art und den Zuschnitt des Sportwettenangebots sind nach wie vor in ihrer derzeitigen Ausgestaltung nicht geeignet, die Spielsucht konsistent und systematisch einzudämmen. Eine Beschränkung der Sportwetten, denen insbesondere bei den Oddset-Wetten wegen ihrer festen Gewinnquoten ein besonders hohes Suchtpotential zugeschrieben wird, durch die Begrenzung des Spielangebots (nur geringe Zahl wöchentlicher Wettpaarungen, Verzicht auf überproportional suchtgefährliche Varianten wie z.B. Live-Wetten oder Verzicht auf Wetten mit erhöhter Manipulierbarkeit des Sportereignisses wie z.B. Wetten auf die Zahl der in einem Fußballspiel gezeigten gelben Karten ) findet sich ebenso wie die Reduzierung der Gewinnausschüttungen auf maximal 50 - 55% lediglich pauschal formuliert unter Ziff.5.2 des Sozialkonzepts der STLG. Ein wirklich handhabbarer und detailliert kontrollierbarer Rahmen wird damit indessen nicht vorgegeben. Auch die nach wie vor gültigen Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi- und Top-Wette, die das Finanzministerium am 08.11.2007 bekanntgemacht hat und die von der STLG als ein lediglich weiter Rahmen des Erlaubten im Sinne einer Allgemeinen Geschäftsbedingung verstanden und der Gestaltung ihres Spielangebots zugrunde gelegt werden, enthalten keine wirklich klaren Einschränkungen und Vorgaben für eine Begrenzung des Spielangebots. Sie widersprechen zudem in ihrer noch immer unverändert aktuell gültigen Form teilweise direkt § 21 Abs.1 GlüStV, der ausdrücklich regelt, dass nur auf den Ausgang von Sportereignissen gewettet werden kann, also Live-Wetten auf Zwischenspielstände und dergleichen ausgeschlossen sind. Die Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette (GABl. v. 20.12.2007, S.648) lassen hingegen unter § 3 Abs.1, Abs.5 und Abs.6 auch Wetten nicht nur auf den Ausgang, sondern auch auf bestimmte Ereignisse innerhalb eines Sportereignisses zu. Dasselbe gilt für die Oddset-Kombi-Wette (GABl. 20.12.2007, S. 639), deren Teilnahmebedingungen Wetten auf einen bestimmten Ausgang oder ein bestimmtes Ergebnis, aber auch auf ein bestimmtes Ereignis zulassen. § 21 Abs.1 GlüStV ist im Übrigen normativ defizitär, da diese Vorschrift es ohne jegliche weitere inhaltliche Vorgaben der erst zum Jahresende 2008 notwendigen Erteilung der Glücksspielerlaubnis durch das Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde überlässt, im Detail Art und Zuschnitt des Angebots ggf. durch entsprechende Auflagen sicherzustellen. Ferner liegen interne Richtlinien zu Art und Zuschnitt des Sportwettenangebots auf der Verwaltungsebene der Glücksspielaufsichtsbehörde bisher nicht vor. Wie sich in der mündlichen Verhandlung herausstellte, besteht vor diesem Hintergrund noch nicht einmal vollständige Klarheit, ob etwa die sogenannte Handicap-Wette danach ein zulässiges Sportwettenangebot sein soll oder nicht. Der seit 01.01.2008 eingerichtete Fachbeirat (§ 10 Abs.1 S. 2 GlüStV) hat sich bisher zwar unter anderem auch mit dem Sportwettenangebot befasst, ohne dass diese Arbeit sich aber bislang in konkreten Empfehlungen, Beschlüssen oder Leitlinien niedergeschlagen hätte. Insgesamt offenbart sich auch hier ein derzeit bestehendes normativ-regulatives Strukturdefizit, das es mangels klarer Vorgaben aktuell noch immer genau besehen allein der STLG, also dem wirtschaftlich interessierten Monopolisten, selbst überlässt, zu definieren, welches Angebot seiner Ansicht nach zulässig bzw. unzulässig ist. Von dieser Definitionsmacht hat die STLG bisher aber nur in nicht wirklich dauerhaft selbstbindender Weise und nur nach eher vagen, zufälligen Kriterien Gebrauch gemacht.
51 
g) Ähnliches gilt für die Werbebeschränkungen . Hier findet sich neben der inhaltlich nur sehr vagen gesetzlichen Vorgabe in § 5 Abs.1, Abs.2 GlüStV, die Werbung dürfe nur informativ aufklärend, aber nicht aufmunternd, anreizend, irreführend und an Jugendliche gerichtet sein, bislang nur unter Ziff.5.3 des Sozialkonzepts der STLG eine katalogartige Aneinanderreihung ähnlich unbestimmter Begriffe, die zu einer positiven wie negativen Abgrenzung beitragen sollen und immerhin durch einige Beispiele zu einer gewissen Konkretisierung beitragen können (keine Darstellung als unbedenkliche Freizeitbeschäftigung, keine gezielte Ansprache eine jugendlichen Publikums, keine Werbung mit jugendlichen Werbeträgern und keine Versprechen eines schnellen risikolosen Reichtums usw.). Außerdem soll es inzwischen bundesweit zwischen den Ländern abgesprochene Werberichtlinien geben. Die Beaufsichtigung bundesweiter Werbeaktionen des Toto-Lotto-Blocks (DTLB) ist dabei allerdings noch ungeklärt. Die Bedenken, wie sie die Kammer gegenüber dem Werbekonzept der STLG in ihren Grundsatzurteilen vom April 2008 geäußert hat, sind damit aber nicht ausgeräumt. Insbesondere die Werbung mit der Dachmarke Lotto, die schon nach den eigenen Unterlagen und Broschüren der STLG deutlich mit ihren Unterprodukten z.B. Oddset, KENO etc. genannt und somit in Verbindung gebracht wird (Oddset, die Sportwette von Lotto - siehe www.lotto-bw.de > oddset), ist nach wie vor überregional mit zum Spiel animierender Werbung aktiv und zwar mit immer wieder besonders auffälliger, selbst vom beklagten Land als „atypisch“ qualifizierter Werbung, die mit immer wieder neuen besonderen Anlässen wie z.B. der Fußballeuropameisterschaft oder dem 50-jährigen Bestehen von Lotto Bad.-Württ. gerechtfertigt wird. Da die STLG sogar nach Ergehen des Bundesverfassungsgerichtsurteils noch im Sommer 2006 anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2006 aggressiv und namentlich für Oddset geworben hat, ist es auch besonders darlegungsbedürftig, konnte von der STLG im Termin aber nicht überzeugend dargelegt werden, dass Oddset nicht zum sogenannten „accepted set“ der deutlich und anpreisend beworbenen Dachmarke Lotto-BW gehören soll, also nicht mit deren Nennung vom Adressatenpublikum positiv mitassoziiert werden soll.
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Auch sonst geht die überregional auftretende Sportwettenwerbung weit darüber hinaus, dass sich nur die Annahmestellen selbst mit Flyern, örtlich geschalteten Anzeigen, Wimpeln, Schaufenstergestaltung etc. auf rein örtlicher Ebene dem Publikum bekannt machen und im Rahmen des dem staatlichen Monopolisten aufgegebenen Kanalisierungskonzepts über ihre Existenz informieren. Das ist auch nicht etwa zufällig so, sondern direkte Folge des Zielkonflikts, der darin besteht, dass der staatliche Monopolist STLG neben dem von ihm immer wieder hervorgehobenen insbesondere im Internet anzutreffenden breiten privaten Sportwettenmarkt existiert, also kein wirkliches Monopol im echten Sinne besitzt und daher anders als ein echter Monopolist gegenüber dieser Konkurrenz werbend bestehen muss, derer er sich in absehbarer Zeit wohl so schnell nicht wird entledigen können.
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Nach wie vor ist es auch so, dass der Glücksspielstaatsvertrag selbst keine Werbeeinschränkung hinsichtlich der Printmedien und des Rundfunks sowie der Postwurfsendungen und großflächiger Plakatwerbung regelt, so dass diese weiterhin zulässig sind (vgl. zu Bedenken insbesondere gegenüber unverlangt zugesandten Werbematerialien, wie Postwurfsendungen: Ziff.4 der Stellungnahme des Fachverbandes Glücksspielsucht e.V. zum Entwurf des GlüStV - a.a.O.). Dem Beklagten mag zwar zuzugeben sein, dass dem Land ein gewisser Beurteilungsspielraum dahingehend zukommt, selbst einzuschätzen und zu entscheiden, welche Werbeträger es für besonders aggressiv, öffentlichkeitswirksam, jugendnah und suchtfördernd hält und daher beschränken will. Wenig überzeugend ist insoweit allerdings sein Hinweis, die genannten noch zulässigen Werbeträger (Radio, großflächige Plakate, Printmedien) sprächen anders als das Internet und das Fernsehen das vorwiegend zu schützende jugendliche Publikum nur wenig an. Auch wenn die Leseneigung bei Jugendlichen zurückgegangen sein mag, dürfte doch das Radio als leicht konsumierbares Medium ebenso wie das Fernsehen ohne weiteres auch und gerade Jugendliche erreichen. Dafür, dass auch Plakatwerbung Jugendliche durchaus erreicht, spricht zudem, dass die STLG den Boxer Krasniqi, der als Sympathieträger gerade auch Jugendliche anspricht, im Rahmen der Suchtaufklärungskampagnen selbst auf großflächigen Plakaten auftreten lässt. Der bloße Ausschluss von Internetwerbung (und Fernsehwerbung) dürfte im Übrigen wohl schon deshalb nicht ausreichen, weil gar nicht dargetan ist, dass es sich nach der Spielerstruktur bei den Sportwettenteilnehmern der terrestrischen Annahmestellen vorzugsweise um Personen mit Internetzugang handelt. Vielmehr könnten als Kunden gerade technikferne, ältere Kunden in Betracht kommen, die keinen Internetzugang haben, oder aber Jugendliche, die zwar einen Internetzugang haben, aber noch nicht über eigene Kreditkarten verfügen, wie sie für eine Sportwettenteilnahme im Internet unerlässlich ist.
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3. Schließlich fehlt es derzeit an einem wirksamen Kontrollsystem, das die Ausrichtung des Monopols am Ziel der Suchtbekämpfung sicherstellt. Europarechtlich kommt es für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zentral auf die Effektivität der Überwachung und die Durchsetzung einer wirklich restriktiven Glücksspielpolitik an (vgl. EFTA-Gerichtshof, Urt. vom 14.03.2007, E -1/06, - Gaming Machines -, Rdnr. 51). Auch das Bundesverfassungsgericht verlangt strukturelle Sicherungen, die für die Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht sorgen; der Gesetzgeber muss geeignete staatliche Kontrollinstanzen mit ausreichender Distanz zu den fiskalischen Interessen des Staates einrichten (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnrn.120, 154). Denn nur so kann gesichert werden, dass ein Konflikt mit dem Ziel der Suchtbekämpfung nicht zugunsten der fiskalischen Interessen des Staates ausgeht (BVerfG, a.a.O., Rdnr. 127 f.)
55 
a) Der Glücksspielstaatsvertrag sieht zwar in § 9 eine finanzverwaltungsferne Glücksspielaufsicht vor. Diese kann aber derzeit auf kein wirksames normatives Kontrollsystem zurückgreifen. Auf das Instrument der Glücksspielerlaubnis, die an die Erfüllung konkreter Voraussetzungen gebunden ist (§ 2 Abs. 2 AG-GlüStV) und mit Bedingungen und Auflagen versehen werden kann (§ 2 Abs. 1 Satz 2 AG-GlüStV), kann die Glücksspielaufsicht nach derzeitiger, für die Entscheidung des Gerichts maßgeblicher Rechtslage allenfalls in geringfügigem Umfang als Kontrollmechanismus zurückgreifen. Denn der Landesgesetzgeber hat dem Monopolisten über die vom Bundesverfassungsgericht zugebilligte Übergangszeit hinaus einen weiteren Zeitraum bis zum 31.12.2008 zugestanden, in dem er seine bereits zum 01.01.2007 veranstalteten Glücksspiele ohne Erlaubnis fortführen darf (§ 2 Abs. 1 Satz 3 AG-GlüStV). Gleiches gilt für die Annahmestellen, die ihre Vermittlung ohne Erlaubnis bis zum 31.12.2008 fortsetzen dürfen, wenn sie bereits am 01.01.2007 in ein öffentliches Glücksspiel des Landes vermittelt haben (§ 7 Abs. 4 AG-GlüStV). Andere Kontrollinstrumente der Glücksspielaufsicht gegenüber dem Monopolisten oder einzelnen Annahmestellen sind gesetzlich nicht vorgesehen. Der Aufsicht bleibt in der Vielzahl der Fälle, in denen die Übergangsregelungen der §§ 2 Abs.1 Satz 3, 7 Abs. 4 AG-GlüStV greifen, nur die Möglichkeit, im Einzelfall Anordnungen nach § 9 GlüStV zu treffen. Damit diese Möglichkeit als effektiver Kontrollmechanismus wirkt, bedürfte es gerade angesichts der Vielzahl der Annahmestellen einer entsprechend gut ausgestatteten Glücksspielaufsicht. Hierzu enthält das Gesetz jedoch keinerlei Vorgaben.
56 
b) Tatsächlich ist die Glücksspielaufsicht personell auch schwach besetzt. Im gesamten Glücksspielreferat des Regierungspräsidiums Karlsruhe, das für ganz Baden-Württemberg zuständig ist, sind vier Juristen, sechs Mitarbeiter im gehobenen Dienst und fünf weitere Mitarbeiter für den Schreibdienst und Ähnliches tätig. Das Sachgebiet „Aufsicht und Erlaubnisse für staatlich veranstaltetes Glücksspiel und gewerbliche Spielevermittler“ betreuen ein Jurist und ein Mitarbeiter des gehobenen Dienstes. Der vom beklagten Land hervorgehobene Austausch zwischen den Mitarbeitern der einzelnen Sachgebiete ist nur begrenzt, wie die mündliche Verhandlung vom 16.04.2008 anschaulich belegt hat. Dort war als Beklagtenvertreter allein der Sachgebietsleiter für die Unterbindung unerlaubten Glücksspiels anwesend, der viele Fragen zum Bereich der Aufsicht und Erlaubnisse für staatlich veranstaltetes Glücksspiel nicht beantworten konnte.
57 
Die Mitarbeiter des Monopolisten, die mit monopolinternen Kontrollfunktionen befasst sind, können entgegen der vom beklagten Land vertretenen Auffassung nicht bei der personellen Ausstattung der Glücksspielaufsicht berücksichtigt werden. Schon § 10 Abs. 6 GlüStV setzt die Trennung der staatlichen Glücksspielaufsicht und des Monopolisten als Glücksspielveranstalter nach § 10 Abs. 2 GlüStV voraus. Vor allem aber kann von der europarechtlich gebotenen effektiven Überwachung des Monopolisten nicht mehr die Rede sein, wenn ihm als einem Unternehmen, das seine Wirtschaftlichkeit im Auge behalten muss, die Kontrolle über sich selbst übertragen wird. Vielmehr verlangt eine effektive Überwachung, dass die Endkontrolle der staatlichen, von fiskalischen Interessen unabhängigen Aufsicht vorbehalten bleibt.
58 
c) Dies schließt sicher kein „System der Kontrolle der Kontrolle“ aus, auf das sich das beklagte Land beruft. Ein solches System muss aber derartige strukturelle Sicherungen enthalten, dass eine effektive Kontrolle des Monopolisten durch die staatliche Aufsicht gewährleistet ist. Das ist hier nicht der Fall.
59 
aa) Das Gesetz räumt dem Monopolisten weite Spielräume bei der Ausgestaltung des Vertriebskonzepts (§ 7 Abs. 1 AG-GlüStV) sowie bei Art und Zuschnitt des Wettangebots ein, die ab 01.01.2009 in der Erlaubnis im Einzelnen zu regeln sind (§ 21 Abs. 1 Satz 2 GlüStV). Verwaltungsvorschriften oder Richtlinien wenigstens als Hilfe zur Interpretation der gesetzlichen Vorgaben - etwa welche Kriterien neben der räumlichen Bevölkerungsstruktur für das Vertriebskonzept noch zu berücksichtigen sind (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 4: „insbesondere“) oder welche Wetten als Einzelwetten auf den Ausgang eines Sportereignisses (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GlüStV) angesehen werden können - existieren jedoch nicht.
60 
bb) Auch Beschlüsse des inzwischen eingeführten Fachbeirats, die ungeachtet der rein beratenden Funktion dieses Gremiums (§ 10 Abs. 1 Satz 2 GlüStV) als Orientierungshilfe dienen könnten, liegen nicht vor. Gerade beim zulässigen Wettangebot bestehen aber erhebliche Unsicherheiten, wie die Diskussion in der mündlichen Verhandlung zwischen den Beteiligten einschließlich der Vertreter der STLG über die Zulässigkeit von Handicap-Wetten deutlich gezeigt hat.
61 
cc) Das inzwischen vorliegende Vertriebskonzept der STLG -das fast ein halbes Jahr zu spät erstellt worden ist, ohne dass dies zu irgendwelchen Konsequenzen der Glücksspielaufsicht gegenüber der STLG geführt hätte - ist zwar von der Glücksspielaufsicht gebilligt worden, jedoch mangels Integrierbarkeit in eine Glücksspielerlaubnis in keiner Weise abgesichert.
62 
dd) Allein im Bereich der Werbung sollen bundesweite, dem Gericht allerdings nicht vorgelegte Richtlinien existieren. Außerdem ist zwischen der Glücksspielaufsicht und der STLG eine Vorlage neuer Werbemaßnahmen vor Veröffentlichung abgesprochen.
63 
ee) Darüber hinaus bestehen strukturelle Sicherungen des Systems der Kontrolle der Kontrolle derzeit nicht. Die Ankündigung, dem Monopolisten in seiner Erlaubnis als Nebenbestimmung aufzugeben, mindestens halbjährliche unangekündigte Kontrollen zur Einhaltung des Jugendschutzes und des Spielerschutzes in allen Annahmestellen durchzuführen und der Aufsicht darüber halbjährlich zu berichten, weist in die richtige Richtung, ist aber zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht umgesetzt worden. Eine Glücksspielerlaubnis für die STLG - mit entsprechender Nebenbestimmung - liegt bislang nicht vor.
64 
ff) Sonstige Informations- oder Berichtspflichten der STLG zu bestimmten Themen bestehen nicht. In der mündlichen Verhandlung wurde zwar von monatlichen Gesprächsrunden über anstehende Probleme berichtet, gleichzeitig zeigte sich aber, dass die Glücksspielaufsicht weder über das aktuelle Wettangebot des Monopolisten noch über den konkreten Bestand der Annahmestellen und die einzelnen Fälle von Beanstandungen bei von der STLG veranlassten Kontrollen informiert war. Vielmehr erklärte der Vertreter des beklagten Landes, dass die Glücksspielaufsicht außerhalb des Bereichs der Werbung grundsätzlich davon ausgehe, dass die STLG sich an die gesetzlichen Vorgaben halte. Die STLG werde gebeten, die Glücksspielaufsicht zu benachrichtigen, wenn rechtliche Probleme auftauchten; sie teile der Aufsicht auf Anfrage Kontrollergebnisse mit. Diese Haltung der Glücksspielaufsicht gegenüber dem Monopolisten ist mit dem Auftrag einer effektiven Überwachung offensichtlich nicht zu vereinbaren. Schon bei einer Kontrolle staatlicher Behörden wäre ein solcher Vertrauensvorschuss unangebracht (vgl. dazu auch Millgramm, DVBl 2008, 821, 827 f., insbes. Fn. 29); dies gilt umso mehr für die Kontrolle der STLG, einer juristischen Person des Privatrechts, die bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im März 2006 primär umsatzorientiert gewirtschaftet hat und auch heute als Gesellschaft mit beschränkter Haftung wirtschaftlich handeln muss (siehe nur §§ 17, 19 InsO). Allein die Tatsache, dass das Land 100% der Gesellschaftsanteile hält, legt zwar vereinfachte Kontrollmöglichkeiten nahe, lässt die Überwachungspflichten aber keinesfalls entfallen (vgl. dazu EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming Machines, Rdnr. 51).
65 
gg) Dass die in der mündlichen Verhandlung von den Beklagtenvertretern erwähnten „sporadischen Kontrollen“ des Sportwettenangebots des Monopolisten sowie die 22 vom Referatsleiter persönlich getätigten Testkäufe ohne Bezug zu den von der STLG großflächig angelegten Testkaufserien keine wirksame „Kontrolle der Kontrolle“ darstellen, bedarf keiner näheren Ausführung.
66 
hh) Die Kammer verkennt nicht, dass die STLG gerade mit den Testkaufserien durch Externe einerseits und die Bezirksdirektionen andererseits sowie die Zusatzverträge mit den Verkaufsstellen, die bei Verstößen gegen die gesetzlichen Verpflichtungen aus dem GlüStV und dem AG-GlüStV Sanktionsmöglichkeiten bis zur fristlosen Kündigung des Vertrags vorsehen, Ansatzpunkte für ein System der „Kontrolle der Kontrolle“ geschaffen hat. Ohne durchsetzbare, festgelegte Berichts- und Meldepflichten gegenüber der Glücksspielaufsicht kann aber von einer effektiven Überwachung nicht die Rede sein.
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ii) Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Ergebnisse der Testkäufe mit einer Quote von etwa 50% Beanstandungen (so die Auskunft der Vertreter der STLG in der mündlichen Verhandlung; die Ergebnisse des Mystery-Shopping lagen bei einer noch höheren Beanstandungsquote von 62 %) nahelegen, dass dieser Missstand, wie oben ausgeführt, durch das Provisionsmodell strukturell bedingt ist und allein durch ein effektives Überwachungssystem nicht beseitigt werden wird.
IV.
68 
Das staatliche Sportwettenmonopol erweist sich auch unter Berücksichtigung des aktuellen Vorbringens des Beklagten und der jetzigen Sachlage weiterhin auch deshalb als derzeit (noch) europarechtswidrig, weil es eine zur Erreichung der Ziele des GlüStV nicht erforderliche Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt (vgl. Urteile vom 16.04.2008, dort II.3).
69 
Im Termin ist erneut deutlich geworden, dass das staatliche Monopol nur im Bereich der terrestrischen Annahmestellen ein echtes, nämlich gegen illegale Konkurrenz wirklich durchsetzbares Monopol darstellt, hingegen im Bereich des vom Angebot der STLG entsprechend den Vorschriften des GlüStV nicht abgedeckten Sportwettenmarktes im Internet ein sehr großes illegales Sportwettenangebot privater Veranstalter existiert, über das nach Schätzungen zwischen 30 - 50 % des gesamten Sportwettenumsatzes erzielt werden. Ferner hat sich bestätigt, dass dieses private Internetangebot jedenfalls bislang vom Beklagten insbesondere wegen der damit verbundenen rechtlichen und praktischen Schwierigkeiten noch nicht in nennenswertem Umfang durch Ordnungsverfügungen gegen die Veranstalter bzw. mittels Kooperationsabsprachen mit Banken über eine Drosselung der Finanzierung durch Kreditkartenabbuchungen zurückgedrängt wurde. Damit bleibt es bei dem Grundkonflikt, dass das staatliche Sportwettenmonopol, weil es sich gegenüber dem Internetangebot behaupten muss, nach wie vor einem starken Anreiz ausgesetzt ist, sich ebenso wie private Sportwettenanbieter durch offensive, aktive Werbestrategien zu behaupten, um erklärtermaßen einer Abwanderung von Sportwettenteilnehmern in diesen illegalen Bereich gegenzusteuern. Unverändert geblieben ist auch der Umstand, dass die STLG ihre Sportwetten über ein Vertriebsnetz vermarktet, das sich aus einer Vielzahl umsatzabhängiger privater Annahmestelleninhaber zusammensetzt und sich somit von privaten Sportwettenanbietern hinsichtlich der Anreize zur Missachtung von Spielerschutz- und Suchtbekämpfungsmaßnahmen nicht wesentlich unterscheidet.
70 
Was die Effektivität der Kontrolle und die Durchsetzungsmacht der STLG gegenüber ihren privaten Vertragspartnern im Vertriebsnetz angeht, ist ihr zwar zuzugestehen, dass sie in der Praxis nicht nur die Möglichkeit hat, gegenüber einer Annahmestelle mit rechtlichen Maßnahmen wie Abmahnungen, Vertragsstrafen oder fristloser Kündigung einzuschreiten, sondern diese darüber hinaus auch rein tatsächlich direkt durch Abkoppelung der Annahmestelle von der zentralen computergestützten Sportwettenannahme und -vermittlung aus ihrem Vertriebsnetz nehmen kann, wenn es zu Schwierigkeiten kommt, was die staatliche Aufsichtsbehörde gegenüber privaten Sportwettenveranstalten nicht tun könnte. Allerdings ist dem entgegenzuhalten, dass sich ein Annahmestelleninhaber auch gegen ein solches schlichtes Abkoppeln vom Vertriebsnetz ohne weiteres vor den ordentlichen Gerichten mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Wehr setzen könnte, da auch ein faktisches Abkoppeln vom Vertriebsnetz gegen den Annahmestellenvertrag verstoßen würde, wenn es grundlos erfolgt bzw. der Anlass bestritten wird. Unter diesem Aspekt wäre die faktische Durchsetzungsmacht zwar größer als gegenüber Sportwettenvermittlern, die an andere Sportwettenanbieter als die STLG vermitteln, aber letztlich auch nicht wieder so signifikant größer, dass sich hieraus die Erforderlichkeit eines staatlichen Monopols begründen ließe.
71 
Es mag auch zutreffen, dass es für die staatliche Aufsichtsbehörde einen geringeren Aufwand darstellt, lediglich das Werbekonzept eines einzigen staatlichen Sportwettenmonopolisten zu kontrollieren anstatt die Werbekonzepte von drei bis vier großen überregional auftretenden internationalen Sportwettenanbietern zu prüfen. Andererseits erfordert die Kontrolle der Werbung noch den geringsten Aufwand im Rahmen der gesamten Kontrolltätigkeit, denn in der Regel wird es sich um nur wenige gleichlautende Plakate, Werbespots oder Hinweiszettel handeln, die sich relativ leicht und schnell auf Verstöße gegen die Werbeeinschränkungen aus dem GlüStV kontrollieren lassen.
72 
Wie das vorgelegte Sozialkonzept des Verbands der Europäischen Wettunternehmer (VEWU) zeigt, sind diese auch durchaus bereit, sich freiwillig Beschränkungen hinsichtlich der Gewinnausschüttungsquote, der Art und des Zuschnitts der Sportwettenangebote und der Ausgestaltung ihrer Wettbüros aufzuerlegen, ein System der Spielersperre zu installieren, einen Sicherungsfond gegen Insolvenzausfälle einzurichten und Jugendlichen konsequent den Zugang zu verweigern, so dass es ihnen gegenüber jedenfalls nicht einer stärkeren und dichteren staatlichen Kontrolle als gegenüber den privaten Annahmestelleninhabern der STLG bedürfte.
73 
Was die Kriminalitätsrisiken und Betrugsgefahren angeht, hat das beklagte Land selbst eingeräumt, dass diese nicht an erster Stelle der Ziele stehen, mit denen das staatliche Monopol zu rechtfertigen ist. Das insoweit nach den europarechtlichen Vorgaben darlegungsbelastete Land hat es auch nicht vermocht, zur Frage negativer bisheriger Erfahrungen mit den privaten Betreibern legaler Glücksspiele (Pferdewetten, Geldspielautomaten, Spielcasinos) sowie mit den privaten Annahmestelleninhabern der STLG hinsichtlich der Kriminalitätsbelastung aussagekräftigen Angaben zu machen. Es mag zwar sein, dass es in diesem Bereich Dunkelziffern gibt und dass die Anzeigefreudigkeit von Kriminalitätsopfern gering ist, die sich im Bereich illegaler Glücksspiele womöglich wegen eigener Teilnahme nach § 285 StGB strafbar machen würden. Hier aber geht es um legale Glücksspielbereiche, die obendrein seit Jahrzehnten von Privaten betrieben werden, so dass bei wirklichen Missständen zu erwarten wäre, dass entsprechende Kriminalitätsbelastungen zumindest ansatzweise bekannt geworden wären. Dafür fehlt hier aber jeder Anhaltspunkt. Zwar mag immerhin ein gewisser Anteil der mit Untersagungsverfügungen landesweit geschlossenen ca.700 privaten Sportwettenbüros selbst nach Bestätigung der Untersagungsverfügungen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Vermittlungstätigkeit tatsächlich nicht aufgegeben und sich damit als nicht rechtstreu bzw. mit Blick auf § 284 StGB womöglich sogar als kriminell erwiesen haben. Das besagt aber nicht, dass ein staatliches Monopol erforderlich ist, um mit dem Sportwettenbetrieb verbundene Kriminalitätsgefahren zu bekämpfen.
V.
74 
Noch einmal zu bestätigen ist schließlich, dass das Sportwettenmonopol mangels systematischer und kohärenter Zielverfolgung auch EG-wettbewerbswidrig ist. (vgl. dazu bereits Urteil vom 16.4.2008, unter II.4.). Der Einwand des beklagten Landes, die Ausführungen der Kammer in den Urteilen vom 16.4.2008 ließen nicht erkennen, welcher Bezug der Wettbewerbsvorschriften zum subjektiven Recht des jeweiligen Klägers bestehe bzw. es werde übersehen, dass die Wettbewerbsvorschrift des Art. 82 EG sich nicht an den Staat, sondern an Unternehmen richte, greift nicht durch.
75 
Die Prüfung des Sportwettenmonopols erfolgt am Maßstab des Art. 86 EG. Adressaten von Art. 86 Abs. 1 EG sind ausschließlich die Mitgliedstaaten und nicht die Unternehmen selbst, für die wiederum direkt nur Art. 81 und 82 EG gelten. Den Mitgliedsstaaten stehen Hoheitsträger im Staatsgebiet, insbesondere die Gebietskörperschaften gleich. Gerade im Bereich von - wie hier - Dienstleistungsmonopolen gelangt Art. 86 EG in Verbindung mit den Wettbewerbsregeln zur Anwendung (Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, 4. Auflage 2007, B. Art. 86 im System des EG-Vertrags, Rnrn. 55, 56; von Burchard, in: Schwarze, EU-Kommentar, 1. Aufl. 2000, Art. 49 Rnr. 87 [unter Hinweis darauf, dass der EuGH offenbar Art. 86 Abs. 2 EG gegenüber Art. 49 EG als speziellere Vorschrift ansehe] und Art. 86 Rnr. 11). Die Tatsache, dass Art. 86 Abs. 1 EG die Existenz von Unternehmen voraussetzt, die bestimmte besondere oder ausschließliche Rechte innehaben, ist nicht dahin zu verstehen, dass alle besonderen und ausschließlichen Rechte notwendigerweise mit dem EG-Vertrag vereinbar sind. Dies hängt vielmehr von den Vertragsvorschriften ab, auf die Art. 86 Abs. 1 EG verweist (so zu Art. 90 Abs. 1 EG-Vertrag: EuGH, Urt. v. 19.3.1991 - C-202/88 - [Telekommunikations-Endgeräte], Leitsatz 2; von Burchard, a.a.O., Art. 86, Rnr. 27). Zu den zu beachtenden Vorschriften gehören - soweit vorliegend bedeutsam - insbesondere der ausdrücklich in Art. 86 Abs. 1 EG genannte Art. 82, ferner aber gerade auch die Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr (EuGH, Urt. v. 18.6.1991 - C-260/89 [ERT], Rnr. 27). Dem Anwendungsbereich des Art. 86 EG unterfallen folglich auch Maßnahmen eines Mitgliedstaats (hier: Inkraftsetzen einer Gesetzesbestimmung), mit denen er eine Lage schafft, in der das bevorrechtigte Unternehmen schon durch die bloße Ausübung des übertragenen Rechts (hier: monopolartige Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten) zwangsläufig gegen den Vertrag verstoßen muss (EuGH, Urt. v. 11.12.1997 - C-55/96 [Job Centre] - Rnr. 29; von Burchard, a.a.O., Art. 86 Rnr. 37). Ein wettbewerbswidriges Verhalten der STLG muss sich damit aber das beklagte Land zugleich als unzulässige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zurechnen lassen (so auch von Burchard, a.a.O., Art. 49 Rnr. 88), worauf sich der jeweilige grundfreiheitsberechtigte Kläger wiederum für den Erfolg seiner Klage berufen kann.
VI.
76 
Die angefochtene Untersagungsverfügung des Regierungspräsidiums ist auch insoweit rechtswidrig und aufzuheben, als sie die Vermittlung von Sportwetten an solche Veranstalter untersagt, die im Bundesgebiet ansässig sind. Zwar vermittelte der Kläger in der Vergangenheit Sportwetten nur an einen in einem EU-Mitgliedsstaat ansässigen und dort konzessionierten Sportwettenveranstalter. Die angefochtene Verfügung untersagt aber darüber hinaus umfassend auch jede Vermittlungstätigkeit für im Bundesgebiet ansässige Sportwettenveranstalter. Eine solche Dienstleistung ohne grenzüberschreitenden Bezug wird vom Schutz der Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EG nicht erfasst. Ob die Verfügung insoweit bereits deshalb rechtlichen Bedenken unterliegt, weil die Ermittlungen und Feststellungen, die zum Erlass der Verfügung führten, keine Anhaltspunkte für die Annahme einer Vermittlung an einen im Bundesgebiet ansässigen privaten Veranstalter ergaben, kann offen bleiben. Denn jedenfalls leidet die Verfügung an einem zu ihrer Rechtswidrigkeit führenden Ermessensfehler. Da das staatliche Sportwettenmonopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung keine rechtmäßige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EG darstellt und deshalb gemeinschaftsrechtswidrig ist, müssen - jedenfalls bis zu einer gemeinschaftsrechtskonformen Ausgestaltung - Wettvermittlungen an in EU-Mitgliedsstaaten ansässige und dort konzessionierte Sportwettenveranstalter vom beklagten Land hingenommen werden, soweit sie durch Unionsbürger oder in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaften im Sinne der Art. 55, 48 EG erfolgen. Auf derartige Wettvermittlungen beschränkte sich die bisherige Tätigkeit des Klägers. Vor diesem Hintergrund kann das beklagte Land das mit den Untersagungsverfügungen verfolgte Ziel, landesweit die Vermittlung von Sportwetten an private Veranstalter zu unterbinden, weil es diese Tätigkeit wegen des staatlichen Sportwettenmonopols für unerlaubt hält, nicht mehr verwirklichen. Der terrestrische Vertrieb von Sportwetten betrifft in ganz erheblichem Umfang Sportwettenveranstalter, die im EU-Ausland ansässig sind, weil sie ihr Sportwettengeschäft auch über terrestrische Annahmestellen abwickeln. Entfällt demnach derzeit für das beklagte Land die Möglichkeit, die Vermittlung von Sportwetten an im EU-Ausland ansässige Sportwettenveranstalter zu unterbinden, bedarf es im Rahmen der Ermessensausübung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV tragfähiger Erwägungen, die ein Einschreiten gegen die Sportwettenvermittlung im Inland rechtfertigen, obwohl die weit umfangreichere grenzüberschreitende Vermittlung ins EU-Ausland hingenommen werden muss. Solche Erwägungen finden sich weder in der angefochtenen Untersagungsverfügung noch sind sie bisher vorgetragen worden.
VII.
77 
Der Kläger ist nicht Angehöriger eines Mitgliedsstaats, sondern Drittstaatsangehöriger. Drittstaatsangehörige können sich grundsätzlich nicht auf Art. 49 EG berufen. Von der Möglichkeit des Art. 49 Satz 2 EG, die Dienstleistungsfreiheit auf in der Gemeinschaft ansässige Drittstaatsangehörige auszudehnen, wurde - soweit ersichtlich - bislang kein Gebrauch gemacht (vgl. Schwarze, EU-Kommentar, 1. Auflage 2000, Art. 49 EGV, RdNr. 36). Ob im vorliegenden Fall der persönliche Geltungsbereich des Art. 49 EG im Wege eines Assoziierungsabkommens auf Drittstaatsangehörige ganz oder teilweise erstreckt wurde, erscheint fraglich, kann aber offen bleiben. Die angefochtene Untersagungsverfügung erweist sich nämlich auch dann als rechtswidrig, wenn sich der Kläger nicht auf Art. 49 EG berufen kann.
78 
Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV steht es im Ermessen des Regierungspräsidiums, die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür zu untersagen. Auf den einzelnen Fall bezogene Ermessenserwägungen enthält die angefochtene Untersagungsverfügung nicht. Vielmehr schreitet das Regierungspräsidium landesweit gegen jeden privaten Sportwettenvermittler mit Untersagungsverfügungen ein, weil es dessen Tätigkeiten aufgrund des staatlichen Sportwettenmonopols für unerlaubt hält. Da dieses in seiner derzeitigen Ausgestaltung jedoch keine gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt und deshalb gemeinschaftsrechtswidrig ist, müssen - jedenfalls bis zu einer gemeinschaftsrechtskonformen Ausgestaltung - Wettvermittlungen an in EU-Mitgliedstaaten ansässige und dort konzessionierte Sportwettenveranstalter vom beklagten Land hingenommen werden, wenn sie durch Unionsbürger oder in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaften im Sinne von Art. 55, 48 EG erfolgen. Mit einem Einschreiten ausschließlich gegen Sportwettenvermittlungen durch im Bundesgebiet ansässige Drittstaatsangehörige lässt sich das mit den Untersagungsverfügungen verfolgte Ziel nicht erreichen, landesweit die Vermittlung von Sportwetten durch Private zu unterbinden, um auf diese Weise die Spielleidenschaft zu begrenzen und die Spielsucht zu bekämpfen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Unterbindung grenzüberschreitender Sportwettenvermittlungen in das EU-Ausland ausschließlich gegenüber Drittstaatsangehörigen mit dem bei der Ermessensausübung zu wahrenden Gleichbehandlungsgebot und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist (vgl. hierzu OVG Saarland, Beschl. v. 25.04.2007 - 3 W 24/06 - juris).
VIII.
79 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Kammer hat keinen Anlass, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO).
80 
Da diese Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, ist die Berufung zuzulassen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Gründe

 
14 
Die Anfechtungsklage ist ohne Durchführung eines Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 VwGO, § 6 a Satz 1 AGVwGO) zulässig und begründet. Die angegriffene Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15 
Die Kammer hat in den Urteilen vom 16.04.2008 (u.a. 1 K 2683/07, juris = www.vgfreiburg.de > Entscheidungen = www.glücksspielstaatsvertrag.de >Urteile) entschieden, dass das staatliche Sportwettenmonopol in Baden-Württemberg derzeit eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG) darstellt und europarechtswidrig ist. An dieser Auffassung hält die Kammer auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 09.07.2008 fest. Zu den dagegen erhobenen Einwendungen des beklagten Landes ist im Einzelnen zu sagen:
I.
16 
Die Kammer geht in den o. g. Urteilen davon aus, die Europarechtswidrigkeit der Bestimmungen des Glückspielstaatsvertrages, die das staatliche Sportwettenmonopol begründen (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV), erfasse auch die Eingriffsgrundlage des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV sowie die Bestimmungen über die Erlaubnispflicht und das Verbot des Veranstaltens und des Vermittelns unerlaubten Glücksspiels in § 4 Abs. 1 GlüStV.
17 
Das beklagte Land wendet dagegen ein, die vom Verwaltungsgericht angenommene Europarechtswidrigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols lasse die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 4 Abs. 1 GlüStV über die Erlaubnispflicht für öffentliche Glücksspiele unberührt. Da eine solche Erlaubnis nicht vorliege, sei die angefochtene Untersagungsverfügung auch bei unterstellter Europarechtswidrigkeit des Sportwettenmonopols rechtmäßig.
18 
Dem folgt die Kammer nicht.
19 
Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 06.03.2007 (C - 338/04 -Placanica-) ausgeführt, ein polizeiliches Genehmigungsverfahren, mit dem die im Glücksspielsektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer einer vorherigen Kontrolle unterzogen würden, sei zwar eine ohne weiteres verhältnismäßige Maßnahme. Setze die Erteilung einer solchen polizeilichen Genehmigung aber den Besitz einer Konzession voraus, von deren Erhalt die betroffenen Personen unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht ausgeschlossen worden seien, hafteten auch dem polizeilichen Genehmigungsverfahren die europarechtlichen Mängel an, die die Konzessionsvergabe berührten (vgl. RdNr. 65 bis 67 des Urteils).
20 
Das gilt gleichermaßen für die Bestimmung über die Erlaubnispflicht für öffentliche Glücksspiele in § 4 Abs. 1 GlüStV. Die danach erforderliche Erlaubnis kann privaten Sportwettenvermittlern oder Sportwettenveranstaltern nicht erteilt werden, weil aufgrund des staatlichen Monopols diese Tätigkeiten nur juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder privatrechtlichen Gesellschaften erlaubt werden (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV), an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind. Ein auf präventive Kontrolle gerichtetes Erlaubnisverfahren existiert für private Sportwettenveranstalter nicht. Das Fehlen einer Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 GlüStV, die sich Private wegen des europarechtswidrigen staatlichen Sportwettenmonopols nicht hätten beschaffen können, scheidet deshalb als zulässiger Grund einer Untersagung aus.
21 
Entgegen der Auffassung des beklagten Landes folgt aus dem Urteil des EFTA-Gerichtshofs vom 30.05.2007 (RS. 3/06 - Ladbrokes -) nichts anderes. Die Ausführungen des Gerichtshofs unter RdNr. 88, auf die das beklagte Land in diesem Zusammenhang hinweist, betreffen die Antwort auf die fünfte Vorlagefrage (vgl. RdNr. 82 ff.). Mit der fünften Vorlagefrage wollte das vorlegende norwegische Gericht wissen, ob durch Art. 36 EWR eine nationale gesetzliche Regelung präkludiert wird, die das Anbieten und Vermarkten von Glücksspielen untersagt, für die in Norwegen keine Konzession erteilt wurde, die aber nach dem nationalen Recht eines anderen EWR-Staates gestattet sind. Hierzu führt der EFTA-Gerichtshof unter RdNr. 84 aus, sofern und soweit das nationale Gericht zu der Auffassung gelangen sollte, dass die in den drei Gesetzen enthaltenen Verbote für gewerbsmäßige Anbieter irgendeiner Form von Glücksspielen eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 36 EWR) seien, könnten die nationalen Behörden den ausländischen Anbietern immer noch die Pflicht zur Beantragung einer nationalen Konzession mit denselben auch für einheimische Anbieter geltenden Voraussetzungen und Anforderungen auferlegen.
22 
Das hat auch die Kammer in ihren o. g. Urteilen nicht in Frage gestellt. Zur Beantwortung der Frage, ob die Europarechtswidrigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols auch die Erlaubnispflicht des § 4 Abs. 1 GlüStV erfasst, geben diese Ausführungen jedoch nichts her. Denn ein Erlaubnis- oder Konzessionsverfahren für private Veranstalter sieht der Glücksspielstaatsvertrag - wie oben ausgeführt wurde - gerade nicht vor. Vielmehr kann ein privater Anbieter selbst bei Erfüllung sämtlicher materieller Voraussetzungen des Glücksspielstaatsvertrages die erforderliche Erlaubnis nicht erhalten.
23 
Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 22.11.2007 (1 BvR 2218/06) entschieden, dass eine ordnungsrechtliche Untersagungsverfügung, die - wie im vorliegenden Fall - nicht mit anderen Gefahren für ordnungsrechtliche Schutzgüter, sondern allein mit einem objektiven Verstoß gegen das staatliche Sportwettenmonopol begründet ist, sich wegen der verfassungswidrigen Rechtslage jedenfalls in der Zeit bis zum 28.03.2006 nicht als rechtmäßig erweisen kann. Zwar betrifft diese Entscheidung die Unvereinbarkeit des Monopols mit Art. 12 Abs. 1 GG. Hinsichtlich der Unvereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht kann aber nichts anderes gelten.
II.
24 
Die Kammer ist weiterhin der Auffassung, dass das Sportwettenmonopol des Landes in seiner derzeitigen Ausgestaltung nach wie vor eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs (Art. 49 EG) darstellt (vgl. Urteile vom 16.04.2008, dort unter II. 2 a) - d)). Folgendes ist nochmals zu betonen:
25 
Europarechtlich steht es im Ermessen jedes Mitgliedsstaats, welches Schutzniveau er im Bereich von Glücksspielen gewährleisten will (EuGH, Urt. Schindler, Rdnr. 60, 61; Urt. Zenatti, Rdnr. 33, 34). Er kann sich etwa für ein Präventionsmodell entscheiden, das auf eine wesentliche Verminderung der Gelegenheit zum Spiel ausgerichtet ist, oder auch für ein Kanalisierungsmodell, das darauf abzielt, durch ein auf Einnahmeerzielung und Expansion angelegtes Angebot einer begrenzten Zahl konzessionierter Privater die Glücksspieltätigkeiten aus dem Bereich des Illegalen und Kriminellen in geordnete und staatlich überwachte Bahnen zu lenken (EuGH, Urt. Placanica, Rdnr. 54, 55).
26 
Dies bedeutet aber nicht, dass der deutsche Gesetzgeber nach nationalem Recht die Gestaltungsfreiheit hätte, sich für ein Kanalisierungsmodell in Form eines staatlichen Monopols zu entscheiden. Ein solches auf Einnahmeerzielung und Expansion angelegtes, europarechtlich zulässiges Monopol wäre verfassungswidrig (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01 , Rdnr. 107, 141). Denn ein staatliches Monopol für Sportwetten ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft ausgerichtet ist (BVerfG, a.a.O., Rdnrn. 98, 119, 120). Daher kann die Aufgabe der Länder nach § 10 GlüstV, ein ausreichendes Glücksspielangebot mit dem Ziel der Kanalisierung des Spieltriebs der Bevölkerung (§ 1 Nr. 2, 2. Alt. GlüStV) sicherzustellen, nicht etwa als ein Auftrag verstanden werden, der gleichrangig neben dem Auftrag zur Suchtbekämpfung (§ 1 Nr. 1 GlüStV) steht. Vielmehr hat von Verfassungs wegen die Suchtbekämpfung im Vordergrund zu stehen; nur diese rechtfertigt ein Monopol. Die Sicherstellung eines ausreichenden Glücksspielangebots und die Kanalisierung des Spieltriebs sind verfassungsrechtlich nur zulässig, soweit sie als Mittel zum Zweck der Suchtbekämpfung dienen. Dementsprechend ist der Glücksspielstaatsvertrag verfassungskonform auszulegen.
27 
Europarechtlich ist zu untersuchen, ob der Glücksspielstaatsvertrag als Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit geeignet ist, die Verwirklichung des - verfassungsrechtlich gebotenen - Ziels der Suchtbekämpfung zu gewährleisten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 32; Urt. Gambelli, Rdnr. 65). Dies bedeutet, dass er kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen muss (EuGH, Urt. Gambelli, Rdnr. 67; Urt. Placanica, Rdnr. 53; siehe auch EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 14.03.2007, E-1/06 – Gaming Machines, Rdnr. 53).
28 
Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Sportwetten-Urteil vom 28.3.2006 ein Staatsmonopol nur dann für zulässig erachtet, wenn es konsequent am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Spielsucht ausgerichtet und mit materiellrechtlichen Regelungen und strukturellen Sicherungen versehen ist (a.a.O., Rdnr. 120). Insoweit laufen die europarechtlichen und die verfassungsrechtlichen Vorgaben also parallel (BVerfG, a.a.O., Rdnr. 144). Daher können die Anforderungen, die sich aus dem Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergeben, auch zur Beantwortung der Frage der europarechtlichen Kohärenz und Konsistenz herangezogen werden.
29 
Allerdings ist europarechtlich, anders als verfassungsrechtlich, nicht nur die rechtliche Ausgestaltung der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit maßgeblich, sondern es kommt auch auf ihre tatsächlichen Anwendungsmodalitäten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 37, Urt. Gambelli, Rdnr. 75, 76) und ihre Handhabung in der Praxis an (EuGH, Urt. Rosengren, Rdnr. 46). Jedoch sind die vom Europäischen Gerichtshof geforderte „Kohärenz“ und „Systematik“ hinsichtlich der Begrenzung der Wetttätigkeiten ohne normative Vorgaben zur Ausgestaltung eines staatlichen Monopolbetriebs kaum denkbar, so dass zunächst das rechtliche Regelungssystem in den Blick zu nehmen ist. Seine tatsächliche Umsetzung darf aber nicht aus den Augen verloren werden.
III.
30 
Die Kammer hält auch bei Berücksichtigung der aktuellen Situation an der Auffassung fest, dass es an einer rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung des Monopols fehlt, die als konsequenter und aktiver bzw. systematischer und kohärenter Beitrag zur Vermeidung und Abwehr von Spiel- und Wettsucht angesehen werden kann (vgl. Urteile vom 16.4.2008, dort unter II.2.e.). Bereits in der Gestaltung des terrestrischen Vertriebssystems liegt ein wesentlicher Strukturmangel (dazu unter 1.), der auch durch Folge- und Begleitmaßnahmen nicht kompensiert wird (dazu unter 2.). Schließlich fehlt es daneben an einem effektiven Kontrollsystem (dazu unter 3.).
31 
1. Schon mit der Wahl und Einrichtung der Vertriebswege hat das Land Baden-Württemberg einen Weg beschritten, der angesichts der Anzahl der Wettannahmestellen (dazu a.), ferner der unterlassenen begleitenden Bekämpfung des illegalen Wettmarktes (dazu b.) sowie schließlich mit Blick auf die inhaltliche Ausgestaltung des Annahmestellenwesens (dazu c.) und seine betont wirtschaftliche Basis (dazu d.) nicht wirklich der Zielerreichung dienen kann.
32 
a) Bereits die äußerst geringe Reduktion der Zahl der Annahmestellen spricht gegen einen Systemwechsel bzw. -wandel, wie er erforderlich gewesen wäre, um einen konsequenten Übergang von einem aus rein unternehmerischem - d.h. wirtschaftlichem - Kalkül hervorgegangenen Annahmestellennetz im Jahr 2006 zu einem zulässigerweise nur an Begrenzung und Kanalisierung der Wettleidenschaft orientiertem Vertriebssystem zu belegen. Die Zahl der noch Anfang 2006 vorhandenen 3.764 baden-württembergischen Annahmestellen ist im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auf 3.612 gesunken. Das bedeutet eine Verminderung um absolut nur 152 und relativ nur etwa 4% der Stellen. Kamen früher 2.852 Einwohner auf eine Annahmestelle, so sind es heute immer noch 2.972, d.h. jede der noch vorhandenen Annahmestellen versorgt geringfügig mehr Einwohner, nämlich 120.
33 
An dem vom Bundesverfassungsgericht im Sportwettenurteil vom 28.3.2006 (dort Rdnr. 138) bzw. in der Baden-Württemberg betreffenden Entscheidung vom 4.7.2006 (1 BvR 138/05 - juris) erhobenen und beanstandeten Befund, wonach Sportwetten über ein breit gefächertes Netz von Lotto-Annahmestellen vertrieben werden, welches mit der Maxime „weites Land - kurze Wege“ einhergeht, hat sich damit in quantitativer Hinsicht so gut wie nichts geändert.
34 
Gründe, die diesen in quantitativer Hinsicht auffälligen und problematischen Ausgangsbefund in positiver Hinsicht relativieren könnten, sind nicht vorhanden. Bereits normativ geht weder aus dem GlüStV (§ 10 Abs. 3) noch aus dem AGGlüStV (§§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5, 7 Abs. 1) hervor, wie die beabsichtigte Begrenzung der Zahl der Annahmestellen zwecks Gewährleistung eines ausreichenden Spielangebots in absoluten Zahlen bzw. zumindest in methodischer Hinsicht durchzuführen ist. Die Umsetzung ist folglich der Aufsichtsbehörde und der staatlichen Toto-Lotto GmbH (im Folgenden: STLG) überlassen, ohne dass es normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften oder andere orientierende Hilfen gäbe. Wie die Vertreter der STLG letztlich selbst in der mündlichen Verhandlung eingeräumt haben, ist Ausgangspunkt für die künftigen Bedarfszahlen die „historisch gewachsene“ Zahl der Annahmestellen des Jahres 2006 gewesen. In ihrem Vertriebskonzept vom Juni 2008 (dort Seite 4, Mitte) führt die STLG zwar aus, aufgrund des Sportwettenurteils des Bundesverfassungsgerichts sei in der Zeit nach 2006 der Wegfall von Annahmestellen nicht mehr durch die Aufnahme neuer Annahmestellen in das Vertriebsnetz ausgeglichen worden. Der bloße Verzicht auf eine Ausweitung und die schlichte Hinnahme des Wegfalls von Stellen lediglich im Rahmen der üblichen Fluktuation stellen jedoch alles andere als eine aktive und systematische Begrenzungspolitik dar. Berücksichtigt man ferner die Angaben des Beklagten-Vertreters in der mündlichen Verhandlung vom 16.4.2008, wonach in etwa 40 bis 50 Fällen für geschlossene Annahmestellen jeweils sogar noch Ersatz zugelassen wurde (entweder in Gestalt des Weiterbetriebs durch einen neuen Inhaber oder aber durch Eröffnung einer neuen Annahmestelle in der Nachbarschaft), ist diese ohnehin schon äußerst geringfügige und eher als passiv zu bezeichnende Reduktion sogar noch in sich zurückhaltend gewesen.
35 
Schlüssig und überzeugend geht eine systematische Politik auch nicht aus dem Vertriebskonzept der STLG vom Juni 2008 hervor. Vielmehr ist dort (Seiten 4 ff.) feststellbar, dass die vom Monopolisten im Mai 2008 vorgefundene Zahl von 3.630 Annahmestellen schlicht mit einem Bedarfsberechnungsmodell „überzogen“ und „gebilligt“ wurden, welches nicht darlegt, wie es anhand von „Einwohnerbewegungen“, „Verteilung der Kaufkraft“ sowie „Einkaufsströmen“ zu den konkreten Richtwerten für ländliche, städtische und großstädtische Gebiete gelangt. Ohnehin lässt die Verwendung dieser eher an Marketingstrategien erinnernden Parameter nicht erkennen, welchen tauglichen Beitrag sie zum ausschließlich zulässigen Ziel einer Vermeidung und Begrenzung von Glücksspielsucht leisten können. Die Kammer verkennt nicht die sowohl im Vertriebskonzept als auch in der mündlichen Verhandlung von den Vertretern der STLG geäußerten Schwierigkeiten, konkrete Zahlen zu greifen. Dieses Dilemma ist jedoch letztlich auf das Fehlen konkreter Vorgaben im Gesetz bzw. durch die Aufsichtsbehörde zurückzuführen. Gerade eine nicht - oder jedenfalls nicht ausschließlich - vom Monopolisten selbst ermittelte Zahl der erforderlichen Annahmestellen wäre weitaus weniger anfällig für etwaige (und wenn auch noch so unbewusste) systemwidrige und unzulässige Rücksichten auf vorhandene Vertriebsstrukturen gewesen.
36 
b) Daran ändert nichts, dass das RP Karlsruhe das Vertriebskonzept im Kontext der Erteilung der Glücksspielerlaubnis prüft bzw. bereits - offensichtlich mit dem Ergebnis der Billigung - geprüft hat. Denn gerade auch von der Aufsichtsbehörde kamen insoweit in der mündlichen Verhandlung keine substantiierten Argumente, welche die dargelegten Bedenken hätten zerstreuen können. Zwar prognostiziert das Vertriebskonzept in der Endstufe die Absicht, mit ca. 3.300 Annahmestellen auszukommen. Notwendige Bedingung hierfür soll aber der Rückgang der nach dem GlüStV illegalen Konkurrenzangebote terrestrisch und im Internet tätiger privater Wettanbieter und -vermittler sein. Das RP Karlsruhe hat insoweit ausgeführt, gegen die (ca. 30 % bis 50 % des Sportwettenumsatzes erzielenden) Internetanbieter solle zunächst mit Grundverfügungen vorgegangen werden (zu einem solchen Fall vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 5.11.2007 - 6 S 2223/07 -, ZfWG 2007, 432), um dann auf einer nächsten Stufe unter Zusammenarbeit mit den Banken oder notfalls auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 4 GlüStV die Finanzströme betreffend untersagte Sportwetten zu unterbrechen. Damit aber wird deutlich, dass sich ein überaus wichtiger Teilbereich der Glücksspielpolitik (noch) in einem äußerst „frühen Stadium“ befindet. Ein möglicher Schritt zur Austrocknung des illegalen Glücksspielmarkts wurde folglich bislang unterlassen. Obwohl die strukturellen Gefahren eines staatlichen Glücksspielmonopols spätestens seit Frühjahr 2006 bekannt waren, wurde dem Monopolisten nicht nur die Erstellung eines Vertriebskonzepts überlassen, sondern auch (noch) keine wirklichen Schritte unternommen , eine Begrenzung der Vertriebswege zugleich mit der Bekämpfung der wirtschaftlichen Basis des illegalen Sportwettenmarkts konsequent zu begleiten.
37 
c) Ferner weist diese fortdauernd auf Breite angelegte Vertriebsstruktur auch qualitativ erhebliche Mängel auf, weil sie (noch) nicht systematisch und konsequent vom Charakter einer „grundsätzlich unbedenklichen Freizeitbeschäftigung“ (vgl. Sportwettenurteil Rdnr. 125) und eines „allerorts verfügbaren normalen Gutes des täglichen Lebens“ (vgl. Sportwettenurteil Rdnr. 138) Abstand nimmt. Mit dem Vertrieb der Sportwetten in Zeitschriften-, Schreibwaren- und Tabakläden sowie in Supermärkten und Tankstellen hat der Monopolist an der gesuchten „bewussten Nähe zum Kunden“ (Sportwettenurteil Rdrn. 138) nichts geändert. Dass die STLG diese Betriebsstätten im Rahmen des Kanalisierungsauftrags für den Zweck der kommunizierten Suchtprävention als „besonders geeignet“ darstellt (Vertriebskonzept Seite 5), verstellt den Blick darauf, dass gerade diese Vertriebsform des legalen Sportwettenangebots in der Öffentlichkeit problematischem Spielverhalten weiterhin Vorschub leistet. So ist es nach Auffassung der Kammer inkonsequent, dass die STLG für sich in Anspruch nimmt, zur Erfüllung des Ordnungsauftrags derzeit und bis auf weiteres auf die konkrete hohe Zahl von Annahmestellen angewiesen zu sein, aus dieser „Präsenzforderung“ jedoch gleichwohl nicht die Notwendigkeit ableitet, ein weitaus zurückhaltenderes als aktuell an den Tag gelegtes Werbeverhalten zu betreiben. Vielmehr betreibt der Monopolist parallel zur breitflächigen Vermarktung eine intensive - wenngleich um die Möglichkeit auffordernden, anreizenden oder ermunternden Charakters reduzierte sowie im Fernsehen, im Internet und über Telekommunikationsanlagen verbotene - Werbung mittels Radio, Printmedien, Litfasssäulen und Postwurfsendungen. Es ist nicht ersichtlich und von den Vertretern der STLG in der mündlichen Verhandlung auch nicht überzeugend dargelegt worden, warum die (aus Sicht der STLG weiterhin erforderliche) breit gefächerte „physische Präsenz“ von Glücksspielannahmestellen eine zusätzliche, über den Ort der Leistung hinausgehende weitere Werbung als Begleitmaßnahme benötigt.
38 
An dem nach Auffassung der Kammer folglich fortdauernden Signal, man vertreibe immer noch, wenngleich nunmehr modifiziert, ein Gut des täglichen Lebens, ändern auch sonstige Modalitäten beim Vertrieb nichts. Die Wirkung von Vorkehrungen wie Identifizierung des Kunden unter Verwendung einer Kundenkarte, Verstärkung des Minderjährigenschutzes sowie Hinweise auf Spielscheinen und Aufklärungsmaterial über die Gefahren des Spiels (vgl. Vertriebskonzept, Seite 6) wird nach Auffassung der Kammer schon vor dem Hintergrund der nahezu unveränderten Annahmestellen-Zahl überschätzt. Gerade weil die in den Annahmestellen verkehrenden Kunden des Einzelhandels, zu denen regelmäßig auch Kinder und Jugendliche gehören, die Parallelität des Verkaufs von Glücksspielen mit demjenigen von Produkten des täglichen Bedarfs ständig wahrnehmen, darf ein Gewöhnungseffekt nicht vernachlässigt werden. Selbst das neuerdings getrennte „Kassenwesen“, also ein doppelter Kassiervorgang bei gleichzeitigem Einkauf von Waren aus dem Hauptsortiment und von Lotterieprodukten, kann niemanden darüber hinwegtäuschen, dass Verkaufsstellen zugleich auch Annahmestellen sind. Ferner steht im Zeitalter zahlreicher, verschiedenster Kundenkarten eine spezifisch disziplinierende Funktion einer solchen Karte im Bereich des Glücksspiels nicht mit der erforderlichen Gewissheit fest. Das beklagte Land hat zwar Umsatzrückgänge bei den Sportwetten im Jahr 2007 von 28 % (Oddset-Kombiwette) bzw. 48 % (Toppwette) sowie im ersten Quartal 2008 von weiteren 22 % bzw. 32 % zum Beweis der Restriktionswirkung des Monopols ins Feld geführt. Eine nähere Analyse, worauf diese Rückgänge tatsächlich beruhen, und eine Aussage dazu, ob dies nicht nur ein vorübergehendes Phänomen ist, gibt es bislang jedoch nicht. Insofern ist der schon im Kammerurteil vom 16.4.2008 enthaltene Hinweis nicht nachhaltig entkräftet worden, der immerhin im Jahr 2007, also in Kenntnis eines künftig erforderlichen Restriktionskurses erstellte Geschäftsbericht 2006 der STLG gehe selbst von nur „vorübergehenden“ Umsatzrückgängen aus.
39 
d) Einen zentralen und fortdauernden Strukturmangel sieht die Kammer schließlich im wirtschaftlichen Aufbau des Annahmestellensystems. Der Monopolist bedient sich beim Vertrieb seines Wettangebots privater Dritter, die mittels umsatzabhängiger und folglich stets die Gefahr einer extensiven Vermarktung in sich bergender Provisionen bezahlt werden. Wie in der Vergangenheit auch, erhalten die Annahmestelleninhaber derzeit einen festen und einheitlichen Provisionssatz (Vertriebskonzept, Seite 11/12). Dieser liegt für alle Glücksspiele (ausgenommen Rubbellos, wo es 10 % sind) bei 6,6 % des bei den Annahmestellen getätigten Spieleinsatzes. Vergegenwärtigt man sich, dass angesichts des in 2007 in Baden-Württemberg getätigten Glücksspielumsatzes von ca. 1 Mrd. EUR jede der Annahmestellen hierzu einen (durchschnittlichen) Umsatz von etwa 270.000,-- EUR beitrug, was wiederum einer (durchschnittlichen) Jahresprovision (ohne Rubbellos) von etwa 18.000,-- EUR entsprach, kann diese Einnahmequelle wirtschaftlich nicht vernachlässigt werden.
40 
Das gilt ungeachtet der in Nr. 8 des jeweiligen Zusatzvertrages zwischen der STLG und den Annahmestellenleitern vereinbarten Bedingung, wonach die Verkaufsstelle nur im Nebenerwerb betrieben werden und der Spielbetrieb nicht die vorrangige Einnahmequelle sein darf. Diese Regelung ist nach Auffassung der Kammer ungeeignet, eine relevante Begrenzung und Steuerung des Wirtschaftsgebarens eines Annahmestellenleiters auszuüben. Mit dieser Formulierung sind schon Auslegungs- und Erfüllungsschwierigkeiten vorprogrammiert. Denn die Grenze zwischen Haupt- und Nebenerwerb kann periodisch durchaus fließend sein, ferner bleibt unklar, ob spätere Änderungen eine Mitteilungspflicht auslösen und schließlich kann kaum von allen der mehr als 3.600 Vertragspartner erwartet werden, dass diese ständig ihre möglicherweise zeitlich variierenden Erwerbsverhältnisse vor Augen haben. Weitaus problematischer allerdings ist es, dass das RP Karlsruhe - seitens der STLG übrigens bezeichnenderweise unwidersprochen - dem Begriff des „Nebenerwerbs“ die Auslegung gibt, das gesamte Glücksspielgeschäft dürfe bis 49 % des Umsatzes ausmachen. Es liegt aber selbst bei Parallelwertung durch einen Nicht-Kaufmann auf der Hand, dass ein dieser Interpretation noch genügender Umsatz von „nur“ 40 % bis 49 % wirtschaftlich für einen Annahmestelleninhaber von erheblicher Bedeutung ist. Ein wirtschaftliches „Standbein“ in dieser Größenordnung übt nämlich auf den Provisionsnehmer erhebliche Anreizwirkungen hin auf eine Umsatzsteigerung aus. Das gilt auch ungeachtet dessen, dass Sportwetten wiederum nur 4 % des gesamten Jahresglücksspielumsatzes ausmachen. Gerade weil die Bereitstellung des gesamten Wett- und Lotterieangebots in den Annahmestellen erfolgt (vgl. Seite 7 des Vertriebskonzepts - wenngleich dies unter dem Gesichtspunkt der „besseren sozialen Kontrolle“ hervorhebend), kann in wirtschaftlicher Hinsicht ein Anreiz des Annahmestelleninhabers, auch für Sportwetten Umsätze zu erzielen, vernünftigerweise nicht verneint werden. Zwar ist eine Reduktion der Umsatzabhängigkeit im Jahr 2009 vorgesehen und es soll dann auch der Einsatz weiterer umsatzunabhängiger Faktoren bei der Ausgestaltung der Provision geprüft werden (vgl. Vertriebskonzept, Seite 12), die zuvor dargelegten aktuellen - d.h. im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt existierenden - Mängel werden durch eine bloße Absicht jedoch nicht behoben.
41 
2. Die vorgenannten strukturellen Mängel des Vertriebskonzepts beeinträchtigen die Erreichung des Ziels der Spielsuchtbekämpfung auch derart gravierend, dass sie nach Auffassung der Kammer nicht durch die Kompensationsmaßnahmen des Beklagten wirklich ausgeglichen werden, die auf diesen Gebieten bis zum heutigen Zeitpunkt konkret ergriffen und umgesetzt wurden.
42 
a) Das System der Spielersperre in seiner jetzigen Ausgestaltung ist nicht geeignet, spielsuchtgefährdete oder gar klar spielsüchtige Wettteilnehmer zu identifizieren und von einer weiteren Teilnahme effektiv auszuschließen. Das zeigen schon die geringen Zahlen der tatsächlich verhängten Sperren: Im ersten Quartal 2008 wurden im Wege der Fremdsperre lediglich 9 Spieler durch die STLG gesperrt und damit effektiv vor sich selbst geschützt. Angesichts eines geschätzten Anteils von ca. 4 % Spielsüchtigen unter den Sportwettenteilnehmern (vgl. Stöver, Bremer Institut für Drogenforschung - BISDRO - , Glücksspiel in Deutschland - Eine repräsentative Untersuchung zur Teilhabe und Problemlage des Spielens um Geld, Dezember 2006, S.7 - aufrufbar unter: www.gluecksspielsucht.de > Forschungsergebnisse) und bei einer Gesamtzahl von 3612 Annahmestellen und bundesweit 250.000 Spielsüchtigen ist dies eine nur sehr geringe Zahl. Diese erklärt sich schon daraus, dass die Kriterien für die Verhängung einer Fremdsperre im Glücksspielstaatsvertrag, aber auch im Ausführungsgesetz nicht klar definiert werden. Auch die Kriterien, anhand deren die Annahmestellenbetreiber nach dem vorgelegten Sozialkonzept Spielsuchtgefährdete identifizieren sollen (unverhältnismäßig hohe Einsätze in Relation zum Einkommen, häufige große Verluste etc. - siehe § 9 Abs.1 S.1 Nr.2 GlüStV und S.26 der Schulungsunterlagen für die Verkaufsstellen als Anlage zum Sozialkonzept) sind kaum praktikabel, weil die Annahmestelleninhaber - außer bei persönlicher Bekanntschaft mit dem Teilnehmer oder in Fällen eines offensichtlichen äußeren Erscheinungsbildes - regelmäßig keine Kenntnis von den Einkommensverhältnissen ihrer Kunden und auch nicht von der Höhe ihrer sonstigen Einsätze bei anderen Annahmestellen haben. Obendrein lässt sich eine persönliche Identifizierung als Spielsüchtiger anhand übermäßig hoher und häufiger Einsätze und Verluste seitens der Teilnehmer leicht durch das Aufsuchen zahlreicher verschiedener Annahmestellen vermeiden, wie sie aufgrund des dichten Netzes buchstäblich „an jeder Straßenecke“ vorhanden sind. Von daher verfängt das Argument des Beklagten nicht, der durchschnittliche Spieleinsatz bei den Sportwetten betrage nur zwischen 8,50 und 14 EUR, so dass schon jeder davon abweichende höhere Einsatz auffalle und dem Annahmestellenbetreiber ggf. Anlass für Nachfragen geben könne. Ganz abgesehen davon beträgt nach eigenen Angaben der STLG der Höchsteinsatz pro Tipp auf einem Spielschein immerhin 250 EUR, so dass bis zu einem solchen Betrag wohl keine Nachfrage indiziert erscheint. Zudem wurde im Termin deutlich, dass die STLG gegenüber Fremdsperren eher eine zurückhaltende Linie verfolgt. Zum einen geht sie davon aus, dass die wirklich suchtgefährdeten Spieler sich ohnehin bei den privaten gewerblichen Sportwettenanbietern aufhalten, die 80% des gesamten Sportwettenmarktes ausmachen, und zum anderen befürchtet sie erklärtermaßen, Spielsuchtgefährdete sonst ganz aus den Augen bzw. an die private Konkurrenz zu verlieren. Sie favorisiert daher die Eigensperre, zu der sich der suchtgefährdete Spieler aufgrund nachhaltiger sozialpädagogischer Einwirkungen und Gesprächen mit Suchtberatungsstellen, Annahmestellenbetreibern und Bezirksdirektoren entschließt. Das Argument des Beklagten, andernfalls würden solche Spieler gleich zur privaten Konkurrenz abwandern, die ohnehin 80% des Marktes bediene, stellt im Übrigen das staatliche Monopol in aller Deutlichkeit selbst in Frage.
43 
Auch das Anfang 2008 eingeführte Oddset-Informationssystem trägt bei genauer Betrachtung nicht zu einer effektiveren Handhabung des im Glücksspielstaatsvertrag angelegten Instruments der Fremdsperre bei. Der Spielerschutz ist hier nur ein Nebeneffekt, da dieses System primär der Aufdeckung von Spielmanipulationen anhand ungewöhnlich hoher Umsatzzahlen bei einzelnen Annahmestellen dient und deshalb allenfalls mittelbar in Fällen über den Schwellenwerten (3000, 7000 und 10.000 EUR) liegender Umsätze dazu führen kann, dass eine bestimmte Annahmestelle und die dort wettenden Spieler und deren Verhalten genauer in den Blick genommen werden. Die genannten Schwellenwerte sind zudem derart hoch angesetzt, dass sie angesichts eines Durchschnittsumsatzes einer Annahmestelle von lediglich 180 EUR wöchentlich kaum dazu taugen, auf Spielsucht indizierende hohe Einsätze einzelner Spieler aufmerksam zu werden. Eine individuelle Identifizierung Spielsüchtiger anhand der Kundenkartenidentifizierung und der Datenbankinformationen der STLG über die Häufigkeit und Höhe der Einsätze und der Verluste ist außerdem schon aus Datenschutzgründen gar nicht möglich.
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b) Das zum Schutz spielsuchtgefährdeter Spieler und zur Vorbeugung der Spielsucht durchaus effektive und sinnvolle Instrument von nur maximal zuzulassenden Höchsteinsätzen pro Spieler gibt es schließlich nach wie vor nur in der seinerzeit von der Kammer in ihren Grundsatzurteilen als nicht zureichend qualifizierten rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung, die bis heute im Wesentlichen unverändert geblieben ist. Die Halbierung der Höhe des möglichen Einsatzes pro Tipp bei Oddset-Wetten von 500.- EUR auf 250.- EUR ändert nichts daran, dass mit mehreren Spielscheinen und an verschiedenen Annahmestellen weiterhin um insgesamt große Summen gespielt werden kann. Das Argument des Beklagten, eine weitere Verbesserung der Höchsteinsatzregelung sei schon deshalb nicht erforderlich, weil eine Höchstgrenze nur in Relation zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Sportwettenteilnehmers sinnvoll sei, verkennt, dass sich der Spielerkreis wohl überwiegend nicht aus finanziell und sozial besser Gestellten zusammensetzt, für die auch Einsätze von mehreren hundert Euro kein Problem darstellen, sondern aus Personen, die gerade durch das Wetten versuchen, ihre insoweit wirtschaftlich eher bescheidene Stellung aufzubessern (vgl. Hayer/Meyer, Das Gefährdungspotenzial von Lotterien und Sportwetten, Mai 2005, S.100, 101 - abrufbar unter: www.landesfachstelle-gluecksspielsucht-nrw.de/pdf/ gefaehrdungspotenzial-Hayer-Meyer.pdf, wonach 35% der befragten Sportwettenteilnehmer arbeitslos, Rentner, Student, oder berufsunfähig waren und 60% nur zwischen 500 -1500 EUR netto verdienten). Auch das Argument, eine strengere Höchstgrenzenregelung sei nicht erforderlich, weil ein einmaliges Spiel mit einem hohen Einsatz noch keine Suchtgefahren auslöse, spricht nicht gegen eine Höchstgrenzenregelung, die den Gesamteinsatz eines Spielers etwa pro Woche limitiert (siehe insoweit etwa Ziff.14 der Stellungnahme des Fachverbandes Glücksspielsucht e.V. zum Entwurf des Glücksspielstaatsvertrags - abrufbar unter www.gluecksspielsucht.de > Materialien > Stellungnahmen).
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c) Was die Spielsuchtbekämpfung und insbesondere die Prävention angeht, verkennt die Kammer nicht, dass hier ausweislich des mittlerweile vorliegenden Vertriebskonzepts und des ebenfalls jetzt vorgelegten Sozialkonzepts sowohl im Bereich der Hinweise, der Beratungsangebote als auch der Schulungen der Mitarbeiter der Annahmestellen deutliche Fortschritte gegenüber dem vom Bundesverfassungsgericht noch missbilligten Zustand im Jahre 2006 zu verzeichnen sind, als es in dieser Richtung gar keine bzw. nur sehr wenige Bemühungen gab. Inzwischen kann davon ausgegangen werden, dass die Annahmestellenbetreiber und deren Personal alle geschult wurden und regelmäßig auch weiter zum Thema Suchtgefahren und Jugendschutz geschult werden. Es ist auch nicht zu übersehen, dass in großem Umfang und optisch auffällig auf Flyern, Plakaten, Hinweisschildern, Broschüren, Spielquittungen, Internetseiten usw. auf die Gefahren der Spielsucht und auf das Spielverbot für unter 18-Jährige hingewiesen wird. Außerdem existiert mittlerweile ein Fachbeirat, der beratend tätig wird.
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Das vermag aber nicht, die strukturellen Mängel des staatlichen monopolisierten Sportwettensystems mit einem landesweit dichten Netz umsatzorientiert operierender Annahmestellen zu konterkarieren, die betont kundennah im direkten Kontext mit dem Vertrieb alltäglicher Waren und ohne wirkliche Distanz zu Jugendlichen arbeiten und dadurch der Missachtung des Spieler- und Jugendschutzes sowie der Spielsucht erst einmal deutlich Vorschub leisten.
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d) Auch die Schulungen der Annahmestellenbetreiber (vgl. Ziff.4 des Vertriebskonzepts, Ziff.4.6 des Sozialkonzepts , Ziff.4 des Annahmestellenzusatzvertrags) vermögen offenbar nur sehr begrenzt, den systemimmanent bestehenden Zielkonflikt aufzulösen, dem sie sich ausgesetzt sehen, wenn sie einerseits einträglich wirtschaften wollen, sich andererseits dabei aber ohne wirtschaftlichen Anreiz allein aus Rücksicht auf Jugendliche und Spielsuchtgefährdete selbst zurücknehmen sollen. Schon der bloße Umstand, dass es offenbar nötig erscheint, durch intensive Schulungen überhaupt die für jedermann leicht verständliche und eingängige Minimalregel des Jugendschutzes, nämlich das Spielverbot für unter 18-Jährige, gegenüber den Annahmestellenbetreibern zu betonen, obwohl die entsprechenden Regelungen schon seit Jahrzehnten existieren (vgl. § 6 Abs.2 JuSchG), zeigt, dass schon nach Ansicht der STLG hier ein aus ökonomischen Interessen gespeistes Potential an tendenzieller Missachtung des Jugendschutzes besteht, das allein durch die Geltung des JuSchG offenbar noch nicht ausreichend eingedämmt wird. Soweit zum Jugendschutz geschult wird, stellt dies eine „Schulung“ zu einer bloßen Selbstverständlichkeit dar. Soweit zu Suchtgefahren mit dem Ziel geschult wird, die Annahmestellenbetreiber in die Lage zu versetzen, beratend bzw. abratend auf Spieler einzuwirken bzw. spielsüchtige Spieler zu erkennen und dann durch Schaltung einer Sperre am weiteren Spiel zu hindern, ergibt sich aus dem oben Gesagten, dass die Annahmestellenbetreiber ganz offenkundig die dafür wirklich wesentlichen Informationen über Einkommensverhältnisse, Spielergebnis, Häufigkeiten des Spiels und Verluste der bei ihnen Wetten abschließenden Personen nicht haben und allenfalls zufällig erlangen können bzw. sich in einem Rollenkonflikt zwischen Verkäufer und invasiv in die Privatsphäre des Kunden hineinforschenden Sozialarbeiter wiederfinden (siehe die vorgelegte Dokumentation und Auswertung der Schulungen für Januar bis März 2008 der mit den Schulungen beauftragten Evangelischen Gesellschaft: Suchtberatungsstelle „eva“, S. 14). Aus der Dokumentation ergibt sich insoweit auch, dass viele Annahmestellenbetreiber eher dazu neigen, den Zielkonflikt zugunsten eigener wirtschaftlichen Interessen zu lösen, und zu einem nicht unbeträchtlichen Teil obendrein selbst aktive Spieler sind, von denen manche sogar Tendenzen zur Spielsucht in sich tragen (siehe Dokumentation S.10 ).
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Die im Wesentlichen übereinstimmenden Ergebnisse des im April 2008 bei 110 Lottoannahmestellen in Baden-Württemberg durchgeführten sog. „Mystery-Shopping“ (= Testkauf, Testspielaktion) und der in der mündlichen Verhandlung von den STLG Mitarbeitern dargelegten eigenen Erfahrungen mit Testkäufen/Testspielern zeigen zudem deutlich, dass offenbar selbst intensive Schulungen keinen nachhaltigen Effekt erzielen, denn in einer prozentual weit überdurchschnittlichen Zahl von Fällen (laut Mysteryshopping: ca. 62 % , laut eigener Testaktionen der STLG: ca. 50 %) war es Kunden möglich, ohne Ausweiskontrolle zu spielen und Wetten abzuschließen. (In die gleiche Richtung weisen auch die in einem FOCUS-Artikel (Ausgabe v. 7.7.2008) zitierte Untersuchungen zum gleichen Thema in Bayern).
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e) Was die nunmehr allenthalben anzutreffenden Warnhinweise bezüglich der Spielsuchtgefahren angeht, ist angesichts des aus der Psychologie bekannten Phänomens der kognitiven Dissonanz (Verarbeitung konfligierender Informationen/Erfahrungen: z.B. „Ich rauche“ - „Rauchen ist schädlich“) und der Erfahrungen z.B. mit entsprechenden Hinweisen auf die tödlichen Gefahren des Rauchens auf Zigarettenpackungen, die von vielen Rauchern schon nach eigener Aussage gar nicht mehr wahrgenommen, sondern ausgeblendet werden (siehe dazu http://de.wikipedia.org/wiki/Kognitive_Dissonanz), fraglich, inwieweit ein vornehmlich aus finanziellen Erwägungen (Gewinnerwartung) gespeistes und durch entsprechende Werbung sogar noch erregtes Interesse an der Sportwettenteilnahme dadurch wirklich nennenswert wieder eingedämmt wird.
50 
f) Auch die rechtlichen und tatsächlichen Regelungen über die Art und den Zuschnitt des Sportwettenangebots sind nach wie vor in ihrer derzeitigen Ausgestaltung nicht geeignet, die Spielsucht konsistent und systematisch einzudämmen. Eine Beschränkung der Sportwetten, denen insbesondere bei den Oddset-Wetten wegen ihrer festen Gewinnquoten ein besonders hohes Suchtpotential zugeschrieben wird, durch die Begrenzung des Spielangebots (nur geringe Zahl wöchentlicher Wettpaarungen, Verzicht auf überproportional suchtgefährliche Varianten wie z.B. Live-Wetten oder Verzicht auf Wetten mit erhöhter Manipulierbarkeit des Sportereignisses wie z.B. Wetten auf die Zahl der in einem Fußballspiel gezeigten gelben Karten ) findet sich ebenso wie die Reduzierung der Gewinnausschüttungen auf maximal 50 - 55% lediglich pauschal formuliert unter Ziff.5.2 des Sozialkonzepts der STLG. Ein wirklich handhabbarer und detailliert kontrollierbarer Rahmen wird damit indessen nicht vorgegeben. Auch die nach wie vor gültigen Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi- und Top-Wette, die das Finanzministerium am 08.11.2007 bekanntgemacht hat und die von der STLG als ein lediglich weiter Rahmen des Erlaubten im Sinne einer Allgemeinen Geschäftsbedingung verstanden und der Gestaltung ihres Spielangebots zugrunde gelegt werden, enthalten keine wirklich klaren Einschränkungen und Vorgaben für eine Begrenzung des Spielangebots. Sie widersprechen zudem in ihrer noch immer unverändert aktuell gültigen Form teilweise direkt § 21 Abs.1 GlüStV, der ausdrücklich regelt, dass nur auf den Ausgang von Sportereignissen gewettet werden kann, also Live-Wetten auf Zwischenspielstände und dergleichen ausgeschlossen sind. Die Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette (GABl. v. 20.12.2007, S.648) lassen hingegen unter § 3 Abs.1, Abs.5 und Abs.6 auch Wetten nicht nur auf den Ausgang, sondern auch auf bestimmte Ereignisse innerhalb eines Sportereignisses zu. Dasselbe gilt für die Oddset-Kombi-Wette (GABl. 20.12.2007, S. 639), deren Teilnahmebedingungen Wetten auf einen bestimmten Ausgang oder ein bestimmtes Ergebnis, aber auch auf ein bestimmtes Ereignis zulassen. § 21 Abs.1 GlüStV ist im Übrigen normativ defizitär, da diese Vorschrift es ohne jegliche weitere inhaltliche Vorgaben der erst zum Jahresende 2008 notwendigen Erteilung der Glücksspielerlaubnis durch das Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde überlässt, im Detail Art und Zuschnitt des Angebots ggf. durch entsprechende Auflagen sicherzustellen. Ferner liegen interne Richtlinien zu Art und Zuschnitt des Sportwettenangebots auf der Verwaltungsebene der Glücksspielaufsichtsbehörde bisher nicht vor. Wie sich in der mündlichen Verhandlung herausstellte, besteht vor diesem Hintergrund noch nicht einmal vollständige Klarheit, ob etwa die sogenannte Handicap-Wette danach ein zulässiges Sportwettenangebot sein soll oder nicht. Der seit 01.01.2008 eingerichtete Fachbeirat (§ 10 Abs.1 S. 2 GlüStV) hat sich bisher zwar unter anderem auch mit dem Sportwettenangebot befasst, ohne dass diese Arbeit sich aber bislang in konkreten Empfehlungen, Beschlüssen oder Leitlinien niedergeschlagen hätte. Insgesamt offenbart sich auch hier ein derzeit bestehendes normativ-regulatives Strukturdefizit, das es mangels klarer Vorgaben aktuell noch immer genau besehen allein der STLG, also dem wirtschaftlich interessierten Monopolisten, selbst überlässt, zu definieren, welches Angebot seiner Ansicht nach zulässig bzw. unzulässig ist. Von dieser Definitionsmacht hat die STLG bisher aber nur in nicht wirklich dauerhaft selbstbindender Weise und nur nach eher vagen, zufälligen Kriterien Gebrauch gemacht.
51 
g) Ähnliches gilt für die Werbebeschränkungen . Hier findet sich neben der inhaltlich nur sehr vagen gesetzlichen Vorgabe in § 5 Abs.1, Abs.2 GlüStV, die Werbung dürfe nur informativ aufklärend, aber nicht aufmunternd, anreizend, irreführend und an Jugendliche gerichtet sein, bislang nur unter Ziff.5.3 des Sozialkonzepts der STLG eine katalogartige Aneinanderreihung ähnlich unbestimmter Begriffe, die zu einer positiven wie negativen Abgrenzung beitragen sollen und immerhin durch einige Beispiele zu einer gewissen Konkretisierung beitragen können (keine Darstellung als unbedenkliche Freizeitbeschäftigung, keine gezielte Ansprache eine jugendlichen Publikums, keine Werbung mit jugendlichen Werbeträgern und keine Versprechen eines schnellen risikolosen Reichtums usw.). Außerdem soll es inzwischen bundesweit zwischen den Ländern abgesprochene Werberichtlinien geben. Die Beaufsichtigung bundesweiter Werbeaktionen des Toto-Lotto-Blocks (DTLB) ist dabei allerdings noch ungeklärt. Die Bedenken, wie sie die Kammer gegenüber dem Werbekonzept der STLG in ihren Grundsatzurteilen vom April 2008 geäußert hat, sind damit aber nicht ausgeräumt. Insbesondere die Werbung mit der Dachmarke Lotto, die schon nach den eigenen Unterlagen und Broschüren der STLG deutlich mit ihren Unterprodukten z.B. Oddset, KENO etc. genannt und somit in Verbindung gebracht wird (Oddset, die Sportwette von Lotto - siehe www.lotto-bw.de > oddset), ist nach wie vor überregional mit zum Spiel animierender Werbung aktiv und zwar mit immer wieder besonders auffälliger, selbst vom beklagten Land als „atypisch“ qualifizierter Werbung, die mit immer wieder neuen besonderen Anlässen wie z.B. der Fußballeuropameisterschaft oder dem 50-jährigen Bestehen von Lotto Bad.-Württ. gerechtfertigt wird. Da die STLG sogar nach Ergehen des Bundesverfassungsgerichtsurteils noch im Sommer 2006 anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2006 aggressiv und namentlich für Oddset geworben hat, ist es auch besonders darlegungsbedürftig, konnte von der STLG im Termin aber nicht überzeugend dargelegt werden, dass Oddset nicht zum sogenannten „accepted set“ der deutlich und anpreisend beworbenen Dachmarke Lotto-BW gehören soll, also nicht mit deren Nennung vom Adressatenpublikum positiv mitassoziiert werden soll.
52 
Auch sonst geht die überregional auftretende Sportwettenwerbung weit darüber hinaus, dass sich nur die Annahmestellen selbst mit Flyern, örtlich geschalteten Anzeigen, Wimpeln, Schaufenstergestaltung etc. auf rein örtlicher Ebene dem Publikum bekannt machen und im Rahmen des dem staatlichen Monopolisten aufgegebenen Kanalisierungskonzepts über ihre Existenz informieren. Das ist auch nicht etwa zufällig so, sondern direkte Folge des Zielkonflikts, der darin besteht, dass der staatliche Monopolist STLG neben dem von ihm immer wieder hervorgehobenen insbesondere im Internet anzutreffenden breiten privaten Sportwettenmarkt existiert, also kein wirkliches Monopol im echten Sinne besitzt und daher anders als ein echter Monopolist gegenüber dieser Konkurrenz werbend bestehen muss, derer er sich in absehbarer Zeit wohl so schnell nicht wird entledigen können.
53 
Nach wie vor ist es auch so, dass der Glücksspielstaatsvertrag selbst keine Werbeeinschränkung hinsichtlich der Printmedien und des Rundfunks sowie der Postwurfsendungen und großflächiger Plakatwerbung regelt, so dass diese weiterhin zulässig sind (vgl. zu Bedenken insbesondere gegenüber unverlangt zugesandten Werbematerialien, wie Postwurfsendungen: Ziff.4 der Stellungnahme des Fachverbandes Glücksspielsucht e.V. zum Entwurf des GlüStV - a.a.O.). Dem Beklagten mag zwar zuzugeben sein, dass dem Land ein gewisser Beurteilungsspielraum dahingehend zukommt, selbst einzuschätzen und zu entscheiden, welche Werbeträger es für besonders aggressiv, öffentlichkeitswirksam, jugendnah und suchtfördernd hält und daher beschränken will. Wenig überzeugend ist insoweit allerdings sein Hinweis, die genannten noch zulässigen Werbeträger (Radio, großflächige Plakate, Printmedien) sprächen anders als das Internet und das Fernsehen das vorwiegend zu schützende jugendliche Publikum nur wenig an. Auch wenn die Leseneigung bei Jugendlichen zurückgegangen sein mag, dürfte doch das Radio als leicht konsumierbares Medium ebenso wie das Fernsehen ohne weiteres auch und gerade Jugendliche erreichen. Dafür, dass auch Plakatwerbung Jugendliche durchaus erreicht, spricht zudem, dass die STLG den Boxer Krasniqi, der als Sympathieträger gerade auch Jugendliche anspricht, im Rahmen der Suchtaufklärungskampagnen selbst auf großflächigen Plakaten auftreten lässt. Der bloße Ausschluss von Internetwerbung (und Fernsehwerbung) dürfte im Übrigen wohl schon deshalb nicht ausreichen, weil gar nicht dargetan ist, dass es sich nach der Spielerstruktur bei den Sportwettenteilnehmern der terrestrischen Annahmestellen vorzugsweise um Personen mit Internetzugang handelt. Vielmehr könnten als Kunden gerade technikferne, ältere Kunden in Betracht kommen, die keinen Internetzugang haben, oder aber Jugendliche, die zwar einen Internetzugang haben, aber noch nicht über eigene Kreditkarten verfügen, wie sie für eine Sportwettenteilnahme im Internet unerlässlich ist.
54 
3. Schließlich fehlt es derzeit an einem wirksamen Kontrollsystem, das die Ausrichtung des Monopols am Ziel der Suchtbekämpfung sicherstellt. Europarechtlich kommt es für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zentral auf die Effektivität der Überwachung und die Durchsetzung einer wirklich restriktiven Glücksspielpolitik an (vgl. EFTA-Gerichtshof, Urt. vom 14.03.2007, E -1/06, - Gaming Machines -, Rdnr. 51). Auch das Bundesverfassungsgericht verlangt strukturelle Sicherungen, die für die Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht sorgen; der Gesetzgeber muss geeignete staatliche Kontrollinstanzen mit ausreichender Distanz zu den fiskalischen Interessen des Staates einrichten (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnrn.120, 154). Denn nur so kann gesichert werden, dass ein Konflikt mit dem Ziel der Suchtbekämpfung nicht zugunsten der fiskalischen Interessen des Staates ausgeht (BVerfG, a.a.O., Rdnr. 127 f.)
55 
a) Der Glücksspielstaatsvertrag sieht zwar in § 9 eine finanzverwaltungsferne Glücksspielaufsicht vor. Diese kann aber derzeit auf kein wirksames normatives Kontrollsystem zurückgreifen. Auf das Instrument der Glücksspielerlaubnis, die an die Erfüllung konkreter Voraussetzungen gebunden ist (§ 2 Abs. 2 AG-GlüStV) und mit Bedingungen und Auflagen versehen werden kann (§ 2 Abs. 1 Satz 2 AG-GlüStV), kann die Glücksspielaufsicht nach derzeitiger, für die Entscheidung des Gerichts maßgeblicher Rechtslage allenfalls in geringfügigem Umfang als Kontrollmechanismus zurückgreifen. Denn der Landesgesetzgeber hat dem Monopolisten über die vom Bundesverfassungsgericht zugebilligte Übergangszeit hinaus einen weiteren Zeitraum bis zum 31.12.2008 zugestanden, in dem er seine bereits zum 01.01.2007 veranstalteten Glücksspiele ohne Erlaubnis fortführen darf (§ 2 Abs. 1 Satz 3 AG-GlüStV). Gleiches gilt für die Annahmestellen, die ihre Vermittlung ohne Erlaubnis bis zum 31.12.2008 fortsetzen dürfen, wenn sie bereits am 01.01.2007 in ein öffentliches Glücksspiel des Landes vermittelt haben (§ 7 Abs. 4 AG-GlüStV). Andere Kontrollinstrumente der Glücksspielaufsicht gegenüber dem Monopolisten oder einzelnen Annahmestellen sind gesetzlich nicht vorgesehen. Der Aufsicht bleibt in der Vielzahl der Fälle, in denen die Übergangsregelungen der §§ 2 Abs.1 Satz 3, 7 Abs. 4 AG-GlüStV greifen, nur die Möglichkeit, im Einzelfall Anordnungen nach § 9 GlüStV zu treffen. Damit diese Möglichkeit als effektiver Kontrollmechanismus wirkt, bedürfte es gerade angesichts der Vielzahl der Annahmestellen einer entsprechend gut ausgestatteten Glücksspielaufsicht. Hierzu enthält das Gesetz jedoch keinerlei Vorgaben.
56 
b) Tatsächlich ist die Glücksspielaufsicht personell auch schwach besetzt. Im gesamten Glücksspielreferat des Regierungspräsidiums Karlsruhe, das für ganz Baden-Württemberg zuständig ist, sind vier Juristen, sechs Mitarbeiter im gehobenen Dienst und fünf weitere Mitarbeiter für den Schreibdienst und Ähnliches tätig. Das Sachgebiet „Aufsicht und Erlaubnisse für staatlich veranstaltetes Glücksspiel und gewerbliche Spielevermittler“ betreuen ein Jurist und ein Mitarbeiter des gehobenen Dienstes. Der vom beklagten Land hervorgehobene Austausch zwischen den Mitarbeitern der einzelnen Sachgebiete ist nur begrenzt, wie die mündliche Verhandlung vom 16.04.2008 anschaulich belegt hat. Dort war als Beklagtenvertreter allein der Sachgebietsleiter für die Unterbindung unerlaubten Glücksspiels anwesend, der viele Fragen zum Bereich der Aufsicht und Erlaubnisse für staatlich veranstaltetes Glücksspiel nicht beantworten konnte.
57 
Die Mitarbeiter des Monopolisten, die mit monopolinternen Kontrollfunktionen befasst sind, können entgegen der vom beklagten Land vertretenen Auffassung nicht bei der personellen Ausstattung der Glücksspielaufsicht berücksichtigt werden. Schon § 10 Abs. 6 GlüStV setzt die Trennung der staatlichen Glücksspielaufsicht und des Monopolisten als Glücksspielveranstalter nach § 10 Abs. 2 GlüStV voraus. Vor allem aber kann von der europarechtlich gebotenen effektiven Überwachung des Monopolisten nicht mehr die Rede sein, wenn ihm als einem Unternehmen, das seine Wirtschaftlichkeit im Auge behalten muss, die Kontrolle über sich selbst übertragen wird. Vielmehr verlangt eine effektive Überwachung, dass die Endkontrolle der staatlichen, von fiskalischen Interessen unabhängigen Aufsicht vorbehalten bleibt.
58 
c) Dies schließt sicher kein „System der Kontrolle der Kontrolle“ aus, auf das sich das beklagte Land beruft. Ein solches System muss aber derartige strukturelle Sicherungen enthalten, dass eine effektive Kontrolle des Monopolisten durch die staatliche Aufsicht gewährleistet ist. Das ist hier nicht der Fall.
59 
aa) Das Gesetz räumt dem Monopolisten weite Spielräume bei der Ausgestaltung des Vertriebskonzepts (§ 7 Abs. 1 AG-GlüStV) sowie bei Art und Zuschnitt des Wettangebots ein, die ab 01.01.2009 in der Erlaubnis im Einzelnen zu regeln sind (§ 21 Abs. 1 Satz 2 GlüStV). Verwaltungsvorschriften oder Richtlinien wenigstens als Hilfe zur Interpretation der gesetzlichen Vorgaben - etwa welche Kriterien neben der räumlichen Bevölkerungsstruktur für das Vertriebskonzept noch zu berücksichtigen sind (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 4: „insbesondere“) oder welche Wetten als Einzelwetten auf den Ausgang eines Sportereignisses (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GlüStV) angesehen werden können - existieren jedoch nicht.
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bb) Auch Beschlüsse des inzwischen eingeführten Fachbeirats, die ungeachtet der rein beratenden Funktion dieses Gremiums (§ 10 Abs. 1 Satz 2 GlüStV) als Orientierungshilfe dienen könnten, liegen nicht vor. Gerade beim zulässigen Wettangebot bestehen aber erhebliche Unsicherheiten, wie die Diskussion in der mündlichen Verhandlung zwischen den Beteiligten einschließlich der Vertreter der STLG über die Zulässigkeit von Handicap-Wetten deutlich gezeigt hat.
61 
cc) Das inzwischen vorliegende Vertriebskonzept der STLG -das fast ein halbes Jahr zu spät erstellt worden ist, ohne dass dies zu irgendwelchen Konsequenzen der Glücksspielaufsicht gegenüber der STLG geführt hätte - ist zwar von der Glücksspielaufsicht gebilligt worden, jedoch mangels Integrierbarkeit in eine Glücksspielerlaubnis in keiner Weise abgesichert.
62 
dd) Allein im Bereich der Werbung sollen bundesweite, dem Gericht allerdings nicht vorgelegte Richtlinien existieren. Außerdem ist zwischen der Glücksspielaufsicht und der STLG eine Vorlage neuer Werbemaßnahmen vor Veröffentlichung abgesprochen.
63 
ee) Darüber hinaus bestehen strukturelle Sicherungen des Systems der Kontrolle der Kontrolle derzeit nicht. Die Ankündigung, dem Monopolisten in seiner Erlaubnis als Nebenbestimmung aufzugeben, mindestens halbjährliche unangekündigte Kontrollen zur Einhaltung des Jugendschutzes und des Spielerschutzes in allen Annahmestellen durchzuführen und der Aufsicht darüber halbjährlich zu berichten, weist in die richtige Richtung, ist aber zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht umgesetzt worden. Eine Glücksspielerlaubnis für die STLG - mit entsprechender Nebenbestimmung - liegt bislang nicht vor.
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ff) Sonstige Informations- oder Berichtspflichten der STLG zu bestimmten Themen bestehen nicht. In der mündlichen Verhandlung wurde zwar von monatlichen Gesprächsrunden über anstehende Probleme berichtet, gleichzeitig zeigte sich aber, dass die Glücksspielaufsicht weder über das aktuelle Wettangebot des Monopolisten noch über den konkreten Bestand der Annahmestellen und die einzelnen Fälle von Beanstandungen bei von der STLG veranlassten Kontrollen informiert war. Vielmehr erklärte der Vertreter des beklagten Landes, dass die Glücksspielaufsicht außerhalb des Bereichs der Werbung grundsätzlich davon ausgehe, dass die STLG sich an die gesetzlichen Vorgaben halte. Die STLG werde gebeten, die Glücksspielaufsicht zu benachrichtigen, wenn rechtliche Probleme auftauchten; sie teile der Aufsicht auf Anfrage Kontrollergebnisse mit. Diese Haltung der Glücksspielaufsicht gegenüber dem Monopolisten ist mit dem Auftrag einer effektiven Überwachung offensichtlich nicht zu vereinbaren. Schon bei einer Kontrolle staatlicher Behörden wäre ein solcher Vertrauensvorschuss unangebracht (vgl. dazu auch Millgramm, DVBl 2008, 821, 827 f., insbes. Fn. 29); dies gilt umso mehr für die Kontrolle der STLG, einer juristischen Person des Privatrechts, die bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im März 2006 primär umsatzorientiert gewirtschaftet hat und auch heute als Gesellschaft mit beschränkter Haftung wirtschaftlich handeln muss (siehe nur §§ 17, 19 InsO). Allein die Tatsache, dass das Land 100% der Gesellschaftsanteile hält, legt zwar vereinfachte Kontrollmöglichkeiten nahe, lässt die Überwachungspflichten aber keinesfalls entfallen (vgl. dazu EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming Machines, Rdnr. 51).
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gg) Dass die in der mündlichen Verhandlung von den Beklagtenvertretern erwähnten „sporadischen Kontrollen“ des Sportwettenangebots des Monopolisten sowie die 22 vom Referatsleiter persönlich getätigten Testkäufe ohne Bezug zu den von der STLG großflächig angelegten Testkaufserien keine wirksame „Kontrolle der Kontrolle“ darstellen, bedarf keiner näheren Ausführung.
66 
hh) Die Kammer verkennt nicht, dass die STLG gerade mit den Testkaufserien durch Externe einerseits und die Bezirksdirektionen andererseits sowie die Zusatzverträge mit den Verkaufsstellen, die bei Verstößen gegen die gesetzlichen Verpflichtungen aus dem GlüStV und dem AG-GlüStV Sanktionsmöglichkeiten bis zur fristlosen Kündigung des Vertrags vorsehen, Ansatzpunkte für ein System der „Kontrolle der Kontrolle“ geschaffen hat. Ohne durchsetzbare, festgelegte Berichts- und Meldepflichten gegenüber der Glücksspielaufsicht kann aber von einer effektiven Überwachung nicht die Rede sein.
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ii) Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Ergebnisse der Testkäufe mit einer Quote von etwa 50% Beanstandungen (so die Auskunft der Vertreter der STLG in der mündlichen Verhandlung; die Ergebnisse des Mystery-Shopping lagen bei einer noch höheren Beanstandungsquote von 62 %) nahelegen, dass dieser Missstand, wie oben ausgeführt, durch das Provisionsmodell strukturell bedingt ist und allein durch ein effektives Überwachungssystem nicht beseitigt werden wird.
IV.
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Das staatliche Sportwettenmonopol erweist sich auch unter Berücksichtigung des aktuellen Vorbringens des Beklagten und der jetzigen Sachlage weiterhin auch deshalb als derzeit (noch) europarechtswidrig, weil es eine zur Erreichung der Ziele des GlüStV nicht erforderliche Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt (vgl. Urteile vom 16.04.2008, dort II.3).
69 
Im Termin ist erneut deutlich geworden, dass das staatliche Monopol nur im Bereich der terrestrischen Annahmestellen ein echtes, nämlich gegen illegale Konkurrenz wirklich durchsetzbares Monopol darstellt, hingegen im Bereich des vom Angebot der STLG entsprechend den Vorschriften des GlüStV nicht abgedeckten Sportwettenmarktes im Internet ein sehr großes illegales Sportwettenangebot privater Veranstalter existiert, über das nach Schätzungen zwischen 30 - 50 % des gesamten Sportwettenumsatzes erzielt werden. Ferner hat sich bestätigt, dass dieses private Internetangebot jedenfalls bislang vom Beklagten insbesondere wegen der damit verbundenen rechtlichen und praktischen Schwierigkeiten noch nicht in nennenswertem Umfang durch Ordnungsverfügungen gegen die Veranstalter bzw. mittels Kooperationsabsprachen mit Banken über eine Drosselung der Finanzierung durch Kreditkartenabbuchungen zurückgedrängt wurde. Damit bleibt es bei dem Grundkonflikt, dass das staatliche Sportwettenmonopol, weil es sich gegenüber dem Internetangebot behaupten muss, nach wie vor einem starken Anreiz ausgesetzt ist, sich ebenso wie private Sportwettenanbieter durch offensive, aktive Werbestrategien zu behaupten, um erklärtermaßen einer Abwanderung von Sportwettenteilnehmern in diesen illegalen Bereich gegenzusteuern. Unverändert geblieben ist auch der Umstand, dass die STLG ihre Sportwetten über ein Vertriebsnetz vermarktet, das sich aus einer Vielzahl umsatzabhängiger privater Annahmestelleninhaber zusammensetzt und sich somit von privaten Sportwettenanbietern hinsichtlich der Anreize zur Missachtung von Spielerschutz- und Suchtbekämpfungsmaßnahmen nicht wesentlich unterscheidet.
70 
Was die Effektivität der Kontrolle und die Durchsetzungsmacht der STLG gegenüber ihren privaten Vertragspartnern im Vertriebsnetz angeht, ist ihr zwar zuzugestehen, dass sie in der Praxis nicht nur die Möglichkeit hat, gegenüber einer Annahmestelle mit rechtlichen Maßnahmen wie Abmahnungen, Vertragsstrafen oder fristloser Kündigung einzuschreiten, sondern diese darüber hinaus auch rein tatsächlich direkt durch Abkoppelung der Annahmestelle von der zentralen computergestützten Sportwettenannahme und -vermittlung aus ihrem Vertriebsnetz nehmen kann, wenn es zu Schwierigkeiten kommt, was die staatliche Aufsichtsbehörde gegenüber privaten Sportwettenveranstalten nicht tun könnte. Allerdings ist dem entgegenzuhalten, dass sich ein Annahmestelleninhaber auch gegen ein solches schlichtes Abkoppeln vom Vertriebsnetz ohne weiteres vor den ordentlichen Gerichten mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Wehr setzen könnte, da auch ein faktisches Abkoppeln vom Vertriebsnetz gegen den Annahmestellenvertrag verstoßen würde, wenn es grundlos erfolgt bzw. der Anlass bestritten wird. Unter diesem Aspekt wäre die faktische Durchsetzungsmacht zwar größer als gegenüber Sportwettenvermittlern, die an andere Sportwettenanbieter als die STLG vermitteln, aber letztlich auch nicht wieder so signifikant größer, dass sich hieraus die Erforderlichkeit eines staatlichen Monopols begründen ließe.
71 
Es mag auch zutreffen, dass es für die staatliche Aufsichtsbehörde einen geringeren Aufwand darstellt, lediglich das Werbekonzept eines einzigen staatlichen Sportwettenmonopolisten zu kontrollieren anstatt die Werbekonzepte von drei bis vier großen überregional auftretenden internationalen Sportwettenanbietern zu prüfen. Andererseits erfordert die Kontrolle der Werbung noch den geringsten Aufwand im Rahmen der gesamten Kontrolltätigkeit, denn in der Regel wird es sich um nur wenige gleichlautende Plakate, Werbespots oder Hinweiszettel handeln, die sich relativ leicht und schnell auf Verstöße gegen die Werbeeinschränkungen aus dem GlüStV kontrollieren lassen.
72 
Wie das vorgelegte Sozialkonzept des Verbands der Europäischen Wettunternehmer (VEWU) zeigt, sind diese auch durchaus bereit, sich freiwillig Beschränkungen hinsichtlich der Gewinnausschüttungsquote, der Art und des Zuschnitts der Sportwettenangebote und der Ausgestaltung ihrer Wettbüros aufzuerlegen, ein System der Spielersperre zu installieren, einen Sicherungsfond gegen Insolvenzausfälle einzurichten und Jugendlichen konsequent den Zugang zu verweigern, so dass es ihnen gegenüber jedenfalls nicht einer stärkeren und dichteren staatlichen Kontrolle als gegenüber den privaten Annahmestelleninhabern der STLG bedürfte.
73 
Was die Kriminalitätsrisiken und Betrugsgefahren angeht, hat das beklagte Land selbst eingeräumt, dass diese nicht an erster Stelle der Ziele stehen, mit denen das staatliche Monopol zu rechtfertigen ist. Das insoweit nach den europarechtlichen Vorgaben darlegungsbelastete Land hat es auch nicht vermocht, zur Frage negativer bisheriger Erfahrungen mit den privaten Betreibern legaler Glücksspiele (Pferdewetten, Geldspielautomaten, Spielcasinos) sowie mit den privaten Annahmestelleninhabern der STLG hinsichtlich der Kriminalitätsbelastung aussagekräftigen Angaben zu machen. Es mag zwar sein, dass es in diesem Bereich Dunkelziffern gibt und dass die Anzeigefreudigkeit von Kriminalitätsopfern gering ist, die sich im Bereich illegaler Glücksspiele womöglich wegen eigener Teilnahme nach § 285 StGB strafbar machen würden. Hier aber geht es um legale Glücksspielbereiche, die obendrein seit Jahrzehnten von Privaten betrieben werden, so dass bei wirklichen Missständen zu erwarten wäre, dass entsprechende Kriminalitätsbelastungen zumindest ansatzweise bekannt geworden wären. Dafür fehlt hier aber jeder Anhaltspunkt. Zwar mag immerhin ein gewisser Anteil der mit Untersagungsverfügungen landesweit geschlossenen ca.700 privaten Sportwettenbüros selbst nach Bestätigung der Untersagungsverfügungen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Vermittlungstätigkeit tatsächlich nicht aufgegeben und sich damit als nicht rechtstreu bzw. mit Blick auf § 284 StGB womöglich sogar als kriminell erwiesen haben. Das besagt aber nicht, dass ein staatliches Monopol erforderlich ist, um mit dem Sportwettenbetrieb verbundene Kriminalitätsgefahren zu bekämpfen.
V.
74 
Noch einmal zu bestätigen ist schließlich, dass das Sportwettenmonopol mangels systematischer und kohärenter Zielverfolgung auch EG-wettbewerbswidrig ist. (vgl. dazu bereits Urteil vom 16.4.2008, unter II.4.). Der Einwand des beklagten Landes, die Ausführungen der Kammer in den Urteilen vom 16.4.2008 ließen nicht erkennen, welcher Bezug der Wettbewerbsvorschriften zum subjektiven Recht des jeweiligen Klägers bestehe bzw. es werde übersehen, dass die Wettbewerbsvorschrift des Art. 82 EG sich nicht an den Staat, sondern an Unternehmen richte, greift nicht durch.
75 
Die Prüfung des Sportwettenmonopols erfolgt am Maßstab des Art. 86 EG. Adressaten von Art. 86 Abs. 1 EG sind ausschließlich die Mitgliedstaaten und nicht die Unternehmen selbst, für die wiederum direkt nur Art. 81 und 82 EG gelten. Den Mitgliedsstaaten stehen Hoheitsträger im Staatsgebiet, insbesondere die Gebietskörperschaften gleich. Gerade im Bereich von - wie hier - Dienstleistungsmonopolen gelangt Art. 86 EG in Verbindung mit den Wettbewerbsregeln zur Anwendung (Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, 4. Auflage 2007, B. Art. 86 im System des EG-Vertrags, Rnrn. 55, 56; von Burchard, in: Schwarze, EU-Kommentar, 1. Aufl. 2000, Art. 49 Rnr. 87 [unter Hinweis darauf, dass der EuGH offenbar Art. 86 Abs. 2 EG gegenüber Art. 49 EG als speziellere Vorschrift ansehe] und Art. 86 Rnr. 11). Die Tatsache, dass Art. 86 Abs. 1 EG die Existenz von Unternehmen voraussetzt, die bestimmte besondere oder ausschließliche Rechte innehaben, ist nicht dahin zu verstehen, dass alle besonderen und ausschließlichen Rechte notwendigerweise mit dem EG-Vertrag vereinbar sind. Dies hängt vielmehr von den Vertragsvorschriften ab, auf die Art. 86 Abs. 1 EG verweist (so zu Art. 90 Abs. 1 EG-Vertrag: EuGH, Urt. v. 19.3.1991 - C-202/88 - [Telekommunikations-Endgeräte], Leitsatz 2; von Burchard, a.a.O., Art. 86, Rnr. 27). Zu den zu beachtenden Vorschriften gehören - soweit vorliegend bedeutsam - insbesondere der ausdrücklich in Art. 86 Abs. 1 EG genannte Art. 82, ferner aber gerade auch die Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr (EuGH, Urt. v. 18.6.1991 - C-260/89 [ERT], Rnr. 27). Dem Anwendungsbereich des Art. 86 EG unterfallen folglich auch Maßnahmen eines Mitgliedstaats (hier: Inkraftsetzen einer Gesetzesbestimmung), mit denen er eine Lage schafft, in der das bevorrechtigte Unternehmen schon durch die bloße Ausübung des übertragenen Rechts (hier: monopolartige Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten) zwangsläufig gegen den Vertrag verstoßen muss (EuGH, Urt. v. 11.12.1997 - C-55/96 [Job Centre] - Rnr. 29; von Burchard, a.a.O., Art. 86 Rnr. 37). Ein wettbewerbswidriges Verhalten der STLG muss sich damit aber das beklagte Land zugleich als unzulässige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zurechnen lassen (so auch von Burchard, a.a.O., Art. 49 Rnr. 88), worauf sich der jeweilige grundfreiheitsberechtigte Kläger wiederum für den Erfolg seiner Klage berufen kann.
VI.
76 
Die angefochtene Untersagungsverfügung des Regierungspräsidiums ist auch insoweit rechtswidrig und aufzuheben, als sie die Vermittlung von Sportwetten an solche Veranstalter untersagt, die im Bundesgebiet ansässig sind. Zwar vermittelte der Kläger in der Vergangenheit Sportwetten nur an einen in einem EU-Mitgliedsstaat ansässigen und dort konzessionierten Sportwettenveranstalter. Die angefochtene Verfügung untersagt aber darüber hinaus umfassend auch jede Vermittlungstätigkeit für im Bundesgebiet ansässige Sportwettenveranstalter. Eine solche Dienstleistung ohne grenzüberschreitenden Bezug wird vom Schutz der Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EG nicht erfasst. Ob die Verfügung insoweit bereits deshalb rechtlichen Bedenken unterliegt, weil die Ermittlungen und Feststellungen, die zum Erlass der Verfügung führten, keine Anhaltspunkte für die Annahme einer Vermittlung an einen im Bundesgebiet ansässigen privaten Veranstalter ergaben, kann offen bleiben. Denn jedenfalls leidet die Verfügung an einem zu ihrer Rechtswidrigkeit führenden Ermessensfehler. Da das staatliche Sportwettenmonopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung keine rechtmäßige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EG darstellt und deshalb gemeinschaftsrechtswidrig ist, müssen - jedenfalls bis zu einer gemeinschaftsrechtskonformen Ausgestaltung - Wettvermittlungen an in EU-Mitgliedsstaaten ansässige und dort konzessionierte Sportwettenveranstalter vom beklagten Land hingenommen werden, soweit sie durch Unionsbürger oder in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaften im Sinne der Art. 55, 48 EG erfolgen. Auf derartige Wettvermittlungen beschränkte sich die bisherige Tätigkeit des Klägers. Vor diesem Hintergrund kann das beklagte Land das mit den Untersagungsverfügungen verfolgte Ziel, landesweit die Vermittlung von Sportwetten an private Veranstalter zu unterbinden, weil es diese Tätigkeit wegen des staatlichen Sportwettenmonopols für unerlaubt hält, nicht mehr verwirklichen. Der terrestrische Vertrieb von Sportwetten betrifft in ganz erheblichem Umfang Sportwettenveranstalter, die im EU-Ausland ansässig sind, weil sie ihr Sportwettengeschäft auch über terrestrische Annahmestellen abwickeln. Entfällt demnach derzeit für das beklagte Land die Möglichkeit, die Vermittlung von Sportwetten an im EU-Ausland ansässige Sportwettenveranstalter zu unterbinden, bedarf es im Rahmen der Ermessensausübung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV tragfähiger Erwägungen, die ein Einschreiten gegen die Sportwettenvermittlung im Inland rechtfertigen, obwohl die weit umfangreichere grenzüberschreitende Vermittlung ins EU-Ausland hingenommen werden muss. Solche Erwägungen finden sich weder in der angefochtenen Untersagungsverfügung noch sind sie bisher vorgetragen worden.
VII.
77 
Der Kläger ist nicht Angehöriger eines Mitgliedsstaats, sondern Drittstaatsangehöriger. Drittstaatsangehörige können sich grundsätzlich nicht auf Art. 49 EG berufen. Von der Möglichkeit des Art. 49 Satz 2 EG, die Dienstleistungsfreiheit auf in der Gemeinschaft ansässige Drittstaatsangehörige auszudehnen, wurde - soweit ersichtlich - bislang kein Gebrauch gemacht (vgl. Schwarze, EU-Kommentar, 1. Auflage 2000, Art. 49 EGV, RdNr. 36). Ob im vorliegenden Fall der persönliche Geltungsbereich des Art. 49 EG im Wege eines Assoziierungsabkommens auf Drittstaatsangehörige ganz oder teilweise erstreckt wurde, erscheint fraglich, kann aber offen bleiben. Die angefochtene Untersagungsverfügung erweist sich nämlich auch dann als rechtswidrig, wenn sich der Kläger nicht auf Art. 49 EG berufen kann.
78 
Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV steht es im Ermessen des Regierungspräsidiums, die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür zu untersagen. Auf den einzelnen Fall bezogene Ermessenserwägungen enthält die angefochtene Untersagungsverfügung nicht. Vielmehr schreitet das Regierungspräsidium landesweit gegen jeden privaten Sportwettenvermittler mit Untersagungsverfügungen ein, weil es dessen Tätigkeiten aufgrund des staatlichen Sportwettenmonopols für unerlaubt hält. Da dieses in seiner derzeitigen Ausgestaltung jedoch keine gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt und deshalb gemeinschaftsrechtswidrig ist, müssen - jedenfalls bis zu einer gemeinschaftsrechtskonformen Ausgestaltung - Wettvermittlungen an in EU-Mitgliedstaaten ansässige und dort konzessionierte Sportwettenveranstalter vom beklagten Land hingenommen werden, wenn sie durch Unionsbürger oder in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaften im Sinne von Art. 55, 48 EG erfolgen. Mit einem Einschreiten ausschließlich gegen Sportwettenvermittlungen durch im Bundesgebiet ansässige Drittstaatsangehörige lässt sich das mit den Untersagungsverfügungen verfolgte Ziel nicht erreichen, landesweit die Vermittlung von Sportwetten durch Private zu unterbinden, um auf diese Weise die Spielleidenschaft zu begrenzen und die Spielsucht zu bekämpfen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Unterbindung grenzüberschreitender Sportwettenvermittlungen in das EU-Ausland ausschließlich gegenüber Drittstaatsangehörigen mit dem bei der Ermessensausübung zu wahrenden Gleichbehandlungsgebot und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist (vgl. hierzu OVG Saarland, Beschl. v. 25.04.2007 - 3 W 24/06 - juris).
VIII.
79 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Kammer hat keinen Anlass, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO).
80 
Da diese Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, ist die Berufung zuzulassen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Tenor

Die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 28.11.2007 wird aufgehoben.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Untersagung der Veranstaltung, Vermittlung und Unterstützung von Sportwetten.
Das beklagte Land veranstaltet in Baden-Württemberg neben mehreren Lotterien u. a. die staatlichen Sportwetten „Oddset-Kombi-Wette“ und „Oddset-Top-Wette“. Mit der Durchführung der Lotterien und Sportwetten hat es die Staatliche Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg beauftragt (vgl. hierzu zuletzt die Bekanntmachungen des Finanzministeriums über die Neufassung der Teilnahmebedingungen für die beiden staatlichen Sportwetten, GABl. 2007, S. 639 ff. u. 648 ff.). Diese Gesellschaft vertreibt ihr staatliches Glücksspielangebot in Baden-Württemberg über zahlreiche Toto-Lotto-Annahmestellen, die in Zeitschriften-, Schreibwaren- und Tabakhandlungen, Supermärkten und Tankstellen eingerichtet sind. Nach Auskunft des beklagten Landes gibt es in Baden-Württemberg derzeit 3656 solcher Annahmestellen. Die einzelnen Betreiber der Annahmestellen erhalten auf der Grundlage privatrechtlicher Verträge mit der Toto-Lotto GmbH eine Provision, die von der Höhe des auf den Glücksspielsektor entfallenden Umsatzes abhängt.
Der Kläger ist Inhaber einer Gaststätte in Konstanz, in der die Firma ... ein Internetterminal der Marke Tipomat aufgestellt hat. Über dieses Terminal kann auch die Internetsite des maltesischen Sportwettenanbieters ... aufgerufen werden, der eine vom 19.01.2006 bis 19.01.2012 gültige Lizenz der maltesischen „Lotteries and Gaming Authority“ besitzt. Schließt ein Nutzer des Terminals mit der Firma ... eine Oddsetwette ab, so erhält die Firma ... eine Provision, an der sie den Kläger beteiligt.
Unter dem 24.10.2007 forderte die Stadt Konstanz den Kläger zum Abbau des Terminals auf, weil er nicht die erforderliche Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten besitze. Dagegen wandte der Kläger ein, er dulde lediglich die Aufstellung des Terminals und sei daher der falsche Adressat für das Verfahren. Darüber hinaus verstoße die Untersagung der Vermittlung von Sportwetten gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht, weil sich sowohl der maltesische Wettveranstalter als auch der Dienstleister vor Ort auf die Dienst- und Niederlassungsfreiheit berufen könnten.
Nach Anhörung untersagte das Regierungspräsidium Karlsruhe dem Kläger am 28.11.2007, in Baden-Württemberg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen, und gab ihm auf, die entsprechenden Geräte aus den öffentlich zugänglichen Räumen zu entfernen (Ziffer 1) und die untersagten Tätigkeiten unverzüglich einzustellen (Ziffer 2). Außerdem wurde dem Kläger für den Fall, dass er den Verpflichtungen aus der - mit Anordnung des Sofortvollzugs versehenen - Verfügung binnen zwei Wochen nicht nachkomme, ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,- EUR angedroht (Ziffer 4), und schließlich eine Gebühr von 250,- EUR festgesetzt. Zur Begründung führte das Regierungspräsidium Karlsruhe im Wesentlichen aus, dass es die Aufgabe habe, im öffentlichen Interesse darüber zu wachen, dass in Baden-Württemberg kein unerlaubtes Glücksspiel stattfinde bzw. jegliche Werbung hierfür unterbleibe. Zu diesem Zweck dürfe es die Veranstaltung unerlaubten Glücksspiels untersagen. Bei den von dem Kläger veranstalteten Sportwetten mit festen Gewinnquoten handele es sich um Glücksspiele, die der Kläger veranstalte, indem er der Öffentlichkeit Zugang dazu ermögliche. Er besitze nicht die dafür erforderliche Erlaubnis; eine solche könne ihm auch wegen des Staatsmonopols nicht erteilt werden. Die Sach- und Rechtslage in Baden-Württemberg stehe in Einklang mit den verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Anforderungen. Eine Bindung an Bewilligungen eines anderen Mitgliedsstaats der EU bestehe europarechtlich nicht.
Gegen den ihm am 30.11.2007 zustellten Bescheid hat der Kläger am 10.12.2007 Klage erhoben und beantragt, deren aufschiebende Wirkung wiederherzustellen bzw. anzuordnen (1 K 2684/07). Eine Entscheidung hierüber ist noch nicht ergangen.
Zur Begründung der Klage führt der Kläger aus, er sei nicht Veranstalter eines Glücksspiels, und legt ausführlich dar, das Staatsmonopol für Sportwetten sei verfassungs- und gemeinschaftsrechtswidrig. Den Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 sei weder rechtlich durch den neuen Glücksspielvertrag noch im Tatsächlichen Rechnung getragen worden. Das Vertriebssystem und Marktverhalten der staatlichen Anbieter habe sich nicht geändert, es werde weiter anreizend geworben und es mangele an einer konkreten Suchtprävention. Die staatlichen Anbieter hielten noch nicht einmal die Vorgaben des Glücksspielstaatvertrags ein. Den Belangen des Jugendschutzes werde nicht Rechnung getragen. Die Liberalisierung des Glücksspielmarkts sei während des ganzen Gesetzgebungsverfahrens nicht ernsthaft in Erwägung gezogen worden.
Vor allem aber greife das Staatsmonopol unzulässig in die europarechtliche Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit ein, wie der Rechtsprechung des EuGH, insbesondere in Sachen Lindmann, Läärä, Lindman Gambelli und Placanica, und auch der des EFTA-Gerichtshofs, eindeutig zu entnehmen sei. Daher dürften die entsprechenden nationalen Regelungen auch des seit dem 01.01.2008 geltenden Glücksspielstaatsvertrags wegen des Anwendungsvorrangs des Europarechts nicht angewandt werden. Eigentlicher Grund für das Staatsmonopol seien auch nach der Neuregelung fiskalische Interessen, die es jedoch nicht rechtfertigen könnten. Aber auch die vom Gesetzgeber angeführten Ziele der Suchtprävention, der Kriminalitätsbekämpfung und des Jugendschutzes ließen sich ohne weiteres durch ein die Grundfreiheiten weniger einschränkendes Konzessionssystem erreichen. Darüber hinaus fehle es an einer für die Einschränkung der Dienst- und Niederlassungsfreiheit erforderlichen systematischen und kohärenten Regelung des Glückspiels in ganz Deutschland. Insbesondere bei Pferdewetten bestehe anders als bei sonstigen Sportwetten kein Staatsmonopol. Ein sachlicher Grund dafür sei nicht ersichtlich. Auch Spielautomaten, bei denen ein besonders hohes Suchtpotential bestehe, dürften von Privaten betrieben werden; die Anforderungen seien in der SpielVO sogar gelockert worden. Spielbanken, von denen eine hohe Suchtgefahr ausgehe, insbesondere auch von den dort aufgestellten Slotmachines, für die keine Verlustbegrenzung gelte, dürften von Privaten betrieben werden. In Rheinland-Pfalz würden Sportwetten und Lotterien seit vielen Jahren von einem rein privatrechtlichen Unternehmen, der Lotto Rheinland-Pfalz GmbH, veranstaltet. DDR-Konzessionen für Sportwetten bestünden fort. Außerdem fehle es an der gebotenen Untersuchung der Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der Einschränkungen der Grundfreiheiten, insbesondere an Daten zur Spielsucht und zur Folgenabschätzung, gerade auch mit Blick auf die Alternative eines Konzessionssystems. Ein besonderes Suchtpotential von Oddset-Sportwetten sei nicht nachgewiesen. Zudem mangele es der angefochtenen Verfügung nach Ablauf der vom Bundesverfassungsgericht zugebilligten Übergangszeit am 31.12.2007 und dem Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrags an einer ordnungsgemäßen Begründung. Schließlich sei das Land Baden-Württemberg seiner Notifizierungspflicht für sein Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag nicht nachgekommen.
Die Klägerin beantragt,
10 
die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 28.11.2007 aufzuheben.
11 
Das beklagte Land beantragt,
12 
die Klage abzuweisen.
13 
Es beruft sich auf die Begründung seiner Entscheidung und darauf, dass das Regierungspräsidium nach § 9 Abs. 1 Glücksspielstaatsvertrag darauf hinzuwirken habe, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben, und die im Einzelfall erforderlichen Anordnungen erlassen könne. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil vom 28.03.2006 entschieden, dass das staatliche Sportwettenmonopol verfassungsgemäß sei, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren ausgerichtet sei. Diese Vorgaben erfülle der zum 01.01.2008 in Kraft getretene Glücksspielstaatsvertrag. Wichtigstes Ziel des Glücksspielstaatsvertrags sei die Vermeidung und Bekämpfung der Glücksspiel- und Wettsucht. Weitere Ziele seien die Kanalisierung und Begrenzung des Glücksspielangebots, vor allem aber auch der Jugendschutz. Deshalb sei das Monopol bei Sportwetten und Lotterien mit besonderem Gefährdungspotential erhalten geblieben. Anders als die Tätigkeit privater Anbieter sei die Tätigkeit der Toto-Lotto GmbH an der Suchtbekämpfung orientiert. Ihr Wettangebot sei begrenzt, Oddset-Wetten würden nunmehr allein als Kombi- und Topwetten angeboten, es könne nur noch mit Kundenkarten gewettet werden, Werbung sei nur eingeschränkt zulässig und es seien eine Vielzahl von Maßnahmen zur Suchtprävention ergriffen worden wie etwa die Erstellung von Informationsbroschüren, Anzeigen, Plakaten, einer Internetseite und eines Kinospots sowie die Einrichtung einer telefonischen Beratungsstelle zum Thema Spielsucht. Die Zulassung privater Anbieter würde die Zahl der Marktteilnehmer und Wettgelegenheiten vergrößern und damit zu einer enormen Expansion des Angebots führen.
14 
Die Untersagungsverfügung verstoße auch nicht gegen Gemeinschaftsrecht. Die Grundfreiheiten könnten aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses eingeschränkt werden, wozu die Verminderung von Gelegenheiten zum Spiel zähle. Die in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geforderte Kohärenz fordere keine national gleichartigen Regelungen für den gesamten Glücksspielmarkt. Die verschiedenen Bereiche unterschieden sich hinsichtlich des Spielanreizes und des Suchtpotentials wesentlich voneinander. Außerdem könnte ein staatliches Defizit in einem Bereich nicht zu einem Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht führen. Das Notifizierungsverfahren nach Art. 8 der Richtlinie 98/34/EG (geändert durch die Richtlinie 98/48/EG) sei durchgeführt worden.
15 
Dem Gericht liegt ein Heft Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe sowie die Akte des Eilverfahrens 1 K 2684/07 vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt dieser Akten sowie der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die Anfechtungsklage ist ohne Durchführung eines Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 VwGO, § 6a Satz 1 AGVwGO) zulässig und begründet. Die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 21.11.2006 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
17 
Als Rechtsgrundlage der Untersagung, in Baden-Württemberg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen (Ziff. 1 Satz 1 der Verfügung), kommt nunmehr allein § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV -, vgl. GBl. 2007, 571 ff.) in Betracht, der am 01.01.2008 in Kraft getreten ist (vgl. GBl. 2008, 56). Gleiches gilt für das Gebot, die zur Veranstaltung oder Vermittlung solcher Glücksspiele vorgehaltenen Geräte aus den öffentlich zugänglichen Räumen zu entfernen (Ziff. 1 Satz 2 der Verfügung), die untersagten Tätigkeiten unverzüglich einzustellen und die Einstellung dem Regierungspräsidium schriftlich mitzuteilen (Ziff. 2 der Verfügung). Diese neue Rechtslage ist deshalb maßgeblich, weil es sich bei der angefochtenen Verfügung um einen Dauerverwaltungsakt handelt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 17.03.2008 - 6 S 3069/07 -) und weil für die verwaltungsgerichtliche Überprüfung derartiger Verwaltungsakte regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 09.03.2005, Buchholz 451.20, § 15 GewO Nr. 5; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 113 Rdnr. 43 ff.). Für die gerichtliche Entscheidung maßgebend sind deshalb die Bestimmungen des oben genannten Glücksspielstaatsvertrags und die Bestimmungen des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag - AG-GlüStV -) vom 04.03.2008 (GBl. 2008, 81 ff.), das am 08.03.2008 in Kraft getreten ist (vgl. § 19 AG-GlüStV).
18 
Zwar vermittelt der Kläger unerlaubte Glücksspiele, was nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV Voraussetzung dafür ist, dass das Regierungspräsidium Karlsruhe als zuständige Behörde der Glücksspielaufsicht (§ 2 des Gesetzes zu dem Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 11.12.2007, GBl. 2007, 571; § 16 Abs. 1 AG-GlüStV) mit der angefochtenen Verfügung einschreitet (dazu I.). Die derzeitige Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols in Baden-Württemberg (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV) ist aber nach Auffassung der Kammer mit dem primären Gemeinschaftsrecht, nämlich der Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG) und dem EG-Wettbewerbsrecht (Art. 86, 82 EG), unvereinbar. Nach dem grundlegenden Prinzip des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts hat das Verwaltungsgericht das gemeinschaftsrechtswidrige nationale Recht außer Anwendung zu lassen (dazu II.).
I.
19 
Dadurch, dass der Kläger in seiner Gaststätte das Internetterminal „Tipomat“ aufstellen lässt, das auf die Nutzung zum Abschluss von Sportwetten bei dem maltesischen Sportwettenanbieter ... ausgerichtet ist, eröffnet er Spielern die Möglichkeit zur Teilnahme an Sportwetten. Damit ist er Vermittler (vgl. § 3 Abs. 4 GlüStV) von Sportwetten, die als Glücksspiele i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV anzusehen sind. Davon sind die Verwaltungsgerichte bereits in den früheren Entscheidungen, die zur Rechtslage vor Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrages ergangen sind, ausgegangen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12.01.2005, VBlBW 2005, 181 m.w.N.). § 3 Abs. 1 Satz 3 GlüStV bestimmt nunmehr ausdrücklich, dass auch Wetten gegen Entgelt auf den Eintritt oder Ausgang eines zukünftigen Ereignisses Glücksspiele sind (vgl. zuletzt VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.03.2008 - 6 S 3069/07 -).
20 
Die vom Kläger vermittelten Sportwetten sind auch unerlaubte Glücksspiele. Nach § 4 Abs. 1 GlüStV dürfen öffentliche Glücksspiele nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Das Veranstalten und das Vermitteln ohne diese Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel) ist verboten. Weder der Kläger noch der maltesische Sportwettenveranstalter haben jemals vom Land Baden-Württemberg eine solche Erlaubnis erhalten. Zwar vermittelt der Kläger die Sportwetten in das EU-Ausland (Malta); das entbindet ihn aber nicht von dem Erfordernis einer Erlaubnis durch die zuständige Behörde des Landes; denn nach § 3 Abs. 4 GlüStV wird ein Glücksspiel dort veranstaltet und vermittelt, wo dem Spieler die Möglichkeit zur Teilnahme eröffnet wird. Das ist die Gaststätte des Klägers in Konstanz.
21 
Dass der Firma ..., an die der Kläger Sportwetten vermittelt, in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union (hier: Malta) eine Erlaubnis zum Veranstalten von Sportwetten erteilt wurde, ändert an der Einstufung als unerlaubtes Glücksspiel nichts. Aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt sich nicht, dass diese Erlaubnis auch im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Geltung beanspruchen kann. Es sieht keine generelle Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zur gegenseitigen Anerkennung von Erlaubnissen vor, die von einem Mitgliedsstaat erteilt wurden. Der Glücksspielbereich ist auch nicht Gegenstand einer gemeinschaftsrechtlichen Harmonisierung. Vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt vom 12.12.2006 (ABl. Nr. L376/36 v. 27.12.2006) sind Glücksspiele einschließlich Lotterien und Wetten ausdrücklich ausgenommen (vgl. Erwägungsgrund Nr. 25 und Art. 2 Abs. 2 Buchst. h dieser Richtlinie). Auch die Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr vom 08.06.2000 (ABl. Nr. L178 v. 17.07.2000, S. 1), die in ihrem Artikel 3 das Herkunftslandprinzip vorschreibt, ist auf Glücksspiele nicht anwendbar (vgl. den Erwägungsgrund Nr. 16 und Art. 1 Abs. 5 Buchst. d, 3. Spiegelstrich). Die Auffassung des Generalanwalts (vgl. dessen Schlussanträge vom 16.05.2006 - Rs. C-338/04, C-359/04 und C-360/04, Placanica u.a.), wonach Gemeinschaftsrecht einer nationalen Regelung entgegenstehe, die unter anderem die Übermittlung von Wetten ohne die hierfür erforderliche Konzession des jeweiligen Mitgliedsstaats für Rechnung eines Unternehmers verbiete, der lediglich eine in dem Mitgliedsstaat seiner Niederlassung erteilte Zulassung besitzt, lässt sich mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht vereinbaren. Denn dieser hat mehrfach entschieden, dass den einzelnen Mitgliedsstaaten gerade ein Ermessensspielraum bei der Gestaltung ihrer Glücksspielpolitik eingeräumt wird (vgl. etwa EuGH, Urt. v. 06.11.2003, C-243/01 - Gambelli -). Dementsprechend hat sich der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 06.03.2007 (C-338/04 - Placanica -) diese Ausführungen auch nicht zu eigen gemacht. Vielmehr hat er auf seine bisherige Rechtsprechung verwiesen, die eine Reihe von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses anerkannt habe, aus denen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs gerechtfertigt seien.
22 
Dass die von einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft erteilte Konzession zum Veranstalten von Sportwetten im Bundesgebiet keine Geltung beanspruchen kann, ist mittlerweile gefestigte Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (vgl. zuletzt VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.03.2008 - 6 S 3069/07 -, mit zahlreichen Nachweisen).
II.
23 
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüstV scheidet als Rechtsgrundlage der angefochtenen Untersagungsverfügung jedoch aus.
24 
Die derzeitige Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols in Baden-Württemberg (vgl. § 10 Abs. 2 und 5 GlüstV) stellt eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des Klägers dar und ist europarechtswidrig (dazu II. 2 - 4). Das führt zur Europarechtswidrigkeit auch von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüstV; denn diese Bestimmung ermächtigt die Glücksspielaufsicht, das europarechtswidrige staatliche Glücksspielmonopol durchzusetzen und privaten Anbietern das Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten allein deshalb zu untersagen, weil dies gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüstV ohne Erlaubnis verboten ist. Ein auf präventive Kontrolle gerichtetes Erlaubnisverfahren existiert für private Sportwettenveranstalter wegen der Regelung des staatlichen Wettmonopols im Glücksspielstaatsvertrag aber nicht. Wegen der europarechtswidrigen Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols kann derzeit deshalb nicht von einer Erlaubnispflicht für private Anbieter von Sportwetten ausgegangen werden (so ebenfalls VG Berlin, Beschl. v. 02.04.2008 -VG 35 A 52/08-).
25 
Aus diesem Grunde kann die angefochtene Verfügung auch nicht - wovon das Regierungspräsidium ausgegangen ist - darauf gestützt werden, dass mit ihr ein Verstoß gegen die Strafrechtsnorm des § 284 StGB abgewehrt wird. Denn aus der verwaltungsakzessorischen Natur des § 284 StGB (vgl. hierzu: BGH, Urt. v. 16.08.2007 - 4 StR 62/07 -, NJW 2007, 3078 ff.) folgt, dass sich ein Anbieter oder Vermittler von Sportwetten nicht nach dieser Vorschrift strafbar macht, wenn - wie hier - die fehlende Erlaubnis auf einem Rechtszustand beruht, der europarechtswidrig die Dienstleistungsfreiheit verletzt.
26 
Dem stehen auch nicht die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 28.03.2006 entgegen; denn das Gericht hat lediglich für die von ihm eingeräumte Übergangszeit bis 31.12.2007 angenommen, dass das gewerbliche Veranstalten von Sportwetten durch private Wettunternehmen weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden darf (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, 1 BvR 1054/01 -, NJW 2006, 1261 ff.). Erweist sich die Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols nach Ablauf der Übergangsfrist aber als europarechtswidrig, kann von einem Verbot als Grundlage der angegriffenen Verfügung nicht mehr ausgegangen werden (vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 22.11.2007 - 1 BvR 2218/06 -, NVwZ 2008, 301 ff.).
27 
1. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile v. 15.07.1964 - Rs 6/64 - Costa/E.N.E.L. , und v. 09.03.1978 - Rs 106/77 - Simmenthal) besteht aus Art. 10 EG und dem als Strukturprinzip des Gemeinschaftsrechts entwickelten Grundsatz des „effet utile“ für nationale Gerichte die Pflicht, gemeinschaftsrechtswidriges nationales Recht von sich aus außer Anwendung zu lassen (vgl. zum Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts auch Streinz/Herrmann, BayVBl. 2008, 1 ff.). Hinsichtlich der Verwerfung nationaler Gesetze wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit ist zwar eine besonders sorgfältige Prüfung und auch Zurückhaltung geboten. Bei hinreichend manifesten Verstößen nationaler Rechtsnormen gegen das Gemeinschaftsrecht sind die nationalen Gerichte zu deren Nichtanwendung jedoch nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet. So verhält es sich nach Auffassung der Kammer hier. Denn der Europäische Gerichtshof hat bereits in mehreren Entscheidungen zum Glücksspielbereich die Voraussetzungen genau dargelegt, die erfüllt sein müssen, damit Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind (dazu im einzelnen II. 2 - 4). Er hat auch immer wieder betont, es sei Sache der nationalen Gerichte, darüber zu befinden, ob die streitigen Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs diese Voraussetzungen erfüllen. Angesichts dieser Rechtsprechung sieht die Kammer hinsichtlich der europarechtlichen Voraussetzungen für die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit keinen weiteren Klärungsbedarf, der Anlass für eine Vorlage an den Gerichtshof nach Art. 234 EG sein könnte. Zwar haben mehrere deutsche Verwaltungsgerichte (vgl. z.B. VG Stuttgart, Beschl. v. 24.07.2007 - 4 K 4435/06-) dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob der für eine Rechtfertigung des staatlichen Sportwettenmonopols gemeinschaftsrechtlich gebotene kohärente und systematische Beitrag zur Begrenzung der Wetttätigkeit lediglich auf den jeweiligen Glücksspielsektor zu beziehen oder unter Einbeziehung auch der nicht monopolisierten Glücksspiele, die -wie etwa Geldspielgeräte- ein höheres Suchtpotential aufweisen, umfassend zu verstehen ist. Auf die Beantwortung dieser Frage kommt es für die Kammer aber entscheidungserheblich nicht an, weil das staatliche Sportwettenmonopol auch ohne Berücksichtigung anderer Glücksspielsektoren derzeit gegen Gemeinschaftsrecht verstößt.
28 
2.a) Das Sportwettenmonopol des Landes stellt eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des Klägers dar. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist geklärt, dass die Veranstaltung, Vermittlung und Durchführung von Sportwetten Dienstleistungen i. S. v. Art. 49 EG sind (EuGH, Urt. v. 21.10.1999, C-67/98 - Zenatti -, Rdnr. 19; Urt. v. 24.03.1994, C-275/92 - Schindler -, Rdnr. 25; Urt. v. 21.09.1999, C-124/97 – Läärä -, Rdnr. 14). Ebenso ist geklärt, dass Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit außerhalb der Vorgaben des Art. 55 EG i. V. m. Art. 45, 46 EG nur dann zulässig sind, wenn sie nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 29).
29 
b) Im Bereich von Glücksspielen sind als zwingende Gründe des Allgemeininteresses der Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung, die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen und die Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung anerkannt (EuGH, Urt. Gambelli, Rdnr. 67). Innerhalb dieses Rahmens steht es im Ermessen jedes einzelnen Mitgliedstaats, welches Schutzniveau er gewährleisten will (EuGH, Urt. Schindler, Rdnr. 60, 61; Urt. Zenatti, Rdnr. 33, 34). Er kann sich zum Beispiel für ein Präventionsmodell entscheiden, das auf eine wesentliche Verminderung der Gelegenheit zum Spiel ausgerichtet ist, oder etwa auch für ein Kanalisierungsmodell, das darauf abzielt, durch ein auf Einnahmeerzielung und Expansion angelegtes Angebot einer begrenzten Zahl konzessionierter Privater die Glücksspieltätigkeiten aus dem Bereich des Illegalen und Kriminellen in geordnete und staatlich überwachte Bahnen zu lenken (EuGH, Urt. Placanica, Rdnr. 54, 55; s. dazu auch Wissenschaftlicher Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landtags, Gutachten v. 11.10.2007, S. 7 - Drs. LT-SLH 16/2460 -).
30 
Mit dem Glücksspielstaatsvertrag haben sich die deutschen Landesgesetzgeber für ein Präventionsmodell entschieden, das als Mittel zur Prävention auch die Kanalisierung des Spieltriebs der Bevölkerung beinhaltet. § 1 GlüStV nennt als Ziele, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirkliche wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen (Nr. 1), das Glücksspielangebot zu begrenzen und den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, insbesondere ein Ausweichen auf nicht erlaubte Glücksspiele zu verhindern (Nr. 2), den Jugend- und den Spielerschutz zu gewährleisten (Nr. 3) sowie sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt, die Spieler vor betrügerischen Machenschaften geschützt und die mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität abgewehrt werden (Nr. 4). Diese Ziele werden zwar ohne weiteres von den europarechtlich anerkannten Gründen des Allgemeininteresses umfasst. Von diesen Zielen hat allerdings bei verfassungskonformer Auslegung des Glücksspielstaatsvertrags nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 28.03.2006 (a.a.O., Rdnrn. 98 ff.) das in § 1 Nr. 1 des Vertrags genannte Ziel der Suchtbekämpfung im Vordergrund zu stehen. Nur mit Bezug zu diesem Ziel kann die in § 1 Nr. 2 GlüStV vorgesehene Kanalisierung durch ein staatliches, ausreichendes Glücksspielangebot (vgl. § 10 GlüStV) überhaupt verfassungsgemäß sein. Denn ein staatliches Monopol für Sportwetten ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft ausgerichtet ist (BVerfG, a. a. O., Rdnrn. 98, 119, 120). Ein auf Einnahmeerzielung und Expansion (vgl. EuGH, Urt. Placanica, Rdnr. 54, 55) angelegtes Staatsmonopol ist verfassungswidrig (BVerfG, a. a. O., Rdnr. 107, 141).
31 
c) Europarechtlich ist eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses nur zu rechtfertigen, wenn sie geeignet ist, die Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele zu gewährleisten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 32; Urt. Gambelli, Rdnr. 65). Hat sich ein Staat wie hier im Glücksspielstaatsvertrag - entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben - vorrangig für das Ziel der Suchtbekämpfung entschieden, so muss die Verwirklichung dieses Ziels in dem Sinne gewährleistet sein, dass die Beschränkungen kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen (EuGH, Urt. Gambelli, Rdnr. 67; Urt. Placanica, Rdnr. 53; siehe auch EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 14.03.2007, E-1/06 – Gaming Machines, Rdnr. 53). Dabei kommt es zentral auf die „Effektivität der Überwachung“ und die „Durchsetzung“ einer „wirklich restriktiven“ Glücksspielpolitik an (EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming Machines, Rdnr. 51).
32 
Diesen europarechtlichen Maßgaben entsprechen auch die verfassungsrechtlichen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts im Sportwetten-Urteil vom 28.3.2006 (a.a.O., Rdnr. 120), wonach eine konsequente Ausrichtung am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Spielsucht materiellrechtliche Regelungen und strukturelle Sicherungen erforderlich macht. Dementsprechend können die konkreten Vorgaben aus dem bundesverfassungsgerichtlichen Urteil auch zur Beantwortung der Frage der europarechtlichen Kohärenz und Konsistenz herangezogen werden.
33 
d) Der Europäische Gerichtshof hat immer wieder betont, dass es Sache des nationalen Gerichts - und damit hier der Kammer - ist zu prüfen, ob die angegriffene Regelung angesichts ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten tatsächlich den Zielen Rechnung trägt, die sie rechtfertigen könnten, und ob die mit ihr auferlegten Beschränkungen nicht außer Verhältnis zu diesen Zielen stehen (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 37; Urt. Gambelli, Rdnr. 75, 76; Urt. Placanica, Rdnr. 58, 72; vgl. auch EuGH, Urt. v. 5.6.2007, C-170/04 - Rosengren -, Rdnr. 46/47 bzw. Rdnr. 53/54). Maßgeblich sind dabei nicht nur die rechtliche Ausgestaltung der Beschränkung, sondern auch ihre tatsächlichen Anwendungsmodalitäten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 37, Urt. Gambelli, Rdnr. 75, 76), ihre Handhabung in der Praxis (EuGH, Urt. Rosengren, Rdnr. 46). Der Begriff des „Vorbehalts des Gesetzes“ in seiner im deutschen Staatsrecht geläufigen Ausprägung findet im Gemeinschaftsrecht keine Entsprechung, weil es hier nicht primär um den Schutz der Individualsphäre gegenüber hoheitlicher Macht, sondern um die Abgrenzung zwischen nationaler und gemeinschaftlicher Regelungsbefugnis geht (vgl. Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2.Aufl., 2005, S. 193 [219, 238]). Allerdings ist die vom Europäischen Gerichtshof geforderte „Kohärenz“ und „Systematik“ hinsichtlich der Begrenzung der Wetttätigkeiten ohne normative Vorgaben zur Ausgestaltung eines staatlichen Monopolbetriebs kaum denkbar. Ohne solche inhaltlich bestimmten Regelungen blieben Maß und Umfang der Begrenzung der Wetttätigkeit der Willkür des staatlichen Monopolisten überlassen, die infolge ihrer begriffsnotwendigen Konturlosigkeit und der Unvorhersehbarkeit ihrer Ergebnisse schlechterdings ungeeignet ist, die gebotene Begrenzung effektiv, widerspruchsfrei und nach klaren Regeln umzusetzen (vgl. zur Ungeeignetheit der schwedischen gesetzlichen Bestimmungen zum staatlichen Monopolvertrieb für Alkohol EuGH, Urt. Rosengren, Rdnr. 45 - 47). Entscheidend ist hier damit vor allem die rechtliche Ausgestaltung des Sportwettenmonopols, ohne dass jedoch die tatsächliche Umsetzung aus dem Blick gelassen werden darf.
34 
e) Danach kann das Staatsmonopol des Landes keinen Bestand haben, weil es in seiner aktuellen rechtlichen und tatsächlichen Verfassung das Ziel der Suchtbekämpfung nicht durch einen kohärenten und systematischen Beitrag zur Begrenzung der Wetttätigkeiten verwirklicht. Weder quantitativ noch qualitativ erweist sich das Monopol als Umsetzung einer konsequent an der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht ausgerichteten Glücksspielpolitik.
35 
aa) Gerade das vom Bundesverfassungsgericht beanstandete terrestrische Vertriebssystem unter der Maxime „weites Land – kurze Wege“, das das Wetten nicht begrenzt, sondern dazu ermuntert und anreizt, wird durch den neuen Glücksspielstaatsvertrag und das baden-württembergische Ausführungsgesetz nicht in Frage gestellt. Noch immer besteht das Vertriebsnetz - entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts - aus einer fast unvermindert gebliebenen Vielzahl von Zeitschriften- und Tabakläden oder ähnlichen kleinen oder mittelständischen Gewerbebetrieben, so dass der Vertrieb in „bewusster Nähe zum Kunden“ stattfindet und die Möglichkeit zum Sportwetten ein allerorts verfügbares "normales“ Gut des täglichen Lebens darstellt (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr. 138). Von dem europarechtlich gebotenen Beitrag zur Begrenzung der Wetttätigkeiten kann bei einem solchen Vertriebssystem, über das Oddset nach dem Verbot des Internetvertriebs (§ 4 Abs. 4 GlüStV) ausschließlich vermarktet wird, nicht die Rede sein.
36 
Eine bezifferte Obergrenze für die Zahl der Annahmestellen in Baden-Württemberg gibt es nicht (anders etwa § 7 SächsGlüStV -AG v. 14.12.2007 - SächsGVBl. 2007, S. 542: eine Annahmestelle je 3.200 Einwohner oder § 2 Abs. 5 Thüring. Gesetz zum GlüStV v. 18.12.2007 - GVBl. 2007, S.243: Gesamtzahl von 750 Annahmestellen in Thüringen darf nicht überschritten werden oder Art.1 Abs.3 S.2 BayAG-GlüStV v. 20.12.2007 - GVBl. 2007, S. 992: Zahl der Annahmestellen ist bis 31.12.2011 auf insgesamt 3.700 zu begrenzen). Zwar heißt es in § 10 Abs. 3 GlüStV, die Länder begrenzten die Zahl der Annahmestellen zur Erreichung der Ziele des § 1, das baden-württembergische Ausführungsgesetz wiederholt jedoch nur, dass Anzahl und flächenmäßige Verteilung der Annahmestellen an den Zielen des § 1 GlüStV auszurichten seien. Darüber hinaus normiert es nur, dass nicht mehr Annahmestellen unterhalten werden dürften, als zur Sicherstellung eines ausreichenden Glücksspielangebots erforderlich sei (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 u. Satz 2 Ausführungsgesetz). Anhaltspunkte, wie viel Glücksspiel als ausreichend anzusehen ist, liefert das Gesetz nicht. Auch für das vom Gesetz vorgesehene Vertriebskonzept des Veranstalters (§§ 2 Abs. 2 Nr. 5, 7 Abs. 1 Satz 3 AG-GlüStV) fehlen inhaltliche Vorgaben. In § 7 Abs. 1 Satz 4 AG-GlüStV heißt es nur, dass das Konzept sich insbesondere an der räumlichen Bevölkerungsstruktur zu orientieren habe. Eine solche Orientierung mag eventuell Anhaltspunkte für die flächenmäßige Verteilung der Annahmestellen geben, lässt jedoch keinerlei Rückschlüsse auf die zulässige Anzahl von Annahmestellen zu.
37 
Außer konkreten, inhaltlichen Vorgaben für die Begrenzung der Zahl der Annahmestellen fehlen auch gesetzlich geregelte wirksame Kontrollmechanismen.
38 
§ 7 Abs. 1 Satz 3 AG-GlüStV überträgt die nähere Ausgestaltung der Anzahl und der flächenmäßigen Verteilung der Annahmestellen dem Veranstalter oder der mit der Durchführung der Glücksspiele beauftragten juristischen Person, die ein entsprechendes Vertriebskonzept zu erstellen haben. Damit aber wird die Festlegung der Grenzen an den eigentlich zu kontrollierenden Monopolisten selbst delegiert.
39 
Auch eine Kontrolle des Vertriebskonzepts sieht das Ausführungsgesetz nicht unmittelbar vor, sondern nur mittelbar bei der Erteilung der Glücksspielerlaubnis (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 5). Die Übergangsregelungen des § 25 Abs. 1 GlüStV, wonach die bis zum 01.01.2007 erteilten Konzessionen, Genehmigungen und Erlaubnisse bis zum 31.12.2008 als Erlaubnis fortgelten, sowie des § 2 Abs. 1 Satz 2 AG-GlüStV, wonach die vom Land bereits zum 01.01.2007 veranstalteten Glücksspiele noch bis zum 31.12.2008 ohne Erlaubnis fortgeführt werden dürfen, führen jedoch dazu, dass bis Ende diesen Jahres noch nicht einmal diese mittelbare Kontrolle über § 2 Abs. 2 Nr. 5 AG-GlüStV stattfindet.
40 
Allein die Möglichkeit des Einschreitens der Glückspielaufsicht nach § 9 Abs. 1 GlüStV stellt keinen wirksamen Kontrollmechanismus dar. Dies zeigt sich etwa daran, dass der baden-württembergische Monopolist, die Toto-Lotto GmbH, trotz gesetzlicher Verpflichtung nach § 7 Abs.1 AG-GlüStV bislang kein Vertriebskonzept besitzt, ohne dass dies Konsequenzen für seine Tätigkeit nach sich gezogen hätte. Nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung hat dieser bisher nur einen unzureichenden Entwurf eines Vertriebskonzepts vorgelegt.
41 
Auch zu den einzelnen Annahmestellen enthalten die gesetzlichen Regelungen keinerlei konkrete Vorgaben. So heißt es unter § 7 Abs. 2 AG-GlüStV neben Zuverlässigkeitsanforderungen an den Betreiber nur allgemein, dass die Anforderungen der § 4 Abs. 3, §§ 5, 7 GlüStV sichergestellt werden müssten und dass die Annahmestelle dem Vertriebskonzept entsprechen und nicht in Spielhallen oder in Räumlichkeiten betrieben werden dürfe, die nach ihrer Lage, Beschaffenheit, Ausstattung und Einteilung dem Ziel entgegenstünden, nur ein begrenztes Glücksspielangebot zuzulassen (§ 7 Abs. 2 Nr. 5 AG-GlüStV). Genaueres fehlt wiederum, etwa dazu, zusammen mit welchem Warenangebot Oddset vertrieben werden darf, damit es gerade nicht mehr als allerorts verfügbares Gut des täglichen Lebens (vgl. dazu BVerfG, a. a. O., Rdnr. 138) gehandelt wird, oder dazu, welche Entfernung die Annahmestelle zu besonders von Jugendlichen genutzten Einrichtungen wie Schulen, Jugendzentren oder Ähnlichem einzuhalten hat.
42 
Auch für den überwiegenden Teil der Annahmestellen sieht das Gesetz derzeit keine Kontrolle vor. Denn nach § 7 Abs. 4 AG-GlüStV darf eine Annahmestelle, die bereits zum 01.01.2007 in ein öffentliches Glücksspiel des Landes vermittelt hat, diese Vermittlung noch bis zum 31.12.2008 ohne Erlaubnis fortsetzen. Darüber hinaus ist in § 7 Abs. 2 Satz 3 AG-GlüStV vorgesehen, dass die zuständige Behörde die Aufgabe der Erteilung der Erlaubnis für den Betrieb einer Annahmestelle der mit der Durchführung des Glücksspiels beauftragten Stelle im Wege der Beleihung übertragen kann. Durch ein solche Beleihung wird wiederum der Monopolist selbst mit seiner eigenen Kontrolle beauftragt. Auch dies macht deutlich, dass das Gesetz nicht auf eine effektive Kontrolle des Monopolisten zur Sicherstellung der Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV, insbesondere der Suchtbekämpfung, angelegt ist.
43 
Die derzeitige tatsächliche Situation spiegelt diese aufgezeigten rechtlichen Defizite wider. Ein Vertriebskonzept existiert nicht; die Zahl der Annahmestellen ist seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach den Angaben des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung nur geringfügig von 3.750 auf 3.656 gesunken. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass dieser Rückgang auf ein entsprechendes Konzept und nicht nur auf Insolvenzen oder sonstige wirtschaftlich bedingte Aufgaben der Annahmestellen zurückzuführen ist. Die freiwillige Schließung von legalen Annahmestellen der Toto-Lotto GmbH durch ihre Betreiber ist nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung jedenfalls nicht genutzt worden, um die Gesamtzahl der Stellen zu reduzieren; vielmehr ist in etwa 40 bis 50 Fällen für geschlossene Annahmestellen jeweils Ersatz zugelassen worden, entweder indem der Weiterbetrieb durch einen neuen Inhaber oder aber die Eröffnung einer neuen Annahmestelle in der Nachbarschaft zugelassen wurde. Nach wie vor ist Oddset deshalb wie ein Gut des täglichen Lebens allerorts verfügbar. Die Zahl der Annahmestellen in Baden-Württemberg (3.656 - d.h. bei 10.736.000 Einwohnern kommt eine Annahmestelle auf 2.936 Einwohner; Ende 2006 waren es 3.674, d.h. eine je 2923 Einwohner - siehe Geschäftsbericht 2006 der Toto-Lotto GmbH v. 17.04.2007, S. 36 - www.lotto-bw.de) übertrifft bei weitem die Zahl etwa von Postfilialen (bundesweit eine für 6.875 Einwohner, vgl. VG Berlin, Beschl. v. 02.04.2008 -VG 35 A 52.08 -) und selbst die von Apotheken (bundesweit eine für 3.889 Einwohner, vgl. VG Berlin, a. a. O.). Auch wenn diese Zahlen angesichts der Unterschiede von Postfilialen, Apotheken und Annahmestellen nicht ohne weiteres direkt miteinander vergleichbar sind, vermitteln sie jedoch einen plastischen Eindruck von der tatsächlichen Dichte der vorhandenen Annahmestellen. Weshalb eine solche Dichte in der heutigen Mobilitätsgesellschaft für die Sicherstellung eines am Ziel der Suchtbekämpfung orientierten Glücksspielangebots notwendig sein soll, ist nicht ersichtlich.
44 
Nach wie vor wird Oddset vor allem in Zeitschriften-, Schreibwaren- und Tabakläden, Supermärkten und Tankstellen vertrieben und damit nicht nur gezielt dem interessierten Kundenkreis, sondern einem breiten Publikum angeboten und darüber hinaus auch Jugendlichen und Kindern bekannt gemacht. Nach wie vor existieren Annahmestellen in unmittelbarer Nähe zu Schulen oder anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen, wie in der mündlichen Verhandlung beispielhaft aus Waldshut-Tiengen berichtet wurde. Damit ist der Vertrieb auf Expansion und nicht auf Selbstbeschränkung und Eingrenzung angelegt. Dass es nach den Teilnahmebedingungen für Oddset zum Wetten einer Kundenkarte bedarf (vgl. § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi-Wette vom 08.11.2007, GABl. 2007, S. 639 und § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette, Ausgabe Januar 2008, GABl. 2007, S. 648), ändert an der Verfügbarkeit wie ein Gut des täglichen Lebens nichts, nachdem die Kundenkarte als „Spielpass“ kostenlos gegen Vorlage eines Ausweises ausgegeben wird und sofort nach Beantragung dieses „Passes“ gespielt werden kann (vgl. Informationen zum Spielangebot der Toto-Lotto GmbH Bad.-Württ., Stand Januar 2008, S. 20).
45 
Die Betreiber der Annahmestellen erhalten nach wie vor umsatzabhängige Provisionen für die Vermittlung von Sportwetten und haben damit ein starkes Eigeninteresse an der Steigerung des Umsatzes. Dieses Interesse wird nicht dadurch beseitigt, dass die Toto-Lotto GmbH seit dem 01.01.2008 eine Zusatzvereinbarung mit den Inhabern der Annahmestellen geschlossen hat, wonach der Glücksspielbereich nur eine untergeordnete Nebentätigkeit sein darf. Abgesehen davon, dass in der mündlichen Verhandlung von den Klägervertretern konkret Fälle genannt wurden, bei denen diese Zusatzvereinbarung nicht eingehalten werden soll, und der Beklagtenvertreter dem nichts zu entgegnen wusste, bedeutet der privatrechtliche Handelsvertretervertrag, den die Lottogesellschaften mit ihren Annahmestellen geschlossen haben (vgl. dazu Bundeskartellamt, Beschl. vom 23.08.2006 - B 10-92713-Kc-148/05 - Rdnr. 77), dass deren Betreiber einen Provisionsanspruch nach § 87 HGB besitzen und umso mehr verdienen, je mehr Spieleinnahmen sie für die Lottogesellschaft eingebracht haben. Daher haben sie auch dann, wenn sie die Glücksspielvermittlung nur als Nebentätigkeit betreiben, ein eigenes und sehr großes wirtschaftliches Interesse daran, möglichst viele Kunden zu akquirieren. An diesem System, wie es das Bundeskartellamt im Jahr 2006 vorgefunden hat (vgl. Beschl. v. 23.08.2006, a. a. O.), hat sich bislang nichts geändert, wie der Vertreter des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat. Die Bestimmung in den Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht (Anhang zum Glücksspielstaatsvertrag), dass die Vergütung der leitenden Angestellten von Glücksspielveranstaltern nicht abhängig vom Umsatz berechnet werden darf (Nr. 3 der Richtlinien), hat eher Feigenblattcharakter, nachdem der Verdienst gerade der Personen mit dem direkten Kundenkontakt, nämlich der Betreiber der Annahmestellen, umsatzabhängig ist.
46 
Die Glücksspielaufsicht ist nur minimal ausgestattet. Für ganz Baden-Württemberg sind im zuständigen Regierungspräsidium Karlsruhe (vgl. § 2 des Gesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag vom 11.12.2007) nur zwei Personen für die Überwachung des Monopolisten und seiner 3.656 Annahmestellen zuständig. Dem entspricht, dass es nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung noch nicht zu einer Sichtung, geschweige denn Überprüfung des Bestands an Annahmestellen gekommen ist. Auch über einzelne Beanstandungen bei Annahmestellen konnte der Beklagtenvertreter nichts berichten, was angesichts der hohen Zahl von Annahmestellen sicherlich nicht darauf zurückzuführen ist, dass es keine zu beanstandenden Verstöße gegeben hat.
47 
bb) Diese Defizite in der rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung des Vertriebssystems werden auch nicht durch die qualitativen Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags zur Einschränkung der Werbung und zur Suchtprävention ausgeglichen.
48 
Die inhaltlichen Regelungen zur zulässigen Werbung in § 5 Abs. 1 u. 2 GlüStV sind sehr allgemein gehalten und kranken vor allem daran, dass unklar ist und auch vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung nicht erhellt werden konnte, wo die Grenze zwischen informativer, aufklärender Werbung und unzulässiger anreizender und ermunternder Werbung verläuft. Dementsprechend konnte einer der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung auch eine Vielzahl von Werbebroschüren und -artikeln präsentieren, die weit über eine Information und Aufklärung hinausgingen und sich offensichtlich auch an Minderjährige richteten, wie etwa Schokoladentäfelchen mit dem Aufdruck auf der Banderole: „Der Leckerbissen im Jubiläumsjahr 2008 Lotto Baden-Württemberg“. Auch wenn die vorgelegten Beispiele Werbung für die Dachmarke Lotto (vgl. zur Ausgestaltung und Wirkung der Dachmarke VG Berlin, a. a. O., S.25) und verschiedene Lotterieveranstaltungen, nicht aber unmittelbar für Sportwetten enthielten, belegen sie doch, dass die Werbebeschränkungen rechtlich wie tatsächlich nicht die Ziele des § 1 GlüStV verwirklichen. Denn nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung stimmt die Toto-Lotto GmbH jede Werbemaßnahme mit der Glücksspielaufsicht ab, so dass davon auszugehen ist, dass auch die vorgelegten Werbeexemplare vorher von der Glücksspielaufsicht als unbedenklich eingestuft worden waren. Gleiches gilt für die unstreitig in Fußballstadien vorhandene Bandenwerbung für die Dachmarke Lotto, die wohl kaum als informativ und aufklärend im Sinne des § 5 Abs. 1 GlüStV bezeichnet werden kann und zudem eine Umgehung des Verbots von Bandenwerbung für Sportwetten in § 21 Abs. 2 Satz 2 GlüStV darstellt. Denn die Dachmarke steht nach ihrem Sinn und Zweck gerade für das gesamte, unter ihr vertriebene Glücksspielangebot, zu dem auch die Sportwetten gehören.
49 
Darüber hinaus ist Werbung zwar im Fernsehen, Internet und über Telekommunikationsanlagen verboten (§ 5 Abs. 3 GlüStV), jedoch nach wie vor in großer Bandbreite über Radiospots, Werbetafeln, Printmedien, Zeitungsanzeigen und Postwurfsendungen möglich (siehe dazu VG Berlin, a. a. O., S. 25-27).
50 
Soweit der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass der Umsatz der Oddset-Kombiwette im Jahr 2007 um 28 % und der Topwette um 48% sowie im ersten Quartal 2008 um 22% bzw. 32% zurückgegangen sei, konnte seinen Ausführungen nicht entnommen werden, dass dieser Rückgang Folge einer streng an der Begrenzung der Wetttätigkeit orientierten Glücksspielpolitik und Glücksspielaufsicht wäre. Vielmehr ist im Geschäftsbericht der staatlichen Toto- Lotto GmbH nachzulesen, dass die im Glücksspielstaatsvertrag geregelte Einstellung des Internetspiels und die Reduzierung der Werbeaktivitäten nur zu „leichten Umsatzrückgängen“ geführt hätten und davon auszugehen sei, dass eine fortgesetzte Werbeinschränkung zwecks Spielerschutz in Zukunft nur „vorübergehend“ zu Umsatzrückgängen führen werde (Geschäftsbericht a.a.O., S.38).
51 
Auch die Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrags zur Suchtprävention enthalten strukturelle Defizite, die sich wiederum in der aktuellen, tatsächlichen Situation widerspiegeln.
52 
Zwar sieht § 8 GlüStV eine Spielersperre vor; es fehlt jedoch an der Regelung eines Verfahrens, das sicherstellt, dass es tatsächlich auch zu Spielersperren kommt. Eine Kontrolle der Spielausgaben eines einzelnen Spielers, aus deren Höhe auf eine Spielsuchtgefährdung geschlossen werden könnte, sieht der Glücksspielstaatsvertrag nicht vor. Eine Spielersperre kann also nur dann verhängt werden, wenn der Spieler sie selbst beantragt oder das Personal oder sonstige Dritte zufällig Anhaltspunkte für Spielsuchtgefährdung, Überschuldung oder überhöhte Spieleinsätze wahrnehmen. Diese Möglichkeiten laufen in der Praxis aber weitgehend leer. Das Personal erfährt auch über die Kundenkarten oder Spielpässe (vgl. dazu Informationen zum Spielangebot der Toto-Lotto GmbH Bad.-Württ., Stand Januar 2008, S. 20, 21), die vor allem der Identifizierung eines Spielers dienen sollen (vgl. § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi-Wette vom 08.11.2007, GABl. 2007, S. 639 und § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette, Ausgabe Januar 2008, GABl. 2007, S. 648), nichts über sein früheres Spielverhalten. Damit wird die vorgesehene Schulung des Personals, das problematisches Spielverhalten anhand eines plötzlichen Anstiegs des Entgelts oder der Spielfrequenz frühzeitig erkennen soll (vgl. § 6 Satz 2 GlüStV i. V. m. Nr. 1c der Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht), gerade angesichts der Dichte der Annahmestellen und der Möglichkeit für Spieler, ihre Wetten zu streuen, zu einem wenig wirkungsvollen Instrument. Abgesehen davon dürfte ein großer Teil des Personals bislang noch nicht geschult sein; bis Ende 2006 jedenfalls hatten erst 1.297 Betreiber von Annahmestellen, also nur ein gutes Drittel, an Schulungen teilgenommen (Geschäftsbericht Toto-Lotto GmbH, S. 27). So verwundert es nicht, dass der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung von keiner einzigen verhängten Spielersperre berichten konnte, obwohl bundesweit doch immerhin 250.000 Personen Anzeichen von Glücksspielsucht aufweisen sollen (vgl. Drucks. 14/1350 des Landtags von Bad.-Württ., S. 2).
53 
Höchsteinsätze für Sportwetten - spieler- und zeitraumbezogen oder wenigstens spielbezogen - sind weder im Glücksspielstaatsvertrag noch im Ausführungsgesetz geregelt. Allein die normativ nicht verankerten Teilnahmebedingungen enthalten gewisse, teilweise sehr hohe (bis zu 5.000 EUR) Grenzen, die sich jedoch nur auf einen Spielvorgang, nicht aber auf die Ausgaben eines Spielers innerhalb eines bestimmten Zeitraums beziehen (vgl. § 6 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi-Wette vom 08.11.2007, GABl. 2007, S. 639 und § 6 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette, Ausgabe Januar 2008, GABl. 2007, S. 648; s. dazu auch VG Berlin, a. a. O., S. 30 f.).
54 
Das in § 6 GlüStV vorgesehene Sozialkonzept wird in seiner Ausgestaltung wiederum dem Monopolisten selbst überlassen. Nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung gibt es zwar ein Sozialkonzept des baden-württembergischen Monopolisten. Dieses stammt aber noch aus dem Jahr 2004, kann die Vorgaben des neuen Glücksspielstaatsvertrags also gar nicht umgesetzt haben.
55 
Am Rande sei im Übrigen darauf hingewiesen, dass auch der in § 10 Abs. 1 Satz 2 GlüStV vorgesehene Fachbeirat offensichtlich nicht existiert, nachdem dem Beklagtenvertreter darüber nichts bekannt war.
56 
Die Kammer verkennt nicht, dass die Toto-Lotto GmbH im Bereich der Aufklärung (§ 7 GlüStV) mit den Hinweisen auf Spielscheinen, Losen und Quittungen (§ 7 Abs. 2 GlüStV), der Aufklärungsbroschüre „Spielen mit Verantwortung“, der Einrichtung der Internetseite „www.spielen-mit-verantwortung.de“ und - vor allem telefonischen - Beratungsangeboten konkrete Schritte zur Suchtbekämpfung unternommen hat. Diese Schritte ändern jedoch nichts daran, dass das Konzept des Spielerschutzes unzureichend ausgestaltet ist, und sind vor allem nicht geeignet, ein zum Wetten anreizendes und ermunterndes europarechts- und verfassungswidriges Vertriebssystem zu rechtfertigen.
57 
3. Das Sportwettenmonopol des Landes ist zudem auch deshalb europarechtswidrig, weil es eine unverhältnismäßige, nämlich zur Erreichung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags nicht erforderliche Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt (ebenso VG Arnsberg, Beschl. v.l 05.03.2008 -1 L 12/08 -, juris und VG Frankfurt a.M., Beschl. v. 09. 01. 2008 - 7 G 4107/07(3) ).
58 
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dürfen Maßnahmen zur Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist (vgl. EuGH, Urt. v. 30.11.1995 - C-55/94 -, Gebhard, Rdnr.37; Urt. v. 31.03.1993 - C-19/92-, Kraus, Rdnr.41; Urt. v. 26.11.2002 - C-100/01, Olazabal, Rdnr.43; vgl. zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Europarecht: Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2.Aufl., 2005, S.805 - 841; zur Verhältnismäßigkeit in den EuGH-Urteilen zum Glücksspielmarkt: Haltern, Gemeinschaftsrechtliche Aspekte des Glücksspiels, 2007, S.21, 22).
59 
Hinsichtlich eines staatlichen Glücksspiel-Monopols haben die nationalen Gerichte daher zu prüfen, ob dieses notwendig ist, um die mit dem Glücksspiel verbundenen Probleme (Spielsucht, Missbrauchsgefahren, Kriminalität etc.) auf das angestrebte Maß zu reduzieren oder dies nicht genauso gut durch weniger einschneidende Maßnahmen, wie etwa die Zulassung privater Anbieter unter strengen Konzessionsbedingungen erreicht werden kann (EuGH, Urt. Läärä, Rdnr.39; EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr.48, 49). Insbesondere ist zu prüfen, ob der staatliche Monopolist verglichen mit einem konzessionierten privaten Anbieter einen geringeren wirtschaftlichen Anreiz zur Verletzung reglementierender Vorschriften und ein geringeres Interesse an aggressiver Vermarktung hat und ob der Staat den öffentlich-rechtlichen Monopolanbieter effektiver überwachen kann oder ob nicht private Anbieter gleichermaßen einer solchen Überwachung unterworfen werden können (vgl. EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 30.05.2007 - E 3/06 -, Ladbrokes, Rdnr.58, 62). Die zentralen Punkte der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind dabei die Effektivität der Überwachung und die Durchsetzung einer wirklich restriktiven Glücksspielpolitik (EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr.51).
60 
Zwar steht es grundsätzlich im Beurteilungsermessen des Mitgliedsstaates, zu entscheiden, ob ein Monopol unter diesen Aspekten vorzugswürdiger ist als eine staatliche Aufsicht über private Anbieter. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist dabei allerdings in jedem Fall einzuhalten (EuGH, Urt. Läärä, Rdnr.39). Die eng auszulegende Ausnahme einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit muss der Mitgliedsstaat außerdem rechtfertigen, nämlich schlüssig, plausibel und überzeugend darlegen, dass die Beschränkung gerechtfertigt ist und auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Insoweit trägt er die Darlegungslast dafür, dass das Ziel nicht auch durch mildere Mittel erreicht werden kann (vgl. EuGH, Urt. v. 13.09.2007 - C-260/04-, Kommission./.Italien.Republik, Rdnr.33 m.w.N.; Urt. Placanica, Rdnr.48,49; Urt. Rosengren, Rdnr.50, 57; ähnlich der EFTA-Gerichtshof, der von einer „Beweislast“ des Mitgliedstaates spricht: vgl. Urt. Ladbrokes, Rdnr.42 und Urt. Gaming-Machines, Rdnr.31; zur Darlegungslast auch Haltern, Gemeinschaftsrechtliche Aspekte des Glücksspiels, 2007, S.28 ). Versäumt der Mitgliedstaat eine solche Darlegung, ist die Maßnahme unverhältnismäßig (EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr.50).
61 
Insoweit unterscheidet sich die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs von der des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 18.12.1968 - 1 BvL 5/64 u.a. -, BVerfGE 25, 1; Beschl. v. 14.10.1975 - 1 BvL 35/70 u.a. -, BVerfGE 40, 196; Beschl. v. 06.10.1987 - 1 BvR 1086/82 u.a. -, BVerfGE 77, 84; Beschl. v. 19.07.2000 - 1 BvR 539/96 - BVerfGE 102, 197 und Urt. v. 28.03.2006, a.a.O.), das die Last, die gesetzgeberischen Einschätzungen zu widerlegen und zu entkräften, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung dem Gericht auferlegt (zu diesem Unterschied Bungenberg, DVBl. 2005, 1405 [1410, 1411]; zum Unterschied zwischen EuGH und EFTA-Gerichtshof in diesem Punkt Winkelmüller, GewArch 2007, 235 [237]). Gültigkeit dürfte aber auch im europarechtlichen Kontext der Ansicht des BVerfG zukommen, dass der Gesetzgeber nicht vor Ergreifung des strengeren Mittels erst den ungewissen Ausgang der Anwendung eines milderen Mittels abwarten muss, zumal dann, wenn er in der Vergangenheit schon erfolglose Schritte in dieser Richtung unternommen hat (Beschl. v. 14.02.1967 - 1 BvL 17/63 -, BVerfGE 21, 150 [158]). Das gilt auch für die Aussage, dass der mit einer vorgeschlagenen Alternative verbundene hohe Kontrollaufwand beachtlich ist und dass nicht erwartet werden kann, dass über das vernünftigerweise von der Gesellschaft erwartbare Maß hinaus Mittel zur Aufstockung personeller und sachlicher Ressourcen der Kontrollbehörden eingesetzt werden, um eine in das Grundrecht stärker eingreifende Regelung zu vermeiden (Beschl. v. 06.10.1987, a.a.O.). Schließlich sind bei der Alternativenprüfung auch die dem Gesetzgeber bekannten Tatsachen und die bisher in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen mit Alternativen beachtlich (Beschl. v. 18.12.1968, a.a.O., S. 12, 19). Insbesondere kann es zur Unverhältnismäßigkeit eines staatlichen Monopols führen, wenn die bisherigen mit konzessionierten Privaten gemachten positiven Erfahrungen ignoriert werden (Beschl. v. 19.07.2000, a.a.O.). Schließlich muss sich der Gesetzgeber um eine flexible Gestaltung des Marktsystems und, „wo immer der Markt es erlaubt“, auch um die Eröffnung des Zugangs zum Markt bemühen (Beschl. v. 14.10.1975, a.a.O.).
62 
Nach diesen Maßstäben und Grundsätzen ist vom beklagten Land weder plausibel dargelegt noch sonst ersichtlich, dass das durch den Glücksspielstaatsvertrag begründete Sportwettenmonopol zur Erreichung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags erforderlich ist. Der Landesgesetzgeber (siehe Gesetzentwurf „III. Alternativen“ , LT-Drs. 14/1930, S. 31) beruft sich lediglich darauf, eine völlige Liberalisierung des Glücksspielmarktes anstelle eines staatlichen Monopolangebots sei völlig ungeeignet, weil es dann zu einer enormen Expansion des Marktes mit einer Verzehnfachung der gegenwärtigen Umsätze der Annahmestellen komme und damit gleichermaßen die Zahl der suchtkranken und suchtgefährdeten Glücksspieler sowie die Begleit- und Beschaffungskriminalität ansteige (so auch BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr. 113 und -im Rahmen der Folgenabwägung- ebenso VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.03.2008 - 6 S 3069/07-, juris). Dieser Einwand greift hingegen nicht gegenüber der ohne weiteres auch denkbaren Alternative der Erteilung eines begrenzten Kontingents von Konzessionen an private Wettanbieter (EuGH, Urt. Placanica, Rdnr.57, 58). Dagegen führt der Landesgesetzgeber unter Bezug auf die Sportwettenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Urt. v. 28.03.2006, a.a.O.) an, die Suchtgefahren könnten mit Hilfe eines auf die Bekämpfung von Glücksspielsucht und problematischem Spielverhalten ausgerichteten Monopols mit staatlich verantwortetem Angebot „effektiver beherrscht werden“ als im Wege einer Kontrolle privater Veranstalter (LT-Drs. 14/1930, S. 29). Diese Einschätzung beruht auf der Annahme, dass der Staat ein staatlich beherrschtes Monopolunternehmen grundsätzlich leichter überwachen und instruieren kann als er dies gegenüber einer Vielzahl privater Anbieter könnte (so ausdrücklich EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr. 51). Dies setzt aber voraus, dass die öffentliche Hand anders als bei der Beaufsichtigung Privater zur Durchsetzung einer an der Suchtprävention orientierten Vertriebsform nicht auf den Einsatz mitunter langwieriger hoheitlicher Aufsichts- und Ordnungsmittel angewiesen ist, sondern die Zielkonformität der Geschäftspolitik des ihr unterworfenen staatlichen Monopolbetriebs durch direkte Weisungen durchsetzen kann (vgl. Fremuth, EuZW 2007, 565 [568]) und dass es hier nur der Beaufsichtigung eines einzigen Wettanbieters, nämlich des staatlichen Monopolanbieters, statt der Beaufsichtigung einer Vielzahl von privaten Wettanbietern bedarf, die einen viel umfangreicheren Kontrollaufwand bedingt (vgl. Walz, EuZW 2004, 523 [525] ).
63 
An diesen beiden Grundvoraussetzungen für Annahme größerer Effektivität fehlt es jedoch im vorliegenden Fall des baden-württembergischen Sportwettenmonopols gerade. Die Toto-Lotto GmbH, die in Baden-Württemberg die Sportwetten als staatlicher Monopolbetrieb anbietet, steht zwar aufgrund der unmittelbaren Landesbeteiligung gem. § 1 Abs.5 AG-GlüStV unter dem direkten Einfluss des Landes auf die Zielkonformität der Unternehmenspolitik. Ihrerseits aber bietet sie die Sportwetten nicht über ein Netz eigener zahlenmäßig begrenzter Annahmestellen mit eigenen, unmittelbarer Weisung unterworfenen Angestellten an. Vielmehr besteht das Vertriebsnetz der Toto-Lotto GmbH aus einer Vielzahl von 3656 Annahmestellen, die von privaten Inhabern von Lebensmittel-, Zeitschriften- und Tabakläden sowie Tankstellen aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags mit der Toto-Lotto GmbH betrieben werden. Der Kontrollaufwand, den die Toto-Lotto GmbH selbst und vor allem die staatliche Glücksspielaufsicht bei der Beaufsichtigung dieser großen Zahl von Annahmestellen zu leisten hat, ist damit nicht ohne weiteres geringer als im Falle einer zahlenmäßig begrenzten Konzessionierung privater Sportwettenanbieter. Auch die Durchsetzungsmacht des staatlichen Sportwettenmonopols im Falle von Verstößen der Annahmestellen gegen die Vorschriften über die Spielsuchtprävention ist nicht größer als im letztgenannten Fall eines kontingentierten Konzessionssystems: Zwar erwecken die Teilnahmebedingungen den Eindruck, die Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg betreibe eigene Verkaufsstellen in eigener Regie (§ 1 Abs.2 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi und die Oddset-Top-Wette - GABl. 2007, S. 639: „Die Gesellschaft unterhält zur Durchführung ihres Auftrags in Baden-Württemberg Verkaufsstellen und Bezirksdirektionen“). Tatsächlich aber bedient sie sich nicht eigener Verkaufsstellen, sondern lediglich eines Netzes von Privaten, die ihr auf privatvertraglicher Basis Wetten vermitteln. Mangels direkter Weisungsbefugnis hat also auch die staatliche Toto-Lotto GmbH im Falle von Verstößen gegen Vorschriften über die Spielsuchtbegrenzung nur die Möglichkeit vertragsrechtlicher Konsequenzen, gegen die die privaten Inhaber der Annahmestellen ebenso Vertragsrechtsschutz vor den Zivilgerichten in Anspruch nehmen könnten, wie private Konzessionäre vor den Verwaltungsgerichten öffentlich-rechtliche Ordnungsverfügungen der Glücksspielaufsichtsbehörde anfechten könnten. Der EuGH hat insoweit aber klar entschieden (Urt. Rosengren, Rdnrn. 52 - 57), dass z.B. ein Alkohol-Monopol nur dann gerechtfertigt ist, wenn es den „Bediensteten des Monopols“ erlaubt, eine konsequente Alterskontrolle durchzuführen, dass es hingegen unverhältnismäßig ist, wenn der staatliche Monopolist sich gar nicht eigener Angestellter bedient, sondern die Verantwortung für die Alterskontrolle privaten Dritten überträgt, indem er sich damit einverstanden erklärt, dass zahlreiche Angestellte „außerhalb der Niederlassungen des Monopols“, beispielsweise in „Lebensmittelgeschäften und Tankstellen“ diese Kontrollen vornehmen. Die Verhältnismäßigkeit des Monopols sei nicht nachgewiesen, denn unwidersprochen sei geblieben, dass eine Alterskontrolle auch mittels einer Formblatterklärung gegenüber Privaten verbunden mit geeigneten strafrechtlichen Sanktionen als weniger einschneidende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit in Betracht komme.
64 
Das staatliche Monopolsystem lässt sich im vorliegenden Fall auch nicht mit dem Argument rechtfertigen, es sei weniger als die privaten Sportwettenanbieter auf die Einnahmen aus den Sportwetten angewiesen, habe also einen geringeren wirtschaftlichen Anreiz, gegen die zur Eindämmung der Spielsucht erlassenen Vorschriften zu verstoßen (so aber Fremuth, a.a.O., S. 568). Die gegenteilige Einschätzung ergibt sich vielmehr aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr. 154), das gerade gegenüber den staatlichen Monopolanbietern von Sportwetten die Einführung einer von staatlichen Finanzinteressen unabhängigen Kontrollinstanz gefordert hat (siehe § 9 Abs.6 GlüStV), nachdem aufgrund der bisherigen Erfahrungen die Gefahr besteht, dass sie eine allein an finanziellen Interessen, nicht aber an der Spielsuchtprävention orientierte Glücksspielpolitik betreiben (siehe zu dem nach wie vor fortbestehenden starken finanziellen Interesse an Beibehaltung des Sportwettenmonopols auch die entsprechenden Äußerungen von Landtagsabgeordneten - LT-Drs.14/1526, S.6).
65 
Das staatliche Monopolsystem kann zudem nicht für sich reklamieren, weniger an einer aggressiven Vermarktung von Sportwetten interessiert zu sein, als es im Alternativfall kontingentiert konzessionierte private Sportwettenanbieter wären. Zwar müssen die konkurrierenden Wettanbieter schon aus Profitinteresse werbend auf sich aufmerksam machen, wenn sie den Spielermarkt unter sich aufteilen und sich dazu voneinander unterscheiden wollen (vgl. zur Werbung als wesentlichem Wettbewerbselement EuGH, Urt. v. 19.09.2006 - C-356/04 -, Lidl), während ein Monopolbetrieb naturnotwendig dann keiner Werbung bedarf, wenn er tatsächlich der einzige Anbieter auf dem Markt ist. Die staatliche Toto-Lotto GmbH ist aber tatsächlich gar nicht der einzige Sportwettenanbieter und muss daher ebenfalls mit intensiver Werbung auf sich aufmerksam machen, wie ihre Strategie einer Werbung unter der Dachmarke „Lotto“ zeigt (dazu oben ). Denn den Spielern in Baden-Württemberg steht neben dem staatlichen Sportwettenangebot ein großer Sportwettenmarkt im Internet offen, der sich trotz seiner Illegalität schlichtweg nicht unterdrücken lässt und durch seine Konkurrenz in den letzten Jahren zu einem kontinuierlichen Umsatzrückgang bei den staatlichen Sportwetten geführt hat (siehe Geschäftsbericht der Toto-Lotto GmbH, a.a.O. 37).
66 
Schließlich ist auch die Annahme nicht plausibel, das staatliche Sportwettenmonopol sei geeigneter als ein System kontingentierter Konzessionierung privater Sportwettenanbieter, die befürchteten Gefahren einer mit dem Sportwettengeschäft verbundenen Kriminalität (Betrug, Sportwettenbetrug, Geldwäsche, Einstieg des organisierten Verbrechens) oder des Gewinnausfalls zu Lasten eines Spielers durch Insolvenz des Anbieters (siehe zu alledem BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnrn. 103 - 106) einzudämmen oder gar völlig zu vermeiden. Die seit langem mit legal im Glücksspielbereich tätigen privaten Anbietern gemachten Erfahrungen dürfen dabei nämlich nicht ignoriert werden. Pferdewetten werden seit 1922 von privaten Wettanbietern veranstaltet und angeboten, in den neuen Bundesländer sind seit Jahren vier private Sportwettenanbieter auf der Grundlage von alten DDR-Erlaubnissen tätig, der Spielbankenbetrieb in Baden-Württemberg wird seit Jahrzehnten von privaten Betreibern durchgeführt und der Glücksspielmarkt im Bereich der Spielautomaten wird sogar ohne Kontingentierung ausschließlich von Privaten betrieben (siehe LT-Drs.14/393, S.5). Gleichwohl liegen ganz offenbar keine negativen Erfahrungen mit ihnen im Hinblick auf die befürchteten Kriminalitäts- und Liquiditätsgefahren vor. Das Finanzministerium (a.a.O. S.5, 6) stützt entsprechende Befürchtungen weder auf Statistiken noch auf Untersuchungen, sondern beruft sich nur auf die insoweit ebenso wenig fundierten Annahmen des BVerfG. Dem Regierungspräsidium Karlsruhe als der zuständigen Glücksspielaufsichtsbehörde sind diesbezüglich auch keine entsprechenden Missstände (Betrugsstraftaten, Insolvenzen, sonstige gewerberechtliche Unzuverlässigkeiten) etwa aus der früheren Tätigkeit der ca. 500 privaten Sportwettenvermittler (vgl. LT-Drs. 14/495, 10) bekannt geworden, deren Tätigkeit sie untersagt hat (zur Unverhältnismäßigkeit eines Spielbankenmonopols wegen der Nichtberücksichtigung der zuvor jahrelang mit privaten Spielbankenbetreibern gemachten positiven Erfahrungen: BVerfG, Beschl. v. 19.07.2000, a.a.O.; zur Unverhältnismäßigkeit eines Monopols mangels Darlegung, dass ein Konzessionierungssystem mit privaten Anbietern unter strengen Zulassungsvoraussetzungen zur Vermeidung von Untreue, Unterschlagung und Geldwäsche nicht gleichermaßen effektiv sei: EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr. 50).
67 
Ohnedies sind die genannten Gefahren im Bereich der Sportwetten nicht besonders ausgeprägt bzw. durch geringer einschneidende Maßnahmen als durch ein staatliches Monopol zu reduzieren. Das Bundesverfassungsgericht selbst hat dazu in seiner Grundsatzentscheidung ausgeführt, die typischen Betrugsgefahren durch manipulierte Spielgeräte und Spielmittel oder durch Einflussnahme auf den Spielverlauf bestünden bei Sportwetten in geringerem Maße als bei anderen Glücksspielen, da auf ein von dritter Seite veranstaltetes Sportereignis gewettet werde, das der Wettnehmer selbst nicht beeinflussen könne. Auch die Übervorteilung der Spieler durch Täuschung über die Gewinnchancen sei bei Sportwetten mit festen Gewinnquoten geringer, da Risiko und Gewinnchancen aufgrund der fest vereinbarten Gewinnquoten transparenter seien als bei anderen Glücksspielen. Stärker als bei Spielformen, bei denen der Veranstalter nur das von den Spielern eingesammelte Geld nach Einbehalt eines gewissen Anteils auskehre, könne der Spieler hingegen durch die Zahlungsunfähigkeit des Veranstalters gefährdet werden. Wie bei „anderen gewerblichen Betätigungen“, bei denen dem Unternehmer fremde Gelder anvertraut seien, sei bei Sportwetten mit festen Gewinnquoten daher die finanzielle Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit des Veranstalters im Interesse der Wettteilnehmer zu sichern (Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr.103, 104). Was die vom Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang auch angeführte spezifische Gefahr des Sportwettenbetrugs durch Einflussnahme der Wettteilnehmer auf den Verlauf des Sportereignisses selbst angeht, ist nicht ersichtlich, dass eine solche Einflussnahmemöglichkeit im Fall der Wettveranstaltung durch Private größer wäre als im Fall eines staatlich monopolisierten Sportwettenangebots. Auch die Gefahr der Begleitkriminalität in Form einer Beschaffungskriminalität von Spielsüchtigen würde nur dann ein Argument für die Notwendigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols darstellen, wenn dieses im Hinblick auf die Suchtprävention effektiver wäre als eine kontingentierte Zulassung privater Anbieter unter strengen Verhaltensvorschriften. Das aber ist aber nach dem oben Gesagten gerade nicht der Fall, weil es an einer solchen konsequenten Spielsuchtprävention fehlt.
68 
In der Literatur wird zudem zu Recht darauf verwiesen, dass ein rechtskonformes Verhalten gewerblicher Spielvermittler, die bislang in der Vergangenheit keinen Vorwürfen hinsichtlich aggressiver Spielerwerbung ausgesetzt waren, sich auch durch das mildere Mittel einer Zuverlässigkeitsprüfung im staatlichen Zulassungs- und Überwachungsverfahren wie in anderen Bereichen des Gewerberechts auch hinreichend sicherstellen lässt (Wissenschaftlicher Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landtags, Gutachten vom 11.10.2007, S. 30, a.a.O.). Auch der Europäische Gerichtshof hat es in der Placanica-Entscheidung (a.a.O., Rdnr. 62 ff.) für ein wesentlich milderes Mittel gehalten, die Kontrolle der ausländischen Wettanbieter zwecks Schutz des Glücksspielmarktes vor kriminellen und betrügerischen Tätigkeiten durch Einholung von Informationen über deren Vertreter oder Hauptanteilseigner auszuüben, anstatt sie zur Erreichung dieses Ziels vollständig vom Glücksspielmarkt auszuschließen.
69 
Gegen eine Konzessionierung Privater lässt sich auch nicht einwenden, die Annahmestellen des staatlichen Sportwettenmonopols seien wegen ihrer Ausgestaltung als bloßer Nebenbetrieb von Tankstellen, Lebensmittel-, Zeitschriften oder Tabakwarenläden deutlich weniger attraktiv für Spieler als reine private Sportwettenagenturen, die durch entsprechende räumliche Gestaltung und Aufmachung (Sitzgelegenheiten, Getränke- und Fernsehangebot) die Wettteilnehmer stärker zum Verweilen und Wetten animierten und damit den Spielerschutz und die Suchtprävention beeinträchtigten. Denn im Rahmen einer Konzessionserteilung könnte auch privaten Sportwettenanbietern eine insoweit vergleichbar nüchterne Gestaltung vorgegeben werden. Gleiches gilt für den Einwand, die Gewinnquoten der staatlich veranstalteten Oddsetwette seien erheblich geringer und damit weniger suchtgefährlich als die Gewinnquoten der privaten Sportwettenanbieter. Denn im Rahmen einer staatlichen Konzessionierung ließen sich den privaten Anbietern gegenüber ohne weiteres auch Vorgaben zur Beschränkung der Höhe der Gewinnquoten machen.
70 
Was die im Lindmann-Urteil des EuGH (Urt.v. 13.11.2003 - C-42/02-, Rdnr.25,26) geforderte begleitende Untersuchung der Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit angeht, hat das Land lediglich auf die vom Bundesverfassungsgericht erwähnte Studie zum Suchtpotenzial von Sportwetten verwiesen (LT-Drs.14/393, S. 8, 9), hält aber im Übrigen seinerseits „längerfristig alternative Modelle wie beispielsweise eine beschränkte Konzessionierung“ nicht für ausgeschlossen (vgl. Stellungnahme des Finanzministeriums vom 30.10.2006 -LT-Drs.14/393, S.3; siehe auch Finanzminister Stratthaus - LT-Drs.14/495, S.11: „Über die Idee private Anbieter zuzulassen und eine Steuer zu erheben, kann durchaus nachgedacht werden“). Außerdem hat das Land zusammen mit Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein in einer Protokollerklärung zum Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 22.06.2006 zum Staatsmonopol im Glücksspielbereich erklärt, es halte es „unter Einbeziehung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben und praktischer Marktentwicklungen mittel- und langfristig für zielführender, eine begrenzte Konzessionierung in diesem Bereich vorzubereiten“ (siehe dazu LT-Drs.14/393, S. 554). Soweit aber für die Einführung eines solchen alternativen Konzessionierungsmodells erst die „zukünftige Entwicklung des Glücksspielmarktes“ und die Frage entscheidend sein soll, „ob sich das Monopol dabei als geeignetes Mittel zur Erreichung der ordnungspolitischen Ziele erweist“, und soweit dazu für einen Zeitpunkt drei Jahre nach Inkrafttreten des Staatsvertrages eine Evaluierung zur Effizienz und einem etwaigen Anpassungsbedarf ankündigt wird (vgl. Finanzministerium v. 30.10.2006 - LT-Drs.14/393, S.3), trägt dieses Argument nicht. Denn es ist nicht dargelegt, dass diese Vorgehensweise angesichts der bisherigen positiven Erfahrungen mit privaten Glücksspielanbietern einen Erkenntnisgewinn bringen würde. Nach allem kann also keine Rede davon sein, das Monopol sei zur Zielerreichung geeigneter als die kontingentierte Zulassung privater Sportwettenanbieter.
71 
4. In seiner rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung verstößt das staatliche Glücksspielmonopol für Sportwetten schließlich auch gegen EG-Wettbewerbsrecht in Gestalt des Art. 86 EG i.V.m. Art. 82 EG (ebenso im Ergebnis: Winkelmüller/Kessler, EuZW 2007, 404; König, EuZW 2007, 33, sowie Bungenberg, DVBl. 2007, 1405, 1411; a. A.: Fremuth, EuZW 2007, 565).
72 
Art. 86 Abs. 1 EG bestimmt, dass die Mitgliedstaaten in Bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine dem EG-Vertrag und insbesondere dessen Artikeln 12 und 81 bis 89 EG widersprechende Maßnahmen treffen oder beibehalten werden. Das Sportwettenmonopol ist untrennbar mit der Gewährung eines ausschließlichen Rechts an ein - zudem: öffentliches - Unternehmen, die Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg, verbunden. Dieser Gesellschaft allein wird ein wirtschaftlicher Tätigkeitsbereich unter Ausschluss von Wettbewerbern vorbehalten (vgl. zum Charakter ausschließlicher Rechte: EuGH, Urt. v. 30.04.1974 - Rs. 155/73 -, Sacchi; Urt. v. 18.06.1991 - C-260/89 -, ERT; Urt. v. 10.12.1991 - C-179/90 -, Hafen von Genua). Auch wenn die Gründe für das Monopol nichtwirtschaftlicher Art sind (§ 1 GlüStV), stellen das als (ordnungsrechtliche) öffentliche Aufgabe (§ 10 Abs. 1 und 2 GlüStV) zu qualifizierende Anbieten und die Veranstaltung von Glücksspielen eine wirtschaftliche Tätigkeit dar (anders hingegen, wenn eine staatliche Stelle hoheitliche Befugnisse ausübt: EuGH, Urt. v. 14.12.1995 - C-387/93 -, Banchero, Rnr. 49). Alle Glücksspiele sind als wirtschaftliche Tätigkeiten im Sinne von Artikel 2 EG zu qualifizieren, denn sie erfüllen die beiden Kriterien der Erbringung einer bestimmten Dienstleistung gegen Entgelt und der Erwartung eines Gewinns in Geld (EuGH, Urt. v. 11.09.2003 - C-6/01 -, ANOMAR, Rnr. 47; Urt. v. 25.10.2001 - C-475/99 -, Ambulanz Glöckner, Rnr. 19). Dass die Veranstaltung von Sportwetten bislang schon vom Staat beherrschten Gesellschaften übertragen war (vgl. bereits den Staatsvertrag zum Lotteriewesen aus 2004) und weiterhin ist, spricht nicht gegen die wirtschaftliche Natur dieser Tätigkeit, weil sie (gemeinschaftsweit betrachtet) nicht stets in der Hand des Staates ist und ferner nicht notwendig von solchen Einrichtungen betrieben werden muss (vgl. zum Arbeitsvermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit: EuGH, Urt. v. 23.04.1991 - C-41/90 -, Höfner und Elser, Rnr. 22).
73 
Das mit dem GlüStV bzw. den diesen umsetzenden gesetzlichen Regelungen bewirkte Dienstleistungsmonopol der Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg bei der Durchführung ausschließlich vom Land veranstalteter Sportwetten stellt die Einräumung einer marktbeherrschenden Stellung i.S.v. Art. 82 EG dar. Ein Unternehmen, das ein gesetzliches Monopol besitzt, kann als Inhaber einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 82 EG angesehen werden. Ferner kann bereits das Teilgebiet zumindest eines der größeren EU-Mitgliedsstaaten einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes darstellen (Brinker, in: Schwarze, EU-Kommentar, 1. Aufl. 2000, Art. 82 Rnr. 10) Das Land Baden-Württemberg ist angesichts seiner Einwohnerzahl (über 10,7 Mio.) und des betroffenen Wirtschaftszweigs (zur Lukrativität des Glücksspielmarkts vgl. Diegmann/Hoffmann, NJW 2004, 2642) als gemeinschaftsrelevanter Markt anzusehen (so im Ergebnis auch Fremuth, a.a.O., S. 565). Der EuGH hat in der Sache Ambulanz Glöckner (a.a.O., Rdnr. 38) für das im Bundeslandvergleich kleinere Rheinland-Pfalz angesichts der „großen Fläche“ dieses Landes von fast 20.000 qkm und seiner hohen Einwohnerzahl von etwa vier Millionen, die über der einiger Mitgliedstaaten liegt, die Annahme geäußert, dass eine beherrschende Stellung (dort des DRK-Rettungsdienstes) einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes betrifft.
74 
Das Sportwettenmonopol ist ferner als missbräuchliche Ausnutzung dieser Marktstellung zu qualifizieren. Unter Berücksichtigung einer weiten, am Verbraucherinteresse, an der Marktöffnung sowie an der Sicherung unverfälschten Wettbewerbs orientierten Auslegung des Missbrauchsbegriffs (vgl. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2007, Art. 82 EG, Rdnrn. 126 bzw. 116; Brinker, a.a.O., Rdnr. 15; ferner EuGH, Urt. v. 15.03.2007 - C95/04 P -, Britisch Airways, Rdnr. 57) unterfallen die Monopolbestimmungen der Bestimmung des Art. 82 Abs. 2 lit. b EG. Danach kann ein Missbrauch insbesondere in einer Beschränkung der Leistung („Einschränkung des Absatzes“) zum Schaden derjenigen bestehen, die die betreffende Dienstleistung in Anspruch nehmen wollen (in diesem Sinne: Fremuth, a.a.O. S. 566 ff.; König, a.a.O., S. 33 sowie Bungenberg, a.a.O., S. 1411/1412). Insbesondere auf einem ausgedehnten und differenzierten Markt, der überdies aufgrund wirtschaftlicher und sozialer Entwicklungen Veränderungen unterliegt, kann es dazu kommen, dass ein Monopolist einen bedeutenden Teil der Gesamtnachfrage nach Dienstleistungen nicht mehr befriedigen kann (EuGH, Urt. v. 11.12.1997 - C-55/96 -, Job Centre, Rdnrn. 32 bis 34). Die nach Art. 82 Abs. 1 EG ferner erforderliche mögliche Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten liegt insbesondere vor, wenn - wie hier - nationale Märkte dem Ziel eines einheitlichen Markts zuwider gegenüber Dienstleistungserbringern aus anderen Mitgliedstaaten abgeschottet werden (EuGH, Urt. Ambulanz Glöckner, Rdnr. 47).
75 
Dieser wettbewerbsrechtliche Verstoß gegen Art. 82 EG ist schließlich nicht durch Art. 86 Abs. 2 EG gerechtfertigt. Danach gelten für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, die Vorschriften des EG-Vertrags, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. Im Zusammenhang mit den das Sportwettenmonopol begründenden und ausgestaltenden Regelungen des GlüStV sowie des AG-GlüStV findet eine Betrauung der Toto-Lotto GmbH mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse statt. Der Begriff „wirtschaftlich“ begrenzt den Kreis der Tätigkeiten, auf die Art. 86 Abs. 2 EG Anwendung finden kann, nicht aber den Kreis der Interessen, die Mitgliedstaaten mit diesen Tätigkeiten verfolgen können; diese können wirtschaftlicher oder nichtwirtschaftlicher Natur sein (EuGH, Urt. v. 23.10.1997 - C-157/94 -, Energiemonopole Niederlande, Rdnr. 40; Mestmäcker/Schweitzer, a.a.O., Art. 86 Abs. 2 Rdnrn. 66/67 m.w.N.). Das über §§ 1 bis 8 GlüStV i.V.m. § 10 Abs. 1 GlüStV bzw. § 1 Abs. 5 und § 2 AG-GlüStV monopolisierte Angebot von Sportwetten geht untrennbar mit einem allgemeinen Interesse einher, nämlich der Sicherstellung eines ausreichenden, aber zugleich begrenzten Glücksspielangebots. Glücksspiel-spezifisch hat der EuGH zuletzt noch einmal in der Sache Placanica (Rdnr. 46 - 48) ausgeführt, dass Ziele des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung und der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen sowie der Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen zwingende Gründe des Allgemeininteresses darstellen. Diese für eine Beschränkung der Grundfreiheiten legitimierten Ziele haben auch im Rahmen des Art. 86 Abs. 2 EG zu gelten.
76 
Die Beschränkung des Wettbewerbs mittels eines andere Sportwettenanbieter ausschließenden Monopols ist jedoch nicht geeignet bzw. nicht erforderlich zur Erfüllung der übertragenen besonderen Aufgabe. Das Erfordernis der rechtlichen oder tatsächlichen Verhinderung in Art. 86 Abs. 2 EG ist ebenfalls Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. EuGH Urt. Ambulanz Glöckner, Rdnrn. 56 und 57; Urt. v. 23.05.2000 - C-209/98 -, Sydhavnens - Rdnr. 74; Urt. v. 23.10.1997 C-159/94 -, Energiemonopole Frankreich, Rdnr. 49). Damit führt aber die oben unter 2. getroffene Feststellung einer unzulässigen Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit auch hier zum Ergebnis einer Nichtrechtfertigung des Wettbewerbsverstoßes. Wo die Gelegenheiten zum Spiel nicht wirklich vermindert und die Wetttätigkeiten nicht kohärent und systematisch begrenzt werden, kann ein Monopol keine wettbewerbsrechtliche Rechtfertigung finden (vgl. die entsprechenden Erwägungen des EuGH betreffend das staatliche Handelsmonopol für Alkohol in der Sache Rosengren). Auch in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht gilt schließlich, dass das beklagte Land nicht dargelegt hat, dass ein Dienstleistungsmonopol gegenüber der vollständigen oder zumindest teilweisen Zulassung Privater erforderlich ist. Da es sich bei Art. 86 Abs. 2 EG um eine Ausnahme von den Grundvorschriften des EG-Vertrags handelt, obliegt dem Mitgliedstaat, der sich auf diese Bestimmung beruft, der Nachweis, dass ihr Tatbestand erfüllt ist. Der Mitgliedsstaat muss folglich in einer das Gericht überzeugenden Weise darlegen, dass dieses Ziel nicht ebenso mit anderen Mitteln erreicht werden kann (EuGH, Urt. v. 25.06.1998 - C-203/96 -, Dusseldorp, Rdnr. 67; Mestmäcker/Schweitzer, a.a.O., Art. 86 Abs. 2 Rdnrn. 84 und 93). Dieser Obliegenheit ist das beklagte Land nach dem bereits oben unter 3. Dargelegten nicht gerecht geworden.
III.
77 
Die neben der Untersagung in Nrn. 1, 2, 4 und 6 getroffenen Entscheidungen über die Entfernung der Geräte, die unverzügliche Einstellung der Tätigkeiten und ihre schriftliche Mitteilung sowie schließlich die Zwangsgeldandrohung und die Gebührenfestsetzung sind, weil der ihnen vorangehende Grundverwaltungsakt der Aufhebung unterliegt, ebenfalls rechtswidrig und aufzuheben. Darauf, ob sie an eigenständigen Mängeln leiden, kommt es nicht mehr an.
IV.
78 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Kammer hat keinen Anlass, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Da diese Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, ist die Berufung zuzulassen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Gründe

 
16 
Die Anfechtungsklage ist ohne Durchführung eines Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 VwGO, § 6a Satz 1 AGVwGO) zulässig und begründet. Die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 21.11.2006 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
17 
Als Rechtsgrundlage der Untersagung, in Baden-Württemberg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen (Ziff. 1 Satz 1 der Verfügung), kommt nunmehr allein § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV -, vgl. GBl. 2007, 571 ff.) in Betracht, der am 01.01.2008 in Kraft getreten ist (vgl. GBl. 2008, 56). Gleiches gilt für das Gebot, die zur Veranstaltung oder Vermittlung solcher Glücksspiele vorgehaltenen Geräte aus den öffentlich zugänglichen Räumen zu entfernen (Ziff. 1 Satz 2 der Verfügung), die untersagten Tätigkeiten unverzüglich einzustellen und die Einstellung dem Regierungspräsidium schriftlich mitzuteilen (Ziff. 2 der Verfügung). Diese neue Rechtslage ist deshalb maßgeblich, weil es sich bei der angefochtenen Verfügung um einen Dauerverwaltungsakt handelt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 17.03.2008 - 6 S 3069/07 -) und weil für die verwaltungsgerichtliche Überprüfung derartiger Verwaltungsakte regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 09.03.2005, Buchholz 451.20, § 15 GewO Nr. 5; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 113 Rdnr. 43 ff.). Für die gerichtliche Entscheidung maßgebend sind deshalb die Bestimmungen des oben genannten Glücksspielstaatsvertrags und die Bestimmungen des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag - AG-GlüStV -) vom 04.03.2008 (GBl. 2008, 81 ff.), das am 08.03.2008 in Kraft getreten ist (vgl. § 19 AG-GlüStV).
18 
Zwar vermittelt der Kläger unerlaubte Glücksspiele, was nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV Voraussetzung dafür ist, dass das Regierungspräsidium Karlsruhe als zuständige Behörde der Glücksspielaufsicht (§ 2 des Gesetzes zu dem Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 11.12.2007, GBl. 2007, 571; § 16 Abs. 1 AG-GlüStV) mit der angefochtenen Verfügung einschreitet (dazu I.). Die derzeitige Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols in Baden-Württemberg (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV) ist aber nach Auffassung der Kammer mit dem primären Gemeinschaftsrecht, nämlich der Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG) und dem EG-Wettbewerbsrecht (Art. 86, 82 EG), unvereinbar. Nach dem grundlegenden Prinzip des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts hat das Verwaltungsgericht das gemeinschaftsrechtswidrige nationale Recht außer Anwendung zu lassen (dazu II.).
I.
19 
Dadurch, dass der Kläger in seiner Gaststätte das Internetterminal „Tipomat“ aufstellen lässt, das auf die Nutzung zum Abschluss von Sportwetten bei dem maltesischen Sportwettenanbieter ... ausgerichtet ist, eröffnet er Spielern die Möglichkeit zur Teilnahme an Sportwetten. Damit ist er Vermittler (vgl. § 3 Abs. 4 GlüStV) von Sportwetten, die als Glücksspiele i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV anzusehen sind. Davon sind die Verwaltungsgerichte bereits in den früheren Entscheidungen, die zur Rechtslage vor Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrages ergangen sind, ausgegangen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12.01.2005, VBlBW 2005, 181 m.w.N.). § 3 Abs. 1 Satz 3 GlüStV bestimmt nunmehr ausdrücklich, dass auch Wetten gegen Entgelt auf den Eintritt oder Ausgang eines zukünftigen Ereignisses Glücksspiele sind (vgl. zuletzt VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.03.2008 - 6 S 3069/07 -).
20 
Die vom Kläger vermittelten Sportwetten sind auch unerlaubte Glücksspiele. Nach § 4 Abs. 1 GlüStV dürfen öffentliche Glücksspiele nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Das Veranstalten und das Vermitteln ohne diese Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel) ist verboten. Weder der Kläger noch der maltesische Sportwettenveranstalter haben jemals vom Land Baden-Württemberg eine solche Erlaubnis erhalten. Zwar vermittelt der Kläger die Sportwetten in das EU-Ausland (Malta); das entbindet ihn aber nicht von dem Erfordernis einer Erlaubnis durch die zuständige Behörde des Landes; denn nach § 3 Abs. 4 GlüStV wird ein Glücksspiel dort veranstaltet und vermittelt, wo dem Spieler die Möglichkeit zur Teilnahme eröffnet wird. Das ist die Gaststätte des Klägers in Konstanz.
21 
Dass der Firma ..., an die der Kläger Sportwetten vermittelt, in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union (hier: Malta) eine Erlaubnis zum Veranstalten von Sportwetten erteilt wurde, ändert an der Einstufung als unerlaubtes Glücksspiel nichts. Aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt sich nicht, dass diese Erlaubnis auch im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Geltung beanspruchen kann. Es sieht keine generelle Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zur gegenseitigen Anerkennung von Erlaubnissen vor, die von einem Mitgliedsstaat erteilt wurden. Der Glücksspielbereich ist auch nicht Gegenstand einer gemeinschaftsrechtlichen Harmonisierung. Vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt vom 12.12.2006 (ABl. Nr. L376/36 v. 27.12.2006) sind Glücksspiele einschließlich Lotterien und Wetten ausdrücklich ausgenommen (vgl. Erwägungsgrund Nr. 25 und Art. 2 Abs. 2 Buchst. h dieser Richtlinie). Auch die Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr vom 08.06.2000 (ABl. Nr. L178 v. 17.07.2000, S. 1), die in ihrem Artikel 3 das Herkunftslandprinzip vorschreibt, ist auf Glücksspiele nicht anwendbar (vgl. den Erwägungsgrund Nr. 16 und Art. 1 Abs. 5 Buchst. d, 3. Spiegelstrich). Die Auffassung des Generalanwalts (vgl. dessen Schlussanträge vom 16.05.2006 - Rs. C-338/04, C-359/04 und C-360/04, Placanica u.a.), wonach Gemeinschaftsrecht einer nationalen Regelung entgegenstehe, die unter anderem die Übermittlung von Wetten ohne die hierfür erforderliche Konzession des jeweiligen Mitgliedsstaats für Rechnung eines Unternehmers verbiete, der lediglich eine in dem Mitgliedsstaat seiner Niederlassung erteilte Zulassung besitzt, lässt sich mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht vereinbaren. Denn dieser hat mehrfach entschieden, dass den einzelnen Mitgliedsstaaten gerade ein Ermessensspielraum bei der Gestaltung ihrer Glücksspielpolitik eingeräumt wird (vgl. etwa EuGH, Urt. v. 06.11.2003, C-243/01 - Gambelli -). Dementsprechend hat sich der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 06.03.2007 (C-338/04 - Placanica -) diese Ausführungen auch nicht zu eigen gemacht. Vielmehr hat er auf seine bisherige Rechtsprechung verwiesen, die eine Reihe von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses anerkannt habe, aus denen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs gerechtfertigt seien.
22 
Dass die von einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft erteilte Konzession zum Veranstalten von Sportwetten im Bundesgebiet keine Geltung beanspruchen kann, ist mittlerweile gefestigte Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (vgl. zuletzt VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.03.2008 - 6 S 3069/07 -, mit zahlreichen Nachweisen).
II.
23 
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüstV scheidet als Rechtsgrundlage der angefochtenen Untersagungsverfügung jedoch aus.
24 
Die derzeitige Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols in Baden-Württemberg (vgl. § 10 Abs. 2 und 5 GlüstV) stellt eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des Klägers dar und ist europarechtswidrig (dazu II. 2 - 4). Das führt zur Europarechtswidrigkeit auch von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüstV; denn diese Bestimmung ermächtigt die Glücksspielaufsicht, das europarechtswidrige staatliche Glücksspielmonopol durchzusetzen und privaten Anbietern das Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten allein deshalb zu untersagen, weil dies gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüstV ohne Erlaubnis verboten ist. Ein auf präventive Kontrolle gerichtetes Erlaubnisverfahren existiert für private Sportwettenveranstalter wegen der Regelung des staatlichen Wettmonopols im Glücksspielstaatsvertrag aber nicht. Wegen der europarechtswidrigen Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols kann derzeit deshalb nicht von einer Erlaubnispflicht für private Anbieter von Sportwetten ausgegangen werden (so ebenfalls VG Berlin, Beschl. v. 02.04.2008 -VG 35 A 52/08-).
25 
Aus diesem Grunde kann die angefochtene Verfügung auch nicht - wovon das Regierungspräsidium ausgegangen ist - darauf gestützt werden, dass mit ihr ein Verstoß gegen die Strafrechtsnorm des § 284 StGB abgewehrt wird. Denn aus der verwaltungsakzessorischen Natur des § 284 StGB (vgl. hierzu: BGH, Urt. v. 16.08.2007 - 4 StR 62/07 -, NJW 2007, 3078 ff.) folgt, dass sich ein Anbieter oder Vermittler von Sportwetten nicht nach dieser Vorschrift strafbar macht, wenn - wie hier - die fehlende Erlaubnis auf einem Rechtszustand beruht, der europarechtswidrig die Dienstleistungsfreiheit verletzt.
26 
Dem stehen auch nicht die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 28.03.2006 entgegen; denn das Gericht hat lediglich für die von ihm eingeräumte Übergangszeit bis 31.12.2007 angenommen, dass das gewerbliche Veranstalten von Sportwetten durch private Wettunternehmen weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden darf (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, 1 BvR 1054/01 -, NJW 2006, 1261 ff.). Erweist sich die Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols nach Ablauf der Übergangsfrist aber als europarechtswidrig, kann von einem Verbot als Grundlage der angegriffenen Verfügung nicht mehr ausgegangen werden (vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 22.11.2007 - 1 BvR 2218/06 -, NVwZ 2008, 301 ff.).
27 
1. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteile v. 15.07.1964 - Rs 6/64 - Costa/E.N.E.L. , und v. 09.03.1978 - Rs 106/77 - Simmenthal) besteht aus Art. 10 EG und dem als Strukturprinzip des Gemeinschaftsrechts entwickelten Grundsatz des „effet utile“ für nationale Gerichte die Pflicht, gemeinschaftsrechtswidriges nationales Recht von sich aus außer Anwendung zu lassen (vgl. zum Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts auch Streinz/Herrmann, BayVBl. 2008, 1 ff.). Hinsichtlich der Verwerfung nationaler Gesetze wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit ist zwar eine besonders sorgfältige Prüfung und auch Zurückhaltung geboten. Bei hinreichend manifesten Verstößen nationaler Rechtsnormen gegen das Gemeinschaftsrecht sind die nationalen Gerichte zu deren Nichtanwendung jedoch nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet. So verhält es sich nach Auffassung der Kammer hier. Denn der Europäische Gerichtshof hat bereits in mehreren Entscheidungen zum Glücksspielbereich die Voraussetzungen genau dargelegt, die erfüllt sein müssen, damit Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind (dazu im einzelnen II. 2 - 4). Er hat auch immer wieder betont, es sei Sache der nationalen Gerichte, darüber zu befinden, ob die streitigen Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs diese Voraussetzungen erfüllen. Angesichts dieser Rechtsprechung sieht die Kammer hinsichtlich der europarechtlichen Voraussetzungen für die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit keinen weiteren Klärungsbedarf, der Anlass für eine Vorlage an den Gerichtshof nach Art. 234 EG sein könnte. Zwar haben mehrere deutsche Verwaltungsgerichte (vgl. z.B. VG Stuttgart, Beschl. v. 24.07.2007 - 4 K 4435/06-) dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob der für eine Rechtfertigung des staatlichen Sportwettenmonopols gemeinschaftsrechtlich gebotene kohärente und systematische Beitrag zur Begrenzung der Wetttätigkeit lediglich auf den jeweiligen Glücksspielsektor zu beziehen oder unter Einbeziehung auch der nicht monopolisierten Glücksspiele, die -wie etwa Geldspielgeräte- ein höheres Suchtpotential aufweisen, umfassend zu verstehen ist. Auf die Beantwortung dieser Frage kommt es für die Kammer aber entscheidungserheblich nicht an, weil das staatliche Sportwettenmonopol auch ohne Berücksichtigung anderer Glücksspielsektoren derzeit gegen Gemeinschaftsrecht verstößt.
28 
2.a) Das Sportwettenmonopol des Landes stellt eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des Klägers dar. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist geklärt, dass die Veranstaltung, Vermittlung und Durchführung von Sportwetten Dienstleistungen i. S. v. Art. 49 EG sind (EuGH, Urt. v. 21.10.1999, C-67/98 - Zenatti -, Rdnr. 19; Urt. v. 24.03.1994, C-275/92 - Schindler -, Rdnr. 25; Urt. v. 21.09.1999, C-124/97 – Läärä -, Rdnr. 14). Ebenso ist geklärt, dass Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit außerhalb der Vorgaben des Art. 55 EG i. V. m. Art. 45, 46 EG nur dann zulässig sind, wenn sie nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 29).
29 
b) Im Bereich von Glücksspielen sind als zwingende Gründe des Allgemeininteresses der Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung, die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen und die Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung anerkannt (EuGH, Urt. Gambelli, Rdnr. 67). Innerhalb dieses Rahmens steht es im Ermessen jedes einzelnen Mitgliedstaats, welches Schutzniveau er gewährleisten will (EuGH, Urt. Schindler, Rdnr. 60, 61; Urt. Zenatti, Rdnr. 33, 34). Er kann sich zum Beispiel für ein Präventionsmodell entscheiden, das auf eine wesentliche Verminderung der Gelegenheit zum Spiel ausgerichtet ist, oder etwa auch für ein Kanalisierungsmodell, das darauf abzielt, durch ein auf Einnahmeerzielung und Expansion angelegtes Angebot einer begrenzten Zahl konzessionierter Privater die Glücksspieltätigkeiten aus dem Bereich des Illegalen und Kriminellen in geordnete und staatlich überwachte Bahnen zu lenken (EuGH, Urt. Placanica, Rdnr. 54, 55; s. dazu auch Wissenschaftlicher Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landtags, Gutachten v. 11.10.2007, S. 7 - Drs. LT-SLH 16/2460 -).
30 
Mit dem Glücksspielstaatsvertrag haben sich die deutschen Landesgesetzgeber für ein Präventionsmodell entschieden, das als Mittel zur Prävention auch die Kanalisierung des Spieltriebs der Bevölkerung beinhaltet. § 1 GlüStV nennt als Ziele, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirkliche wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen (Nr. 1), das Glücksspielangebot zu begrenzen und den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, insbesondere ein Ausweichen auf nicht erlaubte Glücksspiele zu verhindern (Nr. 2), den Jugend- und den Spielerschutz zu gewährleisten (Nr. 3) sowie sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt, die Spieler vor betrügerischen Machenschaften geschützt und die mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität abgewehrt werden (Nr. 4). Diese Ziele werden zwar ohne weiteres von den europarechtlich anerkannten Gründen des Allgemeininteresses umfasst. Von diesen Zielen hat allerdings bei verfassungskonformer Auslegung des Glücksspielstaatsvertrags nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 28.03.2006 (a.a.O., Rdnrn. 98 ff.) das in § 1 Nr. 1 des Vertrags genannte Ziel der Suchtbekämpfung im Vordergrund zu stehen. Nur mit Bezug zu diesem Ziel kann die in § 1 Nr. 2 GlüStV vorgesehene Kanalisierung durch ein staatliches, ausreichendes Glücksspielangebot (vgl. § 10 GlüStV) überhaupt verfassungsgemäß sein. Denn ein staatliches Monopol für Sportwetten ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft ausgerichtet ist (BVerfG, a. a. O., Rdnrn. 98, 119, 120). Ein auf Einnahmeerzielung und Expansion (vgl. EuGH, Urt. Placanica, Rdnr. 54, 55) angelegtes Staatsmonopol ist verfassungswidrig (BVerfG, a. a. O., Rdnr. 107, 141).
31 
c) Europarechtlich ist eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses nur zu rechtfertigen, wenn sie geeignet ist, die Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele zu gewährleisten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 32; Urt. Gambelli, Rdnr. 65). Hat sich ein Staat wie hier im Glücksspielstaatsvertrag - entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben - vorrangig für das Ziel der Suchtbekämpfung entschieden, so muss die Verwirklichung dieses Ziels in dem Sinne gewährleistet sein, dass die Beschränkungen kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen (EuGH, Urt. Gambelli, Rdnr. 67; Urt. Placanica, Rdnr. 53; siehe auch EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 14.03.2007, E-1/06 – Gaming Machines, Rdnr. 53). Dabei kommt es zentral auf die „Effektivität der Überwachung“ und die „Durchsetzung“ einer „wirklich restriktiven“ Glücksspielpolitik an (EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming Machines, Rdnr. 51).
32 
Diesen europarechtlichen Maßgaben entsprechen auch die verfassungsrechtlichen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts im Sportwetten-Urteil vom 28.3.2006 (a.a.O., Rdnr. 120), wonach eine konsequente Ausrichtung am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Spielsucht materiellrechtliche Regelungen und strukturelle Sicherungen erforderlich macht. Dementsprechend können die konkreten Vorgaben aus dem bundesverfassungsgerichtlichen Urteil auch zur Beantwortung der Frage der europarechtlichen Kohärenz und Konsistenz herangezogen werden.
33 
d) Der Europäische Gerichtshof hat immer wieder betont, dass es Sache des nationalen Gerichts - und damit hier der Kammer - ist zu prüfen, ob die angegriffene Regelung angesichts ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten tatsächlich den Zielen Rechnung trägt, die sie rechtfertigen könnten, und ob die mit ihr auferlegten Beschränkungen nicht außer Verhältnis zu diesen Zielen stehen (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 37; Urt. Gambelli, Rdnr. 75, 76; Urt. Placanica, Rdnr. 58, 72; vgl. auch EuGH, Urt. v. 5.6.2007, C-170/04 - Rosengren -, Rdnr. 46/47 bzw. Rdnr. 53/54). Maßgeblich sind dabei nicht nur die rechtliche Ausgestaltung der Beschränkung, sondern auch ihre tatsächlichen Anwendungsmodalitäten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 37, Urt. Gambelli, Rdnr. 75, 76), ihre Handhabung in der Praxis (EuGH, Urt. Rosengren, Rdnr. 46). Der Begriff des „Vorbehalts des Gesetzes“ in seiner im deutschen Staatsrecht geläufigen Ausprägung findet im Gemeinschaftsrecht keine Entsprechung, weil es hier nicht primär um den Schutz der Individualsphäre gegenüber hoheitlicher Macht, sondern um die Abgrenzung zwischen nationaler und gemeinschaftlicher Regelungsbefugnis geht (vgl. Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2.Aufl., 2005, S. 193 [219, 238]). Allerdings ist die vom Europäischen Gerichtshof geforderte „Kohärenz“ und „Systematik“ hinsichtlich der Begrenzung der Wetttätigkeiten ohne normative Vorgaben zur Ausgestaltung eines staatlichen Monopolbetriebs kaum denkbar. Ohne solche inhaltlich bestimmten Regelungen blieben Maß und Umfang der Begrenzung der Wetttätigkeit der Willkür des staatlichen Monopolisten überlassen, die infolge ihrer begriffsnotwendigen Konturlosigkeit und der Unvorhersehbarkeit ihrer Ergebnisse schlechterdings ungeeignet ist, die gebotene Begrenzung effektiv, widerspruchsfrei und nach klaren Regeln umzusetzen (vgl. zur Ungeeignetheit der schwedischen gesetzlichen Bestimmungen zum staatlichen Monopolvertrieb für Alkohol EuGH, Urt. Rosengren, Rdnr. 45 - 47). Entscheidend ist hier damit vor allem die rechtliche Ausgestaltung des Sportwettenmonopols, ohne dass jedoch die tatsächliche Umsetzung aus dem Blick gelassen werden darf.
34 
e) Danach kann das Staatsmonopol des Landes keinen Bestand haben, weil es in seiner aktuellen rechtlichen und tatsächlichen Verfassung das Ziel der Suchtbekämpfung nicht durch einen kohärenten und systematischen Beitrag zur Begrenzung der Wetttätigkeiten verwirklicht. Weder quantitativ noch qualitativ erweist sich das Monopol als Umsetzung einer konsequent an der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht ausgerichteten Glücksspielpolitik.
35 
aa) Gerade das vom Bundesverfassungsgericht beanstandete terrestrische Vertriebssystem unter der Maxime „weites Land – kurze Wege“, das das Wetten nicht begrenzt, sondern dazu ermuntert und anreizt, wird durch den neuen Glücksspielstaatsvertrag und das baden-württembergische Ausführungsgesetz nicht in Frage gestellt. Noch immer besteht das Vertriebsnetz - entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts - aus einer fast unvermindert gebliebenen Vielzahl von Zeitschriften- und Tabakläden oder ähnlichen kleinen oder mittelständischen Gewerbebetrieben, so dass der Vertrieb in „bewusster Nähe zum Kunden“ stattfindet und die Möglichkeit zum Sportwetten ein allerorts verfügbares "normales“ Gut des täglichen Lebens darstellt (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr. 138). Von dem europarechtlich gebotenen Beitrag zur Begrenzung der Wetttätigkeiten kann bei einem solchen Vertriebssystem, über das Oddset nach dem Verbot des Internetvertriebs (§ 4 Abs. 4 GlüStV) ausschließlich vermarktet wird, nicht die Rede sein.
36 
Eine bezifferte Obergrenze für die Zahl der Annahmestellen in Baden-Württemberg gibt es nicht (anders etwa § 7 SächsGlüStV -AG v. 14.12.2007 - SächsGVBl. 2007, S. 542: eine Annahmestelle je 3.200 Einwohner oder § 2 Abs. 5 Thüring. Gesetz zum GlüStV v. 18.12.2007 - GVBl. 2007, S.243: Gesamtzahl von 750 Annahmestellen in Thüringen darf nicht überschritten werden oder Art.1 Abs.3 S.2 BayAG-GlüStV v. 20.12.2007 - GVBl. 2007, S. 992: Zahl der Annahmestellen ist bis 31.12.2011 auf insgesamt 3.700 zu begrenzen). Zwar heißt es in § 10 Abs. 3 GlüStV, die Länder begrenzten die Zahl der Annahmestellen zur Erreichung der Ziele des § 1, das baden-württembergische Ausführungsgesetz wiederholt jedoch nur, dass Anzahl und flächenmäßige Verteilung der Annahmestellen an den Zielen des § 1 GlüStV auszurichten seien. Darüber hinaus normiert es nur, dass nicht mehr Annahmestellen unterhalten werden dürften, als zur Sicherstellung eines ausreichenden Glücksspielangebots erforderlich sei (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 u. Satz 2 Ausführungsgesetz). Anhaltspunkte, wie viel Glücksspiel als ausreichend anzusehen ist, liefert das Gesetz nicht. Auch für das vom Gesetz vorgesehene Vertriebskonzept des Veranstalters (§§ 2 Abs. 2 Nr. 5, 7 Abs. 1 Satz 3 AG-GlüStV) fehlen inhaltliche Vorgaben. In § 7 Abs. 1 Satz 4 AG-GlüStV heißt es nur, dass das Konzept sich insbesondere an der räumlichen Bevölkerungsstruktur zu orientieren habe. Eine solche Orientierung mag eventuell Anhaltspunkte für die flächenmäßige Verteilung der Annahmestellen geben, lässt jedoch keinerlei Rückschlüsse auf die zulässige Anzahl von Annahmestellen zu.
37 
Außer konkreten, inhaltlichen Vorgaben für die Begrenzung der Zahl der Annahmestellen fehlen auch gesetzlich geregelte wirksame Kontrollmechanismen.
38 
§ 7 Abs. 1 Satz 3 AG-GlüStV überträgt die nähere Ausgestaltung der Anzahl und der flächenmäßigen Verteilung der Annahmestellen dem Veranstalter oder der mit der Durchführung der Glücksspiele beauftragten juristischen Person, die ein entsprechendes Vertriebskonzept zu erstellen haben. Damit aber wird die Festlegung der Grenzen an den eigentlich zu kontrollierenden Monopolisten selbst delegiert.
39 
Auch eine Kontrolle des Vertriebskonzepts sieht das Ausführungsgesetz nicht unmittelbar vor, sondern nur mittelbar bei der Erteilung der Glücksspielerlaubnis (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 5). Die Übergangsregelungen des § 25 Abs. 1 GlüStV, wonach die bis zum 01.01.2007 erteilten Konzessionen, Genehmigungen und Erlaubnisse bis zum 31.12.2008 als Erlaubnis fortgelten, sowie des § 2 Abs. 1 Satz 2 AG-GlüStV, wonach die vom Land bereits zum 01.01.2007 veranstalteten Glücksspiele noch bis zum 31.12.2008 ohne Erlaubnis fortgeführt werden dürfen, führen jedoch dazu, dass bis Ende diesen Jahres noch nicht einmal diese mittelbare Kontrolle über § 2 Abs. 2 Nr. 5 AG-GlüStV stattfindet.
40 
Allein die Möglichkeit des Einschreitens der Glückspielaufsicht nach § 9 Abs. 1 GlüStV stellt keinen wirksamen Kontrollmechanismus dar. Dies zeigt sich etwa daran, dass der baden-württembergische Monopolist, die Toto-Lotto GmbH, trotz gesetzlicher Verpflichtung nach § 7 Abs.1 AG-GlüStV bislang kein Vertriebskonzept besitzt, ohne dass dies Konsequenzen für seine Tätigkeit nach sich gezogen hätte. Nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung hat dieser bisher nur einen unzureichenden Entwurf eines Vertriebskonzepts vorgelegt.
41 
Auch zu den einzelnen Annahmestellen enthalten die gesetzlichen Regelungen keinerlei konkrete Vorgaben. So heißt es unter § 7 Abs. 2 AG-GlüStV neben Zuverlässigkeitsanforderungen an den Betreiber nur allgemein, dass die Anforderungen der § 4 Abs. 3, §§ 5, 7 GlüStV sichergestellt werden müssten und dass die Annahmestelle dem Vertriebskonzept entsprechen und nicht in Spielhallen oder in Räumlichkeiten betrieben werden dürfe, die nach ihrer Lage, Beschaffenheit, Ausstattung und Einteilung dem Ziel entgegenstünden, nur ein begrenztes Glücksspielangebot zuzulassen (§ 7 Abs. 2 Nr. 5 AG-GlüStV). Genaueres fehlt wiederum, etwa dazu, zusammen mit welchem Warenangebot Oddset vertrieben werden darf, damit es gerade nicht mehr als allerorts verfügbares Gut des täglichen Lebens (vgl. dazu BVerfG, a. a. O., Rdnr. 138) gehandelt wird, oder dazu, welche Entfernung die Annahmestelle zu besonders von Jugendlichen genutzten Einrichtungen wie Schulen, Jugendzentren oder Ähnlichem einzuhalten hat.
42 
Auch für den überwiegenden Teil der Annahmestellen sieht das Gesetz derzeit keine Kontrolle vor. Denn nach § 7 Abs. 4 AG-GlüStV darf eine Annahmestelle, die bereits zum 01.01.2007 in ein öffentliches Glücksspiel des Landes vermittelt hat, diese Vermittlung noch bis zum 31.12.2008 ohne Erlaubnis fortsetzen. Darüber hinaus ist in § 7 Abs. 2 Satz 3 AG-GlüStV vorgesehen, dass die zuständige Behörde die Aufgabe der Erteilung der Erlaubnis für den Betrieb einer Annahmestelle der mit der Durchführung des Glücksspiels beauftragten Stelle im Wege der Beleihung übertragen kann. Durch ein solche Beleihung wird wiederum der Monopolist selbst mit seiner eigenen Kontrolle beauftragt. Auch dies macht deutlich, dass das Gesetz nicht auf eine effektive Kontrolle des Monopolisten zur Sicherstellung der Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV, insbesondere der Suchtbekämpfung, angelegt ist.
43 
Die derzeitige tatsächliche Situation spiegelt diese aufgezeigten rechtlichen Defizite wider. Ein Vertriebskonzept existiert nicht; die Zahl der Annahmestellen ist seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach den Angaben des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung nur geringfügig von 3.750 auf 3.656 gesunken. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass dieser Rückgang auf ein entsprechendes Konzept und nicht nur auf Insolvenzen oder sonstige wirtschaftlich bedingte Aufgaben der Annahmestellen zurückzuführen ist. Die freiwillige Schließung von legalen Annahmestellen der Toto-Lotto GmbH durch ihre Betreiber ist nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung jedenfalls nicht genutzt worden, um die Gesamtzahl der Stellen zu reduzieren; vielmehr ist in etwa 40 bis 50 Fällen für geschlossene Annahmestellen jeweils Ersatz zugelassen worden, entweder indem der Weiterbetrieb durch einen neuen Inhaber oder aber die Eröffnung einer neuen Annahmestelle in der Nachbarschaft zugelassen wurde. Nach wie vor ist Oddset deshalb wie ein Gut des täglichen Lebens allerorts verfügbar. Die Zahl der Annahmestellen in Baden-Württemberg (3.656 - d.h. bei 10.736.000 Einwohnern kommt eine Annahmestelle auf 2.936 Einwohner; Ende 2006 waren es 3.674, d.h. eine je 2923 Einwohner - siehe Geschäftsbericht 2006 der Toto-Lotto GmbH v. 17.04.2007, S. 36 - www.lotto-bw.de) übertrifft bei weitem die Zahl etwa von Postfilialen (bundesweit eine für 6.875 Einwohner, vgl. VG Berlin, Beschl. v. 02.04.2008 -VG 35 A 52.08 -) und selbst die von Apotheken (bundesweit eine für 3.889 Einwohner, vgl. VG Berlin, a. a. O.). Auch wenn diese Zahlen angesichts der Unterschiede von Postfilialen, Apotheken und Annahmestellen nicht ohne weiteres direkt miteinander vergleichbar sind, vermitteln sie jedoch einen plastischen Eindruck von der tatsächlichen Dichte der vorhandenen Annahmestellen. Weshalb eine solche Dichte in der heutigen Mobilitätsgesellschaft für die Sicherstellung eines am Ziel der Suchtbekämpfung orientierten Glücksspielangebots notwendig sein soll, ist nicht ersichtlich.
44 
Nach wie vor wird Oddset vor allem in Zeitschriften-, Schreibwaren- und Tabakläden, Supermärkten und Tankstellen vertrieben und damit nicht nur gezielt dem interessierten Kundenkreis, sondern einem breiten Publikum angeboten und darüber hinaus auch Jugendlichen und Kindern bekannt gemacht. Nach wie vor existieren Annahmestellen in unmittelbarer Nähe zu Schulen oder anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen, wie in der mündlichen Verhandlung beispielhaft aus Waldshut-Tiengen berichtet wurde. Damit ist der Vertrieb auf Expansion und nicht auf Selbstbeschränkung und Eingrenzung angelegt. Dass es nach den Teilnahmebedingungen für Oddset zum Wetten einer Kundenkarte bedarf (vgl. § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi-Wette vom 08.11.2007, GABl. 2007, S. 639 und § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette, Ausgabe Januar 2008, GABl. 2007, S. 648), ändert an der Verfügbarkeit wie ein Gut des täglichen Lebens nichts, nachdem die Kundenkarte als „Spielpass“ kostenlos gegen Vorlage eines Ausweises ausgegeben wird und sofort nach Beantragung dieses „Passes“ gespielt werden kann (vgl. Informationen zum Spielangebot der Toto-Lotto GmbH Bad.-Württ., Stand Januar 2008, S. 20).
45 
Die Betreiber der Annahmestellen erhalten nach wie vor umsatzabhängige Provisionen für die Vermittlung von Sportwetten und haben damit ein starkes Eigeninteresse an der Steigerung des Umsatzes. Dieses Interesse wird nicht dadurch beseitigt, dass die Toto-Lotto GmbH seit dem 01.01.2008 eine Zusatzvereinbarung mit den Inhabern der Annahmestellen geschlossen hat, wonach der Glücksspielbereich nur eine untergeordnete Nebentätigkeit sein darf. Abgesehen davon, dass in der mündlichen Verhandlung von den Klägervertretern konkret Fälle genannt wurden, bei denen diese Zusatzvereinbarung nicht eingehalten werden soll, und der Beklagtenvertreter dem nichts zu entgegnen wusste, bedeutet der privatrechtliche Handelsvertretervertrag, den die Lottogesellschaften mit ihren Annahmestellen geschlossen haben (vgl. dazu Bundeskartellamt, Beschl. vom 23.08.2006 - B 10-92713-Kc-148/05 - Rdnr. 77), dass deren Betreiber einen Provisionsanspruch nach § 87 HGB besitzen und umso mehr verdienen, je mehr Spieleinnahmen sie für die Lottogesellschaft eingebracht haben. Daher haben sie auch dann, wenn sie die Glücksspielvermittlung nur als Nebentätigkeit betreiben, ein eigenes und sehr großes wirtschaftliches Interesse daran, möglichst viele Kunden zu akquirieren. An diesem System, wie es das Bundeskartellamt im Jahr 2006 vorgefunden hat (vgl. Beschl. v. 23.08.2006, a. a. O.), hat sich bislang nichts geändert, wie der Vertreter des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat. Die Bestimmung in den Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht (Anhang zum Glücksspielstaatsvertrag), dass die Vergütung der leitenden Angestellten von Glücksspielveranstaltern nicht abhängig vom Umsatz berechnet werden darf (Nr. 3 der Richtlinien), hat eher Feigenblattcharakter, nachdem der Verdienst gerade der Personen mit dem direkten Kundenkontakt, nämlich der Betreiber der Annahmestellen, umsatzabhängig ist.
46 
Die Glücksspielaufsicht ist nur minimal ausgestattet. Für ganz Baden-Württemberg sind im zuständigen Regierungspräsidium Karlsruhe (vgl. § 2 des Gesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag vom 11.12.2007) nur zwei Personen für die Überwachung des Monopolisten und seiner 3.656 Annahmestellen zuständig. Dem entspricht, dass es nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung noch nicht zu einer Sichtung, geschweige denn Überprüfung des Bestands an Annahmestellen gekommen ist. Auch über einzelne Beanstandungen bei Annahmestellen konnte der Beklagtenvertreter nichts berichten, was angesichts der hohen Zahl von Annahmestellen sicherlich nicht darauf zurückzuführen ist, dass es keine zu beanstandenden Verstöße gegeben hat.
47 
bb) Diese Defizite in der rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung des Vertriebssystems werden auch nicht durch die qualitativen Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags zur Einschränkung der Werbung und zur Suchtprävention ausgeglichen.
48 
Die inhaltlichen Regelungen zur zulässigen Werbung in § 5 Abs. 1 u. 2 GlüStV sind sehr allgemein gehalten und kranken vor allem daran, dass unklar ist und auch vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung nicht erhellt werden konnte, wo die Grenze zwischen informativer, aufklärender Werbung und unzulässiger anreizender und ermunternder Werbung verläuft. Dementsprechend konnte einer der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung auch eine Vielzahl von Werbebroschüren und -artikeln präsentieren, die weit über eine Information und Aufklärung hinausgingen und sich offensichtlich auch an Minderjährige richteten, wie etwa Schokoladentäfelchen mit dem Aufdruck auf der Banderole: „Der Leckerbissen im Jubiläumsjahr 2008 Lotto Baden-Württemberg“. Auch wenn die vorgelegten Beispiele Werbung für die Dachmarke Lotto (vgl. zur Ausgestaltung und Wirkung der Dachmarke VG Berlin, a. a. O., S.25) und verschiedene Lotterieveranstaltungen, nicht aber unmittelbar für Sportwetten enthielten, belegen sie doch, dass die Werbebeschränkungen rechtlich wie tatsächlich nicht die Ziele des § 1 GlüStV verwirklichen. Denn nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung stimmt die Toto-Lotto GmbH jede Werbemaßnahme mit der Glücksspielaufsicht ab, so dass davon auszugehen ist, dass auch die vorgelegten Werbeexemplare vorher von der Glücksspielaufsicht als unbedenklich eingestuft worden waren. Gleiches gilt für die unstreitig in Fußballstadien vorhandene Bandenwerbung für die Dachmarke Lotto, die wohl kaum als informativ und aufklärend im Sinne des § 5 Abs. 1 GlüStV bezeichnet werden kann und zudem eine Umgehung des Verbots von Bandenwerbung für Sportwetten in § 21 Abs. 2 Satz 2 GlüStV darstellt. Denn die Dachmarke steht nach ihrem Sinn und Zweck gerade für das gesamte, unter ihr vertriebene Glücksspielangebot, zu dem auch die Sportwetten gehören.
49 
Darüber hinaus ist Werbung zwar im Fernsehen, Internet und über Telekommunikationsanlagen verboten (§ 5 Abs. 3 GlüStV), jedoch nach wie vor in großer Bandbreite über Radiospots, Werbetafeln, Printmedien, Zeitungsanzeigen und Postwurfsendungen möglich (siehe dazu VG Berlin, a. a. O., S. 25-27).
50 
Soweit der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass der Umsatz der Oddset-Kombiwette im Jahr 2007 um 28 % und der Topwette um 48% sowie im ersten Quartal 2008 um 22% bzw. 32% zurückgegangen sei, konnte seinen Ausführungen nicht entnommen werden, dass dieser Rückgang Folge einer streng an der Begrenzung der Wetttätigkeit orientierten Glücksspielpolitik und Glücksspielaufsicht wäre. Vielmehr ist im Geschäftsbericht der staatlichen Toto- Lotto GmbH nachzulesen, dass die im Glücksspielstaatsvertrag geregelte Einstellung des Internetspiels und die Reduzierung der Werbeaktivitäten nur zu „leichten Umsatzrückgängen“ geführt hätten und davon auszugehen sei, dass eine fortgesetzte Werbeinschränkung zwecks Spielerschutz in Zukunft nur „vorübergehend“ zu Umsatzrückgängen führen werde (Geschäftsbericht a.a.O., S.38).
51 
Auch die Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrags zur Suchtprävention enthalten strukturelle Defizite, die sich wiederum in der aktuellen, tatsächlichen Situation widerspiegeln.
52 
Zwar sieht § 8 GlüStV eine Spielersperre vor; es fehlt jedoch an der Regelung eines Verfahrens, das sicherstellt, dass es tatsächlich auch zu Spielersperren kommt. Eine Kontrolle der Spielausgaben eines einzelnen Spielers, aus deren Höhe auf eine Spielsuchtgefährdung geschlossen werden könnte, sieht der Glücksspielstaatsvertrag nicht vor. Eine Spielersperre kann also nur dann verhängt werden, wenn der Spieler sie selbst beantragt oder das Personal oder sonstige Dritte zufällig Anhaltspunkte für Spielsuchtgefährdung, Überschuldung oder überhöhte Spieleinsätze wahrnehmen. Diese Möglichkeiten laufen in der Praxis aber weitgehend leer. Das Personal erfährt auch über die Kundenkarten oder Spielpässe (vgl. dazu Informationen zum Spielangebot der Toto-Lotto GmbH Bad.-Württ., Stand Januar 2008, S. 20, 21), die vor allem der Identifizierung eines Spielers dienen sollen (vgl. § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi-Wette vom 08.11.2007, GABl. 2007, S. 639 und § 9 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette, Ausgabe Januar 2008, GABl. 2007, S. 648), nichts über sein früheres Spielverhalten. Damit wird die vorgesehene Schulung des Personals, das problematisches Spielverhalten anhand eines plötzlichen Anstiegs des Entgelts oder der Spielfrequenz frühzeitig erkennen soll (vgl. § 6 Satz 2 GlüStV i. V. m. Nr. 1c der Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht), gerade angesichts der Dichte der Annahmestellen und der Möglichkeit für Spieler, ihre Wetten zu streuen, zu einem wenig wirkungsvollen Instrument. Abgesehen davon dürfte ein großer Teil des Personals bislang noch nicht geschult sein; bis Ende 2006 jedenfalls hatten erst 1.297 Betreiber von Annahmestellen, also nur ein gutes Drittel, an Schulungen teilgenommen (Geschäftsbericht Toto-Lotto GmbH, S. 27). So verwundert es nicht, dass der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung von keiner einzigen verhängten Spielersperre berichten konnte, obwohl bundesweit doch immerhin 250.000 Personen Anzeichen von Glücksspielsucht aufweisen sollen (vgl. Drucks. 14/1350 des Landtags von Bad.-Württ., S. 2).
53 
Höchsteinsätze für Sportwetten - spieler- und zeitraumbezogen oder wenigstens spielbezogen - sind weder im Glücksspielstaatsvertrag noch im Ausführungsgesetz geregelt. Allein die normativ nicht verankerten Teilnahmebedingungen enthalten gewisse, teilweise sehr hohe (bis zu 5.000 EUR) Grenzen, die sich jedoch nur auf einen Spielvorgang, nicht aber auf die Ausgaben eines Spielers innerhalb eines bestimmten Zeitraums beziehen (vgl. § 6 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi-Wette vom 08.11.2007, GABl. 2007, S. 639 und § 6 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette, Ausgabe Januar 2008, GABl. 2007, S. 648; s. dazu auch VG Berlin, a. a. O., S. 30 f.).
54 
Das in § 6 GlüStV vorgesehene Sozialkonzept wird in seiner Ausgestaltung wiederum dem Monopolisten selbst überlassen. Nach Auskunft des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung gibt es zwar ein Sozialkonzept des baden-württembergischen Monopolisten. Dieses stammt aber noch aus dem Jahr 2004, kann die Vorgaben des neuen Glücksspielstaatsvertrags also gar nicht umgesetzt haben.
55 
Am Rande sei im Übrigen darauf hingewiesen, dass auch der in § 10 Abs. 1 Satz 2 GlüStV vorgesehene Fachbeirat offensichtlich nicht existiert, nachdem dem Beklagtenvertreter darüber nichts bekannt war.
56 
Die Kammer verkennt nicht, dass die Toto-Lotto GmbH im Bereich der Aufklärung (§ 7 GlüStV) mit den Hinweisen auf Spielscheinen, Losen und Quittungen (§ 7 Abs. 2 GlüStV), der Aufklärungsbroschüre „Spielen mit Verantwortung“, der Einrichtung der Internetseite „www.spielen-mit-verantwortung.de“ und - vor allem telefonischen - Beratungsangeboten konkrete Schritte zur Suchtbekämpfung unternommen hat. Diese Schritte ändern jedoch nichts daran, dass das Konzept des Spielerschutzes unzureichend ausgestaltet ist, und sind vor allem nicht geeignet, ein zum Wetten anreizendes und ermunterndes europarechts- und verfassungswidriges Vertriebssystem zu rechtfertigen.
57 
3. Das Sportwettenmonopol des Landes ist zudem auch deshalb europarechtswidrig, weil es eine unverhältnismäßige, nämlich zur Erreichung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags nicht erforderliche Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt (ebenso VG Arnsberg, Beschl. v.l 05.03.2008 -1 L 12/08 -, juris und VG Frankfurt a.M., Beschl. v. 09. 01. 2008 - 7 G 4107/07(3) ).
58 
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dürfen Maßnahmen zur Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist (vgl. EuGH, Urt. v. 30.11.1995 - C-55/94 -, Gebhard, Rdnr.37; Urt. v. 31.03.1993 - C-19/92-, Kraus, Rdnr.41; Urt. v. 26.11.2002 - C-100/01, Olazabal, Rdnr.43; vgl. zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Europarecht: Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2.Aufl., 2005, S.805 - 841; zur Verhältnismäßigkeit in den EuGH-Urteilen zum Glücksspielmarkt: Haltern, Gemeinschaftsrechtliche Aspekte des Glücksspiels, 2007, S.21, 22).
59 
Hinsichtlich eines staatlichen Glücksspiel-Monopols haben die nationalen Gerichte daher zu prüfen, ob dieses notwendig ist, um die mit dem Glücksspiel verbundenen Probleme (Spielsucht, Missbrauchsgefahren, Kriminalität etc.) auf das angestrebte Maß zu reduzieren oder dies nicht genauso gut durch weniger einschneidende Maßnahmen, wie etwa die Zulassung privater Anbieter unter strengen Konzessionsbedingungen erreicht werden kann (EuGH, Urt. Läärä, Rdnr.39; EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr.48, 49). Insbesondere ist zu prüfen, ob der staatliche Monopolist verglichen mit einem konzessionierten privaten Anbieter einen geringeren wirtschaftlichen Anreiz zur Verletzung reglementierender Vorschriften und ein geringeres Interesse an aggressiver Vermarktung hat und ob der Staat den öffentlich-rechtlichen Monopolanbieter effektiver überwachen kann oder ob nicht private Anbieter gleichermaßen einer solchen Überwachung unterworfen werden können (vgl. EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 30.05.2007 - E 3/06 -, Ladbrokes, Rdnr.58, 62). Die zentralen Punkte der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind dabei die Effektivität der Überwachung und die Durchsetzung einer wirklich restriktiven Glücksspielpolitik (EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr.51).
60 
Zwar steht es grundsätzlich im Beurteilungsermessen des Mitgliedsstaates, zu entscheiden, ob ein Monopol unter diesen Aspekten vorzugswürdiger ist als eine staatliche Aufsicht über private Anbieter. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist dabei allerdings in jedem Fall einzuhalten (EuGH, Urt. Läärä, Rdnr.39). Die eng auszulegende Ausnahme einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit muss der Mitgliedsstaat außerdem rechtfertigen, nämlich schlüssig, plausibel und überzeugend darlegen, dass die Beschränkung gerechtfertigt ist und auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Insoweit trägt er die Darlegungslast dafür, dass das Ziel nicht auch durch mildere Mittel erreicht werden kann (vgl. EuGH, Urt. v. 13.09.2007 - C-260/04-, Kommission./.Italien.Republik, Rdnr.33 m.w.N.; Urt. Placanica, Rdnr.48,49; Urt. Rosengren, Rdnr.50, 57; ähnlich der EFTA-Gerichtshof, der von einer „Beweislast“ des Mitgliedstaates spricht: vgl. Urt. Ladbrokes, Rdnr.42 und Urt. Gaming-Machines, Rdnr.31; zur Darlegungslast auch Haltern, Gemeinschaftsrechtliche Aspekte des Glücksspiels, 2007, S.28 ). Versäumt der Mitgliedstaat eine solche Darlegung, ist die Maßnahme unverhältnismäßig (EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr.50).
61 
Insoweit unterscheidet sich die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs von der des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 18.12.1968 - 1 BvL 5/64 u.a. -, BVerfGE 25, 1; Beschl. v. 14.10.1975 - 1 BvL 35/70 u.a. -, BVerfGE 40, 196; Beschl. v. 06.10.1987 - 1 BvR 1086/82 u.a. -, BVerfGE 77, 84; Beschl. v. 19.07.2000 - 1 BvR 539/96 - BVerfGE 102, 197 und Urt. v. 28.03.2006, a.a.O.), das die Last, die gesetzgeberischen Einschätzungen zu widerlegen und zu entkräften, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung dem Gericht auferlegt (zu diesem Unterschied Bungenberg, DVBl. 2005, 1405 [1410, 1411]; zum Unterschied zwischen EuGH und EFTA-Gerichtshof in diesem Punkt Winkelmüller, GewArch 2007, 235 [237]). Gültigkeit dürfte aber auch im europarechtlichen Kontext der Ansicht des BVerfG zukommen, dass der Gesetzgeber nicht vor Ergreifung des strengeren Mittels erst den ungewissen Ausgang der Anwendung eines milderen Mittels abwarten muss, zumal dann, wenn er in der Vergangenheit schon erfolglose Schritte in dieser Richtung unternommen hat (Beschl. v. 14.02.1967 - 1 BvL 17/63 -, BVerfGE 21, 150 [158]). Das gilt auch für die Aussage, dass der mit einer vorgeschlagenen Alternative verbundene hohe Kontrollaufwand beachtlich ist und dass nicht erwartet werden kann, dass über das vernünftigerweise von der Gesellschaft erwartbare Maß hinaus Mittel zur Aufstockung personeller und sachlicher Ressourcen der Kontrollbehörden eingesetzt werden, um eine in das Grundrecht stärker eingreifende Regelung zu vermeiden (Beschl. v. 06.10.1987, a.a.O.). Schließlich sind bei der Alternativenprüfung auch die dem Gesetzgeber bekannten Tatsachen und die bisher in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen mit Alternativen beachtlich (Beschl. v. 18.12.1968, a.a.O., S. 12, 19). Insbesondere kann es zur Unverhältnismäßigkeit eines staatlichen Monopols führen, wenn die bisherigen mit konzessionierten Privaten gemachten positiven Erfahrungen ignoriert werden (Beschl. v. 19.07.2000, a.a.O.). Schließlich muss sich der Gesetzgeber um eine flexible Gestaltung des Marktsystems und, „wo immer der Markt es erlaubt“, auch um die Eröffnung des Zugangs zum Markt bemühen (Beschl. v. 14.10.1975, a.a.O.).
62 
Nach diesen Maßstäben und Grundsätzen ist vom beklagten Land weder plausibel dargelegt noch sonst ersichtlich, dass das durch den Glücksspielstaatsvertrag begründete Sportwettenmonopol zur Erreichung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags erforderlich ist. Der Landesgesetzgeber (siehe Gesetzentwurf „III. Alternativen“ , LT-Drs. 14/1930, S. 31) beruft sich lediglich darauf, eine völlige Liberalisierung des Glücksspielmarktes anstelle eines staatlichen Monopolangebots sei völlig ungeeignet, weil es dann zu einer enormen Expansion des Marktes mit einer Verzehnfachung der gegenwärtigen Umsätze der Annahmestellen komme und damit gleichermaßen die Zahl der suchtkranken und suchtgefährdeten Glücksspieler sowie die Begleit- und Beschaffungskriminalität ansteige (so auch BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr. 113 und -im Rahmen der Folgenabwägung- ebenso VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.03.2008 - 6 S 3069/07-, juris). Dieser Einwand greift hingegen nicht gegenüber der ohne weiteres auch denkbaren Alternative der Erteilung eines begrenzten Kontingents von Konzessionen an private Wettanbieter (EuGH, Urt. Placanica, Rdnr.57, 58). Dagegen führt der Landesgesetzgeber unter Bezug auf die Sportwettenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Urt. v. 28.03.2006, a.a.O.) an, die Suchtgefahren könnten mit Hilfe eines auf die Bekämpfung von Glücksspielsucht und problematischem Spielverhalten ausgerichteten Monopols mit staatlich verantwortetem Angebot „effektiver beherrscht werden“ als im Wege einer Kontrolle privater Veranstalter (LT-Drs. 14/1930, S. 29). Diese Einschätzung beruht auf der Annahme, dass der Staat ein staatlich beherrschtes Monopolunternehmen grundsätzlich leichter überwachen und instruieren kann als er dies gegenüber einer Vielzahl privater Anbieter könnte (so ausdrücklich EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr. 51). Dies setzt aber voraus, dass die öffentliche Hand anders als bei der Beaufsichtigung Privater zur Durchsetzung einer an der Suchtprävention orientierten Vertriebsform nicht auf den Einsatz mitunter langwieriger hoheitlicher Aufsichts- und Ordnungsmittel angewiesen ist, sondern die Zielkonformität der Geschäftspolitik des ihr unterworfenen staatlichen Monopolbetriebs durch direkte Weisungen durchsetzen kann (vgl. Fremuth, EuZW 2007, 565 [568]) und dass es hier nur der Beaufsichtigung eines einzigen Wettanbieters, nämlich des staatlichen Monopolanbieters, statt der Beaufsichtigung einer Vielzahl von privaten Wettanbietern bedarf, die einen viel umfangreicheren Kontrollaufwand bedingt (vgl. Walz, EuZW 2004, 523 [525] ).
63 
An diesen beiden Grundvoraussetzungen für Annahme größerer Effektivität fehlt es jedoch im vorliegenden Fall des baden-württembergischen Sportwettenmonopols gerade. Die Toto-Lotto GmbH, die in Baden-Württemberg die Sportwetten als staatlicher Monopolbetrieb anbietet, steht zwar aufgrund der unmittelbaren Landesbeteiligung gem. § 1 Abs.5 AG-GlüStV unter dem direkten Einfluss des Landes auf die Zielkonformität der Unternehmenspolitik. Ihrerseits aber bietet sie die Sportwetten nicht über ein Netz eigener zahlenmäßig begrenzter Annahmestellen mit eigenen, unmittelbarer Weisung unterworfenen Angestellten an. Vielmehr besteht das Vertriebsnetz der Toto-Lotto GmbH aus einer Vielzahl von 3656 Annahmestellen, die von privaten Inhabern von Lebensmittel-, Zeitschriften- und Tabakläden sowie Tankstellen aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags mit der Toto-Lotto GmbH betrieben werden. Der Kontrollaufwand, den die Toto-Lotto GmbH selbst und vor allem die staatliche Glücksspielaufsicht bei der Beaufsichtigung dieser großen Zahl von Annahmestellen zu leisten hat, ist damit nicht ohne weiteres geringer als im Falle einer zahlenmäßig begrenzten Konzessionierung privater Sportwettenanbieter. Auch die Durchsetzungsmacht des staatlichen Sportwettenmonopols im Falle von Verstößen der Annahmestellen gegen die Vorschriften über die Spielsuchtprävention ist nicht größer als im letztgenannten Fall eines kontingentierten Konzessionssystems: Zwar erwecken die Teilnahmebedingungen den Eindruck, die Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg betreibe eigene Verkaufsstellen in eigener Regie (§ 1 Abs.2 der Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi und die Oddset-Top-Wette - GABl. 2007, S. 639: „Die Gesellschaft unterhält zur Durchführung ihres Auftrags in Baden-Württemberg Verkaufsstellen und Bezirksdirektionen“). Tatsächlich aber bedient sie sich nicht eigener Verkaufsstellen, sondern lediglich eines Netzes von Privaten, die ihr auf privatvertraglicher Basis Wetten vermitteln. Mangels direkter Weisungsbefugnis hat also auch die staatliche Toto-Lotto GmbH im Falle von Verstößen gegen Vorschriften über die Spielsuchtbegrenzung nur die Möglichkeit vertragsrechtlicher Konsequenzen, gegen die die privaten Inhaber der Annahmestellen ebenso Vertragsrechtsschutz vor den Zivilgerichten in Anspruch nehmen könnten, wie private Konzessionäre vor den Verwaltungsgerichten öffentlich-rechtliche Ordnungsverfügungen der Glücksspielaufsichtsbehörde anfechten könnten. Der EuGH hat insoweit aber klar entschieden (Urt. Rosengren, Rdnrn. 52 - 57), dass z.B. ein Alkohol-Monopol nur dann gerechtfertigt ist, wenn es den „Bediensteten des Monopols“ erlaubt, eine konsequente Alterskontrolle durchzuführen, dass es hingegen unverhältnismäßig ist, wenn der staatliche Monopolist sich gar nicht eigener Angestellter bedient, sondern die Verantwortung für die Alterskontrolle privaten Dritten überträgt, indem er sich damit einverstanden erklärt, dass zahlreiche Angestellte „außerhalb der Niederlassungen des Monopols“, beispielsweise in „Lebensmittelgeschäften und Tankstellen“ diese Kontrollen vornehmen. Die Verhältnismäßigkeit des Monopols sei nicht nachgewiesen, denn unwidersprochen sei geblieben, dass eine Alterskontrolle auch mittels einer Formblatterklärung gegenüber Privaten verbunden mit geeigneten strafrechtlichen Sanktionen als weniger einschneidende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit in Betracht komme.
64 
Das staatliche Monopolsystem lässt sich im vorliegenden Fall auch nicht mit dem Argument rechtfertigen, es sei weniger als die privaten Sportwettenanbieter auf die Einnahmen aus den Sportwetten angewiesen, habe also einen geringeren wirtschaftlichen Anreiz, gegen die zur Eindämmung der Spielsucht erlassenen Vorschriften zu verstoßen (so aber Fremuth, a.a.O., S. 568). Die gegenteilige Einschätzung ergibt sich vielmehr aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr. 154), das gerade gegenüber den staatlichen Monopolanbietern von Sportwetten die Einführung einer von staatlichen Finanzinteressen unabhängigen Kontrollinstanz gefordert hat (siehe § 9 Abs.6 GlüStV), nachdem aufgrund der bisherigen Erfahrungen die Gefahr besteht, dass sie eine allein an finanziellen Interessen, nicht aber an der Spielsuchtprävention orientierte Glücksspielpolitik betreiben (siehe zu dem nach wie vor fortbestehenden starken finanziellen Interesse an Beibehaltung des Sportwettenmonopols auch die entsprechenden Äußerungen von Landtagsabgeordneten - LT-Drs.14/1526, S.6).
65 
Das staatliche Monopolsystem kann zudem nicht für sich reklamieren, weniger an einer aggressiven Vermarktung von Sportwetten interessiert zu sein, als es im Alternativfall kontingentiert konzessionierte private Sportwettenanbieter wären. Zwar müssen die konkurrierenden Wettanbieter schon aus Profitinteresse werbend auf sich aufmerksam machen, wenn sie den Spielermarkt unter sich aufteilen und sich dazu voneinander unterscheiden wollen (vgl. zur Werbung als wesentlichem Wettbewerbselement EuGH, Urt. v. 19.09.2006 - C-356/04 -, Lidl), während ein Monopolbetrieb naturnotwendig dann keiner Werbung bedarf, wenn er tatsächlich der einzige Anbieter auf dem Markt ist. Die staatliche Toto-Lotto GmbH ist aber tatsächlich gar nicht der einzige Sportwettenanbieter und muss daher ebenfalls mit intensiver Werbung auf sich aufmerksam machen, wie ihre Strategie einer Werbung unter der Dachmarke „Lotto“ zeigt (dazu oben ). Denn den Spielern in Baden-Württemberg steht neben dem staatlichen Sportwettenangebot ein großer Sportwettenmarkt im Internet offen, der sich trotz seiner Illegalität schlichtweg nicht unterdrücken lässt und durch seine Konkurrenz in den letzten Jahren zu einem kontinuierlichen Umsatzrückgang bei den staatlichen Sportwetten geführt hat (siehe Geschäftsbericht der Toto-Lotto GmbH, a.a.O. 37).
66 
Schließlich ist auch die Annahme nicht plausibel, das staatliche Sportwettenmonopol sei geeigneter als ein System kontingentierter Konzessionierung privater Sportwettenanbieter, die befürchteten Gefahren einer mit dem Sportwettengeschäft verbundenen Kriminalität (Betrug, Sportwettenbetrug, Geldwäsche, Einstieg des organisierten Verbrechens) oder des Gewinnausfalls zu Lasten eines Spielers durch Insolvenz des Anbieters (siehe zu alledem BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnrn. 103 - 106) einzudämmen oder gar völlig zu vermeiden. Die seit langem mit legal im Glücksspielbereich tätigen privaten Anbietern gemachten Erfahrungen dürfen dabei nämlich nicht ignoriert werden. Pferdewetten werden seit 1922 von privaten Wettanbietern veranstaltet und angeboten, in den neuen Bundesländer sind seit Jahren vier private Sportwettenanbieter auf der Grundlage von alten DDR-Erlaubnissen tätig, der Spielbankenbetrieb in Baden-Württemberg wird seit Jahrzehnten von privaten Betreibern durchgeführt und der Glücksspielmarkt im Bereich der Spielautomaten wird sogar ohne Kontingentierung ausschließlich von Privaten betrieben (siehe LT-Drs.14/393, S.5). Gleichwohl liegen ganz offenbar keine negativen Erfahrungen mit ihnen im Hinblick auf die befürchteten Kriminalitäts- und Liquiditätsgefahren vor. Das Finanzministerium (a.a.O. S.5, 6) stützt entsprechende Befürchtungen weder auf Statistiken noch auf Untersuchungen, sondern beruft sich nur auf die insoweit ebenso wenig fundierten Annahmen des BVerfG. Dem Regierungspräsidium Karlsruhe als der zuständigen Glücksspielaufsichtsbehörde sind diesbezüglich auch keine entsprechenden Missstände (Betrugsstraftaten, Insolvenzen, sonstige gewerberechtliche Unzuverlässigkeiten) etwa aus der früheren Tätigkeit der ca. 500 privaten Sportwettenvermittler (vgl. LT-Drs. 14/495, 10) bekannt geworden, deren Tätigkeit sie untersagt hat (zur Unverhältnismäßigkeit eines Spielbankenmonopols wegen der Nichtberücksichtigung der zuvor jahrelang mit privaten Spielbankenbetreibern gemachten positiven Erfahrungen: BVerfG, Beschl. v. 19.07.2000, a.a.O.; zur Unverhältnismäßigkeit eines Monopols mangels Darlegung, dass ein Konzessionierungssystem mit privaten Anbietern unter strengen Zulassungsvoraussetzungen zur Vermeidung von Untreue, Unterschlagung und Geldwäsche nicht gleichermaßen effektiv sei: EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming-Machines, Rdnr. 50).
67 
Ohnedies sind die genannten Gefahren im Bereich der Sportwetten nicht besonders ausgeprägt bzw. durch geringer einschneidende Maßnahmen als durch ein staatliches Monopol zu reduzieren. Das Bundesverfassungsgericht selbst hat dazu in seiner Grundsatzentscheidung ausgeführt, die typischen Betrugsgefahren durch manipulierte Spielgeräte und Spielmittel oder durch Einflussnahme auf den Spielverlauf bestünden bei Sportwetten in geringerem Maße als bei anderen Glücksspielen, da auf ein von dritter Seite veranstaltetes Sportereignis gewettet werde, das der Wettnehmer selbst nicht beeinflussen könne. Auch die Übervorteilung der Spieler durch Täuschung über die Gewinnchancen sei bei Sportwetten mit festen Gewinnquoten geringer, da Risiko und Gewinnchancen aufgrund der fest vereinbarten Gewinnquoten transparenter seien als bei anderen Glücksspielen. Stärker als bei Spielformen, bei denen der Veranstalter nur das von den Spielern eingesammelte Geld nach Einbehalt eines gewissen Anteils auskehre, könne der Spieler hingegen durch die Zahlungsunfähigkeit des Veranstalters gefährdet werden. Wie bei „anderen gewerblichen Betätigungen“, bei denen dem Unternehmer fremde Gelder anvertraut seien, sei bei Sportwetten mit festen Gewinnquoten daher die finanzielle Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit des Veranstalters im Interesse der Wettteilnehmer zu sichern (Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnr.103, 104). Was die vom Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang auch angeführte spezifische Gefahr des Sportwettenbetrugs durch Einflussnahme der Wettteilnehmer auf den Verlauf des Sportereignisses selbst angeht, ist nicht ersichtlich, dass eine solche Einflussnahmemöglichkeit im Fall der Wettveranstaltung durch Private größer wäre als im Fall eines staatlich monopolisierten Sportwettenangebots. Auch die Gefahr der Begleitkriminalität in Form einer Beschaffungskriminalität von Spielsüchtigen würde nur dann ein Argument für die Notwendigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols darstellen, wenn dieses im Hinblick auf die Suchtprävention effektiver wäre als eine kontingentierte Zulassung privater Anbieter unter strengen Verhaltensvorschriften. Das aber ist aber nach dem oben Gesagten gerade nicht der Fall, weil es an einer solchen konsequenten Spielsuchtprävention fehlt.
68 
In der Literatur wird zudem zu Recht darauf verwiesen, dass ein rechtskonformes Verhalten gewerblicher Spielvermittler, die bislang in der Vergangenheit keinen Vorwürfen hinsichtlich aggressiver Spielerwerbung ausgesetzt waren, sich auch durch das mildere Mittel einer Zuverlässigkeitsprüfung im staatlichen Zulassungs- und Überwachungsverfahren wie in anderen Bereichen des Gewerberechts auch hinreichend sicherstellen lässt (Wissenschaftlicher Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landtags, Gutachten vom 11.10.2007, S. 30, a.a.O.). Auch der Europäische Gerichtshof hat es in der Placanica-Entscheidung (a.a.O., Rdnr. 62 ff.) für ein wesentlich milderes Mittel gehalten, die Kontrolle der ausländischen Wettanbieter zwecks Schutz des Glücksspielmarktes vor kriminellen und betrügerischen Tätigkeiten durch Einholung von Informationen über deren Vertreter oder Hauptanteilseigner auszuüben, anstatt sie zur Erreichung dieses Ziels vollständig vom Glücksspielmarkt auszuschließen.
69 
Gegen eine Konzessionierung Privater lässt sich auch nicht einwenden, die Annahmestellen des staatlichen Sportwettenmonopols seien wegen ihrer Ausgestaltung als bloßer Nebenbetrieb von Tankstellen, Lebensmittel-, Zeitschriften oder Tabakwarenläden deutlich weniger attraktiv für Spieler als reine private Sportwettenagenturen, die durch entsprechende räumliche Gestaltung und Aufmachung (Sitzgelegenheiten, Getränke- und Fernsehangebot) die Wettteilnehmer stärker zum Verweilen und Wetten animierten und damit den Spielerschutz und die Suchtprävention beeinträchtigten. Denn im Rahmen einer Konzessionserteilung könnte auch privaten Sportwettenanbietern eine insoweit vergleichbar nüchterne Gestaltung vorgegeben werden. Gleiches gilt für den Einwand, die Gewinnquoten der staatlich veranstalteten Oddsetwette seien erheblich geringer und damit weniger suchtgefährlich als die Gewinnquoten der privaten Sportwettenanbieter. Denn im Rahmen einer staatlichen Konzessionierung ließen sich den privaten Anbietern gegenüber ohne weiteres auch Vorgaben zur Beschränkung der Höhe der Gewinnquoten machen.
70 
Was die im Lindmann-Urteil des EuGH (Urt.v. 13.11.2003 - C-42/02-, Rdnr.25,26) geforderte begleitende Untersuchung der Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit angeht, hat das Land lediglich auf die vom Bundesverfassungsgericht erwähnte Studie zum Suchtpotenzial von Sportwetten verwiesen (LT-Drs.14/393, S. 8, 9), hält aber im Übrigen seinerseits „längerfristig alternative Modelle wie beispielsweise eine beschränkte Konzessionierung“ nicht für ausgeschlossen (vgl. Stellungnahme des Finanzministeriums vom 30.10.2006 -LT-Drs.14/393, S.3; siehe auch Finanzminister Stratthaus - LT-Drs.14/495, S.11: „Über die Idee private Anbieter zuzulassen und eine Steuer zu erheben, kann durchaus nachgedacht werden“). Außerdem hat das Land zusammen mit Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein in einer Protokollerklärung zum Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 22.06.2006 zum Staatsmonopol im Glücksspielbereich erklärt, es halte es „unter Einbeziehung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben und praktischer Marktentwicklungen mittel- und langfristig für zielführender, eine begrenzte Konzessionierung in diesem Bereich vorzubereiten“ (siehe dazu LT-Drs.14/393, S. 554). Soweit aber für die Einführung eines solchen alternativen Konzessionierungsmodells erst die „zukünftige Entwicklung des Glücksspielmarktes“ und die Frage entscheidend sein soll, „ob sich das Monopol dabei als geeignetes Mittel zur Erreichung der ordnungspolitischen Ziele erweist“, und soweit dazu für einen Zeitpunkt drei Jahre nach Inkrafttreten des Staatsvertrages eine Evaluierung zur Effizienz und einem etwaigen Anpassungsbedarf ankündigt wird (vgl. Finanzministerium v. 30.10.2006 - LT-Drs.14/393, S.3), trägt dieses Argument nicht. Denn es ist nicht dargelegt, dass diese Vorgehensweise angesichts der bisherigen positiven Erfahrungen mit privaten Glücksspielanbietern einen Erkenntnisgewinn bringen würde. Nach allem kann also keine Rede davon sein, das Monopol sei zur Zielerreichung geeigneter als die kontingentierte Zulassung privater Sportwettenanbieter.
71 
4. In seiner rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung verstößt das staatliche Glücksspielmonopol für Sportwetten schließlich auch gegen EG-Wettbewerbsrecht in Gestalt des Art. 86 EG i.V.m. Art. 82 EG (ebenso im Ergebnis: Winkelmüller/Kessler, EuZW 2007, 404; König, EuZW 2007, 33, sowie Bungenberg, DVBl. 2007, 1405, 1411; a. A.: Fremuth, EuZW 2007, 565).
72 
Art. 86 Abs. 1 EG bestimmt, dass die Mitgliedstaaten in Bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine dem EG-Vertrag und insbesondere dessen Artikeln 12 und 81 bis 89 EG widersprechende Maßnahmen treffen oder beibehalten werden. Das Sportwettenmonopol ist untrennbar mit der Gewährung eines ausschließlichen Rechts an ein - zudem: öffentliches - Unternehmen, die Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg, verbunden. Dieser Gesellschaft allein wird ein wirtschaftlicher Tätigkeitsbereich unter Ausschluss von Wettbewerbern vorbehalten (vgl. zum Charakter ausschließlicher Rechte: EuGH, Urt. v. 30.04.1974 - Rs. 155/73 -, Sacchi; Urt. v. 18.06.1991 - C-260/89 -, ERT; Urt. v. 10.12.1991 - C-179/90 -, Hafen von Genua). Auch wenn die Gründe für das Monopol nichtwirtschaftlicher Art sind (§ 1 GlüStV), stellen das als (ordnungsrechtliche) öffentliche Aufgabe (§ 10 Abs. 1 und 2 GlüStV) zu qualifizierende Anbieten und die Veranstaltung von Glücksspielen eine wirtschaftliche Tätigkeit dar (anders hingegen, wenn eine staatliche Stelle hoheitliche Befugnisse ausübt: EuGH, Urt. v. 14.12.1995 - C-387/93 -, Banchero, Rnr. 49). Alle Glücksspiele sind als wirtschaftliche Tätigkeiten im Sinne von Artikel 2 EG zu qualifizieren, denn sie erfüllen die beiden Kriterien der Erbringung einer bestimmten Dienstleistung gegen Entgelt und der Erwartung eines Gewinns in Geld (EuGH, Urt. v. 11.09.2003 - C-6/01 -, ANOMAR, Rnr. 47; Urt. v. 25.10.2001 - C-475/99 -, Ambulanz Glöckner, Rnr. 19). Dass die Veranstaltung von Sportwetten bislang schon vom Staat beherrschten Gesellschaften übertragen war (vgl. bereits den Staatsvertrag zum Lotteriewesen aus 2004) und weiterhin ist, spricht nicht gegen die wirtschaftliche Natur dieser Tätigkeit, weil sie (gemeinschaftsweit betrachtet) nicht stets in der Hand des Staates ist und ferner nicht notwendig von solchen Einrichtungen betrieben werden muss (vgl. zum Arbeitsvermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit: EuGH, Urt. v. 23.04.1991 - C-41/90 -, Höfner und Elser, Rnr. 22).
73 
Das mit dem GlüStV bzw. den diesen umsetzenden gesetzlichen Regelungen bewirkte Dienstleistungsmonopol der Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg bei der Durchführung ausschließlich vom Land veranstalteter Sportwetten stellt die Einräumung einer marktbeherrschenden Stellung i.S.v. Art. 82 EG dar. Ein Unternehmen, das ein gesetzliches Monopol besitzt, kann als Inhaber einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 82 EG angesehen werden. Ferner kann bereits das Teilgebiet zumindest eines der größeren EU-Mitgliedsstaaten einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes darstellen (Brinker, in: Schwarze, EU-Kommentar, 1. Aufl. 2000, Art. 82 Rnr. 10) Das Land Baden-Württemberg ist angesichts seiner Einwohnerzahl (über 10,7 Mio.) und des betroffenen Wirtschaftszweigs (zur Lukrativität des Glücksspielmarkts vgl. Diegmann/Hoffmann, NJW 2004, 2642) als gemeinschaftsrelevanter Markt anzusehen (so im Ergebnis auch Fremuth, a.a.O., S. 565). Der EuGH hat in der Sache Ambulanz Glöckner (a.a.O., Rdnr. 38) für das im Bundeslandvergleich kleinere Rheinland-Pfalz angesichts der „großen Fläche“ dieses Landes von fast 20.000 qkm und seiner hohen Einwohnerzahl von etwa vier Millionen, die über der einiger Mitgliedstaaten liegt, die Annahme geäußert, dass eine beherrschende Stellung (dort des DRK-Rettungsdienstes) einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes betrifft.
74 
Das Sportwettenmonopol ist ferner als missbräuchliche Ausnutzung dieser Marktstellung zu qualifizieren. Unter Berücksichtigung einer weiten, am Verbraucherinteresse, an der Marktöffnung sowie an der Sicherung unverfälschten Wettbewerbs orientierten Auslegung des Missbrauchsbegriffs (vgl. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2007, Art. 82 EG, Rdnrn. 126 bzw. 116; Brinker, a.a.O., Rdnr. 15; ferner EuGH, Urt. v. 15.03.2007 - C95/04 P -, Britisch Airways, Rdnr. 57) unterfallen die Monopolbestimmungen der Bestimmung des Art. 82 Abs. 2 lit. b EG. Danach kann ein Missbrauch insbesondere in einer Beschränkung der Leistung („Einschränkung des Absatzes“) zum Schaden derjenigen bestehen, die die betreffende Dienstleistung in Anspruch nehmen wollen (in diesem Sinne: Fremuth, a.a.O. S. 566 ff.; König, a.a.O., S. 33 sowie Bungenberg, a.a.O., S. 1411/1412). Insbesondere auf einem ausgedehnten und differenzierten Markt, der überdies aufgrund wirtschaftlicher und sozialer Entwicklungen Veränderungen unterliegt, kann es dazu kommen, dass ein Monopolist einen bedeutenden Teil der Gesamtnachfrage nach Dienstleistungen nicht mehr befriedigen kann (EuGH, Urt. v. 11.12.1997 - C-55/96 -, Job Centre, Rdnrn. 32 bis 34). Die nach Art. 82 Abs. 1 EG ferner erforderliche mögliche Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten liegt insbesondere vor, wenn - wie hier - nationale Märkte dem Ziel eines einheitlichen Markts zuwider gegenüber Dienstleistungserbringern aus anderen Mitgliedstaaten abgeschottet werden (EuGH, Urt. Ambulanz Glöckner, Rdnr. 47).
75 
Dieser wettbewerbsrechtliche Verstoß gegen Art. 82 EG ist schließlich nicht durch Art. 86 Abs. 2 EG gerechtfertigt. Danach gelten für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, die Vorschriften des EG-Vertrags, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. Im Zusammenhang mit den das Sportwettenmonopol begründenden und ausgestaltenden Regelungen des GlüStV sowie des AG-GlüStV findet eine Betrauung der Toto-Lotto GmbH mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse statt. Der Begriff „wirtschaftlich“ begrenzt den Kreis der Tätigkeiten, auf die Art. 86 Abs. 2 EG Anwendung finden kann, nicht aber den Kreis der Interessen, die Mitgliedstaaten mit diesen Tätigkeiten verfolgen können; diese können wirtschaftlicher oder nichtwirtschaftlicher Natur sein (EuGH, Urt. v. 23.10.1997 - C-157/94 -, Energiemonopole Niederlande, Rdnr. 40; Mestmäcker/Schweitzer, a.a.O., Art. 86 Abs. 2 Rdnrn. 66/67 m.w.N.). Das über §§ 1 bis 8 GlüStV i.V.m. § 10 Abs. 1 GlüStV bzw. § 1 Abs. 5 und § 2 AG-GlüStV monopolisierte Angebot von Sportwetten geht untrennbar mit einem allgemeinen Interesse einher, nämlich der Sicherstellung eines ausreichenden, aber zugleich begrenzten Glücksspielangebots. Glücksspiel-spezifisch hat der EuGH zuletzt noch einmal in der Sache Placanica (Rdnr. 46 - 48) ausgeführt, dass Ziele des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung und der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen sowie der Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen zwingende Gründe des Allgemeininteresses darstellen. Diese für eine Beschränkung der Grundfreiheiten legitimierten Ziele haben auch im Rahmen des Art. 86 Abs. 2 EG zu gelten.
76 
Die Beschränkung des Wettbewerbs mittels eines andere Sportwettenanbieter ausschließenden Monopols ist jedoch nicht geeignet bzw. nicht erforderlich zur Erfüllung der übertragenen besonderen Aufgabe. Das Erfordernis der rechtlichen oder tatsächlichen Verhinderung in Art. 86 Abs. 2 EG ist ebenfalls Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. EuGH Urt. Ambulanz Glöckner, Rdnrn. 56 und 57; Urt. v. 23.05.2000 - C-209/98 -, Sydhavnens - Rdnr. 74; Urt. v. 23.10.1997 C-159/94 -, Energiemonopole Frankreich, Rdnr. 49). Damit führt aber die oben unter 2. getroffene Feststellung einer unzulässigen Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit auch hier zum Ergebnis einer Nichtrechtfertigung des Wettbewerbsverstoßes. Wo die Gelegenheiten zum Spiel nicht wirklich vermindert und die Wetttätigkeiten nicht kohärent und systematisch begrenzt werden, kann ein Monopol keine wettbewerbsrechtliche Rechtfertigung finden (vgl. die entsprechenden Erwägungen des EuGH betreffend das staatliche Handelsmonopol für Alkohol in der Sache Rosengren). Auch in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht gilt schließlich, dass das beklagte Land nicht dargelegt hat, dass ein Dienstleistungsmonopol gegenüber der vollständigen oder zumindest teilweisen Zulassung Privater erforderlich ist. Da es sich bei Art. 86 Abs. 2 EG um eine Ausnahme von den Grundvorschriften des EG-Vertrags handelt, obliegt dem Mitgliedstaat, der sich auf diese Bestimmung beruft, der Nachweis, dass ihr Tatbestand erfüllt ist. Der Mitgliedsstaat muss folglich in einer das Gericht überzeugenden Weise darlegen, dass dieses Ziel nicht ebenso mit anderen Mitteln erreicht werden kann (EuGH, Urt. v. 25.06.1998 - C-203/96 -, Dusseldorp, Rdnr. 67; Mestmäcker/Schweitzer, a.a.O., Art. 86 Abs. 2 Rdnrn. 84 und 93). Dieser Obliegenheit ist das beklagte Land nach dem bereits oben unter 3. Dargelegten nicht gerecht geworden.
III.
77 
Die neben der Untersagung in Nrn. 1, 2, 4 und 6 getroffenen Entscheidungen über die Entfernung der Geräte, die unverzügliche Einstellung der Tätigkeiten und ihre schriftliche Mitteilung sowie schließlich die Zwangsgeldandrohung und die Gebührenfestsetzung sind, weil der ihnen vorangehende Grundverwaltungsakt der Aufhebung unterliegt, ebenfalls rechtswidrig und aufzuheben. Darauf, ob sie an eigenständigen Mängeln leiden, kommt es nicht mehr an.
IV.
78 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Kammer hat keinen Anlass, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Da diese Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, ist die Berufung zuzulassen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tenor

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 23. November 2006 – 6 F 46/06 – wird die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheides des Antragsgegners vom 30. Juni 2006 ausgesetzt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller, der türkischer Staatsangehöriger ist, vermittelt seit Ende 2005/Anfang 2006 (s. Gewerbeanmeldung vom 10.1.2006 - Bl. 45 der Akten -) in seinen Geschäftsräumen in A-Stadt, M.- Straße , Sportwetten mit fester Gewinnquote an die in Malta ansässige und dort als Veranstalterin von Sportwetten konzessionierte Top-Sportwetten Ltd. (s. Bl. 36 der Akten).

Mit Bescheid vom 30.6.2006 untersagte der Antragsgegner dem Antragsteller unter gleichzeitiger Anordnung des Sofortvollzuges und Androhung sowie aufschiebend bedingter Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 2.000,-- Euro für den Fall der Nichtbefolgung mit sofortiger Wirkung die Vermittlung von Sportwetten für im Saarland nicht konzessionierte Veranstaltungen im Bereich der Stadt Dillingen. Die Auszahlung von Wettgewinnen wurde ihm binnen einer Woche ab Zustellung gestattet. Die Anordnung ist auf die § 8 SPolG in Verbindung mit den §§ 2, 3 und 5 LottStV2004 und die §§ 2 Abs. 1, 4 SportwettG gestützt. Außerdem ist § 284 StGB angeführt.

Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller unter dem 10.7.2006 Widerspruch erhoben, über den noch nicht entschieden ist. Am 13.7.2006 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht um vorläufigen Rechtschutz nachgesucht. Mit Beschluss vom 23.11.2006 hat es das Verwaltungsgericht abgelehnt, die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheides vom 30.6.2006 auszusetzen. Gegen diesen am 27.11.2006 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 11.12.2006 Beschwerde erhoben und diese am 27.12.2006 begründet. Er verfolgt sein erstinstanzliches Begehren weiter.

II.

Die gemäß § 146 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat Erfolg.

Nach dem Ergebnis der durch das Beschwerdevorbringen begrenzten (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung in dem vorliegenden Rechtsmittelverfahren hat der Antragsteller einen Anspruch auf Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheides vom 30.6.2006.

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts erweist sich die umstrittene ordnungsbehördliche Anordnung des Antragsgegners nicht als offensichtlich rechtmäßig. Nach dem Ergebnis des Beschwerdeverfahrens muss der Ausgang des Hauptsacheverfahrens noch als offen angesehen werden. Die in einem solchen Falle vorzunehmende allgemeine Interessenabwägung fällt zugunsten des Antragstellers aus.

Das Verwaltungsgericht hat die umstrittene Anordnung im Rahmen seiner Beurteilung unter anderem an den europarechtlichen Gewährleistungen der Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EGV) und des freien Dienstleistungsverkehrs (Art. 49 EGV) gemessen und ist zu dem Ergebnis gelangt, es bestehe kein Anlass zu der Annahme, dass das derzeit praktizierte Sportwettenmonopol gegen europäisches Gemeinschaftsrecht verstoße.

Die gegen diesen Teil der verwaltungsgerichtlichen Würdigung vorgebrachten Einwände der Beschwerde greifen mit der Maßgabe durch, dass der Senat - objektiv rechtlich - die Vereinbarkeit der angefochtenen Verwaltungsentscheidung mit der durch Art. 49 EGV gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit für zumindest zweifelhaft und die Rechtmäßigkeit des ordnungsbehördlichen Einschreitens gegen den Antragsteller, der türkischer Staatsangehöriger und damit nicht als Angehöriger eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft (Unionsbürger, Art. 17 EGV) Träger dieser gemeinschaftsrechtlichen Gewährleistung ist, unter dem Gesichtspunkt des vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz mit umfassten Erfordernisses der Geeignetheit der getroffenen Anordnung für offen hält.

Der Senat hat in seinen Beschlüssen vom 4.4.2007 in insgesamt acht Verfahren betreffend Eilrechtschutzanträge von Unionsbürgern (Art. 17, 49 Abs. 1 EGV) und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Gesellschaften (Art. 48, 49, 55 EGV), die ebenfalls Sportwetten an im EU-Ausland ansässige und dort konzessionierte Wettveranstalter vermitteln, gegen in hier wesentlicher Hinsicht inhaltsgleiche ortspolizeiliche Verfügungen die Vereinbarkeit der umstrittenen ordnungsbehördlichen Maßnahmen mit der gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit bezweifelt. Er hat in diesem Zusammenhang in seinem Beschluss vom 4.4.2007 in dem Verfahren 3 W 18/06 (und weitgehend gleich lautend in den übrigen sieben Beschlüssen) ausgeführt:

„Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass Gemeinschaftsrecht prinzipiell ein Anwendungsvorrang vor entgegenstehendem nationalem Recht zukommt und sowohl die nationalen Verwaltungsbehörden als auch die nationalen Gerichte gehalten sind, diesem Anwendungsvorrang im Kollisionsfall Geltung zu verschaffen. Das gilt auch in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes

vgl. ausführlich OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 22.1.2007 – 3 W 14/06 und 3 W 15/06 -,

wobei der Senat – wie in den zuletzt zitierten Entscheidungen im Einzelnen dargelegt – davon ausgeht, dass in derartigen Verfahren keine Verpflichtung der nationalen Gerichte besteht, im Falle der Überprüfung europarechtlicher Fragestellungen in gegebenenfalls Kollision mit nationalem Recht eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen.

Vorliegend spricht nach dem derzeitigen Erkenntnisstand zumindest viel dafür, dass das Einschreiten des Antragsgegners gegen die Antragstellerin der durch Art. 49 EGV gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit zuwiderläuft. Die Bestimmung des Art. 49 EGV verbietet nach näherer Maßgabe anschließender Bestimmungen die Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind. Die Antragstellerin ist als Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland, einem Mitgliedsstaat der europäischen Gemeinschaft, hat, gemäß Art. 55, 48 EGV Adressantin dieser Gewährleistung

vgl. dazu, dass auch BGB-Gesellschaften von Art. 48, 55 EGV erfasst werden, Geiger, EUV, EGV, 3. Auflage 2000, Art. 48 EGV Rdnr. 2.

Die Betätigung der Antragstellerin fällt auch in den Schutzbereich von Art. 49 EGV, der sich gemäß Art. 50 EGV umfassend auf Leistungen erstreckt, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen, und insbesondere gewerbliche, kaufmännische und freiberufliche Tätigkeiten einschließt.

Dem steht zunächst nicht entgegen, dass – wovon für das vorliegende Eilrechtschutzverfahren auszugehen ist – die Sportwetten, die die Antragstellerin vermittelt, deshalb als – prinzipiell sozial unerwünschte – Glücksspiele einzustufen sind, weil angesichts der zahllosen Unwägbarkeiten des sportlichen Geschehens die Entscheidung über Gewinn und Verlust nicht wesentlich von den Fähigkeiten und Kenntnissen oder vom Grade der Aufmerksamkeit des der Beurteilung zugrunde zu legenden durchschnittlichen Spielers abhängt, für den das Spiel eröffnet und gewöhnlich betrieben wird, sondern allein oder hauptsächlich vom Zufall, was letztlich auch Grundlage der Gewinnerwartungen des Wettveranstalters ist

vgl. in diesem Zusammenhang zum Beispiel BVerwG, Urteile vom 23.8.1994 – 1 C 18/91 – E 96, 293, vom 28.3.2001 – 6 C 2/01 – E 114, 92, und vom 21.6.2006 – 6 C 19/06 – zitiert nach Juris, siehe dort Rdnr. 45; Schönke-Schröder, StGB, 27. Auflage 2006, § 284 StGB Rdnr. 5, 7, BGH, Urteil vom 14.3.2002 – I. ZR 279/99 – NJW 2002, 2175.

Das bedarf indes aus Anlass des vorliegenden Verfahrens keiner Vertiefung, da in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anerkannt ist, dass die Bestimmungen des EG-Vertrages über den freien Dienstleistungsverkehr auch auf Tätigkeiten Anwendung finden, die darin bestehen, den Nutzern gegen Entgelt die Teilnahme an einem Glücksspiel zu ermöglichen

vgl. zum Beispiel EuGH, Urteile vom 24.3.1994 – C-275/92 – „Schindler“, zu Lotterien, vom 13.11.2003 – C-42/02 – „Lindman“, und vom 21.10.1999 – C-67/98 – „Zenatti“, jeweils zitiert nach Juris.

Ferner ist auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes

vgl. EuGH, Urteil vom 6.11.2003 – C-243/01 – „Gambelli“ und vom 6.3.2007 – C-338/04 -, C-359/04 und C-360/04 – „Placanica u.a.“

davon auszugehen, dass die Tätigkeit der Antragstellerin das für die Inanspruchnahme der Gewährleistung des Art. 49 EGV erforderliche „grenzüberschreitende“ Element aufweist. Denn nach dem derzeitigen Erkenntnisstand informiert die Antragstellerin in ihrem Geschäftslokal in A-Stadt über das Wettangebot der in Malta ansässigen Tipico Co Ltd., nimmt Wetten für diesen Wettveranstalter entgegen und vermittelt sie nach Malta oder stellt zumindest in ihrem Geschäftslokal in A-Stadt Einrichtungen bereit, mittels derer Wetten bei der Tipico in Malta abgeschlossen werden können. Ferner zieht sie die Wetteinsätze für die Tipico ein und zahlt Gewinne aus. Letztlich führt die Antragstellerin durch ihre Vermittlungstätigkeit den in Malta ansässigen Wettveranstalter mit in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wettinteressenten zusammen und ermöglicht diesen den Abschluss von Sportwetten. Mit dieser Vermittlungstätigkeit erbringt sie jedenfalls von A-Stadt aus grenzüberschreitend Dienstleistungen für die in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Tipico , für die sie von dieser eine Vergütung erhält. Es spricht zumindest viel dafür, dass diese Tätigkeit unter die durch Art. 49 EGV gewährleistete Dienstleistungsfreiheit fällt.

Die Ausnutzung dieser Dienstleistungsfreiheit wird im Saarland durch § 1 SportwettG, der das Alleinrecht zur Veranstaltung von Sportwetten dem Staat vorbehält, der wiederum unter seiner Mehrheitsbeteiligung ein öffentliches Wettunternehmen errichtet hat, dessen Betrieb der Saarland Sporttoto GmbH übertragen ist, eingeschränkt, soweit aus diesem Wettmonopol das Verbot auch der Vermittlung von Sportwetten für nicht im Saarland konzessionierte Veranstalter abzuleiten ist. Eine weitere Einschränkung, die letztlich nicht losgelöst von dem staatlichen Wettmonopol gesehen werden kann, liegt in § 284 StGB, der denjenigen mit Strafe bedroht, der ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet oder hält oder die Einrichtung hierzu bereit stellt

vgl. in diesem Zusammenhang BVerwG, Urteil vom 28.3.2001 – 6 C 2/01 – E 114, 92, wonach § 284 StGB nicht nur einen Straftatbestand darstellt sondern auch als repressive Verbotsnorm für sozial unerwünschtes Verhalten zu verstehen ist, dessen Zulassung durch Gesetzgeber und Behörde lediglich nicht ausgeschlossen ist.

Derartige Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit sind allerdings nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs – soweit hier wesentlich – nur dann gerechtfertigt, wenn sie auf zwingende Gründe des Allgemeininteresses gestützt sind, geeignet sind, die Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele zu gewährleisten, nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist und nicht in diskriminierender Weise angewandt werden

vgl. EuGH, Urteil vom 6.11.2003 – C-243/01 – „Gambelli“.

Hiervon ausgehend ist in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anerkannt, dass das Bedürfnis nach Verbraucherschutz, das Ziel der Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen im Grundsatz zwingende Gründe des Allgemeininteresses bilden können, die eine Beschränkung von Spieltätigkeiten rechtfertigen können, und dass die sittlichen, religiösen oder kulturellen Besonderheiten und die sittlich und finanziell schädlichen Folgen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft, die mit Spielen und Wetten einhergehen, den staatlichen Stellen ein Ermessen vermitteln können, das sie ermächtigt festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutzbedürfnis der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben

vgl. EuGH, Urteile vom 21.9.1999 – C-124/97 – „Läärä“, vom 21.10.1999 – C-67/98 – „Zenatti“ und vom 6.11.2003 – C-243/01 – „Gambelli“.

Das schließt die Befugnis des einzelnen Mitgliedstaates ein, nach eigenem Ermessen zu entscheiden, inwieweit er auf seinem Gebiet den Schutz bei Lotterien und anderen Glückspielen ausdehnen will, wobei allein der Umstand, dass ein Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem als ein anderer Mitgliedstaat gewählt hat, keinen Einfluss auf die Beurteilung der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit der einzelnen Bestimmungen haben kann

vgl. EuGH, Urteil vom 21.9.1999 – C-124/97 – „Läärä“.

Steht es danach im Ermessen des jeweiligen Mitgliedstaates, die Ziele seiner Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele festzulegen und gegebenenfalls das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen, so dürfte er grundsätzlich auch befugt sein, ein staatliches Monopol für die Veranstaltung von Glücksspielen zu begründen, vorausgesetzt, die insoweit getroffenen Regelungen genügen den sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergebenden Anforderungen hinsichtlich ihrer Verhältnismäßigkeit

vgl. EuGH, Urteil vom 21.9.1999 – C-124/97 – „Läärä“ – Rdnr. 39 -.

Zu diesen Anforderungen gehört, dass Beschränkungen der Spieltätigkeiten, die auf Gründe des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung und der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen sowie auf die Notwendigkeit gestützt sind, Störungen der sozialen Ordnung vorzubeugen, auch geeignet sind, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie „kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen“

EuGH, Urteil vom 6.11.2003 – C-243/01 – „Gambelli“.

Auf die sich aus den angesprochenen Gründen ergebende Notwendigkeit, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, kann sich nach der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ein Mitgliedstaat freilich dann nicht berufen, wenn seine eigenen Stellen die Verbraucher dazu anreizen und ermuntern, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, um Einnahmen für die Staatskasse oder sonstige soziale Zwecke zu erzielen.

Bei Zugrundlegung dieser Maßstäbe spricht aus den den Beteiligten bekannten Gründen des Sportwettenurteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28.3.2006

- 1 BvR 1054/01 – zitiert nach Juris,

das die Unvereinbarkeit des staatlichen Monopols für Sportwetten in Bayern mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit festgestellt hat und insoweit von der Parallelität der Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts zu den vom Europäischen Gerichtshof zum Gemeinschaftsrecht formulierten Vorgaben ausgegangen ist

vgl. BVerfG, Urteil vom 28.3.2006 – 1 BvR 1054/01 – zitiert nach Juris, Rdnr. 144,

nach dem Erkenntnisstand des vorliegenden Eilrechtschutzverfahrens alles dafür, dass die Regelungen des Sportwettenmonopols im Saarland und dessen Handhabung, die den vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten bayerischen Gegebenheiten in hier wesentlicher Hinsicht durchaus vergleichbar sind, jedenfalls bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im März 2006 nicht nur ebenfalls unvereinbar mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit, sondern auch als Beschränkungen der gemeinschaftsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit nicht gerechtfertigt waren. Auch insoweit gilt, dass die Begründung eines staatlichen Wettmonopols als solche, weil ihr auch das fiskalische Motiv der Einnahmeerzielung zugrunde liegen kann, sich nicht schon gleichsam aus sich heraus als Maßnahme zur Begrenzung der Spielleidenschaft und zur Bekämpfung der Wettsucht rechtfertigt. Denn wie sich bis in die jüngere Vergangenheit gezeigt hat, kann es auch unter einem Monopol zu einer Erweiterung der Gelegenheiten zum Glücksspiel kommen und kann eine zum Glücksspiel animierende Werbung stattfinden, die dem öffentlichen Interesse an der Bekämpfung von problematischem Spielverhalten und Wettsucht keinerlei Beachtung schenkt. Vielmehr müssen sich die das Wettmonopol rechtfertigenden Gemeinwohlbelange in der rechtlichen wie in der tatsächlichen Ausgestaltung des Monopols positiv ausdrücken. Insoweit erweisen sich die derzeitigen saarländischen Regelungen ebenso wie die bayerischen aus den vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 8.3.2006, a.a.O., dargelegten Gründen als defizitär. So gilt auch im Saarland auf der Grundlage des Gesetzes Nr. 1547 über die „Zustimmung zum Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland und zum Staatsvertrag über die Regionalisierung von Teilen der von den Unternehmen des deutschen Lotto- und Totoblocks erzielten Einnahmen„ vom 31.3.2004 – Amtsbl. 2004, S. 1030 –, der am 13.4.2004 unterzeichnete Staatsvertrag zum Lotteriewesen, dessen Regelungen gemessen an den Zielen der Bekämpfung von Wettsucht und problematischem Spielverhalten nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts unzureichend sind, und enthält auch das Gesetz über die Veranstaltung von Sportwetten im Saarland vom 8.6.1951 – Amtsbl. 1951, S. 804 – in der derzeit geltenden Fassung keine Regelungen, die dem Anliegen Rechnung tragen, mittels des Staatsmonopols die Spielleidenschaft zu begrenzen und der Spielsucht vorzubeugen. Das Sportwettengesetz beschränkt sich im Wesentlichen darauf, das Alleinrecht des Staates zur Veranstaltung von Sportwetten zu begründen, ein öffentliches Wettunternehmen zu errichten und dessen Betrieb der Saarland-Sporttoto GmbH zu übertragen, die nähere Ausgestaltung der Saarland-Sporttoto GmbH und die Verteilung der Spieleinsätze zu regeln und Anforderungen an das Sportwettenpersonal zu stellen.

Ebenso wenig wie danach die rechtliche Ausgestaltung des Sportwettenmonopols im Saarland wurde jedenfalls bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im März 2006 die tatsächliche Handhabung dieses Monopols den Zielen der Begrenzung der Spielleidenschaft und der Suchtbekämpfung gerecht. Auch insoweit kann auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 28.3.2006 zu den bayerischen Gegebenheiten verwiesen werden, da das hier im Vordergrund der Betrachtung stehende Sportwettenangebot „Oddset“ über den deutschen Lotto- und Totoblock bundesweit koordiniert wurde beziehungsweise wird.

Ist danach davon auszugehen, dass die rechtliche Ausgestaltung und die Handhabung des Sportwettenmonopols auch im Saarland bezogen auf den Zeitpunkt des Sportwettenurteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28.3.2006 aus den in diesem Urteil dargelegten Gründen nicht nur mit Art. 12 GG unvereinbar war, sondern auch die durch Art. 49 EGV gemeinschaftsrechtlich gewährleistete Dienstleistungsfreiheit verletzte, so spricht ferner, wenn, worauf Formulierungen in den zitierten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs hindeuten, dessen Forderung nach einer kohärenten und systematischen an den Zielen der Begrenzung der Spielleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht ausgerichteten Ausgestaltung von Glücksspielmonopolen nicht nur auf den Sportwetten- sondern auf den gesamten Glücksspielsektor zu beziehen sein sollten, sehr viel dafür, dass diesen Anforderungen in der Vergangenheit auch deshalb nicht entsprochen war, weil in den zurückliegenden Jahren eine kontinuierliche Ausweitung des Glücksspielangebotes durch die staatlichen Lotterieveranstalter oder –unternehmen erfolgt ist.

So sind zu dem „klassischen“ Samstagslotto das so genannte „Mittwochslotto“ und sodann in jüngerer Zeit das Angebot „Keno“ als tägliches Zahlenlotto hinzugetreten. Das Sportwettenangebot „Toto“ wurde 1999 um das Oddset-Angebot mit verschiedenen Varianten von Sportwetten erweitert. Von einer Ausrichtung der Wettangebote an den Zielen der Begrenzung der Spielleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht war bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts am 28.3.2006, soweit ersichtlich, nie die Rede.

Ist danach davon auszugehen, dass das (saarländische) Sportwettenmonopol bezogen auf den Zeitpunkt des Sportwettenurteils vom 28.3.2006 auch gemeinschaftsrechtswidrig war, so deutet nichts daraufhin, dass sich hieran seither Durchgreifendes geändert haben könnte. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in der genannten Entscheidung die Regelungen über das bayerische Sportwettenmonopol nicht für nichtig, sondern die bisherige Rechtslage für eine Übergangszeit bis zu einer gesetzlichen Neuregelung unter der Voraussetzung weiterhin für anwendbar erklärt, dass unverzüglich ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung des Monopols andererseits herzustellen ist. Auch haben in der Folge die staatlichen Lotterieverwaltungen der Bundesländer eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, mit denen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen werden soll. So hat auch das saarländische Ministerium für Inneres, Familie, Frauen und Sport als nach § 3 Abs. 4 SportwettG zuständige Aufsichtsbehörde auf entsprechende Verfügung des Senats vom 29.1.2007 hin unter dem 13.2.2007 einen Katalog von Maßnahmen vorgelegt, die auf der Grundlage mündlicher Vereinbarungen mit der Saarland Sporttoto GmbH ab der 14. Kalenderwoche des Jahres 2006 umgesetzt worden sein sollen, um den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts Rechnung zu tragen. Außerdem wurden ein von der Saarland-Sporttoto GmbH erarbeitetes „Sozialkonzept“ unter dem Slogan „Spielen mit Verantwortung“, Aufklärungs- und Informationsschriften zum Thema „Spielsucht“ sowie Spielscheine mit aufgedruckten Warnhinweisen betreffend Suchtgefahren eingereicht und auf die Zusammenarbeit der Saarland Sporttoto GmbH mit der Charité-Universitätsklinik zur Suchtprävention hingewiesen. Auch unter Würdigung dieser mittlerweile ergriffenen Maßnahmen hält es der Senat jedoch für zweifelhaft, dass das Sportwettenmonopol inzwischen in einer Weise ausgestaltet ist, die im Verständnis der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeit beiträgt. Zu sehen ist hierbei zunächst, dass das vom Bundesverfassungsgericht beanstandete Regelungsdefizit bei der rechtlichen Ausgestaltung des Sportwettenmonopols mit Blick auf die es rechtfertigende Zielsetzung der Begrenzung der Spielleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht bislang keineswegs behoben ist. Verwirklicht wurden jedenfalls im Saarland lediglich Maßnahmen auf der Grundlage mündlicher Absprachen mit dem Betreiber des öffentlichen Wettunternehmens, der Saarland-Sporttoto GmbH. Insoweit ist darauf hin zu weisen, das eine bloße Verwaltungspraxis, die auch wieder geändert werden könnte und die im Übrigen nur unzureichend bekannt (gemacht) ist, zumal sie hier auf inhaltlich nicht näher dokumentierten und veröffentlichten mündlichen Abreden mit der Saarland-Sporttoto GmbH beruht, nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs regelmäßig nicht ausreicht, um einen Verstoß gegen Verpflichtungen des EG-Vertrages auszuräumen

vgl. EuGH, Urteil vom 15.10.1986 – C-168/85 – zitiert nach Juris.

Zudem lässt sich nach dem derzeitigen Erkenntnisstand nicht feststellen, dass die ergriffenen Maßnahmen inhaltlich wirklich einen nennenswerten Beitrag zu einer kohärenten und systematischen Begrenzung der Wetttätigkeiten darstellen, wobei es für die gemeinschaftsrechtliche Beurteilung insoweit auf die Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Union ankommen dürfte und von daher die Betrachtung nicht auf die saarländischen Gegebenheiten beschränkt werden kann. Auch wenn hier nicht verkannt werden soll, dass auch die Gemeinwohlbelange der Begrenzung von Spielleidenschaft und der Bekämpfung von Wettsucht -selbst wenn sich ein Zielkonflikt insoweit nicht von der Hand weisen lässt- es nicht ausschließen, dass das im Rahmen eines Monopols zur Verfügung gestellte Wettangebot attraktiv ausgestaltet ist, eine gewisse Vielfalt aufweist und auch in gewissem Umfang dafür geworben wird

vgl. EuGH, Urteil vom 6.3.2007 -C-338/04, C-359/04 und C-360/04 - „Placanica u.a.“, freilich bezogen auf das italienische System einer begrenzten Anzahl von Konzessionen für Private -1000- und dem zur Rechtfertigung dieser Begrenzung geltend machten Gemeinwohlinteresse, die Glücksspielbetätigungen in kontrollierbare Bahnen zu lenken, um ihrer Ausbeutung zu kriminellen und betrügerischen Zwecken vorzubeugen,

und ferner berücksichtigt wird, dass nicht nur im Saarland, sondern auch in den anderen Bundesländern durch eine ganze Anzahl von Einzelmaßnahmen die früher aufdringliche und allgegenwärtige Werbung für das Wettangebot „Oddset“ deutlich reduziert und mittlerweile, um entsprechenden Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts Rechnung zu tragen, auch ein Sozialkonzept für Spielsuchtprävention und -bekämpfung entwickelt wurde, bleibt festzuhalten, dass die Gelegenheiten zum Spiel nicht nennenswert reduziert wurden. Nach wie vor können offenbar Sportwetten in sämtlichen der zahlreichen Lotto- und Toto-Annahmestellen der staatlichen Lotterieunternehmen platziert werden, in und an denen auch für die entsprechenden Spielangebote geworben wird. Das entbehrt deshalb nicht einer gewissen Problematik, weil diese Annahmestellen häufig in Verbindung mit Zeitschriften-, Tabakwaren- und sonstigem Einzelhandel betrieben werden und demzufolge auch von Kunden aufgesucht werden, die an anderen dort angebotenen Produkten interessiert sind. Insofern lässt sich nicht von der Hand weisen, dass die Werbung für das Glückspielangebot auch solche Kunden zur Spielteilnahme animiert. Zudem besteht nach wie vor die – nach Experteneinschätzung besonders suchtgefährdende –

siehe Erläuterungen zum Entwurf eines (neuen) Staatsvertrages zum Glückspielwesen in Deutschland, Seite 6,

Möglichkeit, an Sportwetten und anderen Glücksspielen im Internet teilzunehmen, in einem jedenfalls im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahrens nicht verlässlich überschaubaren weiteren Umfang. Zwar heißt es in der dem Gericht übermittelten Auflistung der „Maßnahmen der Saarland-Sporttoto GmbH nach dem BVerfG-Urteil“, der Internet-Spielvertrieb sei in der 45. Kalenderwoche 2006 eingestellt worden. Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob diese Maßnahmen mit dem Ziel der Begrenzung der Spielmöglichkeiten oder wegen einer kartellrechtlichen Auseinandersetzung erfolgt und von Dauer ist. Denn die Einstellung des Internetvertriebes der Saarland-Sporttoto GmbH ändert nichts daran, dass Oddset-Wetten und andere Glücksspiele, die von den staatlichen Glücksspielmonopolen der Länder entweder selbst oder über den Deutschen Lotto- und Totoblock veranstaltet werden, nach wie vor zumindest von gewerblichen Wettvermittlern im Internet vertrieben werden, wobei dieser Vertrieb nicht nur über die jeweiligen Internetseite des Spielevermittlers, sondern auch mittels entsprechenden Links über die Internetseiten von eingeschalteten Vertriebspartnern erfolgt mit der Konsequenz, dass das Spielangebot von Oddset und im Übrigen auch von Lotto an zahlreichen Stellen im Internet präsent ist. Von daher kann in dem Wegfall des Internetvertriebes unmittelbar über die Internetseite von Saartoto kaum eine nennenswerte Beschränkung der Spielgelegenheiten gesehen werden. So ist lediglich exemplarisch darauf hinzuweisen, dass Sportwetten und sonstige Glücksspiele über den gewerblichen Spielevermittler „Tipp24“ unter anderem von der Internetseite des saarländischen Wochenspiegels (www.wochenspiegel-saarland.de) aus möglich sind, wobei „Tipp 24“ auf seiner eigenen Internetseite auf langjährige Partnerschaften mit 8 Landeslotteriegesellschaften (siehe unter Tipp 24 – Das Geschäftsmodell) sowie auf sein Partnermodell hinweist, für das sich schon über zehntausend Website-Besitzer entschieden haben sollen, und das offenbar darauf beruht, dass diese (Vertriebs-)Partner einen Link zu Tipp 24 auf die eigene Internetseite setzen und für auf diesem Wege erfolgende Vermittlungen Provisionen erhalten. Der gewerbliche Spielevermittler „ Fluxx “ ist bei dem Internet-Provider AOL präsent. Gerade zu konterkariert wird dann die vorgetragene Beschränkung der Spielgelegenheiten durch Einstellung des unter dem Gesichtspunkt der Suchtgefährdung besonders problematischen Internetvertriebes, wenn, wie offenbar in Nordrhein-Westfalen geschehen, der Betreiber des öffentlichen Wettunternehmens seinen Internet-Vertrieb an einen gewerblichen Spielevermittler weiterreicht und auf seiner Internetseite hierauf hinweist (vgl. Website von Westlotto vom 3.2.2007).

Im Hinblick hierauf kann jedenfalls für das vorliegende Eilrechtsschutzverfahren nicht angenommen werden, dass die im Anschluss an das Sportwettenurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.3.2006 ergriffenen Maßnahmen schon ausreichen, um das derzeit bestehende Staatsmonopol für Sportwetten und Glücksspiele gemessen an den vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Kriterien als gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit einzustufen.

Der Umstand, dass mittlerweile das Verfahren zum Abschluss eines neuen Lotteriestaatsvertrages eingeleitet ist, der den verfassungsrechtlichen und gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an ein Glücksspielmonopol Rechnung tragen soll, erlaubt ebenfalls keine andere Beurteilung. Unabhängig von der umstrittenen Frage, ob der vorliegende Entwurf des Staatsvertrages inhaltlich diesen Anforderungen wirklich gerecht wird, ist derzeit nicht überschaubar, ob er den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen auch dann Rechnung tragen kann, wenn er – was aufgrund der ablehnenden Haltung des Bundeslandes Schleswig-Holstein nicht auszuschließen ist – nicht von allen Bundesländern unterzeichnet wird und wenn es nach wie vor Bundesländer geben wird, in denen auf der Grundlage von seitens von Behörden der früheren DDR erteilten Konzessionen ein von privaten Veranstaltern vertriebenes Sportwettenangebot bestehen bleibt. Das bedarf indes hier keiner Vertiefung. Festzuhalten ist jedenfalls, dass gegenwärtig keine gemeinschaftskonforme Regelung der Sportwetten- und sonstigen Glücksspielmonopole in den Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland existieren dürfte

vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 28.6.2006 – 4 B 961/06 – DVBl. 2006, 1462, das einen Widerspruch des (nordrhein-westfälischen) Sportwettenmonopols zur gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit ebenfalls unter dem Gesichtspunkt des vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Regelungsdefizits sieht; ebenso VGH Kassel, Beschluss vom 25.7.2006 – 1 TG 1465/06 – NVwZ 2006, 1435.

Gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, das Einschreiten gegen die Antragstellerin erweise sich auch unter gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkten als offensichtlich rechtmäßig, spricht ferner mit Gewicht, dass das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 29.11.2006

- 6 B 89/06 – zitiert nach Juris,

die Revision gegen ein die Vermittlung von Sportwetten an einen in Großbritannien konzessionierten Veranstalter betreffendes Urteil des VGH München vom 10.7.2006

- 22 BV 05.457 – zitiert nach Juris,

wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen und zur Begründung ausgeführt hat, das von der Klägerin angestrebte Revisionsverfahren könne voraussichtlich Gelegenheit geben, die gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an den Bestand eines Staatsmonopols für Sportwetten weiter zu verdeutlichen und die Rechtsfolgen einer etwaigen Unvereinbarkeit des Monopols mit dem Gemeinschaftsrecht für die grenzüberschreitende Tätigkeit eines privaten Vermittlers, gegebenenfalls für die Zeit bis zum Inkrafttreten und Umsetzen der Anordnung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 28. März 2006 – 1 BvR 1054/01 – einerseits und für die Zeit danach andererseits mit unterschiedlichen Ergebnissen, zu klären.

Letztlich dürfte sich die Frage der Gemeinschaftsrechtskonformität des (saarländischen) Sportwettenmonopols aller Voraussicht nach erst auf der Grundlage des Ergebnisses eines Vorabentscheidungsverfahrens beim Europäischen Gerichtshof endgültig beantworten lassen.

Bestehen danach Zweifel daran, dass das saarländische Sportwettenmonopol derzeit eine gemeinschaftsrechtskonforme Beschränkung der durch Art. 49 EGV gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit darstellt, so gilt im Ergebnis nichts anderes hinsichtlich der Regelung des § 284 StGB, die der Antragsgegner ebenfalls in seine Erwägungen zur Begründung seiner Verwaltungsentscheidung einbezogen hat.

Das gilt zunächst hinsichtlich der im vorliegenden Verfahren zumindest nicht in erster Linie interessierenden Frage, ob auf der Grundlage dieser Bestimmung gegenwärtig die strafgerichtliche Verurteilung eines Wettvermittlers erfolgen kann, der Sportwetten an einen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässigen und dort konzessionierten Wettveranstalter vermittelt, wobei in diesem Zusammenhang auf den vom Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof unter dem 28.6.2006 in dem Verfahren 2 StR 55/06 gestellten Antrag auf Verfahrenseinstellung zu verweisen ist, in dem unter anderem als klärungsbedürftig bezeichnet wird, ob das Strafrecht zur Durchsetzung eines staatlichen Wettmonopols dienen kann, das sowohl gegen deutsches Verfassungsrecht als auch gegen europäisches Gemeinschaftsrecht verstößt, und welche Auswirkungen vor dem Hintergrund der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs eine Genehmigung aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union auf die mögliche Strafbarkeit haben kann, und dem der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 29.11.2006 – 2 StR 55/06 mit Blick auf unter anderem auf Grund verschiedener Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs bestehender Bedenken gegen die Richtigkeit der in jenem Verfahren angegriffenen strafgerichtlichen Verurteilung entsprochen hat.

Zweifel an der Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht bestehen auch dann, wenn in § 284 StGB verwaltungsrechtlich ein repressives Verbot gesehen wird, Glücksspiele ohne behördliche Erlaubnis öffentlich zu veranstalten, zu halten oder Einrichtungen hierzu bereitzustellen

vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 28.3.2001 – 6 C 2/01 – E 114, 92, und vom 21.6.2006 – 6 C 19/06 – zitiert nach Juris.

Mit diesem Inhalt stellt sich § 284 StGB ebenfalls als Beschränkung der durch Art. 49 EGV gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit dar, die gemäß den vom Europäischen Gerichtshof formulierten Vorgaben verhältnismäßig sein muss. Das heißt, die Bestimmung muss – wie bereits ausgeführt – aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie muss geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zieles zu gewährleisten und darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Zieles erforderlich ist. Hieran gemessen erweist sich nach dem Erkenntnis des vorliegenden Eilrechtschutzverfahrens als fraglich, ob § 284 Abs. 1 StGB, verstanden als repressive Verbotsnorm, die Dienstleistungsfreiheit in zulässiger Weise beschränkt. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung betreffend den Entwurf eines 6. Gesetzes zur Reform des Strafrechts (6 StrRG) – BT-Drs. 13/8587 vom 25.9.1997 – Seite 67 – besteht der Zweck der Regelungen der §§ 284, 286 StGB darin,

1. eine übermäßige Anregung der Nachfrage nach Glücksspielen zu verhindern,
2. durch staatliche Kontrolle einen ordnungsgemäßen Spielablauf zu gewährleisten,
3. die Ausnutzung des natürlichen Spieltriebs zu privaten oder zu gewerblichen Gewinnzwecken zu verhindern und
4. einen nicht unerheblichen Teil der Einnahmen aus Glücksspielen (mindestens 25 %) zur Finanzierung gemeinnütziger oder öffentlicher Zwecke heranzuziehen.

Dass die beiden letztgenannten Zwecke die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch ein repressives Glücksspielverbot nicht zu rechtfertigen vermögen, dürfte in Anbetracht des Sportwettenurteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28.3.2006 und des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 6.11.2003

- C-243/01 – „Gambelli“,

außer Frage stehen. Das Bundesverfassungsgericht hat in der zitierten Entscheidung – siehe dort Rdnr. 110 – zu der insoweit gleich lautenden Regelung in § 1 Nr. 3 LottStV 2004 ausgeführt, eine Ausnutzung des privaten Spieltriebes zu privaten oder gewerblichen Gewinnzwecken auszuschließen, stelle im Hinblick darauf, dass Art. 12 Abs. 1 GG eine Tätigkeit auch im Hinblick darauf unter Schutz stelle, dass sie zu privatem finanziellen Nutzen ausgeübt werde, kein verfassungsrechtlich zulässiges Ziel dar. Auch das Ziel sicherzustellen, dass ein erheblicher Teil der Einnahmen aus Glücksspielen zur Förderung öffentlicher oder gemeinnütziger Zwecke verwendet werde (vgl. § 1 Nr. 5 LottStV 2004), könne gemessen an Art. 12 Abs. 1 GG nicht als selbstständiges Ziel eines Monopols, sondern nur als Weg zur Suchtbekämpfung und als Konsequenz aus einem öffentlichen Monopol anerkannt werden

vgl. BVerfG, Urteil vom 28.3.2006 – 1 BvR 1054/01 – zitiert nach Juris, Rdnr. 109.

Gemeinschaftsrechtlich dürfte ebenfalls gelten, dass der Umstand, dass eine Dienstleistung in der Absicht privater Gewinnerzielung erbracht wird, für sich allein nicht ausreicht, die Dienstleistungsfreiheit zu beschränken, da nach Art. 50 EGV gerade Kriterium der durch Art. 49 EGV geschützten Dienstleistungen ist, dass sie in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, und in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anerkannt ist, dass die Bestimmungen des EG-Vertrages über den freien Dienstleistungsverkehr auch auf Tätigkeiten Anwendung finden, die darin bestehen, den Nutzern gegen Entgelt die Teilnahme an einem Glücksspiel zu ermöglichen

vgl. zum Beispiel EuGH, Urteil vom 13.11.2003 – C-42/02 – „Lindman“, zitiert nach Juris.

Zudem hat der Europäische Gerichtshof betont, dass die Finanzierung sozialer Aktivitäten mit Hilfe von Abgaben auf die Einnahmen aus genehmigten Spielen nur eine nützliche Nebenfolge, nicht aber der eigentliche Grund der betriebenen restriktiven Politik sein darf

vgl. zum Beispiel EuGH, Urteil vom 6.11.2003 – C-243/01 – „Gambelli“, zitiert nach Juris Rdnr. 62.

Auch das deutet mit Gewicht darauf hin, dass das Anliegen der Sicherstellung eines nicht unerheblichen Teils der Einnahmen aus Glücksspielen zur Finanzierung gemeinnütziger oder öffentlicher Zwecke für sich gesehen kaum geeignet sein dürfte, die Dienstleistungsfreiheit mittels eines repressiven Verbotes (zum Schutz staatlicher Monopole) zu beschränken.

Was den im Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Begründung der Regelungen der § 284, 286 StGB unter Nr. 1 genannten Zweck anbelangt, eine übermäßige Anregung der Nachfrage nach Glücksspielen zu verhindern, so steht zwar auf der Grundlage der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs außer Frage, dass es sich hierbei um einen Belang handelt, der prinzipiell geeignet ist, ein staatliches Glücksspielmonopol zu rechtfertigen. Aber auch wenn hieraus abzuleiten ist, dass dieser Gesichtspunkt das in § 284 Abs. 1 StGB ausgesprochene repressive Verbot von Glücksspielen ohne behördliche Genehmigung ebenfalls tragen kann, bestehen nach dem derzeitigen Stand Zweifel, ob dieses Verbot im Verständnis der zitierten Rechtsprechung des EuGH geeignet ist, die Verwirklichung dieses Zweckes zu gewährleisten. Denn wie der Europäische Gerichtshof ausgeführt hat

vgl. Urteil vom 6.11.2003 – C-243/01 – „Gambelli“, zitiert nach Juris, Rdnr. 69,

ist ein Mitgliedstaat, dessen Stellen die Verbraucher dazu anreizen und ermuntern, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen, gehindert, sich im Hinblick auf die Notwendigkeit, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, auf die öffentliche Sozialordnung zu berufen, um Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit zu rechtfertigen. Hiervon ausgehend hält es der Senat für fraglich, ob ein repressives Verbot von Sportwetten zu dem Zweck der Verhinderung der übermäßigen Nachfrage nach Glücksspielen gerechtfertigt sein kann, wenn, wofür wie bereits dargelegt auch vorliegend alles spricht, die staatlichen Wettmonopole weder nach ihrer rechtlichen Ausgestaltung noch nach ihrer tatsächlichen Handhabung kohärent und systematisch auf eine Begrenzung der Wetttätigkeit ausgerichtet sind, sondern selbst über ihre zahlreichen Annahmestellen sowie jedenfalls über gewerbliche Spielevermittler im Internet ein nahezu allgegenwärtiges Angebot an Sportwetten und sonstigen Glücksspielen zur Verfügung stellen. Insoweit ist auch ein Zusammenhang zwischen dem § 284 Abs. 1 StGB zu entnehmenden repressiven Verbot ungenehmigten Glücksspiels zum Zwecke der Begrenzung der Spielleidenschaft und der staatlichen Handhabung des „eigenen“ Wett- und sonstigen Glücksspielangebotes zu sehen. Ist letzteres nicht an diesem Ziel ausgerichtet, stellt sich die Frage der Eignung des in § 284 StGB enthaltenen Verbotes zur Erreichung dieses Zweckes. Auch insoweit überschreitet eine abschließende Beurteilung den Rahmen des vorliegenden Eilrechtschutzverfahrens und muss unter Umständen auf der Grundlage einer noch einzuholenden Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Schließlich dürfte auch der weitere in der Gesetzesbegründung angeführte Zweck der Regelung der §§ 284, 286 StGB, durch staatliche Kontrolle einen ordnungsgemäßen Spielablauf zu gewährleisten, für sich allein es nicht rechtfertigen, die Dienstleistungsfreiheit auf dem Sportwettensektor mittels eines repressiven Verbotes einzuschränken. Zwar erscheint die Einführung einer Genehmigungspflicht zur präventiven Kontrolle von im Glücksspielbereich tätigen Wirtschaftsteilnehmern mit Blick auf das Anliegen, Personen, die sich an Sportwetten und sonstigem Glücksspiel beteiligen, vor betrügerischen und sonstigen kriminellen Machenschaften zu schützen, durchaus als eine prinzipiell auch die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigende Maßnahme

vgl. EuGH, Urteil vom 6.3.2007 in den verbundenen Rechtssachen C-338/04, C-359/04 und C-360/04 – „Placanica u.a.“.

Allerdings ist vorliegend zu berücksichtigen, dass ein Verwaltungsverfahren zur Durchführung einer solchen Präventivkontrolle, in dem bei Unbedenklichkeit eine Genehmigung zur Veranstaltung oder zur Vermittlung von Sportwetten auch erlangt werden könnte, anders als im Übrigen in § 33 c GewO für das Aufstellen von unter dem Gesichtspunkt einer Suchtgefährdung offenbar besonders problematischen Geldspielautomaten

vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 28.3.2006 – 1 BvR 1054/01 -, zitiert nach Juris, Rdnr. 100, zum Stand der Suchtforschung,

rechtlich nicht vorgesehen ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zwar ausgeführt, dass kein Anhaltspunkt für die Annahme bestehe, die Strafbarkeit von ohne behördliche Genehmigung veranstaltetem Glücksspiel setze die Möglichkeit legalen Glücksspiels notwendig voraus. Die gesetzliche Regelung des § 284 StGB schließe als Repressivverbot die Zulassung von Glücksspiel durch Gesetzgeber und Behörde lediglich nicht aus

vgl. BVerwG, Urteil vom 28.3.2001 – 6 C 2/01 – E 114, 92.

Gleichwohl ist im vorliegenden Zusammenhang die Frage aufzuwerfen, ob der hier in Rede stehende Zweck der §§ 284, 286 StGB, durch staatliche Kontrolle einen ordnungsgemäßen Spielablauf zu gewährleisten, für sich gesehen die Beschränkung der gemeinschaftsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit durch ein solches Repressivverbot rechtfertigt, das heißt allein das Interesse, die an Glücksspielen Beteiligten vor betrügerischen und sonstigen kriminellen Machenschaften zu schützen es erlaubt, Sportwetten ohne die Möglichkeit einer Erlaubniserteilung zu verbieten. Das hält der Senat zum einen im Hinblick darauf für zweifelhaft, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem bereits mehrfach zitierten Sportwettenurteil vom 28.3.2006 (siehe dort Rdnr. 118), es als nicht von vornherein für ausgeschlossen bezeichnet hat, Verbraucher- und Jugendschutz sowie die Vermeidung von Folge- und Begleitkriminalität grundsätzlich auch durch die Normierung entsprechender rechtlicher Anforderungen an ein gewerbliches Wettangebot privater Wettunternehmer zu realisieren, deren Einhaltung dann durch Genehmigungsvorbehalte und behördliche Kontrollen mit den Mitteln der Wirtschaftsaufsicht sicher gestellt werden könnte, und letztlich allein in dem Ziel der Bekämpfung der Suchtgefahr eine mögliche Rechtfertigung eines staatlichen Wettmonopols gesehen hat. Zum anderen ist die Frage aufzuwerfen, ob ein repressives Verbot allein mit dem Ziel, die an Sportwetten Beteiligten vor betrügerischen oder sonstigen kriminellen Machenschaften zu schützen, sich im Rahmen des im Verständnis der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Erforderlichen bewegt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass auch der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 6.11.2003

- C-243/01 – „Gambelli“, zitiert nach Juris, Rdnrn. 73, 74,

die Verhältnismäßigkeit der in jenem Verfahren in Rede stehenden strafbewehrten italienischen Verbotsnorm im Hinblick darauf problematisiert hat, dass der Leistungserbringer – gemeint ist hier der Wettveranstalter – im Mitgliedstaat der Niederlassung einer Kontroll- und Sanktionsregelung unterliegt, und die Möglichkeit besteht, die Konten und Tätigkeiten der nach damaligem italienischem Recht von der Konzessionsvergabe ausgeschlossenen Kapitalgesellschaften zu kontrollieren, um betrügerischen und sonstigen kriminellen Machenschaften vorzubeugen. Hiervon ausgehend bedarf auch die Frage eines Anwendungsvorrangs der gemeinschaftsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit vor der Verbotsregelung des § 284 Abs. 1 StGB auf dem Sektor der Sportwetten einer umfassenden Würdigung, die über den Rahmen des vorliegenden Eilrechtschutzverfahrens hinausgeht und dem Hauptsacheverfahren gegebenenfalls auf der Grundlage einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs vorbehalten bleiben muss.

Steht somit nach dem Ergebnis der summarischen Würdigung durchaus im Raum, dass sich das (saarländische) Sportwettenmonopol und das § 284 Abs. 1 StGB wohl zu entnehmende repressive Verbot der Vermittlung von Sportwetten an in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ansässige und dort konzessionierte Wettveranstalter unter den derzeitigen Gegebenheiten als unzulässige Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EGV darstellen, so wären diese Beschränkungen, sollte sich ihre Gemeinschaftsrechtswidrigkeit im Hauptsacheverfahren bestätigen, auch nicht – zum Beispiel unter den Voraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Sportwettenurteil vom 28.3.2006 für die vorläufige Weitergeltung des bayerischen Sportwettenmonopols formuliert hat - für eine Übergangszeit bis zu einer gesetzlichen Neuregelung hinzunehmen.

Der Senat hat zur Frage der zeitlich begrenzten Fortgeltung nationaler Vorschriften trotz ihrer Unvereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht bereits in seinen Beschlüssen vom 22.1.2007

- 3 W 14/06 und 3 W 15/06

Stellung genommen, sich hierbei mit den Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Münster

Beschlüsse vom 28.6.2006 – 4 B 961/06 – DVBl. 2006, 1462, und vom 9.10.2006 – 4 B 898/06 – zitiert nach Juris,

und des VGH Kassel

Beschluss vom 25.7.2006 – TG 1465/06 – zitiert nach Juris

auseinandergesetzt, die unter strengen Voraussetzungen – inakzeptable Gesetzeslücke beziehungsweise Schutz wichtiger Allgemeininteressen – die vorübergehende Weitergeltung auch gemeinschaftsrechtswidriger Normen angenommen und die auf nationales Recht gestützten Untersagungsbescheide in jenen Verfahren bestätigt haben, und darauf hingewiesen, dass der Europäische Gerichtshof in seiner Rechtsprechung prinzipiell von der aktuellen Anwendungspflicht unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechts durch alle staatlichen Träger ausgeht und nur in Ausnahmefällen, etwa aus Gründen des Vertrauensschutzes bei in die Vergangenheit fallenden Tatbeständen und aus Gründen der Rechtssicherheit, eine zeitliche Begrenzung der Gültigkeit von Gemeinschaftsrecht allein mit Blick auf die zeitliche Begrenzung der Wirkung seiner Urteile vornimmt. Der Senat hat in diesem Zusammenhang weiter dargelegt, dass sich der von ihm zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nichts dahin entnehmen lässt, dass nationales Recht oder die Gefahr von Gesetzeslücken im nationalen Recht die Befugnis nationaler Behörden oder Gerichte begründen könnten, Gemeinschaftsrecht – hier immerhin eine der Grundfreiheiten des EG-Vertrages – vorübergehend außer Kraft zu setzen. Hieran ist auch für das vorliegende Verfahren festzuhalten, wobei zusätzlich anzumerken ist, dass der Senat auch keinen verlässlichen Anknüpfungspunkt für die Bestimmung einer solchen Übergangsfrist sieht. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass der Europäische Gerichtshof bereits in seinem Urteil vom 6.11.2003

- C-243/01 – „Gambelli“, zitiert nach Juris, Rdnr. 67

klargestellt hat, dass Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit auf dem Sportwettensektor, die unter anderem mit der Vermeidung von Anreizen für den Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen begründet sowie auf die Notwendigkeit gestützt sind, Störungen der sozialen Ordnung vorzubeugen, auch geeignet sein müssen, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen. Der Europäische Gerichtshof hat in dieser Entscheidung (Rdnr. 69) weiter ausgeführt, dass Behörden eines Mitgliedstaates, soweit sie Verbraucher dazu anreizen und ermuntern, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen, sich nicht im Hinblick auf die Notwendigkeit, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern, auf die öffentliche Sozialordnung berufen können, um Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit zu rechtfertigen. Es deutet nichts daraufhin, dass diese Rechtsprechung bei der Ausgestaltung und Handhabung des (saarländischen) Sportwettenmonopols Beachtung gefunden hätte. Die Länder haben noch zum 1.7.2004 einen Glücksspielstaatsvertrag in Kraft gesetzt, dessen Regelungen gemessen an dem Ziel einer Begrenzung der Spielgelegenheiten nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts im Sportwettenurteil vom 28.3.2006 defizitär sind. Auch der Vertrieb des Sportwettenangebots von Oddset war bezogen auf den Zeitpunkt der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht aktiv an der Bekämpfung von Spielsucht und problematischem Spielverhalten ausgerichtet. Das tatsächliche Erscheinungsbild entsprach „dem der wirtschaftlich effektiven Vermarktung einer grundsätzlich unbedenklichen Freizeitbeschäftigung“

siehe BVerfG, Urteil vom 28.3.2006 – 1 BvR 1054/01 – zitiert nach Juris, Rdnr. 134.

Es existierte eine breit angelegte Werbung, in der das Wetten als sozial adäquate, wenn nicht sogar positiv bewertete Unterhaltung dargestellt wird, und die – im Rahmen der über den Deutschen Toto- und Lottoblock bundesweit koordinierten Veranstaltung von Oddset überall auffallend und präsent war

BVerfG, Urteil vom 28.3.2006, a.a.O., Rdnr. 136.

Eine Rückführung dieser Werbung ist dann auch erst zum Zwecke der Erfüllung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für eine vorübergehende Weitergeltung des bayerischen Sportwettenmonopols eingeleitet worden.

Haben danach die staatlichen Lotterieveranstalter in der Bundesrepublik Deutschland noch im Frühjahr 2006 eine im Widerspruch zu den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs im Urteil vom 6.11.2003 stehende Vermarktung des Sportwettenangebots von Oddset betrieben, die den Zielen der Begrenzung von Spielleidenschaft und problematischem Spielverhalten keinerlei Beachtung geschenkt hat, so ist jedenfalls für das vorliegende Eilrechtsschutzverfahren nicht erkennbar, auf welcher Grundlage zum gegenwärtigen Zeitpunkt von einer noch nicht abgelaufenen Übergangsfrist zur Herbeiführung eines gemeinschaftsrechtskonformen Zustandes ausgegangen werden könnte.

Zusammenfassend ist danach als Ergebnis der im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Würdigung festzuhalten, dass der Senat es für zweifelhaft hält, dass das (saarländische) Sportwettenmonopol und ein § 284 Abs. 1 StGB gegebenenfalls zu entnehmendes repressives Verbot der Vermittlung von Sportwetten an einen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässigen und dort konzessionierten Wettveranstalter unter den gegenwärtigen rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Verständnis der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verhältnismäßige Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EGV auf dem Sportwettensektor darstellen, dass sich in Anbetracht des der Dienstleistungsfreiheit bei Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der in Rede stehenden Beschränkungen zukommenden und von den nationalen Behörden und Gerichten zu beachtenden Anwendungsvorranges die Rechtmäßigkeit des Einschreitens des Antragsgegners gegen die Vermittlungstätigkeit der Antragstellerin derzeit nicht abschließend beurteilen lässt und der Ausgang des Hauptsacheverfahrens mithin noch offen ist.“

Allerdings waren das zitierte und die anderen sieben Verfahren dadurch gekennzeichnet, dass wie bereits angesprochen die Adressaten der umstrittenen Anordnungen und Antragsteller jeweils Unionsbürger oder in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaften sind, die sich gemäß den Artikeln 17, 48, 49 und 55 EGV auf die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs berufen können. Der Antragsteller des vorliegenden Verfahrens ist hingegen türkischer Staatsangehöriger. Es ist daher für das vorliegende Eilrechtsschutzverfahren davon auszugehen, dass er Angehöriger eines so genannten Drittstaates ist. Als Drittstaater ist er, wie sich schon aus dem Wortlaut von Art. 49 Abs. 1 EGV ergibt, nicht Träger der Dienstleistungsfreiheit. Von der Möglichkeit des Art. 49 Abs. 2 EGV, Kapitel 3 des Titels III im Dritten Teil des EG-Vertrages auch auf Erbringer von Dienstleistungen anzuwenden, welche die Staatsangehörigkeit eines dritten Landes besitzen und innerhalb der Gemeinschaft ansässig sind, hat der Rat der Europäischen Gemeinschaft, soweit ersichtlich, bislang keinen Gebrauch gemacht.

Vgl. zum Beispiel Randelzhofer/Forsthoff in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Band 1, Art. 49/50 Rdnr. 20; Kluth in Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 3. Auflage 2007, Art. 49 EGV Rdnr. 34.

Auch spricht nach dem Erkenntnisstand des vorliegenden Eilrechtsschutzverfahrens nichts dafür, dass der Antragsteller auf der Grundlage eines Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Türkei, Begünstigter der durch Art. 49 EGV gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit ist

vgl. dazu, dass das Assoziierungsabkommen mit der Türkei keine subjektiven Rechte vermittelt, Randelzhofer/Forsthoff, a.a.O., vor Art. 39 bis 55 EGV, Rdnrn. 31 und 35; Kluth, a.a.O., Art. 43 Rdnr. 7 zur Niederlassungsfreiheit.

Soweit in dem Einschreiten gegen den Antragsteller zugleich eine nicht gerechtfertigte Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit des in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ansässigen und dort konzessionierten Wettveranstalters liegen sollte, sind keine eigenen subjektiven Rechte des Antragstellers betroffen.

Hiervon ausgehend spricht derzeit nichts dafür, dass der Antragsteller, sollte in dem Einschreiten gegen ihn – objektiv-rechtlich – eine rechtswidrige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegen, dadurch, dass ihm diese Dienstleistungsfreiheit vorenthalten wird, im Verständnis von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten verletzt wird.

Gleichwohl stellt sich vorliegend in Anbetracht der Zweifel an der Vereinbarkeit des ordnungsbehördlichen Vorgehens gegen Wettvermittler, die Sportwetten an in EU-Mitgliedstaaten ansässige und dort konzessionierte Wettveranstalter vermitteln, mit der gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit die Frage der Rechtmäßigkeit des Einschreitens gegen den Antragsteller unter dem Gesichtspunkt des vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im weiteren Sinne mit umfassten Erfordernisses der Geeignetheit der umstrittenen Anordnung. Der Senat hat hierzu erwogen: Sollte sich – zum Beispiel in den Hauptsacheverfahren zu den durch Beschlüsse des Senats vom 4.4.2007 entschiedenen Eilrechtschutzverfahren – herausstellen, dass das Sportwettenmonopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung und auch § 284 Abs. 1 StGB auf dem Sportwettensektor keine rechtmäßigen Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EGV darstellen, so müssten jedenfalls bis zu einer gemeinschaftsrechtskonformen Änderung der Rechtslage Wettvermittlungen an in EU-Mitgliedsstaaten ansässige und dort konzessionierte Sportwettenveranstalter hingenommen werden, soweit sie durch Unionsbürger und in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaften im Sinne der Art. 55, 48 EGV erfolgen. Treten in der Bundesrepublik ansässige Drittstaater wie der Antragsteller als Wettvermittler auf, könnten zwar nicht diese selbst, aber wohl die Wettveranstalter als Dienstleistungsempfänger die Dienstleistungsfreiheit einfordern

vgl. die Beispielskonstellationen bei Randelzhofer/Forsthoff in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Band 1, Art. 49/50 EGV Rdnr. 17, 21.

In diesem Falle dürfte die Vermittlungstätigkeit des Drittstaaters ebenfalls hinzunehmen sein. Hiervon ausgehend ist vorliegend die Frage aufzuwerfen, ob das Einschreiten gegen den Antragsteller überhaupt geeignet ist, das mit dieser Maßnahme verfolgte Ziel, die Vermittlung von Sportwetten an in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft ansässige und dort konzessionierte Wettveranstalter – gleichsam „flächendeckend“ – zu unterbinden, um auf diese Weise die Spielleidenschaft zu begrenzen und die Spielsucht zu bekämpfen, überhaupt erreicht werden kann. Für das Ausmaß der Beeinträchtigung dieser öffentlichen Belange ist es offenkundig ohne Bedeutung, ob der Wettvermittler Unionsbürger, in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaft im Sinne der Art. 55, 48 EGV oder Drittstaater ist oder anders gewendet, die Beeinträchtigung der in Rede stehenden Belange wiegt nicht dadurch schwerer, dass der Antragsteller vorliegend Drittstaater ist. Sollte sich herausstellen, dass das Einschreiten gegen die Wettvermittlung durch Unionsbürger oder Gesellschaften im Sinne der Art. 55, 48 EGV gegen die vorrangig anzuwendende Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EGV verstößt und deshalb eine Fortsetzung dieser Vermittlungstätigkeit hinzunehmen ist, spricht allenfalls wenig dafür, dass sich die darin liegende Beeinträchtigung der öffentlichen Belange der Begrenzung der Wettgelegenheiten durch ein Vorgehen gegen diejenigen Wettvermittler ausräumen lässt, die – zufällig – Drittstaater sind, zumal alles daraufhin deutet, dass in diesem Falle der Wettveranstalter als Dienstleistungsempfänger sich erfolgreich auf die Dienstleistungsfreiheit berufen könnte, von der Frage einer Gesellschaftsgründung durch den Drittstaater einmal ganz abgesehen

vgl. in diesem Zusammenhang eingehend zur Frage der Verhältnismäßigkeit und Geeignetheit nationaler Regelungen in den Fällen der so genannten Inländerdiskriminierung Gundel, Die Inländerdiskriminierung zwischen Verfassungs- und Europarecht: Neue Ansätze in der Deutschen Rechtsprechung, DVBl. 2007, 269, 276 f., der der Inländerdiskriminierung auch Sachverhalte mit Auslandsberührung zurechnet, soweit es sich um einen Drittstaat handelt und der Sachverhalt nicht vom Gemeinschaftsrecht erfasst wird (siehe S. 270 Fußnoten 19); vgl. außerdem Streinz, EUV/EGV, 2003, Art. 12 EGV Rdnr. 58, wonach in den Fällen der so genannten Inländerdiskriminierung der Inländerbegriff von der Staatsangehörigkeit gelöst werden muss, da wesentliches Kriterium die Bindung an die Rechtsordnung des Mitgliedstaates ist, was auch auf einen im Inland ansässigen Ausländer zutreffen kann.

Sollte sich demnach ergeben, dass ein Einschreiten gegen die Vermittlung von Sportwetten an einen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ansässigen und dort konzessionierten Wettveranstalter rechtswidrig ist, sofern diese Tätigkeit durch einen Unionsbürger oder eine in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaft im Sinne der Art. 55, 48 EGV erfolgt, so dürfte dies ein Umstand sein, der zumindest bei der Betätigung des Entschließungsermessens zugunsten eines Einschreitens gegen Drittstaater, die die gleiche Tätigkeit ausüben, angemessen Berücksichtigung finden müsste. Dies gilt umso mehr, wenn, wofür gegenwärtig alles spricht, der im EU-Ausland ansässige Wettveranstalter auch insoweit mit Erfolg die Dienstleistungsfreiheit einfordern könnte.

Derartige Ermessenserwägungen hat der Antragsgegner – von seinem rechtlichen Ansatz her konsequent – bislang nicht angestellt.

Die abschließende Beantwortung der insoweit aufgeworfenen Fragen nach Klärung der Vereinbarkeit des ordnungsbehördlichen Vorgehens mit Gemeinschaftsrecht erfordert eine umfassende Würdigung des Sachverhaltes, die über den Rahmen des vorliegenden Eilrechtschutzverfahrens hinausgeht und dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss. Das rechtfertigt es, im vorliegenden Verfahren ebenso wie in den mit Beschlüssen vom 4.4.2007 entschiedenen Eilrechtschutzverfahren einen noch offenen Ausgang des Hauptsacheverfahrens anzunehmen.

Die in diesem Falle vorzunehmende allgemeine Interessenabwägung fällt zugunsten des Antragstellers aus. Sein wirtschaftlich motiviertes Interesse daran, die zur Durchführung seiner Vermittlungstätigkeit getätigten Investitionen in Geschäftslokal, Einrichtungen und sonstige Ausstattung vorläufig weiter nutzen zu dürfen und hieraus Erträge zu erzielen, überwiegt die gegenläufigen öffentlichen Interessen. Der Senat hat in seinen bereits mehrfach angeführten Beschlüssen vom 4.4.2007 betreffend Eilrechtschutzanträge von insgesamt acht Unionsbürgern und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Gesellschaften im Sinne der Art. 55, 48 EGV, gegen die im Wesentlichen inhaltsgleiche ortspolizeiliche Anordnungen ergangen sind, bei ebenfalls noch offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens einen Vorrang der den Interessen des Antragstellers des vorliegenden Verfahrens gleich gelagerten privaten Interessen vor den gegenläufigen öffentlichen Belangen angenommen. Er hat in diesem Zusammenhang in dem bereits teilweise zitierten Beschluss in dem Verfahren 3 W 18/06 ausgeführt:

„Die privaten Interessen der Antragstellerin sind nicht deshalb in ihrer Schutzwürdigkeit entscheidend gemindert, weil sich diese mit Aufnahme ihrer Vermittlungstätigkeit im Juni 2006 in Kenntnis der Regelung des § 284 Abs. 1 StGB bewusst dem Risiko einer ordnungsbehördlichen Unterbindung ihrer Betätigung ausgesetzt hätte. Die Frage, ob § 284 Abs. 1 StGB ein gemeinschaftsrechtskonformes Verbot der Vermittlung von Sportwetten an einen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässigen und dort konzessionierten Wettveranstalter entnommen werden kann, ist – wie dargelegt – offen. Das schließt es aus, der Antragstellerin im Rahmen der hier vorzunehmenden Abwägung schutzmindernd anzulasten, sie sei in Anbetracht dieses Verbotes ein bewusstes Risiko eingegangen. Sollte sich nämlich die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 284 StGB gegebenenfalls zu entnehmenden Verbotes herausstellen, hätte die Antragstellerin mit der Aufnahme ihrer Vermittlungstätigkeit zu Recht von der Dienstleistungsfreiheit Gebrauch gemacht. Im Übrigen muss in diesem Zusammenhang gesehen werden, dass ein Genehmigungsverfahren, in dem die Antragstellerin vor Betriebsaufnahme die Zulässigkeit ihrer Betätigung hätte klären können, nicht vorgesehen ist. Vielmehr ist bei der Gewichtung ihrer Interessen zu berücksichtigen, dass sie sich auf die zu den Grundprinzipien des EG-Vertrages gehörende Dienstleistungsfreiheit beruft, an deren wirksame Beschränkung hohe Anforderungen zu stellen sind. Was die gegenläufigen öffentlichen Interessen anbelangt, so ist zunächst festzuhalten, dass einem etwaigen fiskalisch motivierten Interesse an der sofortigen Unterbindung der Betätigung der Antragstellerin im vorliegenden Zusammenhang keine beachtliche Bedeutung zukäme, da wie bereits dargelegt, das Anliegen, einen nicht unerheblichen Teil der Einnahmen aus Glücksspielen zur Finanzierung gemeinnütziger oder sonstiger öffentlicher Zwecke heranzuziehen, eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch Unterbindung einer privaten Betätigung auf dem Sportwettensektor nicht zu rechtfertigen vermag. Dass das öffentliche Interesse an der Vermeidung betrügerischer oder sonstiger krimineller Machenschaften in Verbindung mit Sportwetten bei einer vorläufig weiteren Hinnahme der Betätigung der Antragstellerin beeinträchtigt wäre, ist weder konkret aufgezeigt noch sonst erkennbar. Aber auch dem auf die Verringerung der Spielgelegenheiten abzielenden öffentlichen Interesse an der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Suchtbekämpfung kann keine hier durchgreifende Bedeutung beigemessen werden. Unter diesem Gesichtspunkt ist darauf hinzuweisen, dass die zahlreichen Annahmestellen der Saarland-Sporttoto GmbH und das über Links auf den Internetseiten zahlreicher Vertriebspartner weit verbreitete Internetangebot gewerblicher Spielvermittler eine derartig große Anzahl von Gelegenheiten zum Abschluss von Sportwetten bieten, dass in der vorübergehenden weiteren Hinnahme der Vermittlungstätigkeit der Antragstellerin keine nennenswerte Erhöhung des Gefährdungspotentials für Spielsucht gesehen werden kann. Auch bei sofortiger Unterbindung der Betätigung der Antragstellerin könnte ein an Sportwetten Interessierter problemlos auf die anderen Angebote ausweichen. Für die Betroffenheit eines Spielsüchtigen und gegebenenfalls seiner Familie macht es dabei keinen Unterschied, ob die verlorenen Wetteinsätze von privaten oder staatlichen Wettveranstaltern vereinnahmt werden. Zwar soll hier nicht verkannt werden, dass sowohl der Betreiber des öffentlichen Wettunternehmens im Saarland als auch private Wettvermittler Maßnahmen zur Suchprävention ergriffen haben. Jedenfalls bei den gewerblichen Wettvermittlern, die den nach Einschätzung von Suchtexperten besonders problematischen Internetvertrieb bestreiten, beschränken sich diese Maßnahmen indes, soweit nach dem derzeitigen Erkenntnisstand ersichtlich, auf die Eröffnung der Möglichkeit, eine Internetseite aufzurufen, die eine Warnung vor Suchtgefahren enthält, einen Selbsttest anbietet und auf eine Beratungsadresse (bei Tipp 24.de die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) verweist. Dass diesen Maßnahmen eine nennenswerte präventive Wirkung zukommt, kann nicht angenommen werden. Immerhin müsste sich ein Wettinteressent zunächst dazu entschließen, die einschlägige Internetseite überhaupt aufzurufen. Nach dem Eindruck des Senats hat die betreffende Maßnahme eher salvatorischen Charakter

vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerfG, Urteil vom 28.3.1006 – 1 BvR 1054/01 – zitiert nach Juris, Rdnr. 141, das bloße Faltblatt- und Internetinformationen und die Verweisung auf das Beratungsangebot der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung als unzureichende Maßnahmen der Suchtpräventionen ansieht.

Anzumerken ist in diesem Zusammenhang im Übrigen, dass auch der in der Aufstellung der „Maßnahmen der Saarland-Sporttoto GmbH“ unter der Rubrik „Annahmestellen, Sonstiges“ wiedergegebene Plakatslogan „Wer hier spielt, spielt mit Verantwortung“ durchaus zweideutig erscheint. Er kann zum einen als Appell zu verantwortungsbewusstem Spielverhalten verstanden werden, zum anderen aber auch „entlastend“ suggerieren, dass Spielen in den Annahmestellen der Saarland-Sporttoto GmbH – per se – verantwortungsbewusstes Spielen sei. Das bedarf indes hier keiner näheren Vertiefung. Jedenfalls kann aus dem Umstand, dass der Betreiber des öffentlichen Wettunternehmens im Saarland und die gewerblichen Wettvermittler inzwischen einige Maßnahmen zur Suchtprävention eingeleitet haben, nicht geschlossen werden, dass von der Betätigung der Antragstellerin, die in dieses Konzept nicht eingebunden ist, eine nennenswert höhere Gefährdung ausgeht, die es rechtfertigt, ihre Fortsetzung mit sofortiger Wirkung zu unterbinden. Zu berücksichtigen ist bei dieser Interessenabwägung ferner, dass gerade die staatlichen Lotterieunternehmen unter den Augen der Aufsichtsbehörden bis in die jüngere Vergangenheit eine Politik der kontinuierlichen Erweiterung des Spielangebotes verbunden mit einer breit angelegten Werbung betrieben und zum Beispiel – das gilt zumindest für das Saarland – den Weg zu dem besonders problematischen Internetvertrieb durch eine extensive Auslegung von § 4 Abs. 1 SportwettG eröffnet haben, indem die dort festgelegte Beschränkung des Sportwettenabschlusses auf amtlich zugelassene Annahmestellen auf das Internet als „virtuelle Annahmestelle“ erweitert wurde. Den Belangen der Begrenzung der Spielleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht ist im Rahmen dieser Geschäftspolitik ersichtlich keine Beachtung geschenkt worden. Haben danach – soweit von Sportwetten Suchtgefahren ausgehen – die staatlichen Wettunternehmen mit ihrer Geschäftspolitik einen nicht unbeträchtlichen Beitrag zu der Problematik geleistet, so kann ein besonderes öffentliches Interesse daran, zur Suchtprävention und zur Bekämpfung von Suchtgefahren gerade die Vermittlungstätigkeit der Antragstellerin bei weiterhin fortbestehendem verbreitetem Angebot der staatlichen Sportwettenveranstalter und der gewerblichen Spielvermittler mit sofortiger Wirkung zu unterbinden, nicht anerkannt werden. Dieses Interesse erhält, wie bereits angesprochen, seine Legitimation auch nicht dadurch, dass die Veranstalter des staatlichen Angebotes und die gewerblichen Wettvermittler mittlerweile einige Maßnahmen zur Suchtprävention ergriffen oder eingeleitet haben. Immerhin sieht auch der Entwurf des neuen Lotteriestaatsvertrages in seinem § 25 Abs. 6 die Möglichkeit vor, abweichend von den in § 4 Abs. 4 des Vertragsentwurfs vorgesehenen Verbots des Veranstaltens und des Vermittelns öffentlicher Glücksspiele im Internet, die Fortsetzung dieser Betätigung für einen Zeitraum von einem Jahr nach Inkrafttreten des Staatsvertrages bei Erfüllung näher beschriebener Voraussetzungen zu erlauben. Insoweit wird den gewerblichen Wettvermittlern, obwohl gerade die Möglichkeit des Glücksspiels im Internet mit Blick auf die von ihr ausgehende Suchtgefährdung als besonders problematisch bewertet wird, die Möglichkeit eröffnet, ihre Betätigung für eine Übergangszeit fortzusetzen. Da zudem, was in der hier vorzunehmenden Interessenabwägung ebenfalls nicht unberücksichtigt bleiben solle, die Antragstellerin ihre Vermittlungstätigkeit zwar erst im Juni 2006 und damit nach Ergehen des Sportwettenurteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28.3.2006, aber noch zu einem Zeitpunkt aufgenommen hat, zu dem noch nicht einmal die lediglich auf mündlichen Absprachen mit der Aufsichtsbehörde beruhende Änderung der Geschäftspolitik der Saarland-Sporttoto GmbH zur Erfüllung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nach außen manifest geworden ist, hält es der Senat für gerechtfertigt, ihrem Interesse an der einstweiligen Fortsetzung ihrer aller Voraussicht nach durch die gemeinschaftsrechtlich gewährleistete Dienstleistungsfreiheit geschützten Vermittlungstätigkeit den Vorrang vor den gegenläufigen öffentlichen Interessen einzuräumen und die sofortige Vollziehbarkeit der ihr gegenüber ergangenen Untersagungsverfügung auszusetzen.“

Die in jenen Verfahren angestellten Erwägungen lassen sich im Wesentlichen auf die Interessenabwägung in dem vorliegenden Verfahren übertragen. Nach dem Erkenntnisstand des vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren hat der Antragsteller seine Vermittlungstätigkeit Ende 2005/Anfang 2006 und damit zu einem Zeitpunkt aufgenommen, zu dem die staatlichen beziehungsweise staatlich konzessionierten Wettveranstalter ihr Wettangebot noch mittels breit angelegter Werbung als unbedenkliche Freizeitbeschäftigung vermarktet haben

vgl. BVerfG, Urteil vom 28.3.2006 – 1 BvR 1054/01 – a.a.O., Rdnr. 134, 136.

Allerdings ist der Antragsteller nach dem Erkenntnisstand des vorliegenden Eilrechtschutzverfahrens weder deutscher Staatsbürger noch Angehöriger eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union. Er kann sich daher für das Gewicht seiner Interessen nicht mit Erfolg auf die Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EGV und auch nicht auf das nach dem Wortlaut von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG nur Deutschen zustehende Grundrecht der Berufsfreiheit und damit auf Gewährleistungen berufen, an deren wirksame Einschränkung besonders hohe Anforderungen zu stellen sind. Seine Vermittlungstätigkeit wird nach wohl herrschender Meinung „lediglich“ durch Art. 2 Abs. 1 GG, und zwar nicht in dem selben Ausmaß wie durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG, sondern in den Grenzen der verfassungsmäßigen Ordnung geschützt, die jede formell und materiell verfassungsmäßige Rechtsnorm einschließt

vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.5.1988 – 1 BvR 482/84 u.a. – E 78, 179, 196 f., Urteil vom 6.11.2001 – 1 BvR 1783/99 – E 104, 337, 346; Jarass/Pieroth, GG, 8. Auflage 2006, Art. 12 Rdnr. 10.

Gleichwohl ist auch insoweit zu berücksichtigen, dass angesichts der offenen Frage der Rechtmäßigkeit des Einschreitens gegen die Vermittlungstätigkeit des Antragstellers unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im weiteren Sinne auch die Frage einer Verletzung seiner durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit gerade noch offen und damit das Gewicht seiner Interessen in rechtlicher Hinsicht nicht verlässlich bestimmbar ist. Das schließt es aus, die privaten Interessen des Antragstellers schon deshalb in hier durchgreifender Hinsicht gering zu bewerten, weil er sich jedenfalls weder auf Art. 49 EGV noch auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen kann. Auf der anderen Seite folgt aus den Entscheidungen des Senats vom 4.4.2007, dass die Vermittlung von Sportwetten an einen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ansässigen und dort konzessionierten Wettveranstalter, soweit sie durch Unionsbürger und durch in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaften im Sinne der Art. 55, 48 EGV erfolgt, und die darin liegenden Nachteile für das öffentliche Interesse an der Verringerung der Spielgelegenheiten zur Beschränkung von Spielleidenschaft und zur Bekämpfung von Wettsucht bis zur Entscheidung in den betreffenden Hauptsacheverfahren prinzipiell vorläufig hingenommen werden müssen. Von daher ließe sich bei – wenn auch unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt – offener Rechtslage im vorliegenden Fall ein Vorrang dieser öffentlichen Interessen lediglich dann anerkennen, wenn in dem Umstand, dass der Antragsteller Drittstaater ist, eine nennenswerte zusätzliche Beeinträchtigung dieser Belange läge. Hiervon kann in Anbetracht des verbreiteten Spielangebotes der staatlichen Sportwettenveranstalter und der gewerblichen Wettvermittler, zu denen noch die – die in Anbetracht dieses Spielangebotes ebenfalls keine durchgreifende zusätzliche Beeinträchtigung der in Rede stehenden öffentliche Belange darstellenden - Spielgelegenheiten treten, die sich aus dem zumindest vorübergehend hinzunehmenden Wettangebot ergeben, das Unionsbürger und in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaften an Wettveranstalter in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft vermitteln, keine Rede sein. Es spricht nichts dafür, dass mit der sofortigen Unterbindung der Vermittlungstätigkeit des Antragstellers eine nennenswerte Verringerung der Spielgelegenheiten einherginge, da ein an Sportwetten Interessierter ohne weiteres auf das umfassende und allgegenwärtige Angebot staatlicher Wettveranstalter oder gewerblicher Wettvermittler zurückgreifen könnte, wenn ihm das von dem Antragsteller vermittelte Angebot nicht mehr zur Verfügung stünde.

Soweit in der Begründung der Vollzugsanordnung ein überwiegendes Interesse an der Verhinderung einer Beeinträchtigung der Strafrechtsordnung durch auch nur vorübergehende Hinnahme eines Verstoßes gegen § 284 StGB angeführt wird, ist darauf zu verweisen, dass – wie in dem zitierten Beschluss vom 4.4.2007 – 3 W 18/06 – näher dargelegt – sowohl Bundesanwaltschaft als auch Bundesgerichtshof

siehe Antrag der Bundesanwaltschaft auf Verfahrenseinstellung vom 28.6.2006 – 2 StR 55/06 – und Beschluss des BGH vom 29.11.2006 – 2 StR 55/06

es als zweifelhaft angesehen haben, ob Strafrecht zur Durchsetzung eines staatlichen Wettmonopols dienen kann, das sowohl gegen deutsches Verfassungsrecht als auch – möglicherweise – gegen europäisches Gemeinschaftsrecht verstößt. Angesichts der insoweit bestehenden Unklarheiten darüber, ob die in Rede stehende Wettvermittlung überhaupt gemäß § 284 StGB strafbar ist, können hier durchgreifende öffentliche Interessen unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung der Strafrechtsordnung nicht anerkannt werden.

Die privaten Interessen des Antragstellers an der vorläufigen Fortsetzung seiner Vermittlungstätigkeit sind danach vorrangig vor den gegenläufigen öffentlichen Interessen mit der Folge, dass die sofortige Vollziehbarkeit der ihm gegenüber ergangenen Untersagungsverfügung auszusetzen ist.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 63 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Der Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 09.01.2007 wird aufgehoben.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein Staatsangehöriger Bosnien-Herzegowinas, wendet sich gegen eine Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe, mit der ihm untersagt wurde, in Baden-Württemberg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen.
Das beklagte Land veranstaltet in Baden-Württemberg neben mehreren Lotterien u. a. die staatlichen Sportwetten „Oddset-Kombi-Wette“ und „Oddset-Top-Wette“. Mit der Durchführung der Lotterien und Sportwetten hat es die Staatliche Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg (STLG) beauftragt. Diese Gesellschaft vertreibt ihr staatliches Glücksspielangebot in Baden-Württemberg über zahlreiche Toto-Lotto-Annahmestellen, die in Zeitschriften-, Schreibwaren- und Tabakhandlungen, Supermärkten und Tankstellen eingerichtet sind. Nach Auskunft des beklagten Landes gibt es in Baden-Württemberg derzeit 3612 solcher Annahmestellen. Die einzelnen Betreiber der Annahmestellen erhalten auf der Grundlage privatrechtlicher Verträge mit der Toto-Lotto GmbH eine Provision, die von der Höhe des auf den Glücksspielsektor entfallenden Umsatzes abhängt.
Der Kläger betreibt in seinem Geschäftsraum eine Annahmestelle für Sportwetten mit festen Gewinnquoten (sogenannte Oddset-Wetten). Er vermittelt diese Wetten gegen eine Provision aufgrund eines Vermittlungsvertrages an ein staatlich konzessioniertes Sportwettunternehmen mit Sitz in Österreich, das europaweit Sportwetten anbietet.
Bezug nehmend auf das Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 28.03.2006 teilte ihm das Regierungspräsidium Karlsruhe mit, es beabsichtige, ihm die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten in Baden-Württemberg zu untersagen, und gab ihm Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen. Das Bundesverfassungsgericht habe ausdrücklich festgestellt, dass das gewerbliche Veranstalten von Wetten durch private Wettunternehmen und die Vermittlung von Wetten weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden dürften.
Mit Verfügung vom 09.01.2007 untersagte das Regierungspräsidium Karlsruhe dem Kläger, in Baden-Württemberg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen. Die zur Veranstaltung oder zur Vermittlung solcher Glücksspiele vorgehaltenen Geräte seien aus den öffentlich zugänglichen Räumen zu entfernen (Nr. 1). Die untersagten Tätigkeiten seien unverzüglich einzustellen; die Einstellung sei der Behörde schriftlich mitzuteilen (Nr. 2). Die sofortige Vollziehung der Verfügungen in Nrn. 1 und 2 werde angeordnet (Nr. 3). Für den Fall, dass der Kläger seinen Verpflichtungen aus Nr. 1 und 2 der Verfügung nicht binnen zwei Wochen nach Zustellung nachkomme, werde ihm ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,-- EUR angedroht (Nr. 4). Zur Begründung der Verfügung, die auf § 12 Abs. 1 des Lotteriestaatsvertrages vom 18.06.2004 i.V.m. § 3 Abs. 1 des Ausführungsgesetzes zum Lotteriestaatsvertrag vom 28.07.2005 gestützt wurde, ist ausgeführt: Die Sportwetten mit festen Gewinnquoten, die der Kläger vermittle, seien ein Glücksspiel im Sinne des Lotteriestaatsvertrages. Die Vermittlung erfolge öffentlich und ohne die erforderliche Erlaubnis i.S.v. § 284 Abs. 1 StGB. Eine solche Erlaubnis könne dem Kläger nach der Rechtslage in Baden-Württemberg auch nicht erteilt werden. Er könne sich auch nicht darauf berufen, dass der Sportwettenveranstalter, für den er vermittle, in einem EU-Mitgliedsstaat konzessioniert sei.
Am 08.02.2007 hat der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Freiburg erhoben.
Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger im wesentlichen vor, das Sportwettenmonopol sei verfassungs- und europarechtswidrig.
Der Kläger beantragt,
die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 09.01.2007 aufzuheben.
10 
Das beklagte Land beantragt,
11 
die Klage abzuweisen.
12 
Es hält das Sportwettenmonopol des Landes für verfassungs- und europarechtsgemäß.
13 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten des Regierungspräsidiums sowie auf die Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die Anfechtungsklage ist ohne Durchführung eines Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 VwGO, § 6 a Satz 1 AGVwGO) zulässig und begründet. Die angegriffene Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15 
Die Kammer hat in den Urteilen vom 16.04.2008 (u.a. 1 K 2683/07, juris = www.vgfreiburg.de > Entscheidungen = www.glücksspielstaatsvertrag.de >Urteile) entschieden, dass das staatliche Sportwettenmonopol in Baden-Württemberg derzeit eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG) darstellt und europarechtswidrig ist. An dieser Auffassung hält die Kammer auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 09.07.2008 fest. Zu den dagegen erhobenen Einwendungen des beklagten Landes ist im Einzelnen zu sagen:
I.
16 
Die Kammer geht in den o. g. Urteilen davon aus, die Europarechtswidrigkeit der Bestimmungen des Glückspielstaatsvertrages, die das staatliche Sportwettenmonopol begründen (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV), erfasse auch die Eingriffsgrundlage des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV sowie die Bestimmungen über die Erlaubnispflicht und das Verbot des Veranstaltens und des Vermittelns unerlaubten Glücksspiels in § 4 Abs. 1 GlüStV.
17 
Das beklagte Land wendet dagegen ein, die vom Verwaltungsgericht angenommene Europarechtswidrigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols lasse die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 4 Abs. 1 GlüStV über die Erlaubnispflicht für öffentliche Glücksspiele unberührt. Da eine solche Erlaubnis nicht vorliege, sei die angefochtene Untersagungsverfügung auch bei unterstellter Europarechtswidrigkeit des Sportwettenmonopols rechtmäßig.
18 
Dem folgt die Kammer nicht.
19 
Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 06.03.2007 (C - 338/04 -Placanica-) ausgeführt, ein polizeiliches Genehmigungsverfahren, mit dem die im Glücksspielsektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer einer vorherigen Kontrolle unterzogen würden, sei zwar eine ohne weiteres verhältnismäßige Maßnahme. Setze die Erteilung einer solchen polizeilichen Genehmigung aber den Besitz einer Konzession voraus, von deren Erhalt die betroffenen Personen unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht ausgeschlossen worden seien, hafteten auch dem polizeilichen Genehmigungsverfahren die europarechtlichen Mängel an, die die Konzessionsvergabe berührten (vgl. RdNr. 65 bis 67 des Urteils).
20 
Das gilt gleichermaßen für die Bestimmung über die Erlaubnispflicht für öffentliche Glücksspiele in § 4 Abs. 1 GlüStV. Die danach erforderliche Erlaubnis kann privaten Sportwettenvermittlern oder Sportwettenveranstaltern nicht erteilt werden, weil aufgrund des staatlichen Monopols diese Tätigkeiten nur juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder privatrechtlichen Gesellschaften erlaubt werden (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV), an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind. Ein auf präventive Kontrolle gerichtetes Erlaubnisverfahren existiert für private Sportwettenveranstalter nicht. Das Fehlen einer Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 GlüStV, die sich Private wegen des europarechtswidrigen staatlichen Sportwettenmonopols nicht hätten beschaffen können, scheidet deshalb als zulässiger Grund einer Untersagung aus.
21 
Entgegen der Auffassung des beklagten Landes folgt aus dem Urteil des EFTA-Gerichtshofs vom 30.05.2007 (RS. 3/06 - Ladbrokes -) nichts anderes. Die Ausführungen des Gerichtshofs unter RdNr. 88, auf die das beklagte Land in diesem Zusammenhang hinweist, betreffen die Antwort auf die fünfte Vorlagefrage (vgl. RdNr. 82 ff.). Mit der fünften Vorlagefrage wollte das vorlegende norwegische Gericht wissen, ob durch Art. 36 EWR eine nationale gesetzliche Regelung präkludiert wird, die das Anbieten und Vermarkten von Glücksspielen untersagt, für die in Norwegen keine Konzession erteilt wurde, die aber nach dem nationalen Recht eines anderen EWR-Staates gestattet sind. Hierzu führt der EFTA-Gerichtshof unter RdNr. 84 aus, sofern und soweit das nationale Gericht zu der Auffassung gelangen sollte, dass die in den drei Gesetzen enthaltenen Verbote für gewerbsmäßige Anbieter irgendeiner Form von Glücksspielen eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 36 EWR) seien, könnten die nationalen Behörden den ausländischen Anbietern immer noch die Pflicht zur Beantragung einer nationalen Konzession mit denselben auch für einheimische Anbieter geltenden Voraussetzungen und Anforderungen auferlegen.
22 
Das hat auch die Kammer in ihren o. g. Urteilen nicht in Frage gestellt. Zur Beantwortung der Frage, ob die Europarechtswidrigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols auch die Erlaubnispflicht des § 4 Abs. 1 GlüStV erfasst, geben diese Ausführungen jedoch nichts her. Denn ein Erlaubnis- oder Konzessionsverfahren für private Veranstalter sieht der Glücksspielstaatsvertrag - wie oben ausgeführt wurde - gerade nicht vor. Vielmehr kann ein privater Anbieter selbst bei Erfüllung sämtlicher materieller Voraussetzungen des Glücksspielstaatsvertrages die erforderliche Erlaubnis nicht erhalten.
23 
Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 22.11.2007 (1 BvR 2218/06) entschieden, dass eine ordnungsrechtliche Untersagungsverfügung, die - wie im vorliegenden Fall - nicht mit anderen Gefahren für ordnungsrechtliche Schutzgüter, sondern allein mit einem objektiven Verstoß gegen das staatliche Sportwettenmonopol begründet ist, sich wegen der verfassungswidrigen Rechtslage jedenfalls in der Zeit bis zum 28.03.2006 nicht als rechtmäßig erweisen kann. Zwar betrifft diese Entscheidung die Unvereinbarkeit des Monopols mit Art. 12 Abs. 1 GG. Hinsichtlich der Unvereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht kann aber nichts anderes gelten.
II.
24 
Die Kammer ist weiterhin der Auffassung, dass das Sportwettenmonopol des Landes in seiner derzeitigen Ausgestaltung nach wie vor eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs (Art. 49 EG) darstellt (vgl. Urteile vom 16.04.2008, dort unter II. 2 a) - d)). Folgendes ist nochmals zu betonen:
25 
Europarechtlich steht es im Ermessen jedes Mitgliedsstaats, welches Schutzniveau er im Bereich von Glücksspielen gewährleisten will (EuGH, Urt. Schindler, Rdnr. 60, 61; Urt. Zenatti, Rdnr. 33, 34). Er kann sich etwa für ein Präventionsmodell entscheiden, das auf eine wesentliche Verminderung der Gelegenheit zum Spiel ausgerichtet ist, oder auch für ein Kanalisierungsmodell, das darauf abzielt, durch ein auf Einnahmeerzielung und Expansion angelegtes Angebot einer begrenzten Zahl konzessionierter Privater die Glücksspieltätigkeiten aus dem Bereich des Illegalen und Kriminellen in geordnete und staatlich überwachte Bahnen zu lenken (EuGH, Urt. Placanica, Rdnr. 54, 55).
26 
Dies bedeutet aber nicht, dass der deutsche Gesetzgeber nach nationalem Recht die Gestaltungsfreiheit hätte, sich für ein Kanalisierungsmodell in Form eines staatlichen Monopols zu entscheiden. Ein solches auf Einnahmeerzielung und Expansion angelegtes, europarechtlich zulässiges Monopol wäre verfassungswidrig (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01 , Rdnr. 107, 141). Denn ein staatliches Monopol für Sportwetten ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft ausgerichtet ist (BVerfG, a.a.O., Rdnrn. 98, 119, 120). Daher kann die Aufgabe der Länder nach § 10 GlüstV, ein ausreichendes Glücksspielangebot mit dem Ziel der Kanalisierung des Spieltriebs der Bevölkerung (§ 1 Nr. 2, 2. Alt. GlüStV) sicherzustellen, nicht etwa als ein Auftrag verstanden werden, der gleichrangig neben dem Auftrag zur Suchtbekämpfung (§ 1 Nr. 1 GlüStV) steht. Vielmehr hat von Verfassungs wegen die Suchtbekämpfung im Vordergrund zu stehen; nur diese rechtfertigt ein Monopol. Die Sicherstellung eines ausreichenden Glücksspielangebots und die Kanalisierung des Spieltriebs sind verfassungsrechtlich nur zulässig, soweit sie als Mittel zum Zweck der Suchtbekämpfung dienen. Dementsprechend ist der Glücksspielstaatsvertrag verfassungskonform auszulegen.
27 
Europarechtlich ist zu untersuchen, ob der Glücksspielstaatsvertrag als Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit geeignet ist, die Verwirklichung des - verfassungsrechtlich gebotenen - Ziels der Suchtbekämpfung zu gewährleisten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 32; Urt. Gambelli, Rdnr. 65). Dies bedeutet, dass er kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen muss (EuGH, Urt. Gambelli, Rdnr. 67; Urt. Placanica, Rdnr. 53; siehe auch EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 14.03.2007, E-1/06 – Gaming Machines, Rdnr. 53).
28 
Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Sportwetten-Urteil vom 28.3.2006 ein Staatsmonopol nur dann für zulässig erachtet, wenn es konsequent am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Spielsucht ausgerichtet und mit materiellrechtlichen Regelungen und strukturellen Sicherungen versehen ist (a.a.O., Rdnr. 120). Insoweit laufen die europarechtlichen und die verfassungsrechtlichen Vorgaben also parallel (BVerfG, a.a.O., Rdnr. 144). Daher können die Anforderungen, die sich aus dem Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergeben, auch zur Beantwortung der Frage der europarechtlichen Kohärenz und Konsistenz herangezogen werden.
29 
Allerdings ist europarechtlich, anders als verfassungsrechtlich, nicht nur die rechtliche Ausgestaltung der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit maßgeblich, sondern es kommt auch auf ihre tatsächlichen Anwendungsmodalitäten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 37, Urt. Gambelli, Rdnr. 75, 76) und ihre Handhabung in der Praxis an (EuGH, Urt. Rosengren, Rdnr. 46). Jedoch sind die vom Europäischen Gerichtshof geforderte „Kohärenz“ und „Systematik“ hinsichtlich der Begrenzung der Wetttätigkeiten ohne normative Vorgaben zur Ausgestaltung eines staatlichen Monopolbetriebs kaum denkbar, so dass zunächst das rechtliche Regelungssystem in den Blick zu nehmen ist. Seine tatsächliche Umsetzung darf aber nicht aus den Augen verloren werden.
III.
30 
Die Kammer hält auch bei Berücksichtigung der aktuellen Situation an der Auffassung fest, dass es an einer rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung des Monopols fehlt, die als konsequenter und aktiver bzw. systematischer und kohärenter Beitrag zur Vermeidung und Abwehr von Spiel- und Wettsucht angesehen werden kann (vgl. Urteile vom 16.4.2008, dort unter II.2.e.). Bereits in der Gestaltung des terrestrischen Vertriebssystems liegt ein wesentlicher Strukturmangel (dazu unter 1.), der auch durch Folge- und Begleitmaßnahmen nicht kompensiert wird (dazu unter 2.). Schließlich fehlt es daneben an einem effektiven Kontrollsystem (dazu unter 3.).
31 
1. Schon mit der Wahl und Einrichtung der Vertriebswege hat das Land Baden-Württemberg einen Weg beschritten, der angesichts der Anzahl der Wettannahmestellen (dazu a.), ferner der unterlassenen begleitenden Bekämpfung des illegalen Wettmarktes (dazu b.) sowie schließlich mit Blick auf die inhaltliche Ausgestaltung des Annahmestellenwesens (dazu c.) und seine betont wirtschaftliche Basis (dazu d.) nicht wirklich der Zielerreichung dienen kann.
32 
a) Bereits die äußerst geringe Reduktion der Zahl der Annahmestellen spricht gegen einen Systemwechsel bzw. -wandel, wie er erforderlich gewesen wäre, um einen konsequenten Übergang von einem aus rein unternehmerischem - d.h. wirtschaftlichem - Kalkül hervorgegangenen Annahmestellennetz im Jahr 2006 zu einem zulässigerweise nur an Begrenzung und Kanalisierung der Wettleidenschaft orientiertem Vertriebssystem zu belegen. Die Zahl der noch Anfang 2006 vorhandenen 3.764 baden-württembergischen Annahmestellen ist im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auf 3.612 gesunken. Das bedeutet eine Verminderung um absolut nur 152 und relativ nur etwa 4% der Stellen. Kamen früher 2.852 Einwohner auf eine Annahmestelle, so sind es heute immer noch 2.972, d.h. jede der noch vorhandenen Annahmestellen versorgt geringfügig mehr Einwohner, nämlich 120.
33 
An dem vom Bundesverfassungsgericht im Sportwettenurteil vom 28.3.2006 (dort Rdnr. 138) bzw. in der Baden-Württemberg betreffenden Entscheidung vom 4.7.2006 (1 BvR 138/05 - juris) erhobenen und beanstandeten Befund, wonach Sportwetten über ein breit gefächertes Netz von Lotto-Annahmestellen vertrieben werden, welches mit der Maxime „weites Land - kurze Wege“ einhergeht, hat sich damit in quantitativer Hinsicht so gut wie nichts geändert.
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Gründe, die diesen in quantitativer Hinsicht auffälligen und problematischen Ausgangsbefund in positiver Hinsicht relativieren könnten, sind nicht vorhanden. Bereits normativ geht weder aus dem GlüStV (§ 10 Abs. 3) noch aus dem AGGlüStV (§§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5, 7 Abs. 1) hervor, wie die beabsichtigte Begrenzung der Zahl der Annahmestellen zwecks Gewährleistung eines ausreichenden Spielangebots in absoluten Zahlen bzw. zumindest in methodischer Hinsicht durchzuführen ist. Die Umsetzung ist folglich der Aufsichtsbehörde und der staatlichen Toto-Lotto GmbH (im Folgenden: STLG) überlassen, ohne dass es normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften oder andere orientierende Hilfen gäbe. Wie die Vertreter der STLG letztlich selbst in der mündlichen Verhandlung eingeräumt haben, ist Ausgangspunkt für die künftigen Bedarfszahlen die „historisch gewachsene“ Zahl der Annahmestellen des Jahres 2006 gewesen. In ihrem Vertriebskonzept vom Juni 2008 (dort Seite 4, Mitte) führt die STLG zwar aus, aufgrund des Sportwettenurteils des Bundesverfassungsgerichts sei in der Zeit nach 2006 der Wegfall von Annahmestellen nicht mehr durch die Aufnahme neuer Annahmestellen in das Vertriebsnetz ausgeglichen worden. Der bloße Verzicht auf eine Ausweitung und die schlichte Hinnahme des Wegfalls von Stellen lediglich im Rahmen der üblichen Fluktuation stellen jedoch alles andere als eine aktive und systematische Begrenzungspolitik dar. Berücksichtigt man ferner die Angaben des Beklagten-Vertreters in der mündlichen Verhandlung vom 16.4.2008, wonach in etwa 40 bis 50 Fällen für geschlossene Annahmestellen jeweils sogar noch Ersatz zugelassen wurde (entweder in Gestalt des Weiterbetriebs durch einen neuen Inhaber oder aber durch Eröffnung einer neuen Annahmestelle in der Nachbarschaft), ist diese ohnehin schon äußerst geringfügige und eher als passiv zu bezeichnende Reduktion sogar noch in sich zurückhaltend gewesen.
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Schlüssig und überzeugend geht eine systematische Politik auch nicht aus dem Vertriebskonzept der STLG vom Juni 2008 hervor. Vielmehr ist dort (Seiten 4 ff.) feststellbar, dass die vom Monopolisten im Mai 2008 vorgefundene Zahl von 3.630 Annahmestellen schlicht mit einem Bedarfsberechnungsmodell „überzogen“ und „gebilligt“ wurden, welches nicht darlegt, wie es anhand von „Einwohnerbewegungen“, „Verteilung der Kaufkraft“ sowie „Einkaufsströmen“ zu den konkreten Richtwerten für ländliche, städtische und großstädtische Gebiete gelangt. Ohnehin lässt die Verwendung dieser eher an Marketingstrategien erinnernden Parameter nicht erkennen, welchen tauglichen Beitrag sie zum ausschließlich zulässigen Ziel einer Vermeidung und Begrenzung von Glücksspielsucht leisten können. Die Kammer verkennt nicht die sowohl im Vertriebskonzept als auch in der mündlichen Verhandlung von den Vertretern der STLG geäußerten Schwierigkeiten, konkrete Zahlen zu greifen. Dieses Dilemma ist jedoch letztlich auf das Fehlen konkreter Vorgaben im Gesetz bzw. durch die Aufsichtsbehörde zurückzuführen. Gerade eine nicht - oder jedenfalls nicht ausschließlich - vom Monopolisten selbst ermittelte Zahl der erforderlichen Annahmestellen wäre weitaus weniger anfällig für etwaige (und wenn auch noch so unbewusste) systemwidrige und unzulässige Rücksichten auf vorhandene Vertriebsstrukturen gewesen.
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b) Daran ändert nichts, dass das RP Karlsruhe das Vertriebskonzept im Kontext der Erteilung der Glücksspielerlaubnis prüft bzw. bereits - offensichtlich mit dem Ergebnis der Billigung - geprüft hat. Denn gerade auch von der Aufsichtsbehörde kamen insoweit in der mündlichen Verhandlung keine substantiierten Argumente, welche die dargelegten Bedenken hätten zerstreuen können. Zwar prognostiziert das Vertriebskonzept in der Endstufe die Absicht, mit ca. 3.300 Annahmestellen auszukommen. Notwendige Bedingung hierfür soll aber der Rückgang der nach dem GlüStV illegalen Konkurrenzangebote terrestrisch und im Internet tätiger privater Wettanbieter und -vermittler sein. Das RP Karlsruhe hat insoweit ausgeführt, gegen die (ca. 30 % bis 50 % des Sportwettenumsatzes erzielenden) Internetanbieter solle zunächst mit Grundverfügungen vorgegangen werden (zu einem solchen Fall vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 5.11.2007 - 6 S 2223/07 -, ZfWG 2007, 432), um dann auf einer nächsten Stufe unter Zusammenarbeit mit den Banken oder notfalls auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 4 GlüStV die Finanzströme betreffend untersagte Sportwetten zu unterbrechen. Damit aber wird deutlich, dass sich ein überaus wichtiger Teilbereich der Glücksspielpolitik (noch) in einem äußerst „frühen Stadium“ befindet. Ein möglicher Schritt zur Austrocknung des illegalen Glücksspielmarkts wurde folglich bislang unterlassen. Obwohl die strukturellen Gefahren eines staatlichen Glücksspielmonopols spätestens seit Frühjahr 2006 bekannt waren, wurde dem Monopolisten nicht nur die Erstellung eines Vertriebskonzepts überlassen, sondern auch (noch) keine wirklichen Schritte unternommen , eine Begrenzung der Vertriebswege zugleich mit der Bekämpfung der wirtschaftlichen Basis des illegalen Sportwettenmarkts konsequent zu begleiten.
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c) Ferner weist diese fortdauernd auf Breite angelegte Vertriebsstruktur auch qualitativ erhebliche Mängel auf, weil sie (noch) nicht systematisch und konsequent vom Charakter einer „grundsätzlich unbedenklichen Freizeitbeschäftigung“ (vgl. Sportwettenurteil Rdnr. 125) und eines „allerorts verfügbaren normalen Gutes des täglichen Lebens“ (vgl. Sportwettenurteil Rdnr. 138) Abstand nimmt. Mit dem Vertrieb der Sportwetten in Zeitschriften-, Schreibwaren- und Tabakläden sowie in Supermärkten und Tankstellen hat der Monopolist an der gesuchten „bewussten Nähe zum Kunden“ (Sportwettenurteil Rdrn. 138) nichts geändert. Dass die STLG diese Betriebsstätten im Rahmen des Kanalisierungsauftrags für den Zweck der kommunizierten Suchtprävention als „besonders geeignet“ darstellt (Vertriebskonzept Seite 5), verstellt den Blick darauf, dass gerade diese Vertriebsform des legalen Sportwettenangebots in der Öffentlichkeit problematischem Spielverhalten weiterhin Vorschub leistet. So ist es nach Auffassung der Kammer inkonsequent, dass die STLG für sich in Anspruch nimmt, zur Erfüllung des Ordnungsauftrags derzeit und bis auf weiteres auf die konkrete hohe Zahl von Annahmestellen angewiesen zu sein, aus dieser „Präsenzforderung“ jedoch gleichwohl nicht die Notwendigkeit ableitet, ein weitaus zurückhaltenderes als aktuell an den Tag gelegtes Werbeverhalten zu betreiben. Vielmehr betreibt der Monopolist parallel zur breitflächigen Vermarktung eine intensive - wenngleich um die Möglichkeit auffordernden, anreizenden oder ermunternden Charakters reduzierte sowie im Fernsehen, im Internet und über Telekommunikationsanlagen verbotene - Werbung mittels Radio, Printmedien, Litfasssäulen und Postwurfsendungen. Es ist nicht ersichtlich und von den Vertretern der STLG in der mündlichen Verhandlung auch nicht überzeugend dargelegt worden, warum die (aus Sicht der STLG weiterhin erforderliche) breit gefächerte „physische Präsenz“ von Glücksspielannahmestellen eine zusätzliche, über den Ort der Leistung hinausgehende weitere Werbung als Begleitmaßnahme benötigt.
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An dem nach Auffassung der Kammer folglich fortdauernden Signal, man vertreibe immer noch, wenngleich nunmehr modifiziert, ein Gut des täglichen Lebens, ändern auch sonstige Modalitäten beim Vertrieb nichts. Die Wirkung von Vorkehrungen wie Identifizierung des Kunden unter Verwendung einer Kundenkarte, Verstärkung des Minderjährigenschutzes sowie Hinweise auf Spielscheinen und Aufklärungsmaterial über die Gefahren des Spiels (vgl. Vertriebskonzept, Seite 6) wird nach Auffassung der Kammer schon vor dem Hintergrund der nahezu unveränderten Annahmestellen-Zahl überschätzt. Gerade weil die in den Annahmestellen verkehrenden Kunden des Einzelhandels, zu denen regelmäßig auch Kinder und Jugendliche gehören, die Parallelität des Verkaufs von Glücksspielen mit demjenigen von Produkten des täglichen Bedarfs ständig wahrnehmen, darf ein Gewöhnungseffekt nicht vernachlässigt werden. Selbst das neuerdings getrennte „Kassenwesen“, also ein doppelter Kassiervorgang bei gleichzeitigem Einkauf von Waren aus dem Hauptsortiment und von Lotterieprodukten, kann niemanden darüber hinwegtäuschen, dass Verkaufsstellen zugleich auch Annahmestellen sind. Ferner steht im Zeitalter zahlreicher, verschiedenster Kundenkarten eine spezifisch disziplinierende Funktion einer solchen Karte im Bereich des Glücksspiels nicht mit der erforderlichen Gewissheit fest. Das beklagte Land hat zwar Umsatzrückgänge bei den Sportwetten im Jahr 2007 von 28 % (Oddset-Kombiwette) bzw. 48 % (Toppwette) sowie im ersten Quartal 2008 von weiteren 22 % bzw. 32 % zum Beweis der Restriktionswirkung des Monopols ins Feld geführt. Eine nähere Analyse, worauf diese Rückgänge tatsächlich beruhen, und eine Aussage dazu, ob dies nicht nur ein vorübergehendes Phänomen ist, gibt es bislang jedoch nicht. Insofern ist der schon im Kammerurteil vom 16.4.2008 enthaltene Hinweis nicht nachhaltig entkräftet worden, der immerhin im Jahr 2007, also in Kenntnis eines künftig erforderlichen Restriktionskurses erstellte Geschäftsbericht 2006 der STLG gehe selbst von nur „vorübergehenden“ Umsatzrückgängen aus.
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d) Einen zentralen und fortdauernden Strukturmangel sieht die Kammer schließlich im wirtschaftlichen Aufbau des Annahmestellensystems. Der Monopolist bedient sich beim Vertrieb seines Wettangebots privater Dritter, die mittels umsatzabhängiger und folglich stets die Gefahr einer extensiven Vermarktung in sich bergender Provisionen bezahlt werden. Wie in der Vergangenheit auch, erhalten die Annahmestelleninhaber derzeit einen festen und einheitlichen Provisionssatz (Vertriebskonzept, Seite 11/12). Dieser liegt für alle Glücksspiele (ausgenommen Rubbellos, wo es 10 % sind) bei 6,6 % des bei den Annahmestellen getätigten Spieleinsatzes. Vergegenwärtigt man sich, dass angesichts des in 2007 in Baden-Württemberg getätigten Glücksspielumsatzes von ca. 1 Mrd. EUR jede der Annahmestellen hierzu einen (durchschnittlichen) Umsatz von etwa 270.000,-- EUR beitrug, was wiederum einer (durchschnittlichen) Jahresprovision (ohne Rubbellos) von etwa 18.000,-- EUR entsprach, kann diese Einnahmequelle wirtschaftlich nicht vernachlässigt werden.
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Das gilt ungeachtet der in Nr. 8 des jeweiligen Zusatzvertrages zwischen der STLG und den Annahmestellenleitern vereinbarten Bedingung, wonach die Verkaufsstelle nur im Nebenerwerb betrieben werden und der Spielbetrieb nicht die vorrangige Einnahmequelle sein darf. Diese Regelung ist nach Auffassung der Kammer ungeeignet, eine relevante Begrenzung und Steuerung des Wirtschaftsgebarens eines Annahmestellenleiters auszuüben. Mit dieser Formulierung sind schon Auslegungs- und Erfüllungsschwierigkeiten vorprogrammiert. Denn die Grenze zwischen Haupt- und Nebenerwerb kann periodisch durchaus fließend sein, ferner bleibt unklar, ob spätere Änderungen eine Mitteilungspflicht auslösen und schließlich kann kaum von allen der mehr als 3.600 Vertragspartner erwartet werden, dass diese ständig ihre möglicherweise zeitlich variierenden Erwerbsverhältnisse vor Augen haben. Weitaus problematischer allerdings ist es, dass das RP Karlsruhe - seitens der STLG übrigens bezeichnenderweise unwidersprochen - dem Begriff des „Nebenerwerbs“ die Auslegung gibt, das gesamte Glücksspielgeschäft dürfe bis 49 % des Umsatzes ausmachen. Es liegt aber selbst bei Parallelwertung durch einen Nicht-Kaufmann auf der Hand, dass ein dieser Interpretation noch genügender Umsatz von „nur“ 40 % bis 49 % wirtschaftlich für einen Annahmestelleninhaber von erheblicher Bedeutung ist. Ein wirtschaftliches „Standbein“ in dieser Größenordnung übt nämlich auf den Provisionsnehmer erhebliche Anreizwirkungen hin auf eine Umsatzsteigerung aus. Das gilt auch ungeachtet dessen, dass Sportwetten wiederum nur 4 % des gesamten Jahresglücksspielumsatzes ausmachen. Gerade weil die Bereitstellung des gesamten Wett- und Lotterieangebots in den Annahmestellen erfolgt (vgl. Seite 7 des Vertriebskonzepts - wenngleich dies unter dem Gesichtspunkt der „besseren sozialen Kontrolle“ hervorhebend), kann in wirtschaftlicher Hinsicht ein Anreiz des Annahmestelleninhabers, auch für Sportwetten Umsätze zu erzielen, vernünftigerweise nicht verneint werden. Zwar ist eine Reduktion der Umsatzabhängigkeit im Jahr 2009 vorgesehen und es soll dann auch der Einsatz weiterer umsatzunabhängiger Faktoren bei der Ausgestaltung der Provision geprüft werden (vgl. Vertriebskonzept, Seite 12), die zuvor dargelegten aktuellen - d.h. im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt existierenden - Mängel werden durch eine bloße Absicht jedoch nicht behoben.
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2. Die vorgenannten strukturellen Mängel des Vertriebskonzepts beeinträchtigen die Erreichung des Ziels der Spielsuchtbekämpfung auch derart gravierend, dass sie nach Auffassung der Kammer nicht durch die Kompensationsmaßnahmen des Beklagten wirklich ausgeglichen werden, die auf diesen Gebieten bis zum heutigen Zeitpunkt konkret ergriffen und umgesetzt wurden.
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a) Das System der Spielersperre in seiner jetzigen Ausgestaltung ist nicht geeignet, spielsuchtgefährdete oder gar klar spielsüchtige Wettteilnehmer zu identifizieren und von einer weiteren Teilnahme effektiv auszuschließen. Das zeigen schon die geringen Zahlen der tatsächlich verhängten Sperren: Im ersten Quartal 2008 wurden im Wege der Fremdsperre lediglich 9 Spieler durch die STLG gesperrt und damit effektiv vor sich selbst geschützt. Angesichts eines geschätzten Anteils von ca. 4 % Spielsüchtigen unter den Sportwettenteilnehmern (vgl. Stöver, Bremer Institut für Drogenforschung - BISDRO - , Glücksspiel in Deutschland - Eine repräsentative Untersuchung zur Teilhabe und Problemlage des Spielens um Geld, Dezember 2006, S.7 - aufrufbar unter: www.gluecksspielsucht.de > Forschungsergebnisse) und bei einer Gesamtzahl von 3612 Annahmestellen und bundesweit 250.000 Spielsüchtigen ist dies eine nur sehr geringe Zahl. Diese erklärt sich schon daraus, dass die Kriterien für die Verhängung einer Fremdsperre im Glücksspielstaatsvertrag, aber auch im Ausführungsgesetz nicht klar definiert werden. Auch die Kriterien, anhand deren die Annahmestellenbetreiber nach dem vorgelegten Sozialkonzept Spielsuchtgefährdete identifizieren sollen (unverhältnismäßig hohe Einsätze in Relation zum Einkommen, häufige große Verluste etc. - siehe § 9 Abs.1 S.1 Nr.2 GlüStV und S.26 der Schulungsunterlagen für die Verkaufsstellen als Anlage zum Sozialkonzept) sind kaum praktikabel, weil die Annahmestelleninhaber - außer bei persönlicher Bekanntschaft mit dem Teilnehmer oder in Fällen eines offensichtlichen äußeren Erscheinungsbildes - regelmäßig keine Kenntnis von den Einkommensverhältnissen ihrer Kunden und auch nicht von der Höhe ihrer sonstigen Einsätze bei anderen Annahmestellen haben. Obendrein lässt sich eine persönliche Identifizierung als Spielsüchtiger anhand übermäßig hoher und häufiger Einsätze und Verluste seitens der Teilnehmer leicht durch das Aufsuchen zahlreicher verschiedener Annahmestellen vermeiden, wie sie aufgrund des dichten Netzes buchstäblich „an jeder Straßenecke“ vorhanden sind. Von daher verfängt das Argument des Beklagten nicht, der durchschnittliche Spieleinsatz bei den Sportwetten betrage nur zwischen 8,50 und 14 EUR, so dass schon jeder davon abweichende höhere Einsatz auffalle und dem Annahmestellenbetreiber ggf. Anlass für Nachfragen geben könne. Ganz abgesehen davon beträgt nach eigenen Angaben der STLG der Höchsteinsatz pro Tipp auf einem Spielschein immerhin 250 EUR, so dass bis zu einem solchen Betrag wohl keine Nachfrage indiziert erscheint. Zudem wurde im Termin deutlich, dass die STLG gegenüber Fremdsperren eher eine zurückhaltende Linie verfolgt. Zum einen geht sie davon aus, dass die wirklich suchtgefährdeten Spieler sich ohnehin bei den privaten gewerblichen Sportwettenanbietern aufhalten, die 80% des gesamten Sportwettenmarktes ausmachen, und zum anderen befürchtet sie erklärtermaßen, Spielsuchtgefährdete sonst ganz aus den Augen bzw. an die private Konkurrenz zu verlieren. Sie favorisiert daher die Eigensperre, zu der sich der suchtgefährdete Spieler aufgrund nachhaltiger sozialpädagogischer Einwirkungen und Gesprächen mit Suchtberatungsstellen, Annahmestellenbetreibern und Bezirksdirektoren entschließt. Das Argument des Beklagten, andernfalls würden solche Spieler gleich zur privaten Konkurrenz abwandern, die ohnehin 80% des Marktes bediene, stellt im Übrigen das staatliche Monopol in aller Deutlichkeit selbst in Frage.
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Auch das Anfang 2008 eingeführte Oddset-Informationssystem trägt bei genauer Betrachtung nicht zu einer effektiveren Handhabung des im Glücksspielstaatsvertrag angelegten Instruments der Fremdsperre bei. Der Spielerschutz ist hier nur ein Nebeneffekt, da dieses System primär der Aufdeckung von Spielmanipulationen anhand ungewöhnlich hoher Umsatzzahlen bei einzelnen Annahmestellen dient und deshalb allenfalls mittelbar in Fällen über den Schwellenwerten (3000, 7000 und 10.000 EUR) liegender Umsätze dazu führen kann, dass eine bestimmte Annahmestelle und die dort wettenden Spieler und deren Verhalten genauer in den Blick genommen werden. Die genannten Schwellenwerte sind zudem derart hoch angesetzt, dass sie angesichts eines Durchschnittsumsatzes einer Annahmestelle von lediglich 180 EUR wöchentlich kaum dazu taugen, auf Spielsucht indizierende hohe Einsätze einzelner Spieler aufmerksam zu werden. Eine individuelle Identifizierung Spielsüchtiger anhand der Kundenkartenidentifizierung und der Datenbankinformationen der STLG über die Häufigkeit und Höhe der Einsätze und der Verluste ist außerdem schon aus Datenschutzgründen gar nicht möglich.
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b) Das zum Schutz spielsuchtgefährdeter Spieler und zur Vorbeugung der Spielsucht durchaus effektive und sinnvolle Instrument von nur maximal zuzulassenden Höchsteinsätzen pro Spieler gibt es schließlich nach wie vor nur in der seinerzeit von der Kammer in ihren Grundsatzurteilen als nicht zureichend qualifizierten rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung, die bis heute im Wesentlichen unverändert geblieben ist. Die Halbierung der Höhe des möglichen Einsatzes pro Tipp bei Oddset-Wetten von 500.- EUR auf 250.- EUR ändert nichts daran, dass mit mehreren Spielscheinen und an verschiedenen Annahmestellen weiterhin um insgesamt große Summen gespielt werden kann. Das Argument des Beklagten, eine weitere Verbesserung der Höchsteinsatzregelung sei schon deshalb nicht erforderlich, weil eine Höchstgrenze nur in Relation zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Sportwettenteilnehmers sinnvoll sei, verkennt, dass sich der Spielerkreis wohl überwiegend nicht aus finanziell und sozial besser Gestellten zusammensetzt, für die auch Einsätze von mehreren hundert Euro kein Problem darstellen, sondern aus Personen, die gerade durch das Wetten versuchen, ihre insoweit wirtschaftlich eher bescheidene Stellung aufzubessern (vgl. Hayer/Meyer, Das Gefährdungspotenzial von Lotterien und Sportwetten, Mai 2005, S.100, 101 - abrufbar unter: www.landesfachstelle-gluecksspielsucht-nrw.de/pdf/ gefaehrdungspotenzial-Hayer-Meyer.pdf, wonach 35% der befragten Sportwettenteilnehmer arbeitslos, Rentner, Student, oder berufsunfähig waren und 60% nur zwischen 500 -1500 EUR netto verdienten). Auch das Argument, eine strengere Höchstgrenzenregelung sei nicht erforderlich, weil ein einmaliges Spiel mit einem hohen Einsatz noch keine Suchtgefahren auslöse, spricht nicht gegen eine Höchstgrenzenregelung, die den Gesamteinsatz eines Spielers etwa pro Woche limitiert (siehe insoweit etwa Ziff.14 der Stellungnahme des Fachverbandes Glücksspielsucht e.V. zum Entwurf des Glücksspielstaatsvertrags - abrufbar unter www.gluecksspielsucht.de > Materialien > Stellungnahmen).
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c) Was die Spielsuchtbekämpfung und insbesondere die Prävention angeht, verkennt die Kammer nicht, dass hier ausweislich des mittlerweile vorliegenden Vertriebskonzepts und des ebenfalls jetzt vorgelegten Sozialkonzepts sowohl im Bereich der Hinweise, der Beratungsangebote als auch der Schulungen der Mitarbeiter der Annahmestellen deutliche Fortschritte gegenüber dem vom Bundesverfassungsgericht noch missbilligten Zustand im Jahre 2006 zu verzeichnen sind, als es in dieser Richtung gar keine bzw. nur sehr wenige Bemühungen gab. Inzwischen kann davon ausgegangen werden, dass die Annahmestellenbetreiber und deren Personal alle geschult wurden und regelmäßig auch weiter zum Thema Suchtgefahren und Jugendschutz geschult werden. Es ist auch nicht zu übersehen, dass in großem Umfang und optisch auffällig auf Flyern, Plakaten, Hinweisschildern, Broschüren, Spielquittungen, Internetseiten usw. auf die Gefahren der Spielsucht und auf das Spielverbot für unter 18-Jährige hingewiesen wird. Außerdem existiert mittlerweile ein Fachbeirat, der beratend tätig wird.
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Das vermag aber nicht, die strukturellen Mängel des staatlichen monopolisierten Sportwettensystems mit einem landesweit dichten Netz umsatzorientiert operierender Annahmestellen zu konterkarieren, die betont kundennah im direkten Kontext mit dem Vertrieb alltäglicher Waren und ohne wirkliche Distanz zu Jugendlichen arbeiten und dadurch der Missachtung des Spieler- und Jugendschutzes sowie der Spielsucht erst einmal deutlich Vorschub leisten.
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d) Auch die Schulungen der Annahmestellenbetreiber (vgl. Ziff.4 des Vertriebskonzepts, Ziff.4.6 des Sozialkonzepts , Ziff.4 des Annahmestellenzusatzvertrags) vermögen offenbar nur sehr begrenzt, den systemimmanent bestehenden Zielkonflikt aufzulösen, dem sie sich ausgesetzt sehen, wenn sie einerseits einträglich wirtschaften wollen, sich andererseits dabei aber ohne wirtschaftlichen Anreiz allein aus Rücksicht auf Jugendliche und Spielsuchtgefährdete selbst zurücknehmen sollen. Schon der bloße Umstand, dass es offenbar nötig erscheint, durch intensive Schulungen überhaupt die für jedermann leicht verständliche und eingängige Minimalregel des Jugendschutzes, nämlich das Spielverbot für unter 18-Jährige, gegenüber den Annahmestellenbetreibern zu betonen, obwohl die entsprechenden Regelungen schon seit Jahrzehnten existieren (vgl. § 6 Abs.2 JuSchG), zeigt, dass schon nach Ansicht der STLG hier ein aus ökonomischen Interessen gespeistes Potential an tendenzieller Missachtung des Jugendschutzes besteht, das allein durch die Geltung des JuSchG offenbar noch nicht ausreichend eingedämmt wird. Soweit zum Jugendschutz geschult wird, stellt dies eine „Schulung“ zu einer bloßen Selbstverständlichkeit dar. Soweit zu Suchtgefahren mit dem Ziel geschult wird, die Annahmestellenbetreiber in die Lage zu versetzen, beratend bzw. abratend auf Spieler einzuwirken bzw. spielsüchtige Spieler zu erkennen und dann durch Schaltung einer Sperre am weiteren Spiel zu hindern, ergibt sich aus dem oben Gesagten, dass die Annahmestellenbetreiber ganz offenkundig die dafür wirklich wesentlichen Informationen über Einkommensverhältnisse, Spielergebnis, Häufigkeiten des Spiels und Verluste der bei ihnen Wetten abschließenden Personen nicht haben und allenfalls zufällig erlangen können bzw. sich in einem Rollenkonflikt zwischen Verkäufer und invasiv in die Privatsphäre des Kunden hineinforschenden Sozialarbeiter wiederfinden (siehe die vorgelegte Dokumentation und Auswertung der Schulungen für Januar bis März 2008 der mit den Schulungen beauftragten Evangelischen Gesellschaft: Suchtberatungsstelle „eva“, S. 14). Aus der Dokumentation ergibt sich insoweit auch, dass viele Annahmestellenbetreiber eher dazu neigen, den Zielkonflikt zugunsten eigener wirtschaftlichen Interessen zu lösen, und zu einem nicht unbeträchtlichen Teil obendrein selbst aktive Spieler sind, von denen manche sogar Tendenzen zur Spielsucht in sich tragen (siehe Dokumentation S.10 ).
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Die im Wesentlichen übereinstimmenden Ergebnisse des im April 2008 bei 110 Lottoannahmestellen in Baden-Württemberg durchgeführten sog. „Mystery-Shopping“ (= Testkauf, Testspielaktion) und der in der mündlichen Verhandlung von den STLG Mitarbeitern dargelegten eigenen Erfahrungen mit Testkäufen/Testspielern zeigen zudem deutlich, dass offenbar selbst intensive Schulungen keinen nachhaltigen Effekt erzielen, denn in einer prozentual weit überdurchschnittlichen Zahl von Fällen (laut Mysteryshopping: ca. 62 % , laut eigener Testaktionen der STLG: ca. 50 %) war es Kunden möglich, ohne Ausweiskontrolle zu spielen und Wetten abzuschließen. (In die gleiche Richtung weisen auch die in einem FOCUS-Artikel (Ausgabe v. 7.7.2008) zitierte Untersuchungen zum gleichen Thema in Bayern).
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e) Was die nunmehr allenthalben anzutreffenden Warnhinweise bezüglich der Spielsuchtgefahren angeht, ist angesichts des aus der Psychologie bekannten Phänomens der kognitiven Dissonanz (Verarbeitung konfligierender Informationen/Erfahrungen: z.B. „Ich rauche“ - „Rauchen ist schädlich“) und der Erfahrungen z.B. mit entsprechenden Hinweisen auf die tödlichen Gefahren des Rauchens auf Zigarettenpackungen, die von vielen Rauchern schon nach eigener Aussage gar nicht mehr wahrgenommen, sondern ausgeblendet werden (siehe dazu http://de.wikipedia.org/wiki/Kognitive_Dissonanz), fraglich, inwieweit ein vornehmlich aus finanziellen Erwägungen (Gewinnerwartung) gespeistes und durch entsprechende Werbung sogar noch erregtes Interesse an der Sportwettenteilnahme dadurch wirklich nennenswert wieder eingedämmt wird.
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f) Auch die rechtlichen und tatsächlichen Regelungen über die Art und den Zuschnitt des Sportwettenangebots sind nach wie vor in ihrer derzeitigen Ausgestaltung nicht geeignet, die Spielsucht konsistent und systematisch einzudämmen. Eine Beschränkung der Sportwetten, denen insbesondere bei den Oddset-Wetten wegen ihrer festen Gewinnquoten ein besonders hohes Suchtpotential zugeschrieben wird, durch die Begrenzung des Spielangebots (nur geringe Zahl wöchentlicher Wettpaarungen, Verzicht auf überproportional suchtgefährliche Varianten wie z.B. Live-Wetten oder Verzicht auf Wetten mit erhöhter Manipulierbarkeit des Sportereignisses wie z.B. Wetten auf die Zahl der in einem Fußballspiel gezeigten gelben Karten ) findet sich ebenso wie die Reduzierung der Gewinnausschüttungen auf maximal 50 - 55% lediglich pauschal formuliert unter Ziff.5.2 des Sozialkonzepts der STLG. Ein wirklich handhabbarer und detailliert kontrollierbarer Rahmen wird damit indessen nicht vorgegeben. Auch die nach wie vor gültigen Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi- und Top-Wette, die das Finanzministerium am 08.11.2007 bekanntgemacht hat und die von der STLG als ein lediglich weiter Rahmen des Erlaubten im Sinne einer Allgemeinen Geschäftsbedingung verstanden und der Gestaltung ihres Spielangebots zugrunde gelegt werden, enthalten keine wirklich klaren Einschränkungen und Vorgaben für eine Begrenzung des Spielangebots. Sie widersprechen zudem in ihrer noch immer unverändert aktuell gültigen Form teilweise direkt § 21 Abs.1 GlüStV, der ausdrücklich regelt, dass nur auf den Ausgang von Sportereignissen gewettet werden kann, also Live-Wetten auf Zwischenspielstände und dergleichen ausgeschlossen sind. Die Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette (GABl. v. 20.12.2007, S.648) lassen hingegen unter § 3 Abs.1, Abs.5 und Abs.6 auch Wetten nicht nur auf den Ausgang, sondern auch auf bestimmte Ereignisse innerhalb eines Sportereignisses zu. Dasselbe gilt für die Oddset-Kombi-Wette (GABl. 20.12.2007, S. 639), deren Teilnahmebedingungen Wetten auf einen bestimmten Ausgang oder ein bestimmtes Ergebnis, aber auch auf ein bestimmtes Ereignis zulassen. § 21 Abs.1 GlüStV ist im Übrigen normativ defizitär, da diese Vorschrift es ohne jegliche weitere inhaltliche Vorgaben der erst zum Jahresende 2008 notwendigen Erteilung der Glücksspielerlaubnis durch das Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde überlässt, im Detail Art und Zuschnitt des Angebots ggf. durch entsprechende Auflagen sicherzustellen. Ferner liegen interne Richtlinien zu Art und Zuschnitt des Sportwettenangebots auf der Verwaltungsebene der Glücksspielaufsichtsbehörde bisher nicht vor. Wie sich in der mündlichen Verhandlung herausstellte, besteht vor diesem Hintergrund noch nicht einmal vollständige Klarheit, ob etwa die sogenannte Handicap-Wette danach ein zulässiges Sportwettenangebot sein soll oder nicht. Der seit 01.01.2008 eingerichtete Fachbeirat (§ 10 Abs.1 S. 2 GlüStV) hat sich bisher zwar unter anderem auch mit dem Sportwettenangebot befasst, ohne dass diese Arbeit sich aber bislang in konkreten Empfehlungen, Beschlüssen oder Leitlinien niedergeschlagen hätte. Insgesamt offenbart sich auch hier ein derzeit bestehendes normativ-regulatives Strukturdefizit, das es mangels klarer Vorgaben aktuell noch immer genau besehen allein der STLG, also dem wirtschaftlich interessierten Monopolisten, selbst überlässt, zu definieren, welches Angebot seiner Ansicht nach zulässig bzw. unzulässig ist. Von dieser Definitionsmacht hat die STLG bisher aber nur in nicht wirklich dauerhaft selbstbindender Weise und nur nach eher vagen, zufälligen Kriterien Gebrauch gemacht.
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g) Ähnliches gilt für die Werbebeschränkungen . Hier findet sich neben der inhaltlich nur sehr vagen gesetzlichen Vorgabe in § 5 Abs.1, Abs.2 GlüStV, die Werbung dürfe nur informativ aufklärend, aber nicht aufmunternd, anreizend, irreführend und an Jugendliche gerichtet sein, bislang nur unter Ziff.5.3 des Sozialkonzepts der STLG eine katalogartige Aneinanderreihung ähnlich unbestimmter Begriffe, die zu einer positiven wie negativen Abgrenzung beitragen sollen und immerhin durch einige Beispiele zu einer gewissen Konkretisierung beitragen können (keine Darstellung als unbedenkliche Freizeitbeschäftigung, keine gezielte Ansprache eine jugendlichen Publikums, keine Werbung mit jugendlichen Werbeträgern und keine Versprechen eines schnellen risikolosen Reichtums usw.). Außerdem soll es inzwischen bundesweit zwischen den Ländern abgesprochene Werberichtlinien geben. Die Beaufsichtigung bundesweiter Werbeaktionen des Toto-Lotto-Blocks (DTLB) ist dabei allerdings noch ungeklärt. Die Bedenken, wie sie die Kammer gegenüber dem Werbekonzept der STLG in ihren Grundsatzurteilen vom April 2008 geäußert hat, sind damit aber nicht ausgeräumt. Insbesondere die Werbung mit der Dachmarke Lotto, die schon nach den eigenen Unterlagen und Broschüren der STLG deutlich mit ihren Unterprodukten z.B. Oddset, KENO etc. genannt und somit in Verbindung gebracht wird (Oddset, die Sportwette von Lotto - siehe www.lotto-bw.de > oddset), ist nach wie vor überregional mit zum Spiel animierender Werbung aktiv und zwar mit immer wieder besonders auffälliger, selbst vom beklagten Land als „atypisch“ qualifizierter Werbung, die mit immer wieder neuen besonderen Anlässen wie z.B. der Fußballeuropameisterschaft oder dem 50-jährigen Bestehen von Lotto Bad.-Württ. gerechtfertigt wird. Da die STLG sogar nach Ergehen des Bundesverfassungsgerichtsurteils noch im Sommer 2006 anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2006 aggressiv und namentlich für Oddset geworben hat, ist es auch besonders darlegungsbedürftig, konnte von der STLG im Termin aber nicht überzeugend dargelegt werden, dass Oddset nicht zum sogenannten „accepted set“ der deutlich und anpreisend beworbenen Dachmarke Lotto-BW gehören soll, also nicht mit deren Nennung vom Adressatenpublikum positiv mitassoziiert werden soll.
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Auch sonst geht die überregional auftretende Sportwettenwerbung weit darüber hinaus, dass sich nur die Annahmestellen selbst mit Flyern, örtlich geschalteten Anzeigen, Wimpeln, Schaufenstergestaltung etc. auf rein örtlicher Ebene dem Publikum bekannt machen und im Rahmen des dem staatlichen Monopolisten aufgegebenen Kanalisierungskonzepts über ihre Existenz informieren. Das ist auch nicht etwa zufällig so, sondern direkte Folge des Zielkonflikts, der darin besteht, dass der staatliche Monopolist STLG neben dem von ihm immer wieder hervorgehobenen insbesondere im Internet anzutreffenden breiten privaten Sportwettenmarkt existiert, also kein wirkliches Monopol im echten Sinne besitzt und daher anders als ein echter Monopolist gegenüber dieser Konkurrenz werbend bestehen muss, derer er sich in absehbarer Zeit wohl so schnell nicht wird entledigen können.
53 
Nach wie vor ist es auch so, dass der Glücksspielstaatsvertrag selbst keine Werbeeinschränkung hinsichtlich der Printmedien und des Rundfunks sowie der Postwurfsendungen und großflächiger Plakatwerbung regelt, so dass diese weiterhin zulässig sind (vgl. zu Bedenken insbesondere gegenüber unverlangt zugesandten Werbematerialien, wie Postwurfsendungen: Ziff.4 der Stellungnahme des Fachverbandes Glücksspielsucht e.V. zum Entwurf des GlüStV - a.a.O.). Dem Beklagten mag zwar zuzugeben sein, dass dem Land ein gewisser Beurteilungsspielraum dahingehend zukommt, selbst einzuschätzen und zu entscheiden, welche Werbeträger es für besonders aggressiv, öffentlichkeitswirksam, jugendnah und suchtfördernd hält und daher beschränken will. Wenig überzeugend ist insoweit allerdings sein Hinweis, die genannten noch zulässigen Werbeträger (Radio, großflächige Plakate, Printmedien) sprächen anders als das Internet und das Fernsehen das vorwiegend zu schützende jugendliche Publikum nur wenig an. Auch wenn die Leseneigung bei Jugendlichen zurückgegangen sein mag, dürfte doch das Radio als leicht konsumierbares Medium ebenso wie das Fernsehen ohne weiteres auch und gerade Jugendliche erreichen. Dafür, dass auch Plakatwerbung Jugendliche durchaus erreicht, spricht zudem, dass die STLG den Boxer Krasniqi, der als Sympathieträger gerade auch Jugendliche anspricht, im Rahmen der Suchtaufklärungskampagnen selbst auf großflächigen Plakaten auftreten lässt. Der bloße Ausschluss von Internetwerbung (und Fernsehwerbung) dürfte im Übrigen wohl schon deshalb nicht ausreichen, weil gar nicht dargetan ist, dass es sich nach der Spielerstruktur bei den Sportwettenteilnehmern der terrestrischen Annahmestellen vorzugsweise um Personen mit Internetzugang handelt. Vielmehr könnten als Kunden gerade technikferne, ältere Kunden in Betracht kommen, die keinen Internetzugang haben, oder aber Jugendliche, die zwar einen Internetzugang haben, aber noch nicht über eigene Kreditkarten verfügen, wie sie für eine Sportwettenteilnahme im Internet unerlässlich ist.
54 
3. Schließlich fehlt es derzeit an einem wirksamen Kontrollsystem, das die Ausrichtung des Monopols am Ziel der Suchtbekämpfung sicherstellt. Europarechtlich kommt es für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zentral auf die Effektivität der Überwachung und die Durchsetzung einer wirklich restriktiven Glücksspielpolitik an (vgl. EFTA-Gerichtshof, Urt. vom 14.03.2007, E -1/06, - Gaming Machines -, Rdnr. 51). Auch das Bundesverfassungsgericht verlangt strukturelle Sicherungen, die für die Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht sorgen; der Gesetzgeber muss geeignete staatliche Kontrollinstanzen mit ausreichender Distanz zu den fiskalischen Interessen des Staates einrichten (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnrn.120, 154). Denn nur so kann gesichert werden, dass ein Konflikt mit dem Ziel der Suchtbekämpfung nicht zugunsten der fiskalischen Interessen des Staates ausgeht (BVerfG, a.a.O., Rdnr. 127 f.)
55 
a) Der Glücksspielstaatsvertrag sieht zwar in § 9 eine finanzverwaltungsferne Glücksspielaufsicht vor. Diese kann aber derzeit auf kein wirksames normatives Kontrollsystem zurückgreifen. Auf das Instrument der Glücksspielerlaubnis, die an die Erfüllung konkreter Voraussetzungen gebunden ist (§ 2 Abs. 2 AG-GlüStV) und mit Bedingungen und Auflagen versehen werden kann (§ 2 Abs. 1 Satz 2 AG-GlüStV), kann die Glücksspielaufsicht nach derzeitiger, für die Entscheidung des Gerichts maßgeblicher Rechtslage allenfalls in geringfügigem Umfang als Kontrollmechanismus zurückgreifen. Denn der Landesgesetzgeber hat dem Monopolisten über die vom Bundesverfassungsgericht zugebilligte Übergangszeit hinaus einen weiteren Zeitraum bis zum 31.12.2008 zugestanden, in dem er seine bereits zum 01.01.2007 veranstalteten Glücksspiele ohne Erlaubnis fortführen darf (§ 2 Abs. 1 Satz 3 AG-GlüStV). Gleiches gilt für die Annahmestellen, die ihre Vermittlung ohne Erlaubnis bis zum 31.12.2008 fortsetzen dürfen, wenn sie bereits am 01.01.2007 in ein öffentliches Glücksspiel des Landes vermittelt haben (§ 7 Abs. 4 AG-GlüStV). Andere Kontrollinstrumente der Glücksspielaufsicht gegenüber dem Monopolisten oder einzelnen Annahmestellen sind gesetzlich nicht vorgesehen. Der Aufsicht bleibt in der Vielzahl der Fälle, in denen die Übergangsregelungen der §§ 2 Abs.1 Satz 3, 7 Abs. 4 AG-GlüStV greifen, nur die Möglichkeit, im Einzelfall Anordnungen nach § 9 GlüStV zu treffen. Damit diese Möglichkeit als effektiver Kontrollmechanismus wirkt, bedürfte es gerade angesichts der Vielzahl der Annahmestellen einer entsprechend gut ausgestatteten Glücksspielaufsicht. Hierzu enthält das Gesetz jedoch keinerlei Vorgaben.
56 
b) Tatsächlich ist die Glücksspielaufsicht personell auch schwach besetzt. Im gesamten Glücksspielreferat des Regierungspräsidiums Karlsruhe, das für ganz Baden-Württemberg zuständig ist, sind vier Juristen, sechs Mitarbeiter im gehobenen Dienst und fünf weitere Mitarbeiter für den Schreibdienst und Ähnliches tätig. Das Sachgebiet „Aufsicht und Erlaubnisse für staatlich veranstaltetes Glücksspiel und gewerbliche Spielevermittler“ betreuen ein Jurist und ein Mitarbeiter des gehobenen Dienstes. Der vom beklagten Land hervorgehobene Austausch zwischen den Mitarbeitern der einzelnen Sachgebiete ist nur begrenzt, wie die mündliche Verhandlung vom 16.04.2008 anschaulich belegt hat. Dort war als Beklagtenvertreter allein der Sachgebietsleiter für die Unterbindung unerlaubten Glücksspiels anwesend, der viele Fragen zum Bereich der Aufsicht und Erlaubnisse für staatlich veranstaltetes Glücksspiel nicht beantworten konnte.
57 
Die Mitarbeiter des Monopolisten, die mit monopolinternen Kontrollfunktionen befasst sind, können entgegen der vom beklagten Land vertretenen Auffassung nicht bei der personellen Ausstattung der Glücksspielaufsicht berücksichtigt werden. Schon § 10 Abs. 6 GlüStV setzt die Trennung der staatlichen Glücksspielaufsicht und des Monopolisten als Glücksspielveranstalter nach § 10 Abs. 2 GlüStV voraus. Vor allem aber kann von der europarechtlich gebotenen effektiven Überwachung des Monopolisten nicht mehr die Rede sein, wenn ihm als einem Unternehmen, das seine Wirtschaftlichkeit im Auge behalten muss, die Kontrolle über sich selbst übertragen wird. Vielmehr verlangt eine effektive Überwachung, dass die Endkontrolle der staatlichen, von fiskalischen Interessen unabhängigen Aufsicht vorbehalten bleibt.
58 
c) Dies schließt sicher kein „System der Kontrolle der Kontrolle“ aus, auf das sich das beklagte Land beruft. Ein solches System muss aber derartige strukturelle Sicherungen enthalten, dass eine effektive Kontrolle des Monopolisten durch die staatliche Aufsicht gewährleistet ist. Das ist hier nicht der Fall.
59 
aa) Das Gesetz räumt dem Monopolisten weite Spielräume bei der Ausgestaltung des Vertriebskonzepts (§ 7 Abs. 1 AG-GlüStV) sowie bei Art und Zuschnitt des Wettangebots ein, die ab 01.01.2009 in der Erlaubnis im Einzelnen zu regeln sind (§ 21 Abs. 1 Satz 2 GlüStV). Verwaltungsvorschriften oder Richtlinien wenigstens als Hilfe zur Interpretation der gesetzlichen Vorgaben - etwa welche Kriterien neben der räumlichen Bevölkerungsstruktur für das Vertriebskonzept noch zu berücksichtigen sind (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 4: „insbesondere“) oder welche Wetten als Einzelwetten auf den Ausgang eines Sportereignisses (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GlüStV) angesehen werden können - existieren jedoch nicht.
60 
bb) Auch Beschlüsse des inzwischen eingeführten Fachbeirats, die ungeachtet der rein beratenden Funktion dieses Gremiums (§ 10 Abs. 1 Satz 2 GlüStV) als Orientierungshilfe dienen könnten, liegen nicht vor. Gerade beim zulässigen Wettangebot bestehen aber erhebliche Unsicherheiten, wie die Diskussion in der mündlichen Verhandlung zwischen den Beteiligten einschließlich der Vertreter der STLG über die Zulässigkeit von Handicap-Wetten deutlich gezeigt hat.
61 
cc) Das inzwischen vorliegende Vertriebskonzept der STLG -das fast ein halbes Jahr zu spät erstellt worden ist, ohne dass dies zu irgendwelchen Konsequenzen der Glücksspielaufsicht gegenüber der STLG geführt hätte - ist zwar von der Glücksspielaufsicht gebilligt worden, jedoch mangels Integrierbarkeit in eine Glücksspielerlaubnis in keiner Weise abgesichert.
62 
dd) Allein im Bereich der Werbung sollen bundesweite, dem Gericht allerdings nicht vorgelegte Richtlinien existieren. Außerdem ist zwischen der Glücksspielaufsicht und der STLG eine Vorlage neuer Werbemaßnahmen vor Veröffentlichung abgesprochen.
63 
ee) Darüber hinaus bestehen strukturelle Sicherungen des Systems der Kontrolle der Kontrolle derzeit nicht. Die Ankündigung, dem Monopolisten in seiner Erlaubnis als Nebenbestimmung aufzugeben, mindestens halbjährliche unangekündigte Kontrollen zur Einhaltung des Jugendschutzes und des Spielerschutzes in allen Annahmestellen durchzuführen und der Aufsicht darüber halbjährlich zu berichten, weist in die richtige Richtung, ist aber zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht umgesetzt worden. Eine Glücksspielerlaubnis für die STLG - mit entsprechender Nebenbestimmung - liegt bislang nicht vor.
64 
ff) Sonstige Informations- oder Berichtspflichten der STLG zu bestimmten Themen bestehen nicht. In der mündlichen Verhandlung wurde zwar von monatlichen Gesprächsrunden über anstehende Probleme berichtet, gleichzeitig zeigte sich aber, dass die Glücksspielaufsicht weder über das aktuelle Wettangebot des Monopolisten noch über den konkreten Bestand der Annahmestellen und die einzelnen Fälle von Beanstandungen bei von der STLG veranlassten Kontrollen informiert war. Vielmehr erklärte der Vertreter des beklagten Landes, dass die Glücksspielaufsicht außerhalb des Bereichs der Werbung grundsätzlich davon ausgehe, dass die STLG sich an die gesetzlichen Vorgaben halte. Die STLG werde gebeten, die Glücksspielaufsicht zu benachrichtigen, wenn rechtliche Probleme auftauchten; sie teile der Aufsicht auf Anfrage Kontrollergebnisse mit. Diese Haltung der Glücksspielaufsicht gegenüber dem Monopolisten ist mit dem Auftrag einer effektiven Überwachung offensichtlich nicht zu vereinbaren. Schon bei einer Kontrolle staatlicher Behörden wäre ein solcher Vertrauensvorschuss unangebracht (vgl. dazu auch Millgramm, DVBl 2008, 821, 827 f., insbes. Fn. 29); dies gilt umso mehr für die Kontrolle der STLG, einer juristischen Person des Privatrechts, die bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im März 2006 primär umsatzorientiert gewirtschaftet hat und auch heute als Gesellschaft mit beschränkter Haftung wirtschaftlich handeln muss (siehe nur §§ 17, 19 InsO). Allein die Tatsache, dass das Land 100% der Gesellschaftsanteile hält, legt zwar vereinfachte Kontrollmöglichkeiten nahe, lässt die Überwachungspflichten aber keinesfalls entfallen (vgl. dazu EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming Machines, Rdnr. 51).
65 
gg) Dass die in der mündlichen Verhandlung von den Beklagtenvertretern erwähnten „sporadischen Kontrollen“ des Sportwettenangebots des Monopolisten sowie die 22 vom Referatsleiter persönlich getätigten Testkäufe ohne Bezug zu den von der STLG großflächig angelegten Testkaufserien keine wirksame „Kontrolle der Kontrolle“ darstellen, bedarf keiner näheren Ausführung.
66 
hh) Die Kammer verkennt nicht, dass die STLG gerade mit den Testkaufserien durch Externe einerseits und die Bezirksdirektionen andererseits sowie die Zusatzverträge mit den Verkaufsstellen, die bei Verstößen gegen die gesetzlichen Verpflichtungen aus dem GlüStV und dem AG-GlüStV Sanktionsmöglichkeiten bis zur fristlosen Kündigung des Vertrags vorsehen, Ansatzpunkte für ein System der „Kontrolle der Kontrolle“ geschaffen hat. Ohne durchsetzbare, festgelegte Berichts- und Meldepflichten gegenüber der Glücksspielaufsicht kann aber von einer effektiven Überwachung nicht die Rede sein.
67 
ii) Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Ergebnisse der Testkäufe mit einer Quote von etwa 50% Beanstandungen (so die Auskunft der Vertreter der STLG in der mündlichen Verhandlung; die Ergebnisse des Mystery-Shopping lagen bei einer noch höheren Beanstandungsquote von 62 %) nahelegen, dass dieser Missstand, wie oben ausgeführt, durch das Provisionsmodell strukturell bedingt ist und allein durch ein effektives Überwachungssystem nicht beseitigt werden wird.
IV.
68 
Das staatliche Sportwettenmonopol erweist sich auch unter Berücksichtigung des aktuellen Vorbringens des Beklagten und der jetzigen Sachlage weiterhin auch deshalb als derzeit (noch) europarechtswidrig, weil es eine zur Erreichung der Ziele des GlüStV nicht erforderliche Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt (vgl. Urteile vom 16.04.2008, dort II.3).
69 
Im Termin ist erneut deutlich geworden, dass das staatliche Monopol nur im Bereich der terrestrischen Annahmestellen ein echtes, nämlich gegen illegale Konkurrenz wirklich durchsetzbares Monopol darstellt, hingegen im Bereich des vom Angebot der STLG entsprechend den Vorschriften des GlüStV nicht abgedeckten Sportwettenmarktes im Internet ein sehr großes illegales Sportwettenangebot privater Veranstalter existiert, über das nach Schätzungen zwischen 30 - 50 % des gesamten Sportwettenumsatzes erzielt werden. Ferner hat sich bestätigt, dass dieses private Internetangebot jedenfalls bislang vom Beklagten insbesondere wegen der damit verbundenen rechtlichen und praktischen Schwierigkeiten noch nicht in nennenswertem Umfang durch Ordnungsverfügungen gegen die Veranstalter bzw. mittels Kooperationsabsprachen mit Banken über eine Drosselung der Finanzierung durch Kreditkartenabbuchungen zurückgedrängt wurde. Damit bleibt es bei dem Grundkonflikt, dass das staatliche Sportwettenmonopol, weil es sich gegenüber dem Internetangebot behaupten muss, nach wie vor einem starken Anreiz ausgesetzt ist, sich ebenso wie private Sportwettenanbieter durch offensive, aktive Werbestrategien zu behaupten, um erklärtermaßen einer Abwanderung von Sportwettenteilnehmern in diesen illegalen Bereich gegenzusteuern. Unverändert geblieben ist auch der Umstand, dass die STLG ihre Sportwetten über ein Vertriebsnetz vermarktet, das sich aus einer Vielzahl umsatzabhängiger privater Annahmestelleninhaber zusammensetzt und sich somit von privaten Sportwettenanbietern hinsichtlich der Anreize zur Missachtung von Spielerschutz- und Suchtbekämpfungsmaßnahmen nicht wesentlich unterscheidet.
70 
Was die Effektivität der Kontrolle und die Durchsetzungsmacht der STLG gegenüber ihren privaten Vertragspartnern im Vertriebsnetz angeht, ist ihr zwar zuzugestehen, dass sie in der Praxis nicht nur die Möglichkeit hat, gegenüber einer Annahmestelle mit rechtlichen Maßnahmen wie Abmahnungen, Vertragsstrafen oder fristloser Kündigung einzuschreiten, sondern diese darüber hinaus auch rein tatsächlich direkt durch Abkoppelung der Annahmestelle von der zentralen computergestützten Sportwettenannahme und -vermittlung aus ihrem Vertriebsnetz nehmen kann, wenn es zu Schwierigkeiten kommt, was die staatliche Aufsichtsbehörde gegenüber privaten Sportwettenveranstalten nicht tun könnte. Allerdings ist dem entgegenzuhalten, dass sich ein Annahmestelleninhaber auch gegen ein solches schlichtes Abkoppeln vom Vertriebsnetz ohne weiteres vor den ordentlichen Gerichten mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Wehr setzen könnte, da auch ein faktisches Abkoppeln vom Vertriebsnetz gegen den Annahmestellenvertrag verstoßen würde, wenn es grundlos erfolgt bzw. der Anlass bestritten wird. Unter diesem Aspekt wäre die faktische Durchsetzungsmacht zwar größer als gegenüber Sportwettenvermittlern, die an andere Sportwettenanbieter als die STLG vermitteln, aber letztlich auch nicht wieder so signifikant größer, dass sich hieraus die Erforderlichkeit eines staatlichen Monopols begründen ließe.
71 
Es mag auch zutreffen, dass es für die staatliche Aufsichtsbehörde einen geringeren Aufwand darstellt, lediglich das Werbekonzept eines einzigen staatlichen Sportwettenmonopolisten zu kontrollieren anstatt die Werbekonzepte von drei bis vier großen überregional auftretenden internationalen Sportwettenanbietern zu prüfen. Andererseits erfordert die Kontrolle der Werbung noch den geringsten Aufwand im Rahmen der gesamten Kontrolltätigkeit, denn in der Regel wird es sich um nur wenige gleichlautende Plakate, Werbespots oder Hinweiszettel handeln, die sich relativ leicht und schnell auf Verstöße gegen die Werbeeinschränkungen aus dem GlüStV kontrollieren lassen.
72 
Wie das vorgelegte Sozialkonzept des Verbands der Europäischen Wettunternehmer (VEWU) zeigt, sind diese auch durchaus bereit, sich freiwillig Beschränkungen hinsichtlich der Gewinnausschüttungsquote, der Art und des Zuschnitts der Sportwettenangebote und der Ausgestaltung ihrer Wettbüros aufzuerlegen, ein System der Spielersperre zu installieren, einen Sicherungsfond gegen Insolvenzausfälle einzurichten und Jugendlichen konsequent den Zugang zu verweigern, so dass es ihnen gegenüber jedenfalls nicht einer stärkeren und dichteren staatlichen Kontrolle als gegenüber den privaten Annahmestelleninhabern der STLG bedürfte.
73 
Was die Kriminalitätsrisiken und Betrugsgefahren angeht, hat das beklagte Land selbst eingeräumt, dass diese nicht an erster Stelle der Ziele stehen, mit denen das staatliche Monopol zu rechtfertigen ist. Das insoweit nach den europarechtlichen Vorgaben darlegungsbelastete Land hat es auch nicht vermocht, zur Frage negativer bisheriger Erfahrungen mit den privaten Betreibern legaler Glücksspiele (Pferdewetten, Geldspielautomaten, Spielcasinos) sowie mit den privaten Annahmestelleninhabern der STLG hinsichtlich der Kriminalitätsbelastung aussagekräftigen Angaben zu machen. Es mag zwar sein, dass es in diesem Bereich Dunkelziffern gibt und dass die Anzeigefreudigkeit von Kriminalitätsopfern gering ist, die sich im Bereich illegaler Glücksspiele womöglich wegen eigener Teilnahme nach § 285 StGB strafbar machen würden. Hier aber geht es um legale Glücksspielbereiche, die obendrein seit Jahrzehnten von Privaten betrieben werden, so dass bei wirklichen Missständen zu erwarten wäre, dass entsprechende Kriminalitätsbelastungen zumindest ansatzweise bekannt geworden wären. Dafür fehlt hier aber jeder Anhaltspunkt. Zwar mag immerhin ein gewisser Anteil der mit Untersagungsverfügungen landesweit geschlossenen ca.700 privaten Sportwettenbüros selbst nach Bestätigung der Untersagungsverfügungen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Vermittlungstätigkeit tatsächlich nicht aufgegeben und sich damit als nicht rechtstreu bzw. mit Blick auf § 284 StGB womöglich sogar als kriminell erwiesen haben. Das besagt aber nicht, dass ein staatliches Monopol erforderlich ist, um mit dem Sportwettenbetrieb verbundene Kriminalitätsgefahren zu bekämpfen.
V.
74 
Noch einmal zu bestätigen ist schließlich, dass das Sportwettenmonopol mangels systematischer und kohärenter Zielverfolgung auch EG-wettbewerbswidrig ist. (vgl. dazu bereits Urteil vom 16.4.2008, unter II.4.). Der Einwand des beklagten Landes, die Ausführungen der Kammer in den Urteilen vom 16.4.2008 ließen nicht erkennen, welcher Bezug der Wettbewerbsvorschriften zum subjektiven Recht des jeweiligen Klägers bestehe bzw. es werde übersehen, dass die Wettbewerbsvorschrift des Art. 82 EG sich nicht an den Staat, sondern an Unternehmen richte, greift nicht durch.
75 
Die Prüfung des Sportwettenmonopols erfolgt am Maßstab des Art. 86 EG. Adressaten von Art. 86 Abs. 1 EG sind ausschließlich die Mitgliedstaaten und nicht die Unternehmen selbst, für die wiederum direkt nur Art. 81 und 82 EG gelten. Den Mitgliedsstaaten stehen Hoheitsträger im Staatsgebiet, insbesondere die Gebietskörperschaften gleich. Gerade im Bereich von - wie hier - Dienstleistungsmonopolen gelangt Art. 86 EG in Verbindung mit den Wettbewerbsregeln zur Anwendung (Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, 4. Auflage 2007, B. Art. 86 im System des EG-Vertrags, Rnrn. 55, 56; von Burchard, in: Schwarze, EU-Kommentar, 1. Aufl. 2000, Art. 49 Rnr. 87 [unter Hinweis darauf, dass der EuGH offenbar Art. 86 Abs. 2 EG gegenüber Art. 49 EG als speziellere Vorschrift ansehe] und Art. 86 Rnr. 11). Die Tatsache, dass Art. 86 Abs. 1 EG die Existenz von Unternehmen voraussetzt, die bestimmte besondere oder ausschließliche Rechte innehaben, ist nicht dahin zu verstehen, dass alle besonderen und ausschließlichen Rechte notwendigerweise mit dem EG-Vertrag vereinbar sind. Dies hängt vielmehr von den Vertragsvorschriften ab, auf die Art. 86 Abs. 1 EG verweist (so zu Art. 90 Abs. 1 EG-Vertrag: EuGH, Urt. v. 19.3.1991 - C-202/88 - [Telekommunikations-Endgeräte], Leitsatz 2; von Burchard, a.a.O., Art. 86, Rnr. 27). Zu den zu beachtenden Vorschriften gehören - soweit vorliegend bedeutsam - insbesondere der ausdrücklich in Art. 86 Abs. 1 EG genannte Art. 82, ferner aber gerade auch die Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr (EuGH, Urt. v. 18.6.1991 - C-260/89 [ERT], Rnr. 27). Dem Anwendungsbereich des Art. 86 EG unterfallen folglich auch Maßnahmen eines Mitgliedstaats (hier: Inkraftsetzen einer Gesetzesbestimmung), mit denen er eine Lage schafft, in der das bevorrechtigte Unternehmen schon durch die bloße Ausübung des übertragenen Rechts (hier: monopolartige Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten) zwangsläufig gegen den Vertrag verstoßen muss (EuGH, Urt. v. 11.12.1997 - C-55/96 [Job Centre] - Rnr. 29; von Burchard, a.a.O., Art. 86 Rnr. 37). Ein wettbewerbswidriges Verhalten der STLG muss sich damit aber das beklagte Land zugleich als unzulässige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zurechnen lassen (so auch von Burchard, a.a.O., Art. 49 Rnr. 88), worauf sich der jeweilige grundfreiheitsberechtigte Kläger wiederum für den Erfolg seiner Klage berufen kann.
VI.
76 
Die angefochtene Untersagungsverfügung des Regierungspräsidiums ist auch insoweit rechtswidrig und aufzuheben, als sie die Vermittlung von Sportwetten an solche Veranstalter untersagt, die im Bundesgebiet ansässig sind. Zwar vermittelte der Kläger in der Vergangenheit Sportwetten nur an einen in einem EU-Mitgliedsstaat ansässigen und dort konzessionierten Sportwettenveranstalter. Die angefochtene Verfügung untersagt aber darüber hinaus umfassend auch jede Vermittlungstätigkeit für im Bundesgebiet ansässige Sportwettenveranstalter. Eine solche Dienstleistung ohne grenzüberschreitenden Bezug wird vom Schutz der Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EG nicht erfasst. Ob die Verfügung insoweit bereits deshalb rechtlichen Bedenken unterliegt, weil die Ermittlungen und Feststellungen, die zum Erlass der Verfügung führten, keine Anhaltspunkte für die Annahme einer Vermittlung an einen im Bundesgebiet ansässigen privaten Veranstalter ergaben, kann offen bleiben. Denn jedenfalls leidet die Verfügung an einem zu ihrer Rechtswidrigkeit führenden Ermessensfehler. Da das staatliche Sportwettenmonopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung keine rechtmäßige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EG darstellt und deshalb gemeinschaftsrechtswidrig ist, müssen - jedenfalls bis zu einer gemeinschaftsrechtskonformen Ausgestaltung - Wettvermittlungen an in EU-Mitgliedsstaaten ansässige und dort konzessionierte Sportwettenveranstalter vom beklagten Land hingenommen werden, soweit sie durch Unionsbürger oder in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaften im Sinne der Art. 55, 48 EG erfolgen. Auf derartige Wettvermittlungen beschränkte sich die bisherige Tätigkeit des Klägers. Vor diesem Hintergrund kann das beklagte Land das mit den Untersagungsverfügungen verfolgte Ziel, landesweit die Vermittlung von Sportwetten an private Veranstalter zu unterbinden, weil es diese Tätigkeit wegen des staatlichen Sportwettenmonopols für unerlaubt hält, nicht mehr verwirklichen. Der terrestrische Vertrieb von Sportwetten betrifft in ganz erheblichem Umfang Sportwettenveranstalter, die im EU-Ausland ansässig sind, weil sie ihr Sportwettengeschäft auch über terrestrische Annahmestellen abwickeln. Entfällt demnach derzeit für das beklagte Land die Möglichkeit, die Vermittlung von Sportwetten an im EU-Ausland ansässige Sportwettenveranstalter zu unterbinden, bedarf es im Rahmen der Ermessensausübung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV tragfähiger Erwägungen, die ein Einschreiten gegen die Sportwettenvermittlung im Inland rechtfertigen, obwohl die weit umfangreichere grenzüberschreitende Vermittlung ins EU-Ausland hingenommen werden muss. Solche Erwägungen finden sich weder in der angefochtenen Untersagungsverfügung noch sind sie bisher vorgetragen worden.
VII.
77 
Der Kläger ist nicht Angehöriger eines Mitgliedsstaats, sondern Drittstaatsangehöriger. Drittstaatsangehörige können sich grundsätzlich nicht auf Art. 49 EG berufen. Von der Möglichkeit des Art. 49 Satz 2 EG, die Dienstleistungsfreiheit auf in der Gemeinschaft ansässige Drittstaatsangehörige auszudehnen, wurde - soweit ersichtlich - bislang kein Gebrauch gemacht (vgl. Schwarze, EU-Kommentar, 1. Auflage 2000, Art. 49 EGV, RdNr. 36). Ob im vorliegenden Fall der persönliche Geltungsbereich des Art. 49 EG im Wege eines Assoziierungsabkommens auf Drittstaatsangehörige ganz oder teilweise erstreckt wurde, erscheint fraglich, kann aber offen bleiben. Die angefochtene Untersagungsverfügung erweist sich nämlich auch dann als rechtswidrig, wenn sich der Kläger nicht auf Art. 49 EG berufen kann.
78 
Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV steht es im Ermessen des Regierungspräsidiums, die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür zu untersagen. Auf den einzelnen Fall bezogene Ermessenserwägungen enthält die angefochtene Untersagungsverfügung nicht. Vielmehr schreitet das Regierungspräsidium landesweit gegen jeden privaten Sportwettenvermittler mit Untersagungsverfügungen ein, weil es dessen Tätigkeiten aufgrund des staatlichen Sportwettenmonopols für unerlaubt hält. Da dieses in seiner derzeitigen Ausgestaltung jedoch keine gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt und deshalb gemeinschaftsrechtswidrig ist, müssen - jedenfalls bis zu einer gemeinschaftsrechtskonformen Ausgestaltung - Wettvermittlungen an in EU-Mitgliedstaaten ansässige und dort konzessionierte Sportwettenveranstalter vom beklagten Land hingenommen werden, wenn sie durch Unionsbürger oder in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaften im Sinne von Art. 55, 48 EG erfolgen. Mit einem Einschreiten ausschließlich gegen Sportwettenvermittlungen durch im Bundesgebiet ansässige Drittstaatsangehörige lässt sich das mit den Untersagungsverfügungen verfolgte Ziel nicht erreichen, landesweit die Vermittlung von Sportwetten durch Private zu unterbinden, um auf diese Weise die Spielleidenschaft zu begrenzen und die Spielsucht zu bekämpfen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Unterbindung grenzüberschreitender Sportwettenvermittlungen in das EU-Ausland ausschließlich gegenüber Drittstaatsangehörigen mit dem bei der Ermessensausübung zu wahrenden Gleichbehandlungsgebot und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist (vgl. hierzu OVG Saarland, Beschl. v. 25.04.2007 - 3 W 24/06 - juris).
VIII.
79 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Kammer hat keinen Anlass, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO).
80 
Da diese Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, ist die Berufung zuzulassen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Gründe

 
14 
Die Anfechtungsklage ist ohne Durchführung eines Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 VwGO, § 6 a Satz 1 AGVwGO) zulässig und begründet. Die angegriffene Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15 
Die Kammer hat in den Urteilen vom 16.04.2008 (u.a. 1 K 2683/07, juris = www.vgfreiburg.de > Entscheidungen = www.glücksspielstaatsvertrag.de >Urteile) entschieden, dass das staatliche Sportwettenmonopol in Baden-Württemberg derzeit eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG) darstellt und europarechtswidrig ist. An dieser Auffassung hält die Kammer auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 09.07.2008 fest. Zu den dagegen erhobenen Einwendungen des beklagten Landes ist im Einzelnen zu sagen:
I.
16 
Die Kammer geht in den o. g. Urteilen davon aus, die Europarechtswidrigkeit der Bestimmungen des Glückspielstaatsvertrages, die das staatliche Sportwettenmonopol begründen (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV), erfasse auch die Eingriffsgrundlage des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV sowie die Bestimmungen über die Erlaubnispflicht und das Verbot des Veranstaltens und des Vermittelns unerlaubten Glücksspiels in § 4 Abs. 1 GlüStV.
17 
Das beklagte Land wendet dagegen ein, die vom Verwaltungsgericht angenommene Europarechtswidrigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols lasse die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 4 Abs. 1 GlüStV über die Erlaubnispflicht für öffentliche Glücksspiele unberührt. Da eine solche Erlaubnis nicht vorliege, sei die angefochtene Untersagungsverfügung auch bei unterstellter Europarechtswidrigkeit des Sportwettenmonopols rechtmäßig.
18 
Dem folgt die Kammer nicht.
19 
Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 06.03.2007 (C - 338/04 -Placanica-) ausgeführt, ein polizeiliches Genehmigungsverfahren, mit dem die im Glücksspielsektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer einer vorherigen Kontrolle unterzogen würden, sei zwar eine ohne weiteres verhältnismäßige Maßnahme. Setze die Erteilung einer solchen polizeilichen Genehmigung aber den Besitz einer Konzession voraus, von deren Erhalt die betroffenen Personen unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht ausgeschlossen worden seien, hafteten auch dem polizeilichen Genehmigungsverfahren die europarechtlichen Mängel an, die die Konzessionsvergabe berührten (vgl. RdNr. 65 bis 67 des Urteils).
20 
Das gilt gleichermaßen für die Bestimmung über die Erlaubnispflicht für öffentliche Glücksspiele in § 4 Abs. 1 GlüStV. Die danach erforderliche Erlaubnis kann privaten Sportwettenvermittlern oder Sportwettenveranstaltern nicht erteilt werden, weil aufgrund des staatlichen Monopols diese Tätigkeiten nur juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder privatrechtlichen Gesellschaften erlaubt werden (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV), an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind. Ein auf präventive Kontrolle gerichtetes Erlaubnisverfahren existiert für private Sportwettenveranstalter nicht. Das Fehlen einer Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 GlüStV, die sich Private wegen des europarechtswidrigen staatlichen Sportwettenmonopols nicht hätten beschaffen können, scheidet deshalb als zulässiger Grund einer Untersagung aus.
21 
Entgegen der Auffassung des beklagten Landes folgt aus dem Urteil des EFTA-Gerichtshofs vom 30.05.2007 (RS. 3/06 - Ladbrokes -) nichts anderes. Die Ausführungen des Gerichtshofs unter RdNr. 88, auf die das beklagte Land in diesem Zusammenhang hinweist, betreffen die Antwort auf die fünfte Vorlagefrage (vgl. RdNr. 82 ff.). Mit der fünften Vorlagefrage wollte das vorlegende norwegische Gericht wissen, ob durch Art. 36 EWR eine nationale gesetzliche Regelung präkludiert wird, die das Anbieten und Vermarkten von Glücksspielen untersagt, für die in Norwegen keine Konzession erteilt wurde, die aber nach dem nationalen Recht eines anderen EWR-Staates gestattet sind. Hierzu führt der EFTA-Gerichtshof unter RdNr. 84 aus, sofern und soweit das nationale Gericht zu der Auffassung gelangen sollte, dass die in den drei Gesetzen enthaltenen Verbote für gewerbsmäßige Anbieter irgendeiner Form von Glücksspielen eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 36 EWR) seien, könnten die nationalen Behörden den ausländischen Anbietern immer noch die Pflicht zur Beantragung einer nationalen Konzession mit denselben auch für einheimische Anbieter geltenden Voraussetzungen und Anforderungen auferlegen.
22 
Das hat auch die Kammer in ihren o. g. Urteilen nicht in Frage gestellt. Zur Beantwortung der Frage, ob die Europarechtswidrigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols auch die Erlaubnispflicht des § 4 Abs. 1 GlüStV erfasst, geben diese Ausführungen jedoch nichts her. Denn ein Erlaubnis- oder Konzessionsverfahren für private Veranstalter sieht der Glücksspielstaatsvertrag - wie oben ausgeführt wurde - gerade nicht vor. Vielmehr kann ein privater Anbieter selbst bei Erfüllung sämtlicher materieller Voraussetzungen des Glücksspielstaatsvertrages die erforderliche Erlaubnis nicht erhalten.
23 
Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 22.11.2007 (1 BvR 2218/06) entschieden, dass eine ordnungsrechtliche Untersagungsverfügung, die - wie im vorliegenden Fall - nicht mit anderen Gefahren für ordnungsrechtliche Schutzgüter, sondern allein mit einem objektiven Verstoß gegen das staatliche Sportwettenmonopol begründet ist, sich wegen der verfassungswidrigen Rechtslage jedenfalls in der Zeit bis zum 28.03.2006 nicht als rechtmäßig erweisen kann. Zwar betrifft diese Entscheidung die Unvereinbarkeit des Monopols mit Art. 12 Abs. 1 GG. Hinsichtlich der Unvereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht kann aber nichts anderes gelten.
II.
24 
Die Kammer ist weiterhin der Auffassung, dass das Sportwettenmonopol des Landes in seiner derzeitigen Ausgestaltung nach wie vor eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs (Art. 49 EG) darstellt (vgl. Urteile vom 16.04.2008, dort unter II. 2 a) - d)). Folgendes ist nochmals zu betonen:
25 
Europarechtlich steht es im Ermessen jedes Mitgliedsstaats, welches Schutzniveau er im Bereich von Glücksspielen gewährleisten will (EuGH, Urt. Schindler, Rdnr. 60, 61; Urt. Zenatti, Rdnr. 33, 34). Er kann sich etwa für ein Präventionsmodell entscheiden, das auf eine wesentliche Verminderung der Gelegenheit zum Spiel ausgerichtet ist, oder auch für ein Kanalisierungsmodell, das darauf abzielt, durch ein auf Einnahmeerzielung und Expansion angelegtes Angebot einer begrenzten Zahl konzessionierter Privater die Glücksspieltätigkeiten aus dem Bereich des Illegalen und Kriminellen in geordnete und staatlich überwachte Bahnen zu lenken (EuGH, Urt. Placanica, Rdnr. 54, 55).
26 
Dies bedeutet aber nicht, dass der deutsche Gesetzgeber nach nationalem Recht die Gestaltungsfreiheit hätte, sich für ein Kanalisierungsmodell in Form eines staatlichen Monopols zu entscheiden. Ein solches auf Einnahmeerzielung und Expansion angelegtes, europarechtlich zulässiges Monopol wäre verfassungswidrig (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01 , Rdnr. 107, 141). Denn ein staatliches Monopol für Sportwetten ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft ausgerichtet ist (BVerfG, a.a.O., Rdnrn. 98, 119, 120). Daher kann die Aufgabe der Länder nach § 10 GlüstV, ein ausreichendes Glücksspielangebot mit dem Ziel der Kanalisierung des Spieltriebs der Bevölkerung (§ 1 Nr. 2, 2. Alt. GlüStV) sicherzustellen, nicht etwa als ein Auftrag verstanden werden, der gleichrangig neben dem Auftrag zur Suchtbekämpfung (§ 1 Nr. 1 GlüStV) steht. Vielmehr hat von Verfassungs wegen die Suchtbekämpfung im Vordergrund zu stehen; nur diese rechtfertigt ein Monopol. Die Sicherstellung eines ausreichenden Glücksspielangebots und die Kanalisierung des Spieltriebs sind verfassungsrechtlich nur zulässig, soweit sie als Mittel zum Zweck der Suchtbekämpfung dienen. Dementsprechend ist der Glücksspielstaatsvertrag verfassungskonform auszulegen.
27 
Europarechtlich ist zu untersuchen, ob der Glücksspielstaatsvertrag als Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit geeignet ist, die Verwirklichung des - verfassungsrechtlich gebotenen - Ziels der Suchtbekämpfung zu gewährleisten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 32; Urt. Gambelli, Rdnr. 65). Dies bedeutet, dass er kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen muss (EuGH, Urt. Gambelli, Rdnr. 67; Urt. Placanica, Rdnr. 53; siehe auch EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 14.03.2007, E-1/06 – Gaming Machines, Rdnr. 53).
28 
Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Sportwetten-Urteil vom 28.3.2006 ein Staatsmonopol nur dann für zulässig erachtet, wenn es konsequent am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Spielsucht ausgerichtet und mit materiellrechtlichen Regelungen und strukturellen Sicherungen versehen ist (a.a.O., Rdnr. 120). Insoweit laufen die europarechtlichen und die verfassungsrechtlichen Vorgaben also parallel (BVerfG, a.a.O., Rdnr. 144). Daher können die Anforderungen, die sich aus dem Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergeben, auch zur Beantwortung der Frage der europarechtlichen Kohärenz und Konsistenz herangezogen werden.
29 
Allerdings ist europarechtlich, anders als verfassungsrechtlich, nicht nur die rechtliche Ausgestaltung der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit maßgeblich, sondern es kommt auch auf ihre tatsächlichen Anwendungsmodalitäten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 37, Urt. Gambelli, Rdnr. 75, 76) und ihre Handhabung in der Praxis an (EuGH, Urt. Rosengren, Rdnr. 46). Jedoch sind die vom Europäischen Gerichtshof geforderte „Kohärenz“ und „Systematik“ hinsichtlich der Begrenzung der Wetttätigkeiten ohne normative Vorgaben zur Ausgestaltung eines staatlichen Monopolbetriebs kaum denkbar, so dass zunächst das rechtliche Regelungssystem in den Blick zu nehmen ist. Seine tatsächliche Umsetzung darf aber nicht aus den Augen verloren werden.
III.
30 
Die Kammer hält auch bei Berücksichtigung der aktuellen Situation an der Auffassung fest, dass es an einer rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung des Monopols fehlt, die als konsequenter und aktiver bzw. systematischer und kohärenter Beitrag zur Vermeidung und Abwehr von Spiel- und Wettsucht angesehen werden kann (vgl. Urteile vom 16.4.2008, dort unter II.2.e.). Bereits in der Gestaltung des terrestrischen Vertriebssystems liegt ein wesentlicher Strukturmangel (dazu unter 1.), der auch durch Folge- und Begleitmaßnahmen nicht kompensiert wird (dazu unter 2.). Schließlich fehlt es daneben an einem effektiven Kontrollsystem (dazu unter 3.).
31 
1. Schon mit der Wahl und Einrichtung der Vertriebswege hat das Land Baden-Württemberg einen Weg beschritten, der angesichts der Anzahl der Wettannahmestellen (dazu a.), ferner der unterlassenen begleitenden Bekämpfung des illegalen Wettmarktes (dazu b.) sowie schließlich mit Blick auf die inhaltliche Ausgestaltung des Annahmestellenwesens (dazu c.) und seine betont wirtschaftliche Basis (dazu d.) nicht wirklich der Zielerreichung dienen kann.
32 
a) Bereits die äußerst geringe Reduktion der Zahl der Annahmestellen spricht gegen einen Systemwechsel bzw. -wandel, wie er erforderlich gewesen wäre, um einen konsequenten Übergang von einem aus rein unternehmerischem - d.h. wirtschaftlichem - Kalkül hervorgegangenen Annahmestellennetz im Jahr 2006 zu einem zulässigerweise nur an Begrenzung und Kanalisierung der Wettleidenschaft orientiertem Vertriebssystem zu belegen. Die Zahl der noch Anfang 2006 vorhandenen 3.764 baden-württembergischen Annahmestellen ist im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auf 3.612 gesunken. Das bedeutet eine Verminderung um absolut nur 152 und relativ nur etwa 4% der Stellen. Kamen früher 2.852 Einwohner auf eine Annahmestelle, so sind es heute immer noch 2.972, d.h. jede der noch vorhandenen Annahmestellen versorgt geringfügig mehr Einwohner, nämlich 120.
33 
An dem vom Bundesverfassungsgericht im Sportwettenurteil vom 28.3.2006 (dort Rdnr. 138) bzw. in der Baden-Württemberg betreffenden Entscheidung vom 4.7.2006 (1 BvR 138/05 - juris) erhobenen und beanstandeten Befund, wonach Sportwetten über ein breit gefächertes Netz von Lotto-Annahmestellen vertrieben werden, welches mit der Maxime „weites Land - kurze Wege“ einhergeht, hat sich damit in quantitativer Hinsicht so gut wie nichts geändert.
34 
Gründe, die diesen in quantitativer Hinsicht auffälligen und problematischen Ausgangsbefund in positiver Hinsicht relativieren könnten, sind nicht vorhanden. Bereits normativ geht weder aus dem GlüStV (§ 10 Abs. 3) noch aus dem AGGlüStV (§§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5, 7 Abs. 1) hervor, wie die beabsichtigte Begrenzung der Zahl der Annahmestellen zwecks Gewährleistung eines ausreichenden Spielangebots in absoluten Zahlen bzw. zumindest in methodischer Hinsicht durchzuführen ist. Die Umsetzung ist folglich der Aufsichtsbehörde und der staatlichen Toto-Lotto GmbH (im Folgenden: STLG) überlassen, ohne dass es normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften oder andere orientierende Hilfen gäbe. Wie die Vertreter der STLG letztlich selbst in der mündlichen Verhandlung eingeräumt haben, ist Ausgangspunkt für die künftigen Bedarfszahlen die „historisch gewachsene“ Zahl der Annahmestellen des Jahres 2006 gewesen. In ihrem Vertriebskonzept vom Juni 2008 (dort Seite 4, Mitte) führt die STLG zwar aus, aufgrund des Sportwettenurteils des Bundesverfassungsgerichts sei in der Zeit nach 2006 der Wegfall von Annahmestellen nicht mehr durch die Aufnahme neuer Annahmestellen in das Vertriebsnetz ausgeglichen worden. Der bloße Verzicht auf eine Ausweitung und die schlichte Hinnahme des Wegfalls von Stellen lediglich im Rahmen der üblichen Fluktuation stellen jedoch alles andere als eine aktive und systematische Begrenzungspolitik dar. Berücksichtigt man ferner die Angaben des Beklagten-Vertreters in der mündlichen Verhandlung vom 16.4.2008, wonach in etwa 40 bis 50 Fällen für geschlossene Annahmestellen jeweils sogar noch Ersatz zugelassen wurde (entweder in Gestalt des Weiterbetriebs durch einen neuen Inhaber oder aber durch Eröffnung einer neuen Annahmestelle in der Nachbarschaft), ist diese ohnehin schon äußerst geringfügige und eher als passiv zu bezeichnende Reduktion sogar noch in sich zurückhaltend gewesen.
35 
Schlüssig und überzeugend geht eine systematische Politik auch nicht aus dem Vertriebskonzept der STLG vom Juni 2008 hervor. Vielmehr ist dort (Seiten 4 ff.) feststellbar, dass die vom Monopolisten im Mai 2008 vorgefundene Zahl von 3.630 Annahmestellen schlicht mit einem Bedarfsberechnungsmodell „überzogen“ und „gebilligt“ wurden, welches nicht darlegt, wie es anhand von „Einwohnerbewegungen“, „Verteilung der Kaufkraft“ sowie „Einkaufsströmen“ zu den konkreten Richtwerten für ländliche, städtische und großstädtische Gebiete gelangt. Ohnehin lässt die Verwendung dieser eher an Marketingstrategien erinnernden Parameter nicht erkennen, welchen tauglichen Beitrag sie zum ausschließlich zulässigen Ziel einer Vermeidung und Begrenzung von Glücksspielsucht leisten können. Die Kammer verkennt nicht die sowohl im Vertriebskonzept als auch in der mündlichen Verhandlung von den Vertretern der STLG geäußerten Schwierigkeiten, konkrete Zahlen zu greifen. Dieses Dilemma ist jedoch letztlich auf das Fehlen konkreter Vorgaben im Gesetz bzw. durch die Aufsichtsbehörde zurückzuführen. Gerade eine nicht - oder jedenfalls nicht ausschließlich - vom Monopolisten selbst ermittelte Zahl der erforderlichen Annahmestellen wäre weitaus weniger anfällig für etwaige (und wenn auch noch so unbewusste) systemwidrige und unzulässige Rücksichten auf vorhandene Vertriebsstrukturen gewesen.
36 
b) Daran ändert nichts, dass das RP Karlsruhe das Vertriebskonzept im Kontext der Erteilung der Glücksspielerlaubnis prüft bzw. bereits - offensichtlich mit dem Ergebnis der Billigung - geprüft hat. Denn gerade auch von der Aufsichtsbehörde kamen insoweit in der mündlichen Verhandlung keine substantiierten Argumente, welche die dargelegten Bedenken hätten zerstreuen können. Zwar prognostiziert das Vertriebskonzept in der Endstufe die Absicht, mit ca. 3.300 Annahmestellen auszukommen. Notwendige Bedingung hierfür soll aber der Rückgang der nach dem GlüStV illegalen Konkurrenzangebote terrestrisch und im Internet tätiger privater Wettanbieter und -vermittler sein. Das RP Karlsruhe hat insoweit ausgeführt, gegen die (ca. 30 % bis 50 % des Sportwettenumsatzes erzielenden) Internetanbieter solle zunächst mit Grundverfügungen vorgegangen werden (zu einem solchen Fall vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 5.11.2007 - 6 S 2223/07 -, ZfWG 2007, 432), um dann auf einer nächsten Stufe unter Zusammenarbeit mit den Banken oder notfalls auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 4 GlüStV die Finanzströme betreffend untersagte Sportwetten zu unterbrechen. Damit aber wird deutlich, dass sich ein überaus wichtiger Teilbereich der Glücksspielpolitik (noch) in einem äußerst „frühen Stadium“ befindet. Ein möglicher Schritt zur Austrocknung des illegalen Glücksspielmarkts wurde folglich bislang unterlassen. Obwohl die strukturellen Gefahren eines staatlichen Glücksspielmonopols spätestens seit Frühjahr 2006 bekannt waren, wurde dem Monopolisten nicht nur die Erstellung eines Vertriebskonzepts überlassen, sondern auch (noch) keine wirklichen Schritte unternommen , eine Begrenzung der Vertriebswege zugleich mit der Bekämpfung der wirtschaftlichen Basis des illegalen Sportwettenmarkts konsequent zu begleiten.
37 
c) Ferner weist diese fortdauernd auf Breite angelegte Vertriebsstruktur auch qualitativ erhebliche Mängel auf, weil sie (noch) nicht systematisch und konsequent vom Charakter einer „grundsätzlich unbedenklichen Freizeitbeschäftigung“ (vgl. Sportwettenurteil Rdnr. 125) und eines „allerorts verfügbaren normalen Gutes des täglichen Lebens“ (vgl. Sportwettenurteil Rdnr. 138) Abstand nimmt. Mit dem Vertrieb der Sportwetten in Zeitschriften-, Schreibwaren- und Tabakläden sowie in Supermärkten und Tankstellen hat der Monopolist an der gesuchten „bewussten Nähe zum Kunden“ (Sportwettenurteil Rdrn. 138) nichts geändert. Dass die STLG diese Betriebsstätten im Rahmen des Kanalisierungsauftrags für den Zweck der kommunizierten Suchtprävention als „besonders geeignet“ darstellt (Vertriebskonzept Seite 5), verstellt den Blick darauf, dass gerade diese Vertriebsform des legalen Sportwettenangebots in der Öffentlichkeit problematischem Spielverhalten weiterhin Vorschub leistet. So ist es nach Auffassung der Kammer inkonsequent, dass die STLG für sich in Anspruch nimmt, zur Erfüllung des Ordnungsauftrags derzeit und bis auf weiteres auf die konkrete hohe Zahl von Annahmestellen angewiesen zu sein, aus dieser „Präsenzforderung“ jedoch gleichwohl nicht die Notwendigkeit ableitet, ein weitaus zurückhaltenderes als aktuell an den Tag gelegtes Werbeverhalten zu betreiben. Vielmehr betreibt der Monopolist parallel zur breitflächigen Vermarktung eine intensive - wenngleich um die Möglichkeit auffordernden, anreizenden oder ermunternden Charakters reduzierte sowie im Fernsehen, im Internet und über Telekommunikationsanlagen verbotene - Werbung mittels Radio, Printmedien, Litfasssäulen und Postwurfsendungen. Es ist nicht ersichtlich und von den Vertretern der STLG in der mündlichen Verhandlung auch nicht überzeugend dargelegt worden, warum die (aus Sicht der STLG weiterhin erforderliche) breit gefächerte „physische Präsenz“ von Glücksspielannahmestellen eine zusätzliche, über den Ort der Leistung hinausgehende weitere Werbung als Begleitmaßnahme benötigt.
38 
An dem nach Auffassung der Kammer folglich fortdauernden Signal, man vertreibe immer noch, wenngleich nunmehr modifiziert, ein Gut des täglichen Lebens, ändern auch sonstige Modalitäten beim Vertrieb nichts. Die Wirkung von Vorkehrungen wie Identifizierung des Kunden unter Verwendung einer Kundenkarte, Verstärkung des Minderjährigenschutzes sowie Hinweise auf Spielscheinen und Aufklärungsmaterial über die Gefahren des Spiels (vgl. Vertriebskonzept, Seite 6) wird nach Auffassung der Kammer schon vor dem Hintergrund der nahezu unveränderten Annahmestellen-Zahl überschätzt. Gerade weil die in den Annahmestellen verkehrenden Kunden des Einzelhandels, zu denen regelmäßig auch Kinder und Jugendliche gehören, die Parallelität des Verkaufs von Glücksspielen mit demjenigen von Produkten des täglichen Bedarfs ständig wahrnehmen, darf ein Gewöhnungseffekt nicht vernachlässigt werden. Selbst das neuerdings getrennte „Kassenwesen“, also ein doppelter Kassiervorgang bei gleichzeitigem Einkauf von Waren aus dem Hauptsortiment und von Lotterieprodukten, kann niemanden darüber hinwegtäuschen, dass Verkaufsstellen zugleich auch Annahmestellen sind. Ferner steht im Zeitalter zahlreicher, verschiedenster Kundenkarten eine spezifisch disziplinierende Funktion einer solchen Karte im Bereich des Glücksspiels nicht mit der erforderlichen Gewissheit fest. Das beklagte Land hat zwar Umsatzrückgänge bei den Sportwetten im Jahr 2007 von 28 % (Oddset-Kombiwette) bzw. 48 % (Toppwette) sowie im ersten Quartal 2008 von weiteren 22 % bzw. 32 % zum Beweis der Restriktionswirkung des Monopols ins Feld geführt. Eine nähere Analyse, worauf diese Rückgänge tatsächlich beruhen, und eine Aussage dazu, ob dies nicht nur ein vorübergehendes Phänomen ist, gibt es bislang jedoch nicht. Insofern ist der schon im Kammerurteil vom 16.4.2008 enthaltene Hinweis nicht nachhaltig entkräftet worden, der immerhin im Jahr 2007, also in Kenntnis eines künftig erforderlichen Restriktionskurses erstellte Geschäftsbericht 2006 der STLG gehe selbst von nur „vorübergehenden“ Umsatzrückgängen aus.
39 
d) Einen zentralen und fortdauernden Strukturmangel sieht die Kammer schließlich im wirtschaftlichen Aufbau des Annahmestellensystems. Der Monopolist bedient sich beim Vertrieb seines Wettangebots privater Dritter, die mittels umsatzabhängiger und folglich stets die Gefahr einer extensiven Vermarktung in sich bergender Provisionen bezahlt werden. Wie in der Vergangenheit auch, erhalten die Annahmestelleninhaber derzeit einen festen und einheitlichen Provisionssatz (Vertriebskonzept, Seite 11/12). Dieser liegt für alle Glücksspiele (ausgenommen Rubbellos, wo es 10 % sind) bei 6,6 % des bei den Annahmestellen getätigten Spieleinsatzes. Vergegenwärtigt man sich, dass angesichts des in 2007 in Baden-Württemberg getätigten Glücksspielumsatzes von ca. 1 Mrd. EUR jede der Annahmestellen hierzu einen (durchschnittlichen) Umsatz von etwa 270.000,-- EUR beitrug, was wiederum einer (durchschnittlichen) Jahresprovision (ohne Rubbellos) von etwa 18.000,-- EUR entsprach, kann diese Einnahmequelle wirtschaftlich nicht vernachlässigt werden.
40 
Das gilt ungeachtet der in Nr. 8 des jeweiligen Zusatzvertrages zwischen der STLG und den Annahmestellenleitern vereinbarten Bedingung, wonach die Verkaufsstelle nur im Nebenerwerb betrieben werden und der Spielbetrieb nicht die vorrangige Einnahmequelle sein darf. Diese Regelung ist nach Auffassung der Kammer ungeeignet, eine relevante Begrenzung und Steuerung des Wirtschaftsgebarens eines Annahmestellenleiters auszuüben. Mit dieser Formulierung sind schon Auslegungs- und Erfüllungsschwierigkeiten vorprogrammiert. Denn die Grenze zwischen Haupt- und Nebenerwerb kann periodisch durchaus fließend sein, ferner bleibt unklar, ob spätere Änderungen eine Mitteilungspflicht auslösen und schließlich kann kaum von allen der mehr als 3.600 Vertragspartner erwartet werden, dass diese ständig ihre möglicherweise zeitlich variierenden Erwerbsverhältnisse vor Augen haben. Weitaus problematischer allerdings ist es, dass das RP Karlsruhe - seitens der STLG übrigens bezeichnenderweise unwidersprochen - dem Begriff des „Nebenerwerbs“ die Auslegung gibt, das gesamte Glücksspielgeschäft dürfe bis 49 % des Umsatzes ausmachen. Es liegt aber selbst bei Parallelwertung durch einen Nicht-Kaufmann auf der Hand, dass ein dieser Interpretation noch genügender Umsatz von „nur“ 40 % bis 49 % wirtschaftlich für einen Annahmestelleninhaber von erheblicher Bedeutung ist. Ein wirtschaftliches „Standbein“ in dieser Größenordnung übt nämlich auf den Provisionsnehmer erhebliche Anreizwirkungen hin auf eine Umsatzsteigerung aus. Das gilt auch ungeachtet dessen, dass Sportwetten wiederum nur 4 % des gesamten Jahresglücksspielumsatzes ausmachen. Gerade weil die Bereitstellung des gesamten Wett- und Lotterieangebots in den Annahmestellen erfolgt (vgl. Seite 7 des Vertriebskonzepts - wenngleich dies unter dem Gesichtspunkt der „besseren sozialen Kontrolle“ hervorhebend), kann in wirtschaftlicher Hinsicht ein Anreiz des Annahmestelleninhabers, auch für Sportwetten Umsätze zu erzielen, vernünftigerweise nicht verneint werden. Zwar ist eine Reduktion der Umsatzabhängigkeit im Jahr 2009 vorgesehen und es soll dann auch der Einsatz weiterer umsatzunabhängiger Faktoren bei der Ausgestaltung der Provision geprüft werden (vgl. Vertriebskonzept, Seite 12), die zuvor dargelegten aktuellen - d.h. im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt existierenden - Mängel werden durch eine bloße Absicht jedoch nicht behoben.
41 
2. Die vorgenannten strukturellen Mängel des Vertriebskonzepts beeinträchtigen die Erreichung des Ziels der Spielsuchtbekämpfung auch derart gravierend, dass sie nach Auffassung der Kammer nicht durch die Kompensationsmaßnahmen des Beklagten wirklich ausgeglichen werden, die auf diesen Gebieten bis zum heutigen Zeitpunkt konkret ergriffen und umgesetzt wurden.
42 
a) Das System der Spielersperre in seiner jetzigen Ausgestaltung ist nicht geeignet, spielsuchtgefährdete oder gar klar spielsüchtige Wettteilnehmer zu identifizieren und von einer weiteren Teilnahme effektiv auszuschließen. Das zeigen schon die geringen Zahlen der tatsächlich verhängten Sperren: Im ersten Quartal 2008 wurden im Wege der Fremdsperre lediglich 9 Spieler durch die STLG gesperrt und damit effektiv vor sich selbst geschützt. Angesichts eines geschätzten Anteils von ca. 4 % Spielsüchtigen unter den Sportwettenteilnehmern (vgl. Stöver, Bremer Institut für Drogenforschung - BISDRO - , Glücksspiel in Deutschland - Eine repräsentative Untersuchung zur Teilhabe und Problemlage des Spielens um Geld, Dezember 2006, S.7 - aufrufbar unter: www.gluecksspielsucht.de > Forschungsergebnisse) und bei einer Gesamtzahl von 3612 Annahmestellen und bundesweit 250.000 Spielsüchtigen ist dies eine nur sehr geringe Zahl. Diese erklärt sich schon daraus, dass die Kriterien für die Verhängung einer Fremdsperre im Glücksspielstaatsvertrag, aber auch im Ausführungsgesetz nicht klar definiert werden. Auch die Kriterien, anhand deren die Annahmestellenbetreiber nach dem vorgelegten Sozialkonzept Spielsuchtgefährdete identifizieren sollen (unverhältnismäßig hohe Einsätze in Relation zum Einkommen, häufige große Verluste etc. - siehe § 9 Abs.1 S.1 Nr.2 GlüStV und S.26 der Schulungsunterlagen für die Verkaufsstellen als Anlage zum Sozialkonzept) sind kaum praktikabel, weil die Annahmestelleninhaber - außer bei persönlicher Bekanntschaft mit dem Teilnehmer oder in Fällen eines offensichtlichen äußeren Erscheinungsbildes - regelmäßig keine Kenntnis von den Einkommensverhältnissen ihrer Kunden und auch nicht von der Höhe ihrer sonstigen Einsätze bei anderen Annahmestellen haben. Obendrein lässt sich eine persönliche Identifizierung als Spielsüchtiger anhand übermäßig hoher und häufiger Einsätze und Verluste seitens der Teilnehmer leicht durch das Aufsuchen zahlreicher verschiedener Annahmestellen vermeiden, wie sie aufgrund des dichten Netzes buchstäblich „an jeder Straßenecke“ vorhanden sind. Von daher verfängt das Argument des Beklagten nicht, der durchschnittliche Spieleinsatz bei den Sportwetten betrage nur zwischen 8,50 und 14 EUR, so dass schon jeder davon abweichende höhere Einsatz auffalle und dem Annahmestellenbetreiber ggf. Anlass für Nachfragen geben könne. Ganz abgesehen davon beträgt nach eigenen Angaben der STLG der Höchsteinsatz pro Tipp auf einem Spielschein immerhin 250 EUR, so dass bis zu einem solchen Betrag wohl keine Nachfrage indiziert erscheint. Zudem wurde im Termin deutlich, dass die STLG gegenüber Fremdsperren eher eine zurückhaltende Linie verfolgt. Zum einen geht sie davon aus, dass die wirklich suchtgefährdeten Spieler sich ohnehin bei den privaten gewerblichen Sportwettenanbietern aufhalten, die 80% des gesamten Sportwettenmarktes ausmachen, und zum anderen befürchtet sie erklärtermaßen, Spielsuchtgefährdete sonst ganz aus den Augen bzw. an die private Konkurrenz zu verlieren. Sie favorisiert daher die Eigensperre, zu der sich der suchtgefährdete Spieler aufgrund nachhaltiger sozialpädagogischer Einwirkungen und Gesprächen mit Suchtberatungsstellen, Annahmestellenbetreibern und Bezirksdirektoren entschließt. Das Argument des Beklagten, andernfalls würden solche Spieler gleich zur privaten Konkurrenz abwandern, die ohnehin 80% des Marktes bediene, stellt im Übrigen das staatliche Monopol in aller Deutlichkeit selbst in Frage.
43 
Auch das Anfang 2008 eingeführte Oddset-Informationssystem trägt bei genauer Betrachtung nicht zu einer effektiveren Handhabung des im Glücksspielstaatsvertrag angelegten Instruments der Fremdsperre bei. Der Spielerschutz ist hier nur ein Nebeneffekt, da dieses System primär der Aufdeckung von Spielmanipulationen anhand ungewöhnlich hoher Umsatzzahlen bei einzelnen Annahmestellen dient und deshalb allenfalls mittelbar in Fällen über den Schwellenwerten (3000, 7000 und 10.000 EUR) liegender Umsätze dazu führen kann, dass eine bestimmte Annahmestelle und die dort wettenden Spieler und deren Verhalten genauer in den Blick genommen werden. Die genannten Schwellenwerte sind zudem derart hoch angesetzt, dass sie angesichts eines Durchschnittsumsatzes einer Annahmestelle von lediglich 180 EUR wöchentlich kaum dazu taugen, auf Spielsucht indizierende hohe Einsätze einzelner Spieler aufmerksam zu werden. Eine individuelle Identifizierung Spielsüchtiger anhand der Kundenkartenidentifizierung und der Datenbankinformationen der STLG über die Häufigkeit und Höhe der Einsätze und der Verluste ist außerdem schon aus Datenschutzgründen gar nicht möglich.
44 
b) Das zum Schutz spielsuchtgefährdeter Spieler und zur Vorbeugung der Spielsucht durchaus effektive und sinnvolle Instrument von nur maximal zuzulassenden Höchsteinsätzen pro Spieler gibt es schließlich nach wie vor nur in der seinerzeit von der Kammer in ihren Grundsatzurteilen als nicht zureichend qualifizierten rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung, die bis heute im Wesentlichen unverändert geblieben ist. Die Halbierung der Höhe des möglichen Einsatzes pro Tipp bei Oddset-Wetten von 500.- EUR auf 250.- EUR ändert nichts daran, dass mit mehreren Spielscheinen und an verschiedenen Annahmestellen weiterhin um insgesamt große Summen gespielt werden kann. Das Argument des Beklagten, eine weitere Verbesserung der Höchsteinsatzregelung sei schon deshalb nicht erforderlich, weil eine Höchstgrenze nur in Relation zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Sportwettenteilnehmers sinnvoll sei, verkennt, dass sich der Spielerkreis wohl überwiegend nicht aus finanziell und sozial besser Gestellten zusammensetzt, für die auch Einsätze von mehreren hundert Euro kein Problem darstellen, sondern aus Personen, die gerade durch das Wetten versuchen, ihre insoweit wirtschaftlich eher bescheidene Stellung aufzubessern (vgl. Hayer/Meyer, Das Gefährdungspotenzial von Lotterien und Sportwetten, Mai 2005, S.100, 101 - abrufbar unter: www.landesfachstelle-gluecksspielsucht-nrw.de/pdf/ gefaehrdungspotenzial-Hayer-Meyer.pdf, wonach 35% der befragten Sportwettenteilnehmer arbeitslos, Rentner, Student, oder berufsunfähig waren und 60% nur zwischen 500 -1500 EUR netto verdienten). Auch das Argument, eine strengere Höchstgrenzenregelung sei nicht erforderlich, weil ein einmaliges Spiel mit einem hohen Einsatz noch keine Suchtgefahren auslöse, spricht nicht gegen eine Höchstgrenzenregelung, die den Gesamteinsatz eines Spielers etwa pro Woche limitiert (siehe insoweit etwa Ziff.14 der Stellungnahme des Fachverbandes Glücksspielsucht e.V. zum Entwurf des Glücksspielstaatsvertrags - abrufbar unter www.gluecksspielsucht.de > Materialien > Stellungnahmen).
45 
c) Was die Spielsuchtbekämpfung und insbesondere die Prävention angeht, verkennt die Kammer nicht, dass hier ausweislich des mittlerweile vorliegenden Vertriebskonzepts und des ebenfalls jetzt vorgelegten Sozialkonzepts sowohl im Bereich der Hinweise, der Beratungsangebote als auch der Schulungen der Mitarbeiter der Annahmestellen deutliche Fortschritte gegenüber dem vom Bundesverfassungsgericht noch missbilligten Zustand im Jahre 2006 zu verzeichnen sind, als es in dieser Richtung gar keine bzw. nur sehr wenige Bemühungen gab. Inzwischen kann davon ausgegangen werden, dass die Annahmestellenbetreiber und deren Personal alle geschult wurden und regelmäßig auch weiter zum Thema Suchtgefahren und Jugendschutz geschult werden. Es ist auch nicht zu übersehen, dass in großem Umfang und optisch auffällig auf Flyern, Plakaten, Hinweisschildern, Broschüren, Spielquittungen, Internetseiten usw. auf die Gefahren der Spielsucht und auf das Spielverbot für unter 18-Jährige hingewiesen wird. Außerdem existiert mittlerweile ein Fachbeirat, der beratend tätig wird.
46 
Das vermag aber nicht, die strukturellen Mängel des staatlichen monopolisierten Sportwettensystems mit einem landesweit dichten Netz umsatzorientiert operierender Annahmestellen zu konterkarieren, die betont kundennah im direkten Kontext mit dem Vertrieb alltäglicher Waren und ohne wirkliche Distanz zu Jugendlichen arbeiten und dadurch der Missachtung des Spieler- und Jugendschutzes sowie der Spielsucht erst einmal deutlich Vorschub leisten.
47 
d) Auch die Schulungen der Annahmestellenbetreiber (vgl. Ziff.4 des Vertriebskonzepts, Ziff.4.6 des Sozialkonzepts , Ziff.4 des Annahmestellenzusatzvertrags) vermögen offenbar nur sehr begrenzt, den systemimmanent bestehenden Zielkonflikt aufzulösen, dem sie sich ausgesetzt sehen, wenn sie einerseits einträglich wirtschaften wollen, sich andererseits dabei aber ohne wirtschaftlichen Anreiz allein aus Rücksicht auf Jugendliche und Spielsuchtgefährdete selbst zurücknehmen sollen. Schon der bloße Umstand, dass es offenbar nötig erscheint, durch intensive Schulungen überhaupt die für jedermann leicht verständliche und eingängige Minimalregel des Jugendschutzes, nämlich das Spielverbot für unter 18-Jährige, gegenüber den Annahmestellenbetreibern zu betonen, obwohl die entsprechenden Regelungen schon seit Jahrzehnten existieren (vgl. § 6 Abs.2 JuSchG), zeigt, dass schon nach Ansicht der STLG hier ein aus ökonomischen Interessen gespeistes Potential an tendenzieller Missachtung des Jugendschutzes besteht, das allein durch die Geltung des JuSchG offenbar noch nicht ausreichend eingedämmt wird. Soweit zum Jugendschutz geschult wird, stellt dies eine „Schulung“ zu einer bloßen Selbstverständlichkeit dar. Soweit zu Suchtgefahren mit dem Ziel geschult wird, die Annahmestellenbetreiber in die Lage zu versetzen, beratend bzw. abratend auf Spieler einzuwirken bzw. spielsüchtige Spieler zu erkennen und dann durch Schaltung einer Sperre am weiteren Spiel zu hindern, ergibt sich aus dem oben Gesagten, dass die Annahmestellenbetreiber ganz offenkundig die dafür wirklich wesentlichen Informationen über Einkommensverhältnisse, Spielergebnis, Häufigkeiten des Spiels und Verluste der bei ihnen Wetten abschließenden Personen nicht haben und allenfalls zufällig erlangen können bzw. sich in einem Rollenkonflikt zwischen Verkäufer und invasiv in die Privatsphäre des Kunden hineinforschenden Sozialarbeiter wiederfinden (siehe die vorgelegte Dokumentation und Auswertung der Schulungen für Januar bis März 2008 der mit den Schulungen beauftragten Evangelischen Gesellschaft: Suchtberatungsstelle „eva“, S. 14). Aus der Dokumentation ergibt sich insoweit auch, dass viele Annahmestellenbetreiber eher dazu neigen, den Zielkonflikt zugunsten eigener wirtschaftlichen Interessen zu lösen, und zu einem nicht unbeträchtlichen Teil obendrein selbst aktive Spieler sind, von denen manche sogar Tendenzen zur Spielsucht in sich tragen (siehe Dokumentation S.10 ).
48 
Die im Wesentlichen übereinstimmenden Ergebnisse des im April 2008 bei 110 Lottoannahmestellen in Baden-Württemberg durchgeführten sog. „Mystery-Shopping“ (= Testkauf, Testspielaktion) und der in der mündlichen Verhandlung von den STLG Mitarbeitern dargelegten eigenen Erfahrungen mit Testkäufen/Testspielern zeigen zudem deutlich, dass offenbar selbst intensive Schulungen keinen nachhaltigen Effekt erzielen, denn in einer prozentual weit überdurchschnittlichen Zahl von Fällen (laut Mysteryshopping: ca. 62 % , laut eigener Testaktionen der STLG: ca. 50 %) war es Kunden möglich, ohne Ausweiskontrolle zu spielen und Wetten abzuschließen. (In die gleiche Richtung weisen auch die in einem FOCUS-Artikel (Ausgabe v. 7.7.2008) zitierte Untersuchungen zum gleichen Thema in Bayern).
49 
e) Was die nunmehr allenthalben anzutreffenden Warnhinweise bezüglich der Spielsuchtgefahren angeht, ist angesichts des aus der Psychologie bekannten Phänomens der kognitiven Dissonanz (Verarbeitung konfligierender Informationen/Erfahrungen: z.B. „Ich rauche“ - „Rauchen ist schädlich“) und der Erfahrungen z.B. mit entsprechenden Hinweisen auf die tödlichen Gefahren des Rauchens auf Zigarettenpackungen, die von vielen Rauchern schon nach eigener Aussage gar nicht mehr wahrgenommen, sondern ausgeblendet werden (siehe dazu http://de.wikipedia.org/wiki/Kognitive_Dissonanz), fraglich, inwieweit ein vornehmlich aus finanziellen Erwägungen (Gewinnerwartung) gespeistes und durch entsprechende Werbung sogar noch erregtes Interesse an der Sportwettenteilnahme dadurch wirklich nennenswert wieder eingedämmt wird.
50 
f) Auch die rechtlichen und tatsächlichen Regelungen über die Art und den Zuschnitt des Sportwettenangebots sind nach wie vor in ihrer derzeitigen Ausgestaltung nicht geeignet, die Spielsucht konsistent und systematisch einzudämmen. Eine Beschränkung der Sportwetten, denen insbesondere bei den Oddset-Wetten wegen ihrer festen Gewinnquoten ein besonders hohes Suchtpotential zugeschrieben wird, durch die Begrenzung des Spielangebots (nur geringe Zahl wöchentlicher Wettpaarungen, Verzicht auf überproportional suchtgefährliche Varianten wie z.B. Live-Wetten oder Verzicht auf Wetten mit erhöhter Manipulierbarkeit des Sportereignisses wie z.B. Wetten auf die Zahl der in einem Fußballspiel gezeigten gelben Karten ) findet sich ebenso wie die Reduzierung der Gewinnausschüttungen auf maximal 50 - 55% lediglich pauschal formuliert unter Ziff.5.2 des Sozialkonzepts der STLG. Ein wirklich handhabbarer und detailliert kontrollierbarer Rahmen wird damit indessen nicht vorgegeben. Auch die nach wie vor gültigen Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi- und Top-Wette, die das Finanzministerium am 08.11.2007 bekanntgemacht hat und die von der STLG als ein lediglich weiter Rahmen des Erlaubten im Sinne einer Allgemeinen Geschäftsbedingung verstanden und der Gestaltung ihres Spielangebots zugrunde gelegt werden, enthalten keine wirklich klaren Einschränkungen und Vorgaben für eine Begrenzung des Spielangebots. Sie widersprechen zudem in ihrer noch immer unverändert aktuell gültigen Form teilweise direkt § 21 Abs.1 GlüStV, der ausdrücklich regelt, dass nur auf den Ausgang von Sportereignissen gewettet werden kann, also Live-Wetten auf Zwischenspielstände und dergleichen ausgeschlossen sind. Die Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette (GABl. v. 20.12.2007, S.648) lassen hingegen unter § 3 Abs.1, Abs.5 und Abs.6 auch Wetten nicht nur auf den Ausgang, sondern auch auf bestimmte Ereignisse innerhalb eines Sportereignisses zu. Dasselbe gilt für die Oddset-Kombi-Wette (GABl. 20.12.2007, S. 639), deren Teilnahmebedingungen Wetten auf einen bestimmten Ausgang oder ein bestimmtes Ergebnis, aber auch auf ein bestimmtes Ereignis zulassen. § 21 Abs.1 GlüStV ist im Übrigen normativ defizitär, da diese Vorschrift es ohne jegliche weitere inhaltliche Vorgaben der erst zum Jahresende 2008 notwendigen Erteilung der Glücksspielerlaubnis durch das Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde überlässt, im Detail Art und Zuschnitt des Angebots ggf. durch entsprechende Auflagen sicherzustellen. Ferner liegen interne Richtlinien zu Art und Zuschnitt des Sportwettenangebots auf der Verwaltungsebene der Glücksspielaufsichtsbehörde bisher nicht vor. Wie sich in der mündlichen Verhandlung herausstellte, besteht vor diesem Hintergrund noch nicht einmal vollständige Klarheit, ob etwa die sogenannte Handicap-Wette danach ein zulässiges Sportwettenangebot sein soll oder nicht. Der seit 01.01.2008 eingerichtete Fachbeirat (§ 10 Abs.1 S. 2 GlüStV) hat sich bisher zwar unter anderem auch mit dem Sportwettenangebot befasst, ohne dass diese Arbeit sich aber bislang in konkreten Empfehlungen, Beschlüssen oder Leitlinien niedergeschlagen hätte. Insgesamt offenbart sich auch hier ein derzeit bestehendes normativ-regulatives Strukturdefizit, das es mangels klarer Vorgaben aktuell noch immer genau besehen allein der STLG, also dem wirtschaftlich interessierten Monopolisten, selbst überlässt, zu definieren, welches Angebot seiner Ansicht nach zulässig bzw. unzulässig ist. Von dieser Definitionsmacht hat die STLG bisher aber nur in nicht wirklich dauerhaft selbstbindender Weise und nur nach eher vagen, zufälligen Kriterien Gebrauch gemacht.
51 
g) Ähnliches gilt für die Werbebeschränkungen . Hier findet sich neben der inhaltlich nur sehr vagen gesetzlichen Vorgabe in § 5 Abs.1, Abs.2 GlüStV, die Werbung dürfe nur informativ aufklärend, aber nicht aufmunternd, anreizend, irreführend und an Jugendliche gerichtet sein, bislang nur unter Ziff.5.3 des Sozialkonzepts der STLG eine katalogartige Aneinanderreihung ähnlich unbestimmter Begriffe, die zu einer positiven wie negativen Abgrenzung beitragen sollen und immerhin durch einige Beispiele zu einer gewissen Konkretisierung beitragen können (keine Darstellung als unbedenkliche Freizeitbeschäftigung, keine gezielte Ansprache eine jugendlichen Publikums, keine Werbung mit jugendlichen Werbeträgern und keine Versprechen eines schnellen risikolosen Reichtums usw.). Außerdem soll es inzwischen bundesweit zwischen den Ländern abgesprochene Werberichtlinien geben. Die Beaufsichtigung bundesweiter Werbeaktionen des Toto-Lotto-Blocks (DTLB) ist dabei allerdings noch ungeklärt. Die Bedenken, wie sie die Kammer gegenüber dem Werbekonzept der STLG in ihren Grundsatzurteilen vom April 2008 geäußert hat, sind damit aber nicht ausgeräumt. Insbesondere die Werbung mit der Dachmarke Lotto, die schon nach den eigenen Unterlagen und Broschüren der STLG deutlich mit ihren Unterprodukten z.B. Oddset, KENO etc. genannt und somit in Verbindung gebracht wird (Oddset, die Sportwette von Lotto - siehe www.lotto-bw.de > oddset), ist nach wie vor überregional mit zum Spiel animierender Werbung aktiv und zwar mit immer wieder besonders auffälliger, selbst vom beklagten Land als „atypisch“ qualifizierter Werbung, die mit immer wieder neuen besonderen Anlässen wie z.B. der Fußballeuropameisterschaft oder dem 50-jährigen Bestehen von Lotto Bad.-Württ. gerechtfertigt wird. Da die STLG sogar nach Ergehen des Bundesverfassungsgerichtsurteils noch im Sommer 2006 anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2006 aggressiv und namentlich für Oddset geworben hat, ist es auch besonders darlegungsbedürftig, konnte von der STLG im Termin aber nicht überzeugend dargelegt werden, dass Oddset nicht zum sogenannten „accepted set“ der deutlich und anpreisend beworbenen Dachmarke Lotto-BW gehören soll, also nicht mit deren Nennung vom Adressatenpublikum positiv mitassoziiert werden soll.
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Auch sonst geht die überregional auftretende Sportwettenwerbung weit darüber hinaus, dass sich nur die Annahmestellen selbst mit Flyern, örtlich geschalteten Anzeigen, Wimpeln, Schaufenstergestaltung etc. auf rein örtlicher Ebene dem Publikum bekannt machen und im Rahmen des dem staatlichen Monopolisten aufgegebenen Kanalisierungskonzepts über ihre Existenz informieren. Das ist auch nicht etwa zufällig so, sondern direkte Folge des Zielkonflikts, der darin besteht, dass der staatliche Monopolist STLG neben dem von ihm immer wieder hervorgehobenen insbesondere im Internet anzutreffenden breiten privaten Sportwettenmarkt existiert, also kein wirkliches Monopol im echten Sinne besitzt und daher anders als ein echter Monopolist gegenüber dieser Konkurrenz werbend bestehen muss, derer er sich in absehbarer Zeit wohl so schnell nicht wird entledigen können.
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Nach wie vor ist es auch so, dass der Glücksspielstaatsvertrag selbst keine Werbeeinschränkung hinsichtlich der Printmedien und des Rundfunks sowie der Postwurfsendungen und großflächiger Plakatwerbung regelt, so dass diese weiterhin zulässig sind (vgl. zu Bedenken insbesondere gegenüber unverlangt zugesandten Werbematerialien, wie Postwurfsendungen: Ziff.4 der Stellungnahme des Fachverbandes Glücksspielsucht e.V. zum Entwurf des GlüStV - a.a.O.). Dem Beklagten mag zwar zuzugeben sein, dass dem Land ein gewisser Beurteilungsspielraum dahingehend zukommt, selbst einzuschätzen und zu entscheiden, welche Werbeträger es für besonders aggressiv, öffentlichkeitswirksam, jugendnah und suchtfördernd hält und daher beschränken will. Wenig überzeugend ist insoweit allerdings sein Hinweis, die genannten noch zulässigen Werbeträger (Radio, großflächige Plakate, Printmedien) sprächen anders als das Internet und das Fernsehen das vorwiegend zu schützende jugendliche Publikum nur wenig an. Auch wenn die Leseneigung bei Jugendlichen zurückgegangen sein mag, dürfte doch das Radio als leicht konsumierbares Medium ebenso wie das Fernsehen ohne weiteres auch und gerade Jugendliche erreichen. Dafür, dass auch Plakatwerbung Jugendliche durchaus erreicht, spricht zudem, dass die STLG den Boxer Krasniqi, der als Sympathieträger gerade auch Jugendliche anspricht, im Rahmen der Suchtaufklärungskampagnen selbst auf großflächigen Plakaten auftreten lässt. Der bloße Ausschluss von Internetwerbung (und Fernsehwerbung) dürfte im Übrigen wohl schon deshalb nicht ausreichen, weil gar nicht dargetan ist, dass es sich nach der Spielerstruktur bei den Sportwettenteilnehmern der terrestrischen Annahmestellen vorzugsweise um Personen mit Internetzugang handelt. Vielmehr könnten als Kunden gerade technikferne, ältere Kunden in Betracht kommen, die keinen Internetzugang haben, oder aber Jugendliche, die zwar einen Internetzugang haben, aber noch nicht über eigene Kreditkarten verfügen, wie sie für eine Sportwettenteilnahme im Internet unerlässlich ist.
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3. Schließlich fehlt es derzeit an einem wirksamen Kontrollsystem, das die Ausrichtung des Monopols am Ziel der Suchtbekämpfung sicherstellt. Europarechtlich kommt es für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zentral auf die Effektivität der Überwachung und die Durchsetzung einer wirklich restriktiven Glücksspielpolitik an (vgl. EFTA-Gerichtshof, Urt. vom 14.03.2007, E -1/06, - Gaming Machines -, Rdnr. 51). Auch das Bundesverfassungsgericht verlangt strukturelle Sicherungen, die für die Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht sorgen; der Gesetzgeber muss geeignete staatliche Kontrollinstanzen mit ausreichender Distanz zu den fiskalischen Interessen des Staates einrichten (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnrn.120, 154). Denn nur so kann gesichert werden, dass ein Konflikt mit dem Ziel der Suchtbekämpfung nicht zugunsten der fiskalischen Interessen des Staates ausgeht (BVerfG, a.a.O., Rdnr. 127 f.)
55 
a) Der Glücksspielstaatsvertrag sieht zwar in § 9 eine finanzverwaltungsferne Glücksspielaufsicht vor. Diese kann aber derzeit auf kein wirksames normatives Kontrollsystem zurückgreifen. Auf das Instrument der Glücksspielerlaubnis, die an die Erfüllung konkreter Voraussetzungen gebunden ist (§ 2 Abs. 2 AG-GlüStV) und mit Bedingungen und Auflagen versehen werden kann (§ 2 Abs. 1 Satz 2 AG-GlüStV), kann die Glücksspielaufsicht nach derzeitiger, für die Entscheidung des Gerichts maßgeblicher Rechtslage allenfalls in geringfügigem Umfang als Kontrollmechanismus zurückgreifen. Denn der Landesgesetzgeber hat dem Monopolisten über die vom Bundesverfassungsgericht zugebilligte Übergangszeit hinaus einen weiteren Zeitraum bis zum 31.12.2008 zugestanden, in dem er seine bereits zum 01.01.2007 veranstalteten Glücksspiele ohne Erlaubnis fortführen darf (§ 2 Abs. 1 Satz 3 AG-GlüStV). Gleiches gilt für die Annahmestellen, die ihre Vermittlung ohne Erlaubnis bis zum 31.12.2008 fortsetzen dürfen, wenn sie bereits am 01.01.2007 in ein öffentliches Glücksspiel des Landes vermittelt haben (§ 7 Abs. 4 AG-GlüStV). Andere Kontrollinstrumente der Glücksspielaufsicht gegenüber dem Monopolisten oder einzelnen Annahmestellen sind gesetzlich nicht vorgesehen. Der Aufsicht bleibt in der Vielzahl der Fälle, in denen die Übergangsregelungen der §§ 2 Abs.1 Satz 3, 7 Abs. 4 AG-GlüStV greifen, nur die Möglichkeit, im Einzelfall Anordnungen nach § 9 GlüStV zu treffen. Damit diese Möglichkeit als effektiver Kontrollmechanismus wirkt, bedürfte es gerade angesichts der Vielzahl der Annahmestellen einer entsprechend gut ausgestatteten Glücksspielaufsicht. Hierzu enthält das Gesetz jedoch keinerlei Vorgaben.
56 
b) Tatsächlich ist die Glücksspielaufsicht personell auch schwach besetzt. Im gesamten Glücksspielreferat des Regierungspräsidiums Karlsruhe, das für ganz Baden-Württemberg zuständig ist, sind vier Juristen, sechs Mitarbeiter im gehobenen Dienst und fünf weitere Mitarbeiter für den Schreibdienst und Ähnliches tätig. Das Sachgebiet „Aufsicht und Erlaubnisse für staatlich veranstaltetes Glücksspiel und gewerbliche Spielevermittler“ betreuen ein Jurist und ein Mitarbeiter des gehobenen Dienstes. Der vom beklagten Land hervorgehobene Austausch zwischen den Mitarbeitern der einzelnen Sachgebiete ist nur begrenzt, wie die mündliche Verhandlung vom 16.04.2008 anschaulich belegt hat. Dort war als Beklagtenvertreter allein der Sachgebietsleiter für die Unterbindung unerlaubten Glücksspiels anwesend, der viele Fragen zum Bereich der Aufsicht und Erlaubnisse für staatlich veranstaltetes Glücksspiel nicht beantworten konnte.
57 
Die Mitarbeiter des Monopolisten, die mit monopolinternen Kontrollfunktionen befasst sind, können entgegen der vom beklagten Land vertretenen Auffassung nicht bei der personellen Ausstattung der Glücksspielaufsicht berücksichtigt werden. Schon § 10 Abs. 6 GlüStV setzt die Trennung der staatlichen Glücksspielaufsicht und des Monopolisten als Glücksspielveranstalter nach § 10 Abs. 2 GlüStV voraus. Vor allem aber kann von der europarechtlich gebotenen effektiven Überwachung des Monopolisten nicht mehr die Rede sein, wenn ihm als einem Unternehmen, das seine Wirtschaftlichkeit im Auge behalten muss, die Kontrolle über sich selbst übertragen wird. Vielmehr verlangt eine effektive Überwachung, dass die Endkontrolle der staatlichen, von fiskalischen Interessen unabhängigen Aufsicht vorbehalten bleibt.
58 
c) Dies schließt sicher kein „System der Kontrolle der Kontrolle“ aus, auf das sich das beklagte Land beruft. Ein solches System muss aber derartige strukturelle Sicherungen enthalten, dass eine effektive Kontrolle des Monopolisten durch die staatliche Aufsicht gewährleistet ist. Das ist hier nicht der Fall.
59 
aa) Das Gesetz räumt dem Monopolisten weite Spielräume bei der Ausgestaltung des Vertriebskonzepts (§ 7 Abs. 1 AG-GlüStV) sowie bei Art und Zuschnitt des Wettangebots ein, die ab 01.01.2009 in der Erlaubnis im Einzelnen zu regeln sind (§ 21 Abs. 1 Satz 2 GlüStV). Verwaltungsvorschriften oder Richtlinien wenigstens als Hilfe zur Interpretation der gesetzlichen Vorgaben - etwa welche Kriterien neben der räumlichen Bevölkerungsstruktur für das Vertriebskonzept noch zu berücksichtigen sind (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 4: „insbesondere“) oder welche Wetten als Einzelwetten auf den Ausgang eines Sportereignisses (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GlüStV) angesehen werden können - existieren jedoch nicht.
60 
bb) Auch Beschlüsse des inzwischen eingeführten Fachbeirats, die ungeachtet der rein beratenden Funktion dieses Gremiums (§ 10 Abs. 1 Satz 2 GlüStV) als Orientierungshilfe dienen könnten, liegen nicht vor. Gerade beim zulässigen Wettangebot bestehen aber erhebliche Unsicherheiten, wie die Diskussion in der mündlichen Verhandlung zwischen den Beteiligten einschließlich der Vertreter der STLG über die Zulässigkeit von Handicap-Wetten deutlich gezeigt hat.
61 
cc) Das inzwischen vorliegende Vertriebskonzept der STLG -das fast ein halbes Jahr zu spät erstellt worden ist, ohne dass dies zu irgendwelchen Konsequenzen der Glücksspielaufsicht gegenüber der STLG geführt hätte - ist zwar von der Glücksspielaufsicht gebilligt worden, jedoch mangels Integrierbarkeit in eine Glücksspielerlaubnis in keiner Weise abgesichert.
62 
dd) Allein im Bereich der Werbung sollen bundesweite, dem Gericht allerdings nicht vorgelegte Richtlinien existieren. Außerdem ist zwischen der Glücksspielaufsicht und der STLG eine Vorlage neuer Werbemaßnahmen vor Veröffentlichung abgesprochen.
63 
ee) Darüber hinaus bestehen strukturelle Sicherungen des Systems der Kontrolle der Kontrolle derzeit nicht. Die Ankündigung, dem Monopolisten in seiner Erlaubnis als Nebenbestimmung aufzugeben, mindestens halbjährliche unangekündigte Kontrollen zur Einhaltung des Jugendschutzes und des Spielerschutzes in allen Annahmestellen durchzuführen und der Aufsicht darüber halbjährlich zu berichten, weist in die richtige Richtung, ist aber zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht umgesetzt worden. Eine Glücksspielerlaubnis für die STLG - mit entsprechender Nebenbestimmung - liegt bislang nicht vor.
64 
ff) Sonstige Informations- oder Berichtspflichten der STLG zu bestimmten Themen bestehen nicht. In der mündlichen Verhandlung wurde zwar von monatlichen Gesprächsrunden über anstehende Probleme berichtet, gleichzeitig zeigte sich aber, dass die Glücksspielaufsicht weder über das aktuelle Wettangebot des Monopolisten noch über den konkreten Bestand der Annahmestellen und die einzelnen Fälle von Beanstandungen bei von der STLG veranlassten Kontrollen informiert war. Vielmehr erklärte der Vertreter des beklagten Landes, dass die Glücksspielaufsicht außerhalb des Bereichs der Werbung grundsätzlich davon ausgehe, dass die STLG sich an die gesetzlichen Vorgaben halte. Die STLG werde gebeten, die Glücksspielaufsicht zu benachrichtigen, wenn rechtliche Probleme auftauchten; sie teile der Aufsicht auf Anfrage Kontrollergebnisse mit. Diese Haltung der Glücksspielaufsicht gegenüber dem Monopolisten ist mit dem Auftrag einer effektiven Überwachung offensichtlich nicht zu vereinbaren. Schon bei einer Kontrolle staatlicher Behörden wäre ein solcher Vertrauensvorschuss unangebracht (vgl. dazu auch Millgramm, DVBl 2008, 821, 827 f., insbes. Fn. 29); dies gilt umso mehr für die Kontrolle der STLG, einer juristischen Person des Privatrechts, die bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im März 2006 primär umsatzorientiert gewirtschaftet hat und auch heute als Gesellschaft mit beschränkter Haftung wirtschaftlich handeln muss (siehe nur §§ 17, 19 InsO). Allein die Tatsache, dass das Land 100% der Gesellschaftsanteile hält, legt zwar vereinfachte Kontrollmöglichkeiten nahe, lässt die Überwachungspflichten aber keinesfalls entfallen (vgl. dazu EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming Machines, Rdnr. 51).
65 
gg) Dass die in der mündlichen Verhandlung von den Beklagtenvertretern erwähnten „sporadischen Kontrollen“ des Sportwettenangebots des Monopolisten sowie die 22 vom Referatsleiter persönlich getätigten Testkäufe ohne Bezug zu den von der STLG großflächig angelegten Testkaufserien keine wirksame „Kontrolle der Kontrolle“ darstellen, bedarf keiner näheren Ausführung.
66 
hh) Die Kammer verkennt nicht, dass die STLG gerade mit den Testkaufserien durch Externe einerseits und die Bezirksdirektionen andererseits sowie die Zusatzverträge mit den Verkaufsstellen, die bei Verstößen gegen die gesetzlichen Verpflichtungen aus dem GlüStV und dem AG-GlüStV Sanktionsmöglichkeiten bis zur fristlosen Kündigung des Vertrags vorsehen, Ansatzpunkte für ein System der „Kontrolle der Kontrolle“ geschaffen hat. Ohne durchsetzbare, festgelegte Berichts- und Meldepflichten gegenüber der Glücksspielaufsicht kann aber von einer effektiven Überwachung nicht die Rede sein.
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ii) Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Ergebnisse der Testkäufe mit einer Quote von etwa 50% Beanstandungen (so die Auskunft der Vertreter der STLG in der mündlichen Verhandlung; die Ergebnisse des Mystery-Shopping lagen bei einer noch höheren Beanstandungsquote von 62 %) nahelegen, dass dieser Missstand, wie oben ausgeführt, durch das Provisionsmodell strukturell bedingt ist und allein durch ein effektives Überwachungssystem nicht beseitigt werden wird.
IV.
68 
Das staatliche Sportwettenmonopol erweist sich auch unter Berücksichtigung des aktuellen Vorbringens des Beklagten und der jetzigen Sachlage weiterhin auch deshalb als derzeit (noch) europarechtswidrig, weil es eine zur Erreichung der Ziele des GlüStV nicht erforderliche Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt (vgl. Urteile vom 16.04.2008, dort II.3).
69 
Im Termin ist erneut deutlich geworden, dass das staatliche Monopol nur im Bereich der terrestrischen Annahmestellen ein echtes, nämlich gegen illegale Konkurrenz wirklich durchsetzbares Monopol darstellt, hingegen im Bereich des vom Angebot der STLG entsprechend den Vorschriften des GlüStV nicht abgedeckten Sportwettenmarktes im Internet ein sehr großes illegales Sportwettenangebot privater Veranstalter existiert, über das nach Schätzungen zwischen 30 - 50 % des gesamten Sportwettenumsatzes erzielt werden. Ferner hat sich bestätigt, dass dieses private Internetangebot jedenfalls bislang vom Beklagten insbesondere wegen der damit verbundenen rechtlichen und praktischen Schwierigkeiten noch nicht in nennenswertem Umfang durch Ordnungsverfügungen gegen die Veranstalter bzw. mittels Kooperationsabsprachen mit Banken über eine Drosselung der Finanzierung durch Kreditkartenabbuchungen zurückgedrängt wurde. Damit bleibt es bei dem Grundkonflikt, dass das staatliche Sportwettenmonopol, weil es sich gegenüber dem Internetangebot behaupten muss, nach wie vor einem starken Anreiz ausgesetzt ist, sich ebenso wie private Sportwettenanbieter durch offensive, aktive Werbestrategien zu behaupten, um erklärtermaßen einer Abwanderung von Sportwettenteilnehmern in diesen illegalen Bereich gegenzusteuern. Unverändert geblieben ist auch der Umstand, dass die STLG ihre Sportwetten über ein Vertriebsnetz vermarktet, das sich aus einer Vielzahl umsatzabhängiger privater Annahmestelleninhaber zusammensetzt und sich somit von privaten Sportwettenanbietern hinsichtlich der Anreize zur Missachtung von Spielerschutz- und Suchtbekämpfungsmaßnahmen nicht wesentlich unterscheidet.
70 
Was die Effektivität der Kontrolle und die Durchsetzungsmacht der STLG gegenüber ihren privaten Vertragspartnern im Vertriebsnetz angeht, ist ihr zwar zuzugestehen, dass sie in der Praxis nicht nur die Möglichkeit hat, gegenüber einer Annahmestelle mit rechtlichen Maßnahmen wie Abmahnungen, Vertragsstrafen oder fristloser Kündigung einzuschreiten, sondern diese darüber hinaus auch rein tatsächlich direkt durch Abkoppelung der Annahmestelle von der zentralen computergestützten Sportwettenannahme und -vermittlung aus ihrem Vertriebsnetz nehmen kann, wenn es zu Schwierigkeiten kommt, was die staatliche Aufsichtsbehörde gegenüber privaten Sportwettenveranstalten nicht tun könnte. Allerdings ist dem entgegenzuhalten, dass sich ein Annahmestelleninhaber auch gegen ein solches schlichtes Abkoppeln vom Vertriebsnetz ohne weiteres vor den ordentlichen Gerichten mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Wehr setzen könnte, da auch ein faktisches Abkoppeln vom Vertriebsnetz gegen den Annahmestellenvertrag verstoßen würde, wenn es grundlos erfolgt bzw. der Anlass bestritten wird. Unter diesem Aspekt wäre die faktische Durchsetzungsmacht zwar größer als gegenüber Sportwettenvermittlern, die an andere Sportwettenanbieter als die STLG vermitteln, aber letztlich auch nicht wieder so signifikant größer, dass sich hieraus die Erforderlichkeit eines staatlichen Monopols begründen ließe.
71 
Es mag auch zutreffen, dass es für die staatliche Aufsichtsbehörde einen geringeren Aufwand darstellt, lediglich das Werbekonzept eines einzigen staatlichen Sportwettenmonopolisten zu kontrollieren anstatt die Werbekonzepte von drei bis vier großen überregional auftretenden internationalen Sportwettenanbietern zu prüfen. Andererseits erfordert die Kontrolle der Werbung noch den geringsten Aufwand im Rahmen der gesamten Kontrolltätigkeit, denn in der Regel wird es sich um nur wenige gleichlautende Plakate, Werbespots oder Hinweiszettel handeln, die sich relativ leicht und schnell auf Verstöße gegen die Werbeeinschränkungen aus dem GlüStV kontrollieren lassen.
72 
Wie das vorgelegte Sozialkonzept des Verbands der Europäischen Wettunternehmer (VEWU) zeigt, sind diese auch durchaus bereit, sich freiwillig Beschränkungen hinsichtlich der Gewinnausschüttungsquote, der Art und des Zuschnitts der Sportwettenangebote und der Ausgestaltung ihrer Wettbüros aufzuerlegen, ein System der Spielersperre zu installieren, einen Sicherungsfond gegen Insolvenzausfälle einzurichten und Jugendlichen konsequent den Zugang zu verweigern, so dass es ihnen gegenüber jedenfalls nicht einer stärkeren und dichteren staatlichen Kontrolle als gegenüber den privaten Annahmestelleninhabern der STLG bedürfte.
73 
Was die Kriminalitätsrisiken und Betrugsgefahren angeht, hat das beklagte Land selbst eingeräumt, dass diese nicht an erster Stelle der Ziele stehen, mit denen das staatliche Monopol zu rechtfertigen ist. Das insoweit nach den europarechtlichen Vorgaben darlegungsbelastete Land hat es auch nicht vermocht, zur Frage negativer bisheriger Erfahrungen mit den privaten Betreibern legaler Glücksspiele (Pferdewetten, Geldspielautomaten, Spielcasinos) sowie mit den privaten Annahmestelleninhabern der STLG hinsichtlich der Kriminalitätsbelastung aussagekräftigen Angaben zu machen. Es mag zwar sein, dass es in diesem Bereich Dunkelziffern gibt und dass die Anzeigefreudigkeit von Kriminalitätsopfern gering ist, die sich im Bereich illegaler Glücksspiele womöglich wegen eigener Teilnahme nach § 285 StGB strafbar machen würden. Hier aber geht es um legale Glücksspielbereiche, die obendrein seit Jahrzehnten von Privaten betrieben werden, so dass bei wirklichen Missständen zu erwarten wäre, dass entsprechende Kriminalitätsbelastungen zumindest ansatzweise bekannt geworden wären. Dafür fehlt hier aber jeder Anhaltspunkt. Zwar mag immerhin ein gewisser Anteil der mit Untersagungsverfügungen landesweit geschlossenen ca.700 privaten Sportwettenbüros selbst nach Bestätigung der Untersagungsverfügungen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Vermittlungstätigkeit tatsächlich nicht aufgegeben und sich damit als nicht rechtstreu bzw. mit Blick auf § 284 StGB womöglich sogar als kriminell erwiesen haben. Das besagt aber nicht, dass ein staatliches Monopol erforderlich ist, um mit dem Sportwettenbetrieb verbundene Kriminalitätsgefahren zu bekämpfen.
V.
74 
Noch einmal zu bestätigen ist schließlich, dass das Sportwettenmonopol mangels systematischer und kohärenter Zielverfolgung auch EG-wettbewerbswidrig ist. (vgl. dazu bereits Urteil vom 16.4.2008, unter II.4.). Der Einwand des beklagten Landes, die Ausführungen der Kammer in den Urteilen vom 16.4.2008 ließen nicht erkennen, welcher Bezug der Wettbewerbsvorschriften zum subjektiven Recht des jeweiligen Klägers bestehe bzw. es werde übersehen, dass die Wettbewerbsvorschrift des Art. 82 EG sich nicht an den Staat, sondern an Unternehmen richte, greift nicht durch.
75 
Die Prüfung des Sportwettenmonopols erfolgt am Maßstab des Art. 86 EG. Adressaten von Art. 86 Abs. 1 EG sind ausschließlich die Mitgliedstaaten und nicht die Unternehmen selbst, für die wiederum direkt nur Art. 81 und 82 EG gelten. Den Mitgliedsstaaten stehen Hoheitsträger im Staatsgebiet, insbesondere die Gebietskörperschaften gleich. Gerade im Bereich von - wie hier - Dienstleistungsmonopolen gelangt Art. 86 EG in Verbindung mit den Wettbewerbsregeln zur Anwendung (Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, 4. Auflage 2007, B. Art. 86 im System des EG-Vertrags, Rnrn. 55, 56; von Burchard, in: Schwarze, EU-Kommentar, 1. Aufl. 2000, Art. 49 Rnr. 87 [unter Hinweis darauf, dass der EuGH offenbar Art. 86 Abs. 2 EG gegenüber Art. 49 EG als speziellere Vorschrift ansehe] und Art. 86 Rnr. 11). Die Tatsache, dass Art. 86 Abs. 1 EG die Existenz von Unternehmen voraussetzt, die bestimmte besondere oder ausschließliche Rechte innehaben, ist nicht dahin zu verstehen, dass alle besonderen und ausschließlichen Rechte notwendigerweise mit dem EG-Vertrag vereinbar sind. Dies hängt vielmehr von den Vertragsvorschriften ab, auf die Art. 86 Abs. 1 EG verweist (so zu Art. 90 Abs. 1 EG-Vertrag: EuGH, Urt. v. 19.3.1991 - C-202/88 - [Telekommunikations-Endgeräte], Leitsatz 2; von Burchard, a.a.O., Art. 86, Rnr. 27). Zu den zu beachtenden Vorschriften gehören - soweit vorliegend bedeutsam - insbesondere der ausdrücklich in Art. 86 Abs. 1 EG genannte Art. 82, ferner aber gerade auch die Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr (EuGH, Urt. v. 18.6.1991 - C-260/89 [ERT], Rnr. 27). Dem Anwendungsbereich des Art. 86 EG unterfallen folglich auch Maßnahmen eines Mitgliedstaats (hier: Inkraftsetzen einer Gesetzesbestimmung), mit denen er eine Lage schafft, in der das bevorrechtigte Unternehmen schon durch die bloße Ausübung des übertragenen Rechts (hier: monopolartige Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten) zwangsläufig gegen den Vertrag verstoßen muss (EuGH, Urt. v. 11.12.1997 - C-55/96 [Job Centre] - Rnr. 29; von Burchard, a.a.O., Art. 86 Rnr. 37). Ein wettbewerbswidriges Verhalten der STLG muss sich damit aber das beklagte Land zugleich als unzulässige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zurechnen lassen (so auch von Burchard, a.a.O., Art. 49 Rnr. 88), worauf sich der jeweilige grundfreiheitsberechtigte Kläger wiederum für den Erfolg seiner Klage berufen kann.
VI.
76 
Die angefochtene Untersagungsverfügung des Regierungspräsidiums ist auch insoweit rechtswidrig und aufzuheben, als sie die Vermittlung von Sportwetten an solche Veranstalter untersagt, die im Bundesgebiet ansässig sind. Zwar vermittelte der Kläger in der Vergangenheit Sportwetten nur an einen in einem EU-Mitgliedsstaat ansässigen und dort konzessionierten Sportwettenveranstalter. Die angefochtene Verfügung untersagt aber darüber hinaus umfassend auch jede Vermittlungstätigkeit für im Bundesgebiet ansässige Sportwettenveranstalter. Eine solche Dienstleistung ohne grenzüberschreitenden Bezug wird vom Schutz der Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EG nicht erfasst. Ob die Verfügung insoweit bereits deshalb rechtlichen Bedenken unterliegt, weil die Ermittlungen und Feststellungen, die zum Erlass der Verfügung führten, keine Anhaltspunkte für die Annahme einer Vermittlung an einen im Bundesgebiet ansässigen privaten Veranstalter ergaben, kann offen bleiben. Denn jedenfalls leidet die Verfügung an einem zu ihrer Rechtswidrigkeit führenden Ermessensfehler. Da das staatliche Sportwettenmonopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung keine rechtmäßige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EG darstellt und deshalb gemeinschaftsrechtswidrig ist, müssen - jedenfalls bis zu einer gemeinschaftsrechtskonformen Ausgestaltung - Wettvermittlungen an in EU-Mitgliedsstaaten ansässige und dort konzessionierte Sportwettenveranstalter vom beklagten Land hingenommen werden, soweit sie durch Unionsbürger oder in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaften im Sinne der Art. 55, 48 EG erfolgen. Auf derartige Wettvermittlungen beschränkte sich die bisherige Tätigkeit des Klägers. Vor diesem Hintergrund kann das beklagte Land das mit den Untersagungsverfügungen verfolgte Ziel, landesweit die Vermittlung von Sportwetten an private Veranstalter zu unterbinden, weil es diese Tätigkeit wegen des staatlichen Sportwettenmonopols für unerlaubt hält, nicht mehr verwirklichen. Der terrestrische Vertrieb von Sportwetten betrifft in ganz erheblichem Umfang Sportwettenveranstalter, die im EU-Ausland ansässig sind, weil sie ihr Sportwettengeschäft auch über terrestrische Annahmestellen abwickeln. Entfällt demnach derzeit für das beklagte Land die Möglichkeit, die Vermittlung von Sportwetten an im EU-Ausland ansässige Sportwettenveranstalter zu unterbinden, bedarf es im Rahmen der Ermessensausübung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV tragfähiger Erwägungen, die ein Einschreiten gegen die Sportwettenvermittlung im Inland rechtfertigen, obwohl die weit umfangreichere grenzüberschreitende Vermittlung ins EU-Ausland hingenommen werden muss. Solche Erwägungen finden sich weder in der angefochtenen Untersagungsverfügung noch sind sie bisher vorgetragen worden.
VII.
77 
Der Kläger ist nicht Angehöriger eines Mitgliedsstaats, sondern Drittstaatsangehöriger. Drittstaatsangehörige können sich grundsätzlich nicht auf Art. 49 EG berufen. Von der Möglichkeit des Art. 49 Satz 2 EG, die Dienstleistungsfreiheit auf in der Gemeinschaft ansässige Drittstaatsangehörige auszudehnen, wurde - soweit ersichtlich - bislang kein Gebrauch gemacht (vgl. Schwarze, EU-Kommentar, 1. Auflage 2000, Art. 49 EGV, RdNr. 36). Ob im vorliegenden Fall der persönliche Geltungsbereich des Art. 49 EG im Wege eines Assoziierungsabkommens auf Drittstaatsangehörige ganz oder teilweise erstreckt wurde, erscheint fraglich, kann aber offen bleiben. Die angefochtene Untersagungsverfügung erweist sich nämlich auch dann als rechtswidrig, wenn sich der Kläger nicht auf Art. 49 EG berufen kann.
78 
Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV steht es im Ermessen des Regierungspräsidiums, die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür zu untersagen. Auf den einzelnen Fall bezogene Ermessenserwägungen enthält die angefochtene Untersagungsverfügung nicht. Vielmehr schreitet das Regierungspräsidium landesweit gegen jeden privaten Sportwettenvermittler mit Untersagungsverfügungen ein, weil es dessen Tätigkeiten aufgrund des staatlichen Sportwettenmonopols für unerlaubt hält. Da dieses in seiner derzeitigen Ausgestaltung jedoch keine gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt und deshalb gemeinschaftsrechtswidrig ist, müssen - jedenfalls bis zu einer gemeinschaftsrechtskonformen Ausgestaltung - Wettvermittlungen an in EU-Mitgliedstaaten ansässige und dort konzessionierte Sportwettenveranstalter vom beklagten Land hingenommen werden, wenn sie durch Unionsbürger oder in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaften im Sinne von Art. 55, 48 EG erfolgen. Mit einem Einschreiten ausschließlich gegen Sportwettenvermittlungen durch im Bundesgebiet ansässige Drittstaatsangehörige lässt sich das mit den Untersagungsverfügungen verfolgte Ziel nicht erreichen, landesweit die Vermittlung von Sportwetten durch Private zu unterbinden, um auf diese Weise die Spielleidenschaft zu begrenzen und die Spielsucht zu bekämpfen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Unterbindung grenzüberschreitender Sportwettenvermittlungen in das EU-Ausland ausschließlich gegenüber Drittstaatsangehörigen mit dem bei der Ermessensausübung zu wahrenden Gleichbehandlungsgebot und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist (vgl. hierzu OVG Saarland, Beschl. v. 25.04.2007 - 3 W 24/06 - juris).
VIII.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Kammer hat keinen Anlass, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO).
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Da diese Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, ist die Berufung zuzulassen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.