Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss, 08. Feb. 2017 - 9 AE 5887/16
Tenor
Der Antrag vom 18. Oktober 2016, die aufschiebende Wirkung der Klage 9 A 5886/16 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 21. September 2016 anzuordnen, wird abgelehnt.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... wird abgelehnt.
Gründe
I.
- 1
Der nach § 34a Abs. 2 AsylG i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg. Das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung überwiegt nicht das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids vom 21. September 2016. Denn die Abschiebungsanordnung ist aller Voraussicht nach rechtmäßig und verletzt den Antragsteller deshalb nicht in seinen Rechten.
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Die Abschiebungsanordnung findet ihre Grundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt, sofern der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht, § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylG.
- 3
Die Abschiebung des Antragstellers nach Italien ist rechtlich zulässig und tatsächlich möglich:
- 4
1. Für die Durchführung des Asylverfahrens ist nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31 – Dublin III-VO), nicht die Antragsgegnerin, sondern der italienische Staat zuständig (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AsylG). Nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. die Urteile der Großen Kammer des EuGH v. 7.6.2016, C-63/15 und C-155/15, beide juris) hat ein Asylsuchender im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung einen Anspruch auf Prüfung der fehlerfreien Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den in Kapitel III der Dublin III-VO aufgeführten Kriterien.
- 5
a) Italien ist nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO zuständig für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz. Denn der Antragsteller ist nach seinen eigenen Angaben von Afghanistan aus im Mai 2016 nach Italien gelangt, hielt sich dort etwa drei Tage auf und wurde erkennungsdienstlich behandelt. Dies bestätigt ein entsprechender EURODAC-Treffer der Kategorie 2.
- 6
b) Auf das Aufnahmegesuch der Antragsgegnerin vom 14. Juli 2016 hat Italien nach Aktenlage nicht reagiert. Nach Art. 22 Abs. 7 i. V. m. Abs. 1 Dublin III-VO ist davon auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, wenn innerhalb einer Frist von zwei Monaten, nachdem der ersuchte Mitgliedstaat mit dem Gesuch befasst wurde, keine Antwort erteilt wird. Damit ist Italien seit dem 14. September 2016 zuständig.
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c) Die Zuständigkeit ist nicht nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin III-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen. Nach dieser Vorschrift wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat zuständig, wenn keine Überstellung an einen anderen Mitgliedstaat erfolgen kann. Die Überstellung nach Italien ist indes nicht unmöglich, denn es bestehen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen systemischer Schwachstellen.
- 8
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 19.3.2014, 10 B 6/14, juris) liegen systemische Mängel vor, wenn es sich um Defizite handelt, die im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedsstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Dabei müssen das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sein, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylsuchenden im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bzw. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war (BVerwG, Beschl. v. 6.6.2014, 10 B 35/14, juris). Derartige individuelle Erfahrungen sind vielmehr in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob systemische Mängel im Zielland der Abschiebung vorliegen. Eine tragfähige Grundlage für die Annahme systemischer Mängel dürfte jedenfalls dann vorliegen, wenn hierfür kompetente Stellen wie der UNHCR und das EASO (Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen, errichtet durch die Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 132 v. 29.5.2010, S. 11) derartige Mängel feststellen (VG Hamburg, Urt. v. 3.3.2015, 10 A 4414/14, n. v.; s. auch die Erwägungsgründe 22 und 23 sowie Art. 33 der Dublin III-VO).
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Gemessen hieran sind Anhaltspunkte für das Vorliegen systemischer Schwachstellen in Italien weder substantiiert dargelegt noch sonst ersichtlich (vgl. dazu ausführlich OVG Münster, Urt. v. 22.9.2016, 13 A 2448/15.A, juris; Urt. v. 7.7.2016, 13 A 2238/15.A, juris; ebenso Bundesverwaltungsgericht Österreich, Spruch v. 14.12.2015, W153 2116055-1/7E). Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (v. 17.9.2014, u.a. 2 BvR 1795/14, juris) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, Entscheidung der Großen Kammer v. 4.11.2014, Tarakhel, Nr. 29217/12) geben für den Fall des volljährigen Antragstellers, der als junger Alleinreisender nicht zu einer besonders schutzwürdigen Gruppe gehört, nichts her. Systemische Mängel in Italien werden in diesen Entscheidungen gerade nicht festgestellt. Beide Gerichte haben vielmehr unter Hervorhebung der besonderen Schutzbedürftigkeit von Kindern die Auffassung vertreten, eine Überstellung nach Italien bedürfe einer vorherigen Zusicherung der zuständigen italienischen Behörden, dass die jeweils betroffenen Asylsuchenden in Italien in einer der besonderen Situation von Kindern gerecht werdenden Einrichtung gemeinsam mit ihren Eltern untergebracht werden. Diese Entscheidungen, selbst wenn man etwa die Entscheidung des EGMR als Hinweis auf einen systembedingten Mangel der Aufnahmebedingungen in Italien für eine bestimmte Personengruppe verstehen wollte, treffen für den Fall des Klägers indes keine Aussage. So hat auch der EGMR (Entscheidung der Dritten Kammer v. 5.2.2015, A.M.E against the Netherlands, Nr. 51428/10) für einen 21 Jahre alten Mann entschieden, dass eine Verletzung in dem Recht aus Art. 3 EMRK bei Rückkehr nach Italien nicht zu befürchten ist.
- 10
Nichts anderes folgt aus dem aktuellen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Aufnahmebedingungen in Italien, Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden in Italien, abrufbar unter: https://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/news/2016/160815-sfh-bericht-italien-aufnahmebedingungen-final.pdf) vom August 2016 (ebenso VG Schwerin, Urt. v. 26.9.2016, 16 A 1757/15 As SN, juris). Auch der genannte Bericht liefert keine Hinweise darauf, dass Italien zur Bewältigung der Probleme durch die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen ergreift. Vielmehr reagiert Italien gerade im Bereich der Unterbringung von Asylsuchenden sehr flexibel auf den steigenden Zustrom (OVG Münster, Urt. v. 22.9.2016, 13 A 2448/15.A, juris). Dies bestätigen auch die von der Österreichischen Botschaft Rom dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich übermittelten Zahlen über die in Italien in Flüchtlingsunterkünften untergebrachten Personen, die auf Auskünften des italienischen Innenministeriums beruhen (Länderreport von Österreich v. 2.8.2016 und v. 29.9.2016). Danach waren in Italien mit Stand 27. Juli 2016 139.207 Personen untergebracht, davon 1.016 in Hotspots, 13.572 in Erstaufnahmezentren, 104.248 in temporären Strukturen (meist durch NGO´s und Private mit staatlicher Förderung zur Verfügung gestellt) und 20.371 in staatlicher Betreuung (SPRAR). Mit Stand 26. September 2016 waren 160.030 Personen untergebracht, davon 980 in Hotspots, 13.377 in Erstaufnahmezentren, 123.481 in temporären Strukturen und 22.192 in staatlicher Betreuung (SPRAR). Soweit der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe darauf verweist, dass Personen Obdachlosigkeit drohe, weil ein Anspruch auf Unterbringung in einem Aufnahmezentrum nicht mehr besteht, wenn dieses ohne Genehmigung verlassen wurde, so begegnet dies keinen Bedenken, weil dieser Umstand an ein von den jeweils Betroffenen zu vertretendes Verhalten anknüpft. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine Wiederaufnahme mit Genehmigung der Präfektur gewährt werden kann und in Gemeinden ausweislich des Berichts Informationsschalter bestehen, an denen Unterkunftsplätze auf Gemeindeebene vermittelt werden können. Im Übrigen folgt aus dem Bericht, dass das italienische Sozialsystem die Deckung der Elementarbedürfnisse hinsichtlich Unterkunft, Nahrung, Hygiene und medizinischer Versorgung in noch ausreichender Weise gewährleistet.
- 11
2. Die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, ist voraussichtlich ebenfalls rechtmäßig. Der Antragsteller kann sich auf zielstaatsbezogene – bezogen auf Italien – oder inlandsbezogene Abschiebungsverbote, die in Bezug auf die Abschiebungsanordnung gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht werden können (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 31.5.2011, A 11 S 1523/11, juris; OVG Hamburg, Beschl. v. 3.12.2010, 4 Bs 223/10, juris), nicht berufen. Er hat insofern weder etwas vorgebracht noch gibt es sonstige Anhaltspunkte hierfür.
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3. Ob die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG auf 6 Monate rechtmäßig ist, kann dahinstehen. Denn die Rechtmäßigkeit der Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots, wirkt sich nur dann auf die Rechtmäßigkeit der Abschiebung aus, wenn der Antragsteller ausnahmsweise einen Anspruch auf Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf „Null“ hätte, wenn damit also auch die Ausreiseverpflichtung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG entfiele (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.3.2014, 1 C 2/13, juris). Umstände, die einen solchen Anspruch begründen könnten, hat der Antragsteller nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Für den Fall von zu lang bemessenem Einreise- und Aufenthaltsverbot ist es dem Antragsteller zuzumuten, auszureisen und einen ggf. erforderlichen Rechtsstreit vom Ausland aus zu führen.
II.
- 13
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
III.
- 14
Der Prozesskostenhilfeantrag ist abzulehnen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung auch gemessen an dem im Prozesskostenhilfeverfahren zu Gunsten des Antragstellers anzulegenden großzügigen Maßstab, der lediglich eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolgs der beabsichtigten Rechtsverfolgung voraussetzt (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 28.7.2016, 1 So 42/16, juris), aus den unter I. genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO.
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(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn
- 1.
ein anderer Staat - a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder - b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
- 2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat, - 3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird, - 4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder - 5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.
(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.
(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.
(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
Gründe
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I.
- 1
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Der Kläger, ein malischer Staatsangehöriger, reiste im Mai 2009 über den Seeweg nach Italien ein und stellte dort einen Asylantrag. Im Juli 2009 stellte er in der Schweiz einen weiteren Asylantrag und entzog sich der Überstellung nach Italien. Auf seinen am 1. Oktober 2010 in Österreich gestellten Asylantrag überstellten ihn die österreichischen Behörden im Juli 2011 nach Italien. Im November 2011 wurde der Kläger in Deutschland aufgegriffen und stellte erneut einen Asylantrag. Dem Übernahmeersuchen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) stimmten die italienischen Behörden im Februar 2012 zu. Daraufhin entschied das Bundesamt mit Bescheid vom 7. Mai 2012, dass der Asylantrag unzulässig sei und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.
-
II.
- 2
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Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie einen Gehörsverstoß des Berufungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO) rügt, hat keinen Erfolg.
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1. Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,
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"welchen rechtlichen Anforderungen der Begriff der 'systemischen Mängel' unterliegt, insbesondere welcher Wahrscheinlichkeits- und Beweismaßstab für die Annahme erforderlich ist, dass für einen Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden."
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Diese Frage rechtfertigt mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lässt sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt ist, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung und des nationalen Prozessrechts ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten.
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Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).
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Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).
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Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den "zuständigen Mitgliedstaat" im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.
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Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ("systemic failure") abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).
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Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus. Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht der angefochtenen Entscheidung erkennbar zugrunde gelegt.
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2. Mit der Gehörsrüge macht die Beschwerde geltend, das Berufungsgericht habe zusammen mit seiner Ankündigung vom 8. Oktober 2013, dass erwogen werde, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO zu entscheiden, darauf hingewiesen, dass der 3. Senat des Gerichts in vergleichbaren Fällen ebenso entschieden habe. Trotz entsprechender Aufforderung habe das Berufungsgericht die damals noch nicht abgesetzten Entscheidungen des anderen Senats nicht zugänglich gemacht und auch die Frist zur Stellungnahme nicht verlängert. Die Gehörsrüge greift nicht durch.
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Aus Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO ergibt sich, dass eine gerichtliche Entscheidung nur auf solche Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Die Verwertung tatsächlicher Feststellungen aus anderen Verfahren für den zur Entscheidung anstehenden Rechtsstreit unterliegt - nicht anders als andere tatsächliche Feststellungen - dem Gebot des rechtlichen Gehörs (Urteil vom 8. Februar 1983 - BVerwG 9 C 847.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 132 = InfAuslR 1983, 184). Dagegen verstößt ein Gericht, wenn es anstelle einer eigenen Beweiserhebung auf Entscheidungen mit umfangreichen tatsächlichen Feststellungen verweist, ohne die Entscheidungen den Beteiligten so zugänglich zu machen, dass sie sich dazu hätten äußern können. Zieht ein Gericht aber andere Entscheidungen nur als bestätigenden Beleg dafür heran, dass andere Gerichte die Lage (einer bestimmten Gruppe) in einem Land tatrichterlich in ähnlicher Weise gewürdigt und deshalb rechtlich die gleichen Schlussfolgerungen gezogen haben, unterliegen solche Bezugnahmen nicht den besonderen Anforderungen des § 108 Abs. 2 VwGO (Urteil vom 22. März 1983 - BVerwG 9 C 860.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 133; Beschluss vom 12. Juli 1985 - BVerwG 9 CB 104.84 - Buchholz 310 § 103 VwGO Nr. 8 = NJW 1986, 3154).
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An diesem Maßstab gemessen erweist sich die Gehörsrüge als unbegründet. Das Berufungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Lage der Asylbewerber in Italien unter Auswertung verschiedener Quellen selbstständig tatrichterlich gewürdigt. Es hat die in dem Schreiben vom 8. Oktober 2013 genannten Entscheidungen des 3. Senats des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt ausweislich der Entscheidungsgründe nicht verwertet. Daher ist nicht ersichtlich, wie die angefochtene Entscheidung durch die - sicherlich prozessual ungeschickte - Vorgehensweise des Berufungsgerichts das rechtliche Gehör des Klägers hätte verletzen können. Denn die Auskunftsquellen als Grundlagen der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts waren dem Kläger mit dem gerichtlichen Schreiben vom 8. Oktober 2013 bekannt gegeben worden, so dass er sich dazu äußern konnte.
Gründe
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I.
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Der Kläger, ein marokkanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben im Jahr 2009 über den Seeweg nach Italien ein. Er lebte etwa einen Monat in einer Aufnahmeeinrichtung in Sizilien, wurde dort erkennungsdienstlich behandelt und reiste im Herbst 2009 nach Deutschland weiter, ohne in Italien Asyl beantragt zu haben. Im Oktober 2009 stellte er in Deutschland einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - im Hinblick auf die Zuständigkeit Italiens nach der Dublin-II-Verordnung als unzulässig ablehnte. Der Kläger wurde daraufhin im Dezember 2009 auf dem Luftweg über den Flughafen Rom-Fiumicino nach Italien überstellt. Im Januar 2011 wurde er erneut in Deutschland angetroffen und stellte wieder einen Asylantrag. Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 27. April 2011 die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.
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II.
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Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend macht, hat keinen Erfolg.
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Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,
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"inwieweit bei der Prognoseentscheidung über beachtliche Wahrscheinlichkeit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung bei Rückführung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat individuelle Erfahrungen des Betroffenen im dortigen Mitgliedstaat in erheblichem Maße zu berücksichtigen sind."
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Damit in Zusammenhang stehe die Frage,
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"ob es der Feststellung systemischer Mängel bedarf, wenn einem Betroffenen schon einmal oder ggf. auch mehrmals erniedrigende und unmenschliche Behandlung widerfahren ist, insbesondere nach einer schon einmal erfolgten Überstellung."
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Die aufgeworfenen Fragen rechtfertigen mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lassen sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt sind, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten. Der beschließende Senat hat dazu in seinem Beschluss vom 19. März 2014 - BVerwG 10 B 6.14 - (juris Rn. 5 ff.) ausgeführt:
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"Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).
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Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).
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Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den 'zuständigen Mitgliedstaat' im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.
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Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ('systemic failure') abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).
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Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus."
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Aus der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich, dass ein Asylbewerber der Überstellung in den nach der Dublin-II-Verordnung für ihn zuständigen Mitgliedstaat mit Blick auf unzureichende Aufnahmebedingungen für Asylbewerber nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegentreten kann und es nicht darauf ankommt, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war. Das Berufungsgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, dass derartige individuelle Erfahrungen vielmehr in die Gesamtwürdigung einzubeziehen sind, ob systemische Mängel im Zielland der Abschiebung des Antragstellers (hier: Italien) vorliegen (UA S. 26). In diesem begrenzten Umfang sind individuelle Erfahrungen des Betroffenen zu berücksichtigen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass persönliche Erlebnisse Betroffener, die - wie hier - einige Jahre zurückliegen, durch neuere Entwicklungen im betreffenden Staat überholt sein können. Individuelle Erfahrungen einer gegen Art. 4 GR-Charta verstoßenden Behandlung führen hingegen nicht zu einer Beweislastumkehr für die Frage des Vorliegens systemischer Mängel (so auch das Berufungsgericht UA S. 26 f.). Weiteren Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf es zur Beantwortung der von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen nicht.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 9. September 2015 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand:
2Der 1993 geborene Kläger ist somalischer Staatsangehöriger. Er reiste am 29. September 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 15. Oktober 2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt (persönliches Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens) am gleichen Tage gab er an, er habe sein Herkunftsland Somalia am 30. Dezember 2012 verlassen und sei über Äthiopien, Sudan und Libyen zunächst nach Italien gereist. Dort seien ihm Fingerabdrücke abgenommen worden. Asyl habe er nicht beantragt. Er sei schließlich mit dem Zug auf unbekannter Route nach Deutschland gelangt. Das Bundesamt führte eine Anfrage bei der Eurodac-Datenbank durch, die ergab, dass der Kläger am 25. Juni 2013 in Italien einen Asylantrag gestellt hatte (Eurodac-Treffer der Kategorie 1). Daraufhin richtete das Bundesamt am 27. Oktober 2014 ein Übernahmeersuchen an die italienischen Behörden. Mit Schreiben vom 10. November 2014 lehnte das italienische Innenministerium das Übernahmeersuchen mit der Begründung ab, dem Kläger sei in Italien bereits internationaler Schutz in Form subsidiären Schutzes gewährt worden. Er verfüge über eine entsprechende Aufenthaltserlaubnis. Das Asylverfahren sei damit in Italien abgeschlossen. Die Übernahme sei allerdings im Rahmen der polizeilichen Vereinbarung möglich.
3Mit Bescheid vom 12. November 2014 stellte das Bundesamt fest, dass dem Kläger aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zustehe (Ziffer 1), und ordnete seine Abschiebung nach Italien an (Ziffer 2).
4Am 1. Dezember 2014 hat der Kläger Klage erhoben. Den zeitgleich gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (13 L 2923/14.A) hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 23. Januar 2015 abgelehnt.
5Zur Klagebegründung hat der Kläger vorgetragen: Der angefochtene Bescheid genüge nicht den in der Entscheidung Tarakhel ./. Schweiz erfolgten Vorgaben des EGMR. Der Kläger sei in Italien der Obdachlosigkeit ausgesetzt gewesen. Er habe in Rom auf der Straße gelebt und betteln müssen. Eine Versorgung habe nicht stattgefunden, insbesondere keine Gesundheitsversorgung. Letztere benötige der Kläger, es sei eine Nierenoperation geplant. Der Kläger leide unter einer Stauungsniere bei Verdacht eines Nierensteins.
6Der Kläger hat beantragt,
7den Bescheid der Beklagten vom 12. November 2014 aufzuheben.
8Die Beklagte hat beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Mit Urteil vom 9. September 2015 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die zulässige Anfechtungsklage sei unbegründet. Der Bescheid sei rechtmäßig. Die Dublin III-VO gehe nicht der Anwendung des Art. 16a Abs. 2 GG und der §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylG vor. Der dem Kläger in Italien gewährte subsidiäre Schutz sei als internationaler Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU zu qualifizieren, bei dessen Vorliegen die Dublin III-VO keine Anwendung mehr finde. Die Voraussetzungen des § 26a AsylG lägen vor; Italien sei ein sicherer Drittstaat. Der Kläger könne sich auch nicht auf inlandsbezogene Abschiebungshindernisse berufen. Ihm werde in Italien hinreichender Schutz gewährt. Aktuelle ärztliche Bescheinigungen habe er nicht vorlegen können. Aus den übersandten älteren Bescheinigungen lasse sich kein Rückschluss auf seinen derzeitigen Gesundheitszustand ziehen. Zu einer aktuellen ärztlichen Behandlung habe er nichts Konkretes sagen können.
11Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom Senat zugelassene Berufung eingelegt, zu deren Begründung er vorträgt: Italien sei kein sicherer Drittstaat, da das Versorgungssystem systemische Schwachstellen aufweise, welche die Gefahr einer unmenschlichen und entwürdigenden Behandlung i.S. d. Art. 4 GR-Charta mit sich bringen könne. Der Kläger sei in Italien von Obdachlosigkeit und Mangelversorgung bedroht. Er bedürfe zudem medizinischer Fachversorgung.
12Der Kläger beantragt,
13das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 9. September 2015 (13 K 8025/14.A) abzuändern und den Bescheid des Bundesamtes vom 12. November 2014 aufzuheben.
14Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
15Die Ausländerbehörde hatte den Kläger, nach Vorliegen der Rücknahmebereit-schaft der italienischen Behörden (Schreiben vom 29. Januar 2016) wegen des dort gewährten subsidiären Schutz und der erteilten Aufenthaltserlaubnis (gültig bis zum 10. Juni 2019), am 22. April 2016 nach Italien überstellt. Der Kläger war sodann am 3. Mai 2016 wieder in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Er macht geltend, der Bescheid sei durch die erfolgte Überstellung gegenstandslos geworden und aufzuheben. Am 16. Juni 2016 hat die Ausländerbehörde den Kläger erneut nach Italien überstellt. Hierzu trägt der Prozessbevollmächtigte vor, er habe am 31. August 2016 mit dem Kläger telefoniert. Dieser verfüge derzeit in Italien nicht über einen festen Wohnsitz. Eine Wohnsitznahme über das Sozial-amt sei bisher nicht möglich gewesen. Er lebe vom Betteln.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Gerichtsakte des Eilverfahrens (13 L 2923/14.A) sowie die Verwaltungsvorgänge des Bundesamts und der Ausländerbehörde Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
18Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 12. November 2014 im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
19Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens sind gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG das Asylgesetz in der Fassung der Bekannt-machung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939), sowie das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 5 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939).
20A. Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, insbesondere statthaft.
21"Drittstaatenbescheide" nach §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylG a.F. können ebenso wie Entscheidungen über die Unzuständigkeit Deutschlands für die Prüfung des Asylantrags nach den unionsrechtlichen Regelungen der Dublin-Verordnungen („Dublin-Bescheide“) mit der isolierten Anfechtungsklage angefochten werden.
22Vgl. OVG NRW, Urteile vom 19. Mai 2016 - 13 A 1490/13.A -, juris, Rn. 22 ff. und vom 18. Juli 2016 - 13 A 1859/14.A -, juris, Rn. 18 f. m. w. N. zu den „Dublin-Bescheiden“, OVG Saarland, Beschluss vom 23. März 2016 ‑ 2 A 38/16 ‑, juris, Rn. 15 ff.; jeweils zu der Rechtslage vor Inkrafttreten des Integrationsgesetzes; a. A. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: März 2015, § 31 Rn. 62.
23Der Kläger hat auch - trotz seiner zwischenzeitlichen Überstellung nach Italien - ein Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Klage. Entgegen teilweise vertretener Auffassung -
24so u.a. VG München, Urteile vom 9. März 2016 ‑ M 12 K 15.30071 -, juris, Rn. 27, und vom 2. Juli 2012 - M 15 K 12.30110, juris, Rn. 15; VG Frankfurt/Oder, Urteil vom 28. November 2012 ‑ 3 K 525/11.A -, juris, Rn. 21 ff.; Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 34a AsylVfG, Rn. 9 -
25hat sich der Bescheid dadurch weder insgesamt noch hinsichtlich der Abschiebungsanordnung erledigt.
26Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2014 - 13 K 654/14.A -, juris, Rn. 35 ff.; Funke-Kaiser in: GK AsylVfG, Stand Mai 2015, § 34a Rn. 70, so im Ergebnis auch BVerwG, Beschluss vom 27. April 2016 - 1 C 22.15 ‑, juris.
27Erledigung im Sinne des § 43 Abs. 2 VwVfG tritt dann ein, wenn die mit dem Verwaltungsakt verbundene rechtliche oder sachliche Beschwer nachträglich weggefallen ist.
28Das ist hier nicht der Fall. Für die Abschiebungsanordnung folgt das bereits daraus, dass diese gemäß § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG unbeschränkt für alle Zukunft Grundlage künftiger Aufenthaltsbeendigungen im Falle eines Folgeantrags sein soll.
29Vgl. dazu auch Funke-Kaiser, a. a. O. § 34a Rn. 70.
30Außerdem bildet die Abschiebungsanordnung weiterhin die Rechtsgrundlage für die vollzogene Abschiebung. Die Aufhebung der Abschiebungsanordnung ist auch nicht sinnlos, denn im Falle einer rechtswidrigen Abschiebung kann diese einen Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch auslösen.
31Vgl. Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, § 59 Rn. 219, 221.
32Hierfür spricht schließlich auch die in Art. 29 Abs. 3 Dublin III-VO enthaltene Regelung, wonach der Mitgliedstaat, der die Überstellung durchgeführt hat, die überstellte Person unverzüglich wieder aufnehmen muss, wenn sie irrtümlich überstellt wurde oder einem Rechtsbehelf gegen die Überstellungsentscheidung oder der Überprüfung einer Überstellung nach Vollzug der Überstellung stattgegeben wird.
33Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2014 - 13 K 654/14.A -, juris, Rn. 44.
34Das Fehlen einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers in Italien nach der (nicht freiwillig erfolgten) Überstellung, lässt ebenfalls nicht auf ein nicht mehr bestehendes Interesse am Fortgang des Verfahrens schließen. Mit Blick darauf, dass der Kläger noch kurz vor seiner zweiten Überstellung nach Italien geäußert hat, er wolle keinesfalls nach Italien und werde im Falle einer Überstellung immer wieder nach Deutschland zurückkehren, ist vielmehr davon auszugehen, dass er weiterhin in Deutschland ein Asyl(folge)verfahren mit dem Ziel der Flüchtlingsanerkennung betreiben will.
35B. Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung insgesamt rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
36I. Das Bundesamt hat zu Recht in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids mit der Feststellung, dass dem Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht, eine inhaltliche Prüfung nicht vorgenommen und eine sachliche Entscheidung über den Asylantrag nicht getroffen.
371. Als Rechtsgrundlage dieser Entscheidung kommen nur §§ 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a), 31 Abs. 1 Satz 5, Abs. 6 AsylG in der seit dem 6. August 2016 geltenden Fassung in Betracht. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
38a. Der Bescheid ist auf §§ 26a Abs. 1 Satz 1, 31 Abs. 4 AsylG a. F. gestützt. Danach war festzustellen, dass dem Ausländer auf Grund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht. Nach den im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden und nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG hier maßgeblichen §§ 26a, 29 Abs. 1 Nr. 3, 31 Abs. 4 AsylG ist die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig möglich, wenn ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a AsylG betrachtet wird. Diese Rechtsgrundlage ist hier nicht anwendbar. Dabei kann offen bleiben, ob dies aus Unionsrecht folgt. Art. 25 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie 2005/85/EG (VRL-2005), deren Anwendbarkeit bei einer - hier vorliegenden - Antragstellung vor dem 20. Juli 2015, aus der Stichtagsregelung in Art. 52 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU gefolgert wird,
39vgl. dazu BVerwG Beschluss vom 23. Oktober 2015 - 1 B 41.15 -, juris, Rn. 11,
40bestimmt: Die Mitgliedstaaten können einen Antrag als unzulässig betrachten, wenn ein anderer Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Daraus könnte folgen, dass im Falle „nur“ subsidiärer Schutzgewährung durch den Drittstaat ein Vorgehen nach § 26a AsylG unionsrechtswidrig wäre.
41Vgl. zum Vorgehen nach § 26a AsylG bei anderweitiger Flüchtlingsanerkennung OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 – 13 A 1490/13.A -, juris.
42Jedenfalls scheiden §§ 26a, 29 Abs. 1 Nr. 3, 31 Abs. 4 AsylG als Rechtsgrundlage deshalb aus, weil hier ein Dublin-Verfahren vorliegt, bei dem die speziellere Norm des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AsylG vorrangig anwendbar ist.
43b. Dass das Bundesamt den angefochtenen Bescheid nicht auf § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG, sondern auf § 26a, § 31 Abs. 4 AsylVfG (entspricht §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylG in der bis zum 5. August 2016 geltenden Fassung) gestützt hat, ist unerheblich. Jedenfalls kann der Bescheid im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auf Grundlage des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit a) AsylG aufrecht erhalten werden. Im Rahmen der Überprüfung eines Bescheids nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO kommt es nicht (allein) auf das von der Verwaltung herangezogene Recht an; vielmehr ist die Kontrolle im Sinne schlichter Rechtsanwendung auf das Recht zu erstrecken, das geeignet ist, an Stelle des von der Verwaltung herangezogenen, sich etwa als nicht tragfähig erweisenden Rechts den Spruch des Bescheids zu rechtfertigen, vorausgesetzt, dass dabei am Spruch des Bescheids nichts Wesentliches geändert wird.
44Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. August 1988 - 8 C 29.87 -, BVerwGE 80, 96 (98) = juris, Rn. 12 f., vom 12. April 1991 - 8 C 92.89 -, juris, Rn. 9, und vom 31. März 2010 - 8 C 12.09 -, juris, Rn. 19; OVG NRW, Urteil vom 24. August 2016 - 13 A 63/16.A -, juris; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 113 Rn. 26.
45Das Bundesamt hat in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids festgestellt, dass dem Kläger in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht. Im Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG wird zwar keine derartige Feststellung getroffen, sondern der Asylantrag als unzulässig abgelehnt. Das führt aber nicht zu einer Wesensänderung des Bescheids. Es handelt sich nicht um einen anderen Streitgegenstand mit für den Kläger ungünstigeren Rechtsfolgen. Bei der Ablehnung des Asylantrags des Klägers auf Grundlage des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG besteht ebenso wie bei der Entscheidung nach § 26a AsylG i. V. m. § 31 Abs. 4 AsylG a. F. kein Ermessensspielraum. Beide Normen erfassen die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sehen auf der Tatbestandsseite einen konkreten Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat vor und auf der Rechtsfolgenseite, dass der Asylantrag wegen des jeweiligen Drittstaatenbezug nicht inhaltlich geprüft werden soll. Dies setzt europarechtlich in beiden Fällen voraus, dass in dem betreffenden Mitgliedstaat keine sog. systemischen Mängel bzw. Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen gegeben sind, aufgrund derer der Asylbewerber Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der EU (im Folgenden: GR-Charta) bzw. dem gleichlautenden Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) ausgesetzt zu werden. Auch die weiteren Rechtsfolgen sind in beiden Fällen identisch. Sie ergeben sich jeweils aus § 34 a AsylG.
46Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 - 13 A 1490/13.A -, juris, Rn. 62 ff., OVG Rh.-Pf., Urteil vom 18. Februar 2016 - 1 A 11081/14 -, juris, Rn. 23.
472. Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere ist der Kläger vor der Entscheidung des Bundesamtes ordnungsgemäß angehört worden.
483. Die inhaltliche Regelung in Ziffer 1 ist auch materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG (s.o.) liegen vor. Im Zeitpunkt der Entscheidung im Berufungsverfahren, der nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG entscheidungserheblich ist, ist nach der Dublin III-VO ein anderer Mitgliedstaat und zwar Italien für die sachliche Prüfung des Asyl(folge)antrags des Klägers zuständig, der - weil er seinen Antrag nicht beschränkt hat - auch die Flüchtlingsanerkennung begehrt.
49a. Die Dublin III-VO ist im vorliegenden Fall anwendbar.
50aa. Das gilt zunächst in zeitlicher Hinsicht. Nach Art. 49 Abs. 2 Dublin III-VO ist die Verordnung auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten (ab dem 1. Januar 2014) gestellt werden (Satz 1). Für einen Antrag auf internationalen Schutz, der vor diesem Datum eingereicht wird, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien der Dublin II-VO (Satz 2). Maßgeblich ist danach hier der in Deutschland - am 15. Oktober 2014 - gestellte Antrag, nicht etwa der 2013 in Italien bestandkräftig beschiedene (erste) Antrag des Klägers in einem Mitgliedstaat.
51Vgl. OVG NRW, Urteile vom 18. Juli 2016 - 13 A 1859/14.A -, juris, und vom 7. Juli 2016 - 13 A 2302/15.A, juris; a.A. Filzwieser/Sprung, Dublin III-VO, Stand 1. Februar 2014, Art. 49 K 3, VG München, Urteil vom 17. März 2016 - M 22 K 15.30257 -, juris; VG Würzburg, Urteil vom 12. Mai 2016 - W 2 K 15.30105 -, juris, Rn. 27.
52Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO, in dem im Gegensatz zu anderen Vorschriften der Dublin III-VO (z.B. Art. 7 Abs. 2) auch nicht vom ersten Antrag die Rede ist. Die Zuständigkeitsfrage stellt sich ferner nur in Bezug auf einen aktuell zu bescheidenden Antrag. Ist über diesen ‑ wie hier in Italien ‑ bereits bestandskräftig entschieden, bedarf es insoweit keiner Zuständigkeitsbestimmung nach den Dublinregeln mehr.
53bb. Die Dublin III-VO ist auch in sachlicher Hinsicht anwendbar. Das Dublin-Verfahren ist nicht schon mit der - hier vorliegenden - Gewährung subsidiären Schutzes beendet worden.
54So aber u.a. VG Aachen, Urteil vom 28. Oktober 2015 - 8 K 299/15.A -, juris, Rn. 51ff ; Schweizer Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 2. Februar 2015 - Abteilung IV D-534/2015/plo -, offenlassend: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. April 2015 - A 11 S 57/15 -, juris, Rn. 37.
55Zwar bestimmt die Dublin III-VO den zuständigen Mitgliedstaat für den Antrag auf internationalen Schutz, der nach Art. 2 lit. b Dublin III-VO i. V. m. Art. 2 lit. h der Richtlinie 2011/95/EU sowohl die Flüchtlingsanerkennung als auch die Gewährung subsidiären Schutzes umfasst. Daraus folgt aber nicht, dass nach der Gewährung subsidiären Schutzes für auf Flüchtlingsanerkennung gerichtete Asyl-(folge)anträge nicht mehr die Dublin III-VO anwendbar wäre. Sinn und Zweck der Dublin III-VO ist es, einen Mitgliedstaat zu bestimmen, der (umfassend) für die auf internationalen Schutz gerichteten Anträge zuständig ist, um ein Asylshop-ping, d. h. die Bevorzugung von Ländern mit besonders günstigen Verhältnissen sowie die Stellung von Mehrfachanträgen in verschiedenen Mitgliedstaaten zu verhindern. Das ergibt sich u.a. aus den Bestimmungen zum Gegenstand der Verordnung (Art. 1), den Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und deren Rangfolge (Kapitel III), den Pflichten des zuständigen Mitgliedstaates, diejenigen Personen zurückzunehmen, über deren (Erst)anträge noch nicht abschließend entschieden wurde oder deren Anträge abgelehnt wurden (Art. 18), sowie aus den als Ausnahme geregelten Voraussetzungen eines Zuständigkeitsübergangs (z.B. bei Fristversäumnis nach Art. 23 Abs. 3, Art. 29 Abs. 2 oder im Falle des Selbsteintritts nach Art. 17). Dem widerspricht es aber, wenn im Falle der sogenannten „Aufstocker“, also derjenigen Personen, die bereits subsidiären Schutz erhalten haben, aber nunmehr auch die Flüchtlingsanerkennung begehren, die Dublin III-VO nicht mehr anwendbar wäre. Der Antrag auf internationalen Schutz umfasst nämlich nicht nur den subsidiären Schutz, sondern darüber hinaus die Flüchtlingsanerkennung. Letztere ist dem subsidiären Schutz auch nicht etwa gleichwertig, sondern für die Betroffenen ggfs. mit weiteren Rechten verbunden, wie beispielsweise der Möglichkeit des Familiennachzugs. Die Verpflichtung, einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, wieder aufzunehmen (Art. 18 Abs. 1 lit. d) Dublin III-VO) erfasst diese Personengruppe schließlich auch, denn mit der Zuerkennung (nur) des subsidiären Schutzes ist gleichzeitig eine Ablehnung der Flüchtlingsanerkennung verbunden.
56So im Ergebnis auch Funke-Kaiser, Personen mit Schutzstatus in einem anderen EU-Land - Rechtliche Probleme, Asylmagazin 2015, 148, 150 f.; Bergmann, Das Dublin-Asylsystem, ZAR 2015, 81, 83.
57cc. Auch die Ablehnung der italienischen Behörden, den Kläger nach den Dublin-Regelungen zu übernehmen, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Die Dublin-Verordnung ist geltendes europäisches Recht und steht nicht zur Disposition der daran gebundenen Mitgliedstaaten. Im Übrigen hat Italien nicht generell die Übernahme des Klägers abgelehnt, sondern zu erkennen gegeben, dass es den Kläger nach dem Rücknahmeabkommen übernehmen wird und ihn schlussendlich auch (zweimal) übernommen. Jedenfalls in dieser Fallgestaltung, in der der Übernahme zugestimmt wird, kann nicht entscheidend sein, auf welcher Rechtsgrundlage der aufnehmende Mitgliedstaat meint, verpflichtet zu sein.
58b. Aus den Vorschriften der Dublin III-VO ergibt sich die Zuständigkeit Italiens für den Antrag des Klägers auf Flüchtlingsanerkennung.
59aa. Nach Art 13 Abs. 1 Dublin III-VO war zunächst Italien als Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig geworden, da der Kläger die italienische Grenze aus einem Drittstaat (Libyen) kommend im Jahr 2013 illegal überschritten hat. Die so begründete Zuständigkeit endete zwar gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO 12 Monate nach dem Tag des illegalen Grenz-übertritts. Da Italien dem Kläger aber subsidiären Schutz gewährt und einen (bis zum 10. Juni 2019) gültigen Aufenthaltstitel ausgestellt hat, wurde eine weitere Zuständigkeit Italiens gemäß Art. 12 Abs. 1 Dublin III-VO begründet.
60bb. Ein Zuständigkeitsübergang auf die Bundesrepublik Deutschland liegt nicht vor.
61(1) Ein solcher ergibt sich weder aus Art. 19 Dublin III-VO, noch ist ein Zuständigkeitswechsel wegen des Ablaufs der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO erfolgt. Wegen der Ablehnung Italiens, den Kläger nach der Dublin III-VO zurückzunehmen, hat der Fristlauf schon nicht begonnen.
62(2) Auch ist die Bundesrepublik Deutschland nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO zuständig geworden. Danach wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat, wenn keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat vorgenommen werden kann. Die Voraussetzungen sind nicht erfüllt, insbesondere ist kein Fall des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO gegeben. Nach dieser Vorschrift setzt der prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Kapitel III vorgesehen Kriterien fort, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta mit sich bringen.
63(a) Diese Regelung geht zurück auf die Rechtsprechung des EuGH und des EGMR zu systemischen Mängeln des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen bei Verfahren nach der Dublin II-VO. Danach kann die auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens beruhende Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der GR-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der EMRK steht, widerlegt werden. Eine Widerlegung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die asylrechtlichen Richtlinien der EU – Richtlinie 2003/9/EG bzw. 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie), Richtlinie 2004/83/EG bzw. 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie), Richtlinie 2005/85/EG bzw. 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie) – genügen. Vielmehr müssen die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta – der Art. 3 EMRK entspricht – ausgesetzt zu werden.
64Vgl. EuGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - C- 411/10 und C-493/10 (N.S.) -, NVwZ 2012, 417 = juris, Rn. 78 ff., vom 14. November 2013 - C-4/11 (Puid) -, juris, Rn. 30 ff., und vom 10. Dezember 2013 - C-394/12 (Abdullahi ) -, NVwZ 2014, 208 = juris, Rn. 52; EGMR, Urteile vom 21. Januar 2011 - 30696/09 (M.S.S.) -, ZAR 2011, 395, Rn. 216 ff., und vom 4. November 2014 ‑ 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, Rn. 93 und102 ff.; BVerwG, Beschlüsse vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, NVwZ 2014, 1039 = juris, Rn. 5 ff., vom 6. Juni 2013 - 10 B 35.14 -, NVwZ 2014, 1677 = juris, Rn. 5, und vom 15. April 2014 - 10 B 17.14 -, juris, Rn. 3 ff.; vgl. zum Ganzen ausführlich OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 ‑ 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 65 ff.
65Wegen des in Deutschland geltenden Untersuchungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss sich der Tatrichter die Überzeugungsgewissheit verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Systemische Mängel liegen danach vor, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im eigentlich zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.
66Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris, Rn. 9.
67Zwar setzt dies nicht voraus, dass in jedem Falle das gesamte Asylsystem einschließlich der Aufnahmebedingungen und der zugehörigen Verfahren schlechthin als gescheitert einzustufen ist, jedoch müssen die in jenem System festzustellenden Mängel so gravierend sein, dass sie in einer Vielzahl von Fällen zu der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung führen. Das kann darauf beruhen, dass die Fehler bereits im System selbst angelegt sind und deswegen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern nicht zufällig und im Einzelfall, sondern (objektiv) vorhersehbar von ihnen betroffen sind. Ein systemischer Mangel kann daneben aber auch daraus folgen, dass ein in der Theorie nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - mit Blick auf seine empirisch feststellbare Umsetzung in der Praxis - faktisch in weiten Teilen funktionslos wird.
68Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 89 ff.
69Hingegen kommt es nicht darauf an, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war. Derartige individuelle Erfahrungen sind in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob im maßgeblichen Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung (hier: der Entscheidung) systemische Mängel im Zielland der Abschiebung vorliegen, wobei zu beachten ist, dass persönliche Erlebnisse Betroffener durch neuere Entwicklungen in dem betreffenden Staat überholt sein können.
70Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2013 - 10 B 35.14 -, juris, Rn. 6; s. auch EGMR, Urteil vom 13. Januar 2015 - 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) -, juris, Rn. 30.
71Diese zur Dublin II-VO entwickelten Grundsätze gelten auch für Verfahren nach der Dublin III-VO. Der in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO geregelte Maßstab, dass es „wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta mit sich bringen“ ist eine Kodifizierung der bisherigen Rechtsprechung.
72Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 -, NVwZ 2014, 1677 = juris, Rn. 5; Bay. VGH, Urteil vom 29. Januar 2015 - 13a B 14.50039 -, AuAS 2015, 104 = juris, Rn. 28; Sächs. OVG, Beschluss vom 5. Oktober 2015 - 5 B 259/15.A -, juris, Rn. 27.
73Bei der Bewertung der in Italien anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Asylbewerbern ist maßgeblich auf Ausländer in einer vergleichbaren rechtlichen und tatsächlichen Lage wie der des Klägers abzustellen, d. h. eines allein stehenden jungen Mannes, der in Italien vor seiner Weiterreise nach Deutschland ein Asylverfahren durchgeführt hat, das mit der Gewährung subsidiären Schutzes und einer italienischen Aufenthaltser-laubnis endete, und der nunmehr noch die Flüchtlingsanerkennung begehrt.
74(b) Hiervon ausgehend steht nach dem im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegenden Erkenntnismaterial zur Überzeugung des Senats fest, dass es keine wesentlichen Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahrens und/ oder die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in Italien systemische Schwach-stellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 GR-Charta mit sich bringen.
75Vgl. ebenso für Italien – in unterschiedlichen Fallkonstellationen – EGMR, Urteil vom 30. Juni 2015 - 39350/13 (A.S. v. Schweiz) -, Rn. 36, vom 13. Januar 2015 - 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) -, juris, Rn. 35, und vom 4. November 2014 - 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, juris, Rn. 114 f.; OVG NRW, Urteile vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, vom 24. April 2015 - 14 A 2356/12.A -, juris, Rn. 35 ff., und vom 19. Mai 2016 - 13 A 516/14.A -, juris, vom 10. Juli 2015 ‑ 15 A 1048/14.A -, juris; Nds. OVG, Urteil vom 25. Juni 2015 - 11 LB 248/14 -, juris, Rn. 47 ff.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 -, juris, Rn. 43 ff.; Bay. VGH, Urteil vom 28. Februar 2014 - 13a B 13.30295 -, BayVBl. 2014, 628 = juris; Hess. VGH, Beschluss vom 28. Februar 2014 - 10 A 681/13.Z.A ‑, juris; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 21. Februar 2014 - 10 A 10656/13 -, juris; OVG S.-A., Beschluss vom 14. November 2013 - 4 L 44/13 -, juris.
76(aa) Bei der Würdigung der Erkenntnisse ist zunächst davon auszugehen, dass Italien - sowohl im Hinblick auf das dortige Rechtssystem als auch die Verwaltungspraxis - über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes Asylverfahren verfügt.
77Vgl. zum Asylverfahren im Einzelnen Auswärtiges Amt (AA), Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.1, sowie an das OVG S.-A. vom 21. Januar 2013, 2. und 3.; CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 16 ff.; EASO Special Support Plan to Italy, 11. März 2015, S. 4; s. auch EGMR, Urteil vom 4. November 2014 - 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, Rn. 37.
78Ob Art. 4 GR-Charta die vollständige Umsetzung der diesbezüglichen Richtlinien erfordert, kann offen bleiben. Das Asylverfahren in Italien ist inzwischen richtlinienkonform. Mit Wirkung vom 30. September 2015 wurden die Neufassungen der Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU und der Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU in das italienische Recht übernommen (Gesetzesdekret 142/2015: decreto legislative 18 agosto 2015, n 143 „Attuazione della direttiva 2013/33/UE recante norme relative all’accoglienza die richiedenti protezione internazionale, noché della direttiva 2013/32/UE, recante procedure comuni ai fini del riconoscimento e della revoca dello status die protezione internazionale“).
79Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 2; CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 9 und 12.
80Der Senat ist auch davon überzeugt, dass das Asylsystem trotz ggf. einzelner Unzulänglichkeiten prinzipiell funktionsfähig ist. Es ist weder in Bezug auf die tatsächliche Dauer noch auf die Qualität menschenrechtswidrig. In etwa der Hälfte der Fälle ist in den letzten Jahren ein Schutzstatus gewährt worden (2013: 61 %, 2014: 59 %, 2015: 42 %).
81Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. April 2014 ‑ A 11 S 1721/13 -, juris, Rn. 44 f.; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.1.; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 133 ff.; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 7; zur Schutzquote vgl. Eurostat, recognition rates, 2013, 2014, 2015, abrufbar von http://ec.europa.eu/eurostat.
82Bisher ist regelmäßig vor allem gerügt worden, dass für die formelle Registrierung als Asylbewerber (verbalizzazione) eine Wohnsitzbestätigung erforderlich sei und in der mitunter langen Zeit bis zur verbalizzazione eine Unterbringung nicht gewährleistet sei. Es kann offen bleiben, ob insoweit systemische Schwach-stellen anzunehmen wären. Nach der aktuellen Rechtslage (Gesetzesdekret 142/2015) wird ein Wohnsitz nicht verlangt und beträgt die Frist zwischen Asyl-gesuch und formeller Registrierung drei, maximal zehn Tage. Selbst wenn das Verfahren in der Praxis länger dauert, ist die Unterbringung in der Regel gewährleistet.
83Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 2; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.1.
84Gesetzesdekret 142/2015 stellt klar, dass die Adresse der Unterbringungseinrichtung in der der Antragsteller wohnt, als Wohnsitz zu betrachten ist.
85Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 21.
86Da das Asyl(erst)verfahren des Klägers in Italien bereits abgeschlossen ist, kommt es auf diese Fragen schon nicht an, weil er bei den zuständigen Behörden erfasst ist.
87Italien ermöglicht – wie in Art. 40 Richtlinie 2013/32/EU vorgesehen – ein Folgeverfahren, wenn neue Umstände vorgebracht werden können.
88Vgl. SFH, Auskünfte an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 3, und vom 18. Mai 2016, S. 2; CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 17, 47 f.
89Ein Folgeantrag (subsequent application) muss bei der Questura gestellt werden, die ihn an die zuständige Territorialkommission (Commissioni Territoriali per il Riconoscimento della Protezione Internazionale, CTRPI) zur Prüfung weiterleitet. Im Übrigen gelten für das Folgeverfahren im Grundsatz dieselben verfahrensrechtlichen Garantien wie für das Erstverfahren.
90Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 48.
91(bb) Dublin-Rückkehrer müssen nach der aktuellen Erkenntnislage auch während der Durchführung ihres Asylfolgeverfahrens in Italien nicht beachtlich wahrscheinlich damit rechnen, dass sie wegen der Aufnahmebedingungen in ihrem Grundrecht aus Art. 4 GR-Charta verletzt werden. Dabei ist auch bei Folgeantragstellern grundsätzlich auf die für Asylbewerber geltenden Umstände abzustellen.
92Vgl. auch EGMR, Urteil vom 13. Januar 2015 ‑ 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) -, juris, Rn. 31 f.
93Verfolgt der Kläger das in Deutschland angebrachte Asylbegehren, d. h. seinen auch auf Flüchtlingsanerkennung gerichteten Antrag, in Italien weiter oder stellt er dort alternativ einen erneuten Antrag auf Flüchtlingsanerkennung, handelt es sich um einen (ersten) Folgeantrag, der zur Anwendbarkeit der Aufnahmerichtlinie führt. Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie) – die nach den obigen Ausführungen in Italien auch umgesetzt worden ist – gilt diese für alle Personen, die internationalen Schutz beantragen, solange sie als Antragsteller im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats bleiben dürfen. Der 8. Erwägungs-grund stellt klar, dass die Aufnahmerichtlinie in allen Phasen und auf alle Arten von Verfahren, die Anträge auf internationalen Schutz betreffen, Anwendung findet. Ausnahmen vom Recht auf Verbleib nach Art. 41 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU liegen hier nicht vor.
94Für das Asyl-Folgeverfahren gelten jedenfalls beim ersten Folgeantrag im Grundsatz dieselben verfahrensrechtlichen Garantien wie für das Erstverfahren.
95Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 48; SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 18. Mai 2016, S. 2.
96Dabei wird ohne weitere Differenzierung davon ausgegangen, dass nach der Stellung des Folgeantrags (CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 48), d. h. während der „Abklärung“ (SFH, 18. Mai 2016, S. 2), die auch die Klärung der Zulässigkeit umfasst, eine Gleichbehandlung mit den Erstantragstellern erfolgt.
97Eine systemisch begründete, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta ist für Asylbewerber in Italien nicht gegeben. Die dem Senat vorliegenden Erkenntnisse rechtfertigen nicht den Schluss, dass der Kläger während der Dauer des Asylfolgeverfahrens die elementaren Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme, Hygienebedürfnisse, medizinische Grundversorgung) nicht in einer noch zumutbarer Weise wird befriedigen können. Die zweifellos bestehenden Mängel der Aufnahmebedingungen sind nicht derart gravierend, dass bei jedem Rückkehrer die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 4 GR-Charta zu bejahen wäre.
98Die sich aus der Aufnahmerichtlinie ergebenden Verpflichtungen, die als Konkretisierung des für ein menschenwürdiges Dasein einzuhaltenden Maßstabs im Sinne des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GR-Charta angesehen werden,
99vgl. EGMR, Urteile vom 30. Juni 2015 - 39350/13 (A.S. v. Schweiz) -, Rn. 28 f., vom 4. November 2014 - 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, Rn. 96 f., und vom 21. Januar 2011 - 30696/09 - (M.S.S.), EuGRZ 2011, 243, Rn. 250 f. und 263; zurückhaltender EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 ‑ Rs. C-411/10 u.a. (N.S.) -, Rn. 84 (nicht jeder geringste Verstoß genügt); OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 120 ff.; kritisch Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406 (407), sowie Hailbronner, AuslR, Stand März 2015, § 27a Rn. 22,
100hat Italien, wie bereits ausgeführt, in innerstaatliches Recht übernommen. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die rechtlichen Vorgaben in der Praxis im erheblichen Ausmaß nicht beachtet werden.
101Das in Art. 17 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 g) Aufnahmerichtlinie verankerte Recht auf Unterkunft bleibt auch nicht systematisch unbeachtet, so dass etwa mit monatelanger Obdachlosigkeit zu rechnen wäre.
102Vgl. für Griechenland EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 (M.S.S.) -, EuGRZ 2011, 243 = juris, Rn. 253, 263.
103Eine solchermaßen dramatische Lage lässt sich aktuell für Italien aufgrund belastbarer Tatsachen nicht feststellen.
104Wer noch keinen Asylantrag gestellt hat, kann bei der Questura desjenigen Flughafens, an den er rücküberstellt wird, einen Asylantrag stellen (Verbalizzazione) und erhält etwa bei der Nichtregierungsorganisation (non-governmental organization, NGO) am Flughafen in Rom einen Unterbringungsplatz in einem CAS (Centro die accoglienza straordinaria)-Zentrum in der Umgebung von Rom. Wer vor der Weiterreise bereits ein Asylgesuch in Italien gestellt hatte, muss zur zuständigen Questura reisen, um das Asylverfahren weiterzuführen. Dazu erhält er an der Grenze, etwa auch bei seiner Ankunft am Flughafen in Rom, von NGOs ein Bahnticket zur Verfügung gestellt. Bei der zuständigen Präfektur wird die Unterkunft beantragt. Wer das Unterbringungszentrum ohne Meldung verlassen hat, verliert zwar grundsätzlich seinen Unterkunftsanspruch, kann aber einen neuen Platz beantragen.
105Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 4 ff.; AA, Auskünfte an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.2 und 2.1., und vom 11. September 2013; zu letztgenanntem Gesichtspunkt s. auch CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 75.
106Für Folgeantragsteller gilt nichts anderes, insbesondere können sie ebenfalls in den Unterkunftszentren unterkommen.
107Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 48; SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 18. Mai 2016, S. 2.
108Ende 2015 verfügte Italien nach einer massiven Aufstockung über rund 104.000 Unterbringungsplätze in CAS-, CPSA (Centro di primo soccorso e accoglienza)-, CDA (centro di accoglienza)-, CARA (Centro di accoglienza per richiedenti asilo; jetzt: „centri governativi di accoglienza“)- und SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e refugiati“)-Einrichtungen, wovon der größte Anteil auf die temporären Aufnahmeeinrichtungen des CAS-Systems entfällt (76.683 Plätze).
109Dem standen 2015 rund 84.000 neue Asylanträge gegenüber, ca. 20.000 mehr als im Vorjahr.
110Vgl. die Eurostat-Statistik „Asylum and new asylum applicants – annual aggregated data –“, abrufbar von http://ec.europa.eu/eurostat.
111Hinzu kommen noch die Personen, die sich bereits zuvor im Asylverfahren befanden, und die Dublin-Rückkehrer.
112Am 29. Februar 2016 waren insgesamt 107.387 Personen in diversen national unterhaltenen Unterkunftszentren untergebracht.
113Vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation, Italien, Wien, 22. März 2016.
114Unterstützt von EASO (European Asylum Support Office der EU) hat Italien die Unterkunftskapazitäten erheblich erhöht.
115Vgl. EASO Special Support Plan to Italy, 11. März 2015, S. 1.
116Das SPRAR-System, ein kommunales Unterbringungssystem, das vom italienischen Staat zentral verwaltet wird und eine Unterbringung bei privaten oder kommunalen Trägern vorsieht, wird ständig ausgebaut und soll von 20.000 auf mindestens 35.000 Plätze aufgestockt werden.
117Vgl. AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 2.4.
118Die Unterbringung in den staatlichen Einrichtungen wird grundsätzlich für die Zeit des Asylverfahrens und eines etwaigen Rechtsmittelverfahrens gewährleistet.
119Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 74.
120Eine zuvor angenommene maximale Aufenthaltsdauer von 20 bzw. 35 Tagen in CARA-/CDA-Zentren oder sechs Monaten in SPRAR-Einrichtungen, die im Übrigen oft wesentlich überschritten wurde,
121vgl. ASGI (Associazione Studi Giuridici sull’Immi-grazione), The Dublin System and Italy: A Wavering Balance, März 2015, S. 13 f., 23 f.; aida (Asylum Information Database): Country Report Italy, Januar 2015, S. 53; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 11. September 2013; UNHCR, Recommendations on important aspects of refugee protection in Italy, Juli 2012, S. 12; borderline-europe e.V., Auskunft an VG Braunschweig, Dezember 2012, S. 34 f. und 51,
122gibt es für Asylantragsteller nicht (mehr). Eine Obergrenze für die Dauer des Aufenthaltes ist im Gesetzesdekret 142/2015, das die entsprechenden Vorgaben der Aufnahmerichtlinie umsetzt, nicht vorgesehen.
123Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 74.
124Ergänzend zu den staatlichen Unterbringungseinrichtungen stellen verschiedene kirchliche oder kommunale Einrichtungen sowie lokale Hilfsorganisationen zur Vermeidung von Obdachlosigkeit Unterkünfte zur Verfügung.
125Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 7 f.; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 2.4, und an das OVG S.-A. vom 21. Januar 2013, 4.4; borderline-europe e.V., Auskunft an das VG Braunschweig, Dezember 2012, S. 21.
126Insgesamt kann angesichts dieser Zahlen nicht davon ausgegangen werden, dass die Unterbringung, auch wenn sie von unterschiedlicher Qualität ist und nicht in jedem Fall den Mindeststandards entspricht,
127vgl. zu den Bedingungen in den Einrichtungen CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 70 ff.; SFH, Auskunft an das VG Schwerin vom 23. April 2015, S. 4,
128im Sinne systemischer Schwachstellen defizitär ist.
129Selbst wenn man aber unterstellt, die in Italien aktuell vorhandenen Kapazitäten zur Unterbringung von Asylbewerbern reichten derzeit oder in naher Zukunft nicht aus, ergäbe sich daraus nach Auffassung des Senats noch kein systemisches, die Grenze zur drohenden Grundrechtsverletzung nach Art. 4 GR-Charta überschreitendes Versagen des Staates. Die Menschenrechte verpflichten die Staaten weder, eine absolut bestimmbare Mindestanzahl von Unterkünften zur Verfügung zu stellen, noch dazu, rein vorsorglich Unterkunftskapazitäten im Umfang einer „Spitzenbelastung“ vorzuhalten.
130Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 158.
131Nach den vorliegenden Erkenntnissen reagiert Italien jedenfalls inzwischen flexibel auf den Zustrom. Das System ist durch die kurze Auftragsdauer für die temporären CAS-Zentren (Ausschreibung alle sechs Monate) sehr flexibel in Bezug auf Schwankungen. Ferner waren jüngst unter dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU (AMIF) verschiedene Projekte ausgeschrieben, die auch die Unterbringung von Asylbewerbern umfassten.
132Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 7 f.
133Hiervon ausgehend ist die Erwartung, dass künftig wieder mehr Flüchtlinge den Weg über das Mittelmeer suchen und in Italien die Grenze zur EU überschreiten werden, nicht ausreichend, um derzeit systemische Schwachstellen anzunehmen. Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien würde erst dann überschritten, wenn – was hier nicht der Fall ist – absehbar wäre, dass auf die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung dieses Problems ergriffen würden.
134Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. April 2015 - 14 A 2356/12.A -, juris, Rn. 41.
135Die aktuelle Presseberichterstattung veranlasst nicht zu einer anderen Bewertung. Hier wird zwar von Kapazitätsengpässen insbesondere wegen des jahreszeitbedingten starken Zustroms von Flüchtlingen über das Mittelmeer berichtet, aber auch von den Bemühungen Italiens, kurzfristige Lösungen zu finden sowie vom Erfolg derartiger Bemühungen.
136Vgl. u.a. Maxwill, Flüchtlingschaos in Sizilien, Der Spiegel, online-Ausgaben vom 20., 21., 23. und 24.Juni 2016, Starker Flüchtlingsandrang in Italien, Frankfurter Rundschau, online-Ausgabe vom 30. Mai 2016.
137Auch die Versorgung mit Lebensmitteln, Kleidung, Hygieneartikeln und der Zugang zu einer medizinischen Mindestversorgung (vgl. Art. 19 Richtlinie 2013/33/EU) ist während des Asyl(folge)verfahrens grundsätzlich in menschenrechtskonformer Weise gewährleistet. Asylbewerber haben Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem. Die übrige Versorgung erfolgt über die Unterbringungseinrichtungen, teilweise auch über karitative Organisationen.
138Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 8 f.; AA, Auskünfte an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 3.1, an das VG Schwerin vom 25. März 2015, sowie an das OVG S.-A. vom 21. Januar 2013, 5. und 6.; CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 64, 82; EASO Special Support Plan to Italy, 11. März 2015, S. 5.
139Zudem ist es Asylbewerbern nach Art. 22 Abs. 1 des Gesetzesdekrets 142/2015 bereits 60 Tage nach Stellung des Asylgesuchs erlaubt zu arbeiten.
140Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 81.
141Auch der EGMR hat für den Fall eines alleinstehenden (jungen) Mannes (Urteile vom 13. Januar 2015 - 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) - und vom 30. Juni 2015 – 39350/13 (A.S. ./.Schweiz) -) keine Grundlage für die Annahme gesehen, ihm drohe im Fall der Rückführung nach Italien eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK. Die Tarakhel-Entscheidung des EGMR vom 4. November 2014 - 29217/12 (T. ./. Schweiz) -, mit der die Rückführung nach Italien von Garantien italienischer Behörden abhängig gemacht worden ist, beruhte auf der besonderen - hier nicht vorliegenden - Situation einer Familie mit sechs minderjährigen Kindern, der spezifischen Schutzbedürftigkeit von Kindern und dem Gebot der Wahrung der Familieneinheit.
142(cc) Wenn der Kläger in Italien nicht als Dublin-Rückkehrer behandelt werden sollte, sondern, weil er dort bereits subsidiären Schutz und eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hat, wie alle international Schutzberechtigten, läge eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GR-Charta ebenfalls nicht vor.
143Denn auch die Lebensverhältnisse international Schutzberechtigter in Italien in vergleichbarer Lage stellen sich nicht als unmenschlich oder erniedrigend dar.
144Nach den vorliegenden Erkenntnissen sind in Italien Ausländer, die dort als subsidiär Schutzberechtigte anerkannt worden sind, italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt, d. h., es wird grundsätzlich von ihnen erwartet, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen.
145Vgl. Schweizer Flüchtlingshilfe (SFH), Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, 5.4.1; SFH an OVG NRW, 7. April 2016, S. 4 ff.
146Dies ist nicht menschenrechtswidrig. Art. 4 GR-Charta verpflichtet - ebenso wie der gleichlautende Art. 3 EMRK - nicht, jedermann im Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch wird damit keine allgemeine Verpflichtung begründet, Flüchtlingen oder subsidiär Schutzberechtigten finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen.
147Vgl. zu Art. 3 EMRK: EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 ‑ 30696/09 (M.S.S.) -, EUGRZ 2011, 243, Rn. 249, m. w. N., und Beschluss vom 2. April 2013 ‑ 27725/10 (Mohammed Hussein) -, ZAR 2013, 336 f., Rn. 70; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 ‑ 1 A 21/12.A ‑, juris, Rn. 119.
148Die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat, reicht ebenfalls nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK bzw. von Art. 4 GR-Charta verboten wird, zu überschreiten.
149Vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 2. September 2015 ‑ 9 A 399/14 ‑, juris Rn. 46 m. w. N.
150Dies entspricht im Übrigen auch den Vorgaben der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie), die die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass international Schutzberechtigte im Hinblick auf den Zugang zu Sozialhilfeleistungen (Art. 29), medizinischer Versorgung (Art. 30) und Wohnung (Art. 32) nicht anders als die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats behandelt werden. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass anerkannte Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte – anders als die Staatsangehörigen des Mitgliedstaats – regelmäßig weder über die erforderlichen Sprachkenntnisse verfügen noch auf die Unterstützung von Familienangehörigen zurückgreifen können.
151Italien hat inzwischen die Richtlinie 2011/95/EU in nationales Recht umgesetzt.
152Vgl. Consiglio Italiano per i Rifugiati (CIR), Asylum Information Database (AIDA), Dezember 2015, S. 9.
153Es ist deshalb davon auszugehen, dass anerkannte Flüchtlinge sowie subsidiär Schutzberechtigte in Italien in den Genuss der in den Art. 20 bis Art. 35 dieser Qualifikationsrichtlinie genannten Rechte kommen.
154Die zurückkehrenden Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigten sind zudem nicht gänzlich sich selbst überlassen.
155Kehren sie aus dem Ausland zurück, können sie sich etwa am Flughafen in Rom von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) beraten lassen.
156Vgl. Auswärtiges Amt (AA) an OVG NRW, 23. Februar 2016, S. 5; SFH, April 2016, S. 5; zurückhaltender noch SFH, Oktober 2013, 5.1.
157Dort erfahren sie auch, welche Questura für sie zuständig ist. Diese wird informiert und der Flüchtling bzw. Schutzberechtigte erhält ein Bahnticket, um dorthin zu gelangen.
158Vgl. SFH, April 2016, S. 5; AA, Februar 2016, S. 5.
159Für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte ist die Behörde der Gemeinde zuständig, in der sie ihren Asylantrag gestellt haben.
160Vgl. SFH, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Mai 2011, S. 32, 35; SFH, Bewegungsfreiheit in Italien für mittellose Personen mit Schutzstatus, 4. August 2014, S. 3.
161Der Kläger verfügt über eine Aufenthaltsbewilligung aufgrund der Gewährung subsidiären Schutzes, die bis zum 10. Juni 2019 gültig ist.
162Die Versorgung von Flüchtlingen mit Wohnraum war und ist von Ort zu Ort unterschiedlich. Ein Teil kann auch nach der Anerkennung als Flüchtling in einer Einrichtung der SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e refugati) für begrenzte Zeit Aufnahme finden. Auch caritative Einrichtungen stellen Unterkünfte zur Verfügung.
163Vgl. AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt, 21. August 2013, S. 3.
164In großen Städten konnten Flüchtlinge zwar vor Jahren teilweise nur in besetzten Häusern, mit zum Teil hunderten von Bewohnern, ohne ausreichende Versorgung mit Trinkwasser und Elektrizität unterkommen.
165Vgl. SFH/Juss-Buss, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Mai 2011, S. 33, 34 f.; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, 5.2.
166Inzwischen hat sich die Situation aber verbessert. Das Auswärtige Amt hat schon im August 2013 und gegenüber dem erkennenden Gericht unter dem 23. Februar 2016 mitgeteilt, im Ergebnis könne davon ausgegangen werden, dass für die anerkannten Asylsuchenden und Flüchtlinge (und damit auch für die subsidiär Schutzberechtigten) in Italien landesweit ausreichend staatliche bzw. öffentliche oder caritative Unterkunftsmöglichkeiten (bei teilweiser lokaler Überbelegung) zur Verfügung stehen.
167Vgl. AA, August 2013, S. 3; AA an OVG NRW, 23. Februar 2016, S. 5.
168In Italien gibt es kein allgemeines System der Sozialhilfe. Etwaige gemeindliche Unterstützungsleistungen sind an den offiziellen Wohnsitz in der Gemeinde geknüpft.
169Vgl. SFH, Mai 2011, S. 35.
170Es gibt aber öffentliche Fürsorgeleistungen für gemeldete Ausländer und Flüchtlinge, wenn sie bereit sind, an Maßnahmen zur Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage, z. B. speziellen beruflichen Lehrgängen, teilzunehmen.
171Vgl. Deutsche Botschaft Rom, Sozialpolitische Informationen Italien, Januar 2012, 4.6.
172Lokale Behörden, Stiftungen, Gewerkschaften, Hilfsorganisationen oder NGOs unterhalten Integrationsprogramme und arbeiten dabei teilweise zusammen.
173Vgl. AA an OVG Sachsen-Anhalt, 21. Januar 2013, 7.3.
174Soweit solche Leistungen nicht greifen oder ausreichen, können Schutzberechtigte, wenn sie ‑ wie viele Italiener auch ‑ arbeitslos sind, auf Spenden caritativer Organisationen zurückgreifen.
175Vgl. borderline europe e.V., Gutachten zum Beweisbeschluss des VG Braunschweig vom 28. September 2012, Dezember 2012, 9.2, 10.4.; AA, 23. Februar 2016 an OVG NRW, S. 5, und vom 26. Februar 2015 an VG Potsdam.
176Für eine legale, sozialversicherungspflichtige Arbeit ist ein fester Wohnsitz Voraussetzung.
177Vgl. borderline europe e. V., a. a. O.; SFH, August 2014, S. 5.
178Jedenfalls in Rom können Flüchtlinge ihren Wohnsitz im Centro Astelli/Jesuitenflüchtlingsdienst und einigen anderen Einrichtungen anmelden.
179Vgl. SFH, August 2014, S. 5.
180Der Arbeitsmarkt ist zwar schwierig. Viele Flüchtlinge, insbesondere junge Männer, die mit gleichaltrigen italienischen Arbeitslosen auf dem Arbeitsmarkt konkurrieren, kommen häufig nur als Saisonarbeiter in der Landwirtschaft unter.
181Vgl. SFH, Mai 2011, S. 33; SFH, Oktober 2013, 5.3.
182Daraus kann allerdings nicht auf eine Verletzung des Art. 4 GR-Charta geschlossen werden.
183Bei der Gesundheitsversorgung werden Flüchtlinge in Italien wie italienische Bürger behandelt. Der kostenlose Zugang zur Notfallversorgung steht ihnen immer zur Verfügung,
184vgl. SFH, 18. Mai 2016 an OVG NRW, S. 4; AA an OVG NRW, 23. Februar 2016, S. 6, und vom 26. Februar 2015 an VG Potsdam; vgl. Deutsche Botschaft Rom, Januar 2012, S. 25 ff.; AA an VG Freiburg, 11. Juli 2012, S. 2; AA an VG Gießen, 15. November 2012, S. 2; borderline, a. a. O., 9.2, 10.4.
185Zusammenfassend ist danach davon auszugehen, dass anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte in Italien staatliche Hilfen in Anspruch nehmen können, um jedenfalls ihre Grundbedürfnisse zu decken. Gelingt dies nicht sogleich bzw. vollständig, können sie die Hilfe caritativer Organisationen erhalten.
186(dd) Individuelle, in der Person des Klägers liegende besondere Gründe, die auf eine Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GR-Charta schließen lassen, sind nicht ersichtlich. Zwar hat der Kläger im gerichtlichen Verfahren eine Nierenerkrankung geltend gemacht. Dafür hat er zwei Bescheinigungen vorgelegt, zum einen für eine am 29. November 2014 durchgeführte Akutbehandlung wegen einer Nierenkolik, zum anderen eine Bescheinigung des weiterbehandelnden Arztes vom 4. Dezember 2014 mit der Diagnose linksseitige Stauungsniere bei Verdacht auf Ureterstein. In der mündlichen Verhandlung am 9. September 2015 gab er aber an, die Nierenmedikamente nicht mehr zu nehmen und lediglich ab und zu unter Schmerzen bzw. unter Erbrechen sowie unter Hämorrhoiden zu leiden. In der Folgezeit gibt es keine konkreten Angaben zu gesundheitlichen Problemen, weder den Ausführungen im Berufungszulassungs- und Berufungsverfahren noch dem von der zuständigen Ausländerbehörde vorgelegten Verwaltungsvorgang lässt sich derartiges entnehmen. Hier wurde - ohne konkrete Angaben - lediglich ausgeführt, der Kläger bedürfe fachärztliche Betreuung. Aktuelle ärztliche Bescheinigungen, aus denen sich ein gegenwärtig bestehender Behandlungsbedarf ergibt, wurden nicht vorgelegt. Mit Blick darauf hat der Kläger bereits nicht substanziiert dargelegt, dass und wegen welcher Beschwerden er weiterhin auf ärztliche Behandlung angewiesen ist. Soweit der Kläger ferner geltend macht, er sei obdachlos und lebe vom Betteln, hat er nicht ausreichend dargelegt, dass und in welcher Art und Weise er sich überhaupt ernsthaft um eine Unterkunft und um sonstige Versorgung bemüht hat.
187II. Die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG gestützte Abschiebungsanordnung in Ziff. 2 des angefochtenen Bescheids ist ebenfalls rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt, soll der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Das bedeutet, dass die Rücknahmebereitschaft im positiven Sinne geklärt sein muss. Dem Bundesamt obliegt die Prüfung, dass weder zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse vorliegen noch inlandsbezogene Vollzugshindernisse der Abschiebung entgegenstehen. Dies gilt auch für nach Erlass der Abschiebungsanordnung auftretende Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe.
188Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 732/14 -, juris, Rn. 11 f.; OVG NRW, Beschlüsse vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris, und vom 3. März 2015 - 14 B 102/15.A -, juris.
189Anhaltspunkte für das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses im Sinne von § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht ersichtlich. Das Bestehen von gegenwärtig noch behandlungsbedürftigen Erkrankungen hat der Kläger bereits nicht substanziiert dargelegt. Die Voraussetzungen für ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben. Die Rückführung ist tatsächlich möglich. Zwar hat Italien die Überstellung nach der Dublin-VO abgelehnt, weil die dortigen Behörden der Auffassung waren, die Dublin-Verordnungen finde im vorliegenden Fall keine Anwendung (mehr). Italien hat aber seine Bereitschaft zur Übernahme nach dem Übernahmeabkommen erklärt und den Kläger auch (schon das zweite Mal) tatsächlich übernommen.
190C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
191Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
192Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Gründe
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I.
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Die Beschwerdeführer sind äthiopische Staatsangehörige; die Beschwerdeführerin zu 1. ist die Mutter des am 26. März 2011 geborenen Beschwerdeführers zu 2. Sie reisten im Januar 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten einen Asylantrag; zuvor hatte die Beschwerdeführerin zu 1. bereits in Italien einen Asylantrag gestellt, aufgrund dessen sie dort subsidiären Schutz zuerkannt bekam. Sie wenden sich gegen einen am 9. Juli 2014 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 8. Juli 2014, mit dem ihnen Eilrechtsschutz gegen die auf § 34a Abs. 1 Satz 1, § 26a AsylVfG gestützte Anordnung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 16. Juni 2014 versagt wurde, sie in den sicheren Drittstaat Italien abzuschieben.
- 2
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1. Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag der Beschwerdeführer mit der Begründung ab, dass kein Ausnahmefall nach dem Konzept der normativen Vergewisserung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 94, 49 ff.) gegeben sei, insbesondere weil anhand der in der jüngeren Rechtsprechung des EGMR (vgl. EGMR
, Urteil vom 21. Januar 2011, M.S.S. v. Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09, NVwZ 2011, S. 413; Beschluss vom 2. April 2013, Mohammed Hussein u.a. v. Niederlande und Italien, Nr. 27725/10, ZAR 2013, S. 336) entwickelten Maßstäbe Mängel der Aufnahmesituation in Italien, die eine Aussetzung der Abschiebung in Anwendung von Art. 3 EMRK gebieten könnten, derzeit nach der Auskunftslage auch für die Gruppe der Inhaber eines Schutzstatus nicht erkennbar sei. Anders stelle sich die Lage nur bei alleinstehenden Elternteilen mit Kind dar, zu der die Beschwerdeführer aber deshalb nicht gehörten, weil auch der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin zu 1. aufgrund eines Beschlusses in seinem Eilverfahren mittlerweile vollziehbar nach Italien ausreisepflichtig sei.
- 3
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2. Die Beschwerdeführer rügen mit ihrer am 11. August 2014, einem Montag, erhobenen Verfassungsbeschwerde die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.
- 4
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Sie befürchten unter Bezugnahme insbesondere auf einen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zu den Aufnahmebedingungen in Italien vom Oktober 2013, bei einer Rückkehr nach Italien wie die große Mehrheit der Schutzbedürftigen obdachlos zu werden und keinen Zugang zu Gesundheitsvorsorge und Nahrungsmitteln zu erhalten. Schutzberechtigte seien einem sehr hohen Risiko der Verelendung ausgesetzt; ihre Situation sei wesentlich prekärer als die eines Asylsuchenden, der sich noch im Verfahren befinde. Verletzungen ihrer Grundrechte aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, welche die Beschwerdeführer in Folge einer Abschiebung nach Italien erlitten, müsse sich die Bundesrepublik Deutschland zurechnen lassen. In den geschilderten Zuständen in Italien liege eine Verletzung sowohl der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG als auch eine Gefahr für ihr Leben und ihre körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG).
-
II.
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, und die Annahme ist nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>); sie ist unzulässig (dazu 1.). Hiervon unabhängig besteht allerdings Anlass zu dem Hinweis, dass die mit der Rückführung befassten deutschen Behörden in dem vorliegenden Einzelfall geeignete Vorkehrungen zum Schutz des Beschwerdeführers zu 2. zu treffen haben (dazu 2.).
- 6
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1. Die Beschwerdeführer zeigen schon die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht auf (vgl. zu diesem Erfordernis nur BVerfGE 108, 370 <386 f.>). Sie setzen sich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 94, 49 <95 ff.>) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR
, Urteil vom 21. Januar 2011, M.S.S. v. Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09, NVwZ 2011, S. 413; Beschluss vom 2. April 2013, Mohammed Hussein u.a. v. Niederlande und Italien, Nr. 27725/10, ZAR 2013, S. 336) nicht auseinander, die der angegriffenen Entscheidung zugrunde liegt.
- 7
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Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung in ihren Rechten aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG aufgrund einer drohenden Obdachlosigkeit bei einer Abschiebung geltend machen, legen sie im Übrigen auch nicht hinreichend substantiiert dar, dass sie in Italien mit Obdachlosigkeit zu rechnen haben und dem Beschwerdeführer zu 2. als Folge der Abschiebung mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Gesundheitsgefahren drohen. Es bedarf daher keiner Klärung, ob dahingehende systemische Mängel des italienischen Aufnahmesystems bestehen und ob solche strukturelle Defizite in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union einen im Konzept der normativen Vergewisserung nicht aufgefangenen Sonderfall darstellen können (vgl. dazu nur Moll/Pohl, ZAR 2012, S. 102 <104 ff.>; zu den Darlegungslasten für die Begründung eines solchen Sonderfalles vgl. BVerfGE 94, 49 <100>). Hierbei wäre ohnehin zu berücksichtigen, dass etwaige mit der Überforderung des Asylsystems eines Mitgliedstaats der Europäischen Union verbundene transnationale Probleme vornehmlich auf der Ebene der Europäischen Union zu bewältigen sind (vgl. BVerfGE 128, 224 <226>).
- 8
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2. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann es allerdings - unbeschadet der Prüfung, ob einer Zurückweisung oder Rückverbringung eines Ausländers in einen sicheren Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen - in Einzelfällen geboten sein, dass die deutschen Behörden vor einer solchen mit den im Zielstaat zuständigen Behörden Kontakt aufnehmen, den Sachverhalt klären und gegebenenfalls zum Schutz des Ausländers Vorkehrungen treffen (vgl. BVerfGE 94, 49 <100>). Insbesondere besteht eine Verpflichtung der mit dem Vollzug einer Abschiebung betrauten Stelle, von Amts wegen aus dem Gesundheitszustand eines Ausländers folgende tatsächliche Abschiebungshindernisse in jedem Stadium der Durchführung der Abschiebung zu beachten; diese Stelle hat gegebenenfalls durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung (Duldung) oder durch entsprechende tatsächliche Gestaltung derselben die notwendigen Vorkehrungen zu treffen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Februar 1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAuslR 1998, S. 241 <242>).
- 9
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a) Nach der - von Verfassungs wegen nicht zu beanstandenden - jüngeren Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist es im Rahmen des Verfahrens auf Erlass einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG mit Blick auf den Wortlaut dieser Vorschrift Aufgabe allein des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zu prüfen, ob "feststeht", dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29. November 2004 - 2 M 299/04, juris; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 3. Dezember 2010 - 4 Bs 223/10 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Mai 2011 - A 11 S 1523/11 -, InfAuslR 2011, S. 310, dort <311> auch m.w.N. zur a.A.; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 4. Juli 2012 - 2 LB 163/10 -, InfAuslR 2012, S. 383; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2012 - OVG 2 S 6.12 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris; zuletzt VG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Mai 2014 - A 9 K 3615/13 -, juris).
- 10
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Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen. Gegebenenfalls hat das Bundesamt die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von deren Vollziehung abzusehen (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris, Rn. 4; BayVGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris, Rn. 4; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris, Rn. 7; VG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Mai 2014 - A 9 K 3615/13 -, juris, Rn. 4).
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b) Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unter anderem dann gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert, und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn und solange der Ausländer ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht transportfähig ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn), sondern auch, wenn die Abschiebung als solche - außerhalb des Transportvorgangs - eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn). Das dabei in den Blick zu nehmende Geschehen beginnt regelmäßig bereits mit der Mitteilung einer beabsichtigten Abschiebung gegenüber dem Ausländer. Besondere Bedeutung kommt sodann denjenigen Verfahrensabschnitten zu, in denen der Ausländer dem tatsächlichen Zugriff und damit auch der Obhut staatlicher deutscher Stellen unterliegt. Hierzu gehören das Aufsuchen und Abholen in der Wohnung, das Verbringen zum Abschiebeort sowie eine etwaige Abschiebungshaft ebenso wie der Zeitraum nach Ankunft am Zielort bis zur Übergabe des Ausländers an die Behörden des Zielstaats. In dem genannten Zeitraum haben die zuständigen deutschen Behörden von Amts wegen in jedem Stadium der Abschiebung etwaige Gesundheitsgefahren zu beachten. Diese Gefahren müssen sie entweder durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung mittels einer Duldung oder aber durch eine entsprechende tatsächliche Gestaltung des Vollstreckungsverfahrens mittels der notwendigen Vorkehrungen abwehren (vgl. zum Ganzen VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Februar 2008 - 11 S 2439/07 -, InfAuslR 2008, S. 213 <214> unter Verweis auf BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Februar 1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAuslR 1998, S. 241).
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Die der zuständigen Behörde obliegende Pflicht, gegebenenfalls durch eine entsprechende Gestaltung der Abschiebung die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, damit eine Abschiebung verantwortet werden kann, kann es in Einzelfällen gebieten, dass erforderliche Hilfen rechtzeitig nach der Ankunft im Zielstaat zur Verfügung stehen, wobei der Ausländer regelmäßig auf den dort allgemein üblichen Standard zu verweisen ist (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Juni 2011 - 2 M 38/11 -, InfAuslR 2011, S. 390 <392>).
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c) So liegt es auch im vorliegenden Fall. Bei Rückführungen in sichere Drittstaaten können hiervon betroffene Ausländer - anders als bei der Rückführung in ihr Heimatland - regelmäßig weder auf verwandtschaftliche Hilfe noch auf ein soziales Netzwerk bei der Suche nach einer Unterkunft für die Zeit unmittelbar nach ihrer Rückkehr zurückgreifen. Bestehen - wie gegenwärtig im Falle Italiens - aufgrund von Berichten international anerkannter Flüchtlingsschutzorganisationen oder des Auswärtigen Amtes belastbare Anhaltspunkte für das Bestehen von Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung rückgeführter Ausländer im sicheren Drittstaat, hat die auf deutscher Seite für die Abschiebung zuständige Behörde dem angemessen Rechnung zu tragen.
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Bei Vorliegen einer solchen Auskunftslage hat das zuständige Bundesamt angesichts der hier berührten hochrangigen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 GG und der bei der Durchführung von Überstellungen allgemein besonders zu beachtenden Gesichtspunkte der Familieneinheit und des Kindeswohls (vgl. etwa Erwägungsgrund 22 und Art. 14 Abs. 1 a) und d) der Richtlinie 2008/115/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger - Rückführungsrichtlinie) jedenfalls bei der Abschiebung von Familien mit Neugeborenen und Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren in Abstimmung mit den Behörden des Zielstaats sicherzustellen, dass die Familie bei der Übergabe an diese eine gesicherte Unterkunft erhält, um erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren in dem genannten Sinne für diese in besonderem Maße auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 9. September 2015 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand:
2Der 1993 geborene Kläger ist somalischer Staatsangehöriger. Er reiste am 29. September 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 15. Oktober 2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt (persönliches Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens) am gleichen Tage gab er an, er habe sein Herkunftsland Somalia am 30. Dezember 2012 verlassen und sei über Äthiopien, Sudan und Libyen zunächst nach Italien gereist. Dort seien ihm Fingerabdrücke abgenommen worden. Asyl habe er nicht beantragt. Er sei schließlich mit dem Zug auf unbekannter Route nach Deutschland gelangt. Das Bundesamt führte eine Anfrage bei der Eurodac-Datenbank durch, die ergab, dass der Kläger am 25. Juni 2013 in Italien einen Asylantrag gestellt hatte (Eurodac-Treffer der Kategorie 1). Daraufhin richtete das Bundesamt am 27. Oktober 2014 ein Übernahmeersuchen an die italienischen Behörden. Mit Schreiben vom 10. November 2014 lehnte das italienische Innenministerium das Übernahmeersuchen mit der Begründung ab, dem Kläger sei in Italien bereits internationaler Schutz in Form subsidiären Schutzes gewährt worden. Er verfüge über eine entsprechende Aufenthaltserlaubnis. Das Asylverfahren sei damit in Italien abgeschlossen. Die Übernahme sei allerdings im Rahmen der polizeilichen Vereinbarung möglich.
3Mit Bescheid vom 12. November 2014 stellte das Bundesamt fest, dass dem Kläger aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zustehe (Ziffer 1), und ordnete seine Abschiebung nach Italien an (Ziffer 2).
4Am 1. Dezember 2014 hat der Kläger Klage erhoben. Den zeitgleich gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (13 L 2923/14.A) hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 23. Januar 2015 abgelehnt.
5Zur Klagebegründung hat der Kläger vorgetragen: Der angefochtene Bescheid genüge nicht den in der Entscheidung Tarakhel ./. Schweiz erfolgten Vorgaben des EGMR. Der Kläger sei in Italien der Obdachlosigkeit ausgesetzt gewesen. Er habe in Rom auf der Straße gelebt und betteln müssen. Eine Versorgung habe nicht stattgefunden, insbesondere keine Gesundheitsversorgung. Letztere benötige der Kläger, es sei eine Nierenoperation geplant. Der Kläger leide unter einer Stauungsniere bei Verdacht eines Nierensteins.
6Der Kläger hat beantragt,
7den Bescheid der Beklagten vom 12. November 2014 aufzuheben.
8Die Beklagte hat beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Mit Urteil vom 9. September 2015 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die zulässige Anfechtungsklage sei unbegründet. Der Bescheid sei rechtmäßig. Die Dublin III-VO gehe nicht der Anwendung des Art. 16a Abs. 2 GG und der §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylG vor. Der dem Kläger in Italien gewährte subsidiäre Schutz sei als internationaler Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU zu qualifizieren, bei dessen Vorliegen die Dublin III-VO keine Anwendung mehr finde. Die Voraussetzungen des § 26a AsylG lägen vor; Italien sei ein sicherer Drittstaat. Der Kläger könne sich auch nicht auf inlandsbezogene Abschiebungshindernisse berufen. Ihm werde in Italien hinreichender Schutz gewährt. Aktuelle ärztliche Bescheinigungen habe er nicht vorlegen können. Aus den übersandten älteren Bescheinigungen lasse sich kein Rückschluss auf seinen derzeitigen Gesundheitszustand ziehen. Zu einer aktuellen ärztlichen Behandlung habe er nichts Konkretes sagen können.
11Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom Senat zugelassene Berufung eingelegt, zu deren Begründung er vorträgt: Italien sei kein sicherer Drittstaat, da das Versorgungssystem systemische Schwachstellen aufweise, welche die Gefahr einer unmenschlichen und entwürdigenden Behandlung i.S. d. Art. 4 GR-Charta mit sich bringen könne. Der Kläger sei in Italien von Obdachlosigkeit und Mangelversorgung bedroht. Er bedürfe zudem medizinischer Fachversorgung.
12Der Kläger beantragt,
13das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 9. September 2015 (13 K 8025/14.A) abzuändern und den Bescheid des Bundesamtes vom 12. November 2014 aufzuheben.
14Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
15Die Ausländerbehörde hatte den Kläger, nach Vorliegen der Rücknahmebereit-schaft der italienischen Behörden (Schreiben vom 29. Januar 2016) wegen des dort gewährten subsidiären Schutz und der erteilten Aufenthaltserlaubnis (gültig bis zum 10. Juni 2019), am 22. April 2016 nach Italien überstellt. Der Kläger war sodann am 3. Mai 2016 wieder in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Er macht geltend, der Bescheid sei durch die erfolgte Überstellung gegenstandslos geworden und aufzuheben. Am 16. Juni 2016 hat die Ausländerbehörde den Kläger erneut nach Italien überstellt. Hierzu trägt der Prozessbevollmächtigte vor, er habe am 31. August 2016 mit dem Kläger telefoniert. Dieser verfüge derzeit in Italien nicht über einen festen Wohnsitz. Eine Wohnsitznahme über das Sozial-amt sei bisher nicht möglich gewesen. Er lebe vom Betteln.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Gerichtsakte des Eilverfahrens (13 L 2923/14.A) sowie die Verwaltungsvorgänge des Bundesamts und der Ausländerbehörde Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
18Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 12. November 2014 im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
19Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens sind gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG das Asylgesetz in der Fassung der Bekannt-machung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939), sowie das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 5 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939).
20A. Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, insbesondere statthaft.
21"Drittstaatenbescheide" nach §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylG a.F. können ebenso wie Entscheidungen über die Unzuständigkeit Deutschlands für die Prüfung des Asylantrags nach den unionsrechtlichen Regelungen der Dublin-Verordnungen („Dublin-Bescheide“) mit der isolierten Anfechtungsklage angefochten werden.
22Vgl. OVG NRW, Urteile vom 19. Mai 2016 - 13 A 1490/13.A -, juris, Rn. 22 ff. und vom 18. Juli 2016 - 13 A 1859/14.A -, juris, Rn. 18 f. m. w. N. zu den „Dublin-Bescheiden“, OVG Saarland, Beschluss vom 23. März 2016 ‑ 2 A 38/16 ‑, juris, Rn. 15 ff.; jeweils zu der Rechtslage vor Inkrafttreten des Integrationsgesetzes; a. A. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: März 2015, § 31 Rn. 62.
23Der Kläger hat auch - trotz seiner zwischenzeitlichen Überstellung nach Italien - ein Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Klage. Entgegen teilweise vertretener Auffassung -
24so u.a. VG München, Urteile vom 9. März 2016 ‑ M 12 K 15.30071 -, juris, Rn. 27, und vom 2. Juli 2012 - M 15 K 12.30110, juris, Rn. 15; VG Frankfurt/Oder, Urteil vom 28. November 2012 ‑ 3 K 525/11.A -, juris, Rn. 21 ff.; Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 34a AsylVfG, Rn. 9 -
25hat sich der Bescheid dadurch weder insgesamt noch hinsichtlich der Abschiebungsanordnung erledigt.
26Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2014 - 13 K 654/14.A -, juris, Rn. 35 ff.; Funke-Kaiser in: GK AsylVfG, Stand Mai 2015, § 34a Rn. 70, so im Ergebnis auch BVerwG, Beschluss vom 27. April 2016 - 1 C 22.15 ‑, juris.
27Erledigung im Sinne des § 43 Abs. 2 VwVfG tritt dann ein, wenn die mit dem Verwaltungsakt verbundene rechtliche oder sachliche Beschwer nachträglich weggefallen ist.
28Das ist hier nicht der Fall. Für die Abschiebungsanordnung folgt das bereits daraus, dass diese gemäß § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG unbeschränkt für alle Zukunft Grundlage künftiger Aufenthaltsbeendigungen im Falle eines Folgeantrags sein soll.
29Vgl. dazu auch Funke-Kaiser, a. a. O. § 34a Rn. 70.
30Außerdem bildet die Abschiebungsanordnung weiterhin die Rechtsgrundlage für die vollzogene Abschiebung. Die Aufhebung der Abschiebungsanordnung ist auch nicht sinnlos, denn im Falle einer rechtswidrigen Abschiebung kann diese einen Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch auslösen.
31Vgl. Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, § 59 Rn. 219, 221.
32Hierfür spricht schließlich auch die in Art. 29 Abs. 3 Dublin III-VO enthaltene Regelung, wonach der Mitgliedstaat, der die Überstellung durchgeführt hat, die überstellte Person unverzüglich wieder aufnehmen muss, wenn sie irrtümlich überstellt wurde oder einem Rechtsbehelf gegen die Überstellungsentscheidung oder der Überprüfung einer Überstellung nach Vollzug der Überstellung stattgegeben wird.
33Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2014 - 13 K 654/14.A -, juris, Rn. 44.
34Das Fehlen einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers in Italien nach der (nicht freiwillig erfolgten) Überstellung, lässt ebenfalls nicht auf ein nicht mehr bestehendes Interesse am Fortgang des Verfahrens schließen. Mit Blick darauf, dass der Kläger noch kurz vor seiner zweiten Überstellung nach Italien geäußert hat, er wolle keinesfalls nach Italien und werde im Falle einer Überstellung immer wieder nach Deutschland zurückkehren, ist vielmehr davon auszugehen, dass er weiterhin in Deutschland ein Asyl(folge)verfahren mit dem Ziel der Flüchtlingsanerkennung betreiben will.
35B. Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung insgesamt rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
36I. Das Bundesamt hat zu Recht in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids mit der Feststellung, dass dem Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht, eine inhaltliche Prüfung nicht vorgenommen und eine sachliche Entscheidung über den Asylantrag nicht getroffen.
371. Als Rechtsgrundlage dieser Entscheidung kommen nur §§ 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a), 31 Abs. 1 Satz 5, Abs. 6 AsylG in der seit dem 6. August 2016 geltenden Fassung in Betracht. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
38a. Der Bescheid ist auf §§ 26a Abs. 1 Satz 1, 31 Abs. 4 AsylG a. F. gestützt. Danach war festzustellen, dass dem Ausländer auf Grund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht. Nach den im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden und nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG hier maßgeblichen §§ 26a, 29 Abs. 1 Nr. 3, 31 Abs. 4 AsylG ist die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig möglich, wenn ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a AsylG betrachtet wird. Diese Rechtsgrundlage ist hier nicht anwendbar. Dabei kann offen bleiben, ob dies aus Unionsrecht folgt. Art. 25 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie 2005/85/EG (VRL-2005), deren Anwendbarkeit bei einer - hier vorliegenden - Antragstellung vor dem 20. Juli 2015, aus der Stichtagsregelung in Art. 52 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU gefolgert wird,
39vgl. dazu BVerwG Beschluss vom 23. Oktober 2015 - 1 B 41.15 -, juris, Rn. 11,
40bestimmt: Die Mitgliedstaaten können einen Antrag als unzulässig betrachten, wenn ein anderer Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Daraus könnte folgen, dass im Falle „nur“ subsidiärer Schutzgewährung durch den Drittstaat ein Vorgehen nach § 26a AsylG unionsrechtswidrig wäre.
41Vgl. zum Vorgehen nach § 26a AsylG bei anderweitiger Flüchtlingsanerkennung OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 – 13 A 1490/13.A -, juris.
42Jedenfalls scheiden §§ 26a, 29 Abs. 1 Nr. 3, 31 Abs. 4 AsylG als Rechtsgrundlage deshalb aus, weil hier ein Dublin-Verfahren vorliegt, bei dem die speziellere Norm des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AsylG vorrangig anwendbar ist.
43b. Dass das Bundesamt den angefochtenen Bescheid nicht auf § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG, sondern auf § 26a, § 31 Abs. 4 AsylVfG (entspricht §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylG in der bis zum 5. August 2016 geltenden Fassung) gestützt hat, ist unerheblich. Jedenfalls kann der Bescheid im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auf Grundlage des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit a) AsylG aufrecht erhalten werden. Im Rahmen der Überprüfung eines Bescheids nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO kommt es nicht (allein) auf das von der Verwaltung herangezogene Recht an; vielmehr ist die Kontrolle im Sinne schlichter Rechtsanwendung auf das Recht zu erstrecken, das geeignet ist, an Stelle des von der Verwaltung herangezogenen, sich etwa als nicht tragfähig erweisenden Rechts den Spruch des Bescheids zu rechtfertigen, vorausgesetzt, dass dabei am Spruch des Bescheids nichts Wesentliches geändert wird.
44Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. August 1988 - 8 C 29.87 -, BVerwGE 80, 96 (98) = juris, Rn. 12 f., vom 12. April 1991 - 8 C 92.89 -, juris, Rn. 9, und vom 31. März 2010 - 8 C 12.09 -, juris, Rn. 19; OVG NRW, Urteil vom 24. August 2016 - 13 A 63/16.A -, juris; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 113 Rn. 26.
45Das Bundesamt hat in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids festgestellt, dass dem Kläger in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht. Im Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG wird zwar keine derartige Feststellung getroffen, sondern der Asylantrag als unzulässig abgelehnt. Das führt aber nicht zu einer Wesensänderung des Bescheids. Es handelt sich nicht um einen anderen Streitgegenstand mit für den Kläger ungünstigeren Rechtsfolgen. Bei der Ablehnung des Asylantrags des Klägers auf Grundlage des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG besteht ebenso wie bei der Entscheidung nach § 26a AsylG i. V. m. § 31 Abs. 4 AsylG a. F. kein Ermessensspielraum. Beide Normen erfassen die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sehen auf der Tatbestandsseite einen konkreten Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat vor und auf der Rechtsfolgenseite, dass der Asylantrag wegen des jeweiligen Drittstaatenbezug nicht inhaltlich geprüft werden soll. Dies setzt europarechtlich in beiden Fällen voraus, dass in dem betreffenden Mitgliedstaat keine sog. systemischen Mängel bzw. Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen gegeben sind, aufgrund derer der Asylbewerber Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der EU (im Folgenden: GR-Charta) bzw. dem gleichlautenden Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) ausgesetzt zu werden. Auch die weiteren Rechtsfolgen sind in beiden Fällen identisch. Sie ergeben sich jeweils aus § 34 a AsylG.
46Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 - 13 A 1490/13.A -, juris, Rn. 62 ff., OVG Rh.-Pf., Urteil vom 18. Februar 2016 - 1 A 11081/14 -, juris, Rn. 23.
472. Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere ist der Kläger vor der Entscheidung des Bundesamtes ordnungsgemäß angehört worden.
483. Die inhaltliche Regelung in Ziffer 1 ist auch materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG (s.o.) liegen vor. Im Zeitpunkt der Entscheidung im Berufungsverfahren, der nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG entscheidungserheblich ist, ist nach der Dublin III-VO ein anderer Mitgliedstaat und zwar Italien für die sachliche Prüfung des Asyl(folge)antrags des Klägers zuständig, der - weil er seinen Antrag nicht beschränkt hat - auch die Flüchtlingsanerkennung begehrt.
49a. Die Dublin III-VO ist im vorliegenden Fall anwendbar.
50aa. Das gilt zunächst in zeitlicher Hinsicht. Nach Art. 49 Abs. 2 Dublin III-VO ist die Verordnung auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten (ab dem 1. Januar 2014) gestellt werden (Satz 1). Für einen Antrag auf internationalen Schutz, der vor diesem Datum eingereicht wird, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien der Dublin II-VO (Satz 2). Maßgeblich ist danach hier der in Deutschland - am 15. Oktober 2014 - gestellte Antrag, nicht etwa der 2013 in Italien bestandkräftig beschiedene (erste) Antrag des Klägers in einem Mitgliedstaat.
51Vgl. OVG NRW, Urteile vom 18. Juli 2016 - 13 A 1859/14.A -, juris, und vom 7. Juli 2016 - 13 A 2302/15.A, juris; a.A. Filzwieser/Sprung, Dublin III-VO, Stand 1. Februar 2014, Art. 49 K 3, VG München, Urteil vom 17. März 2016 - M 22 K 15.30257 -, juris; VG Würzburg, Urteil vom 12. Mai 2016 - W 2 K 15.30105 -, juris, Rn. 27.
52Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO, in dem im Gegensatz zu anderen Vorschriften der Dublin III-VO (z.B. Art. 7 Abs. 2) auch nicht vom ersten Antrag die Rede ist. Die Zuständigkeitsfrage stellt sich ferner nur in Bezug auf einen aktuell zu bescheidenden Antrag. Ist über diesen ‑ wie hier in Italien ‑ bereits bestandskräftig entschieden, bedarf es insoweit keiner Zuständigkeitsbestimmung nach den Dublinregeln mehr.
53bb. Die Dublin III-VO ist auch in sachlicher Hinsicht anwendbar. Das Dublin-Verfahren ist nicht schon mit der - hier vorliegenden - Gewährung subsidiären Schutzes beendet worden.
54So aber u.a. VG Aachen, Urteil vom 28. Oktober 2015 - 8 K 299/15.A -, juris, Rn. 51ff ; Schweizer Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 2. Februar 2015 - Abteilung IV D-534/2015/plo -, offenlassend: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. April 2015 - A 11 S 57/15 -, juris, Rn. 37.
55Zwar bestimmt die Dublin III-VO den zuständigen Mitgliedstaat für den Antrag auf internationalen Schutz, der nach Art. 2 lit. b Dublin III-VO i. V. m. Art. 2 lit. h der Richtlinie 2011/95/EU sowohl die Flüchtlingsanerkennung als auch die Gewährung subsidiären Schutzes umfasst. Daraus folgt aber nicht, dass nach der Gewährung subsidiären Schutzes für auf Flüchtlingsanerkennung gerichtete Asyl-(folge)anträge nicht mehr die Dublin III-VO anwendbar wäre. Sinn und Zweck der Dublin III-VO ist es, einen Mitgliedstaat zu bestimmen, der (umfassend) für die auf internationalen Schutz gerichteten Anträge zuständig ist, um ein Asylshop-ping, d. h. die Bevorzugung von Ländern mit besonders günstigen Verhältnissen sowie die Stellung von Mehrfachanträgen in verschiedenen Mitgliedstaaten zu verhindern. Das ergibt sich u.a. aus den Bestimmungen zum Gegenstand der Verordnung (Art. 1), den Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und deren Rangfolge (Kapitel III), den Pflichten des zuständigen Mitgliedstaates, diejenigen Personen zurückzunehmen, über deren (Erst)anträge noch nicht abschließend entschieden wurde oder deren Anträge abgelehnt wurden (Art. 18), sowie aus den als Ausnahme geregelten Voraussetzungen eines Zuständigkeitsübergangs (z.B. bei Fristversäumnis nach Art. 23 Abs. 3, Art. 29 Abs. 2 oder im Falle des Selbsteintritts nach Art. 17). Dem widerspricht es aber, wenn im Falle der sogenannten „Aufstocker“, also derjenigen Personen, die bereits subsidiären Schutz erhalten haben, aber nunmehr auch die Flüchtlingsanerkennung begehren, die Dublin III-VO nicht mehr anwendbar wäre. Der Antrag auf internationalen Schutz umfasst nämlich nicht nur den subsidiären Schutz, sondern darüber hinaus die Flüchtlingsanerkennung. Letztere ist dem subsidiären Schutz auch nicht etwa gleichwertig, sondern für die Betroffenen ggfs. mit weiteren Rechten verbunden, wie beispielsweise der Möglichkeit des Familiennachzugs. Die Verpflichtung, einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, wieder aufzunehmen (Art. 18 Abs. 1 lit. d) Dublin III-VO) erfasst diese Personengruppe schließlich auch, denn mit der Zuerkennung (nur) des subsidiären Schutzes ist gleichzeitig eine Ablehnung der Flüchtlingsanerkennung verbunden.
56So im Ergebnis auch Funke-Kaiser, Personen mit Schutzstatus in einem anderen EU-Land - Rechtliche Probleme, Asylmagazin 2015, 148, 150 f.; Bergmann, Das Dublin-Asylsystem, ZAR 2015, 81, 83.
57cc. Auch die Ablehnung der italienischen Behörden, den Kläger nach den Dublin-Regelungen zu übernehmen, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Die Dublin-Verordnung ist geltendes europäisches Recht und steht nicht zur Disposition der daran gebundenen Mitgliedstaaten. Im Übrigen hat Italien nicht generell die Übernahme des Klägers abgelehnt, sondern zu erkennen gegeben, dass es den Kläger nach dem Rücknahmeabkommen übernehmen wird und ihn schlussendlich auch (zweimal) übernommen. Jedenfalls in dieser Fallgestaltung, in der der Übernahme zugestimmt wird, kann nicht entscheidend sein, auf welcher Rechtsgrundlage der aufnehmende Mitgliedstaat meint, verpflichtet zu sein.
58b. Aus den Vorschriften der Dublin III-VO ergibt sich die Zuständigkeit Italiens für den Antrag des Klägers auf Flüchtlingsanerkennung.
59aa. Nach Art 13 Abs. 1 Dublin III-VO war zunächst Italien als Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig geworden, da der Kläger die italienische Grenze aus einem Drittstaat (Libyen) kommend im Jahr 2013 illegal überschritten hat. Die so begründete Zuständigkeit endete zwar gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO 12 Monate nach dem Tag des illegalen Grenz-übertritts. Da Italien dem Kläger aber subsidiären Schutz gewährt und einen (bis zum 10. Juni 2019) gültigen Aufenthaltstitel ausgestellt hat, wurde eine weitere Zuständigkeit Italiens gemäß Art. 12 Abs. 1 Dublin III-VO begründet.
60bb. Ein Zuständigkeitsübergang auf die Bundesrepublik Deutschland liegt nicht vor.
61(1) Ein solcher ergibt sich weder aus Art. 19 Dublin III-VO, noch ist ein Zuständigkeitswechsel wegen des Ablaufs der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO erfolgt. Wegen der Ablehnung Italiens, den Kläger nach der Dublin III-VO zurückzunehmen, hat der Fristlauf schon nicht begonnen.
62(2) Auch ist die Bundesrepublik Deutschland nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO zuständig geworden. Danach wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat, wenn keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat vorgenommen werden kann. Die Voraussetzungen sind nicht erfüllt, insbesondere ist kein Fall des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO gegeben. Nach dieser Vorschrift setzt der prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Kapitel III vorgesehen Kriterien fort, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta mit sich bringen.
63(a) Diese Regelung geht zurück auf die Rechtsprechung des EuGH und des EGMR zu systemischen Mängeln des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen bei Verfahren nach der Dublin II-VO. Danach kann die auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens beruhende Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der GR-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der EMRK steht, widerlegt werden. Eine Widerlegung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die asylrechtlichen Richtlinien der EU – Richtlinie 2003/9/EG bzw. 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie), Richtlinie 2004/83/EG bzw. 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie), Richtlinie 2005/85/EG bzw. 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie) – genügen. Vielmehr müssen die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta – der Art. 3 EMRK entspricht – ausgesetzt zu werden.
64Vgl. EuGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - C- 411/10 und C-493/10 (N.S.) -, NVwZ 2012, 417 = juris, Rn. 78 ff., vom 14. November 2013 - C-4/11 (Puid) -, juris, Rn. 30 ff., und vom 10. Dezember 2013 - C-394/12 (Abdullahi ) -, NVwZ 2014, 208 = juris, Rn. 52; EGMR, Urteile vom 21. Januar 2011 - 30696/09 (M.S.S.) -, ZAR 2011, 395, Rn. 216 ff., und vom 4. November 2014 ‑ 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, Rn. 93 und102 ff.; BVerwG, Beschlüsse vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, NVwZ 2014, 1039 = juris, Rn. 5 ff., vom 6. Juni 2013 - 10 B 35.14 -, NVwZ 2014, 1677 = juris, Rn. 5, und vom 15. April 2014 - 10 B 17.14 -, juris, Rn. 3 ff.; vgl. zum Ganzen ausführlich OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 ‑ 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 65 ff.
65Wegen des in Deutschland geltenden Untersuchungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss sich der Tatrichter die Überzeugungsgewissheit verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Systemische Mängel liegen danach vor, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im eigentlich zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.
66Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris, Rn. 9.
67Zwar setzt dies nicht voraus, dass in jedem Falle das gesamte Asylsystem einschließlich der Aufnahmebedingungen und der zugehörigen Verfahren schlechthin als gescheitert einzustufen ist, jedoch müssen die in jenem System festzustellenden Mängel so gravierend sein, dass sie in einer Vielzahl von Fällen zu der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung führen. Das kann darauf beruhen, dass die Fehler bereits im System selbst angelegt sind und deswegen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern nicht zufällig und im Einzelfall, sondern (objektiv) vorhersehbar von ihnen betroffen sind. Ein systemischer Mangel kann daneben aber auch daraus folgen, dass ein in der Theorie nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - mit Blick auf seine empirisch feststellbare Umsetzung in der Praxis - faktisch in weiten Teilen funktionslos wird.
68Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 89 ff.
69Hingegen kommt es nicht darauf an, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war. Derartige individuelle Erfahrungen sind in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob im maßgeblichen Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung (hier: der Entscheidung) systemische Mängel im Zielland der Abschiebung vorliegen, wobei zu beachten ist, dass persönliche Erlebnisse Betroffener durch neuere Entwicklungen in dem betreffenden Staat überholt sein können.
70Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2013 - 10 B 35.14 -, juris, Rn. 6; s. auch EGMR, Urteil vom 13. Januar 2015 - 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) -, juris, Rn. 30.
71Diese zur Dublin II-VO entwickelten Grundsätze gelten auch für Verfahren nach der Dublin III-VO. Der in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO geregelte Maßstab, dass es „wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta mit sich bringen“ ist eine Kodifizierung der bisherigen Rechtsprechung.
72Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 -, NVwZ 2014, 1677 = juris, Rn. 5; Bay. VGH, Urteil vom 29. Januar 2015 - 13a B 14.50039 -, AuAS 2015, 104 = juris, Rn. 28; Sächs. OVG, Beschluss vom 5. Oktober 2015 - 5 B 259/15.A -, juris, Rn. 27.
73Bei der Bewertung der in Italien anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Asylbewerbern ist maßgeblich auf Ausländer in einer vergleichbaren rechtlichen und tatsächlichen Lage wie der des Klägers abzustellen, d. h. eines allein stehenden jungen Mannes, der in Italien vor seiner Weiterreise nach Deutschland ein Asylverfahren durchgeführt hat, das mit der Gewährung subsidiären Schutzes und einer italienischen Aufenthaltser-laubnis endete, und der nunmehr noch die Flüchtlingsanerkennung begehrt.
74(b) Hiervon ausgehend steht nach dem im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegenden Erkenntnismaterial zur Überzeugung des Senats fest, dass es keine wesentlichen Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahrens und/ oder die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in Italien systemische Schwach-stellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 GR-Charta mit sich bringen.
75Vgl. ebenso für Italien – in unterschiedlichen Fallkonstellationen – EGMR, Urteil vom 30. Juni 2015 - 39350/13 (A.S. v. Schweiz) -, Rn. 36, vom 13. Januar 2015 - 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) -, juris, Rn. 35, und vom 4. November 2014 - 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, juris, Rn. 114 f.; OVG NRW, Urteile vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, vom 24. April 2015 - 14 A 2356/12.A -, juris, Rn. 35 ff., und vom 19. Mai 2016 - 13 A 516/14.A -, juris, vom 10. Juli 2015 ‑ 15 A 1048/14.A -, juris; Nds. OVG, Urteil vom 25. Juni 2015 - 11 LB 248/14 -, juris, Rn. 47 ff.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 -, juris, Rn. 43 ff.; Bay. VGH, Urteil vom 28. Februar 2014 - 13a B 13.30295 -, BayVBl. 2014, 628 = juris; Hess. VGH, Beschluss vom 28. Februar 2014 - 10 A 681/13.Z.A ‑, juris; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 21. Februar 2014 - 10 A 10656/13 -, juris; OVG S.-A., Beschluss vom 14. November 2013 - 4 L 44/13 -, juris.
76(aa) Bei der Würdigung der Erkenntnisse ist zunächst davon auszugehen, dass Italien - sowohl im Hinblick auf das dortige Rechtssystem als auch die Verwaltungspraxis - über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes Asylverfahren verfügt.
77Vgl. zum Asylverfahren im Einzelnen Auswärtiges Amt (AA), Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.1, sowie an das OVG S.-A. vom 21. Januar 2013, 2. und 3.; CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 16 ff.; EASO Special Support Plan to Italy, 11. März 2015, S. 4; s. auch EGMR, Urteil vom 4. November 2014 - 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, Rn. 37.
78Ob Art. 4 GR-Charta die vollständige Umsetzung der diesbezüglichen Richtlinien erfordert, kann offen bleiben. Das Asylverfahren in Italien ist inzwischen richtlinienkonform. Mit Wirkung vom 30. September 2015 wurden die Neufassungen der Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU und der Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU in das italienische Recht übernommen (Gesetzesdekret 142/2015: decreto legislative 18 agosto 2015, n 143 „Attuazione della direttiva 2013/33/UE recante norme relative all’accoglienza die richiedenti protezione internazionale, noché della direttiva 2013/32/UE, recante procedure comuni ai fini del riconoscimento e della revoca dello status die protezione internazionale“).
79Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 2; CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 9 und 12.
80Der Senat ist auch davon überzeugt, dass das Asylsystem trotz ggf. einzelner Unzulänglichkeiten prinzipiell funktionsfähig ist. Es ist weder in Bezug auf die tatsächliche Dauer noch auf die Qualität menschenrechtswidrig. In etwa der Hälfte der Fälle ist in den letzten Jahren ein Schutzstatus gewährt worden (2013: 61 %, 2014: 59 %, 2015: 42 %).
81Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. April 2014 ‑ A 11 S 1721/13 -, juris, Rn. 44 f.; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.1.; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 133 ff.; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 7; zur Schutzquote vgl. Eurostat, recognition rates, 2013, 2014, 2015, abrufbar von http://ec.europa.eu/eurostat.
82Bisher ist regelmäßig vor allem gerügt worden, dass für die formelle Registrierung als Asylbewerber (verbalizzazione) eine Wohnsitzbestätigung erforderlich sei und in der mitunter langen Zeit bis zur verbalizzazione eine Unterbringung nicht gewährleistet sei. Es kann offen bleiben, ob insoweit systemische Schwach-stellen anzunehmen wären. Nach der aktuellen Rechtslage (Gesetzesdekret 142/2015) wird ein Wohnsitz nicht verlangt und beträgt die Frist zwischen Asyl-gesuch und formeller Registrierung drei, maximal zehn Tage. Selbst wenn das Verfahren in der Praxis länger dauert, ist die Unterbringung in der Regel gewährleistet.
83Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 2; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.1.
84Gesetzesdekret 142/2015 stellt klar, dass die Adresse der Unterbringungseinrichtung in der der Antragsteller wohnt, als Wohnsitz zu betrachten ist.
85Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 21.
86Da das Asyl(erst)verfahren des Klägers in Italien bereits abgeschlossen ist, kommt es auf diese Fragen schon nicht an, weil er bei den zuständigen Behörden erfasst ist.
87Italien ermöglicht – wie in Art. 40 Richtlinie 2013/32/EU vorgesehen – ein Folgeverfahren, wenn neue Umstände vorgebracht werden können.
88Vgl. SFH, Auskünfte an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 3, und vom 18. Mai 2016, S. 2; CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 17, 47 f.
89Ein Folgeantrag (subsequent application) muss bei der Questura gestellt werden, die ihn an die zuständige Territorialkommission (Commissioni Territoriali per il Riconoscimento della Protezione Internazionale, CTRPI) zur Prüfung weiterleitet. Im Übrigen gelten für das Folgeverfahren im Grundsatz dieselben verfahrensrechtlichen Garantien wie für das Erstverfahren.
90Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 48.
91(bb) Dublin-Rückkehrer müssen nach der aktuellen Erkenntnislage auch während der Durchführung ihres Asylfolgeverfahrens in Italien nicht beachtlich wahrscheinlich damit rechnen, dass sie wegen der Aufnahmebedingungen in ihrem Grundrecht aus Art. 4 GR-Charta verletzt werden. Dabei ist auch bei Folgeantragstellern grundsätzlich auf die für Asylbewerber geltenden Umstände abzustellen.
92Vgl. auch EGMR, Urteil vom 13. Januar 2015 ‑ 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) -, juris, Rn. 31 f.
93Verfolgt der Kläger das in Deutschland angebrachte Asylbegehren, d. h. seinen auch auf Flüchtlingsanerkennung gerichteten Antrag, in Italien weiter oder stellt er dort alternativ einen erneuten Antrag auf Flüchtlingsanerkennung, handelt es sich um einen (ersten) Folgeantrag, der zur Anwendbarkeit der Aufnahmerichtlinie führt. Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie) – die nach den obigen Ausführungen in Italien auch umgesetzt worden ist – gilt diese für alle Personen, die internationalen Schutz beantragen, solange sie als Antragsteller im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats bleiben dürfen. Der 8. Erwägungs-grund stellt klar, dass die Aufnahmerichtlinie in allen Phasen und auf alle Arten von Verfahren, die Anträge auf internationalen Schutz betreffen, Anwendung findet. Ausnahmen vom Recht auf Verbleib nach Art. 41 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU liegen hier nicht vor.
94Für das Asyl-Folgeverfahren gelten jedenfalls beim ersten Folgeantrag im Grundsatz dieselben verfahrensrechtlichen Garantien wie für das Erstverfahren.
95Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 48; SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 18. Mai 2016, S. 2.
96Dabei wird ohne weitere Differenzierung davon ausgegangen, dass nach der Stellung des Folgeantrags (CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 48), d. h. während der „Abklärung“ (SFH, 18. Mai 2016, S. 2), die auch die Klärung der Zulässigkeit umfasst, eine Gleichbehandlung mit den Erstantragstellern erfolgt.
97Eine systemisch begründete, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta ist für Asylbewerber in Italien nicht gegeben. Die dem Senat vorliegenden Erkenntnisse rechtfertigen nicht den Schluss, dass der Kläger während der Dauer des Asylfolgeverfahrens die elementaren Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme, Hygienebedürfnisse, medizinische Grundversorgung) nicht in einer noch zumutbarer Weise wird befriedigen können. Die zweifellos bestehenden Mängel der Aufnahmebedingungen sind nicht derart gravierend, dass bei jedem Rückkehrer die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 4 GR-Charta zu bejahen wäre.
98Die sich aus der Aufnahmerichtlinie ergebenden Verpflichtungen, die als Konkretisierung des für ein menschenwürdiges Dasein einzuhaltenden Maßstabs im Sinne des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GR-Charta angesehen werden,
99vgl. EGMR, Urteile vom 30. Juni 2015 - 39350/13 (A.S. v. Schweiz) -, Rn. 28 f., vom 4. November 2014 - 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, Rn. 96 f., und vom 21. Januar 2011 - 30696/09 - (M.S.S.), EuGRZ 2011, 243, Rn. 250 f. und 263; zurückhaltender EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 ‑ Rs. C-411/10 u.a. (N.S.) -, Rn. 84 (nicht jeder geringste Verstoß genügt); OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 120 ff.; kritisch Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406 (407), sowie Hailbronner, AuslR, Stand März 2015, § 27a Rn. 22,
100hat Italien, wie bereits ausgeführt, in innerstaatliches Recht übernommen. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die rechtlichen Vorgaben in der Praxis im erheblichen Ausmaß nicht beachtet werden.
101Das in Art. 17 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 g) Aufnahmerichtlinie verankerte Recht auf Unterkunft bleibt auch nicht systematisch unbeachtet, so dass etwa mit monatelanger Obdachlosigkeit zu rechnen wäre.
102Vgl. für Griechenland EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 (M.S.S.) -, EuGRZ 2011, 243 = juris, Rn. 253, 263.
103Eine solchermaßen dramatische Lage lässt sich aktuell für Italien aufgrund belastbarer Tatsachen nicht feststellen.
104Wer noch keinen Asylantrag gestellt hat, kann bei der Questura desjenigen Flughafens, an den er rücküberstellt wird, einen Asylantrag stellen (Verbalizzazione) und erhält etwa bei der Nichtregierungsorganisation (non-governmental organization, NGO) am Flughafen in Rom einen Unterbringungsplatz in einem CAS (Centro die accoglienza straordinaria)-Zentrum in der Umgebung von Rom. Wer vor der Weiterreise bereits ein Asylgesuch in Italien gestellt hatte, muss zur zuständigen Questura reisen, um das Asylverfahren weiterzuführen. Dazu erhält er an der Grenze, etwa auch bei seiner Ankunft am Flughafen in Rom, von NGOs ein Bahnticket zur Verfügung gestellt. Bei der zuständigen Präfektur wird die Unterkunft beantragt. Wer das Unterbringungszentrum ohne Meldung verlassen hat, verliert zwar grundsätzlich seinen Unterkunftsanspruch, kann aber einen neuen Platz beantragen.
105Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 4 ff.; AA, Auskünfte an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.2 und 2.1., und vom 11. September 2013; zu letztgenanntem Gesichtspunkt s. auch CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 75.
106Für Folgeantragsteller gilt nichts anderes, insbesondere können sie ebenfalls in den Unterkunftszentren unterkommen.
107Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 48; SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 18. Mai 2016, S. 2.
108Ende 2015 verfügte Italien nach einer massiven Aufstockung über rund 104.000 Unterbringungsplätze in CAS-, CPSA (Centro di primo soccorso e accoglienza)-, CDA (centro di accoglienza)-, CARA (Centro di accoglienza per richiedenti asilo; jetzt: „centri governativi di accoglienza“)- und SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e refugiati“)-Einrichtungen, wovon der größte Anteil auf die temporären Aufnahmeeinrichtungen des CAS-Systems entfällt (76.683 Plätze).
109Dem standen 2015 rund 84.000 neue Asylanträge gegenüber, ca. 20.000 mehr als im Vorjahr.
110Vgl. die Eurostat-Statistik „Asylum and new asylum applicants – annual aggregated data –“, abrufbar von http://ec.europa.eu/eurostat.
111Hinzu kommen noch die Personen, die sich bereits zuvor im Asylverfahren befanden, und die Dublin-Rückkehrer.
112Am 29. Februar 2016 waren insgesamt 107.387 Personen in diversen national unterhaltenen Unterkunftszentren untergebracht.
113Vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation, Italien, Wien, 22. März 2016.
114Unterstützt von EASO (European Asylum Support Office der EU) hat Italien die Unterkunftskapazitäten erheblich erhöht.
115Vgl. EASO Special Support Plan to Italy, 11. März 2015, S. 1.
116Das SPRAR-System, ein kommunales Unterbringungssystem, das vom italienischen Staat zentral verwaltet wird und eine Unterbringung bei privaten oder kommunalen Trägern vorsieht, wird ständig ausgebaut und soll von 20.000 auf mindestens 35.000 Plätze aufgestockt werden.
117Vgl. AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 2.4.
118Die Unterbringung in den staatlichen Einrichtungen wird grundsätzlich für die Zeit des Asylverfahrens und eines etwaigen Rechtsmittelverfahrens gewährleistet.
119Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 74.
120Eine zuvor angenommene maximale Aufenthaltsdauer von 20 bzw. 35 Tagen in CARA-/CDA-Zentren oder sechs Monaten in SPRAR-Einrichtungen, die im Übrigen oft wesentlich überschritten wurde,
121vgl. ASGI (Associazione Studi Giuridici sull’Immi-grazione), The Dublin System and Italy: A Wavering Balance, März 2015, S. 13 f., 23 f.; aida (Asylum Information Database): Country Report Italy, Januar 2015, S. 53; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 11. September 2013; UNHCR, Recommendations on important aspects of refugee protection in Italy, Juli 2012, S. 12; borderline-europe e.V., Auskunft an VG Braunschweig, Dezember 2012, S. 34 f. und 51,
122gibt es für Asylantragsteller nicht (mehr). Eine Obergrenze für die Dauer des Aufenthaltes ist im Gesetzesdekret 142/2015, das die entsprechenden Vorgaben der Aufnahmerichtlinie umsetzt, nicht vorgesehen.
123Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 74.
124Ergänzend zu den staatlichen Unterbringungseinrichtungen stellen verschiedene kirchliche oder kommunale Einrichtungen sowie lokale Hilfsorganisationen zur Vermeidung von Obdachlosigkeit Unterkünfte zur Verfügung.
125Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 7 f.; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 2.4, und an das OVG S.-A. vom 21. Januar 2013, 4.4; borderline-europe e.V., Auskunft an das VG Braunschweig, Dezember 2012, S. 21.
126Insgesamt kann angesichts dieser Zahlen nicht davon ausgegangen werden, dass die Unterbringung, auch wenn sie von unterschiedlicher Qualität ist und nicht in jedem Fall den Mindeststandards entspricht,
127vgl. zu den Bedingungen in den Einrichtungen CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 70 ff.; SFH, Auskunft an das VG Schwerin vom 23. April 2015, S. 4,
128im Sinne systemischer Schwachstellen defizitär ist.
129Selbst wenn man aber unterstellt, die in Italien aktuell vorhandenen Kapazitäten zur Unterbringung von Asylbewerbern reichten derzeit oder in naher Zukunft nicht aus, ergäbe sich daraus nach Auffassung des Senats noch kein systemisches, die Grenze zur drohenden Grundrechtsverletzung nach Art. 4 GR-Charta überschreitendes Versagen des Staates. Die Menschenrechte verpflichten die Staaten weder, eine absolut bestimmbare Mindestanzahl von Unterkünften zur Verfügung zu stellen, noch dazu, rein vorsorglich Unterkunftskapazitäten im Umfang einer „Spitzenbelastung“ vorzuhalten.
130Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 158.
131Nach den vorliegenden Erkenntnissen reagiert Italien jedenfalls inzwischen flexibel auf den Zustrom. Das System ist durch die kurze Auftragsdauer für die temporären CAS-Zentren (Ausschreibung alle sechs Monate) sehr flexibel in Bezug auf Schwankungen. Ferner waren jüngst unter dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU (AMIF) verschiedene Projekte ausgeschrieben, die auch die Unterbringung von Asylbewerbern umfassten.
132Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 7 f.
133Hiervon ausgehend ist die Erwartung, dass künftig wieder mehr Flüchtlinge den Weg über das Mittelmeer suchen und in Italien die Grenze zur EU überschreiten werden, nicht ausreichend, um derzeit systemische Schwachstellen anzunehmen. Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien würde erst dann überschritten, wenn – was hier nicht der Fall ist – absehbar wäre, dass auf die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung dieses Problems ergriffen würden.
134Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. April 2015 - 14 A 2356/12.A -, juris, Rn. 41.
135Die aktuelle Presseberichterstattung veranlasst nicht zu einer anderen Bewertung. Hier wird zwar von Kapazitätsengpässen insbesondere wegen des jahreszeitbedingten starken Zustroms von Flüchtlingen über das Mittelmeer berichtet, aber auch von den Bemühungen Italiens, kurzfristige Lösungen zu finden sowie vom Erfolg derartiger Bemühungen.
136Vgl. u.a. Maxwill, Flüchtlingschaos in Sizilien, Der Spiegel, online-Ausgaben vom 20., 21., 23. und 24.Juni 2016, Starker Flüchtlingsandrang in Italien, Frankfurter Rundschau, online-Ausgabe vom 30. Mai 2016.
137Auch die Versorgung mit Lebensmitteln, Kleidung, Hygieneartikeln und der Zugang zu einer medizinischen Mindestversorgung (vgl. Art. 19 Richtlinie 2013/33/EU) ist während des Asyl(folge)verfahrens grundsätzlich in menschenrechtskonformer Weise gewährleistet. Asylbewerber haben Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem. Die übrige Versorgung erfolgt über die Unterbringungseinrichtungen, teilweise auch über karitative Organisationen.
138Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 8 f.; AA, Auskünfte an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 3.1, an das VG Schwerin vom 25. März 2015, sowie an das OVG S.-A. vom 21. Januar 2013, 5. und 6.; CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 64, 82; EASO Special Support Plan to Italy, 11. März 2015, S. 5.
139Zudem ist es Asylbewerbern nach Art. 22 Abs. 1 des Gesetzesdekrets 142/2015 bereits 60 Tage nach Stellung des Asylgesuchs erlaubt zu arbeiten.
140Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 81.
141Auch der EGMR hat für den Fall eines alleinstehenden (jungen) Mannes (Urteile vom 13. Januar 2015 - 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) - und vom 30. Juni 2015 – 39350/13 (A.S. ./.Schweiz) -) keine Grundlage für die Annahme gesehen, ihm drohe im Fall der Rückführung nach Italien eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK. Die Tarakhel-Entscheidung des EGMR vom 4. November 2014 - 29217/12 (T. ./. Schweiz) -, mit der die Rückführung nach Italien von Garantien italienischer Behörden abhängig gemacht worden ist, beruhte auf der besonderen - hier nicht vorliegenden - Situation einer Familie mit sechs minderjährigen Kindern, der spezifischen Schutzbedürftigkeit von Kindern und dem Gebot der Wahrung der Familieneinheit.
142(cc) Wenn der Kläger in Italien nicht als Dublin-Rückkehrer behandelt werden sollte, sondern, weil er dort bereits subsidiären Schutz und eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hat, wie alle international Schutzberechtigten, läge eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GR-Charta ebenfalls nicht vor.
143Denn auch die Lebensverhältnisse international Schutzberechtigter in Italien in vergleichbarer Lage stellen sich nicht als unmenschlich oder erniedrigend dar.
144Nach den vorliegenden Erkenntnissen sind in Italien Ausländer, die dort als subsidiär Schutzberechtigte anerkannt worden sind, italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt, d. h., es wird grundsätzlich von ihnen erwartet, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen.
145Vgl. Schweizer Flüchtlingshilfe (SFH), Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, 5.4.1; SFH an OVG NRW, 7. April 2016, S. 4 ff.
146Dies ist nicht menschenrechtswidrig. Art. 4 GR-Charta verpflichtet - ebenso wie der gleichlautende Art. 3 EMRK - nicht, jedermann im Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch wird damit keine allgemeine Verpflichtung begründet, Flüchtlingen oder subsidiär Schutzberechtigten finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen.
147Vgl. zu Art. 3 EMRK: EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 ‑ 30696/09 (M.S.S.) -, EUGRZ 2011, 243, Rn. 249, m. w. N., und Beschluss vom 2. April 2013 ‑ 27725/10 (Mohammed Hussein) -, ZAR 2013, 336 f., Rn. 70; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 ‑ 1 A 21/12.A ‑, juris, Rn. 119.
148Die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat, reicht ebenfalls nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK bzw. von Art. 4 GR-Charta verboten wird, zu überschreiten.
149Vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 2. September 2015 ‑ 9 A 399/14 ‑, juris Rn. 46 m. w. N.
150Dies entspricht im Übrigen auch den Vorgaben der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie), die die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass international Schutzberechtigte im Hinblick auf den Zugang zu Sozialhilfeleistungen (Art. 29), medizinischer Versorgung (Art. 30) und Wohnung (Art. 32) nicht anders als die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats behandelt werden. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass anerkannte Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte – anders als die Staatsangehörigen des Mitgliedstaats – regelmäßig weder über die erforderlichen Sprachkenntnisse verfügen noch auf die Unterstützung von Familienangehörigen zurückgreifen können.
151Italien hat inzwischen die Richtlinie 2011/95/EU in nationales Recht umgesetzt.
152Vgl. Consiglio Italiano per i Rifugiati (CIR), Asylum Information Database (AIDA), Dezember 2015, S. 9.
153Es ist deshalb davon auszugehen, dass anerkannte Flüchtlinge sowie subsidiär Schutzberechtigte in Italien in den Genuss der in den Art. 20 bis Art. 35 dieser Qualifikationsrichtlinie genannten Rechte kommen.
154Die zurückkehrenden Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigten sind zudem nicht gänzlich sich selbst überlassen.
155Kehren sie aus dem Ausland zurück, können sie sich etwa am Flughafen in Rom von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) beraten lassen.
156Vgl. Auswärtiges Amt (AA) an OVG NRW, 23. Februar 2016, S. 5; SFH, April 2016, S. 5; zurückhaltender noch SFH, Oktober 2013, 5.1.
157Dort erfahren sie auch, welche Questura für sie zuständig ist. Diese wird informiert und der Flüchtling bzw. Schutzberechtigte erhält ein Bahnticket, um dorthin zu gelangen.
158Vgl. SFH, April 2016, S. 5; AA, Februar 2016, S. 5.
159Für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte ist die Behörde der Gemeinde zuständig, in der sie ihren Asylantrag gestellt haben.
160Vgl. SFH, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Mai 2011, S. 32, 35; SFH, Bewegungsfreiheit in Italien für mittellose Personen mit Schutzstatus, 4. August 2014, S. 3.
161Der Kläger verfügt über eine Aufenthaltsbewilligung aufgrund der Gewährung subsidiären Schutzes, die bis zum 10. Juni 2019 gültig ist.
162Die Versorgung von Flüchtlingen mit Wohnraum war und ist von Ort zu Ort unterschiedlich. Ein Teil kann auch nach der Anerkennung als Flüchtling in einer Einrichtung der SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e refugati) für begrenzte Zeit Aufnahme finden. Auch caritative Einrichtungen stellen Unterkünfte zur Verfügung.
163Vgl. AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt, 21. August 2013, S. 3.
164In großen Städten konnten Flüchtlinge zwar vor Jahren teilweise nur in besetzten Häusern, mit zum Teil hunderten von Bewohnern, ohne ausreichende Versorgung mit Trinkwasser und Elektrizität unterkommen.
165Vgl. SFH/Juss-Buss, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Mai 2011, S. 33, 34 f.; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, 5.2.
166Inzwischen hat sich die Situation aber verbessert. Das Auswärtige Amt hat schon im August 2013 und gegenüber dem erkennenden Gericht unter dem 23. Februar 2016 mitgeteilt, im Ergebnis könne davon ausgegangen werden, dass für die anerkannten Asylsuchenden und Flüchtlinge (und damit auch für die subsidiär Schutzberechtigten) in Italien landesweit ausreichend staatliche bzw. öffentliche oder caritative Unterkunftsmöglichkeiten (bei teilweiser lokaler Überbelegung) zur Verfügung stehen.
167Vgl. AA, August 2013, S. 3; AA an OVG NRW, 23. Februar 2016, S. 5.
168In Italien gibt es kein allgemeines System der Sozialhilfe. Etwaige gemeindliche Unterstützungsleistungen sind an den offiziellen Wohnsitz in der Gemeinde geknüpft.
169Vgl. SFH, Mai 2011, S. 35.
170Es gibt aber öffentliche Fürsorgeleistungen für gemeldete Ausländer und Flüchtlinge, wenn sie bereit sind, an Maßnahmen zur Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage, z. B. speziellen beruflichen Lehrgängen, teilzunehmen.
171Vgl. Deutsche Botschaft Rom, Sozialpolitische Informationen Italien, Januar 2012, 4.6.
172Lokale Behörden, Stiftungen, Gewerkschaften, Hilfsorganisationen oder NGOs unterhalten Integrationsprogramme und arbeiten dabei teilweise zusammen.
173Vgl. AA an OVG Sachsen-Anhalt, 21. Januar 2013, 7.3.
174Soweit solche Leistungen nicht greifen oder ausreichen, können Schutzberechtigte, wenn sie ‑ wie viele Italiener auch ‑ arbeitslos sind, auf Spenden caritativer Organisationen zurückgreifen.
175Vgl. borderline europe e.V., Gutachten zum Beweisbeschluss des VG Braunschweig vom 28. September 2012, Dezember 2012, 9.2, 10.4.; AA, 23. Februar 2016 an OVG NRW, S. 5, und vom 26. Februar 2015 an VG Potsdam.
176Für eine legale, sozialversicherungspflichtige Arbeit ist ein fester Wohnsitz Voraussetzung.
177Vgl. borderline europe e. V., a. a. O.; SFH, August 2014, S. 5.
178Jedenfalls in Rom können Flüchtlinge ihren Wohnsitz im Centro Astelli/Jesuitenflüchtlingsdienst und einigen anderen Einrichtungen anmelden.
179Vgl. SFH, August 2014, S. 5.
180Der Arbeitsmarkt ist zwar schwierig. Viele Flüchtlinge, insbesondere junge Männer, die mit gleichaltrigen italienischen Arbeitslosen auf dem Arbeitsmarkt konkurrieren, kommen häufig nur als Saisonarbeiter in der Landwirtschaft unter.
181Vgl. SFH, Mai 2011, S. 33; SFH, Oktober 2013, 5.3.
182Daraus kann allerdings nicht auf eine Verletzung des Art. 4 GR-Charta geschlossen werden.
183Bei der Gesundheitsversorgung werden Flüchtlinge in Italien wie italienische Bürger behandelt. Der kostenlose Zugang zur Notfallversorgung steht ihnen immer zur Verfügung,
184vgl. SFH, 18. Mai 2016 an OVG NRW, S. 4; AA an OVG NRW, 23. Februar 2016, S. 6, und vom 26. Februar 2015 an VG Potsdam; vgl. Deutsche Botschaft Rom, Januar 2012, S. 25 ff.; AA an VG Freiburg, 11. Juli 2012, S. 2; AA an VG Gießen, 15. November 2012, S. 2; borderline, a. a. O., 9.2, 10.4.
185Zusammenfassend ist danach davon auszugehen, dass anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte in Italien staatliche Hilfen in Anspruch nehmen können, um jedenfalls ihre Grundbedürfnisse zu decken. Gelingt dies nicht sogleich bzw. vollständig, können sie die Hilfe caritativer Organisationen erhalten.
186(dd) Individuelle, in der Person des Klägers liegende besondere Gründe, die auf eine Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GR-Charta schließen lassen, sind nicht ersichtlich. Zwar hat der Kläger im gerichtlichen Verfahren eine Nierenerkrankung geltend gemacht. Dafür hat er zwei Bescheinigungen vorgelegt, zum einen für eine am 29. November 2014 durchgeführte Akutbehandlung wegen einer Nierenkolik, zum anderen eine Bescheinigung des weiterbehandelnden Arztes vom 4. Dezember 2014 mit der Diagnose linksseitige Stauungsniere bei Verdacht auf Ureterstein. In der mündlichen Verhandlung am 9. September 2015 gab er aber an, die Nierenmedikamente nicht mehr zu nehmen und lediglich ab und zu unter Schmerzen bzw. unter Erbrechen sowie unter Hämorrhoiden zu leiden. In der Folgezeit gibt es keine konkreten Angaben zu gesundheitlichen Problemen, weder den Ausführungen im Berufungszulassungs- und Berufungsverfahren noch dem von der zuständigen Ausländerbehörde vorgelegten Verwaltungsvorgang lässt sich derartiges entnehmen. Hier wurde - ohne konkrete Angaben - lediglich ausgeführt, der Kläger bedürfe fachärztliche Betreuung. Aktuelle ärztliche Bescheinigungen, aus denen sich ein gegenwärtig bestehender Behandlungsbedarf ergibt, wurden nicht vorgelegt. Mit Blick darauf hat der Kläger bereits nicht substanziiert dargelegt, dass und wegen welcher Beschwerden er weiterhin auf ärztliche Behandlung angewiesen ist. Soweit der Kläger ferner geltend macht, er sei obdachlos und lebe vom Betteln, hat er nicht ausreichend dargelegt, dass und in welcher Art und Weise er sich überhaupt ernsthaft um eine Unterkunft und um sonstige Versorgung bemüht hat.
187II. Die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG gestützte Abschiebungsanordnung in Ziff. 2 des angefochtenen Bescheids ist ebenfalls rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt, soll der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Das bedeutet, dass die Rücknahmebereitschaft im positiven Sinne geklärt sein muss. Dem Bundesamt obliegt die Prüfung, dass weder zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse vorliegen noch inlandsbezogene Vollzugshindernisse der Abschiebung entgegenstehen. Dies gilt auch für nach Erlass der Abschiebungsanordnung auftretende Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe.
188Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 732/14 -, juris, Rn. 11 f.; OVG NRW, Beschlüsse vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris, und vom 3. März 2015 - 14 B 102/15.A -, juris.
189Anhaltspunkte für das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses im Sinne von § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht ersichtlich. Das Bestehen von gegenwärtig noch behandlungsbedürftigen Erkrankungen hat der Kläger bereits nicht substanziiert dargelegt. Die Voraussetzungen für ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben. Die Rückführung ist tatsächlich möglich. Zwar hat Italien die Überstellung nach der Dublin-VO abgelehnt, weil die dortigen Behörden der Auffassung waren, die Dublin-Verordnungen finde im vorliegenden Fall keine Anwendung (mehr). Italien hat aber seine Bereitschaft zur Übernahme nach dem Übernahmeabkommen erklärt und den Kläger auch (schon das zweite Mal) tatsächlich übernommen.
190C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
191Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
192Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.
(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.
(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.
(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.
(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.
(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.
(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.
(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.
(7) Gegen einen Ausländer,
- 1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder - 2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.
(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.
Tatbestand
- 1
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Der Kläger ist Staatsangehöriger von Sri Lanka. Er erstrebt die Befristung seiner Ausweisung mit sofortiger Wirkung (Befristung auf Null).
- 2
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Der Kläger reiste 1994 nach Deutschland ein und wurde 1996 als Asylberechtigter anerkannt. Im Jahr 2000 wurde er wegen gemeinschaftlichen banden- und gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in 18 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Im März 2001 wies ihn der Beklagte aus Deutschland aus, ohne die Wirkungen der Ausweisung zu befristen. Zur Begründung führte er an, die Ausweisung sei aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geboten. Es bestehe die konkrete Gefahr, dass der Kläger sein strafbares Verhalten fortsetze, weil er ohne finanzielle Not in dem Bestreben gehandelt habe, durch Schleusung von Ausländern einen Gewinn zu erzielen. Die Ausweisung erfolge auch aus generalpräventiven Gründen, um andere Ausländer von ähnlichen Straftaten abzuhalten. Zu einer Abschiebung kam es wegen der Asylberechtigung des Klägers nicht. Der Schutzstatus wurde zwar im Jahr 2004 bestandskräftig widerrufen. Auf einen Folgeantrag wurde dem Kläger jedoch im Jahr 2010 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Dieser lebt seit seiner Haftentlassung durchgängig mit seiner Lebensgefährtin und seinen drei minderjährigen Kindern im Bundesgebiet, zunächst auf der Grundlage von Duldungen, bevor er im Juli 2011 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erhielt. Im Mai 2010 beantragte er die Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf Null. Der Beklagte befristete im Dezember 2010 die Wirkung der Ausweisung auf ein Jahr, beginnend mit dem Zeitpunkt der Ausreise. Der Kläger erhob daraufhin Klage, mit der er sein Begehren auf sofortige Befristung weiterverfolgt.
- 3
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Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten verpflichtet, die Wirkung der Ausweisung auf den 16. März 2011 zu befristen. Das hat es damit begründet, dass zu diesem Zeitpunkt zehn Jahre seit Zustellung der Ausweisungsverfügung verstrichen gewesen seien und die Verwaltungsvorschriften für den Fall einer zwingenden Ausweisung wie hier regelmäßig eine Befristung auf diesen Zeitraum vorsähen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die gegen das Urteil gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Er hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Kläger habe einen Anspruch auf Befristung der gegen ihn ergangenen Ausweisung mit sofortiger Wirkung. Weder spezialpräventive noch generalpräventive Gründe erforderten die weitere Aufrechterhaltung der Sperrwirkung der Ausweisung. Der Kläger, der in den mehr als zwölf Jahren seit seiner Verurteilung strafrechtlich nicht mehr aufgefallen sei, stelle keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mehr dar. Von der Ausweisung gehe auch keine abschreckende Wirkung auf andere Ausländer mehr aus. Sei eine Befristung auf Null geboten, bedürfe es keiner Ausreise des Klägers.
- 4
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Das beklagte Land Baden-Württemberg macht mit seiner Revision geltend, dass die Frist für den Lauf der Einreise- und Aufenthaltssperre gemäß § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG erst mit Ausreise des Ausländers zu laufen beginne und das Ausreiseerfordernis auch nicht durch eine Befristung auf Null unterlaufen werden dürfe. Während des Revisionsverfahrens hat der Kläger mit Zustimmung des Beklagten die Klage insoweit zurückgenommen, als er die Befristung auf einen Zeitpunkt vor der Entscheidung des Berufungsgerichts begehrt hatte. Im Übrigen tritt er der Revision entgegen und weist u.a. darauf hin, dass der Beklagte in anderen Fällen durchaus eine Befristung mit sofortiger Wirkung verfügt habe.
Entscheidungsgründe
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Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren gemäß § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen; die angegriffenen Urteile sind gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO in diesem Umfang für wirkungslos zu erklären. Im Übrigen hat die zulässige Revision des Beklagten keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat ohne Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) den Beklagten für verpflichtet gehalten, die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten Wirkungen der Ausweisung auf Null zu befristen.
- 6
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Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der begehrten Befristung ist hier die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 - BVerwG 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 = Buchholz 402.242 § 11 AufenthG Nr. 9, jeweils Rn. 12 m.w.N.). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O.). Maßgeblich sind deshalb die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl I S. 3474). Hierdurch hat sich die Rechtslage hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmungen aber nicht geändert.
- 7
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1. Die Verpflichtungsklage ist zulässig. Der Kläger hat ein Rechtsschutzbedürfnis für sein Begehren, dass die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten Wirkungen der Ausweisung auf Null befristet werden. Denn ohne eine solche Befristung bleiben die Wirkungen der Ausweisung jedenfalls für die außerhalb des 5. Abschnitts in Kapitel 2 des Aufenthaltsgesetzes geregelten Aufenthaltstitel dauerhaft bestehen. Dies belastet den Kläger und rechtfertigt sein Begehren, denn ein Rechtsschutzinteresse fehlt nur, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile erbringen kann (Urteil vom 29. April 2004 - BVerwG 3 C 25.03 - BVerwGE 121, 1 <3> = Buchholz 451.74 § 9 KHG Nr. 9 S. 2<4>).
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Im Übrigen besteht ein Rechtsschutzbedürfnis auch im Hinblick auf die Erteilung der vom Kläger vorrangig erstrebten Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG. Diese ist einem Ausländer wie dem Kläger, dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, zu erteilen, es sei denn, der Ausländer ist aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen worden (§ 25 Abs. 2 i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Die spezielle Erteilungssperre des § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG wird nicht schon durch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, wie sie hier erfolgt ist, aufgehoben. Insoweit schränkt der Senat seine Rechtsprechung ein, die er mit Urteil vom 4. September 2007 (BVerwG 1 C 43.06 - BVerwGE 129, 226 = Buchholz 402.242 § 31 AufenthG Nr. 2, jeweils Rn. 34 und 42) begründet und mit Urteil vom 13. April 2010 (BVerwG 1 C 5.09 - BVerwGE 136, 284 = Buchholz 402.242 § 11 AufenthG Nr. 6, jeweils Rn. 12) fortentwickelt hat. Nach der bisherigen Rechtsprechung wird durch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG die Sperrwirkung nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG für die Erteilung von Aufenthaltstiteln nach Abschnitt 5 von Kapitel 2 des Aufenthaltsgesetzes (Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen) aufgehoben, nicht hingegen für die Erteilung von Aufenthaltstiteln zu anderen Zwecken. Der Senat hat allerdings bereits darauf hingewiesen, dass der Zusammenschau bestimmter Regelungen, zu denen § 25 Abs. 1 und 2 AufenthG gehört, zu entnehmen ist, dass der Gesetzgeber die Aufhebung der Sperrwirkung einer gesonderten Befristungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 bis 6 AufenthG vorbehalten hat (Urteil vom 13. April 2010 a.a.O., jeweils Rn. 13).
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Der Senat beschränkt seine Rechtsprechung zur Aufhebung der Sperrwirkung durch Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG nunmehr ausdrücklich auf diejenigen Aufenthaltstitel nach Abschnitt 5 von Kapitel 2 des Aufenthaltsgesetzes, für die keine spezielle Sperrwirkung angeordnet ist. Eine solche spezielle Sperrwirkung findet sich in § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG. Deren Aufhebung allein wegen der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG würde dem gesetzgeberischen Zweck widersprechen, Asylberechtigten und Flüchtlingen die aufenthaltsrechtlichen Vergünstigungen des § 25 Abs. 1 und 2 AufenthG dann nicht zukommen zu lassen, wenn sie aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen worden sind. Sie sollen die Vorteile der Regelung, die u.a. zu einer schnelleren Aufenthaltsverfestigung führt, vielmehr erst dann genießen, wenn von ihnen keine Gefahr im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG mehr ausgeht und die Wirkungen der Ausweisung deshalb befristet und nach Fristablauf erloschen sind.
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Allerdings steht der Versagungsgrund des § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 und 2 AufenthG dann nicht mehr entgegen, wenn die allgemeine Sperrwirkung der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 AufenthG aufgehoben wird. Denn die Aufhebung der Sperrwirkung nach § 11 Abs. 1 AufenthG bezieht sich auf alle Aufenthaltstitel. Der Senat folgt nicht der gegenteiligen Auffassung des Beklagten, denn ebenso wie die nahezu wortgleichen früheren Regelungen in § 29 Abs. 2 AsylVfG 1982 und § 68 Abs. 2 und § 70 Abs. 2 AsylVfG 1992 dient § 25 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 AufenthG lediglich der Synchronisierung mit dem besonderen Ausweisungsschutz für anerkannte Asylberechtigte und Flüchtlinge (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und Satz 2 AufenthG). Bei diesen ist eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung möglich. Ist der Ausländer aber bereits vor der bestandskräftigen Anerkennung ausgewiesen worden, sperrt nur eine auf den gleichen qualifizierten Gründen beruhende Ausweisung die Titelerteilung (Urteil vom 22. Mai 2012 - BVerwG 1 C 8.11 - BVerwGE 143, 138 = Buchholz 402.242 § 5 AufenthG Nr. 10, jeweils Rn. 17 mit Verweis auf BTDrucks 9/1630 S. 24 zu § 29 Abs. 2 AsylVfG 1982, BTDrucks 12/2062 S. 38 f. zu § 68 Abs. 2 und § 70 Abs. 2 AsylVfG 1992 und BTDrucks 15/420 S. 111). Daraus ergibt sich für den Versagungsgrund des § 25 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 AufenthG, dass die darin geregelte spezielle Sperrwirkung vom Gesetzgeber nicht als dauerhaft wirkender Ausschlusstatbestand, sondern ebenfalls gefahren- oder präventionsabhängig konzipiert worden ist. Deshalb wird sie nach Sinn und Zweck von der präventionsgeleiteten Befristungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG miterfasst und steht nach Ablauf der Frist der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 1 oder 2 AufenthG nicht mehr entgegen.
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2. Der Verwaltungsgerichtshof hat dem Kläger auch in der Sache zu Recht einen Befristungsanspruch auf Null ohne vorherige Ausreise zuerkannt. Die Rechtsgrundlage für einen solchen Anspruch findet sich in § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Danach werden die in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG (Einreise- und Aufenthaltsverbot) und in § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (Titelerteilungsverbot) bezeichneten Wirkungen auf Antrag befristet. Seit Inkrafttreten des § 11 AufenthG in der Neufassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 haben Ausländer grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde mit einer Ausweisung zugleich das daran geknüpfte gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot sowie die Titelerteilungssperre befristet, ohne dass es insoweit eines Antrags des Ausländers bedarf (Urteil vom 10. Juli 2012 - BVerwG 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 = Buchholz 402.242 § 11 AufenthG Nr. 9, jeweils Rn. 30; vgl. auch EuGH, Urteil vom 19. September 2013 - Rs. C-297/12 - InfAuslR 2013, 416 Rn. 34). Die Entscheidung über die Länge der Frist ist eine rechtlich gebundene Entscheidung, die nicht im Ermessen der Ausländerbehörde steht (vgl. Urteile vom 10. Juli 2012 a.a.O., jeweils Rn. 34 und vom 14. Mai 2013 - BVerwG 1 C 13.12 - InfAuslR 2013, 334 Rn. 27).
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Die allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzende Frist ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Bei der Bestimmung der Länge der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Bei einer aus generalpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung kommt es - soweit sie zulässig ist - darauf an, wie lange von ihr eine abschreckende Wirkung auf andere Ausländer ausgeht. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Höchstfrist muss sich aber in einem zweiten Schritt an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) und den Vorgaben aus Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK messen und ggf. relativieren lassen. Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen. Dabei sind insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen. Die Abwägung ist hier nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichtshofs zu treffen (vgl. Urteile vom 10. Juli 2012 a.a.O., jeweils Rn. 42 und vom 14. Mai 2013 a.a.O. Rn. 32).
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Der Verwaltungsgerichtshof ist aufgrund der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) mit Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Wirkungen der Ausweisung im vorliegenden Fall vollständig zu beseitigen sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann in bestimmten Fällen eine vollständige Beseitigung der in § 11 Abs. 1 AufenthG geregelten Wirkungen der Ausweisung geboten sein. Dann entfällt das Erfordernis einer Fristbestimmung wie auch der Ausreise aus Deutschland (vgl. Urteile vom 10. Juli 2012 a.a.O., jeweils Rn. 33; vom 4. September 2007 - BVerwG 1 C 43.06 - BVerwGE 129, 226 = Buchholz 402.242 § 31 AufenthG Nr. 2, jeweils Rn. 28 und vom 13. April 2010 - BVerwG 1 C 5.09 - BVerwGE 136, 284 = Buchholz 402.242 § 11 AufenthG Nr. 6, jeweils Rn. 17). Dies kann zum einen deshalb geboten sein, weil seit Verfügung einer nicht vollzogenen Ausweisung ein so langer Zeitraum verstrichen ist, dass die zum Ausweisungszeitpunkt bestehenden spezial- oder generalpräventiven Gründe entfallen sind. Ein Anspruch auf vollständige Beseitigung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 AufenthG kann sich aber auch aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben, etwa weil schützenswerte familiäre Belange im Sinne von Art. 6 GG dies erfordern (zu Letzterem vgl. Urteile vom 13. April 2010 a.a.O., jeweils Rn. 17 und vom 4. September 2007 a.a.O., jeweils Rn. 28). Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die zum Ausweisungszeitpunkt bestehenden spezial- und generalpräventiven Gründe nach Verstreichen einer Zeitdauer von mehr als zehn Jahren nicht mehr vorliegen. Damit sind die Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch erfüllt, ohne dass es einer Entscheidung der Frage bedarf, ob dem Aufenthaltsbegehren eines Konventionsflüchtlings überhaupt generalpräventive Gründe entgegengehalten werden dürfen.
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Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten setzt der Anspruch auf Beseitigung der in § 11 Abs. 1 AufenthG geregelten Wirkungen der Ausweisung nicht die vorherige Ausreise des Ausländers voraus. Zwar sieht § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG vor, dass der Lauf der Frist mit der Ausreise beginnt. Liegen zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aber keine Gründe für die Festsetzung einer Sperre im Sinne von § 11 Abs. 1 AufenthG mehr vor, entfällt damit auch das Erfordernis der Ausreise. Eine Frist für die Geltung der Wirkungen der Ausweisung darf dann nicht mehr in Gang gesetzt werden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen Ziffer 3 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 4. Mai 2016 (Ablehnung des Prozesskostenhilfe-Antrags) wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
- 1
Der Antragsteller hat am 12. April 2016 – zusammen mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung – einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren gestellt. Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. Mai 2016, in dem auch über den vorläufigen Rechtsschutzantrag entschieden wurde, abgelehnt. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe sei abzulehnen, da "die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den vorstehend dargelegten Gründen [zur Ablehnung des vorläufigen Rechtsschutzantrags] keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot".
- 2
In seiner Beschwerde führt der Antragsteller aus, sein Antrag habe hinreichende Erfolgsaussichten gehabt. Abgesehen davon entspreche die Entscheidungsweise des Verwaltungsgerichts, das gleichzeitig über den Sach- und den Prozesskostenhilfe-Antrag entschieden habe, nicht den Grundsätzen des § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Grundsätzlich sei Prozesskostenhilfe zu bewilligen, soweit nicht Anhaltspunkte ersichtlich seien, dass die Rechtsverfolgung völlig aussichtslos bzw. mutwillig sei. Werde über beide Anträge gleichzeitig entschieden, sei ein vom Antragsteller gestellter Antrag auf Prozesskostenhilfe von vornherein unsinnig, da bei Obsiegen in der Sache ohnehin der Gegner die Kosten zu tragen habe.
II.
- 3
Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Eilrechtsschutzverfahren hat in der Sache keinen Erfolg. Auch aus Sicht des Beschwerdegerichts entspricht die Ablehnung den gesetzlichen Vorgaben (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO), da der beim Verwaltungsgericht gestellte (Haupt-)Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keine hinreichenden Erfolgsaussichten hatte.
- 4
Das Verwaltungsgericht durfte hier über das Prozesskostenhilfe-Gesuch des Antragstellers gleichzeitig mit der Entscheidung über den Hauptantrag entscheiden (1.). Allerdings sind die Maßstäbe für den Erfolg des Sachantrags und des Prozesskostenhilfe-Antrags unterschiedlich (2.). Im vorliegenden Fall ist die Ablehnung von Prozesskostenhilfe indes nicht zu beanstanden (3.).
- 5
1. Über einen Prozesskostenhilfe-Antrag, der gleichzeitig mit einem Hauptverfahrensantrag gestellt worden ist, soll grundsätzlich alsbald nach Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfe-Gesuchs entschieden werden. Der Antragsteller soll damit Klarheit darüber erhalten, ob seine Mittellosigkeit als Hindernis der beabsichtigten Rechtsverfolgung ausgeräumt wird (vgl. Neumann in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 166 Rn. 36 f. m.w.N.). So soll der Antragsteller durch eine rechtzeitige Entscheidung auch die Möglichkeit zur Entscheidung erhalten, ob er den Rechtsstreit auf eigene Kosten fortsetzt oder die Klage bzw. den Eilantrag aus Gründen der Kostenersparnis zurücknimmt. Eine gemeinsame Entscheidung über den Sachantrag und Prozesskostenhilfe-Antrag kann eine unrichtige Sachbehandlung im Sinn von § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG darstellen (Neumann, a.a.O. Rn. 37; OVG Hamburg, Beschl. v. 26.9.1985, OVG Bs VII 466/85, HmbJVBl. 1986, 13, 14, juris Leitsatz 3).
- 6
Allerdings wird es in eilbedürftigen Verfahren wie (zumeist) bei Anträgen auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes oft gerechtfertigt sein, über den Eilantrag und den Prozesskostenhilfe-Antrag für dieses Verfahren gemeinsam zu entscheiden; bei einer solchen Entscheidungskombination kann im allgemeinen nicht von einer verspäteten Entscheidung über den Prozesskostenhilfe-Antrag gesprochen werden (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 23.11.2001, 4 Bf 171/01, juris Rn. 5 m.w.N.; Beschl. v. 13.2.1996, Bs IV 313/95, DVBl. 1996, 1318, juris Rn. 1 m.w.N.; VGH Mannheim, Beschl. v. 23.11.2004, 7 S 2219/04, VBlBW 2005, 196, juris Rn. 5; Beschl. v. 17.9.1993, 6 S 1970/93, juris Rn. 2; VGH Kassel, Beschl. v. 9.10.1989, 1 TG 1966/89 u.a., NVwZ-RR 1990, 223, juris Rn. 8; Neumann in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 166 Rn. 40). Vorliegend ging der Eilantrag samt Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe am 12. April 2016 bei Gericht ein. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen wurde am 22. April 2016 bei Gericht eingereicht; die Stellungnahme der Antragsgegnerin vom 19. April 2016 samt Sachakten lag der zuständigen Kammer des Verwaltungsgerichts am 25. April 2016 vor. Da der Eilantrag mit der Bitte "um schnellstmögliche Entscheidung" (Antragsschrift S. 8) gestellt worden war, ist es nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht über beide Anträge gemeinsam am 4. Mai 2016 entschieden hat; eine Vorabentscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wäre hier erkennbar nicht im Interesse des Antragstellers gewesen.
- 7
Soweit in älteren Entscheidungen eine solche Entscheidungskombination (auch) damit gerechtfertigt wurde, dass durch eine Rücknahme des Eilantrags keine Kosten gespart werden könnten, entspricht dies hinsichtlich der Gerichtskosten allerdings nicht mehr der aktuellen Rechtslage: Inzwischen reduzieren sich die Gerichtsgebühren bei einer Antragsrücknahme von 1,5 auf 0,5 Gebühren (Nr. 5210 und 5211 des KV-GKG). Hingegen können Anwaltsgebühren, die durch die Einreichung der Antragsschrift anfallen, durch eine Antragsrücknahme nicht mehr vermindert werden (§ 15 Abs. 4 RVG; vgl. zur insoweit gleichen Regelung in § 13 Abs. 4 BRAGO: OVG Hamburg, Beschl. v. 23.11.2001, a.a.O.). Hier würde allenfalls ein isolierter Prozesskostenhilfe-Antrag vor Einreichung eines Eilantrags unerwünschte Kostenfolgen vermeiden (vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 9.10.1989, a.a.O.); doch wird hierzu nicht immer genügend Zeit zur Verfügung stehen.
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Der Antragsteller meint, bei einer gemeinsamen Entscheidung über Sachantrag und Prozesskostenhilfe-Antrag sei ein Prozesskostenhilfe-Antrag "von vornherein absurd", da bei Stattgabe des Sachantrags die Kosten dem Antragsgegner auferlegt würden, so dass es einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht bedürfe. Dieser Einwand überzeugt nicht: Bei erstinstanzlicher Stattgabe des Eilantrags macht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe durchaus Sinn, da der Antragsgegner gegen die Sachentscheidung Beschwerde einlegen kann. Wird daraufhin die stattgebende erstinstanzliche Sachentscheidung geändert, werden zwar grundsätzlich gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des gesamten Verfahrens dem Antragsteller auferlegt; hat der Antragsteller aber Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren erhalten, bleibt es dabei, da die Bewilligung nahezu unanfechtbar ist (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 2 und 3 ZPO). Auch kann die Versagung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren wesentlich einfacher angefochten werden als eine ablehnende Eilentscheidung; die Regelungen des § 146 Abs. 4 VwGO gelten für die Beschwerde gegen die Ablehnung eines Prozesskostenhilfe-Antrags nicht.
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2. Wird über den Sachantrag und den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemeinsam entschieden, ist allerdings zu beachten, dass die Maßstäbe für den Erfolg der jeweiligen Anträge unterschiedlich sind; daher darf der Prozesskostenhilfe-Antrag in der Regel nicht allein mit der Begründung abgelehnt werden, dass wegen der Ablehnung der beantragten einstweiligen Anordnung die hinreichende Erfolgsaussicht fehle (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 23.11.2004, 7 S 2219/04, VBlBW 2005, 196, juris Rn. 5; Neumann in Sodan/Ziekow, a.a.O., § 166 Rn. 40; vgl. auch BVerfG, Kammerbeschl. v. 26.6.2003, 1 BvR 1152/02, NJW 2003, 3190, juris Rn. 11). Die Prozesskostenhilfe solle nicht den Erfolg in der Hauptsache prämieren, sondern nur den Rechtsschutz ermöglichen (so das BVerfG a.a.O.).
- 10
Hinreichende Aussichten auf Erfolg im Sinn von § 166 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind bereits dann anzunehmen, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolgs der beabsichtigten Rechtsverfolgung besteht. Denn die Prüfung der Erfolgsaussichten im Prozesskostenhilfeverfahren darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung seitens einer unbemittelten Partei unverhältnismäßig zu erschweren und die Gewährung von Prozesskostenhilfe von einem schon hoch wahrscheinlichen oder gar sicheren Prozesserfolg abhängig zu machen; die Rechtsverfolgung würde sonst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorverlagert (vgl. BVerwG, Beschl. v. 5.1.1994, 1 A 14.92, Buchholz 310 § 166 VwGO Nr. 33, juris Rn. 3).
- 11
3. Im vorliegenden Fall ist die Versagung von Prozesskostenhilfe durch das Verwaltungsgericht nicht zu beanstanden. Der erstinstanzlich gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hatte auch nach Ansicht des Beschwerdegerichts nach dem soeben dargelegten Entscheidungsmaßstab keine hinreichenden Erfolgsaussichten.
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In einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren ist die Prüfungstiefe im allgemeinen schon hin auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs (Widerspruch, Klage) zurückgenommen, die in die gerichtliche Folgenabwägung einzubeziehen ist. Zudem wurde vorliegend (wie häufig) mit dem Eilantrag durch den vom Antragsteller beauftragten Rechtsanwalt sogleich alles vorgetragen, was aus Sicht des Rechtsanwalts vorzutragen war. Der Prozesskostenhilfe-Antrag war somit nicht zu dem Zweck gestellt, erst die Rechtsverfolgung zu ermöglichen, sondern im Grunde nur, von Kostenfolgen für den Fall verschont zu bleiben, dass der Antrag in der Sache nicht durchdringt.
- 13
Es kommt vorliegend hinzu, dass der Antragsteller bereits vor weniger als zwei Jahren ein Eilverfahren durch zwei Instanzen mit sehr ähnlicher tatsächlicher Konstellation betrieben hat (17 E 2349/14; 1 Bs 123/14) und die dortige Hauptbegründung – ausländische Staatsangehörige zumal mit gleicher Staatsangehörigkeit seien grundsätzlich nicht darauf angewiesen, ein familiäres Zusammenleben gerade in der Bundesrepublik Deutschland zu führen – nach wie vor gültig ist (vgl. zu einer vergleichbaren Konstellation: BVerwG, Beschl. v. 5.1.1994, a.a.O., juris Rn. 4). Inzwischen verfügt die Lebensgefährtin des Antragstellers nicht einmal mehr über die vor zwei Jahren noch bestehende Rechtsstellung. Der Antragsteller könnte aus den von ihr derzeit erstrebten Aufenthaltstiteln nur dann aufenthaltsrechtliche Folgen für sich ableiten, wenn er mit seiner Lebensgefährtin verheiratet wäre. Ob und ggf. wann dies der Fall sein wird, ist selbst derzeit noch nicht absehbar.
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Angesichts all dessen war es naheliegend, den Prozesskostenhilfe-Antrag sogar unter Bezugnahme auf die Gründe für die Ablehnung des Eilrechtsschutzantrags abzulehnen.
III.
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Die Kostenfolge ergibt sich aus §§ 154 Abs. 2, 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
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Eine Streitwertfestsetzung ist nicht veranlasst, da für das Beschwerdeverfahren eine streitwertunabhängige Pauschalgebühr (Nr. 5502 KV-GKG) anfällt.
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Das Oberverwaltungsgericht versteht den unter Ziffer 4 des Schriftsatzes vom 9. Juni 2016 gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren dahingehend, dass er sich nur auf das Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung des Eilrechtsschutzantrags (1 Bs 87/16) bezieht. Im übrigen könnte Prozesskostenhilfe für ein Beschwerdeverfahren gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 9.1.2012, 5 So 130/11 n.v.; Neumann in: Sodan/ Ziekow, a.a.O., § 166 Rn. 59; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 166 Rn. 2).
(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.
(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.
(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.
(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.
(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.
(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.