Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 10. Jan. 2017 - 2 K 6629/15

bei uns veröffentlicht am10.01.2017

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger ist – dies ist von keiner Seite bestritten worden – deutscher Staatsangehöriger.

2

Gleichwohl stellte der Kläger am 25. Oktober 2015 bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 9. November 2015 mit, dass der Antrag vom 25. Oktober 2015 in Ermangelung eines Sachentscheidungsinteresses nicht beschieden werde. Denn es sei unstreitig, dass der Kläger deutscher Staatsangehöriger sei.

3

Der Kläger hat am 9. Dezember 2015 Klage erhoben, die sich in ihrem ursprünglichen Umfang auf die Unterlassung einer Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit bezieht.

4

Der Kläger hat darüber hinaus schriftsätzliche Anregungen, formuliert als „Antrag 01“ bis „Antrag 05“ vorgebracht, aber dem gerichtlichen Hinweis, dass darin keine neuen Klagegegenstände lägen, nicht widersprochen, sondern sie als „zum ursprünglichen Hauptverfahren“ gehörend bezeichnet.

5

Für den klägerischen Vortrag wird auf die Schriftsätze verwiesen.

6

Der Kläger beantragt,

7

die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass er deutscher Staatsangehöriger ist,

8

sowie unter Erweiterung der Klage,

9

die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass er Staatsangehöriger der Freien und Hansestadt Hamburg ist.

10

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 16. Dezember 2016 auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

11

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind die Sachakten der Beklagten. Darauf sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12

Der Entscheidung über die Klage aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. Januar 2017 nach § 101 Abs. 1 VwGO steht das Ausbleiben der Beklagten gemäß § 102 Abs. 2 VwGO nicht entgegen, da sie bei der ordnungsgemäßen Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist.

I.

13

Die Klage hat in ihrem ursprünglichen Umfang (hierzu unter 1.) sowie im Umfang der Klageerweiterung (hierzu unter 2.) keinen Erfolg.

14

1. Soweit der Kläger die Verpflichtung der Beklagten begehrt, den am 25. Oktober 2015 bei der Beklagten beantragten Verwaltungsakt auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit zu erlassen, ist die Klage unzulässig (hierzu unter a.) und wäre im Übrigen auch unbegründet (hierzu unter b.).

15

a. Die Klage ist bereits unzulässig.

16

Die Zulässigkeit der Verpflichtungsklage ist an den Voraussetzungen einer zulässigen Untätigkeitsklage zu messen. Denn begrifflich ist eine Untätigkeitsklage nach § 42 Abs. 1 Var. 3 VwGO gegeben. Die Beklagte hat es unterlassen, eine Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit durch Verwaltungsakt festzustellen. Die Beklagte hat den Antrag des Klägers vom 25. Oktober 2015 auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit insbesondere nicht durch ablehnenden Verwaltungsakt beschieden, sondern im Gegenteil dem Kläger mit Schreiben vom 9. November 2015 mitgeteilt, dass der Antrag vom 25. Oktober 2015 in Ermangelung eines Sachentscheidungsinteresses nicht beschieden werde.

17

Eine Verpflichtungsklage ist in der Gestalt der Untätigkeitsklage nur ausnahmsweise und zwar dann zulässig, wenn die Behörde über den Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat. Eine Verpflichtungsklage ist grundsätzlich nur dann zulässig, wenn ein Antrag auf Vornahme des begehrten Verwaltungsaktes abgelehnt und daraufhin das Widerspruchsverfahren als Vorverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist. Dies folgt aus § 75 Satz 1 Alt. 2 i.V.m. § 68 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO. Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Für die Verpflichtungsklage gilt dies gemäß § 68 Abs. 2 VwGO entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes abgelehnt worden ist. Zwar hat die Beklagte den Antrag des Klägers auf Vornahme eines Verwaltungsaktes nicht in der Form eines Verwaltungsaktes, dessen Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit in einem Vorverfahren nachgeprüft werden könnten, abgelehnt. Doch geht aus § 75 Satz 1 Alt. 2 VwGO hervor, dass dann, wenn die Behörde über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes nicht entschieden hat, die Verpflichtungsklage nur in dem Fall abweichend von § 68 VwGO zulässig ist, dass die Behörde ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat.

18

Der in § 75 Satz 1 Alt. 2 VwGO vorausgesetzte Ausnahmefall, dass die Behörde ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat, liegt insbesondere dann nicht vor, wenn die Behörde nicht gehalten war, über den Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes sachlich zu entscheiden. Zwar obliegt es der Behörde regelmäßig auch dann, einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes zu bescheiden, wenn er unzulässig ist; in Fall der Bescheidung ist der Antrag als unzulässig abzulehnen. Dabei ist eine sachliche Entscheidung i.S.d. § 75 Satz 1 Alt. 2 VwGO nicht nur eine Ablehnung des Antrags als unbegründet, sondern jede verbindliche behördliche Entscheidung zur Hauptsache, auch die Ablehnung des Antrags als unzulässig (Dolde/Porsch, in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 31. EL Juni 2016, § 75 Rn. 5a). Doch besteht zumindest dann kein schutzwürdiges Interesse des Antragstellers daran, dass die Behörde einen unzulässigen Antrag bescheidet und als unzulässig ablehnt, wenn die Behörde bereits in einer Mitteilung an den Antragsteller zu Recht das Sachbescheidungsinteresse verneint hat. Der Antragsteller hat in diesem Fall nicht nur kein schutzwürdiges Interesse an einer Bescheidung seines Antrags in der Sache, sondern auch kein schutzwürdiges Interesse an einer Bescheidung des Antrags als unzulässig. Es verstieße gegen Treu und Glauben, die nur ausnahmsweise gegebene Zulässigkeit der Untätigkeitsklage mit der Kostenfolge des § 161 Abs. 3 i.V.m. § 75 VwGO damit zu begründen, dass die Behörde den Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes nicht durch hoheitliche Entscheidung als unzulässig abgelehnt, sondern schlicht mitgeteilt hat, dass der Antrag unzulässig ist.

19

Dabei kann dahinstehen, ob die Zulässigkeit eines auf § 30 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (ber. Fassung, BGBl. III, FNA 102-1, m. spät. Änd. – StAG) gestützten Antrags auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit in jedem Fall die positive Darlegung eines besonderen Feststellungsinteresses voraussetzt. So wird zum Teil vertreten, der Antragsteller müsse kein besonderes Interesse an der Entscheidung nachweisen (Maaßen, in Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, StAG, § 30 Rn. 3), zum Teil wird vertreten, der Nachweis eines berechtigten Interesses sei erforderlich (Marx, in GK-StAR, Stand: April 2010, § 30 StAG Rn. 18). Zumindest findet aus den folgenden Erwägungen die Annahme, jedermann könne jederzeit die Feststellung beantragen (so aber Oberhäuser, in Hofmann, AuslR, § 30 StAG Rn. 2) im Gesetz keine Grundlage.

20

Nach allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen setzt, ebenso wie die Zulässigkeit einer Klage ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers, die Zulässigkeit eines bei der Behörde gestellten Antrags ein schutzwürdiges Interesse des Antragstellers an der Bescheidung in der Sache voraus (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.6.2013, 9 C 4/12, BVerwGE 147, 1, juris Rn. 15). Das Rechtsschutzbedürfnis im Verwaltungsprozess – und in Entsprechung dazu das Sachbescheidungsinteresse im Verwaltungsverfahren – ist zwar im Regelfall zu bejahen und bedarf nur in besonderen Fällen der Begründung. Doch fehlen das Rechtsschutzbedürfnis und Sachbescheidungsinteresse insbesondere dann, wenn die Entscheidung nutzlos ist, d.h. wenn sie demjenigen, der sie erstrebt, offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann (BVerwG, Urt. v. 23.3.1973, IV C 49/71, BVerwGE 42, 115, juris Rn. 14; Urt. v. 17.10.1989, 1 C 18/87, BVerwGE 84, 11, juris Rn. 13; Urt. v. 22.2.2012, 6 C 11/11, BVerwGE 142, 48, juris Rn. 27 m.w.N.). Das Sachbescheidungsinteresse ist grundsätzlich eine Zulässigkeitsvoraussetzung jedes bei der Behörde gestellten Antrags, unabhängig von den sich aus der jeweils Rechtsgrundlage des Fachrechts ergebenden Rechtsgrundlage.

21

Die für die Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit auf Antrag einschlägige Rechtsgrundlage macht von diesen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen keine Ausnahme. Zwar setzt die antragsabhängige Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StAG im Gegensatz zur amtswegigen Feststellung nach § 30 Abs. 1 Satz 3 StAG nicht zusätzlich ein öffentliches Interesse voraus. Daraus folgt jedoch nur, dass das Gesetz für die Antragstellung keine besonderen Voraussetzungen bezeichnet (Marx, a.a.O., Rn. 17), d.h. keine Voraussetzungen, die über das Sachbescheidungsinteresse als allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzung hinausgingen. Doch ist der Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit nach verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen unzulässig, wenn kein schutzwürdiges Interesse an der behördlichen Feststellung besteht (VG Magdeburg, Urt. v. 9.9.2016, 1 A 88/16, juris Rn. 19; VG Potsdam, Urt. v. 14.3.2016, VG 8 K 4832/15, juris Rn. 17). Weder aus dem Wortlaut, der Systematik noch dem Zweck des Gesetzes geht hervor, dass von dem Erfordernis eines Sachbescheidungsinteresses als allgemeiner Zulässigkeitsvoraussetzung befreit würde. Der Gesetzgeber wollte nicht abweichend von allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen ein voraussetzungsloses Feststellungsverfahren einführen (Marx, a.a.O., Rn. 18).

22

Dass § 30 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StAG für die antragsbedingte Feststellung von dem sich aus allgemeinen Regeln ergebenden Erfordernis eines privaten Interesses nicht befreit, bestätigt in systematischer Hinsicht die Regelung über die amtswegige Feststellung in § 30 Abs. 1 Satz 3 StAG. Der Gesetzgeber hat darin bestimmt, dass bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses die Feststellung „auch“ von Amts wegen erfolgen kann, d.h. dann, wenn die Entscheidung nicht allein für den Betroffenen und seine Abkömmlinge von Bedeutung sind, z.B. bei Auswirkungen auf ein Beamtenverhältnis oder zur Klärung des passiven oder aktiven Wahlrechts (Maaßen, a.a.O., Rn. 3). Daraus folgt zwingend, dass bei Vorliegen nur eines privaten Interesses eine Feststellung nur auf Antrag eröffnet ist. Die gesetzliche Hervorhebung des – für eine amtswegige Feststellung vorausgesetzten – öffentlichen Charakters der Interessen an der Feststellung belegt darüber hinaus jedoch auch das Vorverständnis des Gesetzgebers, dass die antragsanhängige Feststellung wenigstens ein privates Interesse voraussetzt.

23

Der vom Gesetzgeber mit der Einführung eines Antragsverfahrens zur Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit in § 30 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StAG verfolgte Zweck streitet ebenso wenig gegen, sondern im Gegenteil für eine Prüfung des Sachbescheidungsinteresses als einem allgemeinen Zulässigkeitserfordernis. In der Begründung des einschlägigen Gesetzesentwurfs (BT-Drs. 16/5065, S. 231 f.) ist ausgeführt:

24

„Mit § 30 wird die behördliche Entscheidung in einem Verfahren zur Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit als rechtsgestaltender Verwaltungsakt ausgestaltet. Dies ist erforderlich, weil bisher ein von einer deutschen Staatsangehörigkeitsbehörde auf Antrag ausgestellter Staatsangehörigkeitsausweis nur den Charakter einer widerlegbaren Vermutung hat; er ist nicht verbindlich, so dass die deutsche Staatsangehörigkeit nur durch verwaltungsgerichtliche Entscheidung verbindlich für alle Behörden festgestellt werden kann. […] Zur Herstellung von Rechtssicherheit für den Betroffenen ist deshalb auch für den Nachweis der Staatsangehörigkeit eine Verbindlichkeitsregelung geboten, wie sie z. B. für den Nachweis der Spätaussiedlereigenschaft in § 15 des Bundesvertriebenengesetzes gesetzlich geregelt ist.“

25

Nach dem verfolgten Gesetzeszweck tritt die behördliche Feststellung gemäß § 30 Abs. 1 StAG – es handelt sich um einen feststellenden Verwaltungsakt (Marx, a.a.O, Rn. 29 ff., zust. BVerwG, Urt. v. 19.2.2015, 1 C 17/14, BVerwGE 151, 245, juris Rn. 13) – an die Stelle einer nur bei einem berechtigten Interesse zulässigen gerichtlichen Feststellung gemäß § 43 Abs. 1 VwGO und dient der Herstellung der Rechtssicherheit. Ausgehend davon ist eine Rechtsunsicherheit über das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit eine Zulässigkeitsvoraussetzung der Feststellung. In Übereinstimmung damit geht die höchstrichterliche Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 19.2.2015, 1 C 17/14, BVerwGE 151, 245, juris Rn. 13) davon aus, dass „[b]ei Streit“ über das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 30 Abs. 1 StAG nunmehr die verbindliche Klärung durch einen feststellenden Verwaltungsakt zu erfolgen hat. Dahin stehen kann, ob dies in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall – in dem das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit in der Sache verneint worden ist – tragend geworden ist. Jedenfalls ist darin die Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichts zum Ausdruck gelangt, nur „bei Streit“, d.h. bei einer Meinungsverschiedenheit zwischen dem Betroffenen und öffentlichen Stellen über das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit, sei eine Feststellung eröffnet. Auch für die in der Gesetzesbegründung in Bezug genommene Ausstellung einer Bescheinigung nach § 15 des Bundesvertriebenengesetzes (i.d.F. der Bek. v. 10.8.2007, BGBl. I S. 1902, m. spät. Änd. – BVFG) wird ein Sachbescheidungsinteresse vorausgesetzt (dazu BVerwG, Urt. v. 16.7.2015, 1 C 29/14, BVerwGE 152, 283, juris Rn. 34).

26

In der vorliegenden prozessualen Konstellation einer Untätigkeitsklage (zur Versagungsgegenklage vgl. jedoch VG Potsdam, Urt. v. 14.3.2016, a.a.O., Rn. 13) ist das Interesse an einer behördlichen Sachbescheidung auch nicht erst als Voraussetzung der Begründetheit der Klage zu prüfen, sondern bereits inzident im Rahmen der Zulässigkeit der Klage. Zwar ist aus der Sicht des späteren Prozesses das Sachbescheidungsinteresse des Antragstellers eine materiell-rechtliche, nämlich verwaltungsverfahrensrechtliche Voraussetzung für den geltend gemachten Verpflichtungsanspruch (BVerwG, Beschl. v. 30.6.2004, 7 B 92/03, NVwZ 2004, 1240, juris Rn. 25). Doch ist im Fall der Untätigkeitsklage nach dem Vorstehenden das behördliche Sachbescheidungsinteresse im Rahmen der gerichtlichen Zulässigkeitsvoraussetzung des § 75 Satz 1 Alt. 2 VwGO zu prüfen.

27

Ausgehend davon sind die Voraussetzungen einer zulässigen Untätigkeitsklage nach § 75 Satz 1 Alt. 2 VwGO nicht erfüllt. Die Behörde hat über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes nicht entschieden, doch steht ihr dafür ein zureichender Grund zur Seite. Der Kläger hat weder ein schutzwürdiges Interesse an der behördlichen Bescheidung seines Antrags in der Sache noch an der behördlichen Bescheidung seines – unzulässigen – Antrags. Die Beklagte hat dem Kläger bereits mit Schreiben vom 9. November 2015 zu Recht mitgeteilt, dass sein Antrag mangels Sachbescheidungsinteresses unzulässig ist. Ein Sachbescheidungsinteresse fehlt dem Kläger deshalb, weil die begehrte Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit für ihn ohne Nutzen ist. Das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit wird von keiner Seite bestritten.

28

b. Wäre die Klage zulässig, mithin eine gerichtliche Sachentscheidung eröffnet, wäre die Klage gemäß § 113 Abs. 5 VwGO unbegründet, hätte mithin in der Sache keinen Erfolg. Die Unterlassung des begehrten Verwaltungsaktes auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger kann von der Beklagten keine Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit beanspruchen. Die Beklagte musste dem vom Kläger am 25. Oktober 2015 gestellten Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit nicht stattgegeben, da dem Kläger mangels Streits über das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit das bereits für eine Zulässigkeit dieses Antrags erforderliche Sachbescheidungsinteresse fehlt (s.o. a.).

29

2. Soweit der Kläger klagerweiternd die Verpflichtung der Beklagten begehrt, einen vorprozessual bei der Beklagten nicht beantragten Verwaltungsakt auf Feststellung der Staatsangehörigkeit der Freien und Hansestadt Hamburg zu erlassen, ist die Klage ebenfalls unzulässig (hierzu unter a.) und wäre im Übrigen auch unbegründet (hierzu unter b.).

30

a. Die Klage ist auch im Umfang der Klageerweiterung unzulässig. Es fehlt insbesondere an der Klagebefugnis. Nach § 42 Abs. 2 Var. 3 VwGO setzt die Zulässigkeit der Verpflichtungsklage voraus, dass der Kläger geltend macht, durch die Unterlassung eines Verwaltungsaktes in seinen Rechten verletzt zu sein. Dies setzt voraus, dass unter Zugrundelegung der Darlegungen des Klägers die Verletzung eines ihm zustehenden subjektiv-öffentlichen Rechts möglich erscheint, woran es insbesondere dann fehlt, wenn sein Begehren auf einen in der Rechtsordnung nicht existenten staatsangehörigkeitsrechtlichen Status gerichtet ist (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 22.11.2016, 19 A 1457/16, juris Rn. 6 ff.). So liegt der Fall hier. Ein Anspruch auf eine Feststellung der Staatsangehörigkeit der Freien und Hansestadt Hamburg kommt von vornherein deshalb nicht in Betracht, weil im nach Art. 70 Abs. 1 GG geltenden Landesrecht eine solche Staatsangehörigkeit nicht geregelt ist.

31

b. Wäre die Klage im Umfang der Klageerweiterung zulässig, wäre sie nach § 113 Abs. 5 VwGO – offensichtlich – unbegründet, weil sie auf ein Ziel gerichtet ist, das die Rechtsordnung nicht kennt.

II.

32

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 VwGO. Danach hat der Kläger als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen. Da kein Fall des § 75 VwGO vorliegt, in dem der Kläger vor Klageerhebung mit seiner Bescheidung rechnen durfte (s.o. I. 1. a.), fallen die Kosten nicht gemäß § 161 Abs. 3 VwGO der Beklagten zur Last. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 10. Jan. 2017 - 2 K 6629/15

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 10. Jan. 2017 - 2 K 6629/15

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 10. Jan. 2017 - 2 K 6629/15 zitiert 16 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 101


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 102


(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende di

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 43


(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungskla

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 161


(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden. (2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 1

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 75


Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von d

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 68


(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn 1. der Verwaltungsakt von einer ob

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 70


(1) Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. (2) Die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern bemißt sich nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes über d

Bundesvertriebenengesetz - BVFG | § 15 Bescheinigungen


(1) Das Bundesverwaltungsamt stellt Spätaussiedlern zum Nachweis ihrer Spätaussiedlereigenschaft eine Bescheinigung aus. Eine Wiederholung des Gesprächs im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 3 findet hierbei nicht statt. Bei Personen, die das 16. Lebensjahr v

Staatsangehörigkeitsgesetz - RuStAG | § 30


(1) Das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit wird bei Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses auf Antrag von der Staatsangehörigkeitsbehörde festgestellt. Die Feststellung ist in allen Angelegenheiten verbindlich, für

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 10. Jan. 2017 - 2 K 6629/15 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 10. Jan. 2017 - 2 K 6629/15 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 09. Sept. 2016 - 1 A 88/16

bei uns veröffentlicht am 09.09.2016

Tatbestand 1 Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit und die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises. 2 Am 16.12.2015 (Eingang bei der Beklagten) stellte der Kläger bei der Be

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 16. Juli 2015 - 1 C 29/14

bei uns veröffentlicht am 16.07.2015

Tatbestand 1 Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Aufnahmebescheides sowie die Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 19. Feb. 2015 - 1 C 17/14

bei uns veröffentlicht am 19.02.2015

Tatbestand 1 Die Klägerin erstrebt die Feststellung, dass sie infolge der Adoption durch ihren deutschen Stiefvater, die noch vor der Vollendung des achtzehnten Lebensja

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 12. Juni 2013 - 9 C 4/12

bei uns veröffentlicht am 12.06.2013

Tatbestand 1 Die Klägerin führte an öffentlichen Schulen Testverfahren durch, um berufsübergreifend einsetzbare Kompetenzen und Neigungen der Schüler festzustellen. Dies

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 22. Feb. 2012 - 6 C 11/11

bei uns veröffentlicht am 22.02.2012

Tatbestand 1 Der Kläger ist Oberstabsarzt und Soldat auf Zeit. Die Beteiligten streiten um seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 10. Jan. 2017 - 2 K 6629/15.

Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 16. Jan. 2017 - 2 K 1266/16

bei uns veröffentlicht am 16.01.2017

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des

Referenzen

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(1) Das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit wird bei Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses auf Antrag von der Staatsangehörigkeitsbehörde festgestellt. Die Feststellung ist in allen Angelegenheiten verbindlich, für die das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit rechtserheblich ist. Bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses kann die Feststellung auch von Amts wegen erfolgen.

(2) Für die Feststellung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn durch Urkunden, Auszüge aus den Melderegistern oder andere schriftliche Beweismittel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, dass die deutsche Staatsangehörigkeit erworben worden und danach nicht wieder verloren gegangen ist. § 3 Abs. 2 bleibt unberührt.

(3) Wird das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit auf Antrag festgestellt, stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde einen Staatsangehörigkeitsausweis aus. Auf Antrag stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde eine Bescheinigung über das Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit aus.

Tatbestand

1

Die Klägerin führte an öffentlichen Schulen Testverfahren durch, um berufsübergreifend einsetzbare Kompetenzen und Neigungen der Schüler festzustellen. Diese sogenannten Potenzialchecks sind Teil der an öffentlichen Schulen in Nordrhein-Westfalen auch im Rahmen des Unterrichts stattfindenden Maßnahmen der beruflichen Orientierung, mit denen die Schüler in der Phase des Übergangs von der Schule in den Beruf zu einer fundierten Berufswahl befähigt werden sollen.

2

Der Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer - für die Befreiung von der Umsatzsteuer notwendigen - Bescheinigung hinsichtlich der ordnungsgemäßen Durchführung der Potenzialchecks ab. Das Verwaltungsgericht hat die auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der beantragten Bescheinigung gerichtete Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin mit im Wesentlichen folgender Begründung zurückgewiesen: Voraussetzung für die Erteilung einer Bescheinigung sei nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) UStG u.a., dass die Leistungen der privaten Einrichtung "auf einen Beruf vorbereiten". Von "Berufsvorbereitung" könne nur bei Leistungen gesprochen werden, die der Vermittlung spezieller, für die Ausübung bestimmter Berufe notwendiger Kenntnisse und Fertigkeiten dienten. Bei den von der Klägerin durchgeführten Potenzialchecks handle es sich hingegen um Hilfen zur - der "Berufsvorbereitung" zeitlich vorgelagerten - Berufswahl. Der Zweck des § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) UStG gebiete ebenfalls keine Ausweitung der steuerlichen Begünstigung auf die Berufswahlvorbereitung. Mit der Steuerbefreiung solle neben der Förderung der schulischen und beruflichen Aus- und Fortbildung die steuerliche Gleichbehandlung der privaten und der nach § 2 Abs. 3 UStG nicht der Umsatzsteuer unterliegenden öffentlichen Schulen herbeigeführt werden. Dieser Zweck greife hier nicht, weil Hilfen zur beruflichen Orientierung nicht zum "klassischen" Bestandteil der Schulausbildung gehörten, sondern von den Schulen in Kooperation mit anderen Trägern erbracht würden. Gegen eine erweiternde Auslegung spreche außerdem die Zweistufigkeit des Verfahrens, nämlich die Entscheidung der zuständigen Landesbehörde über die vorliegend in Rede stehende Erteilung der Bescheinigung einer ordnungsgemäßen Aus- und Fortbildung auf der ersten Stufe und die nachfolgende, der Finanzverwaltung obliegende Entscheidung über die Umsatzsteuerbefreiung selbst auf der zweiten Stufe. Mit dieser Zweistufigkeit solle das spezifische Fachwissen der zuständigen Landesbehörde nutzbar gemacht werden, die im Unterschied zur Finanzverwaltung über die für eine Beurteilung der "Ordnungsgemäßheit" der Aus- und Fortbildung notwendigen Informationen und Kenntnisse verfüge. Diese Verfahrensgestaltung sei nur sinnvoll, soweit für einen bestimmten Beruf ein Ausbildungskanon vorhanden sei, mit dem die von der privaten Einrichtung erbrachte Leistung verglichen werden könne. Daran fehle es bei Maßnahmen, die lediglich der Vorbereitung der Berufswahl dienten. Auch Unionsrecht zwinge nicht zur Erteilung der begehrten Bescheinigung. Dabei könne offenbleiben, ob Maßnahmen privater Einrichtungen zur Vorbereitung der Berufswahl als solche oder als eng mit dem Schulunterricht verbundene Dienstleistungen nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie von der Umsatzsteuer befreit werden müssten. Denn eine diesem unionsrechtlichen Anspruch Rechnung tragende richtlinienkonforme Auslegung des § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) UStG komme nicht in Betracht, weil sie weder mit dem Wortlaut der Vorschrift ("Berufsvorbereitung") noch mit Sinn und Zweck der Verfahrensstufung vereinbar wäre.

3

Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Revision vor: Die Begrenzung des Bescheinigungsverfahrens auf die schulische Wissensvermittlung werde der heutigen Schulpraxis nicht gerecht. Die Heranführung der Schüler an den Beruf durch Maßnahmen der Berufsorientierung gehöre mittlerweile zum Schulalltag. Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts stünden weder Wortlaut noch Sinn und Zweck des § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) UStG einer Anwendung des Bescheinigungsverfahrens auf solche Maßnahmen entgegen, die ein notwendiges Bindeglied zwischen Schulausbildung und anschließender Berufsausbildung darstellten. Eine entsprechende erweiternde Auslegung sei unionsrechtlich geboten, um dem nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie gegebenen Anspruch auf Befreiung von Maßnahmen zur beruflichen Orientierung von Schülern von der Umsatzsteuer zur Durchsetzung zu verhelfen.

4

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. Oktober 2011 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 12. Januar 2010 zu ändern, den Bescheid der Bezirksregierung Köln vom 3. Juni 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin zu bescheinigen, dass ihre im Antrag vom 2. Februar 2009 bezeichneten Maßnahmen auf einen Beruf ordnungsgemäß vorbereiten,

hilfsweise,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

5

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und stellt den Antrag,

die Revision zurückzuweisen.

6

Der Vertreter des Bundesinteresses stellt keinen Antrag.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

8

Gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) UStG sind steuerfrei die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, für die der beruflichen Orientierung der Schüler bzw. deren Vorbereitung auf die Berufswahl dienenden Leistungen der Klägerin könne eine Bescheinigung nicht erteilt werden. Dem Tatbestandsmerkmal "Vorbereitung auf einen Beruf" unterfielen nur solche Leistungen privater Einrichtungen, die einen Bezug zu einem bestimmten Beruf aufweisen. Das trifft nicht zu. Vielmehr ist § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) UStG nach Sinn und Zweck der Vorschrift (1.) und unter Berücksichtigung des unionsrechtlichen Effektivitätsprinzips (2.) erweiternd dahin auszulegen, dass auch Leistungen privater Einrichtungen erfasst sind, die der "beruflichen Orientierung" bzw. der "Vorbereitung auf die Wahl eines Berufs" dienen (Änderung der bisherigen Rechtsprechung, vgl. Urteil vom 3. Dezember 1976 - BVerwG 7 C 73.75 - Buchholz 401.2 § 4 UStG Nr. 1 S. 3).

9

1. Die Befreiung der schulischen und beruflichen Ausbildung durch Privatschulen und andere vergleichbare Bildungseinrichtungen von der Umsatzsteuer nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) UStG bezweckt - neben der Förderung solcher Leistungen - deren steuerliche Gleichbehandlung mit den nach § 2 Abs. 3 UStG nicht der Umsatzsteuer unterliegenden öffentlich-rechtlichen Ausbildungsträgern (vgl. BFH, Urteil vom 18. Dezember 2003 - V R 62/02 - BFHE 204, 355 <359> m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 4. Mai 2006 - BVerwG 10 C 10.05 - Buchholz 401.2 § 4 UStG Nr. 2 Rn. 17 und Beschluss vom 31. Juli 2008 - BVerwG 9 B 80.07 - Buchholz 401.2 § 4 UStG Nr. 5 Rn. 9 zu § 4 Nr. 20 Buchst. a) UStG). Dieses Ziel umsatzsteuerlicher Gleichbehandlung der in gleicher Weise von öffentlich-rechtlichen und von privaten Ausbildungsträgern erbrachten Leistungen wird verfehlt, wenn die Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) UStG nur für Leistungen erteilt wird, die der Vorbereitung auf einen bestimmten Beruf dienen. Die öffentlich-rechtlichen Einrichtungen nehmen jedenfalls in der Phase des Übergangs der Schüler von der Schule in den Beruf mittlerweile Aufgaben wahr, die über den "klassischen" Schulunterricht hinausgehen. Nach § 5 Abs. 2 SchulG NRW sollen die Schulen in gemeinsamer Verantwortung mit den dort bezeichneten Trägern Hilfen zur beruflichen Orientierung geben. Die berufliche Orientierung von Schülern gehört zu den Aufgaben der Schule (vgl. LTDrucks 14/1572 S. 79). Die Veranstaltungen der Berufsorientierung in der Schule sind demgemäß Bestandteil des Schulunterrichts; die Schule ermöglicht die Durchführung von Gruppenveranstaltungen, individuellen Beratungsgesprächen sowie Eignungsuntersuchungen auch während der Unterrichtszeit im Einvernehmen mit der Schule (Runderlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 6. November 2007 - ABl. NRW. 12/07). Damit stellt die Aufgabe der beruflichen Orientierung der Schüler ein Bindeglied zwischen "klassischer" Schulausbildung und anschließender Berufsausbildung dar. Die von der Klägerin durchgeführten Potenzialchecks mit anschließender individueller Beratung decken einen Teil dieses den Schulen zugewachsenen Aufgabenbereichs ab. Das Testverfahren ist in Nordrhein-Westfalen an private Einrichtungen ausgelagert, es wird nach den unbestrittenen Angaben des Vertreters des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in der mündlichen Verhandlung in anderen Bundesländern durch entsprechend geschulte Lehrer an den öffentlichen Schulen selbst wahrgenommen.

10

Aufgrund dieser Erweiterung des Bildungsauftrags der Schulen ist es gerechtfertigt und mit Blick auf die vom Gesetzgeber bezweckte steuerrechtliche Gleichbehandlung von allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen in öffentlich-rechtlicher und privater Trägerschaft geboten, das Merkmal "Vorbereitung auf einen Beruf" in § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) UStG erweiternd auszulegen. Nicht nur die Vermittlung spezieller Kenntnisse und Fertigkeiten, die zur Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten notwendig sind, sondern auch die Vorbereitung auf einen Beruf schlechthin ist als steuerrechtlich begünstigte Berufsvorbereitung zu verstehen (Änderung der bisherigen Rechtsprechung, vgl. Urteil vom 3. Dezember 1976 a.a.O.) Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei der Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) UStG um einen für das weitere Verfahren verbindlichen Grundlagenbescheid i.S.d. § 171 Abs. 10 AO handelt (vgl. BFH, Urteil vom 20. August 2009 - V R 25/08 - BFHE 226, 479 <484 f.>). Lehnt die zuständige Landesbehörde die Erteilung der Bescheinigung für bestimmte Leistungen einer privaten Einrichtung ab, ist die Finanzverwaltung auch dann gehindert, diese Leistungen als umsatzsteuerfrei zu behandeln, wenn sie in gleicher Weise von öffentlich-rechtlichen, der Umsatzsteuer nicht unterliegenden Bildungsträgern erbracht werden (vgl. BFH, Urteil vom 23. August 2007 - V R 4/05 - BFHE 217, 327 <330 f.>; BVerwG, Urteil vom 4. Mai 2006 a.a.O. Rn. 21 zur Bescheinigung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a) UStG).

11

Die jeder Auslegung gesetzte Wortlautgrenze steht der Erteilung einer Bescheinigung für Leistungen zur Vorbereitung der Berufswahl nicht entgegen. Denn unter "Vorbereitung auf einen Beruf" i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) UStG kann nach dem Wortsinn auch die Vorbereitung "auf irgendeinen Beruf" oder "auf das Berufsleben" verstanden werden (vgl. bereits VG Aachen, Urteil vom 22. Oktober 2010 - 7 K 1519/09 - juris Rn. 43 ff.). Auch der verfahrensrechtliche Zweck der Vorschrift, auf einer ersten, der Steuerbefreiung durch die Finanzverwaltung vorgelagerten Stufe das spezifische Fachwissen der zuständigen Landesbehörde über die ordnungsgemäße schulische und berufliche Ausbildung zu nutzen, erfordert nicht, den Anwendungsbereich des Bescheinigungsverfahrens auf Leistungen zur Vorbereitung auf einen bestimmten Beruf zu beschränken. Die Verfahrensstufung ist nicht nur dann sinnvoll, wenn es um die fachkundige Beurteilung geht, ob die Leistungen der privaten Einrichtung gemessen an einem bestimmten Ausbildungskanon oder einer bestimmten Prüfungsordnung öffentlich-rechtlicher Träger "ordnungsgemäß" sind, wie das Oberverwaltungsgericht meint. Vielmehr sind auch für die Beantwortung der Frage, ob die hier in Rede stehenden Maßnahmen der Berufsorientierung ebenso wie die die Maßnahmen anbietende (private) Einrichtung und das von ihr eingesetzte Personal die erforderliche Eignung aufweisen, um die Ziele der im Bereich der schulischen bzw. beruflichen Ausbildung tätigen öffentlich-rechtlichen Träger in vergleichbarer Weise zu erfüllen, spezifische Kenntnisse über deren Unterrichtsinhalte und deren Praxis hilfreich, wie sie bei der zuständigen Landesbehörde, nicht aber bei der Finanzverwaltung vorliegen. Zwar mag dieser Gesichtspunkt hier unschwer zu klären sein, weil die von der Klägerin vorgenommenen Potenzialchecks an öffentlichen Schulen stattfinden und in die von der Schule selbst durchgeführten Maßnahmen der Berufsorientierung eingebunden sind. Anders liegt es jedoch, wenn eine allein von einer privaten Einrichtung verantwortete und in ihren Räumen durchgeführte Maßnahme an der Praxis öffentlich-rechtlicher Einrichtungen zu messen ist.

12

2. Die Erweiterung des Anwendungsbereichs des Bescheinigungsverfahrens auf Leistungen zur beruflichen Orientierung ist - unter Berücksichtigung des Zwecks der in § 4 Nr. 21 Buchst. a) UStG normierten Verfahrensstufung - durch das unionsrechtliche Effektivitätsprinzip geboten.

13

Nach dem unionsrechtlichen Effektivitätsprinzip sind nationale Rechtsvorschriften so weit wie möglich dahin auszulegen, dass sie die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (EuGH, Urteile vom 2. Oktober 2003 - Rs. C-147/01, Webers Wine World u.a. - Slg. 2003, I-11365 Rn. 103, 117 und vom 13. März 2007 - Rs. C-432/05, Unibet - Slg. 2007, I-2271 Rn. 43 f.; stRspr). Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei der Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) UStG um einen für die Finanzverwaltung verbindlichen Grundlagenbescheid. Daher sind die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift bis hin zur Wortlautgrenze so auszulegen, dass hinsichtlich aller Leistungen privater Einrichtungen, für die nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MWSt-RL) ein Anspruch auf Befreiung von der Umsatzsteuer in Betracht kommt, eine Bescheinigung erteilt werden kann. Dadurch wird zugleich dem Zweck der Verfahrensstufung möglichst weitgehend Rechnung getragen, dass vor der eigentlichen Steuerbefreiung durch die Finanzverwaltung zunächst die zuständige Landesbehörde ihr spezifisches Fachwissen über die Leistungsinhalte der öffentlich-rechtlichen Einrichtungen einbringt. Wie in Fällen zu verfahren ist, in denen der Wortlaut des § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) UStG einer Anwendung des Bescheinigungsverfahrens auf Leistungen entgegensteht, die unionsrechtlich von der Umsatzsteuer zu befreien sind, bedarf keiner Erörterung; wie bereits ausgeführt, wird die Wortlautgrenze bezogen auf die hier in Rede stehenden Leistungen nicht überschritten (zur unmittelbaren Anwendung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i) MWSt-RL durch die Finanzverwaltung vgl. BFH, Urteile vom 21. März 2007 - V R 28/04 - BFHE 217, 59 <61 f.>, vom 10. Januar 2008 - V R 52/06 - BFHE 221, 295 <298> und vom 24. Januar 2008 - V R 3/05 - BFHE 221, 302 <306 f.>).

14

Es kann keine vernünftigen Zweifel darüber geben, dass Leistungen der beruflichen Orientierung bzw. zur Vorbereitung auf die Wahl eines Berufs unter den Begriff des "Schulunterrichts" i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i) MWSt-RL fallen können und damit von der Umsatzsteuer zu befreien sind. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist der autonome unionsrechtliche Begriff des "Schul- und Hochschulunterrichts" zur Vermeidung einer mit Blick auf die unterschiedliche Gestaltung der jeweiligen Unterrichtssysteme von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlichen Anwendung des Mehrwertsteuersystems nicht eng auszulegen. Der Begriff beschränkt sich nicht auf Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt. Vielmehr schließt er andere Tätigkeiten ein, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler und Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben (EuGH, Urteile vom 14. Juni 2007 - Rs. C-445/05, Haderer - Slg. 2007, I-4844 Rn. 24, 26 und vom 28. Januar 2010 - Rs. C-473/08, Eulitz - Slg. 2010, I-907 Rn. 29 f.). Einzelne "in Schulen" geleistete Hilfen zur beruflichen Orientierung wie etwa das "Bewerbungstraining" oder die Vermittlung von Kenntnissen über das Verhalten bei Vorstellungsgesprächen, über bestimmte Berufsfelder oder über die Arbeitsmarktsituation stellen nach der weiten Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union zweifellos "Schulunterricht" dar. Es spricht einiges dafür, dass das auch für die von der Klägerin durchgeführten Potenzialchecks zutrifft. Denn bei diesen Testverfahren geht es nicht nur um die bloße Feststellung bereits vorhandener Kompetenzen und Neigungen der Schüler. Diese sollen vielmehr dazu befähigt werden, die Kenntnisse über ihre eigenen Kompetenzen und Interessen zielorientiert bei der Berufswahl einzusetzen.

15

Letztlich kann diese Frage jedoch offenbleiben. Entscheidend ist mit Blick auf das unionsrechtliche Effektivitätsprinzip, dass für Maßnahmen, die der Vorbereitung der Berufswahl dienen, ein Anspruch auf Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i) MWSt-RL bestehen kann. Es bedarf auch mit Blick auf die Harmonisierung der Umsatzsteuerbefreiung innerhalb der Europäischen Union (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juni 2007 a.a.O. Rn. 17 und 26) keiner Klärung, ob bei sämtlichen Maßnahmen, die im Rahmen beruflicher Orientierung erbracht werden können, die Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i) MWSt-RL für eine Steuerbefreiung vorliegen. Denn die Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) UStG trifft keine verbindliche Entscheidung darüber, ob die Leistungen der privaten Einrichtung, auf die sie sich bezieht, nach Unionsrecht von der Umsatzsteuer zu befreien sind oder nicht. Diese Frage unterliegt vielmehr der nachfolgenden eigenständigen Prüfung durch die Finanzverwaltung (vgl. BFH, Urteile vom 24. Januar 2008 a.a.O. S. 307 ff. und vom 10. Januar 2008 a.a.O. S. 298 ff.; zur Abgrenzung des Regelungsgehalts der Bescheinigung von den weiteren in § 4 Nr. 21 Buchst. a) UStG genannten Voraussetzungen vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1976 - BVerwG 7 C 73.75 - Buchholz 401.2 § 4 UStG Nr. 1 S. 4 und BFH, Urteil vom 3. Mai 1989 - V R 83/84 - BFHE 157, 458 <462 f.>). Zur Klarstellung sei angemerkt, dass der Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung für Leistungen der beruflichen Orientierung wegen fehlenden Sachbescheidungsinteresses versagt werden kann, wenn die Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i) MWSt-RL für eine Befreiung von der Umsatzsteuer offensichtlich nicht vorliegen (vgl. auch Urteil vom 23. März 1973 - BVerwG 4 C 49.71 - BVerwGE 42, 115 <117>; Beschluss vom 20. Juli 1993 - BVerwG 4 B 110.93 - NVwZ 1994, 482 <483>).

16

3. Voraussetzung für die von der Klägerin begehrte Erteilung einer Bescheinigung ist nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) bb) UStG des Weiteren die "Ordnungsgemäßheit" der von ihr durchgeführten Leistungen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Leistungen objektiv geeignet sind, der "Vorbereitung auf einen Beruf" zu dienen, von einem seriösen Institut erbracht werden und die eingesetzten Lehrkräfte die erforderliche Eignung besitzen (Urteil vom 3. Dezember 1976 a.a.O. S. 3). Das Oberverwaltungsgericht hat keine Feststellungen zum Vorliegen dieser qualitativen Anforderungen getroffen; die Beteiligten haben den insoweit relevanten Sachverhalt auch nicht im Revisionsverfahren unstreitig gestellt. Somit ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Klärung dieser Frage an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

Tatbestand

1

Der Kläger ist Oberstabsarzt und Soldat auf Zeit. Die Beteiligten streiten um seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer.

2

Der Kläger wurde noch als Schüler mit Bescheid des Bundesamts für den Zivildienst (nunmehr: Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben) vom 17. Februar 1993 als Kriegsdienstverweigerer anerkannt. Nach dem Erwerb der allgemeinen Hochschulreife im Juni 1993 leistete er Zivildienst im Rettungsdienst des Deutschen Roten Kreuzes. In der Zeit von 1995 bis 2001 absolvierte er ein Studium der Humanmedizin. Im November 2001 bestand er die Ärztliche Prüfung, im Oktober 2003 wurde er als Arzt approbiert. Von 2001 bis zum Frühjahr 2006 war er als Arzt in einem Klinikum tätig.

3

Unter dem 22. September 2005 erklärte der Kläger gegenüber dem Personalamt der Bundeswehr sein Einverständnis, in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen zu werden und verpflichtete sich, sechs Jahre Wehrdienst zu leisten. Mit Schreiben vom 23. September 2005 bekundete er gegenüber dem Bundesamt für den Zivildienst, "nach Gewissensgründen nicht mehr daran gehindert zu sein, den Dienst an der Waffe zu leisten".

4

Nach Absolvierung einer Eignungsübung wurde der Kläger mit Wirkung zum 1. Juli 2006 unter Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit zum Stabsarzt ernannt. Er wurde - unterbrochen durch Auslandseinsätze von Anfang Juni bis Mitte Juli 2007 in Kunduz/Afghanistan und von Ende September bis Anfang November 2008 in Prizren/Kosovo - im Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz verwandt. Am 15. Oktober 2008 wurde er zum Oberstabsarzt befördert.

5

Unter dem 15. Juni 2009 stellte der Kläger gegenüber dem Kreiswehrersatzamt Koblenz einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. Unter demselben Datum beantragte er bei dem Personalamt der Bundeswehr, ihn nach § 55 Abs. 3 SG aus dem Dienstverhältnis als Soldat auf Zeit zu entlassen.

6

Mit Bescheid vom 14. Juli 2009 lehnte das Bundesamt für den Zivildienst den Anerkennungsantrag des Klägers mit der Begründung als unzulässig ab, dass Sanitätsoffizieren, die sich freiwillig zum Dienst in der Bundeswehr verpflichtet hätten, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das für die Durchführung eines Anerkennungsverfahrens erforderliche Rechtsschutzinteresse fehle. Den Widerspruch des Klägers wies das Bundesamt mit Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2010 zurück. Mit seinem Entlassungsbegehren blieb der Kläger im Verwaltungsverfahren vor dem Personalamt der Bundeswehr und im Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht Koblenz erfolglos.

7

Die Kriegsdienstverweigerung des Klägers ist Gegenstand seiner am 17. Februar 2010 erhobenen Klage. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger geltend gemacht, seine Erklärung vom 23. September 2005 sei als Verzicht auf seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer vom 17. Februar 1993 unwirksam, da sie nicht als actus contrarius eines Anerkennungsbegehrens formuliert sei. Er hat ferner darauf angetragen, im Einzelnen bezeichnete Zeugen aus dem Sanitätsdienst der Bundeswehr zum Beweis der von ihm behaupteten infanteristischen Ausbildung, Bewaffnung und Verwendung von Sanitätssoldaten - insbesondere im Hinblick auf die Auslandseinsätze der Bundeswehr - zu vernehmen. Das Verwaltungsgericht hat die Beweisanträge mit der Begründung abgelehnt, die unter Beweis gestellten Behauptungen würden als wahr unterstellt.

8

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen. Ihr fehle bereits nach dem eigenen Vortrag des Klägers das Rechtsschutzinteresse, da er die Auffassung vertrete, sein Verzicht auf die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer sei wegen Formmangels mit der Folge unwirksam, dass die Anerkennung fortgelte und es der begehrten erneuten Anerkennung nicht bedürfe. Dies könne indes dahinstehen, da die Klage auch deshalb unzulässig sei, weil nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts freiwillig in der Bundeswehr dienende Sanitätssoldaten kein Rechtsschutzbedürfnis für die Stellung eines Antrags auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer hätten. Da der Sanitätsdienst kein Kriegsdienst mit der Waffe sei, könne den aktiven Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit, die sich in diesem waffenlosen Dienst befänden, zugemutet werden, zunächst ihre Entlassung aus dem freiwillig eingegangenen Dienstverhältnis zu betreiben und erst dann den Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu stellen. Die von dem Kläger zur Situation der Sanitätssoldaten im Auslandseinsatz aufgestellten Behauptungen verdeutlichten allenfalls eine Verschärfung der Einsatzbedingungen, nicht aber eine Änderung der Rolle des Sanitätsdienstes. Der Waffeneinsatz dürfe und müsse sich an der Bedrohungsintensität ausrichten.

9

Der Kläger begehrt mit seiner von dem Senat zugelassenen Revision, die Beklagte unter Aufhebung der ablehnenden Entscheidungen zu seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu verpflichten. Er macht geltend, das Verwaltungsgericht sei im Sinne des § 138 Nr. 1 VwGO nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, weil es über die Klage durch die nach dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts für das Soldatenrecht zuständige zweite Kammer und nicht durch die für das Recht der Kriegsdienstverweigerung zuständige siebte Kammer entschieden habe. Einen weiteren Verfahrensfehler habe das Verwaltungsgericht dadurch begangen, dass es sein Klagebegehren nicht vollständig erfasst und beschieden habe. Dieses sei in interessengerechter Auslegung nach § 88 VwGO auch ohne entsprechende Bezeichnung mit dem Hauptantrag auf die Feststellung des Fortbestehens seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer und lediglich hilfsweise auf die Verpflichtung der Beklagten zu seiner erneuten Anerkennung gerichtet gewesen. In materieller Hinsicht verkenne die von dem Verwaltungsgericht entscheidungstragend herangezogene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, derzufolge Sanitätssoldaten, die sich als Berufs- oder Zeitsoldaten freiwillig zum Dienst in der Bundeswehr verpflichtet hätten, kein Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zustehe, schon von ihrem Ansatz her den Schutzumfang des Art. 4 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG. Unabhängig hiervon sei die Einstufung des Sanitätsdienstes als waffenloser Dienst im Sinne dieser Rechtsprechung jedenfalls unter der Geltung der von dem Verwaltungsgericht als wahr unterstellten Bedingungen im Rahmen der Auslandseinsätze der Bundeswehr nicht haltbar. Darüber hinaus führe die Verweisung auf eine vorrangig zu betreibende Dienstentlassung nach § 55 Abs. 3 SG zu einer Verletzung der grundrechtlichen Gewährleistungen aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG.

10

Die Beklagte tritt der Revision mit Ausführungen zu Ausbildung und Bewaffnung des Sanitätspersonals sowie zu seiner Verwendung im Auslandseinsatz entgegen. Sie sieht keinen Anlass, die Qualifikation des Sanitätsdienstes als waffenlos aufzugeben.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Zwar greifen die von dem Kläger erhobenen Verfahrensrügen nicht durch (1.). Jedoch trifft die Einschätzung des Verwaltungsgerichts nicht zu, Berufs- und Zeitsoldaten des Sanitätsdienstes der Bundeswehr hätten generell kein Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung eines Verfahrens auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer (2.). Im Fall des Klägers kann ein solches Rechtsschutzbedürfnis auch nicht unter Verweis auf eine Fortgeltung seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus dem Jahr 1993 verneint werden (3.). Eine abschließende Entscheidung in der Sache ist dem Senat nicht möglich, da es an tatsächlichen Feststellungen dazu fehlt, ob der Kläger eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe getroffen hat. Deshalb ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

12

1. Dem verwaltungsgerichtlichen Urteil haften die von dem Kläger gerügten Verfahrensfehler nicht an. Weder kann eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts festgestellt werden (a) noch hat das Verwaltungsgericht das Klagebegehren falsch ausgelegt und teilweise unbeschieden gelassen (b).

13

a) Der Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht sei bei der Entscheidung über die von ihm anhängig gemachte Klage mit der nach dem gerichtlichen Geschäftsverteilungsplan für das Soldatenrecht zuständigen zweiten Kammer im Sinne des § 138 Nr. 1 VwGO nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, rechtfertigt nicht die Aufhebung des Urteils.

14

Zwar spricht Überwiegendes - insbesondere die Sachbehandlung des Verwaltungsgerichts in dem Parallelverfahren zum Aktenzeichen BVerwG 6 C 31.11 - dafür, dass auf die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gerichtete Verfahren auch dann, wenn sie von Berufs- und Zeitsoldaten betrieben werden, nach dem Geschäftsverteilungsplan des Verwaltungsgerichts der Zuständigkeit der siebten Kammer für das Recht der Kriegsdienstverweigerung zuzuordnen sind. Jedoch rechtfertigt allein die unrichtige Handhabung des Geschäftsverteilungsplans nicht die Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts nach § 138 Nr. 1 VwGO (BVerfG, Beschluss des Plenums vom 8. April 1997 - 1 PBvU 1/95 - BVerfGE 95, 322 <333>; BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 1994 - BVerwG 1 B 176.93 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 1 VwGO Nr. 32 S. 2, Urteil vom 25. Juli 2001 - BVerwG 6 C 8.00 - juris Rn. 11, insoweit in BVerwGE 115, 32 und Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 158 nicht abgedruckt). Die Besetzungsrüge ist vielmehr nur begründet, wenn und soweit in der unrichtigen Anwendung des Geschäftsverteilungsplans zugleich eine Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegt, weil das Gericht seine Zuständigkeit auf Grund von willkürlichen Erwägungen angenommen hat. Dass sich die zweite Kammer des Verwaltungsgerichts auf Grund einer willkürlichen Überdehnung des in dem nicht revisiblen Geschäftsverteilungsplan enthaltenen Begriffs des Soldatenrechts zu einer Entscheidung in dem Verfahren berufen gesehen hat, vermag der Senat nicht festzustellen. Näher liegt die Annahme, dass die Kammer sich deshalb für zuständig erachtet hat, weil sie neben dem Antrag des Klägers auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer auch mit dessen - zu gemeinsamer Verhandlung verbundenen und mit Urteil vom selben Tag entschiedenen - Begehren auf Entlassung aus dem Dienstverhältnis als Soldat auf Zeit befasst war.

15

Unabhängig hiervon nimmt der Senat die Sachbehandlung des Verwaltungsgerichts in dem Parallelverfahren zum Aktenzeichen BVerwG 6 C 31.11 zum Anlass, die Sache im Rahmen der auszusprechenden Zurückverweisung gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO der nach dem geltenden Geschäftsverteilungsplan des Verwaltungsgerichts für das Recht der Kriegsdienstverweigerung zuständigen Kammer zu überantworten.

16

b) Fehl geht auch die Rüge der fehlerhaften Auslegung und teilweisen Nichtbescheidung des Klagebegehrens.

17

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht durch Bezugnahme auf die Klageschrift vom 10. Februar 2010 beantragt, den Bescheid des Bundesamts für den Zivildienst vom 14. Juli 2009 über die Ablehnung seines Anerkennungsantrags vom 15. Juni 2009 und den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2010 aufzuheben und seine Berechtigung zur Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe festzustellen. Bei sachgemäßer Auslegung dieses Klagebegehrens nach § 88 VwGO musste das Verwaltungsgericht das Fortbestehen der durch den Bescheid des Bundesamts für den Zivildienst vom 17. Februar 1993 ausgesprochenen Anerkennung des Klägers als Kriegsdienstverweigerer nicht prüfen.

18

Zwar war der gestellte Antrag insoweit auslegungsbedürftig und auslegungsfähig, als er entgegen seinem Wortlaut nicht auf eine Feststellung, sondern auf die Verpflichtung der Beklagten zu der von dem Kläger erstrebten - erneuten - Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gerichtet war. Richtige Klageart ist nämlich nach geltendem Recht die Verpflichtungsklage; sie schließt die Anfechtung der vorangegangenen, ablehnenden Verwaltungsentscheidung mit ein und zugleich gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO eine allgemeine Feststellungsklage aus (Urteil vom 29. Juni 1992 - BVerwG 6 C 11.92 - BVerwGE 90, 265 <268 ff.> = Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 249 S. 95 ff.).

19

Demgegenüber lässt sich ein auf das Fortbestehen der Anerkennungsentscheidung vom 17. Februar 1993 bezogenes eigenständiges Klagebegehren dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten Klageantrag und der umfänglichen Klageschrift vom 10. Februar 2010 auch im Wege der Auslegung nicht entnehmen. Erst recht fehlt jeder Anhaltspunkt für die von dem Kläger im Nachhinein reklamierte Stufung in einen Haupt- und einen Hilfsantrag. Das schriftliche Klagevorbringen beschäftigt sich vielmehr ausschließlich mit der Zulässigkeit und Begründetheit der Klage gegen die Ablehnung des neuerlichen Anerkennungsantrags des Klägers durch die Bescheide des Bundesamts vom 14. Juli 2009 und vom 4. Februar 2010. Eine Ungültigkeit seiner Erklärung vom 23. September 2005, die Voraussetzung für ein Fortwirken der ersten Anerkennung wäre, hat der Kläger erst in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht. Er hat anwaltlich vertreten gleichwohl an seiner in der Klageschrift enthaltenen Antragstellung festgehalten.

20

2. Das angefochtene Urteil verstößt jedoch gegen Bundesrecht, weil das Verwaltungsgericht das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers für sein Begehren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu Unrecht verneint und dadurch die grundrechtlichen Gewährleistungen aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt hat.

21

Aus den gesetzlichen Bestimmungen der § 2 Abs. 6 Satz 3 KDVG, § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, § 55 Abs. 1 Satz 1 SG ergibt sich, dass nicht nur gediente und ungediente Wehrpflichtige, sondern auch Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit ihre Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer beantragen können. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung nicht fest, derzufolge Berufs- und Zeitsoldaten im Sanitätsdienst der Bundeswehr aus Rechtsgründen gleichwohl kein Rechtsschutzbedürfnis für ein auf ihre Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gerichtetes Verfahren zuzubilligen ist (a). Auch für die freiwillig dienenden Angehörigen eines waffenlosen Sanitätsdienstes ist die Rechtsposition nicht nutzlos, die sie durch einen Antrag auf Anerkennung der Berechtigung, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern, zu gewinnen trachten. Sie müssen sie deshalb grundsätzlich in gleicher Weise wie alle anderen Wehrpflichtigen und Soldaten der Bundeswehr erreichen können (b). Eine Rechtfertigung dafür, die im Sanitätsdienst tätigen Berufs- und Zeitsoldaten von der Möglichkeit auszunehmen, jederzeit ein Anerkennungsverfahren durchlaufen zu können, kann nicht in deren freiwilliger Dienstverpflichtung gefunden werden (c). Ebenso wenig können die Betroffenen auf ein vorrangig zu betreibendes Dienstentlassungsverfahren verwiesen werden (d).

22

a) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats haben Berufs- und Zeitsoldaten, die sich auf Grund freiwilliger Verpflichtung im aktiven Sanitätsdienst der Bundeswehr befinden, bis zur Beendigung ihres Dienstverhältnisses kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. Soldaten, die auf Grund ihrer Wehrpflicht als Sanitäter Dienst leisten müssen, unterliegen dagegen im Hinblick auf die Geltendmachung einer Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe keinen Einschränkungen.

23

Der Senat hat mit dieser Rechtsprechung an die in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. April 1985 - 2 BvF 2/83 u.a. - (BVerfGE 69, 1 <24 f., 54 ff.>) angelegte Unterscheidung zwischen dem erst geltend gemachten und dem bereits förmlich festgestellten Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG angeknüpft. Während der volle Schutz des förmlich festgestellten Grundrechts unter Berücksichtigung des Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG das Recht zur Verweigerung auch des waffenlosen Dienstes in der Bundeswehr umfasse, lasse sich aus dem lediglich geltend gemachten Grundrecht nur eine vorläufige Sicherung seines Kernbereichs in dem Sinne ableiten, dass zwar eine Heranziehung zum Kriegsdienst mit der Waffe, nicht aber zum waffenlosen Dienst ausgeschlossen sei.

24

Ein den Kernbereich der grundrechtlichen Gewährleistung nicht berührender waffenloser Dienst sei ein solcher, der objektiv keine Tätigkeiten umfasse, die in einem nach dem Stand der jeweiligen Waffentechnik unmittelbaren Zusammenhang mit dem Einsatz von Kriegswaffen stünden. Dies gelte insbesondere für den Sanitätsdienst. Auch wenn Sanitätssoldaten an Handfeuerwaffen wie Pistolen und Gewehren ausgebildet würden, werde ihr Dienst wegen der besonderen völkerrechtlichen Stellung des Sanitätsdienstes nicht zum Kriegsdienst mit der Waffe.

25

Da das nach Durchführung des Anerkennungsverfahrens förmlich zuerkannte Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 GG gemäß Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG das Recht einschließe, jeglichen Dienst in der Bundeswehr, also auch einen waffenlosen Dienst einschließlich des Sanitätsdienstes, zu verweigern, hätten Wehrpflichtige, die sich auf das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG beriefen, einen Anspruch auf Durchführung des Anerkennungsverfahrens, wenn und solange sie auf Grund ihrer Wehrpflicht zu irgendeinem Dienst in der Bundeswehr einschließlich des Sanitätsdienstes herangezogen werden könnten. Dagegen sei ein Anspruch auf Durchführung des Anerkennungsverfahrens zu verneinen, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen eine Heranziehung zum Wehrdienst auf Grund der allgemeinen Wehrpflicht nicht in Betracht komme, die betroffenen Wehrpflichtigen den Schutz des Grundrechts also nicht benötigten. Dies sei auch dann der Fall, wenn und solange sie nicht auf Grund ihrer Wehrpflicht, sondern als Folge eigener freiwilliger Verpflichtung waffenlosen Dienst - insbesondere Sanitätsdienst - leisteten, ihre gesetzliche Wehrpflicht also von der selbst eingegangenen Verpflichtung zu einem Dienst überlagert werde, der als waffenloser Dienst vor Tätigkeiten schütze, die den Kernbereich des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG berührten. Die Betroffenen, die sich der für anerkannte Kriegsdienstverweigerer durch Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG garantierten Möglichkeit, einen Ersatzdienst außerhalb der Bundeswehr zu wählen, durch ihre freiwillige Verpflichtung zum Sanitätsdienst in der Bundeswehr begeben hätten, hätten es - wenn ihnen ihr Gewissen auch die Leistung dieses Dienstes verbiete - selbst in der Hand, ihr freiwillig eingegangenes Dienstverhältnis mit einem Entlassungsantrag nach dem Soldatendienstrecht vorzeitig zu beenden. Werde nach der Entlassung aus dem Soldatenverhältnis die gesetzliche Wehrpflicht der Betroffenen wieder aktuell, hätten sie ein Rechtsschutzbedürfnis für ein Verfahren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. Einem auf § 46 Abs. 6 (§ 46 Abs. 3 Satz 3 a.F.), § 55 Abs. 3 SG gestützten Antrag auf vorzeitige Entlassung aus dem Soldatendienstverhältnis werde stattzugeben sein, wenn dadurch die Möglichkeit geschaffen werden solle, die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen beantragen zu können. Denn der Zwang, gegen die Gebote des eigenen Gewissens einen Dienst leisten zu müssen, der jedenfalls im Zusammenhang mit den Verbänden der Streitkräfte stehe, sei im Licht des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG nach den genannten soldatenrechtlichen Entlassungsvorschriften als eine schwerwiegende persönliche Härte anzusehen, die ein weiteres Verbleiben im Soldatendienstverhältnis unzumutbar mache (vgl. zum Ganzen: Urteile vom 27. November 1985 - BVerwG 6 C 5.85 - BVerwGE 72, 241 <242 ff.> = Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 3 S. 7 ff., vom 22. August 1994 - BVerwG 6 C 14.93 - Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 17 S. 2 ff. und vom 28. August 1996 - BVerwG 6 C 2.95 - Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 19 S. 7 ff. sowie - im Wesentlichen auf formelle Erwägungen gestützt - Beschluss vom 20. November 2009 - BVerwG 6 B 24.09 - Buchholz 448.6 § 1 KDVG Nr. 58 Rn. 4 f. - für im Sanitätsdienst befindliche Zeit- und Berufssoldaten; Urteile vom 17. August 1988 - BVerwG 6 C 36.86 - BVerwGE 80, 62 <63 ff.> = Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 9 S. 5 ff. und - BVerwG 6 C 27.86 - Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 10, vom 20. Dezember 1988 - BVerwG 6 C 38.87 - Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 11 S. 17 f., vom 10. Februar 1989 - BVerwG 6 C 9.86 - Buchholz 448.6 § 14 KDVG Nr. 21 S. 12, vom 26. März 1990 - BVerwG 6 C 24.88 - juris Rn. 7, vom 28. März 1990 - BVerwG 6 C 45.88 - Buchholz 448.6 § 13 KDVG Nr. 16 S. 28 ff. und vom 3. April 1990 - BVerwG 6 C 30.88 - juris Rn. 8 - für wehrpflichtige Sanitätssoldaten).

26

Soweit nach diesen Rechtsprechungsgrundsätzen freiwillig dienenden Sanitätssoldaten der Bundeswehr ein Rechtsschutzbedürfnis für das jederzeitige und unmittelbare Durchlaufen eines auf die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gerichteten Verfahrens abzusprechen ist, hält der Senat an ihnen nicht fest. Die den Grundsätzen insoweit zu Grunde liegenden Annahmen haben sich als nicht tragfähig erwiesen.

27

b) Das Rechtsschutzbedürfnis im Verwaltungsprozess - und in Entsprechung dazu das Sachbescheidungsinteresse im Verwaltungsverfahren - ist im Regelfall zu bejahen und bedarf nur in besonderen Fällen der Begründung (Urteile vom 17. Januar 1989 - BVerwG 9 C 44.87 - BVerwGE 81, 164 <165 f.> = Buchholz 402.25 § 2 AsylVfG Nr. 9 S. 19 f. und vom 29. April 2004 - BVerwG 3 C 25.03 - BVerwGE 121, 1 <3> = Buchholz 451.74 § 9 KHG Nr. 9 S. 5). Von den Fallgruppen, in denen diese Voraussetzung für eine Sachentscheidung fehlen kann (vgl. dazu: Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Bd. 1, Stand: September 2011, Vorbemerkung § 40 Rn. 81 ff.), kommt hier nur diejenige der Nutzlosigkeit der begehrten Entscheidung in Betracht. Nutzlos ist eine Entscheidung indes nur dann, wenn sie demjenigen, der sie erstrebt, offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann (Urteil vom 29. April 2004 a.a.O. S. 3 bzw. S. 5).

28

Die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer, die am Ende eines erfolgreich durchlaufenen Anerkennungsverfahrens steht, ist für die Berufs- und Zeitsoldaten im aktiven Sanitätsdienst der Bundeswehr nicht in dem beschriebenen Sinne offensichtlich ohne jeglichen Nutzen. Dies gilt auch dann, wenn man davon ausgeht, dass die betroffenen Soldaten in Gestalt des Sanitätsdienstes einen waffenlosen Dienst versehen und deshalb dauerhaft in dem Kernbereich ihres Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG geschützt sind, weil sie vor dem Zwang bewahrt werden, entgegen den Geboten ihres Gewissens in einer Kriegshandlung einen anderen töten bzw. Tätigkeiten ausführen zu müssen, die in einem nach dem Stand der jeweiligen Waffentechnik unmittelbaren Zusammenhang mit dem Einsatz von Kriegswaffen stehen (vgl. dazu: BVerfG, Beschlüsse vom 26. Mai 1970 - 1 BvR 83/69 u.a. - BVerfGE 28, 243 <262> und vom 12. Oktober 1971 - 2 BvR 65/71 - BVerfGE 32, 40 <46>, Urteile vom 13. April 1978 - 2 BvF 1/77 u.a. - BVerfGE 48, 127 <163 f.> und vom 24. April 1985 a.a.O. S. 54, 56, Beschluss vom 11. Juli 1989 - 2 BvL 11/88 - BVerfGE 80, 354 <358>). Denn mit einer Sicherung des bloßen Kernbereichs des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG müssen sich anerkannte Kriegsdienstverweigerer nicht begnügen.

29

Auf den Kernbereich des Grundrechts auf Kriegsdienstverweigerung hat das Bundesverfassungsgericht nur im Zusammenhang mit der Frage abgestellt, welche Dienstpflichten Soldaten in der Übergangszeit zwischen der Einreichung eines Antrags auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer und dem Abschluss des Anerkennungsverfahrens erfüllen müssen. Da einerseits der Kernbereich des Grundrechts durch den Waffendienst im Frieden nicht berührt wird und andererseits auch der Einrichtung und der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr Verfassungsrang zukommt, ist es den Betroffenen in Friedenszeiten zumutbar, den bisher geleisteten Dienst für die Dauer des mit möglichster Beschleunigung zu führenden Anerkennungsverfahrens fortzusetzen (BVerfG, Beschlüsse vom 26. Mai 1970 a.a.O. S. 262 und vom 12. Oktober 1971 a.a.O. S. 45 ff.). Im Spannungs- und Verteidigungsfall bleibt jedenfalls die Heranziehung zu einem waffenlosen Dienst zulässig, bis endgültig feststeht, dass das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG zu Recht in Anspruch genommen wird (BVerfG, Urteil vom 24. April 1985 a.a.O. S. 56 f.).

30

Jenseits der durch das Anerkennungsverfahren bedingten zeitlichen Übergangsphase geht bei einem für den jeweiligen Antragsteller erfolgreichen Abschluss dieses Verfahrens der Gewährleistungsgehalt des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung indes über den beschriebenen Kernbereich hinaus. Dies gibt das Grundgesetz durch die in Art. 12a Abs. 2 GG erteilte Ermächtigung, auf gesetzlichem Wege eine Ersatzdienstpflicht einzuführen, allgemein zu erkennen (vgl. im Hinblick auf das Recht zur Kriegsdienstverweigerung bereits im Frieden: BVerfG, Urteil vom 13. April 1978 a.a.O. S. 164, Beschluss vom 11. Juli 1989 a.a.O.). Speziell der Regelung des Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG kann - hieran hält der Senat fest - entnommen werden, dass ein anerkannter Kriegsdienstverweigerer das Recht hat, jeglichen Dienst in der Bundeswehr, also auch einen waffenlosen Dienst einschließlich des Sanitätsdienstes zu verweigern. Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund bestimmt das einfache Recht in § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, § 55 Abs. 1 Satz 1 SG, dass Berufs- und Zeitsoldaten im Falle ihrer Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu entlassen sind. Dies entspricht der Regelung, die § 29 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 WPflG für als Kriegsdienstverweigerer anerkannte Wehrpflichtige trifft.

31

Sind mit der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer derartige, über die bloße Sicherung des Kernbereichs des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG hinausgehende Gewährleistungen verbunden, muss den Berufs- und Zeitsoldaten des Sanitätsdienstes wie allen Wehrpflichtigen und Soldaten der Bundeswehr grundsätzlich die Möglichkeit zugestanden werden, diese Rechtsposition jederzeit und unmittelbar durch das Durchlaufen des für die Anerkennung erforderlichen Verfahrens zu erreichen.

32

c) Dem Sanitätspersonal im Status von Berufs- und Zeitsoldaten ein beachtliches Bedürfnis hierfür abzusprechen, kann entgegen der bisherigen Einschätzung des Senats nicht durch die Erwägung gerechtfertigt werden, dass die nach § 1 Abs. 2 Satz 1 SG eingegangene freiwillige Dienstverpflichtung der Betroffenen deren Wehrpflicht überlagere und diese sich hierdurch des durch Art. 12a Abs. 2 Satz 3 GG garantierten Rechts zur Ableistung eines Ersatzdienstes außerhalb der Bundeswehr begeben hätten.

33

Denn zum einen ist das Recht der Kriegsdienstverweigerung ausweislich der einfachgesetzlichen Regelung in § 2 Abs. 6 Satz 3 KDVG, § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, § 55 Abs. 1 Satz 1 SG nicht an die gesetzliche Wehrpflicht gekoppelt. Zum anderen ist mit den Begriffen des Überlagerns und des Sich-Begebens im Ergebnis die Annahme verbunden, die Betroffenen verzichteten bei Abgabe ihrer Dienstverpflichtung mit Wirkung für die gesamte Dauer ihres jahrelangen Dienstes unwiderruflich darauf, das Recht der Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen in seinem vollen Gewährleistungsgehalt wahrzunehmen. Ein derartiger Verzicht erfasste mithin nicht nur bereits getroffene, sondern auch erst im Laufe der Jahre entstehende Gewissensentscheidungen. Ein solcher Gehalt kann der von den Betroffenen abgegebenen Dienstverpflichtung rechtlich und tatsächlich keinesfalls zukommen.

34

d) Entgegen der bisherigen Annahme des Senats stellt für die Berufs- und Zeitsoldaten des Sanitätsdienstes auch die Möglichkeit, unter Verweis auf einen beabsichtigten Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer ihre vorzeitige Entlassung aus dem Soldatendienstverhältnis auf der Grundlage der Härtefallklauseln der § 46 Abs. 6 (§ 46 Abs. 3 Satz 3 a.F.), § 55 Abs. 3 SG zu betreiben und im Erfolgsfall gegebenenfalls in das Anerkennungsverfahren überzuwechseln, keine Alternative dar, die das unmittelbare Durchlaufen eines Anerkennungsverfahrens als überflüssig erscheinen lassen könnte.

35

Hierfür spricht bereits, dass der Entlassungsgrund der persönlichen Härte eines Verbleibens im Dienst einer Inanspruchnahme durch sämtliche Berufs- und Zeitsoldaten der Bundeswehr und nicht nur durch diejenigen des Sanitätsdienstes offen steht, ohne dass indes allgemein das Dienstentlassungsverfahren als vorrangig gegenüber einem Verfahren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer begriffen und die damit verbundene zusätzliche Verfahrenslast als hinnehmbar erachtet würde.

36

Hinzu kommt, dass das von dem Senat bisher befürwortete Verhältnis von Anerkennungsverfahren und Dienstentlassungsverfahren in den einschlägigen Verfahrensvorschriften nicht angelegt ist. Vielmehr hat das Kriegsdienstverweigerungsgesetz in allen seinen bisherigen Fassungen die Entscheidung über Anträge auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer Stellen außerhalb der Wehrverwaltung bzw. ihrer Weisungsbefugnis überantwortet. Zudem hat bei einer Kriegsdienstverweigerung von Berufs- oder Zeitsoldaten das von diesen Stellen durchzuführende Anerkennungsverfahren nach der Vorstellung des Gesetzgebers einem Dienstentlassungsverfahren voranzugehen. Dies ergibt sich aus den bereits genannten Vorschriften der § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, § 55 Abs. 1 Satz 1 SG, die die Entlassung aus dem Dienst als Rechtsfolge einer Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer ausgestalten.

37

Diese im Sinne des Gesetzes liegende Zuständigkeitsverteilung und Entscheidungsabfolge ist durch die bisherige Rechtsprechung des Senats zur Kriegsdienstverweigerung, derzufolge zunächst die Wehrverwaltung über einen Antrag von freiwillig dienenden Sanitätssoldaten auf Dienstentlassung wegen besonderer Härte zu entscheiden hat, bevor diese gegebenenfalls ein Verfahren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer betreiben können, praktisch abgeändert bzw. umgekehrt worden. Hierdurch wird in jedem Fall die Beschleunigungsmaxime, der das Anerkennungsverfahren unterliegt, in vermeidbarer Weise eingeschränkt. Es kann darüber hinaus zu einer nicht hinnehmbaren Komplizierung der Verfahrensabläufe kommen. Denn es ist einerseits grundsätzlich möglich, dass ein Betroffener im Hinblick auf einen beabsichtigten Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus dem Dienst entlassen, später jedoch nicht anerkannt wird. Dann stellt sich die Frage einer Aufhebung der Entlassungsverfügung nach §§ 48, 49 VwVfG. Andererseits kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Sanitätssoldat, der tatsächlich eine Gewissensentscheidung im Sinne des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG getroffen hat, in dem für die Feststellung dieser Entscheidung nicht geschaffenen Dienstentlassungsverfahren scheitert und mit ihr dann über eine lange Zeit kein Gehör mehr findet.

38

3. Das verwaltungsgerichtliche Urteil stellt sich schließlich nicht deshalb nach § 144 Abs. 4 VwGO im Ergebnis als richtig dar, weil davon ausgegangen werden müsste, dass der Kläger wegen einer nach wie vor gegebenen Wirksamkeit des Anerkennungsbescheids vom 17. Februar 1993 bereits anerkannter Kriegsdienstverweigerer ist und deshalb für die Klage, mit der er seine erneute Anerkennung erstrebt, kein Rechtsschutzbedürfnis hat. Denn auf seine erstmalige Anerkennung hat der Kläger durch die unter dem 23. September 2005 abgegebene Erklärung verzichtet, aus Gewissensgründen nicht mehr daran gehindert zu sein, den Dienst an der Waffe zu leisten.

39

Der Senat hat den Gehalt der Erklärung des Klägers vom 23. September 2005 nach den Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln, obwohl es sich insoweit um eine Tatsachenfeststellung handelt. Die Vorschrift des § 137 Abs. 2 VwGO, die das Revisionsgericht grundsätzlich an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz bindet, bezieht sich nicht auf Tatsachen, die für das Vorliegen von Sachurteilsvoraussetzungen - hier in Gestalt des Rechtsschutzbedürfnisses für die erhobene Klage - erheblich sind. Über das Vorliegen dieser Tatsachen hat vielmehr das Revisionsgericht von Amts wegen zu entscheiden.

40

Die Erklärung des Klägers vom 23. September 2005 kann objektiv nur als Verzicht auf die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer vom 17. Februar 1993 verstanden werden. Die Zulässigkeit eines solchen Verzichts unterliegt in Anbetracht der Vorschriften des § 7 Abs. 2 WPflG und des § 43 Abs. 1 Nr. 10 ZDG keinen Bedenken. Der Kläger hatte ein erkennbares Interesse daran, den Verzicht auszusprechen, da er als anerkannter Kriegsdienstverweigerer einen Entlassungsgrund erfüllte und deshalb nicht die für die Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit erforderliche Eignung besaß. Die Ausräumung dieses Berufungshindernisses war nur in der Form des Verzichts auf die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer möglich.

(1) Das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit wird bei Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses auf Antrag von der Staatsangehörigkeitsbehörde festgestellt. Die Feststellung ist in allen Angelegenheiten verbindlich, für die das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit rechtserheblich ist. Bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses kann die Feststellung auch von Amts wegen erfolgen.

(2) Für die Feststellung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn durch Urkunden, Auszüge aus den Melderegistern oder andere schriftliche Beweismittel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, dass die deutsche Staatsangehörigkeit erworben worden und danach nicht wieder verloren gegangen ist. § 3 Abs. 2 bleibt unberührt.

(3) Wird das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit auf Antrag festgestellt, stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde einen Staatsangehörigkeitsausweis aus. Auf Antrag stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde eine Bescheinigung über das Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit aus.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit und die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises.

2

Am 16.12.2015 (Eingang bei der Beklagten) stellte der Kläger bei der Beklagten unter Verwendung des dafür vorgesehen Formulars einen Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit zum Zweck der Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises. Dabei gab er u.a. an, er sei am 26.10.1978 in Havelberg/ Kreis Stendal im Königreich Preußen geboren. Wohnhaft sei er in A-Stadt im Königreich Preußen. Er sei derzeit im Besitz eines bis zum 26.11.2024 gültigen Personalausweises. Die deutsche Staatsangehörigkeit habe er erworben durch Abstammung vom Vater und durch Geburt gemäß § 4 Abs. 1 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes (RuStAG; Stand: 1913). Neben der deutschen Staatsangehörigkeit besitze er die Staatsangehörigkeit des Königreichs Preußens, welche er durch Geburt gemäß § 4 Abs. 1 RuStAG erworben habe. Seit seiner Geburt bis zum Jahr 1980 habe er in A-Stadt im Königreich Preußen gelebt, von 1980 bis zum 07.02.1986 habe er in Berlin im Königreich Preußen gewohnt, vom 08.02.1986 bis zum 08.02.1991 in Berlin im Königreich Preußen, vom 09.02.1991 bis zum 15.02.1998 in H-Stadt im Königreich Preußen, vom 16.02.1998 bis zum 30.06.2000 in K-Stadt im Königreich Preußen, vom 01.07.2000 bis 01.04.2001 in N-Stadt im Königreich Bayern, vom 02.04.2001 bis 30.06.2005 in A-Stadt im Königreich Preußen, vom 01.07.2005 bis 30.09.2006 in S-Stadt im Königreich Preußen und vom 01.10.2006 bis heute in A-Stadt im Königreich Preußen. Sein Vater sei am 03.11.1958 in Stendal im Königreich Preußen geboren worden und habe neben der deutschen Staatsangehörigkeit auch die Staatsangehörigkeit des Königreich Preußens durch Geburt erworben. Sein Großvater väterlicherseits, geboren am 09.08.1935 in Erfurt im Königreich Preußen, besitze neben der deutschen Staatsangehörigkeit die Staatsangehörigkeit des Königreich Preußens. Sein Urgroßvater väterlicherseits sei am 14.12.1909 in  Scherndorf  im Königreich Preußen geboren und habe neben der deutschen Staatsangehörigkeit auch die Staatsangehörigkeit des Königreichs Preußen besessen. Zu den Aufenthaltszeiten seines Vaters, seines Großvaters und seines Urgroßvaters gab der Kläger jeweils an, diese seien ihm unbekannt. Zur Glaubhaftmachung seiner Angaben legte der Kläger beglaubigte Kopien seiner Geburtsurkunde sowie der Geburtsurkunden seines Vaters, seines Großvaters und seines Urgroßvaters, eine Meldebescheinigung von 2007, seine Abstammungsurkunde sowie Kopien seines Personalausweises und seines Reisepasses vor.

3

Unter dem 04.01.2016 forderte der Kläger die Beklagte auf, seinem Antrag ausschließlich seinen gültigen Reisepass zugrunde zu legen. Die zusätzliche Kopie des Personalausweises sei lediglich der Vollständigkeit halber erfolgt, sei nicht antragsrelevant und nicht berücksichtigungswürdig. Insofern beantrage er ausdrücklich, in seinem Staatsangehörigkeitsausweis die Schreibweise seines Namens entsprechend seinem Reisepass. Per Email vom 05.01.2016 teilte die Beklagte dem Kläger u.a. mit, die Bearbeitungszeit von Staatsangehörigkeitsangelegenheiten könne bis zu 6 Monate dauern.

4

Mit Schreiben jeweils vom 15.01.2016 bzw. 28.02.2016 (Havelberg) ersuchte die Beklagte die Einwohnermeldeämter der vom Kläger angegebenen Aufenthaltsgemeinden um Amtshilfe zur Feststellung der Staatsangehörigkeit. Unter dem 08.02.2016 forderte die Beklagte vom Kläger einen Kostenvorschuss in Höhe von 29,80 Euro ab und bat den Kläger weiter, die frühen Aufenthaltsorte und -zeiten seines Vaters und Großvaters sowie vor allem deren letzten Wohnsitz mitzuteilen. Für die Bearbeitung seines Antrags seien Informationen zu den Aufenthaltsorten seines Vaters und seines Großvaters wichtige Prüfkriterien. Weiter forderte sie den Kläger auf, die beigefügten Formblätter "Erklärung zur Staatsangehörigkeitsprüfung" und "Niederschrift über die zu zahlende Verwaltungsgebühr" unterschrieben zurückzureichen. Unter dem 10.02.2016 teilte der Kläger der Beklagten mit, sein Antrag vom 16.12.2015 sei abschließend, enthalte alle notwendigen Daten und lasse keinen Raum für verzögernde Spekulationen oder behördliche Spitzfindigkeiten. Die Eintragungen in seinem Antrag seien, mit Vorlage aller notwendigen Urkunden, nach bestem Wissen und Gewissen vollumfänglich erfolgt und erforderten keiner zusätzlichen, seine Unterschrift nachträglich abfordernden, Erklärungen. Die Dokumente "Erklärung" und "Niederschrift" werde er nicht unterschreiben und auch nicht zum Vorgang einreichen. Die letzten bekannten Anschriften seines Vater und seiner Großvaters teilte der Kläger mit. Im Übrigen sei insbesondere die "Anlage V seines Urgroßvaters" antragsbezogen vollumfänglich mit zu berücksichtigen und zu bewerten. Als ein eheliches Kind deutscher Eltern sei er Deutscher und besitze die deutsche Staatsangehörigkeit.

5

Am 04.04.2016 hat der Kläger Klage erhoben. Die beantragte Feststellung seiner deutschen Staatsangehörigkeit und die Ausfertigung seiner Staatsangehörigkeitsausweise, auf deren unverzügliche sowie amtlich feststellende Bescheidung er einen Rechtsanspruch habe, sei bis heute, also mehr als dreieinhalb Monate nach Antragstellung bei der Beklagten, ohne sachlichen Grund noch nicht verbeschieden. Die offenkundig bewusste Nichtbearbeitung seines entscheidungsreifen Antrages in Form eines Bescheides sowie das Ignorieren seiner Sachstandsanfragen seien daher amtspflichtwidrig und verletzten ihn in seinen Rechten.

6

Der Kläger beantragt wörtlich,

7

die Beklagte wird verpflichtet, die beantragte Feststellung meiner deutschen Staatsangehörigkeit unverzüglich und ordnungsgemäß antragsbezogen zu bescheiden.

8

Die Beklagte beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Nach Sichtung der durch den Kläger eingereichten Unterlagen sei festgestellt worden, dass im Antrag unvollständige Angaben über die Aufenthaltszeiten und –orte der für das Verfahren relevanten Vorfahren eingetragen gewesen seien. Die Bearbeitung von Anträgen erfolge durch die Beklagte in der Abfolge der Eingänge. Besondere Gründe, die eine bevorzugte Bearbeitung gerechtfertigt hätten, seien dem Anschreiben zum Antragsverfahren nicht zu entnehmen gewesen. Das Prüfverfahren sehe vor, dass alle Gemeinden, in denen der jeweilige Antragsteller und seine Vorfahren gelebt hätten, hinsichtlich Wohnanschriften sowie der registrierten Staatsangehörigkeit anzufragen seien. Ferner sei zu ermitteln, ob Tatsachen bekannt seien, dass die deutsche Staatsangehörigkeit verloren gegangen und eine fremde Staatsangehörigkeit erworben worden sei. Der Kläger habe auf das Schreiben der Beklagten vom 08.02.2016 nicht reagiert, sodass die fehlenden Angaben zum Verfahren zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht vorlägen. Darüber hinaus lägen noch nicht alle Rückläufe der angefragten früheren Aufenthaltsgemeinden vor. Hierneben liege der Grund für das Andauern des Prüfverfahrens ausschließlich in der fehlenden Mitwirkung durch den Kläger.

11

Rückmeldungen der verschiedenen Einwohnermeldeämter erhielt die Beklagte mit Schreiben vom 15.04.2016 (Havelberg), 15.04.2016 (Hecklingen), 19.04.2016 (Berlin-Lichtenberg), 20.04.2016 (Aschersleben), 22.04.2016 (Kassel), 26.04.2016 (Berlin-Pankow), 04.05.2016 (Neufahrn). Mit Schreiben vom 25.05.2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie die Prüfung der von ihm mitgeteilten Aufenthaltszeiten inzwischen abgeschlossen habe. Um die gewünschte Urkunde auszustellen benötige sie aber zwingend die entsprechenden Aufenthaltsorte und –zeiten seiner Vorfahren. Mit Schreiben vom 20.06.2016 korrigierte der Kläger seinen Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises gegenüber der Beklagten u.a. dahingehend, dass sein Geburtsstaat die DDR gewesen sei, dass es sich bei seinem Wohnsitzstaat um die Bundesrepublik Deutschland handele, dass er nur die deutsche Staatsangehörigkeit besitze und dass auch sein Vater und sein Großvater nur die deutsche Staatsangehörigkeit besäßen.

12

Unter dem 23.08.2016 stellte die Beklagte dem Kläger einen Staatsangehörigkeitsausweis aus, nachdem ihr nunmehr auch die Auskünfte hinsichtlich der Vorfahren des Klägers vorlagen. Mit Schreiben vom 01.09.2016 erklärte der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, sofern die Beklagte die vollständige Kostenübernahme sowie die Erstattung sämtlicher Auslagen des Klägers erkläre und sofern die Beklagte dem Kläger zwei Staatsangehörigkeitsausweise erstelle, die sie in einem verstärkten Din A4 Umschlag in nicht gefalteter Form versende.

13

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und den von dem Beklagten übersandten Verwaltungsvorgang. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

14

Die Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO) und, nachdem der Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch Beschluss der Kammer der Berichterstatterin zur Entscheidung übertragen worden ist, durch die Einzelrichterin entschieden werden konnte, hat keinen Erfolg.

15

Dabei war über die ursprünglich erhobene Untätigkeitsklage trotz der Erledigungserklärung des Klägers zu entscheiden, denn die Erledigungserklärung ist unwirksam. Die Wirksamkeit einer Prozesserklärung, wie sie auch die Erledigungserklärung ist, setzt grundsätzlich voraus, dass sie unbedingt abgegeben wird (Kopp/ Schenke, VwGO, 19. Auflage 2013, § 161 RdNr. 13 m. w. N.). Vorliegend hat der Kläger die Erledigung der Hauptsache unter der außerprozessualen Bedingung erklärt, dass die Beklagte die vollständige Kostenübernahme sowie die Erstattung sämtlicher Auslagen des Klägers erklärt und dem Kläger zwei Staatsangehörigkeitsausweise erstellt, die sie in einem verstärkten Din A4 Umschlag in nicht gefalteter Form versendet. In der Folge ist mit der unwirksamen Erledigungserklärung auch nicht die Rechtshängigkeit des ursprünglichen Klageantrages entfallen.

16

Die Klage ist allerdings unzulässig. Dabei kann dahinstehen, ob dem Kläger bereits das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, weil sich die von ihm erhobene Untätigkeitsklage als rechtsmissbräuchlich darstellt, da es im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung jedenfalls entfallen ist. Durch Erlass der vom Kläger begehrten Feststellung über das Bestehen seiner deutschen Staatsangehörigkeit und die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises am 23.08.2016 bzw. 25.08.2016 ist das schutzwürdige Interesse des Klägers an einer gerichtlichen Entscheidung entfallen, denn die Klage kann dem Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile mehr bringen (vgl. BVerwG, U. v. 27.11.1992 – 8 C 2/91 –, juris ).

17

Hierneben ist die Klage auch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragte Feststellung seiner deutschen Staatsangehörigkeit gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 StAG und in der Folge auch keinen Anspruch auf die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises gemäß § 30 Abs. 3 Satz 1 StAG.

18

Er hat am 16.12.2015 bereits keinen wirksamen Antrag bei der Beklagten gestellt. Der Antrag ist unwirksam, weil er sich auf die Daten einer im Königreich Preußen geborenen und wohnhaften Person bezieht, die ihre preußische Staatsangehörigkeit gemäß den Regelungen des RuStAG i. d. F. v. 1913 durch Geburt erworben hat. Diese Person ist mit dem Antragsteller ausweislich der von ihm beigefügten Unterlagen, insbesondere der Kopien von Personalausweis und Reisepass, nicht identisch. Ausweislich dieser Ausweise ist der Kläger ein in der DDR geborener und nunmehr im Bundesland Sachsen-Anhalt in der Bundesrepublik Deutschland wohnhafter deutscher Staatsangehöriger. Dessen ungeachtet war der vom Kläger bei der Beklagten gestellte Antrag mit diesen Angaben ausweislich der mit Schreiben vom 20.06.2016 vorgenommenen Korrekturen auch aus Sicht des Klägers fehlerhaft, denn die ursprünglichen Eintragungen waren – so der Kläger – "zu keiner Zeit beabsichtigt" (Bl. 115 BA C). Auf die Frage, ob der Antrag vom 16.12.2015 überdies auch unvollständig gewesen ist, kommt es somit nicht mehr an.

19

Dessen ungeachtet besaß der Kläger kein schutzwürdiges Interesse an der behördlichen Feststellung seiner deutschen Staatsangehörigkeit. Zwar setzt § 30 Abs. 1 Satz 1 StAG bereits nach seinem Wortlaut nicht voraus, dass der jeweilige Antragsteller ein besonderes Feststellungsinteresse darlegen oder gar glaubhaft machen muss (s. auch Heilbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Auflage 2010, § 30 RdNr. 3). Hieraus folgt jedoch nicht, dass die Staatsangehörigkeitsbehörde zwingend auf Anträge deutscher Staatsangehöriger deren deutsche Staatsangehörigkeit festzustellen und einen Staatsangehörigkeitsausweis auszustellen hat. Vielmehr ist – wie im gerichtlichen Verfahren – auch im behördlichen Antragsverfahren ein Antrag nur zulässig, wenn der Antragsteller ein schutzwürdiges Interesse (Sachbescheidungsinteresse) an der von ihm begehrten Amtshandlung hat, weil er sie etwa zur Verwirklichung oder Wahrung eines Rechts benötigt und die Verwendung nicht für unnütze, unlautere Zwecke oder sonst missbräuchlich in Anspruch nimmt (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Auflage 2015, § 22 RdNr. 77 m. w. N.).

20

Vorliegend besteht ein solches Sachbescheidungsinteresse des Klägers jedoch gerade nicht. Der Kläger ist nach eigenen Angaben im Jahr 1978 als Sohn deutscher Eltern auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland und des heutigen Bundeslandes Sachsen-Anhalt geboren. Er ist im Besitz eines deutschen Personalausweises sowie eines deutschen Reisepasses und hat selbst keinerlei Zweifel an seiner deutschen Staatsangehörigkeit. Weshalb dennoch die deutsche Staatsangehörigkeit mittels verbindlicher Feststellung durch die Staatsangehörigkeitsbehörde zu klären sein sollte, ist von ihm nicht vorgetragen und erschließt sich auch nicht in sonstiger Weise. Insbesondere wird die deutsche Staatsangehörigkeit auch nicht erkennbar seitens anderer Behörden in Zweifel gezogen. Dafür, dass dem Kläger ohne die begehrte Feststellung seiner deutschen Staatsangehörigkeit etwa die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts erschwert oder unmöglich gemacht würde oder die Feststellung Auswirkungen auf ein bestehendes oder zu begründendes Beamtenverhältnis hätte (vgl. Heilbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Auflage 2010, § 30 RdNr. 3), bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Ein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit ist weder vom Kläger vorgetragen, noch besteht – insbesondere in Ansehung seines erst im November 2014 erneut ausgestellten deutschen Personalausweises - Grund zu der Annahme, dass ein solcher Verlust eingetreten sein könnte. Ein bloß privates Interesse am Besitz eines Staatsangehörigkeitsausweises vermag insbesondere vor dem Hintergrund, dass das behördliche Feststellungsverfahren mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden ist, kein schützenswertes Sachbescheidungsinteresse zu begründen.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

22

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Unter Berücksichtigung der Empfehlungen in Ziff. 42.2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit bemisst das Gericht die Bedeutung der Sache für den Kläger mit 10.000,00 Euro.


(1) Das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit wird bei Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses auf Antrag von der Staatsangehörigkeitsbehörde festgestellt. Die Feststellung ist in allen Angelegenheiten verbindlich, für die das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit rechtserheblich ist. Bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses kann die Feststellung auch von Amts wegen erfolgen.

(2) Für die Feststellung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn durch Urkunden, Auszüge aus den Melderegistern oder andere schriftliche Beweismittel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, dass die deutsche Staatsangehörigkeit erworben worden und danach nicht wieder verloren gegangen ist. § 3 Abs. 2 bleibt unberührt.

(3) Wird das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit auf Antrag festgestellt, stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde einen Staatsangehörigkeitsausweis aus. Auf Antrag stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde eine Bescheinigung über das Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit aus.

(1) Das Bundesverwaltungsamt stellt Spätaussiedlern zum Nachweis ihrer Spätaussiedlereigenschaft eine Bescheinigung aus. Eine Wiederholung des Gesprächs im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 3 findet hierbei nicht statt. Bei Personen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, beteiligt das Bundesverwaltungsamt vor Erteilung der Bescheinigung den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz, den Militärischen Abschirmdienst, die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt und das Zollkriminalamt, wenn dies zur Feststellung von Ausschlussgründen nach § 5 Nr. 1 Buchstabe d und e geboten ist. Die Entscheidung über die Ausstellung der Bescheinigung ist für Staatsangehörigkeitsbehörden und alle Behörden und Stellen verbindlich, die für die Gewährung von Rechten oder Vergünstigungen als Spätaussiedler nach diesem oder einem anderen Gesetz zuständig sind. Hält eine Behörde oder Stelle die Entscheidung des Bundesverwaltungsamtes über die Ausstellung der Bescheinigung nicht für gerechtfertigt, so kann sie nur ihre Änderung oder Aufhebung durch das Bundesverwaltungsamt beantragen.

(2) Das Bundesverwaltungsamt stellt dem in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogenen Ehegatten oder Abkömmling eine Bescheinigung zum Nachweis des Status nach Artikel 116 Abs. 1 des Grundgesetzes sowie seiner Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 aus. Eine Bescheinigung nach Absatz 1 kann nur ausgestellt werden, wenn die Erteilung eines Aufnahmebescheides beantragt und nicht bestands- oder rechtskräftig abgelehnt worden ist. Im Übrigen gilt Absatz 1 entsprechend.

(3) Über die Rücknahme und die Ausstellung einer Zweitschrift einer Bescheinigung entscheidet die Ausstellungsbehörde.

(4) Eine Bescheinigung kann mit Wirkung für die Vergangenheit nur zurückgenommen werden, wenn sie durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für ihre Ausstellung gewesen sind, erwirkt worden ist. Die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit darf nur bis zum Ablauf von fünf Jahren nach Ausstellung der Bescheinigung erfolgen. Hat die Rücknahme einer Bescheinigung nach Absatz 1 auch Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Bescheinigungen nach Absatz 2, so ist für jeden Betroffenen eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist das Maß der Beteiligung des Ehegatten oder Abkömmlings an einer arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Spätaussiedlers gegen die schutzwürdigen Belange des Ehegatten oder Abkömmlings, insbesondere unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen. Der Widerruf einer Bescheinigung ist nicht zulässig.

(1) Das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit wird bei Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses auf Antrag von der Staatsangehörigkeitsbehörde festgestellt. Die Feststellung ist in allen Angelegenheiten verbindlich, für die das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit rechtserheblich ist. Bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses kann die Feststellung auch von Amts wegen erfolgen.

(2) Für die Feststellung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn durch Urkunden, Auszüge aus den Melderegistern oder andere schriftliche Beweismittel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, dass die deutsche Staatsangehörigkeit erworben worden und danach nicht wieder verloren gegangen ist. § 3 Abs. 2 bleibt unberührt.

(3) Wird das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit auf Antrag festgestellt, stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde einen Staatsangehörigkeitsausweis aus. Auf Antrag stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde eine Bescheinigung über das Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit aus.

Tatbestand

1

Die Klägerin erstrebt die Feststellung, dass sie infolge der Adoption durch ihren deutschen Stiefvater, die noch vor der Vollendung des achtzehnten Lebensjahres beantragt, aber erst längere Zeit nach Eintritt der Volljährigkeit amtsgerichtlich beschlossen worden ist, die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat.

2

Die Klägerin ist im Jahre 1986 als Kind russischer Eltern geboren und besitzt die russische Staatsangehörigkeit. Nach der Scheidung ihrer leiblichen Eltern im Jahre 1991 heiratete ihre Mutter im Januar 2002 einen deutschen Staatsangehörigen. Die Klägerin reiste im Juli 2002 erstmals in das Bundesgebiet ein und erhielt in der Folgezeit befristete Aufenthaltstitel zum Familiennachzug zu ihrer Mutter und ihrem Stiefvater. Im März 2003 beantragte der Stiefvater der Klägerin bei dem zuständigen Amtsgericht deren Annahme als Kind. Nach Eingang der gutachterlichen Äußerung des Jugendamtes fragte das Familiengericht bei dem Stiefvater der Klägerin an, ob er, um die weitere Entwicklung abzuwarten, den Adoptionsantrag zurücknehmen oder für eine gewisse Zeit ruhen lassen wolle. Dieser teilte mit, dass er es vorziehen würde, den Adoptionsantrag zunächst ruhen zu lassen. Im Februar 2005 verfügte das Familiengericht das Weglegen des Vorganges. Der Stiefvater der Klägerin teilte im März 2005 der Beklagten mit, dass die Klägerin nach Russland zurückgekehrt sei, um dort eine Ausbildung zu absolvieren.

3

Die Klägerin reiste im Juli 2009 mit einem Visum zu Besuchszwecken erneut in das Bundesgebiet ein. Sie heiratete im Juli 2009 einen deutschen Staatsangehörigen und erhielt in der Folgezeit Aufenthaltstitel zum Ehegattennachzug. Durch einen seit August 2011 rechtskräftigen Strafbefehl wurde die Klägerin wegen Erschleichens eines Aufenthaltstitels zu einer Geldstrafe verurteilt; die in Dänemark geschlossene Ehe hatte sich als ausländerrechtliche Zweckehe ("Scheinehe") erwiesen. Diese Ehe wurde im Dezember 2011 geschieden. Die Beklagte wies mit Bescheid vom 7. Dezember 2011 die Klägerin aus dem Bundesgebiet aus und nahm rückwirkend die erteilten Aufenthaltstitel zurück. Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg.

4

Am 30. Dezember 2011 ging beim Amtsgericht eine notarielle Urkunde ein, gerichtet auf den Ausspruch der Annahme der Klägerin als Kind mit den Wirkungen der Annahme nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen. Das Amtsgericht München - Familiengericht - sprach mit unanfechtbarem Beschluss vom 8. Mai 2012 die Annahme der Klägerin als Kind aus und bestimmte zugleich, dass sich die Wirkungen der Annahme nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen richteten. Dabei nahm das Amtsgericht Bezug auf den "Antrag des Annehmenden und der Anzunehmenden vom 28.12.2011 in Verbindung mit dem Adoptionsantrag des Annehmenden vom 24.3.2003".

5

Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 30. Mai 2012 ihre Rechtsauffassung mit, dass sie die deutsche Staatsangehörigkeit nicht nach § 6 Satz 1 StAG erworben habe, und bekräftigte diese Rechtsauffassung auf die Aufforderung der Klägerin (Schreiben vom 23. Juni 2012), ihre deutsche Staatsangehörigkeit anzuerkennen (Schreiben vom 27. Juni 2012). Das Verwaltungsgericht gab im Oktober 2013 der Klage auf Feststellung statt, dass die Klägerin durch die Annahme als Kind mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 8. Mai 2012 die deutsche Staatsangehörigkeit erworben habe.

6

Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten wies der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 30. Juni 2014 zurück. Zur Begründung führte der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen aus: Die Klägerin habe nach § 6 Satz 1 StAG durch wirksame Annahme als Kind durch einen Deutschen die Staatsangehörigkeit erworben, weil sie im Zeitpunkt des Annahmeantrags das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Abzustellen sei auf den ursprünglichen Annahmeantrag aus dem Jahre 2003. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei entscheidend, dass im Zeitpunkt der Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes noch der auf Minderjährigenadoption gerichtete Antrag anhängig und bis zu diesem Zeitpunkt weder abschlägig beschieden noch wirksam zurückgenommen worden sei. Der Stiefvater habe mit Blick auf die Stellungnahme des Jugendamtes, das wegen der erst kurzen Beziehung noch kein vollwertiges Eltern-Kind-Verhältnis gesehen habe, lediglich ein Ruhen des Verfahrens beantragt. Der Antrag vom März 2003 sei erst mit dem am 8. Mai 2012 ergangenen Beschluss des Amtsgerichts beschieden worden, das ausdrücklich auch auf diesen Adoptionsantrag Bezug genommen habe.

7

Die Umstände des vorliegenden Falles gäben keinen Anlass zu einer einengenden Interpretation des § 6 Satz 1 StAG, die das Bundesverwaltungsgericht für Missbrauchsfälle offengelassen habe. Die Klägerin habe das Verfahren nicht weiter betrieben und den Nichtabschluss des ersten Adoptionsverfahrens jedenfalls nicht in einer Weise zu verantworten oder zu vertreten, die eine Nichtanwendung des § 6 Satz 1 StAG rechtfertige. Die Bewertung des Verwaltungsgerichts, der Zeitpunkt des Wiederaufgreifens des Adoptionsantrages längere Zeit nach der Wiedereinreise ins Bundesgebiet und im Angesicht einer Ausweisungsverfügung lasse auf ein missbräuchliches Verhalten schließen, berücksichtige nicht, dass das Offenhalten des ursprünglichen Adoptionsantrages dem Stiefvater ausdrücklich vom zuständigen Amtsrichter angeboten worden sei. Die Durchführung einer Ausbildung im Ausland sowie die Eheschließung, die sich als Scheinehe erwiesen und zu einer strafgerichtlichen Verurteilung geführt habe, habe nichts mit dem Adoptionsverfahren zu tun, das im Jahr 2003 nicht beendet worden sei. Der Klägerin sei nicht vorwerfbar, dass sie mit der Adoption auch der Ausweisung entgehen wolle und sie sich nicht umgehend nach ihrer Wiedereinreise im Jahre 2009 um die Verfahrensfortsetzung bemüht habe. Weder dem Adoptions- noch dem Staatsangehörigkeitsrecht sei eine derartige Pflicht zu entnehmen. Auch hätte insoweit ihr Stiefvater mitwirken müssen; eine stärkere Eltern-Kind-Beziehung sei aber erst durch das erneute Zusammenleben ab September 2009 erwachsen. Es sei auch nachvollziehbar, dass der im Jahr 2003 gestellte Adoptionsantrag zunächst aus dem Blickfeld geraten sei. Der erste Adoptionsantrag sei hier auch nicht gleichsam "ins Blaue hinein" und auf Vorrat gestellt worden, sondern nach Begründung einer Eltern-Kind-Beziehung aus dem Gefühl der Mitverantwortung und der Verbundenheit heraus.

8

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 6 Satz 1 StAG, weil die nach den Umständen des Einzelfalles gebotene teleologische Reduktion der Regelung abgelehnt worden sei; die Klägerin habe mit dem Wiederaufgreifen des Adoptionsverfahrens auch rechtsmissbräuchlich gehandelt.

9

Die beteiligte Landesanwaltschaft Bayern unterstützt die Revision und hebt hervor, das Verfahren gebe dem Bundesverwaltungsgericht Gelegenheit, seine Rechtsprechung zu § 6 Satz 1 StAG fortzuentwickeln, um einen Missbrauch der Regelung auszuschließen oder abzuwehren.

10

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Berufungsurteil und hebt hervor, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Satz 1 StAG unstreitig vorlägen. Mangels Rechtspflicht zum sofortigen Wiederaufgreifen des Adoptionsverfahrens könne ihr nicht vorgeworfen werden, dass sie sich nicht sofort nach Rückkehr ins Bundesgebiet im Jahre 2009 um den Fortgang des Verfahrens bemüht habe. Mangels missbräuchlicher Ausnutzung bestehe auch kein Anlass für eine teleologische Reduktion des § 6 Satz 1 StAG.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, ein vor Eintritt der Volljährigkeit gestellter Antrag auf Annahme an Kindes statt führe nach § 6 Satz 1 StAG auch dann zum Staatsangehörigkeitserwerb kraft Gesetzes, wenn dieser Antrag erst längere Zeit nach Eintritt der Volljährigkeit wieder aufgegriffen worden ist, steht mit Bundesrecht nicht in Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung, dass sie deutsche Staatsangehörige ist.

12

1. Im Ergebnis zutreffend haben die Vorinstanzen die Klage als zulässig angesehen. Zulässige Klageart für das erkennbare Begehren der Klägerin auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit ist indes entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs nicht die Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO), sondern die auf entsprechende behördliche Feststellung gerichtete Verpflichtungsklage.

13

Gemäß § 30 Abs. 1 StAG (mit Wirkung vom 28. August 2007 einfügt durch Art. 5 Nr. 19 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007, BGBl I S. 1970) wird das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit auf Antrag von der Staatsangehörigkeitsbehörde festgestellt (Satz 1); diese Feststellung ist in allen Angelegenheiten verbindlich, für die das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit rechtserheblich ist (Satz 2). Bei Streit über das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit hat nach § 30 Abs. 1 StAG mithin nunmehr die verbindliche Klärung durch einen feststellenden Verwaltungsakt zu erfolgen (s. Marx, in: Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht, § 30 Rn. 29 ff., 34, Stand April 2010). Der Staatsangehörigkeitsbehörde steht es nicht frei, auf den auch von Amts wegen möglichen (§ 30 Abs. 1 Satz 3 StAG) Erlass dieses feststellenden Verwaltungsaktes zu verzichten und den Einzelnen direkt auf eine verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage zu verweisen. Diese ist gegenüber der Gestaltungs- oder Leistungsklage nachrangig (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO steht einer Ausdeutung des durchgängigen und unveränderten Begehrens der Klägerin als Verpflichtungsbegehren, gerichtet auf den Erlass eines Verwaltungsaktes nach § 30 Abs. 1 Satz 1 StAG, der ihre deutsche Staatsangehörigkeit feststellt, nicht entgegen.

14

Mit der Einfügung des § 30 StAG, der die Staatsangehörigkeitsbehörde zur verbindlichen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der deutschen Staatsangehörigkeit ermächtigt, ist auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 21. Mai 1985 - 1 C 12.84 - Buchholz 130 § 25 RuStAG Nr. 5) zur Zulässigkeit der Feststellungsklage in Fällen überholt, in denen die Staatsangehörigkeitsbehörde gegenüber dem Betroffenen die Rechtsstellung als Deutscher bestreitet. Diese Rechtsprechung gründete sich maßgeblich darauf, dass nach seinerzeitigem Recht ein auf Antrag ausgestellter Staatsangehörigkeitsausweis lediglich den Charakter einer widerlegbaren Vermutung (BVerwG, Urteil vom 21. Mai 1985 - 1 C 52.82 - BVerwGE 71, 309 <316>) hatte und daher auch die inzidenten Feststellungen über das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit nicht in allen Angelegenheiten Rechtsklarheit schaffen konnten, für die das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit rechtserheblich war.

15

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Verpflichtung der Beklagten, ihre deutsche Staatsangehörigkeit festzustellen, weil sie nicht deutsche Staatsangehörige (geworden) ist. Sie hat die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch die - hier allein als Erwerbsgrund in Betracht kommende (2.1) - Annahme an Kindes statt durch einen deutschen Staatsangehörigen erworben. Zwar sind die allgemeinen Voraussetzungen des § 6 Satz 1 StAG erfüllt (2.3). Diese Annahme ist indes nicht im Sinne des § 6 Satz 1 StAG auf einen Annahmeantrag erfolgt, bei dessen Stellung die Klägerin das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hatte; denn zwischen dem Annahmeantrag, der durch ihren Stiefvater im März 2003 vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres der Klägerin gestellt wurde, und der Annahme als Kind durch ihren Stiefvater deutscher Staatsangehörigkeit besteht nicht der nach dem Sinn und Zweck der Regelung erforderliche verfahrens- und materiellrechtliche Zusammenhang (2.4).

16

2.1 Als Rechtsgrundlage für einen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch die Klägerin kommt hier allein § 6 StAG in Betracht. Nach § 6 Satz 1 StAG in der noch heute gültigen Fassung, die diese Bestimmung durch Art. 6 § 5 des Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts (vom 25. Juli 1986, BGBl. I S. 1142) erhalten hat, erwirbt mit der nach den deutschen Gesetzen wirksamen Annahme als Kind durch einen Deutschen das Kind, das im Zeitpunkt des Annahmeantrags das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, die deutsche Staatsangehörigkeit. Dass die Klägerin aus einem anderen Rechtsgrund die deutsche Staatsangehörigkeit erworben oder besitzen könnte, ist nicht ersichtlich oder vorgetragen.

17

2.2 Die Staatsangehörigkeitsbehörde hat nach § 6 Satz 1 StAG selbständig zu prüfen, ob eine nach deutschem Recht wirksame Annahme an Kindes statt ein Kind betrifft, das im Zeitpunkt des zur Annahme führenden Antrages das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. An die familiengerichtliche Entscheidung über ein Adoptionsbegehren ist sie nur insoweit gebunden, als es die Tatsache einer nach deutschem Recht wirksamen Annahme als Kind, und zwar zu den Bedingungen einer Minderjährigenadoption, betrifft. Eine weitergehende Bindung auch an die Beurteilung des Familiengerichts, auf welchen Antrag hin diese Adoption erfolgt sei, oder an die familiengerichtliche Begründung, aus welchem der in § 1772 Abs. 1 Satz 1 BGB benannten Rechtsgründe sich die Wirkungen der Annahme nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen oder eines verwandten Minderjährigen richten, für den nach § 6 Satz 1 StAG zu beurteilenden Staatsangehörigkeitserwerb kraft Gesetzes besteht nicht. § 1772 BGB regelt nur die familienrechtlichen Wirkungen. Eine Bindungswirkung für den eigenständig geregelten Staatsangehörigkeitserwerb ergibt sich hieraus nicht. Sie folgt auch nicht aus der Tatbestandswirkung der Annahme an Kindes statt oder der Rechtskraftwirkung der familiengerichtlichen Entscheidung. Die auf die zivilrechtlichen Wirkungen der Annahmeentscheidung bezogenen Wirkungen bleiben von einer selbständigen staatsangehörigkeitsbehördlichen Beurteilung des Zusammenhanges des vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres gestellten Annahmeantrages und der letztlich bewirkten Annahme unberührt.

18

2.3 Verwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof sind im rechtlichen Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass für einen Staatsangehörigkeitserwerb nach § 6 Satz 1 StAG erforderlich ist, dass ein Annahmeantrag zu einem Zeitpunkt bei dem Familiengericht gestellt worden ist, zu dem das Kind das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hatte (s.a. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1998 - 1 C 2.98 - BVerwGE 108, 216), und dass dieser Annahmeantrag verfahrensrechtlich nicht dadurch "verbraucht" worden sein darf, dass er im Zeitpunkt der Vollendung des achtzehnten Lebensjahres abschließend negativ beschieden oder wirksam zurückgenommen worden ist (BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2003 - 1 C 20.02 - BVerwGE 119, 111 <121>). Diese Voraussetzungen sind hier mit Blick auf den im März 2003 gestellten Antrag festgestellt und stehen auch nicht im Streit.

19

Der Anwendung des § 6 Satz 1 StAG steht für sich allein auch nicht entgegen, dass das auf diesen Antrag hin eingeleitete familiengerichtliche Verfahren zum Ruhen gebracht und die Akten schließlich weggelegt worden sind; dies bewirkt keine Erledigung dieses Verfahrens im Rechtssinne (BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2003 - 1 C 20.02 - BVerwGE 119, 111 <121>). Dem gesetzlichen Staatsangehörigkeitserwerb nach § 6 Satz 1 StAG steht auch nicht notwendig entgegen, dass mit dem Eintritt der Volljährigkeit des Kindes das durch einen zuvor gestellten Antrag wirksam eingeleitete Verfahren nur dann zu einer Annahme an Kindes statt führen kann, wenn nach § 1768 Abs. 1 BGB ein weiterer Antrag durch den Annehmenden und den (volljährig gewordenen) Anzunehmenden gestellt wird; denn die Einwilligung, die gemäß § 1746 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Annahme eines minderjährigen Kindes erforderlich ist, wirkt auch dann nicht über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus, wenn sie durch das anzunehmende Kind - wie nach Vollendung des vierzehnten Lebensjahres grundsätzlich vorausgesetzt (§ 1746 Abs. 1 Satz 3 BGB) - selbst erteilt worden ist. Dieser neuerliche Antrag ist Voraussetzung dafür, dass es - wie von § 6 Satz 1 StAG vorausgesetzt - nach Eintritt der Volljährigkeit überhaupt zu einer Annahme an Kindes statt kommen kann und steht daher dem erforderlichen Zusammenhang mit dem vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres gestellten Antrag für sich genommen nicht entgegen (s.a. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2003 - 1 C 20.02 - BVerwGE 119, 111 <118 f.>).

20

2.4 § 6 Satz 1 StAG erfordert aber für den Staatsangehörigkeitserwerb kraft Gesetzes zwischen dem vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres gestellten Annahmeantrag und der nachfolgenden Annahme an Kindes statt einen hinreichenden verfahrens- und materiellrechtlichen Zusammenhang. Dies gebieten Sinn und Zweck der Regelung, wie sie sich hinreichend aus der Entstehungsgeschichte erschließen (a). Dieser Zusammenhang besteht nur dann, wenn bei einem vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres gestellten Annahmeantrag der zur Fortsetzung des Verfahrens nach § 1768 BGB erforderliche Antrag spätestens bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt worden ist und das Adoptionsverfahren von den Antragstellern sodann mit dem gebotenen Nachdruck betrieben wird (b). Nicht zu prüfen ist dann, ob bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres das Verfahren aus Gründen nicht zu einem Abschluss gekommen ist, die ganz oder überwiegend in der Sphäre der Antragsteller liegen, oder ob der vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres gestellte Antrag im Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit bereits zur Annahme an Kindes statt hätte führen müssen (c).

21

a) Die durch das Gesetz vom 25. Juli 1986 (BGBl. I S. 1142) eingefügte Vorverlagerung des Anknüpfungszeitpunktes für einen gesetzlichen Staatsangehörigkeitserwerb durch Adoption auf den Zeitpunkt der Antragstellung berücksichtigt Art. 3 des Europäischen Übereinkommens vom 24. April 1967 über die Adoption von Kindern - Europäisches Adoptionsübereinkommen - (BGBl. 1980 II S. 1093 und 1981 II S. 72) und passt im Kern die Reichweite des gesetzlichen Staatsangehörigkeitserwerbs dem Geltungsbereich dieses Abkommens an (s.a. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2003 - 1 C 20.02 - BVerwGE 119, 111 <116 f.>). Dies modifiziert die bei Einfügung des § 6 StAG (Adoptionsgesetz vom 2. Juli 1976, BGBl. I S. 1749) getroffene Grundentscheidung, dass nur die Adoption Minderjähriger staatsangehörigkeitsrechtliche Folgen haben soll, um jeden Anreiz zu vermeiden, durch eine Adoption die für Ausländer bestehenden aufenthaltsrechtlichen, berufsrechtlichen und sonstigen Beschränkungen zu umgehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1998 - 1 C 2.98 - BVerwGE 108, 216 <219 f.>; s.a. BT-Drs. 7/3061; S. 65), für Fälle im Grenzbereich zwischen Minderjährigen- und Volljährigenadoption. Es hebt sie indes nicht auf. Minderjährigen, die durch ihre Einwilligung (§ 1746 BGB) zu dem Adoptionsantrag ihren Wunsch und Willen zur Annahme durch Einleitung des dafür vorgesehenen Verfahrens wirksam bekundet haben, sollen lediglich die ihnen gewährten Rechtsvorteile ohne Rücksicht auf die Dauer und Gestaltung des Adoptionsverfahrens erhalten bleiben (s. - unter Auswertung der Entstehungsgeschichte - BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2003 - 1 C 20.02 - BVerwGE 119, 111 <117 f.>). Die Anknüpfung an den Annahmeantrag berücksichtigt dabei auch, dass bei einer beachtlichen Antragstellung vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres das Ziel an Gewicht verliert, Manipulationen und Umgehungen der für erwachsene Ausländer geltenden Aufenthaltsbeschränkungen zu begegnen (BT-Drs. 10/504 S. 96).

22

Aus der Entstehungsgeschichte des § 6 StAG ergibt sich indes kein Anhaltspunkt, dass der Grundsatz, einer Erwachsenenadoption keine staatsangehörigkeitsrechtlichen Folgen beizumessen, insgesamt oder doch auch für Fälle aufgegeben werden sollte, in denen zwischen dem vor Eintritt der Volljährigkeit gestellten Annahmeantrag und der anschließenden Annahme als Volljähriger kein substantieller materieller und verfahrensrechtlicher Zusammenhang mehr besteht. § 6 Satz 1 StAG ist daher nur dann anzuwenden, wenn sich die nach Eintritt der Volljährigkeit vollzogene Adoption sachlich und verfahrensrechtlich als Abschluss des durch den vor Eintritt der Volljährigkeit gestellten Annahmeantrages darstellt. Dies ist nicht der Fall, wenn das Verfahren, das durch den vor Eintritt der Volljährigkeit gestellten Adoptionsantrag eingeleitet worden ist, zwar formell noch anhängig ist, es aber für einen Zeitraum faktisch oder förmlich zum Ruhen gebracht worden ist, der allein schon durch den Zeitablauf einen substantiellen Zusammenhang zu dem Erstantrag ausschließt. Auch das Urteil des Senats vom 14. Oktober 2003 (1 C 20.02 - BVerwGE 119, 111 <119>) hat nicht das Erfordernis einer "funktionalen Verbindung" zwischen dem ersten Adoptionsantrag mit dem Annahmebeschluss als Anwendungsvoraussetzung des § 6 Satz 1 StAG abgelehnt; abgestellt wird allein darauf, dass die in jenem Verfahren zu dessen Verneinung herangezogenen Gründe die seinerzeitige Berufungsentscheidung nicht tragen konnten.

23

b) Für die verfahrensrechtliche Verknüpfung ist maßgeblich auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der für den Fortgang des Verfahrens nach § 1768 Abs. 1 BGB erforderliche (weitere) Adoptionsantrag bei dem Familiengericht eingeht, soweit dann in der Folgezeit das Verfahren mit dem gehörigen Nachdruck betrieben wird. Aus Gründen der Rechtssicherheit müssen die Staatsangehörigkeitsbehörde und auch der Anzunehmende nach hinreichend klaren, nicht von streitanfälligen Wertungen abhängigen objektiven Kriterien beurteilen können, ob noch ein hinreichend substantieller Zusammenhang besteht, der die Rechtsfolge des § 6 Satz 1 StAG auslöst. Keine andere Beurteilung rechtfertigt, dass der Antrag nach § 1768 Abs. 1 BGB gemeinsam mit dem Annehmenden zu stellen ist, also nicht allein in der Verfügungsmacht des Anzunehmenden steht. Denn ist der später Annehmende vorübergehend nicht bereit, an der erforderlichen Antragstellung mitzuwirken, fehlt es an dem von § 6 Satz 1 StAG für den Rechtserhalt vorausgesetzten, fortbestehenden beiderseitigen Adoptionswillen. Ein später gleichwohl gestellter Antrag setzt dann sachlich nicht das durch den Erstantrag eingeleitete Verfahren fort.

24

Der Antrag nach § 1768 Abs. 1 BGB wahrt den hinreichenden substantiellen Zusammenhang mit dem Erstantrag nur, wenn er bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt worden ist und sodann mit dem gehörigen Nachdruck verfolgt wird. Zu diesem Zeitpunkt endet eine Übergangsphase auch rechtlich abgestufter Verantwortlichkeit und Verantwortung, die mit der Volljährigkeit durch die der junge Mensch rechtlich in vollem Umfang handlungsfähig wird, beginnt. Dass die Volljährigkeit nicht zwingend eine umfassende rechtliche Verantwortlichkeit bedeutet, anerkennt etwa das Jugendstrafrecht, das auch auf Heranwachsende angewendet wird, die im Zeitpunkt der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt waren (§ 1 Abs. 2 JGG). Im Einzelfall fortbestehenden Orientierungs- und Entwicklungsbedarf setzt auch § 41 Abs. 1 SGB VIII voraus, nach dem einem jungen Volljährigen Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt werden soll, wenn und solange die Hilfe auf Grund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig ist, in der Regel aber nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres. Nach der Neufassung des § 29 StAG (sog. Optionsregelung) durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes (vom 13. November 2014, BGBl. I S. 1714) anerkennt nunmehr auch das Staatsangehörigkeitsrecht selbst in § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 4, Abs. 1a StAG, dass der Prozess des Aufwachsens im Bundesgebiet erst mit der Vollendung des 21. Lebensjahres als beendet anzusehen ist und der junge Volljährige sich mit der Zustellung des Hinweises, der seine Optionspflicht auslöst, in vollem Umfange seiner staatsangehörigkeitsrechtlichen Verantwortung zu stellen hat.

25

In dem Zeitraum bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres hat der junge Volljährige einerseits hinreichend Gelegenheit, sich unter den mit Eintritt der Volljährigkeit veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen Klarheit zu verschaffen, ob er an dem eingeleiteten Adoptionsverfahren festhalten möchte, und den hierfür erforderlichen Antrag auch zu stellen. Innerhalb dieser Frist ist ihm dies indes auch abzuverlangen, wenn er den materiell fortbestehenden wechselseitigen Adoptionswillen und die in § 6 Satz 1 StAG vorausgesetzte verfahrensrechtlich vermittelte Antragskontinuität geltend machen will. Diese Frist wahrt aber andererseits noch einen substantiellen Zusammenhang zu dem vor Eintritt der Volljährigkeit eingeleiteten Adoptionsverfahren und stellt so sicher, dass die Übergangsphase einer erleichterten, situationsgerechten Gesetzesanwendung im Grenzbereich zwischen Minderjährigen und Volljährigen sachgerecht begrenzt wird. Bei einem bereits vor Eintritt der Volljährigkeit durch einen wirksamen Adoptionsantrag dokumentierten wechselseitigen Adoptionswillen, an den bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres ein Antrag nach § 1768 Abs. 1 BGB anknüpft, ist ein Gebrauch des Adoptionsrechts zu vorrangig familienrechtsfremden Zwecken weitestgehend ausgeschlossen, so dass dem Zweck der grundsätzlichen Beschränkung staatsangehörigkeitsrechtlicher Wirkungen auf die Minderjährigenadoption hinreichend Rechnung getragen wird. Der durch den Zeitablauf gelockerte Zusammenhang zu dem bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres gestellten Antrag wird durch einen fristgerecht gestellten Antrag nach § 1768 Abs. 1 BGB aber nur gewahrt, wenn das dadurch wieder aufgegriffene Verfahren sodann mit dem gebotenen Nachdruck betrieben und unter gehöriger Mitwirkung des Anzunehmenden bis zum Adoptionsbeschluss gefördert wird; dies ist insbesondere bei einem lediglich "auf Vorrat" gestellten Antrag, der dann gleich wieder zum Ruhen gebracht wird, ebenso wenig der Fall wie bei einer sonst verfahrensverzögernden Verfahrensgestaltung.

26

c) Bei einer Stellung des Antrags nach § 1768 Abs. 1 BGB bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und damit in einer Übergangsphase bedarf es nicht der Prüfung, inwieweit das Nichtbetreiben oder der Nichtabschluss des durch den Erstantrag eingeleiteten Verfahrens von dem Anzunehmenden zu verantworten oder zu vertreten ist oder sonst in dessen Sphäre fällt. Dies dient der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Diese Prüfung würde einen Staatsangehörigkeitserwerb, der kraft Gesetzes erfolgt, mit einer einzelfallbezogenen Ermittlung und Bewertung der Gründe belasten, die zum Nichtabschluss des durch den vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres gestellten Antrag eingeleiteten Verfahrens oder dessen Nichtweiterbetreibens geführt haben.

27

Sinn und Zweck des § 6 Satz 1 StAG erfordern auch keine hypothetische Prüfung, ob zu dem Zeitpunkt, zu dem der Anzunehmende volljährig wird, nach der objektiven Rechtslage eine Annahme an Kindes statt familiengerichtlich hätte ausgesprochen werden können oder gar müssen.

28

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Tatbestand

1

Die Klägerin erstrebt die Feststellung, dass sie infolge der Adoption durch ihren deutschen Stiefvater, die noch vor der Vollendung des achtzehnten Lebensjahres beantragt, aber erst längere Zeit nach Eintritt der Volljährigkeit amtsgerichtlich beschlossen worden ist, die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat.

2

Die Klägerin ist im Jahre 1986 als Kind russischer Eltern geboren und besitzt die russische Staatsangehörigkeit. Nach der Scheidung ihrer leiblichen Eltern im Jahre 1991 heiratete ihre Mutter im Januar 2002 einen deutschen Staatsangehörigen. Die Klägerin reiste im Juli 2002 erstmals in das Bundesgebiet ein und erhielt in der Folgezeit befristete Aufenthaltstitel zum Familiennachzug zu ihrer Mutter und ihrem Stiefvater. Im März 2003 beantragte der Stiefvater der Klägerin bei dem zuständigen Amtsgericht deren Annahme als Kind. Nach Eingang der gutachterlichen Äußerung des Jugendamtes fragte das Familiengericht bei dem Stiefvater der Klägerin an, ob er, um die weitere Entwicklung abzuwarten, den Adoptionsantrag zurücknehmen oder für eine gewisse Zeit ruhen lassen wolle. Dieser teilte mit, dass er es vorziehen würde, den Adoptionsantrag zunächst ruhen zu lassen. Im Februar 2005 verfügte das Familiengericht das Weglegen des Vorganges. Der Stiefvater der Klägerin teilte im März 2005 der Beklagten mit, dass die Klägerin nach Russland zurückgekehrt sei, um dort eine Ausbildung zu absolvieren.

3

Die Klägerin reiste im Juli 2009 mit einem Visum zu Besuchszwecken erneut in das Bundesgebiet ein. Sie heiratete im Juli 2009 einen deutschen Staatsangehörigen und erhielt in der Folgezeit Aufenthaltstitel zum Ehegattennachzug. Durch einen seit August 2011 rechtskräftigen Strafbefehl wurde die Klägerin wegen Erschleichens eines Aufenthaltstitels zu einer Geldstrafe verurteilt; die in Dänemark geschlossene Ehe hatte sich als ausländerrechtliche Zweckehe ("Scheinehe") erwiesen. Diese Ehe wurde im Dezember 2011 geschieden. Die Beklagte wies mit Bescheid vom 7. Dezember 2011 die Klägerin aus dem Bundesgebiet aus und nahm rückwirkend die erteilten Aufenthaltstitel zurück. Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg.

4

Am 30. Dezember 2011 ging beim Amtsgericht eine notarielle Urkunde ein, gerichtet auf den Ausspruch der Annahme der Klägerin als Kind mit den Wirkungen der Annahme nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen. Das Amtsgericht München - Familiengericht - sprach mit unanfechtbarem Beschluss vom 8. Mai 2012 die Annahme der Klägerin als Kind aus und bestimmte zugleich, dass sich die Wirkungen der Annahme nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen richteten. Dabei nahm das Amtsgericht Bezug auf den "Antrag des Annehmenden und der Anzunehmenden vom 28.12.2011 in Verbindung mit dem Adoptionsantrag des Annehmenden vom 24.3.2003".

5

Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 30. Mai 2012 ihre Rechtsauffassung mit, dass sie die deutsche Staatsangehörigkeit nicht nach § 6 Satz 1 StAG erworben habe, und bekräftigte diese Rechtsauffassung auf die Aufforderung der Klägerin (Schreiben vom 23. Juni 2012), ihre deutsche Staatsangehörigkeit anzuerkennen (Schreiben vom 27. Juni 2012). Das Verwaltungsgericht gab im Oktober 2013 der Klage auf Feststellung statt, dass die Klägerin durch die Annahme als Kind mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 8. Mai 2012 die deutsche Staatsangehörigkeit erworben habe.

6

Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten wies der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 30. Juni 2014 zurück. Zur Begründung führte der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen aus: Die Klägerin habe nach § 6 Satz 1 StAG durch wirksame Annahme als Kind durch einen Deutschen die Staatsangehörigkeit erworben, weil sie im Zeitpunkt des Annahmeantrags das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Abzustellen sei auf den ursprünglichen Annahmeantrag aus dem Jahre 2003. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei entscheidend, dass im Zeitpunkt der Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes noch der auf Minderjährigenadoption gerichtete Antrag anhängig und bis zu diesem Zeitpunkt weder abschlägig beschieden noch wirksam zurückgenommen worden sei. Der Stiefvater habe mit Blick auf die Stellungnahme des Jugendamtes, das wegen der erst kurzen Beziehung noch kein vollwertiges Eltern-Kind-Verhältnis gesehen habe, lediglich ein Ruhen des Verfahrens beantragt. Der Antrag vom März 2003 sei erst mit dem am 8. Mai 2012 ergangenen Beschluss des Amtsgerichts beschieden worden, das ausdrücklich auch auf diesen Adoptionsantrag Bezug genommen habe.

7

Die Umstände des vorliegenden Falles gäben keinen Anlass zu einer einengenden Interpretation des § 6 Satz 1 StAG, die das Bundesverwaltungsgericht für Missbrauchsfälle offengelassen habe. Die Klägerin habe das Verfahren nicht weiter betrieben und den Nichtabschluss des ersten Adoptionsverfahrens jedenfalls nicht in einer Weise zu verantworten oder zu vertreten, die eine Nichtanwendung des § 6 Satz 1 StAG rechtfertige. Die Bewertung des Verwaltungsgerichts, der Zeitpunkt des Wiederaufgreifens des Adoptionsantrages längere Zeit nach der Wiedereinreise ins Bundesgebiet und im Angesicht einer Ausweisungsverfügung lasse auf ein missbräuchliches Verhalten schließen, berücksichtige nicht, dass das Offenhalten des ursprünglichen Adoptionsantrages dem Stiefvater ausdrücklich vom zuständigen Amtsrichter angeboten worden sei. Die Durchführung einer Ausbildung im Ausland sowie die Eheschließung, die sich als Scheinehe erwiesen und zu einer strafgerichtlichen Verurteilung geführt habe, habe nichts mit dem Adoptionsverfahren zu tun, das im Jahr 2003 nicht beendet worden sei. Der Klägerin sei nicht vorwerfbar, dass sie mit der Adoption auch der Ausweisung entgehen wolle und sie sich nicht umgehend nach ihrer Wiedereinreise im Jahre 2009 um die Verfahrensfortsetzung bemüht habe. Weder dem Adoptions- noch dem Staatsangehörigkeitsrecht sei eine derartige Pflicht zu entnehmen. Auch hätte insoweit ihr Stiefvater mitwirken müssen; eine stärkere Eltern-Kind-Beziehung sei aber erst durch das erneute Zusammenleben ab September 2009 erwachsen. Es sei auch nachvollziehbar, dass der im Jahr 2003 gestellte Adoptionsantrag zunächst aus dem Blickfeld geraten sei. Der erste Adoptionsantrag sei hier auch nicht gleichsam "ins Blaue hinein" und auf Vorrat gestellt worden, sondern nach Begründung einer Eltern-Kind-Beziehung aus dem Gefühl der Mitverantwortung und der Verbundenheit heraus.

8

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 6 Satz 1 StAG, weil die nach den Umständen des Einzelfalles gebotene teleologische Reduktion der Regelung abgelehnt worden sei; die Klägerin habe mit dem Wiederaufgreifen des Adoptionsverfahrens auch rechtsmissbräuchlich gehandelt.

9

Die beteiligte Landesanwaltschaft Bayern unterstützt die Revision und hebt hervor, das Verfahren gebe dem Bundesverwaltungsgericht Gelegenheit, seine Rechtsprechung zu § 6 Satz 1 StAG fortzuentwickeln, um einen Missbrauch der Regelung auszuschließen oder abzuwehren.

10

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Berufungsurteil und hebt hervor, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Satz 1 StAG unstreitig vorlägen. Mangels Rechtspflicht zum sofortigen Wiederaufgreifen des Adoptionsverfahrens könne ihr nicht vorgeworfen werden, dass sie sich nicht sofort nach Rückkehr ins Bundesgebiet im Jahre 2009 um den Fortgang des Verfahrens bemüht habe. Mangels missbräuchlicher Ausnutzung bestehe auch kein Anlass für eine teleologische Reduktion des § 6 Satz 1 StAG.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, ein vor Eintritt der Volljährigkeit gestellter Antrag auf Annahme an Kindes statt führe nach § 6 Satz 1 StAG auch dann zum Staatsangehörigkeitserwerb kraft Gesetzes, wenn dieser Antrag erst längere Zeit nach Eintritt der Volljährigkeit wieder aufgegriffen worden ist, steht mit Bundesrecht nicht in Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung, dass sie deutsche Staatsangehörige ist.

12

1. Im Ergebnis zutreffend haben die Vorinstanzen die Klage als zulässig angesehen. Zulässige Klageart für das erkennbare Begehren der Klägerin auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit ist indes entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs nicht die Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO), sondern die auf entsprechende behördliche Feststellung gerichtete Verpflichtungsklage.

13

Gemäß § 30 Abs. 1 StAG (mit Wirkung vom 28. August 2007 einfügt durch Art. 5 Nr. 19 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007, BGBl I S. 1970) wird das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit auf Antrag von der Staatsangehörigkeitsbehörde festgestellt (Satz 1); diese Feststellung ist in allen Angelegenheiten verbindlich, für die das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit rechtserheblich ist (Satz 2). Bei Streit über das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit hat nach § 30 Abs. 1 StAG mithin nunmehr die verbindliche Klärung durch einen feststellenden Verwaltungsakt zu erfolgen (s. Marx, in: Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht, § 30 Rn. 29 ff., 34, Stand April 2010). Der Staatsangehörigkeitsbehörde steht es nicht frei, auf den auch von Amts wegen möglichen (§ 30 Abs. 1 Satz 3 StAG) Erlass dieses feststellenden Verwaltungsaktes zu verzichten und den Einzelnen direkt auf eine verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage zu verweisen. Diese ist gegenüber der Gestaltungs- oder Leistungsklage nachrangig (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO steht einer Ausdeutung des durchgängigen und unveränderten Begehrens der Klägerin als Verpflichtungsbegehren, gerichtet auf den Erlass eines Verwaltungsaktes nach § 30 Abs. 1 Satz 1 StAG, der ihre deutsche Staatsangehörigkeit feststellt, nicht entgegen.

14

Mit der Einfügung des § 30 StAG, der die Staatsangehörigkeitsbehörde zur verbindlichen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der deutschen Staatsangehörigkeit ermächtigt, ist auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 21. Mai 1985 - 1 C 12.84 - Buchholz 130 § 25 RuStAG Nr. 5) zur Zulässigkeit der Feststellungsklage in Fällen überholt, in denen die Staatsangehörigkeitsbehörde gegenüber dem Betroffenen die Rechtsstellung als Deutscher bestreitet. Diese Rechtsprechung gründete sich maßgeblich darauf, dass nach seinerzeitigem Recht ein auf Antrag ausgestellter Staatsangehörigkeitsausweis lediglich den Charakter einer widerlegbaren Vermutung (BVerwG, Urteil vom 21. Mai 1985 - 1 C 52.82 - BVerwGE 71, 309 <316>) hatte und daher auch die inzidenten Feststellungen über das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit nicht in allen Angelegenheiten Rechtsklarheit schaffen konnten, für die das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit rechtserheblich war.

15

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Verpflichtung der Beklagten, ihre deutsche Staatsangehörigkeit festzustellen, weil sie nicht deutsche Staatsangehörige (geworden) ist. Sie hat die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch die - hier allein als Erwerbsgrund in Betracht kommende (2.1) - Annahme an Kindes statt durch einen deutschen Staatsangehörigen erworben. Zwar sind die allgemeinen Voraussetzungen des § 6 Satz 1 StAG erfüllt (2.3). Diese Annahme ist indes nicht im Sinne des § 6 Satz 1 StAG auf einen Annahmeantrag erfolgt, bei dessen Stellung die Klägerin das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hatte; denn zwischen dem Annahmeantrag, der durch ihren Stiefvater im März 2003 vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres der Klägerin gestellt wurde, und der Annahme als Kind durch ihren Stiefvater deutscher Staatsangehörigkeit besteht nicht der nach dem Sinn und Zweck der Regelung erforderliche verfahrens- und materiellrechtliche Zusammenhang (2.4).

16

2.1 Als Rechtsgrundlage für einen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch die Klägerin kommt hier allein § 6 StAG in Betracht. Nach § 6 Satz 1 StAG in der noch heute gültigen Fassung, die diese Bestimmung durch Art. 6 § 5 des Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts (vom 25. Juli 1986, BGBl. I S. 1142) erhalten hat, erwirbt mit der nach den deutschen Gesetzen wirksamen Annahme als Kind durch einen Deutschen das Kind, das im Zeitpunkt des Annahmeantrags das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, die deutsche Staatsangehörigkeit. Dass die Klägerin aus einem anderen Rechtsgrund die deutsche Staatsangehörigkeit erworben oder besitzen könnte, ist nicht ersichtlich oder vorgetragen.

17

2.2 Die Staatsangehörigkeitsbehörde hat nach § 6 Satz 1 StAG selbständig zu prüfen, ob eine nach deutschem Recht wirksame Annahme an Kindes statt ein Kind betrifft, das im Zeitpunkt des zur Annahme führenden Antrages das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. An die familiengerichtliche Entscheidung über ein Adoptionsbegehren ist sie nur insoweit gebunden, als es die Tatsache einer nach deutschem Recht wirksamen Annahme als Kind, und zwar zu den Bedingungen einer Minderjährigenadoption, betrifft. Eine weitergehende Bindung auch an die Beurteilung des Familiengerichts, auf welchen Antrag hin diese Adoption erfolgt sei, oder an die familiengerichtliche Begründung, aus welchem der in § 1772 Abs. 1 Satz 1 BGB benannten Rechtsgründe sich die Wirkungen der Annahme nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen oder eines verwandten Minderjährigen richten, für den nach § 6 Satz 1 StAG zu beurteilenden Staatsangehörigkeitserwerb kraft Gesetzes besteht nicht. § 1772 BGB regelt nur die familienrechtlichen Wirkungen. Eine Bindungswirkung für den eigenständig geregelten Staatsangehörigkeitserwerb ergibt sich hieraus nicht. Sie folgt auch nicht aus der Tatbestandswirkung der Annahme an Kindes statt oder der Rechtskraftwirkung der familiengerichtlichen Entscheidung. Die auf die zivilrechtlichen Wirkungen der Annahmeentscheidung bezogenen Wirkungen bleiben von einer selbständigen staatsangehörigkeitsbehördlichen Beurteilung des Zusammenhanges des vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres gestellten Annahmeantrages und der letztlich bewirkten Annahme unberührt.

18

2.3 Verwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof sind im rechtlichen Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass für einen Staatsangehörigkeitserwerb nach § 6 Satz 1 StAG erforderlich ist, dass ein Annahmeantrag zu einem Zeitpunkt bei dem Familiengericht gestellt worden ist, zu dem das Kind das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hatte (s.a. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1998 - 1 C 2.98 - BVerwGE 108, 216), und dass dieser Annahmeantrag verfahrensrechtlich nicht dadurch "verbraucht" worden sein darf, dass er im Zeitpunkt der Vollendung des achtzehnten Lebensjahres abschließend negativ beschieden oder wirksam zurückgenommen worden ist (BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2003 - 1 C 20.02 - BVerwGE 119, 111 <121>). Diese Voraussetzungen sind hier mit Blick auf den im März 2003 gestellten Antrag festgestellt und stehen auch nicht im Streit.

19

Der Anwendung des § 6 Satz 1 StAG steht für sich allein auch nicht entgegen, dass das auf diesen Antrag hin eingeleitete familiengerichtliche Verfahren zum Ruhen gebracht und die Akten schließlich weggelegt worden sind; dies bewirkt keine Erledigung dieses Verfahrens im Rechtssinne (BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2003 - 1 C 20.02 - BVerwGE 119, 111 <121>). Dem gesetzlichen Staatsangehörigkeitserwerb nach § 6 Satz 1 StAG steht auch nicht notwendig entgegen, dass mit dem Eintritt der Volljährigkeit des Kindes das durch einen zuvor gestellten Antrag wirksam eingeleitete Verfahren nur dann zu einer Annahme an Kindes statt führen kann, wenn nach § 1768 Abs. 1 BGB ein weiterer Antrag durch den Annehmenden und den (volljährig gewordenen) Anzunehmenden gestellt wird; denn die Einwilligung, die gemäß § 1746 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Annahme eines minderjährigen Kindes erforderlich ist, wirkt auch dann nicht über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus, wenn sie durch das anzunehmende Kind - wie nach Vollendung des vierzehnten Lebensjahres grundsätzlich vorausgesetzt (§ 1746 Abs. 1 Satz 3 BGB) - selbst erteilt worden ist. Dieser neuerliche Antrag ist Voraussetzung dafür, dass es - wie von § 6 Satz 1 StAG vorausgesetzt - nach Eintritt der Volljährigkeit überhaupt zu einer Annahme an Kindes statt kommen kann und steht daher dem erforderlichen Zusammenhang mit dem vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres gestellten Antrag für sich genommen nicht entgegen (s.a. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2003 - 1 C 20.02 - BVerwGE 119, 111 <118 f.>).

20

2.4 § 6 Satz 1 StAG erfordert aber für den Staatsangehörigkeitserwerb kraft Gesetzes zwischen dem vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres gestellten Annahmeantrag und der nachfolgenden Annahme an Kindes statt einen hinreichenden verfahrens- und materiellrechtlichen Zusammenhang. Dies gebieten Sinn und Zweck der Regelung, wie sie sich hinreichend aus der Entstehungsgeschichte erschließen (a). Dieser Zusammenhang besteht nur dann, wenn bei einem vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres gestellten Annahmeantrag der zur Fortsetzung des Verfahrens nach § 1768 BGB erforderliche Antrag spätestens bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt worden ist und das Adoptionsverfahren von den Antragstellern sodann mit dem gebotenen Nachdruck betrieben wird (b). Nicht zu prüfen ist dann, ob bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres das Verfahren aus Gründen nicht zu einem Abschluss gekommen ist, die ganz oder überwiegend in der Sphäre der Antragsteller liegen, oder ob der vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres gestellte Antrag im Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit bereits zur Annahme an Kindes statt hätte führen müssen (c).

21

a) Die durch das Gesetz vom 25. Juli 1986 (BGBl. I S. 1142) eingefügte Vorverlagerung des Anknüpfungszeitpunktes für einen gesetzlichen Staatsangehörigkeitserwerb durch Adoption auf den Zeitpunkt der Antragstellung berücksichtigt Art. 3 des Europäischen Übereinkommens vom 24. April 1967 über die Adoption von Kindern - Europäisches Adoptionsübereinkommen - (BGBl. 1980 II S. 1093 und 1981 II S. 72) und passt im Kern die Reichweite des gesetzlichen Staatsangehörigkeitserwerbs dem Geltungsbereich dieses Abkommens an (s.a. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2003 - 1 C 20.02 - BVerwGE 119, 111 <116 f.>). Dies modifiziert die bei Einfügung des § 6 StAG (Adoptionsgesetz vom 2. Juli 1976, BGBl. I S. 1749) getroffene Grundentscheidung, dass nur die Adoption Minderjähriger staatsangehörigkeitsrechtliche Folgen haben soll, um jeden Anreiz zu vermeiden, durch eine Adoption die für Ausländer bestehenden aufenthaltsrechtlichen, berufsrechtlichen und sonstigen Beschränkungen zu umgehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1998 - 1 C 2.98 - BVerwGE 108, 216 <219 f.>; s.a. BT-Drs. 7/3061; S. 65), für Fälle im Grenzbereich zwischen Minderjährigen- und Volljährigenadoption. Es hebt sie indes nicht auf. Minderjährigen, die durch ihre Einwilligung (§ 1746 BGB) zu dem Adoptionsantrag ihren Wunsch und Willen zur Annahme durch Einleitung des dafür vorgesehenen Verfahrens wirksam bekundet haben, sollen lediglich die ihnen gewährten Rechtsvorteile ohne Rücksicht auf die Dauer und Gestaltung des Adoptionsverfahrens erhalten bleiben (s. - unter Auswertung der Entstehungsgeschichte - BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2003 - 1 C 20.02 - BVerwGE 119, 111 <117 f.>). Die Anknüpfung an den Annahmeantrag berücksichtigt dabei auch, dass bei einer beachtlichen Antragstellung vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres das Ziel an Gewicht verliert, Manipulationen und Umgehungen der für erwachsene Ausländer geltenden Aufenthaltsbeschränkungen zu begegnen (BT-Drs. 10/504 S. 96).

22

Aus der Entstehungsgeschichte des § 6 StAG ergibt sich indes kein Anhaltspunkt, dass der Grundsatz, einer Erwachsenenadoption keine staatsangehörigkeitsrechtlichen Folgen beizumessen, insgesamt oder doch auch für Fälle aufgegeben werden sollte, in denen zwischen dem vor Eintritt der Volljährigkeit gestellten Annahmeantrag und der anschließenden Annahme als Volljähriger kein substantieller materieller und verfahrensrechtlicher Zusammenhang mehr besteht. § 6 Satz 1 StAG ist daher nur dann anzuwenden, wenn sich die nach Eintritt der Volljährigkeit vollzogene Adoption sachlich und verfahrensrechtlich als Abschluss des durch den vor Eintritt der Volljährigkeit gestellten Annahmeantrages darstellt. Dies ist nicht der Fall, wenn das Verfahren, das durch den vor Eintritt der Volljährigkeit gestellten Adoptionsantrag eingeleitet worden ist, zwar formell noch anhängig ist, es aber für einen Zeitraum faktisch oder förmlich zum Ruhen gebracht worden ist, der allein schon durch den Zeitablauf einen substantiellen Zusammenhang zu dem Erstantrag ausschließt. Auch das Urteil des Senats vom 14. Oktober 2003 (1 C 20.02 - BVerwGE 119, 111 <119>) hat nicht das Erfordernis einer "funktionalen Verbindung" zwischen dem ersten Adoptionsantrag mit dem Annahmebeschluss als Anwendungsvoraussetzung des § 6 Satz 1 StAG abgelehnt; abgestellt wird allein darauf, dass die in jenem Verfahren zu dessen Verneinung herangezogenen Gründe die seinerzeitige Berufungsentscheidung nicht tragen konnten.

23

b) Für die verfahrensrechtliche Verknüpfung ist maßgeblich auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der für den Fortgang des Verfahrens nach § 1768 Abs. 1 BGB erforderliche (weitere) Adoptionsantrag bei dem Familiengericht eingeht, soweit dann in der Folgezeit das Verfahren mit dem gehörigen Nachdruck betrieben wird. Aus Gründen der Rechtssicherheit müssen die Staatsangehörigkeitsbehörde und auch der Anzunehmende nach hinreichend klaren, nicht von streitanfälligen Wertungen abhängigen objektiven Kriterien beurteilen können, ob noch ein hinreichend substantieller Zusammenhang besteht, der die Rechtsfolge des § 6 Satz 1 StAG auslöst. Keine andere Beurteilung rechtfertigt, dass der Antrag nach § 1768 Abs. 1 BGB gemeinsam mit dem Annehmenden zu stellen ist, also nicht allein in der Verfügungsmacht des Anzunehmenden steht. Denn ist der später Annehmende vorübergehend nicht bereit, an der erforderlichen Antragstellung mitzuwirken, fehlt es an dem von § 6 Satz 1 StAG für den Rechtserhalt vorausgesetzten, fortbestehenden beiderseitigen Adoptionswillen. Ein später gleichwohl gestellter Antrag setzt dann sachlich nicht das durch den Erstantrag eingeleitete Verfahren fort.

24

Der Antrag nach § 1768 Abs. 1 BGB wahrt den hinreichenden substantiellen Zusammenhang mit dem Erstantrag nur, wenn er bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt worden ist und sodann mit dem gehörigen Nachdruck verfolgt wird. Zu diesem Zeitpunkt endet eine Übergangsphase auch rechtlich abgestufter Verantwortlichkeit und Verantwortung, die mit der Volljährigkeit durch die der junge Mensch rechtlich in vollem Umfang handlungsfähig wird, beginnt. Dass die Volljährigkeit nicht zwingend eine umfassende rechtliche Verantwortlichkeit bedeutet, anerkennt etwa das Jugendstrafrecht, das auch auf Heranwachsende angewendet wird, die im Zeitpunkt der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt waren (§ 1 Abs. 2 JGG). Im Einzelfall fortbestehenden Orientierungs- und Entwicklungsbedarf setzt auch § 41 Abs. 1 SGB VIII voraus, nach dem einem jungen Volljährigen Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt werden soll, wenn und solange die Hilfe auf Grund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig ist, in der Regel aber nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres. Nach der Neufassung des § 29 StAG (sog. Optionsregelung) durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes (vom 13. November 2014, BGBl. I S. 1714) anerkennt nunmehr auch das Staatsangehörigkeitsrecht selbst in § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 4, Abs. 1a StAG, dass der Prozess des Aufwachsens im Bundesgebiet erst mit der Vollendung des 21. Lebensjahres als beendet anzusehen ist und der junge Volljährige sich mit der Zustellung des Hinweises, der seine Optionspflicht auslöst, in vollem Umfange seiner staatsangehörigkeitsrechtlichen Verantwortung zu stellen hat.

25

In dem Zeitraum bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres hat der junge Volljährige einerseits hinreichend Gelegenheit, sich unter den mit Eintritt der Volljährigkeit veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen Klarheit zu verschaffen, ob er an dem eingeleiteten Adoptionsverfahren festhalten möchte, und den hierfür erforderlichen Antrag auch zu stellen. Innerhalb dieser Frist ist ihm dies indes auch abzuverlangen, wenn er den materiell fortbestehenden wechselseitigen Adoptionswillen und die in § 6 Satz 1 StAG vorausgesetzte verfahrensrechtlich vermittelte Antragskontinuität geltend machen will. Diese Frist wahrt aber andererseits noch einen substantiellen Zusammenhang zu dem vor Eintritt der Volljährigkeit eingeleiteten Adoptionsverfahren und stellt so sicher, dass die Übergangsphase einer erleichterten, situationsgerechten Gesetzesanwendung im Grenzbereich zwischen Minderjährigen und Volljährigen sachgerecht begrenzt wird. Bei einem bereits vor Eintritt der Volljährigkeit durch einen wirksamen Adoptionsantrag dokumentierten wechselseitigen Adoptionswillen, an den bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres ein Antrag nach § 1768 Abs. 1 BGB anknüpft, ist ein Gebrauch des Adoptionsrechts zu vorrangig familienrechtsfremden Zwecken weitestgehend ausgeschlossen, so dass dem Zweck der grundsätzlichen Beschränkung staatsangehörigkeitsrechtlicher Wirkungen auf die Minderjährigenadoption hinreichend Rechnung getragen wird. Der durch den Zeitablauf gelockerte Zusammenhang zu dem bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres gestellten Antrag wird durch einen fristgerecht gestellten Antrag nach § 1768 Abs. 1 BGB aber nur gewahrt, wenn das dadurch wieder aufgegriffene Verfahren sodann mit dem gebotenen Nachdruck betrieben und unter gehöriger Mitwirkung des Anzunehmenden bis zum Adoptionsbeschluss gefördert wird; dies ist insbesondere bei einem lediglich "auf Vorrat" gestellten Antrag, der dann gleich wieder zum Ruhen gebracht wird, ebenso wenig der Fall wie bei einer sonst verfahrensverzögernden Verfahrensgestaltung.

26

c) Bei einer Stellung des Antrags nach § 1768 Abs. 1 BGB bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und damit in einer Übergangsphase bedarf es nicht der Prüfung, inwieweit das Nichtbetreiben oder der Nichtabschluss des durch den Erstantrag eingeleiteten Verfahrens von dem Anzunehmenden zu verantworten oder zu vertreten ist oder sonst in dessen Sphäre fällt. Dies dient der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Diese Prüfung würde einen Staatsangehörigkeitserwerb, der kraft Gesetzes erfolgt, mit einer einzelfallbezogenen Ermittlung und Bewertung der Gründe belasten, die zum Nichtabschluss des durch den vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres gestellten Antrag eingeleiteten Verfahrens oder dessen Nichtweiterbetreibens geführt haben.

27

Sinn und Zweck des § 6 Satz 1 StAG erfordern auch keine hypothetische Prüfung, ob zu dem Zeitpunkt, zu dem der Anzunehmende volljährig wird, nach der objektiven Rechtslage eine Annahme an Kindes statt familiengerichtlich hätte ausgesprochen werden können oder gar müssen.

28

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

(1) Das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit wird bei Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses auf Antrag von der Staatsangehörigkeitsbehörde festgestellt. Die Feststellung ist in allen Angelegenheiten verbindlich, für die das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit rechtserheblich ist. Bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses kann die Feststellung auch von Amts wegen erfolgen.

(2) Für die Feststellung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn durch Urkunden, Auszüge aus den Melderegistern oder andere schriftliche Beweismittel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, dass die deutsche Staatsangehörigkeit erworben worden und danach nicht wieder verloren gegangen ist. § 3 Abs. 2 bleibt unberührt.

(3) Wird das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit auf Antrag festgestellt, stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde einen Staatsangehörigkeitsausweis aus. Auf Antrag stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde eine Bescheinigung über das Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit aus.

(1) Das Bundesverwaltungsamt stellt Spätaussiedlern zum Nachweis ihrer Spätaussiedlereigenschaft eine Bescheinigung aus. Eine Wiederholung des Gesprächs im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 3 findet hierbei nicht statt. Bei Personen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, beteiligt das Bundesverwaltungsamt vor Erteilung der Bescheinigung den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz, den Militärischen Abschirmdienst, die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt und das Zollkriminalamt, wenn dies zur Feststellung von Ausschlussgründen nach § 5 Nr. 1 Buchstabe d und e geboten ist. Die Entscheidung über die Ausstellung der Bescheinigung ist für Staatsangehörigkeitsbehörden und alle Behörden und Stellen verbindlich, die für die Gewährung von Rechten oder Vergünstigungen als Spätaussiedler nach diesem oder einem anderen Gesetz zuständig sind. Hält eine Behörde oder Stelle die Entscheidung des Bundesverwaltungsamtes über die Ausstellung der Bescheinigung nicht für gerechtfertigt, so kann sie nur ihre Änderung oder Aufhebung durch das Bundesverwaltungsamt beantragen.

(2) Das Bundesverwaltungsamt stellt dem in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogenen Ehegatten oder Abkömmling eine Bescheinigung zum Nachweis des Status nach Artikel 116 Abs. 1 des Grundgesetzes sowie seiner Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 aus. Eine Bescheinigung nach Absatz 1 kann nur ausgestellt werden, wenn die Erteilung eines Aufnahmebescheides beantragt und nicht bestands- oder rechtskräftig abgelehnt worden ist. Im Übrigen gilt Absatz 1 entsprechend.

(3) Über die Rücknahme und die Ausstellung einer Zweitschrift einer Bescheinigung entscheidet die Ausstellungsbehörde.

(4) Eine Bescheinigung kann mit Wirkung für die Vergangenheit nur zurückgenommen werden, wenn sie durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für ihre Ausstellung gewesen sind, erwirkt worden ist. Die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit darf nur bis zum Ablauf von fünf Jahren nach Ausstellung der Bescheinigung erfolgen. Hat die Rücknahme einer Bescheinigung nach Absatz 1 auch Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Bescheinigungen nach Absatz 2, so ist für jeden Betroffenen eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist das Maß der Beteiligung des Ehegatten oder Abkömmlings an einer arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Spätaussiedlers gegen die schutzwürdigen Belange des Ehegatten oder Abkömmlings, insbesondere unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen. Der Widerruf einer Bescheinigung ist nicht zulässig.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Aufnahmebescheides sowie die Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung.

2

Die am 5. Oktober 1975 in P. (damals: UdSSR; heute: Russische Föderation) geborene Klägerin ist Tochter eines russischen Volkszugehörigen und - ausweislich einer im Jahr 1993 neu ausgestellten Geburtsurkunde - der deutschen Volkszugehörigen N. B. Diese ist wiederum die Tochter eines russischen Volkszugehörigen und - ausweislich einer im Jahr 1992 neu ausgestellten Geburtsurkunde - der deutschen Volkszugehörigen P. B. Nachdem bereits ihre Mutter für sich und ihren Sohn O., den Bruder der Klägerin, am 29. November 1992 einen Antrag auf Aufnahme als Aussiedler gestellte hatte, stellte auch die Klägerin unter dem 6. November 1993 für sich und ihren am 12. Juni 1993 geborenen Sohn P. einen Aufnahmeantrag. Eine am 2. März 1994 gegen das Bundesverwaltungsamt erhobene Untätigkeitsklage der Klägerin und ihres Sohnes P. wegen Nichtbescheidung des Aufnahmeantrages wies das Verwaltungsgericht Köln mit Gerichtsbescheid vom 15. Juli 1996 - 4 K 1511/94 - ab. Im Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Münster erklärten die Beteiligten die Hauptsache übereinstimmend für erledigt, nachdem die Klägerin und ihr Sohn am 28. Oktober 1998 in den ihrer Mutter erteilten Aufnahmebescheid als Abkömmlinge einer Spätaussiedlerin einbezogen worden waren.

3

Die Klägerin reiste am 28. März 1999 mit ihrem Sohn, ihrer Mutter sowie ihrem Bruder nach Deutschland ein. In der Folgezeit betrieben die Klägerin und ihre Angehörigen erfolglos eine Reihe gerichtlicher Verfahren mit dem Ziel der Erteilung eines Aufnahmebescheides aus eigenem Recht, der Feststellung der Spätaussiedlereigenschaft und der Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit.

4

Mit Bescheid vom 25. November 2009 lehnte das Bundesverwaltungsamt einen Antrag der Klägerin und ihres Sohnes P. auf Ausstellung einer Bescheinigung gemäß § 15 Abs. 1 BVFG ab. Die Klägerin sei keine deutsche Volkszugehörige im Sinne des § 6 Abs. 2 BVFG, weil ihr erster, im Jahr 1991 ausgestellter Inlandspass eine russische Nationalitätseintragung enthalten habe. Darüber hinaus fehle es an einer ausreichenden familiären Vermittlung der deutschen Sprache im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG. Über einen am 10. Juli 2009 gestellten Antrag auf Erteilung eines Aufnahmebescheides aus eigenem Recht entschied das Bundesverwaltungsamt nicht.

5

Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch, mit dem die Klägerin "klarstellte", dass sie selbst neben der Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG hilfsweise auch die Ausstellung einer Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 BVFG begehre, wies das Bundesverwaltungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2010 zurück.

6

Ihre hiergegen erhobene Klage begründete die Klägerin im Kern damit, dass sie Spätaussiedlerin sei. Sie stamme von einer deutschen Volkszugehörigen ab, nämlich ihrer deutschen Großmutter, sowie ihrer deutschen Mutter. Sie habe die deutsche Sprache von ihrer Mutter und ihren Großeltern gelernt und sei im Zeitpunkt der Einreise in der Lage gewesen, ein einfaches Gespräch in deutscher Sprache zu führen. Der im Aufnahmeverfahren vorgelegte Inlandspass von 1993 sei ihr erster Inlandspass gewesen. Selbst wenn sie in einem etwaigen früheren Pass mit russischer Nationalität geführt worden sein sollte, wäre dies irrelevant, weil sie keine Möglichkeit gehabt habe, die Eintragung vor Änderung des Passes ihrer Mutter durchzusetzen.

7

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 26. Februar 2013 die Klage abgewiesen, weil nicht festgestellt werden könne, dass die bei der Einreise vorhandenen Sprachkenntnisse ihre Grundlage in der familiären Vermittlung der deutschen Sprache während der Prägephase bis zum Erreichen des 16. Lebensjahres hätten. Außerdem fehle es an dem nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG erforderlichen durchgängigen Bekenntnis zum deutschen Volkstum.

8

Auf den Antrag der Klägerin vom 16. März 2013 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung zugelassen, weil die Begründung des Verwaltungsgerichts dessen Urteil nach Inkrafttreten des Zehnten BVFG-Änderungsgesetzes am 14. September 2013 nicht mehr trage. Nachdem mit der fristgerecht eingereichten Berufungsbegründung die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung eines Aufnahmebescheides beantragt und zur weiteren Begründung auf das Vorbringen im Klageverfahren sowie auf die Begründung des Zulassungsantrages Bezug genommen worden war, wurde in der mündlichen Verhandlung am 12. Mai 2014 die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung eines Aufnahmebescheides und - in Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts und unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide - deren Verpflichtung zur Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung gemäß § 15 Abs. 1 BVFG beantragt.

9

Die Beklagte hat einer Klageerweiterung im Berufungsverfahren widersprochen und geltend gemacht, die Berufung sei bereits insgesamt unzulässig, weil sie nicht dem Darlegungserfordernis entspreche.

10

Mit Urteil vom 12. Mai 2014 hat das Oberverwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, der Klägerin einen Aufnahmebescheid zu erteilen. Die Klage sei insoweit zulässig und die vorgenommene Klageänderung im Berufungsverfahren nach § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 91 Abs. 1 VwGO sachdienlich. Die Klage sei auch begründet. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides im Härtewege gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG in der im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Fassung des am 14. September 2013 in Kraft getretenen Zehnten BVFG-Änderungsgesetzes (BGBl. I S. 3554). Auch für die Bestimmung der für einen Aufnahmebescheid als Spätaussiedler weiterhin erforderlichen deutschen Volkszugehörigkeit nach § 6 Abs. 2 BVFG sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf die Rechtslage im Entscheidungszeitpunkt und damit auf die Fassung des Zehnten BVFG-Änderungsgesetzes abzustellen. Hiernach sei die Klägerin deutsche Volkszugehörige. Sie stamme von einer deutschen Volkszugehörigen ab, habe ein Bekenntnis durch eine Nationalitätenerklärung abgegeben und könne im Zeitpunkt der Begründung ihres Aufenthalts in Deutschland ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen. Die für den nachträglichen Aufnahmebescheid erforderliche besondere Härte ergebe sich hier daraus, dass die Klägerin seit 15 Jahren im Bundesgebiet und nunmehr auch mit ihrem Ehemann zusammenlebe.

11

Die Klägerin habe gegen die Beklagte weiterhin einen Anspruch auf Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG. Für dieses Begehren sei ebenfalls die Rechtslage im Zeitpunkt der vorliegenden Berufungsentscheidung maßgebend und nicht die Rechtslage zum Zeitpunkt der Übersiedlung im März 1999. Anderes folge auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der die Spätaussiedlereigenschaft bereits mit der Aufenthaltnahme in der Bundesrepublik entstehe und sich die maßgebliche Rechtslage nach diesem Zeitpunkt richte. Das Bundesverwaltungsgericht habe diesen Gesichtspunkt immer nur dann betont, wenn sich die Rechtslage im Bescheinigungsverfahren zulasten des Antragstellers geändert hatte, dies jedoch dem Antragsteller wegen des grundsätzlichen Verbots einer echten Rückwirkung nicht entgegengehalten werden konnte, weil er den Spätaussiedlerstatus bereits erworben hatte. Die von der Beklagten gezogene Schlussfolgerung sei im Übrigen auch nicht mit der sonstigen vertriebenenrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere zur Härtefallentscheidung nach § 27 BVFG, in Einklang zu bringen, nach der auf die aktuelle Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen sei. Eine Anknüpfung an den Zeitpunkt der Aufnahme im Bundesgebiet würde zu dem widersprüchlichen Ergebnis führen, dass zwar ein Anspruch auf Ausstellung eines (vorläufigen) Aufnahmebescheides, aber kein Anspruch auf Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung bestünde. Unabhängig hiervon sei die Übergangsregelung in § 100a Abs. 1 BVFG dynamisch auszulegen; sie verweise stets auf die im Zeitpunkt der Entscheidung aktuelle Rechtslage.

12

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von §§ 4, 6 Abs. 2, § 100a BVFG sowie von Verwaltungsprozessrecht.

13

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Berufungsurteil. Sie ist insbesondere der Auffassung, dass sowohl für die Erteilung eines Aufnahmebescheides, als auch für die Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung nach den für die Verpflichtungsklage entwickelten allgemeinen Grundsätzen auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts abzustellen sei.

14

Der Vertreter des Bundesinteresses bei dem Bundesverwaltungsgericht hält die Revision für begründet.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass der Klägerin der begehrte Aufnahmebescheid zu erteilen und ihr auch eine Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG auszustellen ist, steht mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) nicht im Einklang. Das Oberverwaltungsgericht hat allerdings die Berufung der Klägerin zutreffend als zulässig bewertet (1.) Der Klägerin steht indes für das Begehren auf Erteilung eines (nachträglichen) Aufnahmebescheides schon kein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite (2.). Für das Begehren auf Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung hat das Berufungsgericht unter Verletzung von Bundesrecht auch für die Frage, ob die Klägerin deutscher Volkszugehörigkeit ist, auf die im Zeitpunkt seiner Entscheidung geltende Sach- und Rechtslage des Zehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes vom 6. September 2013 (BGBl. I S. 3554) und damit auf einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab abgestellt. Insoweit fehlt es an hinreichenden tatrichterlichen Feststellungen, so dass das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) (3.).

16

1. Die Revision hat nicht schon deswegen insgesamt Erfolg, weil das Berufungsgericht die Berufung hätte verwerfen müssen. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Berufungsbegründung den gesetzlichen Darlegungsanforderungen genügt.

17

1.1 Gemäß § 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4, 5 VwGO muss die Berufungsbegründung einen bestimmten Antrag sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung enthalten; andernfalls ist die Berufung unzulässig. Zum Antrag gehören der Rechtsmittelantrag und der Sachantrag. Er ist unter Heranziehung der Gründe auszulegen (§ 88 VwGO) (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2002 - 1 C 17.01 - BVerwGE 116, 326 <330>). Die Berufungsgründe müssen - soweit sie nicht auf neue Tatsachen und Erkenntnisse gestützt sind - eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes erkennen lassen, sich insbesondere mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzen (BVerwG, Beschluss vom 23. September 1999 - 9 B 372.99, 9 PKH 102.99 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 12 S. 8). Eine Bezugnahme auf das Zulassungsvorbringen im Begründungsschriftsatz ist zulässig und kann - je nach den Umständen des Einzelfalles - für eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung ausreichen (BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1998 - 9 C 6.98 - BVerwGE 107, 117 <122>; Beschluss vom 23. September 1999 - 9 B 372.99, 9 PKH 102.99 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 12 S. 9; Urteil vom 8. März 2004 - 4 C 6.03 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 26 S. 31).

18

1.2 Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass es sich bei der Verwendung des Begriffs "Aufnahmebescheid" in dem ursprünglichen Berufungsantrag um eine offenbare Unrichtigkeit handelt und der Sachantrag der Klägerin nach dem Gesamtzusammenhang dahin auszulegen ist, dass (weiterhin) die Verpflichtung zur Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung begehrt wird. Dies ergibt sich bereits aus dem als Versagungsgegenklage formulierten Sachantrag selbst, da die entgegenstehenden Bescheide, unter deren Aufhebung die Erteilung eines "Aufnahmebescheides" begehrt wird, allein die Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung betreffen, sowie der Verbindung von Sach- und Rechtsmittelantrag, weil sich das angefochtene Urteil, unter dessen Abänderung die Verpflichtung zur Erteilung eines "Aufnahmebescheides" begehrt wird, ebenfalls allein auf die Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung bezieht. Aus den Schriftsätzen im Berufungszulassungsverfahren, auf die die Klägerin in statthafter Weise zur Begründung der Berufung Bezug nimmt, ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Streitgegenstand gegenüber dem erstinstanzlichen Verfahren unter Aufgabe des bisherigen Begehrens geändert werden sollte.

19

Dass die Klägerin zu einem späteren Zeitpunkt in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht dann auch ausdrücklich neben der Verpflichtung zur Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung die Verpflichtung zur Erteilung eines Aufnahmebescheides beantragt hat, bleibt bei der Auslegung außer Betracht. Dieser Umstand ist erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingetreten und kann nicht herangezogen werden, um den insoweit maßgeblichen Empfängerhorizont zu diesem Zeitpunkt zu bestimmen. Die Berufungsbegründung genügt auch im Übrigen durch den Verweis auf die Begründung des Zulassungsantrags den Anforderungen von § 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO.

20

2. Die Revision ist in Bezug auf die Verpflichtung zur Erteilung eines Aufnahmebescheides schon deswegen begründet, weil Personen, die - wie die Klägerin - als Ehegatte oder Abkömmling in den Aufnahmebescheid eines Spätaussiedlers einbezogen und danach in das Bundesgebiet übergesiedelt waren, grundsätzlich kein Rechtsschutzinteresse an der Erteilung eines nachträglichen Aufnahmebescheides als Spätaussiedler haben. Gründe, aus denen sich für die Klägerin ein Rechtsschutzbedürfnis für ihr Begehren auf Erteilung eines (nachträglichen) Aufnahmebescheides ergeben könnte, sind von dieser nicht geltend gemacht worden und auch sonst nicht ersichtlich.

21

2.1 Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis ist im Revisionsverfahren als Sachurteilsvoraussetzung der Vorinstanz von Amts wegen zu prüfen (BVerwG, Urteile vom 28. Februar 1985 - 2 C 14.84 - BVerwGE 71, 73 <74 f.> und vom 5. Mai 2015 - 9 C 12.14 - juris, stRspr). Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt dann, wenn die Klage für die Klägerin eindeutig nutzlos ist, weil sie ihr offensichtlich keinerlei rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil bringen könnte (BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2011 - 8 B 74.10 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziffer 3 VwGO Nr. 61 Rn. 11). So liegt es hier.

22

2.1.1 Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG (in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. August 2007 , zuletzt geändert durch Gesetz vom 6. September 2013 ) wird der Aufnahmebescheid auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen. Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG kann abweichend hiervon Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt werden, wenn dessen Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. In den Aufnahmebescheid eines Spätaussiedlers können unter den in § 27 Abs. 2 BVFG näher bezeichneten Voraussetzungen auch dessen Ehegatte oder Abkömmling einbezogen werden. Die Einbeziehung erfolgt "zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung" mit dem Spätaussiedler(bewerber) (von Schenckendorff, Vertriebenen- und Flüchtlingsrecht, Loseblatt, Stand: 108. Aktualisierung, März 2015, § 27 BVFG n.F. Rn. 34).

23

Die Klägerin benötigt den Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 1 BVFG nicht, um im Sinne des § 4 Abs. 1 BVFG "im Wege des Aufnahmeverfahrens" eingereist zu sein. § 4 Abs. 1 BVFG unterscheidet für die Aufnahme nicht zwischen Personen, die selbst einen Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG erhalten haben, und solchen, die nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG einbezogen worden sind (so zur gleichlautenden Formulierung in § 7 Abs. 2 BVFG: BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2001 - 5 C 10.01 - NVwZ-RR 2002, 387 Rn. 10; Urteil vom 12. Juli 2001 - 5 C 30.00 - BVerfGE 115, 10 Rn. 12). Eine Aufenthaltnahme nach einer Einbeziehung in den Aufnahmebescheid einer Bezugsperson erfolgt dann im Sinne des § 4 Abs. 1 BVFG "im Wege des Aufnahmeverfahrens". Diese Voraussetzung der Spätaussiedlereigenschaft wird mithin nicht nur durch einen Aufnahmebescheid erfüllt, der für einen Aussiedlungswilligen in eigener Person nach vorläufiger Prüfung eine Spätaussiedlereigenschaft annimmt (s. nur VG Köln, Gerichtsbescheid vom 4. Oktober 1994 - 9 K 4133/94 - abgedruckt in: von Schenckendorff, Vertriebenen- und Flüchtlingsrecht, Loseblatt, Stand: 108. Aktualisierung, März 2015, C.41.1.1.26 und Urteil vom 8. März 1995 - 19 K 6056/92 -, abgedruckt in: von Schenckendorff, Vertriebenen- und Flüchtlingsrecht, Loseblatt, Stand: 108. Aktualisierung, März 2015, C.41.1.1.28; missverständlich insoweit BT-Drs. 15/420 S. 119). Für eine Einreise "im Wege des Aufnahmeverfahrens" ist hinreichend auch eine Einreise aufgrund der Einbeziehung in den Aufnahmebescheid eines (mutmaßlichen) Spätaussiedlers. Dies gilt auch dann, wenn sich nach der Einreise bei der Prüfung des § 15 BVFG ergibt, dass im Rahmen des Aufnahmeverfahrens die Spätaussiedlereigenschaft der Bezugsperson (§ 27 Abs. 1 BVFG) zu Unrecht angenommen worden ist.

24

2.1.2 Ein Aufnahmebescheid als Spätaussiedler ist auch nicht Voraussetzung dafür, nach der Einreise im Wege des Aufnahmeverfahrens als Ehegatte oder Abkömmling der Bezugsperson eine Bescheinigung als Spätaussiedler nach § 15 Abs. 1 BVFG aus eigenem Recht anzustreben, bzw. deren Ausstellung selbst. Nach § 15 Abs. 1 BVFG ist vielmehr die Spätaussiedlereigenschaft - unabhängig von einem etwaigen Aufnahmebescheid - von der zuständigen Behörde eigenständig und eigenverantwortlich als materielle Tatbestandsvoraussetzung für die Erteilung der Spätaussiedlerbescheinigung zu prüfen. Wer Spätaussiedler ist, entscheidet sich allein kraft Gesetzes nach § 4 BVFG. § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG (eingefügt zum 1. Januar 2005 durch das Zuwanderungsgesetz vom 30. Juli 2004, BGBl. I S. 1950) erlaubt die Ausstellung einer Bescheinigung an den in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogenen Ehegatten oder Abkömmling zwar nur dann, wenn die Erteilung eines Aufnahmebescheides beantragt und nicht bestands- oder rechtskräftig abgelehnt worden ist. Die Vorschrift knüpft die Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung hingegen nicht an die (positive) Verbescheidung eines Aufnahmeantrags. Die in dem Entwurf eines Gesetzes zur Klarstellung des Spätaussiedlerstatus vom 19. Juni 2001 (BT-Drs. 14/6310) vorgesehene Regelung, die bei als Ehegatten oder Abkömmling eines Spätaussiedlers eingereisten Personen "Umstufungs-" bzw. "Aufstockungsanträge" weitergehend ausschließend wollte, ist so gerade nicht Gesetz geworden (s. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 2007 - 5 C 30.06 - Buchholz 412.3 § 15 BVFG Nr. 32).

25

2.1.3 Ein Rechtsschutzbedürfnis folgt auch nicht aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Juli 2007 (- 5 C 30.06 - Buchholz 412.3 § 15 BVFG Nr. 32), nach dem Personen, die als Ehegatten und Abkömmlinge von Spätaussiedlern eingereist sind und denen bereits eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 BVFG erteilt worden ist, auf einen erst nach der Ausreise gestellten Antrag unter den Voraussetzungen des § 27 Abs. 2 BVFG ein nachträglicher eigener Aufnahmebescheid zu erteilen und dann nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 BVFG eine Bescheinigung als Spätaussiedler auszustellen sei. An diesem Urteil hält der nunmehr für das Vertriebenenrecht zuständige 1. Revisionssenat insoweit nicht fest, als es die Bejahung eines Rechtsschutzbedürfnisses für einen nachträglichen eigenen Aufnahmebescheid auch bei Personen betrifft, die im Wege des Aufnahmeverfahrens als Ehegatte oder Abkömmling einer Bezugsperson in das Bundesgebiet übergesiedelt sind.

26

Für das Rechtsschutzbedürfnis verweist diese Entscheidung zwar zutreffend darauf, dass für ein Begehren auf eine Spätaussiedlerbescheinigung aus eigenem Recht (§ 15 Abs. 1 BVFG) nicht das erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis fehle, weil trotz der durch § 4 Abs. 3 Satz 2 BVFG bewirkten weitgehenden rechtlichen Gleichstellung von Ehegatten und Abkömmlingen mit Spätaussiedlern ein eigener Spätaussiedlerstatus mit weiteren rechtlichen, insbesondere fremdrentenrechtlichen Vorteilen verbunden ist. Diese Erwägung wird aber ohne nähere Begründung auch auf den nachträglichen Aufnahmebescheid aus eigenem Recht erstreckt. Auf diesen trifft sie aber - wie dargelegt - gerade nicht zu. Auch § 1 Buchst. a des Fremdrentengesetzes (- FRG -, zuletzt geändert durch Art. 16 Abs. 2 des Gesetzes 19. Oktober 2013, BGBl. I S. 3836) etwa erfasst zwar "Vertriebene im Sinne des § 1 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, die als solche in der Bundesrepublik Deutschland anerkannt sind"; der Nachweis dieser Berechtigung wird indes durch die Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG, nicht durch einen (entsprechenden) Aufnahmebescheid geführt. Der Aufnahmebescheid erfüllt in Fällen der vorliegenden Art auch sonst gegenüber dem Bescheinigungsverfahren keine eigenständige Funktion.

27

2.1.4 Ein Rechtsschutzbedürfnis ergibt sich auch nicht mit Blick darauf, dass nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 22. April 2004 - 5 C 27.02 - Buchholz 412.3 § 27 BVFG Nr. 11) bei Entscheidungen über die nachträgliche Erteilung von Aufnahmebescheiden in Fällen besonderer Härte nach § 27 Abs. 2 BVFG auch die Anforderungen an die deutsche Volkszugehörigkeit gemäß § 6 Abs. 2 BVFG nach der im Entscheidungszeitpunkt geltenden Rechtslage zu beurteilen sind und der vom Berufungsgericht hieraus gezogenen Schlussfolgerung, dass dann - zur Vermeidung eines Auseinanderfallens der für die Beurteilung der Spätaussiedlereigenschaft maßgeblichen Zeitpunkte - auch für die Ausstellung der Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG auf die Sach- und Rechtslage im jeweiligen Entscheidungszeitpunkt abzustellen sei.

28

Diese im Ansatz zutreffende Erwägung des Berufungsgerichts, dass divergierende Beurteilungszeitpunkte zu vermeiden sind, führt allerdings zu einer Modifikation dieser Rechtsprechung dahin, dass sich bei der Entscheidung über einen nachträglichen Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 1 BVFG die (vorläufige) Beurteilung der Spätaussiedlereigenschaft als "sonstige Voraussetzung" nach derselben Sach- und Rechtslage richtet, die für die Entscheidung über die Ausstellung der Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG heranzuziehen ist. Diese Erwägung lag auch bereits dem Urteil vom 22. April 2004 (- 5 C 27.02 - Buchholz 412.3 § 27 BVFG Nr. 11) zugrunde, nach dem ungeachtet einer Einreise bereits im Jahre 1994 für die Beurteilung der "sonstigen Voraussetzungen" im Sinne des § 27 Abs. 2 BVFG die im Entscheidungszeitpunkt geltende Fassung des § 6 Abs. 2 BVFG herangezogen werden sollte, die durch das Gesetz zur Klarstellung des Spätaussiedlerstatus (Spätaussiedlerstatusgesetz - SpStatG) vom 30. August 2001 (BGBl. I S. 2266) (nachfolgend auch: BVFG 2001) geschaffen worden und die für die Erteilung der Spätaussiedlerbescheinigung heranzuziehen war. Soweit diese Entscheidung weitergehend dahin zu verstehen war, dass auch die Anforderungen an die deutsche Volkszugehörigkeit gemäß § 6 Abs. 2 BVFG stets nach der im Entscheidungszeitpunkt geltenden Rechtslage zu beurteilen sind, wird daran nicht festgehalten. Dagegen sprechen durchgreifend systematische Gründe.

29

Das Aufnahmeverfahren hat mit seiner jedenfalls vorläufigen Prüfung der Aussiedler- bzw. jetzt Spätaussiedlereigenschaft vorrangig Lenkungs- und Ordnungsfunktion (BVerwG, Urteil vom 19. April 1994 - 9 C 20.93 - BVerwGE 95, 311 <317>). Dieser Zweck ist erfüllt, wenn es erfolgreich durchlaufen wurde, gleichgültig, ob dies bezogen auf die (vermeintliche) Eigenschaft als Spätaussiedler nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG oder bezogen auf die Eigenschaft als Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG erfolgt ist (BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2001 - 5 C 30.00 - BVerwGE 115, 10 Rn. 12). Das Bescheinigungsverfahren bewirkt demgegenüber die endgültige sowie für Staatsangehörigkeitsbehörden und alle Behörden und Stellen, die für die Gewährung von Rechten oder Vergünstigungen als Spätaussiedler zuständig sind, verbindliche Prüfung der Spätaussiedlereigenschaft (§ 15 Abs. 1 Satz 3 BVFG). Bei einem nach der Aufenthaltnahme erfolgten Antrag auf einen Aufnahmebescheid, der in Härtefällen erteilt werden kann, wäre es aber nach dem jeweiligen Sinn und Zweck der Verfahren nicht zu rechtfertigen, die lediglich (vorläufige) Beurteilung der Spätaussiedlereigenschaft nach anderen Grundsätzen zu beurteilen als die zu diesem Zeitpunkt bereits mögliche (endgültige) Entscheidung über die Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG selbst. Dies gilt allzumal nach der zum 1. Januar 2005 geltenden Rechtslage, nach der die Bescheinigung zum Nachweis der Spätaussiedlereigenschaft auch ohne besonderen Antrag von dem Bundesverwaltungsamt auszustellen ist (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG), also die Entscheidung nach § 27 Abs. 1 BVFG gleichzeitig mit der Entscheidung die über die Ausstellung der Bescheinigung ergehen kann.

30

Diese Erwägungen bestätigen, dass die Klägerin für die Ausstellung eines nachträglichen Aufnahmebescheides kein Rechtsschutzbedürfnis hat. Kann im Zeitpunkt der Entscheidung über den (nachträglichen) Aufnahmeauftrag abschließend beurteilt werden, ob es im Bescheinigungsverfahren zu einer Statusfeststellung kommen wird, ohne dass - wie hier - diese Entscheidung in irgendeiner Weise von der Erteilung des (nachträglichen) Aufnahmebescheides abhängt, ist kein Grund für die Entscheidung eines Aufnahmeantrages zu erkennen.

31

2.2 Bei dieser Sachlage bedarf es hinsichtlich dieses Streitgegenstandes nicht der Prüfung der weiteren Einwendungen der Beklagten gegen das Berufungsurteil.

32

3. Die Revision ist auch begründet, soweit sie sich gegen die Verpflichtung zur Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG wendet. Einem Anspruch der Klägerin steht zwar nicht schon § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG entgegen (3.1). Das Berufungsgericht hat die Spätaussiedlereigenschaft der Klägerin indes auf einer hier nicht anzuwendenden Fassung des § 6 Abs. 2 BVFG bejaht (3.2). Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts erlauben keine abschließende Beurteilung der Spätaussiedlereigenschaft der Klägerin (3.3.).

33

3.1 Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG, der mit Wirkung zum 1. Januar 2005 durch Zuwanderungsgesetz vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) eingefügt worden ist, kann dem in den Aufnahmebescheid eines Spätaussiedlers einbezogenen Ehegatten oder Abkömmling eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG nur ausgestellt werden, wenn die Erteilung eines Aufnahmebescheides beantragt und nicht bestands- oder rechtskräftig abgelehnt worden ist.

34

Diese Regelung steht dem Begehren der Klägerin schon deswegen nicht entgegen, weil ihre Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt sind. Der von der Klägerin 1993 im Aussiedlungsgebiet gestellte Antrag auf Ausstellung eines Aufnahmebescheides als Spätaussiedler ist von der Beklagten nicht beschieden worden. Eine Ablehnung, die bestandskräftig hätte werden können, ist nicht erfolgt. Die von der Klägerin erhobene Untätigkeitsklage ist zwar vor dem Verwaltungsgericht erfolglos geblieben (VG Köln, Gerichtsbescheid vom 15. Juli 1996 - 4 (17) K 1511/94). Dieser Gerichtsbescheid ist indes für unwirksam erklärt worden, nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit mit Blick auf den Einbezug der Klägerin in den Aufnahmebescheid ihrer Mutter übereinstimmend für erledigt erklärt hatten (OVG Münster, Beschluss vom 16. Dezember 1998 - 2 A 4322/96). Vor der Einreise der Klägerin ist mithin auch nicht rechtskräftig festgestellt worden, dass der Klägerin kein Aufnahmebescheid als Spätaussiedlerin zustand. Die Abgabe einer Erledigungserklärung wäre der Klägerin hier selbst dann nicht als Aufgabe ihrer Rechtsauffassung, Spätaussiedlerin zu sein, entgegenzuhalten, wenn § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG erweiternd auszulegen wäre; denn bereits nach der seinerzeitigen Rechtsprechung wurde im Aufnahmeverfahren für das Sachbescheidungsinteresse nicht danach unterschieden, ob die Aufnahme aus eigenem Recht als Spätaussiedler oder im Wege der Einbeziehung in den Aufnahmebescheid einer Bezugsperson ermöglicht wurde (s.a. OVG Münster, Urteil vom 23. März 1995 - 2 A 4117/94 - juris ).

35

Nicht zu vertiefen ist daher, ob bzw. in welchen Fallkonstellationen § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG (Fassung 2005) auf vor seinem Inkrafttreten erfolgte Aufenthaltnahmen anzuwenden ist.

36

3.2 Das Berufungsgericht hat die Spätaussiedlereigenschaft der Klägerin zu Unrecht nach der im Zeitpunkt seiner Entscheidung geltenden Rechtslage des Zehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes vom 6. September 2013 (BGBl. I S. 3554) (Zehntes BVFG-ÄndG) beurteilt. Es hätte vielmehr die Fassung zugrunde legen müssen, die das Bundesvertriebenengesetz durch das Spätaussiedlerstatusgesetz vom 30. August 2001 (BGBl. I S. 2266) erhalten hat (BVFG 2001).

37

3.2.1 Der Anspruch der Klägerin auf Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung richtet sich nach § 15 Abs. 1 BVFG. Danach stellt das Bundesverwaltungsamt Spätaussiedlern zum Nachweis ihrer Spätaussiedlereigenschaft eine Bescheinigung aus. Eine solche Bescheinigung steht nach § 15 Abs. 1 BVFG nur demjenigen zu, der in dem für die Ausstellung der Bescheinigung maßgeblichen Zeitpunkt die Spätaussiedlereigenschaft besitzt, d.h. Spätaussiedler ist (BVerwG, Urteil vom 12. März 2002 - 5 C 45.01 - BVerwGE 116, 119 Rn. 9). Für die Beurteilung des Begehrens der Klägerin ist dabei im Ausgangspunkt die Rechtslage maßgeblich, die im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts bestanden hat (BVerwG, Urteil vom 13. September 2007 - 5 C 38.06 - BVerwGE 129, 265 <266>; stRspr), mithin das Bundesvertriebenengesetz in der Fassung, die es durch das Zehnte BVFG-ÄndG gefunden hat; während des Revisionsverfahrens sind keine weiteren Rechtsänderungen erfolgt.

38

3.2.2 Diese Rechtslage ist allerdings nur dann zugrunde zu legen, soweit nicht Gründe des materiellen Rechts eine andere Betrachtung gebieten. Dies ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Fall, soweit bei der Anwendung des § 15 Abs. 1 BVFG zu beurteilen ist, ob eine Person Spätaussiedler im Sinne dieser Vorschrift ist. Ob eine Person nach §§ 4, 6 BVFG Spätaussiedler ist, richtet sich - auch im Bescheinigungsverfahren - grundsätzlich nach der Rechtslage bei Aufnahme in das Bundesgebiet (BVerwG, Urteile vom 12. März 2002 - 5 C 45.01 - BVerwGE 116, 119 Rn. 9 und vom 28. Mai 2015 - 1 C 24.14 - juris Rn. 20). Denn die nach § 15 Abs. 1 BVFG zu bescheinigende Spätaussiedlereigenschaft richtet sich materiellrechtlich nach § 4 Abs. 1 und 2 BVFG. Spätaussiedler ist hiernach "ein deutscher Volkszugehöriger, der die (Aussiedlungsgebiete) nach dem 31. Dezember 1992 im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen und innerhalb von sechs Monaten im Geltungsbereich des Gesetzes seinen ständigen Aufenthalt genommen hat". § 4 Abs. 1 und 2 BVFG bestimmt also sowohl die Voraussetzungen für den Erwerb des Spätaussiedlerstatus als auch den Zeitpunkt, zu dem die Erwerbsvoraussetzungen vorliegen müssen, nämlich zu der Zeit, zu der der Einreisende in Deutschland seinen ständigen Aufenthalt nimmt. Diese Fixierung des Zeitpunktes, nach dem sich entscheidet, ob eine Person Spätaussiedler geworden ist, auf den Zeitpunkt der Aufenthaltnahme gründet im Spätaussiedlerbegriff selbst und damit im materiellen Recht. Entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts (UA S. 11 f.) ist diese Betrachtung gerade nicht auf Fälle beschränkt, in denen sich die Rechtslage im Bescheinigungsverfahren zulasten eines Antragstellers geändert hatte. Die vom Berufungsgericht zur Stützung seiner Auffassung herangezogene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 13. September 2007 - 5 C 38.06 - BVerwGE 129, 265 <266>), derzufolge unabhängig von entsprechenden Anordnungen des Gesetzgebers auch bei einer Rechtsänderung die Spätaussiedlereigenschaft stets nach der im Entscheidungszeitpunkt des Gerichts geltenden Rechtslage zu beurteilen sei, rechtfertigt den vom Berufungsgericht gezogenen Schluss gerade nicht. Diese Entscheidung betraf vielmehr die Frage, ob gemäß der Übergangsregelung des § 100a BVFG die seit dem 7. September 2001 geltende Fassung des § 6 Abs. 2 BVFG anzuwenden sei oder - gemäß der materiellrechtlichen Fixierung des Zeitpunktes - die für die Klägerin in jenem Verfahren günstigere Rechtslage zur Zeit der ständigen Aufenthaltnahme, und hat aus Gründen des Vertrauensschutzes die vom Gesetzgeber getroffene Übergangsregelung verfassungskonform ausgelegt.

39

3.2.3 Die Übersiedlung der Klägerin nach Deutschland im Wege des Aufnahmeverfahrens erfolgte im März 1999. Danach wäre hier die Rechtslage nach dem Bundesvertriebenengesetz in der Fassung vom 2. Juni 1993 (BGBl. I S. 829) maßgeblich. Allerdings sind nach der durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes vom 30. August 2001 (BGBl. I S. 2266) mit Wirkung zum 7. September 2001 eingeführten Übergangsvorschrift des § 100a BVFG Anträge nach § 15 Abs. 1 BVFG nach dem Recht zu bescheiden, das "nach dem 7. September 2001 gilt". Eine Korrektur der gesetzgeberischen Entscheidung ist hier nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes geboten. Denn ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand der bei Aufenthaltnahme (hier: im März 1999) bestehenden Rechtslage und auf das Fortbestehen eines seinerzeit entstandenen Spätaussiedlerstatus besteht jedenfalls nicht bei Personen, bei denen die Aufnahme nicht aufgrund der (vorläufig) bejahten deutschen Volkszugehörigkeit erfolgte, sondern die nur als Abkömmling eines Spätaussiedlers aufgenommen wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. November 2003 - 5 C 14.03 - BVerwGE 119, 188 <190>).

40

Nach § 100a Abs. 1 BVFG ist die Spätaussiedlereigenschaft der Klägerin mithin nach §§ 4, 6 BVFG 2001 zu beurteilen. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 28. Mai 2015 (1 C 24.14) klargestellt, dass die Übergangsvorschrift des § 100a BVFG nicht dynamisch in dem Sinn auszulegen ist, dass die Spätaussiedlereigenschaft bei Anträgen nach § 15 Abs. 1 BVFG, die vor Inkrafttreten der Gesetzesnovelle von 2001 gestellt worden sind, nach dem jeweils geltenden aktuellen Recht zu bestimmen sei, hier etwa nach den erleichterten Voraussetzungen in § 6 Abs. 2 BVFG des Zehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes vom 6. September 2013 (BGBl. I S. 3554) (Zehntes BVFG-ÄndG). Hierzu hat er ausgeführt:

"Denn bei dieser Übergangsregelung handelt es sich - wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt (BT-Drs.14/6310 S. 6 ff.) - lediglich um einen (statischen) Verweis auf die zum 7. September 2001 in Kraft getretene Neufassung des § 6 Abs. 2 BVFG. Durch sie wollte der Gesetzgeber wieder zu der Rechtslage zurückkehren, die bis zu den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Oktober 2000 (- 5 C 44.99 - BVerwGE 112, 112 u.a.) in der Verwaltungspraxis von Bund und Ländern und in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Anwendung kam. Hingegen ergeben sich für die Gesetzesnovelle von 2013 keine Anhaltspunkte, dass den durch sie bewirkten Erleichterungen für die Bestimmung der Spätaussiedlereigenschaft Rückwirkung in Altverfahren beigemessen werden sollte."

41

Hieran hält der Senat auch in Ansehung des Vorbringens der Beteiligten im vorliegenden Verfahren fest. Für diese Auslegung spricht neben der systematischen Stellung und dem auf die Korrektur einer bestimmten Rechtsprechung bezogenen Zweck die durch einen bestimmten Stichtag bezeichnete Rechtslage, die gerade nicht auch auf weitere Rechtsänderungen verweist. Bestätigt wird dies dadurch, dass § 100a Abs. 1 BVFG anlässlich späterer Änderungen des Bundesvertriebenengesetzes nicht aufgehoben worden ist. Dies bekräftigt im Übrigen den Grundsatz, dass sich die Spätaussiedlereigenschaft in den nicht von der Übergangsregelung erfassten Fällen nach der Rechtslage bei Aufnahme in das Bundesgebiet bestimmt.

42

3.2.4 Die durch das Zehnte BVFG-ÄndG geschaffene Rechtslage ist wegen des Zeitpunktes ihrer Aufenthaltnahme auch sonst nicht zugunsten der Klägerin anzuwenden. Dieses Gesetz ist am 14. September 2013 in Kraft getreten (Art. 2 Zehntes BVFG-ÄndG) und entfaltet keine Rückwirkung für Fälle, bei denen die Aufnahme in das Bundesgebiet bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits erfolgt war; eine § 100a Abs. 1 BVFG vergleichbare Übergangsregelung hat der Gesetzgeber gerade nicht geschaffen. Die Entstehungsgeschichte des Zehnten BVFG-ÄndG ergibt ebenfalls keinen Hinweis darauf, dass das Gesetz mit Rückwirkung erlassen werden sollte. Gegen eine solche Annahme spricht vielmehr der Zweck der Änderungen, die durch eine Kombination von engem Gesetzeswortlaut und restriktiver Auslegung durch die Rechtsprechung sich in der heutigen Praxis ergebenden unverhältnismäßig hohen Aufnahmehürden abzusenken und damit auch darauf zu reagieren, dass die früher bestehende Möglichkeit zur Abgabe von Nationalitätenerklärungen in Inlandspässen oder anderen amtlichen Dokumenten der jüngeren Generation in einigen Nachfolgestaaten der Sowjetunion verwehrt ist. Insbesondere die jüngere Generation der Spätaussiedlerbewerber sollte die Chance erhalten, durch den Nachweis ausreichender deutscher Sprachkenntnisse ihren Willen zur Zugehörigkeit zur deutschen Volksgruppe zu bekunden (BT-Drs. 17/13937 S. 5 f.). Der Gesetzgeber ist mithin davon ausgegangen, dass die Rechtsänderungen Erleichterungen für ein noch in den Aussiedlungsgebieten zu durchlaufendes Aufnahmeverfahren und damit für Spätaussiedlerbewerber bewirken sollten; eine Erstreckung auf die Fallgruppe der im Bundesgebiet bereits aufgenommenen Personen hat er ersichtlich nicht vorgesehen.

43

3.3 Nach den mithin für den Erwerb der Spätaussiedlereigenschaft maßgeblichen §§ 4, 6 BVFG 2001 kann mangels hinreichender berufungsgerichtlicher Feststellungen nicht beurteilt werden, ob die Klägerin Spätaussiedlerin ist. Der Rechtsstreit ist daher zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

44

3.3.1 Nach § 4 Abs. 1 BVFG 2001 ist Spätaussiedler in der Regel ein deutscher Volkszugehöriger, der die Republiken der ehemaligen Sowjetunion nach dem 31. Dezember 1992 im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen und innerhalb von sechs Monaten im Geltungsbereich des Gesetzes seinen ständigen Aufenthalt genommen hat, wenn er zuvor (1.) seit dem 8. Mai 1945 oder (2.) nach seiner Vertreibung oder der Vertreibung eines Elternteils seit dem 31. März 1952 oder (3.) seit seiner Geburt, wenn er vor dem 1. Januar 1993 geboren ist und von einer Person abstammt, die die Stichtagsvoraussetzung des 8. Mai 1945 nach Nummer 1 oder des 31. März 1952 nach Nummer 2 erfüllt, es sei denn, dass Eltern oder Voreltern ihren Wohnsitz erst nach dem 31. März 1952 in die Aussiedlungsgebiete verlegt haben, seinen Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten hatte. Deutscher Volkszugehöriger ist nach § 6 Abs. 1 BVFG 2001, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird. Wer - wie die Klägerin - nach dem 31. Dezember 1923 geboren worden ist, ist nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG 2001 deutscher Volkszugehöriger, wenn er von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammt und sich bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf vergleichbare Weise nur zum deutschen Volkstum bekannt oder nach dem Recht des Herkunftsstaates zur deutschen Nationalität gehört hat. Das Bekenntnis zum deutschen Volkstum oder die rechtliche Zuordnung zur deutschen Nationalität muss bestätigt werden durch die familiäre Vermittlung der deutschen Sprache (Satz 2). Diese ist nur festgestellt, wenn jemand im Zeitpunkt der Aussiedlung aufgrund dieser Vermittlung zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen kann (Satz 3). Ihre Feststellung entfällt, wenn die familiäre Vermittlung wegen der Verhältnisse in dem jeweiligen Aussiedlungsgebiet nicht möglich oder nicht zumutbar war (Satz 4). Ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum wird unterstellt, wenn es unterblieben ist, weil es mit Gefahr für Leib und Leben oder schwerwiegenden beruflichen oder wirtschaftlichen Nachteilen verbunden war, jedoch aufgrund der Gesamtumstände der Wille unzweifelhaft ist, der deutschen Volksgruppe und keiner anderen anzugehören (Satz 5).

45

3.3.2 Die Klägerin stammt aus der ehemaligen Sowjetunion und wurde im Oktober 1998 als Abkömmling in den Aufnahmebescheid ihrer Mutter einbezogen. Damit hat sie die Aussiedlungsgebiete im Dezember 1999 im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen und im Bundesgebiet Aufenthalt genommen (§ 4 Abs. 1 BVFG 2001). Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - aber nicht abschließend geprüft, ob die Klägerin ihre bei der Einreise vorhandenen Kenntnisse der deutschen Sprache auch aufgrund einer innerfamiliären Sprachvermittlung erworben hatte. Nach § 6 Abs. 2 BVFG 2001 muss die insoweit erforderliche familiäre Vermittlung der Sprachkenntnisse dabei nur solange angedauert haben, bis der Antragsteller das Sprachniveau erreicht hat, das ihn im Zeitpunkt der Aussiedlung befähigt, ein einfaches Gespräch zu führen (BVerwG, Urteil vom 4. September 2003 - 5 C 33.02 - BVerwGE 119, 6 Rn. 15; s.a. BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Februar 2011 - 1 BvR 500/07 - NVwZ-RR 2011, 460 ). Die familiäre Sprachvermittlung muss auch nicht der alleinige Grund für die Fähigkeit sein, im Ausreisezeitpunkt ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen. Es genügt, wenn die fortwirkende familiäre Sprachvermittlung in der prägenden Phase von Kindheit und Jugend das Niveau der Fähigkeit erreicht hat, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen (BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007 - 5 C 23.06 - Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 108). Das Verwaltungsgericht (UA S. 15 ff.) hatte nicht festgestellt, dass die bei der Klägerin bei der Einreise im Jahr 1999 vorhandenen Sprachkenntnisse auf einer familiären Vermittlung beruhten. Vielmehr war es nach eingehender Würdigung des Sachverhalts davon ausgegangen, dass die bei der Einreise festgestellten Sprachkenntnisse ganz überwiegend auf ein fremdsprachliches Erlernen sowie auf eine familiäre Übung der Sprache im zeitlichen Zusammenhang mit dem Aufnahmeantrag, also im Erwachsenenalter, zurückzuführen seien. Das Berufungsgericht wird sich mit den hiergegen von der Klägerin im Berufungsverfahren gerichteten Einwendungen auseinanderzusetzen haben.

46

3.3.3 Auch zu der Frage, ob sich die Klägerin bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf vergleichbare Weise (nur) zum deutschen Volkstum bekannt hat, fehlen hinreichende Feststellungen des Berufungsgerichts. § 6 Abs. 2 BVFG 2001 erfordert grundsätzlich ein durchgängiges (positives) Bekenntnis ab dem Eintritt der Bekenntnisfähigkeit nur zum deutschen Volkstum (BVerwG, Urteil vom 13. November 2003 - 5 C 40.03 - BVerwGE 119, 192 <194>). Das Berufungsgericht, von dessen Rechtsstandpunkt ein Bekenntnis durch eine Nationalitätenerklärung vor der Begründung des Aufenthalts in Deutschland ausreichend war, wird nunmehr zu prüfen haben, ob in dem ersten der Klägerin ausgestellten Inlandspass ein russischer Nationalitäteneintrag enthalten war. Es wird weiter zu prüfen haben, ob hierin ausnahmsweise kein der Klägerin zurechenbares Gegenbekenntnis zum russischen Volkstum liegt und ob - dies unterstellt - einem durchgängigen positiven Bekenntnis (nur) zum deutschen Volkstum dann ein längerer "bekenntnisloser" Zustand zwischen dem Eintritt in das bekenntnisfähige Alter und der Ausstellung eines Inlandspasses mit Eintragung der deutschen Nationalität entgegensteht. Letzteres könnte dann der Fall sein, wenn die Klägerin auch nicht auf vergleichbare Weise nach außen hin, z.B. in der Lebensführung oder in gesellschaftlichen, sozialen oder kulturellen Aktivitäten, ihren Willen unzweifelhaft hat zu Tage treten lassen, der deutschen Volksgruppe und keiner anderen anzugehören (zu den Anforderungen s. BVerwG, Urteil vom 13. November 2003 - 5 C 41.03 - Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 104).

47

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und bleibt im Übrigen der Schlussentscheidung vorbehalten.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht.

(2) Die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern bemißt sich nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes über die ausschließliche und die konkurrierende Gesetzgebung.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.