Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 16. Jan. 2017 - 2 K 6510/15

bei uns veröffentlicht am16.01.2017

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen den Ausspruch des endgültigen Nichtbestehens und begehrt eine Verlängerung von Modulfristen in einem Bachelorstudiengang.

2

Als Studierender der beklagten Hochschule wechselte der Kläger zu dem am 1. Oktober 2012 beginnenden Wintersemester 2012/2013 in den Studiengang Betriebswirtschaftslehre mit Ziel des Abschlusses Bachelor of Science. Bis zum Ende des Sommersemesters 2014 und 4. Fachsemesters am 30. September 2014 nahm der Kläger nicht oder nicht mit Erfolg an der Klausur „Mikroökonomik für Betriebswirte“ sowie der Klausur „Mathematik 2 für Wirtschaftswissenschaftler“ teil, die von der Beklagten zu folgenden Prüfungsterminen angesetzt war:

3
        

Mathematik 2 für Wirtschaftswissenschaftler 

Mikroökonomik für Betriebswirte

Sommersemester 2013 

23. Juli 2013

15. Juli 2013

23. September 2013

2. Oktober 2013

Sommersemester 2014

15. Juli 2014

17. Juli 2014

24. September 2014

29. September 2014

4

Am 10. November 2014 stellte der Kläger bei der Beklagten einen „Härtefallantrag auf Modulfristverlängerung“ und trug vor, gesundheitlich nicht in der Lage gewesen zu sein, die entsprechenden Modulprüfungen anzutreten. Mit dem Antrag legte er drei ärztliche Atteste vor, die jeweils auf einem von der Beklagten angebotenen „Formular für den Nachweis der Prüfungsunfähigkeit“ ausgestellt waren und folgende, hier hervorgehobene, Eintragungen zeigen. Im (ersten) Attest bescheinigte der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. med. A. unter dem 7. Oktober 2014:

5

„Meine am 27.9.13 um ca. 10.00 Uhr durchgeführte Untersuchung zur Frage einer krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit bei o.g. Patient/In hat aus ärztlicher Sicht
folgendes ergeben:

Krankheitssymptome (Tatsachenfeststellung aufgrund eigener Wahrnehmung); bitte beachten:
Schwankungen in der Tagesform, Examensangst, Prüfungsstress u.ä. sind keine erheblichen Beeinträchtigungen!

Husten, Halsschmerzen, Kopf-, Gliederschmerzen

Auswirkungen der Erkrankung auf das Leistungsvermögen im Hinblick auf die Prüfung:

[ohne Eintrag]

Dauer der Erkrankung von/bis

25.9[.] – 4.10.13

Ort/Datum:

HH, 7.10.2014

6

Im (zweiten) Attest bescheinigte der Facharzt für Neurochirurgie Prof. B. am 7. November 2014:

7

„Meine am 6.11.14 um 10.00 Uhr durchgeführte Untersuchung zur Frage einer krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit bei o.g. Patient/In hat aus ärztlicher Sicht
folgendes ergeben:

Krankheitssymptome (Tatsachenfeststellung aufgrund eigener Wahrnehmung); bitte beachten:
Schwankungen in der Tagesform, Examensangst, Prüfungsstress u.ä. sind keine erheblichen
Beeinträchtigungen!

Migräneanfall in Verbindung mit Schwindelanfällen und Lichtempfindlichkeit.

Auswirkungen der Erkrankung auf das Leistungsvermögen im Hinblick auf die Prüfung:

[ohne Eintrag]

Dauer der Erkrankung von/bis

15.7.13 – 24.07.13

Ort/Datum:

HH 7.11.2014

8

Im (dritten) Attest bescheinigte ebenfalls Prof. B., wiederum am 7. November 2014:

9

„Meine am 6.11.14 um 10.00 Uhr durchgeführte Untersuchung zur Frage einer krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit bei o.g. Patient/In hat aus ärztlicher Sicht
folgendes ergeben:

Krankheitssymptome (Tatsachenfeststellung aufgrund eigener Wahrnehmung); bitte beachten:
Schwankungen in der Tagesform, Examensangst, Prüfungsstress u.ä. sind keine erheblichen
Beeinträchtigungen!

Migräneanfall in Verbindung mit Schwindelanfällen und Lichtempfindlichkeit.

Auswirkungen der Erkrankung auf das Leistungsvermögen im Hinblick auf die Prüfung:

[ohne Eintrag]

Dauer der Erkrankung von/bis

17.07.14 – 22.07.14

Ort/Datum:

HH 7.11.2014

10

Die Beklagte teilte mit einem von der Studienkoordinatorin der Fakultät für Betriebswirtschaft „im Namen des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses für den Bachelorstudiengang Betriebswirtschaftslehre“ unterzeichneten Bescheid vom 18. Dezember 2014 mit: Die vorgebrachten Härtefallgründe für die Voraussetzungen einer Modulfristverlängerung seien vom Vorsitzenden des Prüfungsausschusses geprüft worden und hätten keinen Anhaltspunkt erkennen lassen, der die Stattgabe des Antrags rechtfertigen würde. Die ärztlichen Atteste seien „unzureichend bzw. […] für die betroffenen Klausurtage erst im Nachhinein erstellt“. Das Modul „Mikroökonomik für Betriebswirte“, das Teilmodul „Mathematik 2 [für Wirtschaftswissenschaftler]“ und der Bachelorstudiengang Betriebswirtschaftslehre seien endgültig nicht bestanden.

11

Der Kläger legte gegen den ihm am 6. Januar 2015 in Person ausgehändigten Bescheid am 4. Februar 2015 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. November 2015 zurückwies. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der Antrag auf Modulfristverlängerung noch als rechtzeitig anzusehen sei. Nach ständiger Verwaltungspraxis sei ein Antrag auf Modulfristverlängerung innerhalb von sieben Tagen nach dem Ende der Ausschlussfrist für die Notenbekanntgabe zu stellen. Termin für die späteste Notenbekanntgabe im Sommersemester 2014 sei der 3. November 2014 gewesen. Die vorgelegten ärztlichen Atteste begründeten aber keinen besonderen Härtefall, der eine Verlängerung der Modulfristen rechtfertigen würde. Insbesondere könnte am angegebenen Tag der ärztlichen Untersuchung am 6. November 2014 keine Krankheit des Klägers im Juli 2013 bzw. Juli 2014 festgestellt worden sein. Auch wenn die körperlichen Funktionsstörungen bei Migräne in aller Regel eine Prüfungsunfähigkeit nach sich ziehen dürften, so seien die möglichen Beschwerden doch unterschiedlich stark und die Betroffenen dementsprechend unterschiedlich beeinträchtigt.

12

Zur Begründung seiner am 1. Dezember 2015 erhobenen Klage wiederholt der Kläger zum einen seinen vorprozessualen Vortag. Zum anderen rügt er, dass der Nichtbestehensbescheid nicht vom Vorsitzenden des Prüfungsausschusses gefertigt sei und nicht alle Prüfungsleistungen angebe. Eine Störung bestimmter körperlicher Funktionen sei aufgrund der hier gestellten Diagnose „Migräneanfall in Verbindung mit Schwindelanfällen und Lichtempfindlichkeit“ offensichtlich. Möge die Stärke auch variieren, jedenfalls beeinträchtigten Kopfschmerzen offensichtlich die Konzentrationsfähigkeit, so dass ein Klausurenschreiben unmöglich sei. Der Kläger verweist auf ein (viertes) Attest des Prof. B. vom 6. Juni 2016 vor, in dem es heißt:

13

„Wegen anhaltender Beschwerden hat [der Kläger sich] am 15.07.2013 um 9.00 Uhr in unsere Praxis begeben. Meine Untersuchung hat ergeben, dass [der Kläger] an extrem starken Kopfschmerzen sowie Schwindelanfällen litt. Aufgrund der Beschwerden waren Denk- und Konzentrationsfähigkeit von [dem Kläger] bis zum 24.07.2013 nicht mehr gegeben. [Der Kläger] war in der Zeit vom 15.07.2013 bis 24.07.2013 prüfungsunfähig.

14

Mit gleichem Beschwerdebild war [der Kläger] am 18.07.2014 [… um] 10:30 Uhr in der Praxis erschienen. Meine Untersuchung ergab wiederum Kopfschmerzen, die die Denk- und Konzentrationsfähigkeit stark beeinträchtigten.

15

Ein Klausurenschreiben war [dem Kläger] daher auch in der Zeit vom 18.07.2014 bis 22.07.2014 nicht möglich.
HH 6.6.16“

16

Der Kläger beantragt,

17

unter Aufhebung des Bescheids vom 6. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. November 2015 die Beklagte zu verpflichten, ihm im Bachelorstudiengang Betriebswirtschaftslehre eine Modulfristverlängerung für die Ablegung der Prüfungen in den Teilmodulen Mathematik 2 und Mikroökonomik für Betriebswirte zu gewähren.

18

Die Beklagte beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind die Sachakten der Beklagten. Darauf sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht gemäß § 87a Abs. 2, Abs. 3 VwGO durch den Berichterstatter anstelle der Kammer.

I.

22

Die zulässige Klage ist weder begründet soweit sie sich als Anfechtungsklage gegen den Nichtbestehensausspruch wendet (hierzu unter 1.) noch soweit sie als Verpflichtungsklage auf eine Modulfristverlängerung gerichtet ist (hierzu unter 2.).

23

1. Soweit der Kläger den im Bescheid vom 6. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. November 2015 enthaltenen Ausspruch über das endgültige Nichtbestehen im Modul „Mikroökonomik für Betriebswirte“, im Teilmodul „Mathematik 2 für Wirtschaftswissenschaftler“ und insgesamt im Bachelorstudiengang Betriebswirtschaftslehre anficht, ist die Klage nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht begründet. Der Nichtbestehensausspruch ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die einschlägigen Satzungsbestimmungen (hierzu unter a.) tragen den Ausspruch des endgültigen Nichtbestehens (hierzu unter b.) und sind ihrerseits am Maßstab höherrangigen Rechts keinen durchgreifenden Bedenken ausgesetzt (hierzu unter c.).

24

a. Einschlägig ist für das vom Kläger zum Wintersemester 2012/2013 aufgenommene (Hauptfach-)Studium der Betriebswirtschaftslehre die Prüfungsordnung des Departments Wirtschaftswissenschaften der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften für Studiengänge mit dem Abschluss „Bachelor of Science“ (B.Sc.) (v. 20.9.2006, Amtl. Anz. S. 2959 – PO 2006, mit Änderungen v. 16.7.2008, Amtl. Bek. Nr. 43 v. 22.9.2008 sowie v. 14.7.2010, Amtl. Bek. Nr. 18 v. 23.5.2011 – PO 2010). Unanwendbar ist die letzte Änderung der Prüfungsordnung der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften für Studiengänge mit dem Abschluss Bachelor of Science (v. 6.8.2014, Amtl. Bek. Nr. 74 v. 10.9.2014), die gemäß deren § 2 Abs. 1 Satz 2 erstmals für Studierende gilt, die ihr Studium zum Wintersemester 2014/2015 in einem Studiengang der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften aufgenommen haben. Die Änderungsordnung gilt mit Wirkung zum Wintersemester 2014/2015 zwar grundsätzlich ebenfalls für Studierende, die ihr Studium vor Inkrafttreten dieser Änderungsordnung am 11. September 2014 in einem Studiengang der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften aufgenommen haben, aber nicht im Bachelorstudiengang Betriebswirtschaftslehre (B.Sc.), der nunmehr der Zuständigkeit der neueingerichteten Fakultät Betriebswirtschaftslehre unterfällt. Zeitlich unanwendbar ist auch die Prüfungsordnung der Fakultät für Betriebswirtschaft für Studiengänge mit dem Abschluss „Bachelor of Science (B.Sc.)“ (v. 8.7.2015 und 27.1.2016, Amtl. Bek. Nr. 39 v. 22.6.2016), die gemäß ihrem § 23 erst ab dem Wintersemester 2015/2016 gilt. Bereits sachlich unanwendbar ist die neue Prüfungsordnung der (nicht mehr die Betriebswirtschaftslehre umfassenden) Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften für Studiengänge mit dem Abschluss „Bachelor of Science“ (B.Sc.) (v. 15.6.2016, Amtl. Bek. Nr. 62 v. 4.10.2016).

25

In Ergänzung der PO 2010 finden die Fachspezifischen Bestimmungen für den vom Kläger zum Wintersemester 2012/2013 aufgenommenen Bachelorstudiengang Betriebswirtschaftslehre im Department Wirtschaftswissenschaften der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg (v. 4.10.2006, Amtl. Anz. S. 2846, Neufassung v. 15.4.2009, Amtl. Bek. Nr. 31 v. 21.6.2010, mit Änderung v. 16.6.2010, Amtl. Bek. Nr. 47 v. 7.12.2011 und mit Änderung v. 11.7.2012, Amtl. Bek. Nr. 78 v. 22.10.2012 – FSB 2012) zeitlich Anwendung.

26

b. Der Ausspruch über das endgültige Nichtbestehen im Modul „Mikroökonomik für Betriebswirte“, im Teilmodul „Mathematik 2 für Wirtschaftswissenschaftler“ und insgesamt im Bachelorstudiengang Betriebswirtschaftslehre findet in der Vorschrift des § 18 Abs. 2 Satz 1 PO 2010 eine Ermächtigung (hierzu unter aa.), deren formelle (hierzu unter bb.) und materielle Voraussetzungen (hierzu unter cc.) erfüllt sind.

27

aa. Der Nichtbestehensbescheid findet seine satzungsmäßige Rechtsgrundlage in § 18 Abs. 2 Satz 1 PO 2010. Ist die Bachelorprüfung endgültig nicht bestanden, stellt gemäß dieser Satzungsbestimmung der oder die Vorsitzende des Prüfungsausschusses einen entsprechenden Bescheid mit Angabe aller Prüfungsleistungen und den Gründen für das Nichtbestehen der Bachelorprüfung aus. Diese Rechtsgrundlage ermächtigt zum Ausspruch über das endgültige Nichtbestehen im Bachelorstudiengang Betriebswirtschaftslehre sowie der betroffenen Prüfungsleistungen.

28

bb. Die formellen Voraussetzungen eines Nichtbestehensbescheids sind erfüllt.

29

Soweit § 18 Abs. 2 Satz 1 PO 2010 eine Angabe aller Prüfungsleistungen erfordert und der Bescheid diese Angaben nicht enthält, berührt dieses Unterlassen nicht die Rechtmäßigkeit der im Bescheid enthaltenen Aussprüche des endgültigen Nichtbestehens. Unabhängig davon läge im Unterlassen gebotener Angaben lediglich ein Fehler der Form. Ein etwaiger Fehler der Form zöge nach §§ 46, 2 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVfG keinen Aufhebungsanspruch des Klägers nach sich, da die Entscheidung in der Sache, d.h. der Nichtbestehensausspruch, offensichtlich dadurch nicht beeinflusst ist.

30

Ein Verfahrensfehler liegt nicht darin, dass der gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 PO 2010 zuständige Vorsitzende des Prüfungsausschusses sich bei Fertigung des Bescheids von einer Behördenmitarbeiterin, der Studienkoordinatorin der Fakultät für Betriebswirtschaft, lediglich hat vertreten lassen. Der Bescheid ist ausdrücklich „im Namen des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses für den Bachelorstudiengang Betriebswirtschaftslehre“ ergangen und ihm zurechenbar, die Studienkoordinatorin hat lediglich als ausführende Stelle und nicht als behördliches Zurechnungsendsubjekt gehandelt. Unabhängig davon wäre ein etwaiger formeller Fehler bei Erlass des Ausgangsbescheids nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens gemäß §§ 46, 2 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVfG unbeachtlich, da der Widerspruchsausschuss in Prüfungsangelegenheiten den Nichtbestehensbescheid – der als solcher keine prüfungsspezifischen Wertungen vornimmt – vollständig überprüfen darf und den Verwaltungsakt durch eine selbstständige Sachentscheidung bestätigt hat (vgl. VG Hamburg, Urt. v. 24.6.2016, 2 K 2209/13, juris Rn.101).

31

cc. Die materiellen Voraussetzungen eines Nichtbestehensbescheids sind erfüllt.

32

Die Bachelorprüfung ist gemäß § 18 Abs. 1 Buchst. a. PO 2010 insbesondere dann endgültig nicht bestanden, wenn eine Modulprüfung nicht fristgemäß absolviert wird, es sei denn, der bzw. die Studierende hat die Fristversäumnis nicht zu vertreten. Ausgehend von der Satzungslage hat der Kläger die Bachelorprüfung endgültig nicht bestanden. Denn er hat die verpflichtenden Prüfungsleistungen „Mikroökonomik für Betriebswirte“ sowie „Mathematik 2 für Wirtschaftswissenschaftler“ (hierzu unter (1)) innerhalb der regulären Modulfristen (hierzu unter (2)) nicht bestanden (hierzu unter (3)). Weder waren die Modulfristen ausnahmsweise zu verlängern (hierzu unter (4)) noch ist die Fristversäumnis vom Kläger nicht zu vertreten (hierzu unter (5)).

33

(1) Die Prüfungsleistungen „Mikroökonomik für Betriebswirte“ sowie „Mathematik 2 für Wirtschaftswissenschaftler“ waren vom Kläger verpflichtend zu bestehen.

34

Der Bachelorstudiengang der Betriebswirtschaftslehre ist gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 PO 2010 modular aufgebaut; Zahl, Umfang, Inhalte der Module und Modulvoraussetzungen sind danach in den Fachspezifischen Bestimmungen geregelt. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 PO 2010 ist zwischen obligatorischen Modulen (Pflichtmodulen), aus einem vorgegebenen Katalog auszuwählenden Modulen (Wahlpflichtmodulen) und frei wählbaren Modulen (Wahlmodulen) zu unterscheiden. Im Hauptfachstudium der Betriebswirtschaftslehre sind Pflichtmodule gemäß Abs. 1 Buchst. a FSB 2012 zu § 4 Abs. 3 und 4 PO 2010 die in der Anlage zu den FSB 2012 beschriebenen Module. Dazu zählt das Modul „Mikroökonomik für Betriebswirte“, das dem 2. Fachsemester zugeordnet ist und mit einer Klausur abschließt, sowie das aus zwei Klausuren als Teilprüfungsleistungen i.S.d. § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 PO 2010 zusammengesetzte Modul „Mathematik 1 + 2 für Wirtschaftswissenschaftler“, das dem 1. und 2. Fachsemester zugeordnet ist.

35

(2) Das Pflichtmodul „Mikroökonomik für Betriebswirte“ und die Teilprüfungsleistung „Mathematik 2 für Wirtschaftswissenschaftler“ hatte der Kläger jeweils in einer mit dem Ende des 4. Fachsemesters am 30. September 2014 ablaufenden Frist zu bestehen. Die Bindung an eine Modulfrist folgt aus § 10 Abs. 2 Sätze 1 und 2 PO 2010: Danach sind Modulprüfungen für Pflichtmodule innerhalb von Fristen zu erbringen, die sich aus den in der jeweiligen Modulbeschreibung angegebenen Fachsemestern zuzüglich der Anzahl von Fachsemestern, innerhalb derer das Modul ein weiteres Mal absolviert werden kann (Wiederholungsfrist), errechnen. Bei Teilprüfungsleistungen endet die Frist gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 PO 2010 in dem Semester, in dem die der Teilprüfung zugeordnete Lehrveranstaltung ein weiteres Mal angeboten wird. Ausgehend von dem in der Modulbeschreibung jeweils angegebenen 2. Fachsemester und einem Jahresturnus zur Wiederholung endete die Modulfrist mit dem 4. Fachsemester.

36

(3) Der Kläger hat die Modulprüfung „Mikroökonomik für Betriebswirte“ sowie die Teilprüfungsleistung „Mathematik 2 für Wirtschaftswissenschaftler“ bis zum Ende der Fristen am 30. September 2014 nicht bestanden.

37

(4) Die Modulfristen für die Prüfungsleistungen „Mikroökonomik für Betriebswirte“ sowie „Mathematik 2 für Wirtschaftswissenschaftler“ sind auch nicht ausnahmsweise zu verlängern. Rechtsgrundlage für eine Entscheidung über die Verlängerung der Modulfrist ist § 10 Abs. 3 PO 2010. Die dort benannten tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen der Prüfungsausschuss eine Modulfrist verlängern kann, sind nicht erfüllt. Zum einen setzt die Verlängerung einer Modulfrist einen besonderen Härtefall voraus, an dem es hier fehlt (hierzu unter (a)). Zum anderen setzt die Verlängerung einer Modulfrist einen rechtzeitigen und hinreichenden Antrag voraus, an dem es ebenfalls mangelt (hierzu unter (b)).

38

(a) Der in § 10 Abs. 3 Satz 1 PO 2010 für eine Verlängerung der Modulfrist vorausgesetzte besondere Härtefall ist nicht gegeben.

39

Der an das Vorliegen eines besonderen Härtefalls anzulegende Maßstab ist streng. Der Satzungsgeber hat nicht jeden Härtefall, d.h. einen Fall in dem die Anwendung der regulären Modulfrist zu einer Härte führt, für ausreichend erachtet, um ausnahmsweise eine Modulfristverlängerung zu rechtfertigen, sondern nur einen besonderen Härtefall. Nur eine strenge Handhabung entspricht dem Gebot der Chancengleichheit der Prüflinge in berufsbezogenen Prüfungen gemäß Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG, welcher das Prüfungsrecht beherrscht (dazu BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, juris Rn. 53; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 403). Vorliegend ist ein besonderer Härtefall jedenfalls deshalb nicht gegeben, weil dem Kläger – wie noch darzustellen ist – mindestens dreimal die Prüfungschance offen stand, die von ihm geforderten Leistungen zu erbringen. Dass unter solchen Umständen kein eine Verlängerung der Modulfrist rechtfertigender besonderer Härtefall gegeben ist, ergibt sich aus der Satzungsbestimmung über die Rechtsfolge der Modulfristverlängerung (hierzu unter (aa)) sowie unabhängig davon aus der grundsätzlichen gesetzlichen Beschränkung der Wiederholbarkeit studienbegleitender Prüfungen (hierzu unter (bb)).

40

(aa) Wenn dem Prüfling bereits innerhalb der regulären Modulfrist eine (mehrfache) Chance zur Wiederholung offensteht, besteht angesichts der Rechtsfolgenanordnung des § 10 Abs. 3 Satz 2 PO 2010 kein Anlass für eine Modulfristverlängerung.

41

Nach dieser Regelung ist „die Frist so zu bemessen, dass jeweils nur eine Prüfungsmöglichkeit möglich ist“, mithin außerhalb der regulären Modulfrist lediglich eine einzige Prüfungschance vermittelt wird. Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Modulfristverlängerung müssen im Einklang mit dieser Rechtsfolgenanordnung ausgelegt werden. Indem der Satzungsgeber die Modulfristverlängerung der Rechtsfolge nach auf die Einräumung einer einzigen, bislang nicht bestehenden, Prüfungschance beschränkt hat, hat er zugleich zu erkennen gegeben, dass dann, wenn dem Prüfling ohnehin, d.h. noch innerhalb der regulären Modulfrist, eine Prüfungschance offen steht, keine durch eine Modulfristverlängerung zu behebende besondere Härte vorliegt.

42

Nach diesem Maßstab liegt kein besonderer Härtefall vor ab. Die vom Kläger vorgetragenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen begründen den eine Verlängerung der Modulfristen für die Prüfungsleistungen „Mikroökonomik für Betriebswirte“ sowie „Mathematik 2 für Wirtschaftswissenschaftler“ tragenden besonderen Härtefall bereits deshalb nicht, weil der Kläger mindestens jeweils dreimal die Gelegenheit hatte, die ihm obliegenden Prüfungsleistungen noch zu bestehen, sollte er zu Beginn seines Studiums daran krankheitsbedingt gehindert gewesen sein. Der Kläger war allenfalls an den beiden Prüfungsterminen am 15. Juli 2013 in „Mikroökonomik für Betriebswirte“ und am 23. Juli 2013 in „Mathematik 2 für Wirtschaftswissenschaftler“ krankheitsbedingt prüfungsunfähig. Dabei steht eine krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit auch zu diesen beiden Prüfungsterminen nicht zu der nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderlichen Überzeugung des Gerichts fest. Für eine krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit zu den anderen Prüfungsterminen fehlt es demgegenüber auch unter Berücksichtigung aller im Gerichtsverfahren vorliegenden ärztlichen Atteste bereits an einem Ansatz zur Amtsermittlung. Im Einzelnen:

43

Der Kläger konnte jedenfalls an den drei Klausurterminen im Teilmodul „Mathematik 2 für Wirtschaftswissenschaftler“ am 23. September 2013, 15. Juli 2014 und zuletzt am 24. September 2014 sowie an den drei Klausurterminen im Modul „Mikroökonomik für Betriebswirte“ am 2. Oktober 2013, 17. Juli 2014 und zuletzt am 29. September 2014 teilnehmen. Es bedurfte nicht der Einräumung einer Prüfungschance außerhalb der regulären Modulfrist, weil der Kläger sie innerhalb der regulären Modulfrist bereits (mehrfach) innehatte.

44

Der Kläger hat für fünf der sechs genannten Prüfungstermine bereits nicht vorgetragen, akut erkrankt gewesen zu sein. Das zum Vortrag des Klägers gemachte (erste) Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. med. A. vom 7. Oktober 2014 bescheinigt eine vom 25. September 2013 bis 4. Oktober 2013 dauernde Erkrankung. In diesem Zeitraum war keine der in Rede stehenden Prüfungsleistungen angesetzt. Insbesondere war die Klausur „Mathematik 2 für Wirtschaftswissenschaftler“ bereits vor dem ausgewiesenen Krankheitszeitraum, nämlich am 23. September 2013, zur Bearbeitung gestellt worden. Das (zweite) Attest des Facharztes für Neurochirurgie Prof. B. vom 7. November 2014 benennt als Zeitraum der Erkrankung den 15. bis 24. Juli 2013, in dem am 15. Juli 2013 die Klausur „Mikroökonomik für Betriebswirte“ und am 23. Juli 2013 die Klausur „Mathematik 2 für Wirtschaftswissenschaftler“ zu schreiben waren. Das (dritte) Attest des Prof. B. vom 7. November 2014 bezeichnet als Zeitraum der Erkrankung den 17. bis 22. Juli 2014, in dem am 17. Juli 2014 die Klausur „Mikroökonomik für Betriebswirte“ anzufertigen war. Das (vierte) Attest des Prof. B. vom 6. Juni 2016 nennt im Einklang mit dem vorausgegangenen (zweiten) Attest den 15. bis 23. Juli 2013 als Krankheitszeit und unter Abkehr vom vorausgegangenen (dritten) Attest nur noch den 18. bis. 22. Juli 2014 als Krankheitszeit. Der 17. Juli 2014, an dem die Klausur „Mikroökonomik für Betriebswirte“ gestellt wurde, ist damit von einer attestierten Krankheitszeit ausgeschlossen.

45

Allenfalls das (vierte) Attest vom 6. Juni 2016 böte – wenn eine Modulfristverlängerung nicht aus den hier sowie unter (bb) und (b) bezeichneten Gründen ausschiede – Anlass für eine weitere Ermittlung, ob der Kläger an den Prüfungstagen 15. und 23. Juli 2013 aufgrund einer Erkrankung prüfungsunfähig war. Dabei obliegt es dem Prüfling, eine Prüfungsunfähigkeit im medizinischen Sinne geltend zu machen und ärztlich attestierten zu lassen, während der Prüfungsbehörde und im Streitfall dem Gericht die Beurteilung zukommt, ob im Rechtssinne eine Prüfungsunfähigkeit vorliegt (vgl. OVG Münster, Urt. v. 3.11.2005, 14 A 3101/03, MedR 2007, 51, juris Rn. 31). In dem (vierten) Attest ist mitgeteilt, dass der Kläger sich „[w]egen anhaltender Beschwerden“ am 15. Juli 2013 um 9.00 Uhr in die Praxis begeben und die ärztliche Untersuchung ergeben habe, dass er „an extrem starken Kopfschmerzen sowie Schwindelanfällen“ gelitten habe, so dass aufgrund der Beschwerden „Denk- und Konzentrationsfähigkeit“ bis zum 24. Juli 2013 nicht mehr gegeben gewesen seien. Demgegenüber zeigt das (zweite bzw. dritte) Attest vom 7. November 2014, das im Unterschied zum (vierten) Attest vom 6. Juni 2016 einen „Migräneanfall in Verbindung mit Schwindelanfällen und Lichtempfindlichkeit“ bescheinigt, keinen Ermittlungsansatz auf. Der dort benannte Untersuchungszeitpunkt 6. November 2014 um 10.00 Uhr ist nicht nachvollziehbar. Denn es ist ausgeschlossen, dass Prof. B. im November 2014 aus eigener Wahrnehmung festgestellt hat, dass der Kläger im Juli 2014 oder sogar schon im Juli 2013 in bestimmter Weise erkrankt gewesen war.

46

(bb) Der Annahme einer eine Modulfristverlängerung tragenden besonderen Härte steht unabhängig davon die grundsätzliche gesetzliche Beschränkung der Wiederholbarkeit studienbegleitender Prüfungen entgegen.

47

Nach dem Grundsatz des § 65 Abs. 1 Satz 1 des Hamburgischen Hochschulgesetzes (v. 19.7.2001, HmbGVBl. S. 171, in der Fassung bis 30.6.2014, sodann geändert durch das Gesetz zur Weiterentwicklung des Hochschulrechts v. 8.7.2014, HmbGVBl. S. 269 – HmbHG 2001 a.F.), auf deren Grundlage die PO 2010 und die FSB 2012 erlassen sind, war die Anzahl der Wiederholungsversuche in studienbegleitenden Prüfungen auf höchstens zwei begrenzt. In Ausnahme dazu ließ § 65 Abs. 3 Satz 1 HmbHG 2001 a.F. anstelle der Wiederholbarkeit, d.h. alternativ zur Begrenzung der Prüfungsversuche (VG Hamburg, Urt. v. 5.11.2015, 2 K 950/14, juris Rn. 57), eine Bestimmung von Fristen zur Erbringung der Prüfungsleistungen zu, wobei die Studienorganisation der Hochschule gemäß § 65 Abs. 3 Satz 2 HmbHG 2001 a.F. mindestens drei Prüfungsversuche innerhalb der Frist sicherzustellen hatte. Ausgehend davon begründen die Folgen einer Modulfristbestimmung jedenfalls dann keine besondere Härte, wenn auch ohne eine Modulfristbestimmung die studienbegleitende Prüfung deshalb endgültig nicht bestanden wäre, weil der Prüfling drei eröffnete Prüfungsversuche nicht oder nicht erfolgreich unternommen hat.

48

Ausgehend davon steht die Wertung des § 65 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 HmbHG 2001 a.F. der Annahme eines besonderen Härtefalls entgegen. Der Kläger war jedenfalls nicht gehindert, jeweils dreimal an der Klausur „Mathematik 2 für Wirtschaftswissenschaftler“ sowie der Klausur „Mikroökonomik für Betriebswirte“ teilzunehmen (s.o. (aa)).

49

(b) Dem Antragserfordernis ist nicht Genüge getan. Die Verlängerung einer Modulfrist setzt gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 PO 2010 einen rechtzeitig vor Ablauf der Frist beim Prüfungsausschuss zu stellenden und schriftlich zu begründenden Antrag voraus, wobei eine Krankheit gemäß § 10 Abs. 3 Satz 4 PO 2010 durch Vorlage eines qualifizierten ärztlichen Attests nachzuweisen ist. Ein rechtzeitiger und hinreichender Antrag fehlt. Der bei der Beklagten am 10. November 2014 eingegangene Antrag des Klägers auf Modulfristverlängerung ist bereits nicht rechtzeitig gestellt (hierzu unter (aa)). Unabhängig davon ist der Antrag vom 10. November 2014 nicht schriftlich unter Vorlage eines qualifizierten ärztlichen Attests begründet (hierzu unter (bb)).

50

(aa) Der Antrag ist bereits nicht rechtzeitig gestellt. Das erkennende Gericht knüpft insoweit an die nachfolgend wiedergegebenen Ausführungen der Kammerrechtsprechung (VG Hamburg, Urt. v. 14.12.2016, 2 K 6704/15) an:

51

„Die rechtzeitige Antragstellung ist selbst eine satzungsmäßige Voraussetzung der Modulfristverlängerung. Die Satzung ermächtigt die Beklagte nicht, im Einzelfall von dieser Voraussetzung abzusehen. Denn anders als die Widerspruchsfrist nach § 70 VwGO, deren Versäumnis dann nicht mehr zu beachten ist, wenn die Widerspruchsbehörde in der Sache über einen Widerspruch entschieden hat (BVerwG, Urt. v. 20.6.1988, 6 C 24/87, NVwZ-RR 1989, 85, juris Rn. 9) und kein Dritter betroffen ist (BVerwG, Urt. v. 18.5.1982, 7 C 42/80, BVerwGE 65, 313, juris Rn. 19), dient das Erfordernis, eine Verlängerung der Modulfrist noch vor deren Ablauf zu beantragen, dem rechtsstaatlichen Gebot der Chancengleichheit der Prüflinge, von dem die Behörde nicht absehen kann.“

52

Nach diesem Maßstab ist der Antrag auf Modulfristverlängerung vom 10. November 2014 bereits verspätet gestellt, da er erst nach Ablauf der regulären Modulfristen mit dem Ende des 4. Fachsemester am 30. September 2014 gestellt worden ist.

53

(bb) Unabhängig davon ist der am 10. November 2014 gestellte Antrag unzureichend.

54

Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 PO 2010 muss der rechtzeitige Antrag auf Modulfristverlängerung schriftlich begründet sein, wobei eine Krankheit gemäß § 10 Abs. 3 Satz 4 PO 2010 durch Vorlage eines qualifizierten ärztlichen Attests nachzuweisen ist. Ein qualifiziertes ärztliches Attest ist gemäß § 16 Abs. 2 Satz 3 PO 2010 ein ärztliches Attest mit Angaben über die von der Erkrankung ausgehende körperliche bzw. psychische Funktionsstörung, die Auswirkungen der Erkrankung auf die Prüfungsfähigkeit des Prüflings aus medizinischer Sicht, den Zeitpunkt des dem Attest zugrunde liegenden Untersuchungstermins sowie über die ärztliche Prognose über die Dauer der Erkrankung. Das Erfordernis, die Rücktrittsgründe unverzüglich und hinreichend belegt dem Prüfungsamt darzutun, rechtfertigt sich vor dem Hintergrund der Chancengleichheit der Prüfungskandidaten insbesondere daraus, dem Prüfungsamt eine Aufklärung zu ermöglichen, ob die Prüfungsunfähigkeit tatsächlich zum Prüfungstermin vorliegt bzw. vorlag (OVG Hamburg, Beschl. v. 12.11.2015, 3 Bf 102/15.Z).

55

Die (weiteren) Anforderungen an den (rechtzeitigen) Antrag sind keine entbehrliche Förmelei. Vielmehr erfüllt die Tatbestandsvoraussetzung, dass der rechtzeitig gestellte Antrag schriftlich unter Vorlage eines qualifizierten ärztlichen Attests begründet sein muss, bei der Modulfristverlängerung die gleiche rechtsstaatlich unverzichtbare Funktion der Wahrung der Chancengleichheit der Prüflinge wie beim Rücktritt oder dem Versäumnis der Prüfung die Tatbestandsvoraussetzung des § 16 Abs. 2 Satz 1 PO 2010, dass der geltend gemachte Grund dem Prüfungsausschuss unverzüglich schriftlich angezeigt und glaubhaft gemacht werden muss, wobei gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 PO 2010 bei Krankheit des Prüflings – wie bei der Modulfristverlängerung – ein qualifiziertes Attest vorzulegen ist. Im Hinblick auf das Unverzüglichkeitsgebot knüpft das erkennende Gericht an die nachfolgend wiedergegebenen Ausführungen aus der Kammerrechtsprechung (VG Hamburg, Beschl. v. 21.7.2015, 2 K 923/15) an:

56

„Unverzüglich bedeutet 'ohne schuldhaftes Zögern' (BVerwG, Urt. v. 7.10.1988, Az. 7 C 8/88, juris Rn. 13; vgl. § 121 Abs. 1 BGB). Im Interesse der Chancengleichheit aller Prüflinge ist an die Genehmigung eines Prüfungsrücktrittes wie an die Anerkennung eines wichtigen Grundes für eine Prüfungsversäumnis ein strenger Maßstab anzulegen (VG München, Urt. v. 10.12.2013, M 3 K 11.4601, juris Rn. 23). Es ist Sache des Prüflings, sich darüber Klarheit zu verschaffen, ob seine Leistungsfähigkeit durch außergewöhnliche Umstände, insbesondere durch Krankheit, erheblich beeinträchtigt ist, und bejahendenfalls daraus unverzüglich die in der jeweiligen Prüfungsordnung vorgesehenen Konsequenzen zu ziehen, und zwar bei krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit grundsätzlich vor Beginn der Prüfung, spätestens aber dann, wenn er sich ihrer bewusst geworden ist (BVerwG, Urt. v. 7.10.1988, 7 C 8/88, BVerwGE 80, 282, juris Rn. 12). So wie ein Rücktritt dann nicht mehr unverzüglich ist, wenn der Prüfling die Erklärung nicht zu dem frühestmöglichen Zeitpunkt abgegeben hat, zu dem sie von ihm in zumutbarer Weise hätte erwartet werden können (BVerwG, Urt. v. 13.5.1998, 6 C 12/98, BVerwGE 106, 369; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 283 m.w.N. zur höchstrichterlichen Rechtsprechung), ist es einem Prüfling verwehrt, sich nachträglich auf eine Erkrankung am Prüfungstag zu berufen, wenn er bei Auftreten gesundheitlicher Beeinträchtigungen nicht unverzüglich seine Prüfungsfähigkeit abklären lassen und eine festgestellte Prüfungsunfähigkeit unverzüglich dem Prüfungsamt mitgeteilt hat, obwohl es ihm zuzumuten ist (vgl. VG München, Urt. v. 10.12.2013, M 3 K 11.4601, juris Rn. 24).“

57

Den Anforderungen genügt der Antrag vom 10. November 2014 nicht. Im Einzelnen:

58

Das mit dem Antrag vom 10. November 2014 vorgelegte (erste) Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. med. A. vom 7. Oktober 2014 ist hinsichtlich der allein in Betracht kommenden Klausurtermine bis zum Ende des 4. Fachsemesters im Modul „Mikroökonomik für Betriebswirte“ und im Teilmodul „Mathematik 2 für Wirtschaftswissenschaftler“ unergiebig (s.o. (a) (aa)).

59

Hätte am 10. November 2014 ein zum (vierten) Attest des Facharztes für Neurochirurgie Prof. B. vom 6. Juni 2016 inhaltsgleiches Attest früheren Datums vorgelegen, hätte es etwaig eine behördliche Amtsermittlung zu der Frage auslösen können, ob der Kläger an den Prüfungstagen 15. und 23. Juli 2013 prüfungsunfähig erkrankt war (s.o. (a) (aa)). Dies muss aber letztlich dahinstehen, weil ein solches Attest nicht vorlag.

60

Die beiden Atteste des Prof. B. vom 7. November 2014 (zweites bzw. drittes Attest) hat der Kläger zwar mit dem Antrag auf Modulfristverlängerung am 10. November 2014 vorgelegt. Gleichwohl sind diese Atteste weder zum Nachweis einer Prüfungsunfähigkeit an den dort benannten Prüfungstagen geeignet noch haben sie auch nur einen Ansatz für eine diesbezügliche Amtsermittlung geboten. Denn sie erfüllen die nach der Satzungsbestimmung unabdingbaren Voraussetzungen eines qualifizierten ärztlichen Attests nicht. Ein qualifiziertes ärztliches Attest enthält gemäß § 16 Abs. 2 Satz 3 PO 2010 Angaben über die von der Erkrankung ausgehende körperliche bzw. psychische Funktionsstörung, die Auswirkungen der Erkrankung auf die Prüfungsfähigkeit des Prüflings aus medizinischer Sicht, den Zeitpunkt des dem Attest zugrunde liegenden Untersuchungstermins sowie über die ärztliche Prognose über die Dauer der Erkrankung.

61

Beiden Attesten vom 7. November 2014 fehlt bereits die in § 16 Abs. 2 Satz 3 PO 2010 verlangte Angabe des Zeitpunkts des dem Attest zugrunde liegenden Untersuchungstermins. Soweit Prof. B. in beiden Attesten den 6. November 2014 um 10.00 Uhr als Zeitpunkt der durchgeführten Untersuchung benannt, ist dies von vornherein unplausibel und deshalb unbeachtlich. Wie bereits ausgeführt, ist es ausgeschlossen, dass Prof. B. aufgrund einer erst im November 2014 gemachten eigenen Wahrnehmung festgestellt hat, dass der Kläger im Juli 2014 oder sogar schon im Juli 2013 in bestimmter Weise erkrankt war (s.o. (a) (aa)).

62

Unabhängig davon fehlen beiden Attesten vom 7. November 2014 die gemäß § 16 Abs. 2 Satz 3 PO 2010 erforderlichen Angaben zu den Auswirkungen der Erkrankung auf das Leistungsvermögen im Hinblick auf die Prüfung. Solche Angaben waren auch nicht im Hinblick auf deren Natur ausnahmsweise entbehrlich. Soweit der Kläger (unter Bezugnahme auf Niehues/Fischer/Jeremias, a.a.O., Rn. 277) annimmt, nach Lage der Dinge könne schon durch die genaue Bezeichnung der Krankheit offensichtlich gemacht werden, dass die Leistungsfähigkeit des Prüflings erheblich beeinträchtigt ist, wofür als Beispiel eine fiebrige Grippe genannt wird, mag dem insoweit beizupflichten sein. Doch ist ein solcher Fall nicht gegeben. Ohne jedwede weitere Eingrenzung, Erläuterung oder Konkretisierung trägt die in den Attesten enthaltene Angabe „Migräneanfall in Verbindung mit Schwindelanfällen und Lichtempfindlichkeit“ nicht die Annahme einer Prüfungsunfähigkeit. Insbesondere geht aus dieser Angabe nicht hervor, dass es sich bei der Migräne des Klägers nicht um ein prüfungsrechtlich unbeachtliches Dauerleiden handelte. Dauerleiden prägen als persönlichkeitsbedingte Eigenschaften die Leistungsfähigkeit des Prüflings; ihre Folgen bestimmen deshalb im Gegensatz zu sonstigen krankheitsbedingten Leistungsminderungen das normale Leistungsbild des Prüflings; sie sind mithin zur Beurteilung der Befähigung bedeutsam, die durch die Prüfung festzustellen ist (BVerwG, Beschl. v. 13.12.1985, 7 B 210/85, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 223, juris Rn. 6; Niehues/Fischer/Jeremias, a.a.O., Rn. 258 m.w.N.). Ein Dauerleiden kann insbesondere bei einer Migräneerkrankung vorliegen (OVG Münster, Beschl. v. 23.8.2001, 14 A 3335/01, openJur 2011, 15098, VG Berlin, Urt. v. 11.2.2015, 12 K 100/14, juris Rn. 27 f.; VG Hamburg, Urt. v. 7.8.2012, 2 K 2080/10, juris Rn. 19; Urt. v. 11.4.2012, 2 K 1951/11, n.v.).

63

(5) Der Kläger hat die Fristversäumnis zu vertreten. Grundsätzlich hat der Prüfling es zu vertreten, wenn er die Modulfrist nicht einhält. Diesen Grundsatz des Vertretenmüssens belegt bereits die Satzungsformulierung in § 18 Abs. 1 Buchst. a PO 2010, nach der die Bachelorprüfung endgültig nicht bestanden ist, wenn ein Modulprüfung nicht fristgemäß absolviert wird, „es sei denn, der bzw. die Studierende habe die Fristversäumnis nicht zu vertreten“. Für die Annahme eines solchen Ausnahmefalls besteht kein Anlass. Der Kläger hatte vor Ablauf der regulären Modulfristen (mindestens) dreimal Gelegenheit – ungehindert von etwaigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen – die Klausuren „Mathematik 2 für Wirtschaftswissenschaftler“ und „Mikroökonomik für Betriebswirte“ zu absolvieren (s.o. (4) (a) (aa)). Unabhängig davon dürfen die Wertungen des Satzungsgebers, die vorliegend eine Verlängerung der Modulfrist mangels besonderen Härtefalls und mangels hinreichenden rechtzeitigen Antrags ausschließen (s.o. (4)), nicht durch die Annahme eines Ausnahmefalls nach § 18 Abs. 1 Buchst. a PO 2010 umgangen werden.

64

c. Die einschlägigen Satzungen – PO 2010 und FSB 2012 – bieten eine wirksame Rechtsgrundlage für die Abnahme der verpflichtenden Prüfungsleistungen „Mathematik 2 für Wirtschaftswissenschaftler“ sowie „Mikroökonomik für Betriebswirte“. Sie genügen, soweit Anlass zur Überprüfung bestand, höherrangigen Vorgaben. Eine gesetzlich nicht vorgesehene Kumulation von Modulfristen mit einer Beschränkung der Anzahl der Wiederholungsversuche findet sich in den einschlägigen Satzungen nicht (hierzu unter aa.). Der verpflichtende Charakter der Prüfungsleistungen ist mit den Grundrechten vereinbar (hierzu unter bb.). Die Dauer der Prüfungsleistung ist in einer dem gesetzlichen Regelungsauftrag noch genügenden Weise normativ bestimmt (hierzu unter cc.).

65

aa. Die PO 2010 und die FSB 2012 begegnen nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil nach dem zum Zeitpunkt des Satzungserlasses gültigen § 65 HmbHG 2001 a.F. die Bestimmung von Modulfristen und die Beschränkung der Anzahl der Wiederholungsversuche nicht kumulativ Anwendung finden durften (dazu s.o. b. cc. (4) (b) (bb)). Zwar enthält § 10 Abs. 2 Satz 3 PO 2010 eine Ermächtigung, in den Fachspezifischen Bestimmungen die Anzahl der Prüfungsversuche auf drei zu beschränken. Davon ist jedoch in den auf das Studium des Klägers zeitlich anwendbaren FSB 2012 kein Gebrauch (mehr) gemacht worden, so dass allein eine Modulfristregelung ohne Kumulation mit einer Beschränkung der Anzahl der Prüfungsversuche Geltung beansprucht.

66

bb. Das Erfordernis des Abs. 1 Buchst. a FSB 2012 zu § 4 Abs. 3 und 4 PO 2010, dass zum Bestehen der Bachelorprüfung der Betriebswirtschaftslehre, die Prüfungsleistungen „Mathematik 2 für Wirtschaftswissenschaftler“ sowie „Mikroökonomik für Betriebswirte“ bestanden werden müssen, ist mit den Grundrechten vereinbar. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 29.5.2013, 6 C 18/12, DVBl. 2013, 1122, juris Rn. 27), der sich die Kammer bereits angeschlossen hat (VG Hamburg, Urt. v. 14.12.2016, 2 K 6704/15) und der sich das erkennende Gericht anschließt, genügt eine Regelung, nach der das Nichtbestehen einer Teilprüfung zum Nichtbestehen der Gesamtprüfung führen soll, den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG, wenn die Teilprüfung schon für sich genommen eine zuverlässige Grundlage für die Beurteilung der Eignung des Prüflings bietet; ob dies der Fall ist, obliegt dabei regelmäßig in weitem Umfang der eigenen Einschätzung des Normgebers, die gerichtlich nur beanstandet werden darf, wenn sie offenkundig sachlich unvertretbar ist. Diese dem Normgeber eingeräumte Einschätzungsprärogative ist vorliegend nicht überschritten. Nach der Modulübersicht in der Anlage zu den FSB 2012 ist das Modul „Mikroökonomik für Betriebswirte“ auf folgende Lernergebnisse ausgerichtet:

67

„Fähigkeit zum Verständnis und zur kritischen Analyse grundlegender ökonomischer Konzepte und Modelle; Befähigung, Konsequenzen für das unternehmerische Handeln zu erkennen und problemadäquate Lösungen zu formulieren; Selbständige Anwendung wissenschaftlicher Theorien und empirischer Erkenntnisse auf praktische Probleme; Entwicklung eines intuitiven Verständnisses für die Auswirkungen von Unternehmensentscheidungen auf die Effizienz von Märkten; Fähigkeit zur Analyse einzelwirtschaftlichen Verhaltens von Unternehmen, Konsumenten und Staat; Einschätzung der Wirkungen staatlicher Eingriffe auf das Marktgeschehen; Erwerb von Kenntnissen über die Interaktion von Märkten und Unternehmen.“

68

Das Modul „Mathematik 1 und 2 für Wirtschaftswissenschaftler“ zielt nach der Modulübersicht ab auf:

69

„Erlernen der im Rahmen eines wirtschaftswissenschaftlichen Studiums benötigten mathematischen Grundfertigkeiten. Transfer und Vertiefung der in der Vorlesung vorgestellten Techniken durch eigenständige aktive Anwendung des Gelernten beim Lösen von Übungsaufgaben.“

70

Die Einschätzung des Satzungsgebers, die Vermittlung dieser auf das ökonomische Fach bezogenen Fähigkeiten und methodischen Fertigkeiten für einen ersten akademischen Abschluss in Betriebswirtschaftslehre für unentbehrlich zu erachten, ist nicht offensichtlich sachlich unvertretbar und deshalb zugrundezulegen.

71

cc. Die Dauer der Prüfungsleistung ist in einer dem gesetzlichen Regelungsauftrag des § 60 Abs. 2 Nr. 4 des Hamburgischen Hochschulgesetzes (v. 19.7.2001, HmbGVBl. S. 171 m. spät. Änd. – HmbHG 2001) noch genügenden Weise normativ bestimmt. Nach dieser Gesetzesvorschrift sind in Hochschulprüfungsordnungen, die – wie hier – Prüfungen in modularisierten Studiengängen, Zwischen- und Abschlussprüfungen oder Abschlussprüfungen betreffen, insbesondere Bestimmungen aufzunehmen über Zahl, Art, Dauer und Bewertung von Prüfungsleistungen. Das Teilmodul „Mathematik 2 für Wirtschaftswissenschaftler“ und das Modul „Mikroökonomik für Betriebswirte“ sind jeweils mit einer Klausur abzuschließen (s.o. b. cc. (1)). Das erkennende Gericht wiederholt die nachfolgend wiedergegebenen Ausführungen der Kammerrechtsprechung (VG Hamburg, Urt. v. 14.12.2016, 2 K 6704/15):

72

„Für die Dauer dieser Prüfungsleistung ist in § 13 Abs. 4 Buchst. a PO 2010 ein Rahmen von 45 Minuten bis 180 Minuten satzungsmäßig bestimmt. Innerhalb dieses Rahmens bleibt die minutengenaue Festlegung der Prüfungsdauer gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 PO 2010 den Prüfern überlassen. Nach dem Maßstab des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG 2001 (hierzu unter [(1)]) genügt die normative Bestimmung der Dauer der Prüfungsleistung durch Angabe eines durch eine Höchst- und eine Mindestdauer bezogenen Rahmens dem gesetzlichen Regelungsauftrag (hierzu unter [2]).

73

[(1)] Der Maßstab des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG 2001 ergibt sich aus Folgendem:

74

Zur Auslegung der gesetzlichen Vorgaben des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG knüpft die Kammer zunächst an ihre nachfolgend wiedergegebene Rechtsprechung (VG Hamburg, Urt. v. 5.11.2015, 2 K 950/14, juris Rn. 42, Hervorhebung nur hier) an:

75

‚§ 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG erfordert es, dass diese Bestimmungen konkret in der Prüfungsordnung selbst geregelt werden (vgl. Delfs, in Neukirchen, Reußow/Schomburg, Hamburgisches Hochschulgesetz, 2011, § 60 Rn. 4). […] Dabei betreffen die Bestimmungen gemäß § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG die Prüfungsanforderungen und damit 'zentrale Elemente der Hochschulprüfungsordnung' (Delfs, a.a.O, § 60 Rn. 8). Hieraus folgt, dass ein strenger Maßstab anzulegen ist: Zahl, Art, Dauer und Bewertung von Prüfungsleistungen sind – hinreichend konkret – in der Prüfungsordnung selbst zu regeln, eine Regelung in einem anderen Dokument – auch in einer Studienordnung – ist nicht zulässig.‘

76

Die Kammer ergänzt ihre Ausführungen dahingehend, dass die Dauer der Prüfungsleistung dann noch 'hinreichend konkret' angegeben ist, wenn die Prüfungsordnung für die Anfertigung der Prüfungsleistung einen Zeitrahmen vorgibt, sofern der Zeitrahmen nicht zu weit ist, um eine normative Eingrenzung vorzunehmen. Soweit der Satzungsgeber den Prüfern innerhalb des von ihm durch § 13 Abs. 4 Buchst. a PO 2010 bestimmten Rahmens die minutengenaue Festlegung der Prüfungsdauer nach § 13 Abs. 2 Satz 1 PO 2010 überlassen hat, liegt darin keine – unzulässige – Delegation einer Normsetzungskompetenz. Vielmehr beruht der den Prüfern im Einzelfall verbleibende Spielraum auf der – im Einklang mit der gesetzlichen Vorgabe – beschränkten Konkretisierungsdichte der Satzungsbestimmung über die Dauer der Prüfungsleistung. Ein normatives Defizit der Prüfungsordnung ist insoweit nicht festzustellen. Denn der gesetzgeberische Regelungsauftrag an den Satzungsgeber geht nicht so weit, dass die Dauer der Prüfungsleistung in der Prüfungsordnung notwendigerweise minutengenau festgelegt werden müsste. Diese Auslegung des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG stützt sich auf den Wortlaut des Gesetzes, die gesetzliche Systematik sowie auf den Gesetzeszweck, der aus der Gesetzgebungsgeschichte im Lichte der verfassungsrechtlichen Anforderungen abzuleiten ist. Im Einzelnen:

77

Aus dem Gesetzwortlaut folgt das Erfordernis, in der Prüfungsordnung eine zeitliche Vorgabe zu machen. Dem ist aber bereits dann Genüge getan, wenn ein hinreichend enger Zeitrahmen bestimmt ist, der durch die Prüfer auszuschöpfen ist. Der Wortlaut 'Bestimmungen über Dauer von Prüfungsleistungen' erfordert hingegen nicht notwendig eine minutengenaue Vorgabe der Prüfungszeit.

78

Die dem Wortlaut des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG 2001 innewohnende Offenheit bestätigt sich in gesetzessystematischer Hinsicht durch einen Vergleich mit dem Wortlaut des § 60 Nr. 2, 3, 5, 6, 7, 9, 10, 12, 13, 14, 16 HmbHG 2001. In diesen Katalognummern ist jeweils vom bestimmten Artikel Gebrauch gemacht. So sind danach etwa Bestimmungen über „die Voraussetzungen für die Zulassung zur Prüfung“ in die Prüfungsordnung aufzunehmen. Demgegenüber werden durch § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG 2001 lediglich – artikellos – 'Bestimmungen […] über Dauer […] von Prüfungsleistungen' gefordert.

79

Der vom Gesetzgeber mit der Katalognummer des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG 2001 verfolgte Gesetzeszweck ist derselbe, wie der mit der insoweit wortlautgleichen Katalognummer in der Vorgängervorschrift § 54 Abs. 1 UAbs. 2 Nr. 4 HmbHG 1978 (v. 22.5.1978, HmbGVBl. S. 109, vgl. § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HmbHG 1991 i.d.F. v. 2.7.1991, HmbGVBl. S. 249) verfolgte. Die Begründung zur Neufassung des Hamburgischen Hochschulgesetzes (Bü.-Drs. 16/5759 S. 47) bietet keinen entgegenstehenden Anhaltspunkt. Dort heißt es zu § 60 HmbHG 2001:

80

'Die Bestimmung (bisher § 54) ist aktualisiert worden.

81

Beim notwendigen Inhalt von Hochschulprüfungsordnungen nach Absatz 2 sind zusätzlich berücksichtigt worden […]'

82

Nach der damaligen gesetzlichen Systematik ist nicht anzunehmen, dass der Wille des Gesetzgebers des HmbHG 1978 dahin ging, dem Satzungsgeber eine abschließende minutengenaue Festlegung der Prüfungsdauer aufzuerlegen. In § 54 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 1 HmbHG 1978 war die § 60 Abs. 1 HmbHG 2001 entsprechende Bestimmung enthalten, dass Prüfungsordnungen Prüfungsanforderungen und -verfahren regeln. In § 54 Abs. 1 UAbs. 1 Sätze 2 und 3 HmbHG 1978 war bestimmt, dass die Prüfungsordnungen die Beendigung der Abschlussprüfung grundsätzlich innerhalb der Regelstudienzeit oder zuzüglich eines Zeitraums von höchstens sechs Monaten vorsehen und Prüfungsanforderungen und -verfahren entsprechend zu gestalten sind. Der Katalog der Gegenstände, über die insbesondere Bestimmungen in die Prüfungsordnung aufzunehmen sind, war in § 54 Abs. 1 UAbs. 2 HmbHG 1978 zu finden. Die Bestimmungen des § 54 Abs. 1 HmbHG beruhten auf § 53 Abs. 1 des Gesetzesentwurfs, zu dessen Begründung es im Gesetzgebungsverfahren lediglich hieß (Bü.-Drs. 8/2649, S. 57 f.):

83

'Die Forderung des Absatzes 1, daß in den Prüfungsordnungen die materiellen Anforderungen ebenso abschließend zu regeln sind wie das Prüfungsverfahren, entspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen. Der Bewerber muss übersehen können, wie er sich vor und während der Prüfung einzurichten hat. Ferner müssen Prüfungsanforderungen und -verfahren so geregelt werden, daß die Abschlußprüfung auch innerhalb der Regelstudienzeit oder – wenn die betreffende Prüfungsordnung dies vorsieht, weil es den Gegebenheiten des Studiengangs besser gerecht wird – innerhalb eines zusätzlichen Zeitraums von höchstens sechs Monaten abgelegt werden kann.'

84

Für die Auslegung der in § 54 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 1 HmbHG 1978 (nunmehr § 60 Abs. 1 HmbHG 2001) Gesetz gewordenen und im Wortlaut sehr abstrakt bleibenden Forderung an den Satzungsgeber, die Prüfungsanforderungen und das -verfahren zu regeln, geht aus der zitierten Entwurfsbegründung hervor, dass mit Prüfungsanforderungen die materiellen Anforderungen gemeint sind und diese ebenso „abschließend“ zu regeln sind wie das Prüfungsverfahren. Dies scheint zunächst auf eine vom Gesetzgeber geforderte Totalregelung hinsichtlich aller nur denkbaren formellen und materiellen Aspekte der Hochschulprüfung hinzudeuten. Jedoch geht aus der Entwurfsbegründung der Wille des Gesetzgebers hervor, mit der an den Satzungsgeber gestellten Forderung nicht mehr zu tun als rechtsstaatlichen Grundsätzen zu genügen. Auch hat der Gesetzgeber die Pauschalforderung des § 54 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 1 HmbHG 1978 (nunmehr § 60 Abs. 1 HmbHG 2001) selbst nicht für erschöpfend und abschließend erachtet, sondern ihr in § 54 Abs. 1 UAbs. 2 HmbHG 1978 (nunmehr § 60 Abs. 2 HmbHG 2001) einen Katalog der Aspekte zur Seite gestellt, über die „insbesondere“ Bestimmungen in die Prüfungsordnung aufzunehmen sind. Für die geforderte Konkretisierungsdichte innerhalb des Katalogs ergibt sich daraus kein zwingender Schluss.

85

Den Gesetzgebungsmaterialien der Vorgängervorschrift kann allenfalls entnommen werden, dass der Gesetzgeber den Satzungsgeber anhalten wollte, rechtstaatlichen Grundsätzen zu genügen. Diesem rechtsstaatlichen Gebot entspricht ausweislich der zitierten Entwurfsbegründung bereits die allgemeine Regelung in § 60 Abs. 1 HmbHG (Baasch/Delfs, HmbHG, 2. Aufl. 2016, § 60 Rn. 3). Aus der besonderen Regelung in § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG geht vor diesem Hintergrund nur hervor, dass der Gesetzgeber dem Satzungsgeber über die rechtsstaatlichen Anforderungen hinausgehend aufgegeben hat, die Abnahme der Prüfungsleistung in zeitlicher Hinsicht nicht ohne jede normative Eingrenzung zu lassen, vorzugsweise also eine Mindestdauer und eine Höchstdauer festzulegen. Rechtsstaatliche Anforderungen erzwingen jedoch keine minutengenaue Festlegung der Prüfungsdauer der Klausur. Die aus Demokratieprinzip, Rechtstaatsprinzip und den Grundrechten hergeleitete Wesentlichkeitstheorie, nach der alle Fragen, die für die Ausübung der Grundrechte wesentlich sind, vom Gesetzgeber als Legislative selbst zu entscheiden sind (vgl. BVerfG, Urt. v. 18.7.1972, 1 BvL 32/70 u.a., BVerfGE 33, 303, juris Rn. 86 f.; Beschl. v. 21.12.1977, 1 BvL 1/75 u.a., BVerfGE 47, 46, juris Rn. 89 ff.), gibt nicht unmittelbar dafür etwas her, welche Gegenstände der Satzungsgeber als Teil der Exekutive regeln muss. Vielmehr ist anerkannt, dass den Hochschulen im Rahmen der sich vor allem aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Grundsätze der Chancengleichheit und des prüfungsrechtlichen Fairnessgebots immer noch ein erheblicher Gestaltungsspielraum für konkrete Festlegungen vor allem zum Prüfungsverfahren, Prüfungsstoff und zu den Voraussetzungen für das Bestehen verbleibt (Baasch/Delfs, a.a.O., Rn. 2). Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten wird einerseits durch die Grundrechtspositionen der Studierenden gemäß Art. 12 Abs. 1 GG, andererseits durch die in Art. 5 Abs. 3 GG enthaltene objektive, das Verhältnis von Wissenschaft, Forschung und Lehre zum Staat regelnde, wertentscheidende Grundsatznorm begrenzt (BVerfG, Beschl. v. 26.6.2015, 1 BvR 2218/13, NVwZ 2015, 1444, juris Rn. 18). Zu den rechtsstaatlichen Anforderungen gehört es zwar, zeitliche Vorgaben für die einzelnen Prüfungsleistungen vorzusehen (Lenz, in Epping, Hrsg., Niedersächsisches Hochschulgesetz, 1. Aufl. 2016, § 7 Rn. 63). Doch ist insoweit damit nicht das Gebot einer normativen Totalregelung ohne jeden Spielraum verbunden. Insoweit ist nicht der Zugang zu Studium und Prüfung selbst betroffen (dazu vgl. OVG Münster, Beschl. v. 15.6.2015, 13 B 505/15, juris Rn. 5), sondern die Ausgestaltung der Prüfung.

86

Belässt der Normgeber einer Hochschulprüfungsordnung den Prüfern für die Abnahme einer Prüfung einen Spielraum, indem er hinsichtlich der Dauer der Prüfungsleistung statt einer fixen Vorgabe einen gewissen Zeitrahmen bestimmt, so lassen sich dafür sachliche Gründe finden. Dies gilt selbst ausgehend davon, dass die Lehrfreiheit der Hochschullehrer aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG grundsätzlich nicht durch normative Festlegungen zum Umfang der Prüfungsleistung berührt sind (Lenz, a.a.O., Rn. 61), sondern allenfalls dann, wenn davon Rückwirkungen auf die inhaltliche und methodische Gestaltung der Lehrveranstaltung ausgehen (BVerwG, Beschl. v. 22.8.2005, 6 BN 1/05, NVwZ-RR 2006, 36, juris Rn. 4). Die der Hochschule eröffneten gesetzlichen Spielräume dürfen nicht in einer vom Gesetzgeber nicht intendierten und mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unvereinbaren Weise verengt werden (BVerfG, Beschl. v. 26.6.2015, a.a.O., Rn. 23). Dies spricht für eine Auslegung des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG, der Hochschule als Satzungsgeber die Entscheidung darüber vorzubehalten, ob die Satzung selbst oder – in einem von der Satzung gezogenen Rahmen – die Prüfer die Prüfungsdauer minutengenau festlegen. Es erscheint auch nicht sachwidrig, wenn die Hochschule die Konkretisierungsdichte der Satzungsbestimmung über die Dauer der Prüfungsleistung beschränkt, um dadurch den Prüfern einen Spielraum zu belassen, wie weit sie den zum Gegenstand der konkreten Klausur gemachte Ausschnitt des sich aus der Modulbeschreibung ergebenden Prüfungsstoffs ziehen und wie lange zu diesem Zweck die Klausur dauern soll.

87

Das Gebot der Chancengleichgleichheit in berufsbezogenen Prüfungen aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG, welches das Prüfungsrecht beherrscht (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, juris Rn. 53), erfordert nichts anderes. Dem Gebot vergleichbarer Prüfungsbedingungen kann auch ohne eine bereits in der Satzung fixe Festlegung der Prüfungsdauer Genüge getan werden. Innerhalb eines Prüfungstermins folgt aus dem Gebot der Chancengleichheit, dass die Prüfungsbedingungen einschließlich der Prüfungsdauer, so gut es geht, gleich sein müssen. Außerhalb desselben Prüfungstermins genügt es, dass die Prüfer die Prüfungszeit im Rahmen sachgerechter Gesichtspunkte unter Beachtung der Chancengleichheit der Prüflinge festsetzen (OVG Münster, Beschl. v. 15.7.2011, 14 B 699/11, juris Rn. 10). Insoweit kann in Ermangelung einer normativen Vorgabe die ständige Übung als Maßstab zugrunde gelegt worden, von dem etwaige Abweichungen zu rechtfertigen sind (OVG Münster, Urt. v. 4.12.2013, 14 A 2138/12, juris Rn. 27). Auch muss sich der Prüfling bereits vor Anfertigung der Prüfungsleistung auf die angesetzte Prüfungsdauer einstellen können. Der Prüfling ist dadurch weder rechtlos noch rechtsschutzlos gestellt. Auf rechtzeitige und substantiierte Rüge hin kann er überprüfen lassen, ob die benannten rechtsstaatlichen Anforderungen im Einzelfall erfüllt sind.

88

Dem entspricht es, dass in der Rechtsprechung auch der Obergerichte kein Verstoß gegen die jeweils einschlägigen höherrangigen Anforderungen, einschließlich der genannten verfassungsrechtlichen Anforderungen gesehen wird, wenn es in den Prüfungsbestimmungen an einer fixen normativen Vorgabe für die Dauer einer berufsbezogenen Prüfung fehlt. Unbeanstandet geblieben sind Prüfungsbestimmungen, welche hinsichtlich der Dauer einer Prüfungsleistung lediglich eine ungefähre Dauer festlegen (OVG Münster, Urt. v. 17.7.1991, 22 A 1533/89, juris Rn. 5), nur eine Höchstdauer bestimmen (VG Düsseldorf, Urt. v. 2.5.2007, 15 K 676/06, juris Rn. 56; vgl. OVG Münster, Beschl. v. 24.5.2006, 14 B 610/06, juris Rn. 7; VG Hamburg, Urt. v. 14.9.2016, 2 K 295/16) oder nur eine Mindestdauer bestimmen (VG München, Urt. v. 10.7.2012, M 16 K 12.377, juris Rn. 9). Ein in den Prüfungsbestimmungen vorgegebener Zeitrahmen ist gleichfalls in der Rechtsprechung unbeanstandet geblieben (FG Hannover, Urt. v. 24.4.2008, 6 K 26/08, EFG 2008, 1156, juris Rn. 21; VG Berlin, Urt. v. 25.2.2015, 12 K 324.14, juris Rn. 19).

89

Der § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG zu entnehmende gesetzgeberische Regelungsauftrag, Bestimmungen über die Dauer von Prüfungsleistungen aufzunehmen, läuft in dieser Auslegung auch nicht leer. Die Gesetzesvorschrift gibt dem Satzungsgeber auf, die Prüfungszeit sowohl durch Angabe einer Höchstdauer 'nach oben' als auch durch Angabe einer Mindestdauer 'nach unten' zu begrenzen. Dies wäre ohne § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG nicht selbstverständlich. Denn es begegnen, wie die zitierte Rechtsprechung belegt, vielfach Prüfungsbestimmungen, die keine Vorgabe über die Prüfungszeit enthalten oder die Prüfungszeit nur 'nach oben' oder nur 'nach unten' begrenzen und im Übrigen offen lassen. Allerdings darf der in der Prüfungsordnung angegebene Zeitrahmen nicht so weit gefasst sein, dass der Prüfungsordnung hinsichtlich der Dauer der Prüfungsleistung jede praktische Steuerungswirkung abzusprechen wäre. Denn der Gesetzgeber hat mit der spezifischen Vorgabe in § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG ersichtlich darauf abgezielt, dass der Prüfungsordnungsgeber selbst eine Eingrenzung der Prüfungsdauer vornimmt. Ob die gebotene normative Eingrenzung der Prüfungszeit gegeben ist, bemisst sich dabei anhand des vorfindlichen Spektrums, in dem sich die Dauer von berufsbezogenen Prüfungen üblicherweise bewegt.

90

[2] Nach dem vorstehenden Maßstab ist der in § 13 Abs. 4 Buchst. a PO 2010 gezogene Rahmen, dass die Klausur mindestens 45 und höchstens 180 Minuten dauert, – noch – hinreichend eng, um dem Regelungsauftrag des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG gerecht zu werden.

91

Die eröffnete Spannweite ist zwar in relativer Hinsicht beachtlich – die Maximaldauer ist viermal so lang wie die Minimaldauer einer Klausur. In einer Klausur von geringerer Dauer kann der Prüfer nur einen kleineren Ausschnitt des der Lehrveranstaltung entsprechenden Prüfungsstoffs abprüfen als dies bei einer längeren für die Anfertigung der Klausur zur Verfügung stehenden Zeit der Fall wäre. Doch ändert sich in absoluter Hinsicht für den Prüfling das Wesen der Prüfung nicht. Eine Klausur von knapp einer Stunde einerseits oder eine Klausur von drei Stunden andererseits stellt für einen Prüfling eine gewisse, aber doch begrenzte Belastung dar. Der Prüfling muss auf den der Lehrveranstaltung entsprechenden Prüfungsstoff vorbereitet sein, unabhängig davon, ob er nun in einem größeren oder einem kleineren Ausschnitt zum Gegenstand der Klausur gemacht wird.

92

Ein Fall mangelnder normativer Eingrenzung ist nicht festzustellen. Vielmehr ist in § 13 Abs. 4 Buchst. a PO 2010 durch die dort festgelegte Mindestdauer der Klausur von 45 Minuten eine untere Grenze und durch die dort festgelegte Höchstdauer von 180 Minuten eine obere Grenze gezogen, die aus dem vorfindlichen Spektrum, in dem sich die Dauer von berufsbezogenen Prüfungen üblicherweise bewegt, einen gewissen Ausschnitt im unteren bis mittleren Bereich herausgreift und damit die Dauer der Prüfungsleistung normativ bestimmt. Das vorfindliche Spektrum der üblichen Dauer schriftlicher Prüfungen reicht weit über das Doppelte der in § 13 Abs. 4 Buchst. a PO festgesetzten Höchstdauer der Klausur von drei Stunden hinaus. So dauert beispielsweise eine Aufsichtsarbeit in der Bilanzbuchhalterprüfung vier Stunden (gemäß § 5 Abs. 3 der Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Fortbildungsabschluss Geprüfter Bilanzbuchhalter und Geprüfte Bilanzbuchhalterin v. 26.10.2015; BGBl. I S. 1819 – BibuchhFPrV 2015), eine Aufsichtsarbeit in der zweiten Staatsprüfung für Juristen fünf Stunden (gemäß § 8 Abs. 1 der Übereinkunft der Länder Freie Hansestadt Bremen, Freie und Hansestadt Hamburg und Schleswig-Holstein über ein Gemeinsames Prüfungsamt und die Prüfungsordnung für die zweite Staatsprüfung für Juristen, ratifiziert durch Gesetz v. 26.6.1972, HmbGVBl. S. 119; m. spät. Änd. – LÜ), eine Aufsichtsarbeit in der Steuerberaterprüfung vier bis sechs Stunden (gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften v. 12.11.1979, BGBl. I S. 1922, m. spät. Änd. – DVStB) und eine Aufsichtsarbeit in der Lebensmittelchemikerprüfung acht Stunden (gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für staatlich geprüfte Lebensmittelchemikerinnen und Lebensmittelchemiker v. 3.11.2015, HmbGVBl. S. 294 – APO-LMChem). In § 13 Abs. 4 Buchst. a PO 2010 ist auch eine untere Grenze der Prüfungsdauer gezogen und auf 45 Minuten festgesetzt. Die praktische Wirksamkeit dieser normativen Festsetzung zeigt sich darin, dass ohne die angegebene Mindestdauer auch ein Kurztest von geringerer Dauer als Prüfungsleistung nicht ausgeschlossen wäre.“

93

2. Soweit der Kläger begehrt, die Beklagte unter Aufhebung der Versagung im Bescheid vom 6. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. November 2015 zu verpflichten, im Bachelorstudiengang Betriebswirtschaftslehre eine Modulfristverlängerung für die Ablegung der Prüfungen im Teilmodul „Mathematik 2 für Wirtschaftswissenschaftler“ sowie im Modul „Mikroökonomik für Betriebswirte“ zu gewähren, ist die Klage nach § 113 Abs. 5 VwGO nicht begründet. Die Versagung der begehrten Modulfristverlängerungen ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Eine Modulfristverlängerung kann dem Kläger nach § 10 Abs. 3 PO 2010 nicht gewährt werden, weil die satzungsmäßigen Voraussetzungen aus mehreren selbständig tragenden Gründen nicht vorliegen (s.o. 1. b. cc. (4)).

II.

94

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit unter Abwendungsbefugnis beruht auf § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

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Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 16. Jan. 2017 - 2 K 6510/15 zitiert 13 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 12


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. (2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 108


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 5


(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Fi

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 87a


(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,1.über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;2.bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auc

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 121 Anfechtungsfrist


(1) Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rech

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 70


(1) Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes oder zur Niederschrift bei der Behörde zu e

Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Berufsausübungsgesellschaften - StBDV | § 18 Fertigung der Aufsichtsarbeiten


(1) Die Prüfungsaufgaben der Aufsichtsarbeiten werden von der für die Finanzverwaltung zuständigen obersten Landesbehörde im Einvernehmen mit den übrigen für die Finanzverwaltung zuständigen obersten Landesbehörden gestellt. Sie bestimmt die zulässig

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Tatbestand 1 Das Revisionsverfahren betrifft die Frage, ob Bestimmungen der Studien- und Prüfungsordnung der Beklagten für den Studiengang Rechtswissenschaft vom 12. Aug

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(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten;
6.
über die Beiladung.

(2) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle der Kammer oder des Senats entscheiden.

(3) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Im Umfang von Ziffer 2 des Bescheidtenors wird der Bescheid vom 25. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme der Promotion und die Rückforderung der Promotionsurkunde.

2

Nach dem Studium der Rechtswissenschaft an der beklagten Hochschule bestand der Kläger am 18. Dezember 1995 die Erste Juristische Staatsprüfung.

3

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 1. Juni 1997 die Zulassung zur Promotion beim damaligen Fachbereich Rechtswissenschaft I der Beklagten. Er gab dabei die Versicherung gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3 PromO 1972 ab, dass er die Dissertation selbst angefertigt und nur die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Die vorgelegte Dissertation mit dem Titel: „…“ bewerteten der Betreuer der Dissertation und Erstgutachter Prof. Dr. A. in seinem Votum vom 16. Oktober 1997 und der Zweitgutachter Prof. Dr. B. in seinem Votum vom 23. Dezember 1997 jeweils mit der Note „magna cum laude“. Am 28. Januar 1998 bestand der Kläger das Kolloquium vor den Prüfern Prof. Dr. C., Prof. Dr. A. sowie Prof. Dr. D.. Der Sprecher des Fachbereichs Rechtswissenschaft I fertigte eine auf diesen Tag datierte Promotionsurkunde aus, mit der dem Kläger der Grad eines Doktors der Rechte verliehen wurde.

4

Nach Bestehen der Großen Juristischen Staatsprüfung am 19. Mai 2000 nahm der Kläger die freiberufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt auf.

5

Auf Antrag des Klägers vom 19. Dezember 2007 gewährte der damalige Dekan der Fakultät für Rechtswissenschaft der Beklagten und Vorsitzende des Habilitationsausschusses Prof. Dr. E. ihm am 15. Januar 2008 die Zulassung zur Habilitation. Der Kläger legte eine Habilitationsschrift vor unter dem Titel: „…“. Der Erstgutachter Prof. Dr. F. schlug in seinem Votum vom 26. April 2008 die Annahme der Habilitationsschrift vor. Hingegen schlug der Zweitgutachter Prof. Dr. G. in seinem Votum vom 19. Juni 2008 die Ablehnung vor und führte aus:

6

„Für eine wissenschaftliche Abhandlung ernstlich bedenklich ist indes, dass Verf. seine Thesen kaum argumentativ herausarbeitet, sondern im Wesentlichen behauptet […]. Gänzlich verstörend wirkt freilich, dass sich in den Schrifttumsnachweisen des geschilderten Abschnitts […] kein einziger Nachweis findet, der jünger als 13 Jahre wäre […] Des Rätsels Lösung besteht darin, dass Verf. an dieser Stelle der Arbeit in großen Teilen sowohl Text wie auch Fußnoten aus den S. 36 ff. seiner Dissertation aus dem Jahre 1998 […] wörtlich übernommen hat. Nun ist ein 'selbstreferenzielles' Vorgehen bekanntlich zwar nicht urheberrechtlich unzulässig, aber jedenfalls dann wissenschaftlich unredlich, wenn der Autor sich noch nicht einmal die Mühe macht, Text und Fußnoten zu aktualisieren.“

7

Der im ursprünglichen Promotionsverfahren als Betreuer der Dissertation tätig gewordene Prof. Dr. A. wandte sich mit Schreiben vom 5. Dezember 2008 gegen dieses die Habilitationsschrift betreffende Zweitvotum. Gleichwohl beschloss der Habilitationsausschuss in seiner Sitzung vom 14. Januar 2009, dass die Habilitationsschrift unzureichend sei. Der Kläger wandte sich mit diversen Schreiben seiner Bevollmächtigten gegen diese Einschätzung.

8

Unmittelbar vor einer auf den 27. Mai 2009 angesetzten Sitzung des Habilitationsausschusses unter dem Vorsitz von Prodekan Prof. Dr. D. als Vertreter des krankheitsbedingt fehlenden Dekans fand eine Unterredung des Vorsitzenden mit dem Bevollmächtigten des Klägers Rechtsanwalt H. statt. In dem Protokoll der anschließenden Sitzung des Habilitationsausschusses heißt es:

9

„In diesem Gespräch haben sich der Vorsitzende und Herr Rechtsanwalt H. darauf verständigt, dass auf die Erörterung der schriftlichen Habilitationsleistung (§ 9 Abs. 2 Satz 3 der Habilitationsordnung) im gegenseitigen Einvernehmen verzichtet wird. Der Habilitationsausschuss billigt diese Einigung.

10

Der Vorsitzende berichtet weiter, dass er Herrn Rechtsanwalt H. eine Schriftsatzfrist von zwei Monaten anbietet. Innerhalb dieser Frist soll ein Gespräch zwischen [dem Kläger], gegebenenfalls unter Beteiligung seiner Rechtsbeistände, und Herrn Prof. Dr. I. zu der Frage stattfinden, inwieweit es möglich ist, durch Ausgliederung eines Teils der bisher vorgelegten Arbeit und dessen vertiefte, dem Stand der Diskussion und der Rechtslage entsprechende Behandlung das Verfahren voranzutreiben. Herr Prof. Dr. I. erklärt sich zu einem solchen Gespräch bereit und wird im Voraus mit Herrn Prof. Dr. G. diese Frage erörtern. Prof. Dr. G. erklärt sich ebenfalls dazu bereit. Der Ausschuss billigt auch dieses Vorgehen.

11

[…] Mit diesem Angebot der Fakultät ist noch keine Garantie einer günstigen Entscheidung verbunden. Vielmehr behält sich der Ausschuss eine Neubewertung des überarbeiteten Teils der Arbeit vor.“

12

In der Folgezeit arbeitete der Kläger seine Habilitationsschrift um, jetzt unter dem Titel: „…“. Der nunmehr als Erstgutachter tätig gewordene Prof. Dr. I. in seinem Votum vom 25. März 2010 sowie daran anschließend der Zweitgutachter Prof. Dr. G. in seinem Votum vom 21. April 2010 schlugen eine Annahme der Habilitationsschrift mit einer Einschränkung der Lehrbefugnis (venia legendi) auf das „Gesellschaftsrecht unter besonderer Berücksichtigung des Aktienrechts“ vor.

13

Der Habilitationsausschuss erörterte in seiner Sitzung vom 7. Juli 2010 den Umstand, dass der vormalige Erstgutachter der Habilitationsschrift Prof. Dr. F. auf der Website der vom Kläger gegründeten Rechtsanwaltssozietät J. seit dem 1. Juni 2009 als „of counsel“ genannt worden war. Im Sitzungsprotokoll ist ausgeführt:

14

„Sodann wird unter dem Vorbehalt, dass die Aufklärung keinen Verfahrensmangel ergibt, auf der Grundlage der vorliegenden Gutachten von Prof. Dr. I. und Prof. Dr. G. einstimmig beschlossen, die Habilitationsschrift als schriftliche Habilitationsleistung anzunehmen.“

15

Am 1. Oktober 2010 trat Prof. Dr. K. die Nachfolge von Prof. Dr. E. als Dekan der Fakultät für Rechtswissenschaft und Vorsitzender des Habilitationsausschusses an.

16

Am 17. Mai 2011 teilte Prof. Dr. I. den Mitgliedern des Habilitationsausschusses unter Hinweis auf die Tätigkeit des Prof. Dr. F. für die Rechtsanwaltssozietät des Klägers mit, er ziehe sein Gutachten zurück. Der Habilitationsausschuss möge den Promotionsausschuss bitten, „im Hinblick auf die vom Zweitgutachter G. in seinem ursprünglichen Gutachten aufgedeckten Plagiate in der Dissertation des [Klägers] das Verfahren zur Entziehung des Doktorgrads einzuleiten.“ Prof. Dr. I. teilte ferner mit, er halte sich für befangen.

17

Der Zweitgutachter der Habilitationsschrift Prof. Dr. G. teilte dem Dekan und Vorsitzenden des Habilitationsausschusses Prof. Dr. K. unter dem 20. Mai 2011 mit, er fechte seine Erklärung an, mittels derer er seine Bestellung als Zweitgutachter in dem Habilitationsverfahren angenommen habe und ziehe sein Zweitvotum zurück. Zugleich bat er den Habilitationsausschuss darüber zu entscheiden, ob seiner Mitwirkung im weiteren Verfahren die Besorgnis der Befangenheit entgegenstehe.

18

Der Habilitationsausschuss fasste in seiner Sitzung vom 8. Juni 2011 einen Beschluss, in dem er insbesondere folgende Entscheidungen traf: Prof. Dr. I. und Prof. Dr. G. wurden wegen Besorgnis der Befangenheit aus dem Habilitationsausschuss ausgeschlossen. Der Promotionsausschuss wurde gebeten, den von Mitgliedern des Habilitationsausschusses geäußerten Verdacht eines Plagiats in der Dissertation des Klägers zu prüfen. Bis zu einer Stellungnahme des Promotionsausschusses wurde das Habilitationsverfahren ausgesetzt und der Termin für den Habilitationsvortrag des Klägers am 29. Juni 2011 aufgehoben. Der Habilitationsausschuss entschied, dass er keine schwerwiegenden Verfahrensmängel i.S.d. Vorbehalts der Entscheidung vom 7. Juli 2010 sehe. Im Protokoll der Sitzung vom 8. Juni 2011 heißt es über den vom Habilitationsausschuss am 27. Mai 2009 gefassten Beschluss:

19

„In Anwesenheit der beiden Gutachter und nach vorherigen außergerichtlichen Erörterungen mit den Anwälten [des Klägers] wurde am 27.5.2009 vom Ausschuss eine 'Rettungslösung' beschlossen. [Dem Kläger] sollte die Gelegenheit zur Überarbeitung und Verbesserung seiner Habilitationsschrift bekommen. Über die dazu erforderlichen Schritte sollte ihn Herr I. beraten. Herr I. sollte sodann zur überarbeiteten Fassung ein neues Erstgutachten erstellen, Herr G. erneut ein Zweitgutachten schreiben.“

20

Der Vorsitzende des Habilitationsausschusses Dekan Prof. Dr. K. ersuchte den Vorsitzenden des Promotionsausschusses Prof. Dr. L. unter dem 15. Juni 2011 förmlich um eine durch den Promotionsausschuss zu erbringende Aufklärung „des Verdachts des Plagiats in der Dissertation“ des Klägers.

21

Am gleichen Tag erstattete der Dekan dem Präsidenten der Beklagten über den Gang des Habilitationsverfahrens des Klägers folgenden Bericht:

22

„Der Ausschuss hat am 8. Juni ausführlich über die Konsequenzen für das Verfahren und die gestellten Anträge beraten. Zu den Plagiatsvorwürfen wurde ergänzend erklärt, dass diese in der Tat auch im Ausschuss zu Beginn des Jahres 2009 diskutiert worden seien. Damals war der Ausschuss der Auffassung, dem Hinweise in diesem Verfahren nicht weiter nachgehen zu müssen, da die Habilitationsschrift ohnehin nicht angenommen werde. Nach der Verabredung der 'Rettungslösung' waren die Vorwürfe nicht mehr Gegenstand des Verfahrens und wurden erst jetzt, im Sommersemester 2011 wieder von mehreren Mitgliedern des Ausschusses erhoben.“

23

Der Promotionsausschuss unter dem Vorsitz von Prof. Dr. L. beschloss in seiner 150. Sitzung am 29. Juni 2011, die beiden Gutachter der Habilitationsschrift Prof. Dr. G. und Prof. Dr. I. wegen der geäußerten Plagiatsvorwürfe anzuschreiben. Der Promotionsausschuss beschloss am 6. Juli 2011, in Aussicht zu nehmen, „ggfs. Herrn Prof. D. um eine gutachterliche Stellungnahme zu bitten, sofern sich Anhaltspunkte für einen Verdacht ergeben sollten“. Der Vorsitzende des Promotionsausschusses Prof. Dr. L. bat unter dem 15. August 2011 den am M. tätigen Prof. Dr. N., ein Gutachten zu der Frage zu erstatten, inwieweit sich der Kläger durch „solche Übernahmen von Texten anderer Urheber einer erheblichen Täuschung im Promotionsverfahren schuldigt gemacht hat, so dass ihm gem. § 19 der in diesem Fall gültigen Promotionsordnung der Doktorgrad abzuerkennen wäre.“ Prof. Dr. N. beantwortete die gestellten Fragen in einem auf November 2011 datierten Gutachten wie folgt:

24

„1. Die Dissertation [des Klägers] ist in einem erheblichen, jede Bagatellgrenze deutlich übersteigenden Maße von wissenschaftlicher Unredlichkeit gekennzeichnet – indem Fremdtexte teils wörtlich, teils unter leichter Satzumstellung oder Umformulierung verwandt werden.

25

2. Die Promotion ist rechtswidrig und kann nach § 48 Abs. 3 VwVfG zurückgenommen werden, weil die Dissertation wissenschaftlichen Maßstäben nicht genügt und damit nicht als Promotionsleistung taugt.

26

3. Vertrauensschutz genießt [der Kläger] auch nach fast 14 Jahren nicht – schon weil er arglistig gehandelt hat. Dementsprechend kann auch ein etwaiger 'Erwerbsschaden' durch Promotionsentzug in der Abwägung nicht zu seinen Gunsten ins Gewicht fallen. [Der Kläger] verliert nur das, was er sich unredlich erschlichen hat.“

27

Zuvor waren bereits im August 2011 Plagiatsvorwürfe hinsichtlich der Dissertation des Klägers auf der Homepage der Internetplattform „O.“ veröffentlich worden. Der Wissenschaftsjournalist Priv.-Doz. Dr. P. hatte sich mit E-Mails vom 8. August 2011 an den Dekan Prof. Dr. K. mit einer Anfrage gewandt, die Plagiatsvorwürfe wegen der Dissertation des Klägers betraf. Am 29. August 2011 erschien ein Artikel von Priv.-Doz. Dr. P. im Internetangebot „Q.“ unter dem Titel: „…“ Zu einem späteren Zeitpunkt erstattete der Präsident der Beklagten, Prof. Dr. R., „Strafanzeige gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Weitergabe vertraulicher Informationen an Dritte“ und nahm dabei auf die Online-Publikationen über Plagiatsvorwürfe Bezug. Die Staatsanwaltschaft Hamburg stellte das Ermittlungsverfahren ein, da kein Täter ermittelt werden konnte (Einstellungsnachrichten v. 8.1.2013, ...).

28

Mit Schreiben vom 8. November 2011 informierte der Vorsitzende des Promotionsausschusses Prof. Dr. L. die beiden Gutachter der Dissertation, Prof. Dr. A. und Prof. Dr. B., unter Beifügung des Gutachtens des Prof. Dr. N. über die Vorwürfe und bat um Stellungnahme. Mit Schreiben unter dem gleichen Datum räumte er dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme ein.

29

Unter Bezugnahme auf das an ihn gerichtete Schreiben des Vorsitzenden des Promotionsausschusses wandte sich der Erstgutachter der Dissertation des Klägers, Prof. Dr. A., unter dem 24. November 2011 an den Präsidenten der Beklagten, Prof. Dr. R., monierte den Gang des Habilitationsverfahrens und erhob Bedenken gegen die Qualifikation des Prof. Dr. N. und dessen Gutachten. In dem Gutachten seien keine Plagiate von relevanter Bedeutung nachgewiesen worden und er fühle sich nicht getäuscht.

30

Der Kläger drohte mit E-Mail an den Vorsitzenden des Promotionsausschusses, Prof. Dr. L., vom 16. November 2011 mit rechtlichen Schritten in den Vereinigten Staaten.

31

Der Zweitgutachter der Dissertation Prof. Dr. B. nahm unter dem 1. Dezember 2011 gegenüber dem Vorsitzenden des Promotionsausschusses, Prof. Dr. L., insbesondere wie folgt Stellung:

32

„Ich hatte bereits in meinem Zweitgutachten zur Dissertation [des Klägers] zum Ausdruck gebracht, dass die Dissertation im Wesentlichen nur bereits bekannte Erkenntnisse enthält. Nunmehr zeigt sich, dass [der Kläger] die Arbeit in einem erschreckend großen Umfang von anderen Autoren abgeschrieben hat und dabei ebenfalls in sehr großem Umfang Texte fremder Autoren wörtlich oder fast wörtlich einfach übernommen hat, ohne dies kenntlich zu machen. […] Ich sehe mich in meiner damaligen, für die Beurteilung maßgebenden Annahme getäuscht, dass – mögen auch die Erkenntnisse im Wesentlichen nicht neu gewesen sein – doch die gesamte Darstellung inhaltlich und textlich allein vom Verfasser stammt. Hierin hatte ich die eigene Leistung des Verfassers gesehen. Die Grundlage für diese Beurteilung ist vollständig entfallen.“

33

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2011 bat das Mitglied des Promotionsausschusses Prof. Dr. T. gegenüber dem Vorsitzenden des Promotionsausschusses, Prof. Dr. L., wegen einer an ihn gerichteten E-Mail des Klägers vom 15. Dezember 2011 ihn, Prof. Dr. T., „im Promotionsausschuss für befangen zu erklären“.

34

In seiner Stellungnahme vom 13. Januar 2012 brachte der Kläger vor, der Begriff des Plagiats erfordere die Angabe fremden Gedankenguts unter Nichtnennung der Quelle. Er habe seine Dissertation von einem Germanisten lektorieren lassen. Es hätten Gespräche sowohl im Vorfeld als auch nach Fertigstellung der Arbeit stattgefunden. Dabei sei auch die korrekte Zitierweise erörtert bzw. besprochen worden. Danach sollten Anführungszeichen, wenn überhaupt, nur zu setzen sein, wenn ein ganzer Satz wortwörtlich wiedergegeben werde, ansonsten reiche der Quellennachweis aus, da sonst dem geneigten Leser ein flüssiges Lesen unmöglich wäre. Es sei nicht erforderlich und auch nicht geboten, innerhalb eines Absatzes jeden einzelnen Satz zu zitieren. Innerhalb eines Absatzes sei ein Quellennachweis ausreichend, wenn die einzelnen Sätze in einem engen sachlichen Zusammenhang stünden und für den fachkundigen Leser erkennbar sei, dass die einzelnen Sätze von einem Autor stammten. Der Quellennachweis sei dann je nach Schwerpunktsetzung an das Ende des ersten Satzes oder des letzten Satzes des betreffenden Absatzes zu setzen. Er, der Kläger, habe – ausgehend von einem Festschriftbeitrag des Betreuers der Dissertation Prof. Dr. A. – als Eigenleistung eine herausragende Stellung des Finanzvorstands anerkannt. Der Vorwurf der vorsätzlichen, arglistigen Täuschung sei befremdlich und werde entschieden zurückgewiesen.

35

Der Promotionsausschuss erörterte am 25. April 2012 eine Aberkennung des akademischen Grads des Klägers unter Einbezug der Stellungnahmen des Klägers und der Gutachter. Der Promotionsausschuss fasste den Beschluss:

36

„[Dem Kläger] wird der Doktortitel wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens gem. § 19 S. 2 PromO 1972 und § 48 Abs. 1, Abs. 2 S. 3 Nr. 1, Abs. 4 S. 2 HmbVwVfG entzogen, da sich nachträglich herausgestellt hat, dass die zur Verleihung des Doktortitels erforderlichen Voraussetzungen aufgrund Täuschung und wissenschaftlichen Fehlverhaltens des [Klägers] zum Zeitpunkt der Verleihung des Doktortitels nicht vorgelegen haben.“

37

Der Promotionsausschuss hielt ausweislich des Sitzungsprotokolls dafür, dass der transparente und exakte Nachweis der Verwendung fremder Formulierungen und fremden Gedankenguts nicht erst seit 1999 zum Wesensmerkmal guter wissenschaftlicher Praxis gehöre und ein wesentliches Element der Eigenständigkeit bzw. der Erkennbarkeit der eigenständigen wissenschaftlichen Leistung eines Promovenden sei. Der Promotionsausschuss gehe angesichts Art und Umfang der Nutzung fremder Texte und fremden Gedankenguts, die nicht adäquat nachgewiesen bzw. verschleiert sei, von einer arglistigen Täuschung aus. Der Promotionsausschuss erörterte die Frage, ob angesichts des damit zugleich verbundenen schweren Eingriffs in die Grundrechte des Klägers der Entzug des Doktorgrads noch als verhältnismäßig angesehen werden könne, was aber angesichts des Umfangs und der Art der nicht adäquat erfolgten Kennzeichnung der Übernahme fremden Gedankenguts der Fall sei.

38

Der Vorsitzende des Promotionsausschusses Prof. Dr. L. wurde beauftragt, diesen Beschluss und dessen Begründung dem Dekan zwecks Vollzugs im Außenverhältnis mitzuteilen. Der Dekan der Fakultät für Rechtswissenschaft Prof. Dr. K. fertigte unter dem 25. Juni 2012 den Bescheid, dem Kläger zugestellt am 28. Juni 2012, in dessen Tenor es heißt:

39

„1. Die Verleihung des akademischen Grads eines Doktors der Rechtswissenschaft mit Urkunde vom 28.1.1998 durch den Fachbereich Rechtswissenschaft I wird zurückgenommen. Der Titel wird Ihnen damit nachträglich aberkannt und entzogen.

40

2. Es wird Ihnen aufgegeben, die Promotionsurkunde vom 28.01.1998 an die Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg, Rothenbaumchaussee 33, 20148 Hamburg bis zum 17.08.2012 zurückzugeben.“

41

Zur Begründung wurde ausgeführt: Die Entscheidung finde ihre Rechtsgrundlage in § 48 Abs. 1 und 3 HmbVwVfG i.V.m. § 19 Satz 2 PromO 1972. Die Regelung des § 19 PromO 1972 reiche als Grundlage für einen derart weitgehenden Eingriff nicht aus. Dazu bedürfe es einer gesetzlichen Grundlage. Die Verleihung des akademischen Grads eines Doktors der Rechtswissenschaft sei ein begünstigender Verwaltungsakt i.S.d. § 48 Abs. 3 HmbVwVfG und vorliegend rechtswidrig, weil die Voraussetzungen zu seinem Erlass seinerzeit nicht vorgelegen hätten. Die Aberkennung und Entziehung des Doktorgrads sei rechtlich als Rücknahme eines Verwaltungsaktes anzusehen.

42

Die Voraussetzungen für die Promotion hätten nicht vorgelegen, da die Dissertation keine eigenständige Leistung darstelle, in der nur die angegebenen Hilfsmittel verwendet worden seien. Vielmehr stelle die mangelnde Kenntlichmachung der verwendeten Fremdtexte eine erhebliche Täuschung i.S.d. § 19 PromO 1972 dar. Die an eine Dissertation zu stellenden Anforderungen seien erst dann erfüllt, wenn an den konkreten Textstellen, innerhalb derer fremde Erkenntnisse verwendet würden, eine eindeutige Quellenangabe erfolge. Die Beklagte nahm Bezug auf das Gutachten des Prof. Dr. N., in dem fünf Kategorien von Zitierfehlern unterschieden wurden:

43

„1. Wörtliche Übernahme fremder Textstellen ohne jegliche Nennung des Urhebers und Autors an der betreffenden Stelle in der Dissertation;

44

2. nahezu wörtliche Übernahme fremder Textstellen ohne jegliche Nennung des Urhebers und Autors an der betreffenden Stelle der Dissertation;

45

3. wörtliche Übernahme fremder Textstellen, bei denen zwar eine Nennung des Urhebers und Autors in einer Fußnote erfolgt, aber ohne dass erkennbar wird, dass es sich um eine wörtliche Übernahme handelt und ohne dass erkennbar wird, wo das Zitat beginnt und wo es endet,

46

4. wörtliche Übernahme des Textes mit der Nennung einer Vielzahl von Autoren[,] ohne dass Beginn und Ende des Zitats und der eigentliche Autor erkennbar werden;

47

5. nahezu wörtliche Übernahme mit der Nennung des Autors, aber ohne dass erkennbar wird, wo die Übernahme beginnt und wo diese endet.“

48

An 55 in Anlage 1 zum Bescheid benannten und der ersten Kategorie zuzuordnenden Textstellen der Dissertation seien Texte fremder Autoren wortwörtlich bzw. nahezu wortgleich übernommen worden, ohne jeden Hinweis auf den Urheber und ohne dass sich dort eine entsprechende Quellenangabe fände. Wie sich aus Anlage 2 zum Bescheid ergebe, seien an zwei weiteren Stellen, die der zweiten Kategorie zuzuordnen seien, Texte fremder Autoren ohne entsprechende Quellenangabe nahezu wortwörtlich bzw. wortgleich übernommen worden. Allein schon die in Anlage 1 und 2 aufgeführten insgesamt 57 Textstellen belegten ein wissenschaftliches Fehlverhalten in einem quantitativ wie auch hinsichtlich des Schweregrads und der inhaltlichen Bedeutung hinreichendem Maße, um von einer erheblichen Täuschung i.S.d. § 19 PromO 1972 zu sprechen.

49

Aus den in Anlage 3 aufgeführten Textstellen, die der dritten Kategorie zuzuordnen seien, ergebe sich, dass an weiteren 71 Stellen der Dissertation die Texte fremder Autoren zwar unter Nennung der Quelle übernommen worden seien; dort sei aber nicht kenntlich gemacht, welche Teile des Textes auf seinen eigenen Erkenntnissen und Gedanken beruhten und welche Teile des Textes eine bloße Wiedergabe fremder Erkenntnisse und Gedanken darstellten. Ebenso seien an den in Anlage 4 aufgeführten und der vierten Kategorie zuzuordnenden elf Stellen Texte fremder Autoren in den Text der Dissertation übernommen worden, ohne diese Übernahme im Text zureichend kenntlich zu machen; im Unterschied zu den in Anlage 3 aufgeführten Textstellen finde sich in den jeweiligen Fußnoten zwar die Angabe der Originalquelle, daneben aber noch weitere Quellenangaben, so dass nicht klar erkenntlich sei, was die eigentliche Quelle sei. An den in Anlage 5 genannten und der fünften Kategorie zuzuordnenden 16 Stellen seien Texte unter Nennung der Quelle nahezu wörtlich übernommen worden, die nahezu wörtliche Übernahmen aber nicht kenntlich gemacht worden.

50

Durch die Abgabe der Versicherung gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3 PromO 1972 habe der Kläger den Eindruck erweckt, er habe die in der Dissertation verwendeten Hilfsmittel vollständig angegeben. Tatsächlich habe er aber in erheblichem Umfang Texte bzw. Textteile fremder Autoren verwendet und diese Verwendung gar nicht oder nicht ausreichend kenntlich gemacht. Mithin habe er entgegen seiner Erklärung die von ihm verwendeten Hilfsmittel nicht vollständig und nicht in der wissenschaftlich erforderlichen Weise angegeben. Es gehöre zu den wissenschaftlichen Selbstverständlichkeiten, die Übernahme fremden Gedankenguts transparent und hinsichtlich Art und Umfang eindeutig kenntlich zu machen. Nur darüber lasse sich kenntlich machen, welche Leistungen von einem selbst, welche von anderen Autoren stammten. Darauf beruhe in der Wissenschaft die Zuschreibung wissenschaftlicher Reputation. Ein vereinzelt auftretendes und versehentliches unsauberes Arbeiten bzw. Zitieren im Sinne von bagatellhaften, handwerklichen Flüchtigkeitsfehlern oder ein Fehlverhalten in inhaltlich irrelevanten, hinsichtlich der Thematik der Arbeit allenfalls randständigen Teilen der Dissertation sei nicht gegeben. Die fraglichen Textstellen fänden sich nämlich nicht nur und auch nicht weit überwiegend in thematischen Randbereichen der Dissertation, vielmehr finde sich eine relevante Anzahl der in Rede stehenden Textstellen auch innerhalb solcher thematischer Zusammenhänge, die in der Dissertation als „Kernbereich der Arbeit“ bezeichnet worden seien.

51

Neben einer genauen Quellenangabe sei es zusätzlich notwendig, dass die wörtlich übernommenen Textstellen innerhalb des eigenen Textes des Promovierenden eindeutig als Zitate gekennzeichnet würden. Dies folge aus den grundlegenden Maßstäben wissenschaftlichen Arbeitens und entspreche auch dem Wesen der Dissertation als Nachweis der Befähigung zum eigenständigen wissenschaftlichen Arbeiten.

52

Die Entziehung des Doktorgrads setze neben der festgestellten erheblichen objektiven Täuschungshandlung einen subjektiven Täuschungswillen voraus, wobei ein bedingter Vorsatz ausreiche. Die objektive Täuschungshandlung sei vorsätzlich begangen worden. Art und Umfang der Übernahme fremder Texte und Gedanken sprächen eindeutig gegen fahrlässiges, versehentliches Fehlverhalten. Der Täuschungsvorsatz folge weiter aus der unzutreffenden Erklärung über die vollständige Angabe der verwendeten Hilfsmittel, die als bewusste Irreführung zu werten sei. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger die Täuschung der Gutachter und der übrigen Prüfungskommission über die nicht hinreichende Kennzeichnung als möglich erkannt und mindestens billigend in Kauf genommen habe. Die begangenen Täuschungen seien auch kausal gewesen für die erfolgte Verleihung des Doktorgrads. Der Umstand, dass der Erstgutachter sich möglicherweise nicht getäuscht gefühlt habe, ändere daran nichts, dass die Fakultät und das Prüfungsgremium als Ganzes durch die Täuschungshandlung von unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen seien.

53

Es könne offenbleiben, ob das Rücknahmeermessen durch die Regelung des § 18 Abs. 2 Satz 2 PromO 2010 eingeschränkt werde. Einschlägig sei die Regelung aus § 48 Abs. 1 HmbVwVfG, die ein Ermessen vorsehe, das durch den Promotionsausschuss auch ausgeübt worden sei. Eine an den Zwecken der Ermessensermächtigung in § 48 Abs. 3 HmbVwVfG orientierte Ermessensentscheidung führe zu dem Ergebnis, dass die Verleihung des Doktorgrads zurückgenommen werden solle. Auf schutzwürdiges Vertrauen könne der Kläger sich nicht berufen, weil er den „Titel“ eines Doktors der Rechtswissenschaft durch Täuschung erlangt habe.

54

Die Entziehung des Doktorgrads sei verhältnismäßig. Sie schütze den wissenschaftlichen Ruf des Fachbereichs, der Universität und das Ansehen der Rechtswissenschaft insgesamt und sichere die Übereinstimmung von akademischer Leistung und akademischem „Titel“, das Allgemeininteresse an „Titelwahrheit“ und die Integrität des Promotionsverfahrens sowie die Chancengleichheit mit anderen Doktoranden. Die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads sei erforderlich, um diese Zwecke zu fördern. Notenherabsetzung und Nachbesserung kämen als mildere Maßnahmen nicht in Betracht, da sie auch bei einer früheren Entdeckung in der Promotionsordnung nicht vorgesehen seien. Da von der konkreten Identität der vorgelegten Arbeit auszugehen sei, sei nicht von Bedeutung, ob für eine andere Arbeit als die tatsächlich vorgelegte der Doktorgrad ggf. mit einer schlechteren Note verliehen worden wäre. Unabhängig davon sei ausgehend von dem erheblichen Ausmaß des wissenschaftlichen Fehlverhaltens im konkreten Fall eine Notenherabsetzung oder Nachbesserung oder bloße Rüge auch nicht geeignet, das Ansehen von Fachbereich, Universität und Rechtswissenschaft sowie die Chancengleichheit mit anderen – redlichen – Doktoranden zu sichern.

55

Die Entziehung sei auch angemessen. Sie lasse die mehrjährige Arbeit an der Dissertationsschrift hinfällig werden und könne zu beruflichen Erschwernissen führen, die Beeinträchtigungen in der Berufsfreiheit mit sich bringen könnten. Wegen des Umfangs der Täuschungen und der Reichweite der wissenschaftlichen Unredlichkeiten, welche das Ansehen des Fachbereichs, der Universität und der Rechtswissenschaft insgesamt in der wissenschaftlichen sowie in der allgemeinen und medialen Öffentlichkeit erheblich gefährdeten und auch im Sinne der Wahrung des Grundsatzes der Chancengleichheit aller Doktoranden und der Allgemeininteressen an Titelwahrheit und Integrität des Promotionsverfahrens seien die öffentlichen Interessen höher zu gewichten als die persönlichen beruflichen, sozialen und privaten Belange des Klägers. Zu beachten sei, dass durch die Aberkennung des Doktorgrads eine zwingende Zulassungsvoraussetzung zu der angestrebten Habilitation entfalle, es sei aber nicht zu vertreten, dass die persönlichen Interessen des Klägers an einer Habilitation dazu veranlassen sollten, das in die Wissenschaft und Forschung gesetzte öffentliche Vertrauen zu gefährden oder einen geringeren Anspruch an seine wissenschaftliche Redlichkeit zu stellen.

56

Die Jahresfrist für die Rücknahme gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 HmbVwVfG sei wegen § 48 Abs. 4 Satz 2 HmbVwVfG nicht anwendbar und im Übrigen eingehalten. Der Fakultät seien alle relevanten Tatsachen, insbesondere Art und Umfang der Täuschungshandlungen sowie die für die Ermessensausübung relevanten Tatsachen, erst im Oktober 2011 bekannt geworden.

57

Der Kläger legte gegen den Bescheid am 23. Juli 2012 Widerspruch ein.

58

Mit Schreiben seines Bevollmächtigten an die Präsidialverwaltung der Beklagten vom 30. August 2012 machte der Kläger geltend, dass der Dekan Prof. Dr. K. wegen Befangenheit aus sämtlichen den Kläger betreffenden Verfahren auszuschließen sei. Es sei zu bezweifeln, ob die vom Dekanat geführte Akte tatsächlich vollständig sei. Die Präsidialverwaltung wies mit Schreiben vom 6. September 2012 die Unterstellung pflichtwidrigen Handelns zurück.

59

Zur Begründung des Widerspruchs führte der Kläger in formeller Hinsicht insbesondere aus: Wegen der Schwere des Eingriffs habe der Promotionsausschuss nur beratend tätig werden dürfen. Die gesamte Fakultät für Rechtswissenschaft sei wegen der Weitergabe interner, brisanter Informationen nach § 21 HmbVwVfG befangen. Der Promotionsausschuss sei gemessen an § 4 Abs. 2 Satz 2 PromO 1972 fehlerhaft zusammengesetzt und mangels Qualifikation nicht in der Lage gewesen, über die Dissertationsschrift zu entscheiden. Es fehle ein Vertreter des Zivilrechts. Die Ergänzung des Promotionsausschusses um Prof. Dr. U. als Ersatzmitglied sei unzulässig gewesen. Die Mitglieder des Promotionsausschusses Prof. Dr. L. und Prof. Dr. V. seien wegen ihrer gleichzeitigen Mitgliedschaft im Habilitationsausschuss befangen, Prof. Dr. L. auch deshalb, weil er bereits vor der Beschlussfassung über die Aberkennung des Doktorgrads am 25. April 2012 in der Sitzung des Promotionsausschusses vom 15. März 2012 mit der Formulierung eines Aberkennungsbescheids beauftragt worden sei. Die fehlende Neutralität des Prof. Dr. L. und seine Befangenheit ergäben sich ferner aus seiner E-Mail vom 19. Juli 2012 an Prof. Dr. K., in welcher er ausgeführt habe, es bestünde nicht allzu viel Anlass zu besonderer Freundlichkeit und er neige zur Nichtreaktion auf die noch vor Einlegung des Widerspruchs angebrachte Anfrage des Klägers zu einer einzuräumenden Widerspruchsbegründungsfrist. Prof. Dr. N. sei zur Erstattung eines Gutachtens fachlich und persönlich ungeeignet und im Verwaltungs- und Hochschulrecht unerfahren gewesen. Der Grundsatz rechtlichen Gehörs sei verletzt worden, da es an einer persönlichen Anhörung fehle und er, der Kläger, nur zu dem Vorwurf der arglistigen Täuschung angehört worden sei, nicht zu dem Vorwurf eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens.

60

In materieller Hinsicht machte der Kläger geltend: Es fehle an der Feststellung eines „Wissenschaftsplagiats“. Fremde Gedanken seien ausnahmslos durch Fußnoten gekennzeichnet worden. Quellenangaben bei evidenten Aussagen seien entbehrlich bzw. unzulässig. Dass die Fußnoten sich teilweise auf aufeinander folgende Sätze bezögen, sei ebenfalls unschädlich. Er, der Kläger, habe sich häufig der Möglichkeit eines Zitates „passim“ bedient, die in einem summarischen Verweis auf eine Quelle bestehe, um den Lesefluss nicht zu hemmen. Aus diesem Grund sei auch auf Anführungszeichen verzichtet worden, was einem Gutachten des Philologen Dr. W. entspreche. Im Folgenden führte der Kläger zu jeder einzelnen der in den Anlagen 1 bis 5 zum Bescheid benannten Textstellen aus, weshalb nach seiner Meinung kein Zitierfehler vorliege.

61

Weiter brachte der Kläger vor: Die Beklagte habe gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens verstoßen, denn er, der Kläger, habe bei Anfertigung der zweiten Habilitationsschrift darauf vertraut, dass die Beklagte den Plagiatsvorwürfen bezüglich seiner Dissertationsschrift nicht weiter nachgehe. Die Beklagte treffe wegen mangelnder Sorgfalt eine Mitverantwortung und es stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn nach 14 Jahren die Zitierweise in der Dissertation beanstandet werde. Die Beklagte habe unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG willkürlich gehandelt, da sie offensichtlich den Entschluss zur Durchführung des Verfahrens zur Aberkennung des Doktorgrads nur gefasst habe, um eine erfolgreiche Durchführung des Habilitationsverfahrens zu verhindern. Das subjektive Recht auf ein faires Verfahren sei durch die Vorabinformation der Öffentlichkeit verletzt worden. Das Habilitationsverfahren und das Promotionsentziehungsverfahren seien von der Fakultät für Rechtswissenschaft nicht ausreichend getrennt worden. Dies ergebe sich daraus, dass der Plagiatsvorwurf hinsichtlich der Dissertation schon im ersten Verfahrensteil des Habilitationsverfahrens Ende 2008/Anfang 2009 erörtert, dem Vorwurf aber nicht weiter nachgegangen worden sei.

62

Der Habilitationsausschuss beschloss am 9. Januar 2013, das Habilitationsverfahren im Hinblick auf das Promotionsentziehungsverfahren „bis zur Erreichung endgültiger Bestandskraft oder aber endgültiger Aufhebung des Verwaltungsakts ruhen zu lassen“.

63

Der Promotionsausschuss setzte sich in seiner 158. Sitzung vom 9./16. Januar 2013 mit den Einwänden des Klägers auseinander und beschloss in seiner 159. Sitzung vom 30. Januar 2013, dem Widerspruch nicht abzuhelfen. Der Widerspruchsvorgang wurde dem Widerspruchsausschuss für Prüfungsangelegenheiten am 20. Februar 2013 vorgelegt.

64

Der Widerspruchsausschuss, besetzt mit der Vorsitzenden X., der Hochschullehrerin aus der Fakultät für Rechtswissenschaft Prof. Dr. Y. und dem Promotionsstudenten aus der Fakultät für Rechtswissenschaft Z., hörte den Kläger in Person und seine Bevollmächtigten am 10. April 2013 an. Die Vertreter des Klägers brachten dabei ausweislich des Protokolls insbesondere vor, dass im Habilitationsverfahren eine „Rettungslösung“ vereinbart worden sei, die ein verbindlicher Vergleichsvertrag mit „Generalquittungscharakter“ sei und zum Inhalt habe, Plagiatsvorwürfe wegen der Dissertation nicht weiter zu verfolgen. Der den Widerspruch zurückweisende Tenor wurde von allen drei Mitgliedern des Promotionsausschusses am 10. April 2013 unterzeichnet. Der den Widerspruch zurückweisende Widerspruchsbescheid erging unter dem 30. April 2013, zugestellt am 6. Mai 2013. Darin führte die Beklagte aus:

65

Zuständig für die Entziehung der Promotion sei der Promotionsausschuss, dessen Zusammensetzung sich nach § 2 Abs. 1 Satz 2 PromO 2010, nicht nach § 4 Abs. 2 Satz 2 PromO 1972 richte, weshalb die Mitwirkung eines Vertreters aus dem Zivilrecht entbehrlich sei. Es gehe nicht um die Prüfung eines Doktorkandidaten, sondern um die Überprüfung einer erbrachten Arbeit auf korrekte Zitierweise. Es bestehe kein Zweifel an der Fachkompetenz des Gutachters Prof. Dr. N.. Der Kläger habe umfangreich Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt, im Übrigen habe er im Widerspruchsverfahren Gelegenheit zu mündlichem Vortrag erhalten. Es bestehe keine Besorgnis der Befangenheit gegen alle Mitglieder des Promotionsausschusses wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses, weil kein Hinweis darauf vorliege, das ein Mitglied des Promotionsausschusses das Dienstgeheimnis verletzt habe. Es bestehe auch keine Besorgnis der Befangenheit gegen diejenigen Mitglieder des Promotionsausschusses, die zugleich dem Habilitationsausschuss angehörten. Es bestehe keine Besorgnis der Befangenheit gegen den Vorsitzenden des Promotionsausschusses allein aufgrund des Umstands, dass er mit dem Entwurf eines Bescheids beauftragt gewesen sei.

66

Im Widerspruchsbescheid ist weiter ausgeführt:

67

„Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Tatbestandsvoraussetzungen des insoweit maßgeblichen § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, 1. Variante i.V.m. § 48 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 19 PromO 1972 sind erfüllt. Ermessensfehler, die zur Aufhebung des Verwaltungsaktes führen müssen, sind nicht erkennbar.“

68

Es könne dahinstehen, ob jede wörtliche Übernahme ohne Kennzeichnung durch Anführungszeichen bereits ein Plagiat sei. Ferner werde zugunsten des Klägers zugrunde gelegt, dass eine wissenschaftliche Leistung auch darin liegen könne, dass der Kläger vereinzelte wörtliche Übernahmen längerer Passagen durch weitere Nachweise angereichert habe. Gleichwohl könne selbst dann, wenn der Urheber an untergeordneter Stelle mit einer Fußnote kenntlich gemacht werde, die wörtliche Übernahme fremder Textpassagen zur Annahme eines Plagiats und damit einer arglistigen Täuschung führen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn es nicht auf die präzise Darstellung eines Wortlauts ankomme (wie z.B. bei der Zitierung von Gesetzen oder Leitsätzen aus der Rechtsprechung) und eine Häufung derartiger Verletzungen der Zitierregeln auftrete; würden weder Anführungszeichen gesetzt, noch sonst qualifizierte Nachweise der Urheberschaft in irgendeiner Weise erbracht, liege unter den genannten Voraussetzungen unzweifelhaft eine arglistige Täuschung vor. Die Kenntnis juristischer Zitierregeln sei von jedem Doktoranden selbst zu erwarten. Die Rücknahmefrist sei nicht vor Kenntnis von dem externen Gutachten angelaufen. Ermessensfehler seien nicht zu erkennen. Im Einzelnen wurde ausgeführt (Widerspruchsbescheid, S. 9-11): Aufgrund § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwVfG sei ein sehr eingeschränkter Ermessensspielraum zu Grunde zu legen, da derjenige, der mittels arglistiger Täuschung den zu seinen Gunsten erlassenen rechtswidrigen Verwaltungsakt erwirke, in verstärktem Maße mit einer späteren Aufhebung rechnen müsse und deshalb des Vertrauensschutzes teilweise verlustig gehe. Die berufliche Situation des Klägers sei hinreichend gewürdigt. Mit der Aberkennung des Doktorgrads gehe zwar ein erheblicher Reputationsverlust einher, der jedoch durch das öffentliche Interesse an der Wahrung wissenschaftlicher Integrität überwogen werde. Die allgemein bekannten wissenschaftlichen Standards seien ein hohes Gut, welches nicht ohne Weiteres zu Lasten der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zurückgesetzt werden dürfe. Der als „Rettungslösung“ bezeichnete Beschluss des Habilitationsausschusses enthalte keinen Vergleichsschluss mit „Generalquittungscharakter“. Es sei den Akten nicht zu entnehmen, dass die Plagiatsvorwürfe nicht weiter hätten verfolgt werden sollen. Das öffentliche Bekanntwerden des Plagiatsverdachts habe nicht zum Unterlassen des Aberkennungsbescheids führen müssen. Selbst wenn die Weitergabe dienstlich erlangter Informationen eine strafrechtlich relevante Handlung darstelle, folge daraus kein erhöhtes Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsaktes.

69

Der Kläger hat am 31. Mai 2013 Klage erhoben. Zur Begründung verweist der Kläger auf die Widerspruchsbegründung und führt ergänzend insbesondere aus:

70

Das Mitglied des Widerspruchsausschusses Prof. Dr. Y. habe Zweifel an der Rücknahme geäußert sowie formelle Fehler in dem Verfahren eingeräumt. Der Widerspruchsausschuss sei fehlerhaft besetzt gewesen, da der Promotionsstudent Z. in einem Abhängigkeitsverhältnis zu seiner Universität stehe und nicht unbefangen gewesen sein könne. An einer „wissenschaftsbasierten Entscheidung“ wie der Entziehung des Doktorgrads dürfe kein Promotionsstudent mitwirken. Es habe eine Verschleierung formeller Mängel stattgefunden. Prof. Dr. T. habe sich für den Habilitationsausschuss und den Promotionsausschuss für befangen erklärt, und sei zunächst nicht eingeladen worden, deshalb seien Beschlüsse fehlerhaft. Zu den Sitzungen des Promotionsausschusses sei er erst nach Einlegung des Widerspruchs bzw. der Widerspruchsbegründung wieder eingeladen gewesen.

71

Die Dissertation enthalte bereits keine Plagiate. Sollte sie tatsächlich Plagiate enthalten, ließe sich dies auch über eine Nachbesserung, eine Neueinreichung oder über eine Dissertation im Rahmen der Sammeldissertation heilen. Der Entzug des Doktorgrads sei unverhältnismäßig wegen des Verlusts seiner Stellung in der Rechtsanwaltssozietät, seines fortgeschrittenen Alters, seiner Geschäftsführerposition bei der Vereinigung „…“ und da die Grundlage für die bereits angenommene Habilitation entzogen werde. Alle diese Umstände hätten im bisherigen Verfahren überhaupt keine Würdigung erfahren. Ferner müsste eine zwischenzeitlich aufgetretene Erkrankung des Klägers berücksichtigt und angemessen gewürdigt werden.

72

Die Ausführung des Betreuers der Dissertation, Prof. Dr. A., sich keineswegs getäuscht zu fühlen, sei bei Entscheidung über die Rücknahme nicht berücksichtigt worden. Da er, der Kläger, als dessen Assistent gearbeitet habe, sei nicht auszuschließen, dass ein „Abschreiben auch umgekehrt herum erfolgt“ sein könne.

73

Die Rücknahme der Promotion sei im Hinblick auf die im Habilitationsverfahren gefundene „Rettungslösung“ unzulässig. Der Inhalt des Vier-Augen-Gesprächs vom 27. Mai 2009 mit dem Vorsitzenden des Habilitationsausschusses, Prodekan Prof. Dr. D., könne dezidiert wiedergegeben werden aus den detaillierten Aufzeichnungen und diktierten Protokollen des Rechtsanwalts H.. Danach habe Prof. Dr. D. geäußert, dass bei „der Durchsicht der Arbeit [des Klägers] aufgefallen sei, dass Passagen aus Aufsätzen übernommen worden seien, ohne dass dies hinreichend gekennzeichnet worden sei“. Darauf entgegnend habe Rechtsanwalt H. darauf hingewiesen, dass zu der Habilitationsschrift ein Drittgutachten vorliege und die Zitierweise insbesondere insoweit nicht moniert worden sei. Prof. Dr. D. habe vorgeschlagen, „dass [der Kläger] die Arbeit umarbeiten“ solle. Rechtsanwalt H. habe ihm, dem Kläger, im Anschluss berichtet, dass Prof. Dr. D. „eine Lösung anstrebe, mit der beide Seiten leben“ könnten und „vom Kläger erwartet werde, dass er nicht weiter vermeintliche formelle Mängel der Universität geltend mache und sich der neuen Situation widme. Umgekehrt würde auch die Universität dem Kläger keine weiteren Steine in den Weg legen.“ Der Kläger vertritt die Auffassung, die im Habilitationsverfahren gefundene „Rettungslösung“ stelle einen „Vergleich mit Generalquittungscharakter“ dar. Es sei ein Vergleich geschlossen worden, der „begriffsnotwendig“ beinhalte, dass die Voraussetzungen zur Fertigung einer Habilitation als gegeben akzeptiert würden. Die Beklagte habe gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens verstoßen; dem Habilitationsausschuss sei bei Annahme des „Vergleichs“ bekannt gewesen, dass Bedenken gegen die Dissertation erhoben worden seien.

74

Der Kläger beantragt,

75

den Bescheid vom 25. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

78

Zur Begründung verweist die Beklagte auf die Ausführungen in den Bescheiden und trägt ergänzend vor: Die Entscheidung in Prüfungsangelegenheiten obliege dem Widerspruchsausschuss in Prüfungsangelegenheiten. Dessen Zusammensetzung ergebe sich aus § 66 Abs. 1 Satz 2 HmbHG. Es gehe nicht um die (Neu-)Bewertung der Dissertation, sondern darum, ob Fremdtexte ausreichend zitiert worden seien. Es bestehe kein prüfungsspezifischer Bewertungsspielraum. Der Widerspruchsausschuss sei keine Prüfungskommission. Die Beklagte habe keine formellen Mängel verschleiert, denn es habe keine formellen Mängel gegeben. Frau Prof. Dr. Y. habe keine Fehler in dem Verfahren eingeräumt, der Kläger habe auch nicht mitgeteilt, um welche Fehler es sich gehandelt habe. Die „Rettungslösung“ beinhalte keinen Vergleich mit „Generalquittungscharakter“. An eine etwaige Zusicherung sei sie, die Beklagte, auch nicht mehr gebunden. Die Stellungnahme des Prof. Dr. A. sei hinreichend gewürdigt worden. Es sei bereits in zeitlicher Hinsicht nicht plausibel, dass Prof. Dr. A. vom Kläger abgeschrieben habe und nicht umgekehrt. Die Entziehung des Doktorgrads sei auch nicht wegen Art. 12 Abs. 1 GG unverhältnismäßig; gravierende Fälle wissenschaftlicher Unredlichkeit bedürften einer wirkungsvollen Reaktion. Der Promotionsausschuss habe auch erkannt, dass dem Kläger mit dem Entzug des Doktorgrads die Grundlage seiner Habilitation entzogen werde. Mildere Maßnahmen kämen nicht in Betracht. Die Neueinreichung einer Dissertation oder eine Sammeldissertation erforderten ein neues Promotionsverfahren. Eine erst jetzt bekannt gewordene Erkrankung des Klägers habe bei der Ermessensausübung ohnehin nicht berücksichtigt werden dürfen.

79

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung wurden gemacht: die veröffentliche Fassung der vom Kläger vorgelegten Dissertation, die Promotionsakte in zwei Bänden, der Widerspruchsvorgang, ein Ordner mit Quellentexten, die Habilitationsakte in zwei Bänden, sowie die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Hamburg, …. Auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

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Die zulässige Anfechtungsklage, mit welcher der Kläger gemäß §§ 42 Abs. 1 Alt. 1, 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO den Bescheid vom 25. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 anficht, ist nur im Umfang von Ziffer 2 des Bescheidtenors auch begründet (hierzu unter 2.), im Umfang von Ziffer 1 des Bescheidtenors ist sie unbegründet (hierzu unter 1.).

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1. Soweit der Kläger den Regelungsgehalt unter Ziffer 1 des Bescheidtenors anficht, ist die Klage nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO unbegründet. Denn in diesem Umfang ist der Bescheid vom 25. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 objektiv rechtmäßig oder verletzt den Kläger zumindest nicht in seinen subjektiven Rechten. Der angefochtene Bescheid ist unter Ziffer 1 seines Tenors darauf gerichtet, die mit Urkunde vom 28. Januar 1998 vollzogene Verleihung des Doktorgrads an den Kläger als „actus contrarius“ rückgängig zu machen (hierzu unter a.). Dafür besteht in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt (hierzu unter b.) eine Befugnisnorm (hierzu unter c.). Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig oder leidet zumindest nicht an einem formellen Fehler, der i.S.d. § 46 HmbVwVfG erheblich wäre und einen Aufhebungsanspruch des Klägers tragen könnte (hierzu unter d.). Der angefochtene Bescheid ist zudem materiell rechtmäßig sowohl im Hinblick auf die tatbestandlichen Anforderungen der Befugnisnorm (hierzu unter e.) als auch im Hinblick auf die Rechtsfolge der Befugnisnorm (hierzu unter f.).

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a. Der angefochtene Bescheid ist unter Ziffer 1 seines Tenors darauf gerichtet, die Verleihung des Doktorgrads an den Kläger rückgängig zu machen. Im Bescheidtenor kommt zum Ausdruck, dass ein „actus contrarius“ zur Promotion des Klägers gesetzt werden soll.

83

Die mehrfache Formulierung im Bescheidtenor „zurückgenommen“, „aberkannt“ und „entzogen“ nimmt die Normen in Bezug, die zur Rechtfertigung eines „actus contrarius“ in Betracht zu ziehen sind. Nach § 48 Abs. 1 HmbVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt „zurückgenommen“ werden. Nach § 18 Abs. 2 Satz 1 der Promotionsordnung der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg (v. 7.7.2010, Amtl. Anz. S. 2620 – PromO 2010) kann ein Doktorgrad „nachträglich aberkannt und entzogen“ werden. Im Bescheid vom 25. Juni 2012 wird zu Recht angenommen, dass die Aberkennung und Entziehung des Doktorgrads als Rücknahme eines Verwaltungsaktes anzusehen seien.

84

Ebenso wenig ist zwischen nachträglicher Aberkennung einerseits und Entziehung des Doktorgrads andererseits zu unterscheiden. Eine solche Unterscheidung kennen weder die amtliche Normüberschrift „Verfahren bei Täuschung und Aberkennung des Grades einer Doktorin oder eines Doktors“ noch die Vorschrift des § 18 Abs. 2 Satz 2 PromO 2010, nach der „eine solche Aberkennung“ insbesondere in dem dort bezeichneten Fall erfolgt, noch die Vorschrift des § 18 Abs. 3 PromO 2010, die für die Aberkennung des Grades einer Doktorin oder eines Doktors im Übrigen auf die gesetzlichen Bestimmungen verweist. Die Satzungsrechtslage ist insoweit nicht vergleichbar mit der in dem vom Verwaltungsgericht Düsseldorf (Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 42) entschiedenen Fall, in dem § 20 der dort einschlägigen Promotionsordnung für eine „Ungültigerklärung“ der Promotionsleistung eine eigenständige Befugnisnorm darstellte, während § 21 der dort einschlägigen Promotionsordnung für die „Rücknahme“ oder „Entziehung“ des Doktorgrads auf das Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes verwies.

85

b. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Rücknahme ist hier der Zeitpunkt der Entscheidung des Widerspruchsausschusses in Prüfungsangelegenheiten über den Widerspruch am 30. April 2013. Wenn kein Widerspruchsverfahren durchzuführen ist, ist der maßgebliche Zeitpunkt im Hinblick auf die Rücknahme der Verleihung eines Doktorgrads derjenige des Erlasses des Bescheides (OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 12.5.2016, OVG 5 B 11.15, juris Rn. 38; VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 39; VG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.2013, 7 K 3335/11, juris Rn. 28), sonst der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids (VGH Mannheim, Urt. v. 19.4.2000, 9 S 2435/99, juris Rn. 22). Anwendung findet der Grundsatz, dass der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung für die Begründetheit einer Anfechtungsklage maßgeblich ist. Die für Dauerverwaltungsakte anerkannte Ausnahme von diesem Grundsatz greift für den Verwaltungsakt, der auf die Rücknahme eines anderen Verwaltungsakts gerichtet ist, nicht ein. Denn die Rücknahme zielt nicht als Dauerverwaltungsakt auf eine andauernde, der ständigen Aktualisierung unterworfene Regelung ab, sondern ihrem zeitlichen Regelungsgehalt nach punktuell auf eine einmalige Rechtsfolge, hier die rückwirkende Aufhebung der Verleihung des akademischen Grads.

86

c. Die „nachträgliche Aberkennung und Entziehung“ bzw. inhaltsgleich die „Rücknahme“ der Verleihung des Doktorgrads (dazu s.o. a.) gründen im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung (dazu s.o. b.) auf eine Befugnisnorm. Entgegen der von der Beklagten noch im Widerspruchsbescheid geäußerten Rechtsauffassung kann die Maßnahme nicht auf „§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, 1. Variante i.V.m. § 48 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 19 PromO 1972“ gestützt werden. Dahinstehen kann, ob sich die Befugnis zur Rücknahme aus der besonderen Satzungsbestimmung des § 18 Abs. 2 PromO 2010 (hierzu unter aa.) oder aus der nachrangig anwendbaren Gesetzesbestimmung des § 48 Abs. 1 HmbVwVfG ergibt (hierzu unter bb.).Der damit gegenüber der Begründung des Widerspruchsbescheids vorgenommene Austausch der Ermächtigungsgrundlage ist unbedenklich (hierzu unter cc.).

87

aa. Die Frage kann offen bleiben, ob die Satzungsbestimmung des § 18 Abs. 2 PromO 2010 allein eine hinreichende Ermächtigung zur Rücknahme der Promotion bietet.

88

Der rechtstaatliche Vorbehalt des Gesetzes verlangt nicht, die Ermächtigungsgrundlage für die Entziehung eines Doktorgrads in einem förmlichen Parlamentsgesetz zu regeln (OVG Münster, Urt. v. 10.12.2015, 19 A 254/13, juris Rn. 75 ff.). Das Hamburgische Hochschulgesetz (v. 18.7.2001, HmbGVBl. S. 171 m. spät. Änd. – HmbHG) ermächtigt in § 91 Abs. 2 Nr. 1 HmbHG zum Erlass einer Hochschulprüfungsordnung, die gemäß § 60 Abs. 1 HmbHG Prüfungsanforderungen und Prüfungsverfahren regelt. Gemäß § 59 Abs. 1 HmbHG zählt die Promotion, mit der die Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit nachgewiesen wird, zu den Hochschulprüfungen. Der Aufnahme von Regelungen über die Entziehung der Promotion als „actus contrarius“ in die Promotionsordnung steht die nicht abschließende Aufzählung der Mindestinhalte der Prüfungsordnung in § 60 Abs. 2 HmbHG nicht entgegen. Auch bei der Rücknahme eines verliehenen Doktorgrades handelt es sich um eine Hochschulprüfungen betreffende Angelegenheit (VGH Mannheim, Beschl. v. 3.2.2014, 9 S 885/13,ESVGH 64, 166, juris Rn. 7).

89

Nach § 18 Abs. 1 PromO 2010 kann der Promotionsausschuss nach Anhörung des oder der Betroffenen die Promotion für nicht bestanden erklären, wenn die Doktorandin oder der Doktorand im Promotionsverfahren eine vorsätzliche Täuschung begangen hat. Ist der Grad einer Doktorin oder eines Doktors zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens einer solchen Täuschung bereits verliehen, so kann er nach § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010 vom Promotionsausschuss nach vorheriger Anhörung des Betroffenen oder der Betroffenen nachträglich aberkannt und entzogen werden. Eine solche Aberkennung erfolgt nach § 18 Abs. 2 Satz 2 PromO 2010 insbesondere dann, wenn die Täuschung Leistungen in solchen Teilen der Promotion betrifft, die für die Bewertung der Dissertation oder Disputation oder die Gesamtnote einen wichtigen Stellenwert hatten. Nach § 18 Abs. 3 PromO 2010 gelten für die Aberkennung des Grades einer Doktorin oder eines Doktors im Übrigen die gesetzlichen Bestimmungen.

90

In zeitlicher Hinsicht kann die Befugnisnorm nur der im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung über die Rücknahme (dazu s.o. b.) geltenden Promotionsordnung und nicht der bei Verleihung des Doktorgrads am 28. Januar 1998 geltenden Promotionsordnung des Fachbereichs Rechtswissenschaft I der Universität Hamburg (v. 9.2.1972, Amtl. Anz. 1974, S. 377, berichtigt S. 457, m. spät. Änd. – PromO 1972) entnommen werden. Ebenso ist eine Anwendung der zwischenzeitlich in Geltung befindlichen Promotionsordnung des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Universität Hamburg (v. 20.5.1998, Amtl. Anz. S. 1978; m. Änd. v. 31.5.2000, Amtl. Anz. 2001, S. 4610, v. 5.2.2003, Amtl. Anz. S. 1411 – PromO 1998) ausgeschlossen. Ausgangspunkt sind die im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung geltenden Inkrafttretens- und Übergangsregelungen in § 20 PromO 2010. Nach dem Grundsatz des § 20 Abs. 1 PromO 2010 trat diese Promotionsordnung am 22. Dezember 2010 als dem Tag nach der Bekanntmachung in Kraft. Eine Ausnahmeregelung davon enthält § 20 Abs. 2 PromO 2010, wonach sie für Promotionsverfahren gilt, für welche die Zulassung nach dem Tag der Bekanntmachung beantragt wird. Im Umkehrschluss gilt diese Promotionsordnung nicht für Promotionsverfahren, für welche die Zulassung vor dem 22. Dezember 2010 beantragt worden ist. Diese Ausnahme findet jedoch nur auf Promotionsverfahren Anwendung. Dies sind ausweislich der Regelung über die Zulassung zum Promotionsverfahren in § 3 PromO 2010 nur solche Verfahren, in denen über die Verleihung des Doktorgrads entschieden wird, nicht jedoch Promotionsentziehungsverfahren, in denen über die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads entschieden wird. Für Promotionsentziehungsverfahren verbleibt es nach dem Grundsatz des § 20 Abs. 1 PromO 2010 bei der Anwendung des neuen Rechts.

91

bb. Böte die Satzungsbestimmung des § 18 Abs. 2 PromO 2010 keine hinreichende Ermächtigung zur Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads, so ergäbe sich die Befugnis aus der allgemeinen Gesetzesbestimmung des § 48 Abs. 1 HmbVwVfG.

92

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 HmbVwVfG darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt) jedoch nur unter den Einschränkungen des § 48 Abs. 2 bis 4 HmbVwVfG zurückgenommen werden.

93

Unter der Annahme einer Unanwendbarkeit des § 18 Abs. 2 PromO 2010 ist der Anwendungsbereich des Hamburgischen Verwaltungsverfahrensgesetzes nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 HmbVwVfG grundsätzlich eröffnet, da die Tätigkeit der Beklagten als einer der Aufsicht der Freien und Hansestadt Hamburg unterstehenden juristische Person des öffentlichen Rechts in Rede steht. Unter der vorstehenden Annahme enthalten die Rechtsvorschriften der Freien und Hansestadt Hamburg keine inhaltsgleichen oder entgegenstehenden Bestimmungen. Die vormalige spezialgesetzliche Grundlage für den Entzug akademischer Grade in § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Führung akademischer Grade (v. 7.6.1939, RGBl. I S. 985 m. spät. Änd.), die zunächst gemäß Art. 123 ff. GG als Landesrecht fort galt (BVerwG, Urt. v. 26.2.1960, VII C 198.59, BVerwGE 10, 195, juris , vgl. Beschl. v. 7.9.1990, 7 B 127/90, Buchholz 421.11 § 4 GFaG Nr. 2; Schroeder, NWVBl. 2010, 176 <177> m.w.N.) ist durch Art. 6 Nr. 3 des Hochschulrechtsänderungsgesetzes (v. 18.4.1991, HmbGVBl. S. 139, 217) für Hamburg aufgehoben worden.

94

Ein Anwendungsausschluss durch § 2 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVfG greift jedenfalls nicht ein: Die Anwendung des Gesetzes ist nach dieser Vorschrift für die Tätigkeit der Behörden „bei“ Leistungs-, Eignungs- und ähnlichen Prüfungen von Personen zwar beschränkt, umfasst aber ausdrücklich § 48 HmbVwVfG. Unabhängig davon ist das Promotionsentziehungsverfahren keine Tätigkeit „bei“ einer Prüfung i.S.d. § 2 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVfG, da der Anwendungsausschluss nicht allgemeine Verfahrensfragen außerhalb der spezifischen Prüfungssituation betrifft (VG Hamburg, Urt. v. 5.1.2016, 2 K 3911/14, juris Rn. 43).

95

Bei der allgemeinen Bestimmung über die Rücknahme in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder handelt es sich um eine im Sinne des Vorbehalts des Gesetzes und der Wesentlichkeitstheorie hinreichende Ermächtigung für die Rücknahme der Verleihung eines akademischen Grades. Die Kammer schließt sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung an (BVerwG, Beschl. v. 20.10.2006, 6 B 67/06, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 116, juris Rn.4). Nach dieser ist die Grundentscheidung über die Rücknahme von Verwaltungsakten in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder hinreichend getroffen und gelten selbst bei statusbegründenden, auf lange Dauer angelegten Verwaltungsakten unter dem Gesichtspunkt der Wesentlichkeit keine gesteigerten Anforderungen an die gesetzliche Ausgestaltung einer Rücknahme.

96

cc. Der Bescheid vom 25. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 lässt sich wahlweise auf § 18 Abs. 2 PromO 2010 oder § 48 Abs. 1 HmbVwVfG stützen, obwohl der Widerspruchsausschuss für Prüfungsangelegenheiten im Widerspruchsbescheid zu Unrecht ausgeführt hat, die „Tatbestandsvoraussetzungen des insoweit maßgeblichen § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, 1. Variante i.V.m. § 48 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 19 PromO 1972“ seien erfüllt.

97

Da sich die Ermessensausübung immer vom Zweck der Rechtsgrundlage leiten lassen muss, ist der Austausch der Rechtsgrundlage bei einem Ermessensverwaltungsakt dann möglich, wenn die von der Behörde irrtümlich benannte und die richtige Rechtsgrundlage zweckgleich sind (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 11.4.2013, 4 Bf 141/11, NordÖR 2014, 36, juris Rn. 50; VGH München, Urt. v. 16.1.1975, 40 VIII 74, BayVBl. 1978, 180). Diese Voraussetzung ist in jeder Hinsicht erfüllt:

98

Die (nach § 1 Abs. 1 und 4 VwVfG nicht anwendbare) bundesrechtliche Vorschrift des § 48 Abs. 1 VwVfG ist zweckgleich mit der (nach § 1 Abs. 1 HmbVwVfG nachrangig anwendbaren) wortlaut- und inhaltgleichen Parallelvorschrift des Landesrechts in § 48 Abs. 1 HmbVwVfG über die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte.

99

Für die Satzungsbestimmung über die Aberkennung und Entziehung des Doktorgrads wegen vorsätzlicher Täuschung im Promotionsverfahren nach § 18 Abs. 2 PromO 2010 gilt nichts anderes. Ebenso wie die Rücknahmevorschriften in den parallelen Verwaltungsverfahrensgesetzen des Bundes und der Länder dem Ausgleich zwischen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Rechtssicherheit dienen (vgl. Sachs, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 48 Rn. 28 ff.) ist bei der Ausübung des Ermessens nach der Satzungsbestimmung des § 18 Abs. 2 PromO 2010 zwischen der dem öffentlichen Interesse dienenden Herstellung rechtmäßiger Zustände durch Aufhebung der rechtswidrigen Verleihung des Doktorgrads und dem privaten Interesse des Promovenden an dem Erhalt des Doktorgrads abzuwägen. In Bezug auf die Rücknahme der Verleihung eines akademischen Grads des Doktors dient § 48 Abs. 1 HmbVwVfG dem Ansehen der betroffenen Hochschule und dem Ansehen der Rechtswissenschaft (so zur Parallelvorschrift Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG: BVerwG, Beschl. v. 20.10.2006, 6 B 67.06, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 116, juris Rn. 6).

100

Die Nennung der als solche kein Ermessen einräumenden Norm des § 19 PromO 1972 neben § 48 Abs. 1 (Hmb)VwVfG im Widerspruchsbescheid ist deshalb unschädlich, weil der Widerspruchsausschuss lediglich gemeint hat, die Tatbestandsvoraussetzungen auch nach § 19 PromO 1972 seien erfüllt. Seine Ermessenserwägungen hat der Widerspruchsbescheid hingegen auf § 48 Abs. 1 Satz 1 (Hmb)VwVfG gestützt.

101

d. Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig oder leidet zumindest nicht an einem solchen formellen Fehler, der i.S.d. § 46 HmbVwVfG erheblich wäre und einen Aufhebungsanspruch des Klägers tragen könnte. Formelle Fehler des Promotionsentziehungsverfahrens können sich aus dem Habilitationsverfahren des Klägers bereits im Ansatz nicht ergeben (hierzu unter aa.). Das Vorliegen eines bestimmten formellen Fehlers ist nicht aufgezeigt, soweit der Kläger vorgetragen hat, das Mitglied des Widerspruchsausschusses Prof. Dr. Y. habe in der Erörterung vor dem Widerspruchsausschuss Zweifel an der Rücknahme geäußert und formelle Fehler im Verfahren eingeräumt. Etwaige formelle Fehler bei Erlass des Bescheids vom 25. Juni 2012 sind nach Bescheidung des Widerspruchs, wenn nicht geheilt, so doch zumindest nicht länger beachtlich (hierzu unter bb.). Bei Erlass des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 wurde den formellen Anforderungen Genüge getan (hierzu unter cc.).

102

aa. Die Vorgänge in dem vom Habilitationsausschuss unter dem Vorsitz des Dekans durchzuführenden und noch nicht abgeschlossenen Habilitationsverfahren des Klägers sind insoweit nicht zu prüfen, da sie auf die formelle Rechtmäßigkeit der Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads durch den Bescheid vom 25. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 keinen Einfluss haben. Das Habilitationsverfahren, zu dem der Kläger unter dem 15. Januar 2008 zugelassen worden ist und das seinen Abschluss noch nicht gefunden hat, ist ein Hochschulprüfungsverfahren nach § 59 Abs. 1 HmbHG, das zum Gegenstand hat, ob der Kläger habilitiert und mit einer Lehrbefugnis (venia legendi) ausgestattet wird. Es handelt sich um ein nach § 9 i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVfG mangels Erlass eines Verwaltungsaktes noch nicht abgeschlossenes Verwaltungsverfahren in der Gremienzuständigkeit des Habilitationsausschusses (gemäß § 20 Satz 3 der Habilitationsordnung der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg v. 14.4.2010, Amtl. Anz. S. 2676, i.V.m. § 6 der Habilitationsordnung der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg v. 7.5.1999/14.5.2001, Amtl. Anz. 2001, S. 2458). Davon zu unterscheiden ist das in der Gremienzuständigkeit des Promotionsausschusses durchgeführte Promotionsentziehungsverfahren, das als Verwaltungsverfahren mit dem Erlass des Verwaltungsaktes über die Rücknahme der Verleihung des akademischen Grads des Doktors seinen Abschluss gefunden hat. Alle Maßnahmen, die der Befassung des Promotionsausschusses vorausliegen, können nicht zur Rechtswidrigkeit des Rücknahmeverfahrens führen, da sie nicht Bestandteil des mit dem angefochtenen Bescheid abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens sind (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 45 f.).

103

bb. Jedenfalls wäre ein etwaiger formeller Fehler bei Erlass des Bescheids vom 25. Juni 2012 mit Erlass des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 nach § 46 HmbVwVfG unbeachtlich. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 HmbVwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Unter der Annahme eines formellen Fehlers bei Erlass des Bescheids vom 25. Juni 2012 sind diese Voraussetzungen einer Unbeachtlichkeit gegeben. Ein Nichtigkeitsgrund nach § 44 HmbVwVfG ist nicht ersichtlich. Ein Mangel in der sachlichen Zuständigkeit, der nicht nach § 46 HmbVwVfG als unbeachtlich angesehen werden könnte, liegt nicht vor (hierzu unter (1)). Eine etwaige Verletzung von Vorschriften über das Verfahren bei Erlass des Bescheids vom 25. Juni 2012 wäre nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens unbeachtlich (hierzu unter (2)).

104

(1) Die Zuständigkeiten bei Erlass des Bescheids vom 25. Juni 2012 sind gewahrt. Nach allgemeinen Regeln lag die Verbandszuständigkeit für die Rücknahme bei der beklagten Hochschule als Rechtsträgerin des vormaligen Fachbereichs Rechtswissenschaft I, dessen Sprecher den zurückgenommenen Verwaltungsakt der Verleihung des Doktorgrads am 28. Januar 1998 ausgefertigt hatte. In dem Verwaltungsverfahren, das nach § 9 HmbVwVfG mit der Rücknahme als Verwaltungsakt am 25. Juni 2012 abschloss, hat mit dem Dekanat der Fakultät für Rechtswissenschaft das zuständige Organ als Ausgangsbehörde den angefochtenen Bescheid ausgefertigt und zwar in Vollziehung der vom Promotionsausschuss als zuständigem Gremium getroffenen Rücknahmeentscheidung. Im Einzelnen:

105

Die Zuständigkeit als Ausgangsbehörde lag bei einem Organ der Fakultät für Rechtswissenschaft, da der jeweiligen Fakultät der Universität Hamburg gemäß § 89 Abs. 1 Satz 1 HmbHG auf ihrem Gebiet die Wahrnehmung der Aufgaben in Lehre, Forschung und Entwicklung und dafür notwendige Verwaltungsaufgaben obliegen und die Fakultät gemäß § 89 Abs. 1 Satz 4 HmbHG eine eigene Verwaltung unterhält. Die Fakultät für Rechtswissenschaft ist als Untergliederung der Beklagten nach § 89 Abs. 1 Satz 1 HmbHG an die Stelle des vormaligen Fachbereichs Rechtswissenschaft I getreten, dessen Sprecher die Promotionsurkunde zugunsten des Klägers ausgefertigt hatte. Organe der Fakultät sind gemäß § 89 Abs. 1 Satz 2 HmbHG das Dekanat und der Fakultätsrat. Die Aufzählung ist abschließend, die Hochschulen dürfen keine weiteren Organe der Fakultäten schaffen (Drexler, in Neukirchen/Reußow/Schomburg, Hamburgisches Hochschulgesetz, 1. Aufl. 2011, § 89 Rn. 6). Das Dekanat nahm nach § 90 Abs. 6 Nr. 8 HmbHG (in der bis 30.6.2014 gültigen Fassung, nunmehr § 90 Abs. 6 Nr. 7 HmbHG) alle Aufgaben der Fakultät wahr, die nicht vom Fakultätsrat wahrzunehmen sind. Eine Zuständigkeit des Fakultätsrats nach dem Katalog des § 91 Abs. 2 HmbHG war nicht begründet. Keine Bedenken erheben sich gegen ein Tätigwerden des Dekans als Behördenleiter. Dies geht im Umkehrschluss daraus hervor, dass nach § 90 Abs. 2 Satz 2 HmbHG die Dekanin oder der Dekan den Prodekaninnen und Prodekanen einen eigenen Aufgabenbereich überträgt, mithin selbst über ihren oder seinen Aufgabenbereich entscheidet.

106

Die vor Erlass des Verwaltungsaktes im Außenverhältnis durch das Dekanat als Ausgangsbehörde fakultätsintern erforderliche Gremienentscheidung des Promotionsausschusses liegt vor. Die interne Zuständigkeit des Promotionsausschusses der Fakultät für Rechtswissenschaft zur Entscheidung über die Rücknahme folgt aus § 63 Abs. 1 Satz 2 HmbHG i.V.m. § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010. Der Promotionsausschuss ist durch § 2 Abs. 1 Satz 1 PromO 2010 für die Promotion, die nach § 59 Abs. 1 HmbHG zu den Hochschulprüfungen zählt, als Prüfungsausschuss i.S.d. § 63 Abs. 1 HmbHG bestimmt. Dem Prüfungsausschuss obliegen gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 HmbHG die Organisation der Prüfung und gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 HmbHG weitere durch die Prüfungsordnung übertragene Aufgaben. Die Aufgabe zur Entscheidung über die nachträgliche Aberkennung und Entziehung ist dem Promotionsausschuss durch die Satzungsbestimmung des § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010 übertragen, die auf das Promotionsentziehungsverfahren des Klägers zeitlich anwendbar ist (s.o. c. aa.).

107

Gegen die Zuständigkeit des Promotionsausschusses für die Entscheidung über die Rücknahme bestehen aus dem höherrangigen Recht auch nicht deshalb Bedenken, weil in ihm nach § 63 Abs. 1 Satz 4 HmbHG die stimmberechtigte Mitwirkung von Studierenden vorzusehen ist. Der Prüfungsausschuss ist nicht zu verwechseln mit der Prüfungskommission (Delfs, in Neukirchen/Reußow/Schomburg, HmbHG, 1. Aufl. 2011, § 63 Rn. 2). Denn für die Bewertung von Prüfungsleistungen ist der Prüfungsausschuss nach § 63 Abs. 1 Satz 3 HmbHG ausdrücklich nicht zuständig. Deshalb war es nicht geboten, dass die Mitglieder des Promotionsausschusses mindestens die durch die Prüfung festzustellende oder eine gleichwertige Qualifikation besitzen, wie § 64 Abs. 1 HmbHG für die Prüferinnen und Prüfer in einer Hochschulprüfung verlangt. Entgegen der vom Kläger vorgebrachten Auffassung geht es nicht um eine „wissenschaftsbasierte Entscheidung“. Bei der Entziehung der Promotion steht nicht eine inhaltliche Bewertung der Dissertation in Rede, sondern die Klärung der Frage, ob die Dissertation wissenschaftlichen Mindeststandards genügt (BVerwG, Beschl. v. 20.10.2006, 6 B 67/06, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 116, juris Rn. 5), ohne dass ein prüfungsspezifischer Beurteilungsspielraum bestünde (OVG Münster, Urt. v. 10.12.2015, 19 A 254/13, juris Rn. 28; VG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.2013, 7 K 3335/11, juris Rn. 28).

108

Es ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus der Schwere des Eingriffs in seine Rechte zu begründen, dass der Promotionsausschuss nur beratend habe tätig werden dürfen. Ein Vorrang des Dekanats oder des Fakultätsrats bei einer für den Betroffenen bedeutsamen Einzelfallentscheidung ergibt sich aus höherrangigem Recht nicht. Die zunächst vom Promotionsausschusses aufgrund seiner Gremienzuständigkeit getroffene Entscheidung über die Rücknahme unterliegt letztlich ohnehin der vollen Überprüfung an den Maßstäben nicht nur der Rechtmäßigkeit, sondern auch der Zweckmäßigkeit durch den zuständigen Widerspruchsausschuss in Prüfungsangelegenheiten (dazu s.u. dd. (1)).

109

(2) Eine etwaige Verletzung von Vorschriften über das Verfahren bei Erlass des Bescheids vom 25. Juni 2012 wäre nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens unbeachtlich. Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann insbesondere die Frage einer Befangenheit im ursprünglichen Verfahren in den Fällen offenbleiben, in denen die Widerspruchsbehörde einen Rücknahmebescheid vollständig überprüft und durch eine selbstständige Sachentscheidung bestätigt hat (BVerwG, Urt. v. 28.5.2015, 1 C 24/14, BVerwGE 152, 164, juris Rn. 15 m.w.N.). Ausgehend von dieser Rechtsprechung fehlt es im vorliegenden Fall an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen einem etwaigen formellen Fehler und der in der Gestalt des Widerspruchsbescheides zur gerichtlichen Prüfung gestellten Rücknahmeentscheidung. Der Widerspruchsausschuss hat den Rücknahmebescheid anhand der Maßstäbe der Rechtmäßigkeit sowie der Zweckmäßigkeit vollständig überprüft und durch eine selbständige Sachentscheidung bestätigt. Dem Promotionsausschuss kam kein von der Widerspruchsbehörde zu achtender prüfungsspezifischer Beurteilungsspielraum zu (dazu s.o. (1)). Der Widerspruchsausschuss hat den ihm zustehenden Entscheidungsspielraum auch ausgeschöpft. Im Einzelnen hat er ausweislich des Widerspruchsbescheids (S. 9-11) sein Ermessen ausgeübt und in die vorgenommene Abwägung insbesondere folgende Gesichtspunkte eingestellt: die Einschränkung des Vertrauensschutzes bei arglistiger Täuschung, die berufliche Situation des Klägers und der drohende Reputationsverlust, die Wahrung wissenschaftlicher Standards, das Fehlen eines Vergleichsschlusses mit „Generalquittungscharakter“ und die entstandenen Indiskretionen.

110

cc. Den formellen Anforderungen wurde jedenfalls bei Erlass des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 Genüge getan. Die Zuständigkeiten sind gewahrt (hierzu unter (1)). Der Mitwirkung der Mitglieder des Widerspruchsausschusses stand keine Besorgnis der Befangenheit entgegen (hierzu unter (2)). Die gebotene Anhörung des Klägers hat stattgefunden (hierzu unter (3)).

111

(1) Die Verbandszuständigkeit für die Bescheidung des Widerspruchs in Selbstverwaltungsangelegenheiten nach § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO lag in Ermangelung einer abweichenden gesetzlichen Regelung bei der Beklagten. Die behördliche Zuständigkeit lag, nachdem der Promotionsausschuss beschlossen hatte, dem Widerspruch nicht nach § 72 VwGO abzuhelfen, beim Widerspruchsausschuss in Prüfungsangelegenheiten. Dies folgt aus § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 a.E. VwGO i.V.m. § 66 Abs. 1 Satz 1 HmbHG in der zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung maßgebenden Fassung. Danach entscheidet über Widersprüche in Prüfungsangelegenheiten der Widerspruchsausschuss. Diesem gehören gemäß § 66 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 HmbHG als Vorsitzender ein Mitglied des Technischen, Bibliotheks- und Verwaltungspersonals (TVP) mit der Befähigung zum Richteramt und als Beisitzer eine Professorin oder ein Professor sowie eine Studierende oder ein Studierender der Fachrichtung, in der die Prüfung durchgeführt worden ist, an. Die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads betrifft eine Prüfungsangelegenheit i.S.d. § 66 Abs. 1 Satz 1 HmbHG. Denn die Promotion, um deren Rückgängigmachung es geht, zählt nach § 59 Abs. 1 HmbHG zu den Hochschulprüfungen (s.o. c. aa.). Der Zuständigkeit des Widerspruchsausschusses für die Entscheidung über einen Widerspruch gegen die Entziehung des Doktorgrads steht dabei nicht entgegen, dass weder der Vorsitzende des Widerspruchsausschusses noch der studentische Beisitzer selbst promoviert sein müssen. Die Qualifikation, um deren Rücknahme es geht, ist bei den Mitgliedern des Widerspruchsausschusses deshalb nicht zu fordern, weil die Rücknahme eines akademischen Grads nicht als Prüfungsentscheidung unter Ausübung eines prüfungsspezifischen Spielraums ergeht (dazu s.o. bb. (1)).

112

(2) Hinsichtlich der Mitglieder des Widerspruchsausschusses bestand keine Besorgnis der Befangenheit. Eine der Mitwirkung am Verwaltungsverfahren entgegenstehende Besorgnis der Befangenheit setzt § 21 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG einen Grund voraus, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen. Ein solcher Grund bestand weder allgemein wegen der Zugehörigkeit zweier Mitglieder des Widerspruchsausschusses zur Fakultät für Rechtswissenschaft (hierzu unter (a)) noch im Besonderen wegen der Stellung eines Mitglieds des Widerspruchsausschusses als Promotionsstudent (hierzu unter (b)).

113

(a) Entgegen der Annahme des Klägers, dass wegen aufgetretener Indiskretionen die „gesamte Fakultät“ befangen sei mit der Folge, dass niemand über die Rücknahme habe entscheiden dürfen, bestand nicht gegen alle Mitglieder der Fakultät die Besorgnis der Befangenheit und ist insofern das Recht auf ein faires Verfahren nicht verletzt.

114

Das Gesetz kennt keine institutionelle Befangenheit, sondern nur eine individuelle Befangenheit einzelner Personen (Schmitz, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 21 Rn. 2 i.V.m. § 20 Rn. 8). Eine Besorgnis der Befangenheit verlangt einen gegenständlichen, vernünftigen Grund, der die Beteiligten von ihrem Standpunkt aus befürchten lassen kann, dass der Amtsträger nicht unparteiisch sachlich, insbesondere nicht mit der gebotenen Distanz, Unbefangenheit und Objektivität entscheiden, sondern sich von persönlichen Vorurteilen oder sonstigen sachfremden Erwägungen leiten lassen könnte; nicht ausreichend ist die „Ahnung“ oder das „Gefühl“ eines Beteiligten oder rein querulatorisches Vorbringen; erforderlich ist vielmehr ein in der Person oder in der Art der Sachbehandlung liegender, benennbarer, rationaler Grund, der an Tatsachen anknüpft, die nach objektiven und vernünftigen Erwägungen geeignet sind, Zweifel an der unparteiischen Tätigkeit des Bediensteten zu wecken (Schmitz, a.a.O., § 21 Rn. 10 m.w.N.).

115

Nach diesem Maßstab war nicht jedes einzelne Mitglied der Fakultät für Rechtswissenschaft deshalb von einer Mitwirkung auszuschließen, weil es im Umfeld des Habilitationsverfahrens oder auch des Promotionsentziehungsverfahrens des Klägers zu Indiskretionen gekommen war. Indiskretionen aus einer Fakultät führen in aller Regel nicht dazu, dass gegen alle Mitglieder der Fakultät die Besorgnis der Befangenheit erhoben werden könnte. In Übereinstimmung damit hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf, selbst nachdem ein Bericht, der im Entziehungsverfahren dem Promotionsausschuss vorgelegt worden war, auf ungeklärtem Wege an die Presse gelangt ist, keinen objektiven Anhaltspunkt für eine Besorgnis der Befangenheit der Mitglieder des für die Rücknahme zuständigen Fakultätsorgans gesehen (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 60).

116

Der alle Mitglieder der Fakultät für Rechtswissenschaft umfassende Personenkreis ist so weit gezogen, dass auch dann, wenn feststünde, dass sich ein namentlich unbekanntes Mitglied der Fakultät einer Verletzung des Dienstgeheimnis nach § 353b StGB schuldig gemacht hätte, kein vernünftiger Grund bestünde, der die Beteiligten von ihrem Standpunkt aus befürchten ließe, jedes Mitglied der Fakultät werde nicht unparteiisch sachlich, insbesondere nicht mit der gebotenen Distanz, Unbefangenheit und Objektivität entscheiden, sondern sich von persönlichen Vorurteilen oder sonstigen sachfremden Erwägungen leiten lassen. Aus objektiver Sicht ist der Verdachtsgrad hinsichtlich der Verletzung des Dienstgeheimnisses, der sich gegen jedes einzelne Mitglied der Fakultät allein aufgrund seiner Mitgliedschaft richtet, äußerst gering. Denn Mitglieder der Fakultät sind alle der Fakultät zugeordneten und nach § 91 Abs. 1 i.V.m § 10 Abs. 1 HmbHG im Fakultätsrat vertretenen Mitglieder der Hochschule, d.h. nach § 8 Abs. 1 Satz 1 HmbHG alle hauptberuflich Beschäftigten sowie immatrikulierten Studierenden einschließlich Doktorandinnen und Doktoranden. Aus dem durchgeführten Ermittlungsverfahren, …, das die Staatsanwaltschaft Hamburg gegen Unbekannt geführt und am 8. Januar 2013 eingestellt hat, weil kein Täter ermittelt werden konnte, ergibt sich keine Eingrenzung des in Betracht kommenden Personenkreises. Es ist nicht ersichtlich, welches bestimmte Mitglied der Fakultät für Indiskretionen verantwortlich war, schon gar nicht, dass es sich um einen der Beisitzer im Widerspruchsausschuss für Prüfungsangelegenheiten handelte.

117

(b) Eine Besorgnis der Befangenheit besteht entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht deshalb, weil das Mitglied des Widerspruchsausschusses Z. zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch Promotionsstudent an der Fakultät für Rechtswissenschaft war. Das Gesetz hat in § 66 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HmbHG die Mitgliedschaft eines Studierenden der die Prüfungsangelegenheit betreffenden Fachrichtung im Widerspruchsausschuss zwingend vorgeschrieben. Nach der Wertung des Gesetzgebers begründet die damit einhergehende Beziehung zur Fakultät – immatrikulierte Studierende sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 HmbHG Mitglieder der Hochschule als Körperschaft – noch keine Besorgnis der Befangenheit, sondern gewährleistet für den verfahrensbeteiligten Prüfling die Mitwirkung eines „peers“, sie dient nach den Gesetzesmaterialien ausdrücklich der „Sicherung der Rechte der Studierenden“ (Bü-Drs. 16/5759, S. 48). Der Gesetzgeber hat in § 66 Abs. 1 Satz 4 HmbHG die Entscheidung getroffen, dass die Mitglieder des Widerspruchsausschusses nicht gleichzeitig dem zuständigen Prüfungsausschuss angehören dürfen. Daraus geht im Umkehrschluss hervor, dass sich der Gesetzgeber gegen andere besondere Ausschlussgründe entschieden hat.

118

(3) Dem sich aus § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010 und nachrangig aus § 28 Abs. 1 HmbVwVfG ergebenden Erfordernis, den Kläger zur Rücknahme der Promotion anzuhören, wurde Genüge getan. Soweit der Kläger gerügt hat, er sei vor dem Erlass des Ausgangsbescheids nur zu dem Vorwurf der arglistigen Täuschung angehört worden, nicht zu dem Vorwurf eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens, auch fehle es an einer persönlichen Anhörung, muss der Frage nicht nachgegangen werden, ob die vom Promotionsausschuss durchgeführte Anhörung hinreichte. Denn ein Verfahrensfehler, der in einem etwaigen Anhörungsmangel gelegen hätte, wäre durch die Nachholung im Widerspruchsverfahren nach § 45 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 3 HmbVwVfG geheilt. Im Widerspruchsverfahren ist der Kläger durch den Widerspruchsausschuss in Prüfungsangelegenheiten auch in Person angehört worden und hatte zuvor auch schriftlich Gelegenheit, zu den im ursprünglichen Bescheid erhobenen und im Widerspruchsbescheid bestätigten Vorwürfen Stellung zu nehmen. Eine Anhörung vor der Widerspruchsbehörde genügt. Die Widerspruchsbehörde ist bei Ermessensakten nur dann nicht imstande, die von der Ausgangsbehörde versäumte Anhörung wirksam nachzuholen, wenn sie entgegen der Regel des § 68 Abs. 1 VwGO durch ein Gesetz auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit beschränkt ist, also im Gegensatz zur Ausgangsbehörde die Frage der Zweckmäßigkeit nicht beurteilen darf (BVerwG, Urt. v. 17.8.1982, 1 C 22/81, BVerwGE 66, 111, juris Rn. 18). Dieser Ausnahmefall liegt jedoch nicht vor, da insbesondere kein vom Widerspruchsausschuss zu achtender prüfungsspezifischer Beurteilungsspielraum gegeben ist (dazu s.o. bb. (1)).

119

e. In materieller Hinsicht sind die tatbestandlichen Anforderungen erfüllt, unter denen der Doktorgrad nach § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010 aberkannt und entzogen oder nach § 48 Abs. 1 HmbVwVfG zurückgenommen werden kann.

120

Eine Rücknahme der Promotion setzt nach § 48 Abs. 1 HmbVwVfG tatbestandlich die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes voraus, mit dem der Doktorgrad verliehen worden ist. Rechtswidrig ist dieser Verwaltungsakt insbesondere dann, wenn er auf einer vorsätzlichen Täuschung im Promotionsverfahren beruht. Ebenso setzen Aberkennung und Entziehung des Doktorgrads nach § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010 voraus, dass die Doktorandin oder der Doktorand im Promotionsverfahren vorsätzlich getäuscht hat. Der in dieser Prüfungsordnung verwendete Begriff der vorsätzlichen Täuschung knüpft an den Begriff der arglistigen Täuschung im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht, hier in § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 HmbVwVfG, an (entsprechend die Auslegung des OVG Münster, Urt. v. 10.2.2016, 19 A 991/12, juris Rn. 59, für das Tatbestandsmerkmal „Täuschung“ in der dort einschlägigen Prüfungsordnung). Bei der Erstellung einer Dissertation begeht der Doktorand die vorausgesetzte Täuschung namentlich dann, wenn er bei den Gutachtern einen Irrtum über das Vorliegen der wesentlichen Verleihungsvoraussetzungen, d.h. insbesondere über die Eigenständigkeit seiner erbrachten wissenschaftlichen Leistung hervorruft, indem er in erheblichem Umfang fremde Textpassagen ohne Quellenangabe aus dem Werk eines anderen Autors wörtlich oder sinngemäß übernimmt, obwohl ihm deren Herkunft vom Fremdautor bewusst ist (OVG Münster, Urt. v. 10.2.2016, a.a.O.). Im Einzelnen setzt eine vorsätzliche Täuschung im Promotionsverfahren eine Täuschungshandlung, deren Erheblichkeit, einen zur Verleihung des Doktorgrads führenden Irrtum und den Vorsatz des Prüflings voraus.

121

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger hat in dem ursprünglichen Promotionsverfahren, das mit der Verleihung des Doktorgrads mit der vom Sprecher des Fachbereichs Rechtswissenschaft I ausgefertigten Urkunde vom 28. Januar 1998 abschloss, vorsätzlich getäuscht. Die Täuschungshandlung liegt in der Einreichung einer mit Zitierfehlern behafteten Dissertation und der Abgabe einer von § 7 Abs. 3 Nr. 3 PromO 1972 geforderten Versicherung vom 1. Juni 1997, die Dissertation selbst angefertigt und nur die angegebenen Hilfsmittel benutzt zu haben. Darin liegt deshalb eine Täuschungshandlung, weil die vorgelegte Dissertation den bereits im Zeitpunkt der Abgabe der Dissertation geltenden Grundanforderungen wissenschaftlicher Redlichkeit (hierzu unter aa.) ausweislich der im Einzelnen festzustellenden Zitierfehler nicht genügt (hierzu unter bb.). Die Täuschung ist erheblich (hierzu unter cc.). Sie hat einen Irrtum hervorgerufen, auf dem die Verleihung des Doktorgrads beruht (hierzu unter dd.). Der Kläger hat vorsätzlich gehandelt (hierzu unter ee.).

122

aa. Die Vorlage einer Dissertation, welche gegen die zum Zeitpunkt der Vorlage geltenden Grundanforderungen wissenschaftlicher Redlichkeit verstößt, begründet eine Täuschung im Promotionsverfahren (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 69 ff.). Die Grundanforderungen wissenschaftlicher Redlichkeit gebieten es insbesondere, die Übernahme von Fremdleistungen durch geeignete Quellennachweise als solche kenntlich zu machen. Im Einzelnen:

123

Die Promotion des Klägers erfolgte gemäß § 2 Abs. 1 PromO 1972 auf Grund einer als „rechtswissenschaftliche Abhandlung“ legaldefinierten Dissertation sowie des Kolloquiums. Die Dissertation musste gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 PromO 1972 die Rechtswissenschaft fördern. Die zum Zeitpunkt der Promotion geltende Promotionsordnung beruhte als Hochschulprüfungsordnung auf dem Gesetz über die Universität Hamburg (v. 25.4.1969, HmbGVBl. S. 61 m. spät. Änd. – HmbUG) und galt bei Verleihung des Doktorgrads an den Kläger unter den Nachfolgevorschriften (des vormaligen Hamburgischen Hochschulgesetzes v. 2.7.1991, HmbGVBl. S. 249) fort. In dem Promotionsverfahren war ausgehend von der Verantwortung des damaligen Fachbereichs für die Heranbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses nach § 41 Abs. 1 HmbUG (vgl. § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HmbHG) der Charakter der Promotion als akademische Prüfung gemäß § 41 Abs. 3 Satz 1 HmbUG (vgl. § 59 Abs. 1 HmbHG) und der Charakter des Doktorgrads als akademischer Grad gemäß § 41 Abs. 4 HmbUG (vgl. § 70 Abs. 4 Satz 1 HmbHG) zu gewährleisten.

124

Nur eine unter Offenlegung aller verwendeten Quellen und Hilfsmittel erbrachte wissenschaftliche Leistung genügt den an eine Dissertation gestellten Anforderungen (VGH Mannheim, Beschl. v. 9.2.2015, 9 S 327/14, NJW 2015, 2518, juris Rn. 7; Urt. v. 19.4.2000, 9 S 2435/99, KMK-HSchR/NF 21A Nr. 19, juris Rn. 24; Urt. v. 18.11.1980, IX 1302/78, ESVGH 31, 54 <58>; Schroeder, NWVBl. 2010, 176 <179>). In der obergerichtlichen Rechtsprechung war bereits bei Abgabe der Dissertation des Klägers als ein grundlegendes, jedermann einsichtiges und allseits anerkanntes Gebot der Redlichkeit anerkannt, in einer wissenschaftlichen Arbeit Gedanken anderer Autoren, selbst wenn sie nur Ausgangspunkt eigener Überlegungen sein sollen, als solche kenntlich zu machen, sei es im Text oder in den beigefügten Zitaten; unterbleibt in diesem Fall die Kenntlichmachung der fremden Leistung, so muss der unbefangene Leser in dem selbstverständlichen Vertrauen, dass jene grundlegende Regel wissenschaftlichen Arbeitens eingehalten ist, einen falschen Eindruck von Umfang und Wert der eigenen Leistung des Verfassers gewinnen; zumindest aber gerät er in die Gefahr, einem solchen Irrtum zu erliegen (OVG Münster, Urt. v. 20.12.1991, 15 A 77/89, NWVBl 1992, 212, juris Rn. 11, daran anschließend VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 70 ff.; vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 18.11.1980, ESVGH 31, 54, daran anschließend Beschl. v. 13.10.2008, 9 S 494/08, NVwZ-RR 2009, 285, juris Rn. 8). Insbesondere der Umstand, dass nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 PromO 1972 die Abgabe einer Versicherung über die eigenständige Anfertigung der Dissertation und die abschließende Verwendung der genannten Quellen vom Kläger gefordert wurde, verdeutlicht, dass das Gebot wissenschaftlicher Redlichkeit bereits im Jahr 1998 zu beachten war. Von Bagatellfällen abgesehen verstößt die wörtliche oder sinngemäße Übernahme von Textpassagen aus fremden Werken ohne (ausreichendes) Zitat gegen grundlegende Maßstäbe wissenschaftlichen Arbeitens und schließt damit die Annahme einer Arbeit als Dissertation im Regelfall aus (VGH München, Urt. v. 4.4.2006, 7 BV 05.388, BayVBl. 2007, 281, juris Rn. 13). Das Gebot der wissenschaftlichen Redlichkeit erfordert es, die Übernahme einer Fremdleistung nachprüfbar zu machen, indem sämtliche wörtlich oder sinngemäß übernommenen Gedanken aus Quellen und Literatur als solche kenntlich gemacht werden (so der Sache nach auch VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, a.a.O., Rn. 69, jedoch unter der urheberrechtlich falschen Einordnung der Fremdleistung als „geistiges Eigentum“, dazu Apel, ZUM 2014, 621 <623> m.w.N.). Geboten ist, dass „der Leser an jeder Stelle weiß, wer zu ihm spricht“ (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, a.a.O., Rn. 108, zust. Apel, a.a.O.). Dagegen wird auch dann verstoßen, wenn der Doktorand Entlehnungen aus der Sekundärliteratur zwecks Darstellung der Erkenntnisse zu der Primärliteratur in der Dissertation nicht hinreichend kenntlich macht (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, a.a.O., Rn. 122). Fehlt es an einer solchen Kenntlichmachung der Übernahme der Rezeptionsleistung und bezieht sich der Doktorand auf eine Primärquelle, deren Inhalt und/oder Deutung er letztlich aus einer nicht nachgewiesenen Sekundärquelle abschreibt, so täuscht er (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, a.a.O., Rn. 124).

125

Die Übernahme eines gedanklichen Inhalts erfordert eine Nennung des Autors. Zwar sind – in Übereinstimmung mit dem Vortrag des Klägers – Quellenangaben bei der Wiedergabe evidenter Aussagen entbehrlich, wenn der Leser sie auch ohne Herkunftsangabe nicht für eine Eigenleistung des Doktoranden halten kann. Doch kann und muss der Leser eine Nennung des fremden Autors bei einer Übernahme originärer Inhalte erwarten, insbesondere bei einer über eine bloße Beschreibung hinausgehenden Analyse oder Schlussfolgerung. Die berechtigte Erwartung des Lesers, der Urheber werde genannt, wird erfüllt, wenn die Autorennennung im Text an einem Ort vorhanden ist, die dem Leser nach dem Sinnzusammenhang eine Zuordnung zu der Textstelle ermöglicht und nicht zu weit vorne oder zu weit hinten im Text erscheint. Der Rechtsauffassung des Klägers, es bestehe die Möglichkeit eines Zitates „passim“, die in einem summarischen Verweis auf eine Quelle bestehe, um den Lesefluss nicht zu hemmen, folgt das erkennende Gericht in dieser Allgemeinheit nicht. Zum einen muss in dem wissenschaftlichen Werk offengelegt werden, dass die Quellennachweise summarisch zu verstehen seien. Zum anderen kann eine Autorennennung nicht schlicht unter Berufung auf den Lesefluss unterbleiben, da Passagen ohne Autorennennung als eigene Leistung wahrgenommen werden. Möchte der Verfasser eines wissenschaftlichen Werks auf die störende Autorennennung verzichten, ist ihm dies nur durch den Verzicht auf Übernahmen fremden Gedankenguts möglich.

126

Über die Autorennennung hinaus darf der Leser die besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme erwarten, wenn ganze Sätze oder charakteristische Einzelformulierungen wörtlich übernommen werden. Der besonderen Kennzeichnung bedarf es, wenn ein Text wortgleich oder im Wesentlichen wortgleich übernommen wird, ohne dass diese Form der Wiedergabe und damit letztlich die Herkunft des in der Arbeit verwendeten und ausformulierten Textes deutlich gemacht worden sind, sei es im Text selbst oder durch eine entsprechende Abfassung der verwendeten Zitate (OVG Münster, Beschl. v. 12.8.2010, 14 A 847/09, juris Rn. 17). Den Erfordernissen einer rechtswissenschaftlichen Dissertation entspricht es, dass der Doktorand eigene Formulierungsleistungen erbringt oder dort, wo er von fremden Formulierungen Gebrauch macht, dies kenntlich macht.

127

Hinsichtlich der einzelnen Textstellen ist daher zunächst zu untersuchen, ob wegen der Übernahme von Fremdleistungen eine Autorennennung für die Textstelle überhaupt und ob zusätzlich eine besondere Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme von Formulierungen erforderlich ist. Sodann ist zu untersuchen, ob eine Autorennennung für die Textstelle und zusätzlich eine besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme vorliegen. Aus der Gegenüberstellung der geforderten Zitierweise und der erfolgten Zitierweise ergeben sich folgende Fallgruppen:

128
        

Autorennennung
und besondere
Kennzeichnung
erfolgen

Autorennennung erfolgt,
besondere erfolgt
Kennzeichnung nicht

bereits Autorennennung
erfolgt nicht

keine Autorennennung
erforderlich

–       

–       

Fallgruppe A:
kein Zitierfehler,
da bereits keine
Autorennennung erforderlich

nur Autorennennung
erforderlich,
besondere Kennzeichnung
einer wörtlichen Übernahme
entbehrlich

–       

Fallgruppe B:
kein Zitierfehler,
da die allein erforderliche
Autorennennung erfolgt

Fallgruppe D:
Zitierfehler,
da die allein erforderliche
Autorennennung fehlt

Autorennennung und besondere
Kennzeichnung erforderlich

Fallgruppe C:
kein Zitierfehler,
da die erforderliche
Autorennennung und die
erforderliche besondere
Kennzeichnung erfolgen

Fallgruppe E:
Zitierfehler,
da die erforderliche
Autorennennung ohne die
erforderliche besondere
Kennzeichnung erfolgt

Fallgruppe F:
Zitierfehler, da die
erforderliche Autorennennung
und die erforderliche
besondere Kennzeichnung fehlen

129

bb. Nach dem soeben aufgezeigten Maßstab hat der Kläger im Promotionsverfahren durch die Vorlage der Dissertation getäuscht, da diese gegen die Grundanforderungen wissenschaftlicher Redlichkeit verstößt. Entgegen seinem Vortrag hat der Kläger vielfach fremde Gedanken nicht durch Fußnoten gekennzeichnet. An den sogleich darzustellenden Textstellen hat er fremde Inhalte und/oder fremde Formulierungen nicht in hinreichender Weise als solche ausgewiesen und damit für den Leser zu Unrecht den Eindruck einer eigenen Leistung erweckt. An diesen Textstellen weiß der Leser nicht, „wer zu ihm spricht“.

130

Dabei kann sich die Überprüfung der Dissertation innerhalb der 155 von der Beklagten im angefochtenen Bescheid vom 25. Juni 2012 benannten Textstellen auf die 57 Textstellen beschränken, welche in der Anlage 1 (dortige Textstellen Nr. 1 bis 55) und der Anlage 2 (dortige Textstellen Nr. 1 bis 2) zum Bescheid benannt sind und die nach Auffassung der Beklagten eine wörtliche oder nahezu wörtliche Übernahme fremder Textstellen ohne jegliche Nennung des Urhebers und Autors an der betreffenden Stelle in der Dissertation aufweisen. Es zeigt sich, dass in der vom Kläger vorgelegten Dissertation nicht an jeder dieser 57 Textstellen, aber immerhin in 44 Fällen (und in einem weiteren Fall teilweise) eine Übernahme fremder gedanklicher Inhalte und/oder Formulierungen nicht hinreichend gekennzeichnet ist.

131

Im Einzelnen sind die untersuchten 57 Textstellen den vorgestellten sechs Fallgruppen (dazu s.o. aa.) wie folgt zuzuordnen: An den fünf der Fallgruppe A zugeordneten Textstellen ist kein Zitierfehler festzustellen, da bereits eine Autorennennung entbehrlich ist (hierzu unter (7), (11), (27), (34) und (51)). An den sieben Textstellen der Fallgruppe B liegt ein Zitierfehler nicht vor, da die allein erforderliche Autorennennung vorhanden ist (hierzu unter (3), (4), (19), (40), (41), (43) und (48)). Keine der untersuchten Textstellen ist der Fallgruppe C zuzuordnen, in der sowohl die erforderliche Autorennennung als auch die erforderliche besondere Kennzeichnung vorhanden sind. An den beiden Textstellen der Fallgruppe D begründet es einen Zitierfehler, dass es an der allein erforderlichen Autorennennung fehlt (hierzu unter (52) und (57)). An den sieben Textstellen der Fallgruppe E ist ein Zitierfehler deshalb festzustellen, weil zwar die erforderliche Autorennennung vorhanden ist, aber ohne die ebenfalls erforderliche besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme (hierzu unter (13), (21), (26), (30), (35), (36) und (49)). An den 35 Textstellen der Fallgruppe F besteht der Zitierfehler darin, dass sowohl die erforderliche Autorennennung als auch die erforderliche besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme fehlen (hierzu unter (1), (5), (6), (8) bis (10), (12), (14) bis (18), (20), (22), (23) bis (25), (28), (29), (31) bis (33), (37) bis (39), (42), (44) bis (47), (50), (53) bis (56)). Eine Textstelle ist teilweise der Fallgruppe A und teilweise der Fallgruppe F zuzuordnen (hierzu unter (2)).

132

(1) In der Fußnote 5 auf S. 2 der vom Kläger vorgelegten Dissertation fehlen sowohl die erforderliche Nennung des Autors A. als auch die besondere Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme (Fallgruppe F). Der Vortrag des Klägers, dass er als Assistent von Prof. Dr. A., des Betreuers seiner Dissertation, gearbeitet habe und nicht auszuschließen sei, dass ein „Abschreiben auch umgekehrt herum erfolgt“ sein könne, ist unsubstantiiert, da nicht dargelegt ist, aus welchem Werk A. Leistungen des Klägers übernommen haben könnte. Eine Autorennennung fehlt für den Inhalt der Fußnote 5. A. wird in der Fußnote 4 zu S. 1 Abs. 2 Satz 7 der Dissertation sowie in den Fußnoten 7 und 8 zu S. 2 Abs. 2 Satz 2 ff. der Dissertation als Autor nur für die diesbezüglichen Inhalte des Textkorpus genannt. Es wird nicht erkennbar, dass auch der Inhalt der Fußnote 5 von A. stammt und keine erst vom Doktoranden selbst angestellte, weitergehende Erwägung ist.

133

(2) Bezüglich S. 8 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 der Dissertation des Klägers ist zu differenzieren: Satz 1 erfordert, wenngleich der Inhalt trivial und nicht Ausdruck hoher Schöpfungskraft ist, eine Autorennennung und eine besondere Kennzeichnung wörtlicher Übernahme, da der Satz wörtlich von Schiessl übernommen worden ist; an beidem fehlt es (Fallgruppe F). Satz 3 zeigt hingegen keinen Zitierfehler, die Wiedergabe des Gesetzeswortlauts (§ 77 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AktG) bedarf keiner Autorennennung (Fallgruppe A).

134

(3) Auf S. 9 Abs. 4 Satz 3 der Dissertation begegnet kein Zitierfehler (Fallgruppe B). Eine Autorennennung ist erforderlich, da die wiedergegebene Gesetzesauslegung eine Analyseleistung darstellt. Die Kennzeichnung der Wörtlichkeit ist mangels Originalität der Formulierungen nicht zu erwarten. Eine Autorennennung am rechten Ort ist vorhanden. Der Kläger nennt in der zur Textstelle gehörenden Fußnote 31 die Kommentatoren Hefermehl und Mertens als Urheber der Gesetzesauslegung.

135

(4) Ebenso kein Zitierfehler findet sich auf S. 10 Abs. 2 der Dissertation (Fallgruppe B). Einer Autorennennung bedarf es, da eine Transferleistung (Bedeutung der besonderen Stellung des Arbeitsdirektors im Hinblick auf eine herausgehobene Stellung des Finanzvorstands) wiedergegeben wird. Eine wörtliche Übernahme liegt insoweit nicht vor, als „Etwas anderes gilt“ von „eine Ausnahme besteht“ abweicht. Die Autorennennung ist vorhanden. Der Kläger hat in der zugehörigen Fußnote 32 den Bundesgerichtshof und den Kommentator Hüffer als Vertreter der Rechtsauffassung genannt. Der Kläger war nicht gezwungen, zusätzlich auch den Aufsatzautor Schiessl zu nennen, selbst dann, wenn er erst durch die Lektüre des Aufsatzes auf die Auffassung des Bundesgerichtshofs und Hüffers aufmerksam geworden wäre.

136

(5) Auf S. 13 Abs. 2 Satz 2 der Dissertation fehlt es hingegen an der Nennung des Autors Schönbrod und an der besonderen Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme (Fallgruppe F). Diese waren, anders als bei der vorvorgenannten Textstelle (s.o. (3)), aufgrund der Originalität der Formulierung von Schönbrod geboten. Dem Gebot ist nicht Genüge getan. In der zur Textstelle gehörenden Fußnote 49 werden Mayer/Gabele, Mielke und Scheffler als Autoren genannt. Es wird nicht deutlich, dass eine wörtliche Übernahme von Schönbrod vorliegt.

137

(6) Ebenso verhält es sich im Ergebnis auf S. 14 Abs. 1 Satz 3 der Dissertation (Fallgruppe F). In der Fußnote 57 wird lediglich „[z]um Einfluß der Unternehmensorganisation auf die Besteuerung“ auf Raupach verwiesen. Eine Nennung Schönbrods als Urheber des gedanklichen Inhalts und auch der Formulierung fehlt insoweit. Aufgrund des Satzbeginns „Darüber hinaus“ wird für den Leser nicht ersichtlich, dass auch der nunmehr vorgestellte, weiterführende gedankliche Inhalt von Schönbrod stammt und nicht vom Doktoranden.

138

(7) Demgegenüber ist kein Zitierfehler auf S. 16 Abs. 1 Satz 1 der Dissertation gegeben (Fallgruppe A). Bereits einer Autorennennung bedarf es nicht. Selbst wenn der Kläger den Inhalt von Schiessl hätte übernehmen wollen, ist ihm dies mit der gewählten, leicht modifizierten Formulierung nicht gelungen. Denn während nach Schiessl die „Gesamtverantwortung eine immanente Schranke jeder Geschäftsverteilung“ bildet, d.h. eine Geschäftsverteilung möglich ist, aber nur im Rahmen der zu wahrenden Gesamtverantwortung, bildet die Gesamtverantwortung ausweislich der Dissertation eine „immanente Schranke gegen jede Form von Geschäftsverteilung“, was so gelesen werden könnte, dass jede Form von Geschäftsverteilung ausgeschlossen wäre.

139

(8) Sowohl an der erforderlichen Nennung des Autors Schiessl als auch an der erforderlichen besonderen Kennzeichnung der wörtlichen Übernahmen fehlt es auf S. 17 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 der Dissertation (Fallgruppe F). Marginale Veränderungen bei der Übernahme (z.B. „Besonderes Interesse im divisionalisierten Unternehmen“ statt „Im divisionalisierten Unternehmen“) deuten auf planvolles Vorgehen des Klägers hin, machen eine besondere Kennzeichnung wörtlicher Übernahmen aber nicht entbehrlich. Eine hinreichende Autorennennung kann in der zu dem nachfolgenden Satz angebrachten Fußnote 71 nicht gesehen werden. Denn in der Fußnote 71 wird nicht deutlich gemacht, dass die gesamten vorstehenden Sätze über die Möglichkeit, dem Arbeitsdirektor unter Ausschluss des Spartenleiters Kompetenzen zuzuweisen, von Schiessl stammen, sondern es wird eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zitiert, dass umgekehrt der Arbeitsdirektor eine Verteilung der Geschäfte nach sachlichen, organisatorischen oder regionalen Gesichtspunkten hinnehmen müsse, und mitgeteilt, dass Mertens und Schiessl der Rechtsprechung zugestimmt hätten.

140

(9) Desgleichen leidet S. 18 Abs. 1 Satz 1 der Dissertation an einem Zitierfehler (Fallgruppe F). Eine Autorennennung und eine besondere Kennzeichnung sind erforderlich wegen der Übernahme des Inhalts und der wörtlichen Übernahme von Formulierungen von Schiessl. Eine Autorennennung fehlt am rechten Ort, der Quellennachweis erfolgt an einer im Text vorgelagerten Stelle, die für den Leser eine Zuordnung zu der in Rede stehenden Textstelle nicht ermöglicht. Der vorausgehende Satz (am Ende von S. 17 Abs. 2 der Dissertation), bei dem in der Fußnote 71 Schiessl genannt wird, schließt einen ganzen Absatz ab, so dass für den Leser weder ersichtlich noch wenigstens angedeutet wird, dass Inhalt und Formulierung auch auf S. 18 Abs. 1 Satz 1 der Dissertation von Schiessl stammen.

141

(10) Dies setzt sich fort auf S. 18 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation (Fallgruppe F). Einer Autorennennung unter besonderer Kennzeichnung bedarf es wegen der wörtlichen Übernahme eines Satzes. Die besondere Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme konnte nicht zugunsten der besseren Lesbarkeit unterbleiben. Hätte der Doktorand ohne eine besondere Kennzeichnung auskommen wollen, so hätte er eine eigenständige Formulierungsleistung erbringen müssen. Bereits an einer Nennung des Autors fehlt es am rechten Ort. Die Fußnoten 82, 83, 86 und 87 sind einer Textpassage S. 19 Abs. 4 der Dissertation zuzuordnen und nicht der hier in Rede stehenden Textstelle auf S. 18 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation.

142

(11) Anderes gilt für S. 18 Abs. 3 Satz 4 der Dissertation (Fallgruppe A). Eine Nennung des Autors Schiessl ist entbehrlich, zumindest ist ihr Fehlen unter Anlegung eines großzügigen Maßstabs nicht geeignet, einen Vorwurf wissenschaftlicher Unredlichkeit mitzutragen. Die im Vergleich zu Schiessl in der Dissertation wortgleiche Formulierung „nachgeordnet“ ist nicht hinreichend originell, auch der gedankliche Inhalt hinsichtlich einer „Spartenleitung“ ist so naheliegend, dass er keinen Quellennachweis gebietet.

143

(12) Ein Zitierfehler begegnet dem Leser hingegen wiederum auf S. 18 Abs. 3 Sätze 5 und 6 der Dissertation (Fallgruppe F). Aus den gleichen Gründen wie bei der vorvorgenannten Textstelle (s.o. (10)) bedurfte es einer Nennung des Autors Schiessl, an der es am rechten Ort fehlt, und einer besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme. Die Rezeptionsleistung Schiessls, der die Primärquellen zusammenfasst, wird als Eigenleistung ausgegeben. Die Umstellung von Satzteilen deutet auf eine Verschleierungsabsicht des Klägers hin.

144

(13) Ein Zitierfehler, allerdings nur im Hinblick auf die erforderliche besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme, findet sich auf S. 19 Abs. 4 Satz 3 der Dissertation (Fallgruppe E). In den dieser Textstelle zugeordneten Fußnoten 84 und 85 werden keine Quellen ausgewiesen. Es wird nicht deutlich, dass eine wörtliche Übernahme von Teilsätzen des Autors Schiessl unter marginaler Umstellung erfolgt.

145

(14) An der erforderlichen Nennung des Autors Schiessl unter besonderer Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme fehlt es auf S. 20 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Inhalt und Formulierung stammen von Schiessl. Die Nennung von Schiessl neben Semler in der Fußnote 92 zu S. 20 Abs. 2 Satz 3 der Dissertation gibt keinen Hinweis auf eine inhaltliche Übernahme sowie auf eine wörtliche Übernahme ganzer Sätze auf S. 20 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Dissertation.

146

(15) Gleiches gilt bezüglich S. 20 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Eine Autorennennung fehlt am rechten Ort. Die Fußnote 91 zu S. 20 Abs. 2 Satz 1 der Dissertation gibt keine Quelle an. Die Nennung von Schiessl neben Semler in der Fußnote 92 zu S. 20 Abs. 2 Satz 3 der Dissertation gibt keinen Hinweis auf eine inhaltliche Übernahme sowie auf eine wörtliche Übernahme ganzer Sätze in S. 20 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Dissertation.

147

(16) Ebenso fehlen die erforderliche Autorennennung und die erforderliche besondere Kennzeichnung auf S. 20 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Die Formulierungen sind an Schiessl angelehnt und teils satzweise wörtlich mit geringfügigen Änderungen (z.B. „selbst wenn“ statt „auch wenn“) übernommen. Nach der Art einer Kollage erscheint der Einschub des vom Doktoranden selbst stammenden ersten Teils von Satz 2. Ein Fundstellennachweis zum nachfolgenden Satz in der Fußnote 93 zu S. 21 Abs. 1 Satz 1 der Dissertation unter Angabe mehrerer Autoren ist bei einer wörtlichen Übernahme ganzer Sätze nicht hinreichend, da ein Leser einen solchen Fundstellennachweis nicht der vorhergehenden Textstelle zuordnen kann.

148

(17) Der Urheber Schönbrod hätte auf S. 23 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Dissertation genannt und die wörtliche Übernahme besonders gekennzeichnet werden müssen (Fallgruppe F). Es genügt nicht, dass zum vorausgehenden Satz Schönbrod genannt wurde. Die zu dem vorausgehenden Satz angebrachte Fußnote 103 gehört zu dem abgeschlossenen Absatz 5 auf S. 24 der Dissertation. In den Fußnoten 104 („Dazu… Gabele, … Poensgen“), 105 („Dazu … v. Winckler“) sowie 106 („dazu Eisenführ“) zu S. 23 Abs. 1 der Dissertation wird nicht angegeben, dass Inhalt und Formulierungsfragmente von Schönbrod stammen.

149

(18) Ebenso verhält es sich auf S. 23 Abs. 3 Sätze 1 bis 4 der Dissertation (Fallgruppe F). Die Nennung Schönbrods als Urheber war nicht deshalb entbehrlich, weil Schönbrod selbst Primärquellen benannt hatte. Denn die Argumentationsstruktur und die Formulierungen stammen vom Urheber der Sekundärquelle Schönbrod. In der Fußnote 109 („Zur Matrixorganisation im einzelnen Erbslöh…“) wird die wörtliche Quelle Schönbrod nicht genannt. Auch in der hinter dem letzten Satz (schon auf S. 24) angegebenen Fußnote 110 wird die Quelle nicht genannt. Die Fußnote 108 zum letzten Satz von S. 23 Abs. 2 der Dissertation nennt Schönbrod, dieses Zitat befindet sich aber vor der Überschrift des hier in Betracht genommenen Abschnitts „Matrixorganisation“.

150

(19) Keinen Zitierfehler lässt S. 24 Abs. 3 Satz 2 der Dissertation erkennen (Fallgruppe B). Es bedarf einer Nennung des Autors. Allerdings folgt dies nicht bereits aus der Verwendung der (auch von A. gebrauchten) Formulierung „Anschlussfrage“, da die Formulierung nicht hinreichend originell ist. Doch bedarf der Gedanke, dass die zwingenden Grenzen des § 76 AktG (der die Leitung der Aktiengesellschaft betrifft) betroffen sind, eines Quellennachweises. Unter Anlegung eines großzügigen Maßstabs ist eine Autorennennung am rechten Ort (noch hinreichend) vorhanden. Die Quelle A. wird zwar erst in der Fußnote 111 zu S. 24 Abs. 4 Satz 1 der Dissertation genannt als Vertreter der Auffassung, es handele sich bei der Vorschrift um „eine Kompetenzvorschrift mit zuständigkeitsausschließender Wirkung gegenüber Aufsichtsrat und Hauptversammlung“. Damit ist aber implizit die Fragestellung nach den zwingenden Grenzen des § 76 AktG aufgeworfen, so dass ein Quellennachweis für den gedanklichen Inhalt von S. 24 Abs. 3 Satz 2 der Dissertation vorliegt.

151

(20) Ein Zitierfehler zu bejahen ist wiederum hinsichtlich S. 26 Abs. 5 Sätze 1 und 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Die Rezeptionsleistung von A. als Urheber der Sekundärquelle wird im Kern wortgleich ohne Nennung des Urhebers übernommen. Nur die Urheber der Primärquellen Mertens und Hefermehl sind in der zugehörigen Fußnote 118 benannt. Der Fehler liegt mithin darin, dass eine Arbeit an Primärquellen suggeriert wird, obwohl lediglich eine Sekundärquelle wiedergegeben wird.

152

(21) Ein Zitierfehler begegnet dem Leser auch auf S. 28 Abs. 3 Satz 4 der Dissertation (Fallgruppe E). Unter Anlegung eines großzügigen Maßstabs wird zwar die Nennung des Autors A. in der Fußnote 130 zu dem weiterführenden nachfolgenden Satz für ausreichend erachtet. Es fehlt aber an der besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme.

153

(22) Sowohl an der erforderlichen Autorennennung als auch an der besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme fehlt es auf S. 29 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation (Fallgruppe F). Dies gilt aus den entsprechenden Gründen wie bei der vorvorgenannten Textstelle (s.o. (20)). Die Rezeptionsleistung stammt in Inhalt und Formulierung von A. als Urheber der Sekundärquelle. Die Fußnote 135 nennt lediglich die Autoren der Primärquellen Hefermehl, Theisen und Henn.

154

(23) Auf S. 30 Abs. 4 Satz 3 der Dissertation fehlt es an der Nennung des Urhebers Scheffler, von dem die Formulierung wörtlich übernommen worden ist (Fallgruppe F). Die geringe Originalität des Inhalts macht wegen der Wörtlichkeit der Übernahme eines ganzen Satzes eine Autorennennung nicht entbehrlich.

155

(24) Entsprechend hätte auf S. 32 Abs. 2 Sätze 2 und 3 der Dissertation der Urheber Scheffler, von dem Formulierung und Inhalt stammen, unter besonderer Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme genannt werden müssen (Fallgruppe F). Die einzelnen Teilsätze stammen wörtlich von Scheffler, die Satzübergänge sind marginal verändert. Es fehlt schon an einer Autorennennung am rechten Ort. Nicht ausreichend ist, dass die Fußnote 142 zum einleitenden Satz 1 Semler und Scheffler nennt. Denn die Sätze 2 und Satz 3 erläutern entgegen dem klägerischen Vortrag nicht lediglich Satz 1, sondern schränken ihn ein, wie das Wort „aber“ in Satz 2 anzeigt.

156

(25) Auch auf S. 32 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 der Dissertation liegt der Zitierfehler darin, dass bereits der Autor Scheffler, von dem eine wörtliche Übernahme erfolgt, ungenannt bleibt (Fallgruppe F). Es gilt das Gleiche wie bei der vorstehenden Textstelle (s.o. (24)).

157

(26) Ein Zitierfehler ist auf S. 32 Abs. 7 Satz 4 der Dissertation insoweit festzustellen, als zwar der Urheber genannt wird, aber eine besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme fehlt (Fallgruppe E). Der Urheber Götz wird – neben anderen Autoren – zwar nicht in der Fußnote 145 zu dem auf S. 33 endenden Satz, aber doch in der Fußnote 144 zu S. 32 Abs. 7 Satz 2 der Dissertation genannt. Unter Anlegung eines großzügigen Maßstabs ist dies noch eine Autorennennung am rechten Ort. Jedoch hätte die wörtliche Übernahme von Götz besonderer Kennzeichnung bedurft.

158

(27) Demgegenüber ist ein Zitierfehler auf S. 34 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 der Dissertation deshalb zu verneinen, weil es bereits keiner Autorennennung bedurfte (Fallgruppe A). Die übernommenen Formulierungen „problematische Ämterhäufung“ und „Höchstzahlreduktion“ sind nicht hinreichend originell, um eine Autorennennung unter besonderer Kennzeichnung allein wegen der Wortwahl zu verlangen. Der Inhalt der Textstelle der Dissertation ist vom Inhalt der Textstelle der Quelle Götz verschieden. Denn in der Dissertation wird die Frage lediglich aufgeworfen, ob eine Höchstzahlreduktion von Aufsichtsratsmandaten geeignet ist, dem Problem der Ämterhäufung zu begegnen. Bei Götz wird diese Frage hingegen beantwortet.

159

(28) Einen Zitierfehler begründet auf S. 35 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation, dass es sowohl an der erforderlichen Autorennennung, als auch an der besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme fehlt (Fallgruppe F). Die Formulierung „Konzentrierung der Führungskontrolle auf den Aufsichtsrat“ stammt einschließlich der semantisch falschen Präposition („auf den“ statt „bei dem“) von A.. Eine Autorennennung fehlt am rechten Ort. A. wird erst in der Fußnote 160 zu S. 35 Abs. 3 Satz 3 der Dissertation genannt, aber nur als Urheber für eine weitergehende Überlegung, dass neben dem Aufsichtsrat dem Vorstand selbst eine Kontrollfunktion obliege („Grundlegend für die Anerkennung einer Selbstkontrolle des Vorstands A.…“). Dass bereits der Inhalt der Prämisse auf S. 35 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation, die Konzentrierung der Führungskontrolle beim Aufsichtsrat sei falsch, von A. stammt, wird nicht deutlich gemacht. Der Zitierfehler wiegt hier besonders schwer, weil eine Schlussfolgerung zu Unrecht als Eigenleistung präsentiert wird.

160

(29) Gleichfalls ist ein Zitierfehler auf S. 36 Abs. 1 der Dissertation gegeben (Fallgruppe F). Die wörtliche Formulierung und der Inhalt stammen von A., was kenntlich zu machen war. An einer Autorennennung und einer besonderen Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme fehlt es am rechten Ort. Da auf S. 36 Abs. 1 der Dissertation ein neuer Textabschnitt mit eigener Überschrift beginnt, genügt es insbesondere nicht, dass A. zuvor, beispielsweise in der Fußnote 160 zu S. 35 Abs. 3 Satz 3 der Dissertation genannt wird.

161

(30) Ein Zitierfehler mangels Kennzeichnung wörtlicher Übernahmen tritt auf S. 37 Abs. 2 Sätze 4 bis 6 der Dissertation auf (Fallgruppe E). Die Formulierungen in S. 37 Abs. 2 Satz 5 der Dissertation „einzelnes Aufsichtsratsmitglied“, „zeitliche und berufliche Begrenzung der Mandatsausübung“, „gleichsam an der Kontrollzentrale des Unternehmens mitzuwirken“ stammen wörtlich von A. ebenso wie – nach Satzumstellung – diejenigen in S. 37 Abs. 2 Satz 6 der Dissertation. Wenngleich es an einer besonderen Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme fehlt, ist zumindest eine Autorennennung vorhanden. Die Quelle A. wird in der Fußnote 166 zu S. 37 Abs. 2 Satz 7 der Dissertation für den gedanklichen Inhalt, nämlich die Auffassung genannt, dass die „primäre Kontrollzuständigkeit“ beim Vorstand selbst läge. Diese Auffassung geht noch über die auf S. 37 Abs. 2 Sätze 4 bis 6 der Dissertation wiedergegebene Auffassung hinaus. Ein Quellennachweis für S. 37 Abs. 2 Satz 7 der Dissertation genügt deshalb auch im Hinblick auf die Inhalte der S. 37 Sätze 4 bis 6 der Dissertation.

162

(31) Auf S. 38 Abs. 1 Satz 3 der Dissertation liegt der Zitierfehler darin begründet, dass es sowohl an der erforderlichen Nennung des Autors Scheffler als auch an der erforderlichen besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme fehlt (Fallgruppe F). Die Übernahme von Fremdleistungen wird dem Leser nicht dadurch deutlich gemacht, dass in der Fußnote 168 zum vorausgegangenen Satz 2 Scheffler (neben A. und Mertens) genannt wird. Diese Autorennennung ist auch nicht deshalb für Satz 3 hinreichend, weil dieser mit dem Wort „Dazu“ eingeleitet wird und damit einen neuen Aspekt behandelt. Während S. 38 Abs. 1 Satz 2 der Dissertation lediglich die Aussage enthält, dass der Vorstand sich so zu organisieren habe, dass er seiner Kontrollverantwortung optimal gerecht werde, gibt S. 38 Abs. 1 Satz 3 der Dissertation die Aussage wieder, was der Vorstand „Dazu“ sicherstellen müsse.

163

(32) Ebenso verhält es sich auf S. 38 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation (Fallgruppe F). An der Textstelle heißt es: „Eine wirksame Überwachung durch den Vorstand setzt voraus, daß unter den Vorstandsmitgliedern und zwischen dem Vorstand und dem übrigen Management offen und effizient kommuniziert wird, so daß der Vorstand rechtzeitig und ausreichend alle notwendigen Informationen erhält.“. Die Textstelle entspricht unter marginalen Änderungen wörtlich der Quelle: „Eine wirksame Überwachung durch die Geschäftsführung setzt voraus, daß zwischen Geschäftsführung und dem übrigen Management offen und effizient kommuniziert wird, so daß die Geschäftsführung rechtzeitig und ausreichend alle notwendigen Informationen erhält.“ Inhaltlich unerheblich ist, ob der Vorstand der Aktiengesellschaft unter dieser Bezeichnung oder gemäß seiner Funktion als Geschäftsführung angesprochen wird. Der Autor Scheffler bleibt ungenannt, die wörtliche Übernahme bleibt ungekennzeichnet.

164

(33) Die Autorennennung am rechten Ort und die besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme vom Autor A. fehlen auf S. 40 Abs. 2 Sätze 2 und 3 der Dissertation (Fallgruppe F). In der Fußnote 181 zu Satz 3 wird keine Quelle genannt. In der vorausgehenden Fußnote 180 zu S. 40 Abs. 1 Satz 2 der Dissertation wird nur ein Autor Mertens genannt. Der Versuch des Klägers, einen Bezug zu den Quellennachweisen von A. in der Fußnote 176-179 herzustellen, geht fehl. Es genügt nicht der pauschale Hinweis, dass es in diesem Abschnitt durchgängig um das Interventionsrecht gehe. Das Erfordernis von Einzelnachweisen für einzelne Fragmente fremden Gedankenguts wird etwa dadurch bestätigt, dass in der Dissertation in den Fußnoten 176-179 A. mehrfach genannt wird.

165

(34) Ohne Zitierfehler ist S. 41 Abs. 2 Satz 1 der Dissertation (Fallgruppe A). Eine Autorennennung ist entbehrlich. Die sich auch bei Schiessl findende Formulierung ist ebenso wie der Inhalt nicht so originell, dass Schiessl notwendig zu zitieren wäre. So wird beispielsweise auch von Spindler (in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Aufl. 2014, § 77 Rn. 56) ohne Zitat von Schiessl ausgeführt: „Zur Wahrnehmung der Überwachungspflicht steht allen Vorstandsmitgliedern ein Informationsanspruch über Angelegenheiten aus anderen Ressorts zu.“

166

(35) Auf S. 47 Abs. 2 Sätze 1 f. der Dissertation zeigt sich ein Zitierfehler (Fallgruppe E). Neben anderen wird zwar der Autor Götz in der Fußnote 224 zu Satz 2 genannt, doch wird die wörtliche Übernahme von Formulierungen (z.B. „sachgerechte Überwachung ohne zuverlässige Informationsversorgung nicht möglich“, „Planungs-, Kontroll- und Informationssystemen sowie deren Implementierung“) nicht als solche ausgewiesen.

167

(36) Einen gleichartigen Zitierfehler zeigt S. 48 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 der Dissertation (Fallgruppe E). Die erforderliche Autorennennung kann unter Anlegung eines großzügigen Maßstabs in der Fußnote 229 zu S. 48 Abs. 3 Satz 4 der Dissertation gesehen werden. Besonders zu kennzeichnen war jedoch, dass die Formulierungen (z.B. „[m]it der bloßen Analyse der eingetretenen und festgestellten Abweichungen […] noch nichts bewirkt“) von Semler stammen. Marginale Änderungen („verfolgt werden müssen“ statt „müssen verfolgt werden“) deuten auf einen Täuschungsvorsatz hin.

168

(37) Sowohl die erforderliche Autorennennung als auch die erforderliche besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme fehlen auf S. 52 Abs. 3 Satz 3 der Dissertation (Fallgruppe F). Der Inhalt und wörtlich die Formulierung „die Revisionsabteilungen dynamisch auszurichten, um eine zeitnahe prüferische Orientierung an den Schwerpunkten der unternehmerischen Problemstellungen im Ordnungsbereich sicherzustellen“ stammen von Freiling. Es genügt nicht, dass in anderen Absätzen des Abschnitts oder benachbarter Abschnitte auf den Urheber Freiling verwiesen wird. Freiling ist in der Fußnote 245 zu S. 52 Abs. 2 der Dissertation für ein uneingeschränktes Informations- und Einsichtsrecht der „Revision“ genannt, nicht für die zweckmäßige „dynamische Ausrichtung“ der „Revisionsabteilungen“. Der Leser vermag auch die Autorennennung Freilings neben anderen Autoren in Quellennachweisen, die zu späteren Textabschnitten gehören (Fußnoten 246 zu S. 52 Abs. 4 der Dissertation und 247 zu S. 52 Abs. 5 der Dissertation), nicht der Textstelle S. 52 Abs. 3 Satz 3 der Dissertation zuzuordnen.

169

(38) Ebenso verhält es sich auf S. 52 Abs. 5 Satz 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Eine Autorennennung unter besonderer Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme ist erforderlich. Der Inhalt und die Formulierungen stammen von Götz. Eine Autorennennung fehlt am rechten Ort. Der Urheber Götz wird in der Fußnote 247 (neben Scheffler, Mertens und Freiling) zu S. 52 Abs. 5 Satz 1 der Dissertation dafür genannt, was zur „Gesamtverantwortung“ gehöre. Die Satzumstellung mit dem einleitenden Wort „Ferner“ auf S. 52 Abs. 5 Satz 2 der Dissertation suggeriert aber, dass hier ein neuer Inhalt dargestellt wird, der nicht mehr von der voranstehenden Fußnote gedeckt ist.

170

(39) Auch auf S. 56 Abs. 9 Satz 1 der Dissertation fehlen die Autorennennung und die besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme (Fallgruppe F). Die Formulierung und der Inhalt stammen von Scheffler. Die Nennung Schefflers neben Meyer-Landrut und Semler in der Fußnote 266 zu S. 56 Abs. 8 Satz 2 der Dissertation zu den Rechtsquellen, anhand derer der Aufsichtsrat eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der Geschäftsführung des Vorstands vornimmt, lässt nicht erkennen, dass Scheffler auch der Autor der auf S. 56 Abs. 9 Satz 1 der Dissertation wiedergegebenen Überlegungen zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung ist. Die Fußnote 267 zu S. 56 Abs. 9 Satz 5 der Dissertation nennt nur Semler und macht nicht deutlich, dass der Inhalt des S. 56 Abs. 9 Satz 1 der Dissertation nicht vom Kläger stammt, denn die dazwischenliegenden Sätze werden mit „Allerdings“ und „Vielmehr“ eingeleitet, legen mithin die Annahme neuer gedanklicher Inhalte nahe.

171

(40) Kein Zitierfehler ist in der mangelnden Nennung des Autors der Sekundärquelle Götz auf S. 63 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation zu sehen (Fallgruppe B). Die Nennung eines Autors ist für eine Auswahl an Vertretern der Literaturauffassung erforderlich, nicht aber für die Formulierungsarbeit durch Götz, die anders als etwa im Falle einer früheren Textstelle (s.o. (22)) gering erscheint. Eine Autorennennung am rechten Ort ist vorhanden. In der zum Satzbeginn „Eine Ansicht in der Literatur“ angebrachten Fußnote 295 werden Hueck, Hölters, Rowedder und Wiedemann als Vertreter der Literaturauffassung genannt. Der Kläger war nicht gezwungen, zusätzlich auch den Aufsatzautor Götz zu nennen, selbst dann, wenn er erst durch die Lektüre des Aufsatzes von Götz auf die anderen Autoren aufmerksam geworden wäre.

172

(41) Im Ergebnis ebenso wenig begegnet dem Leser ein Zitierfehler der hier in Rede stehenden Art auf S. 64 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation (Fallgruppe B). Die Übernahme einer Fremdleistung ist kenntlich gemacht, wenn auch der falsche Urheber genannt sein mag. Denn statt Wiedermann mag richtigerweise Götz in der Fußnote 303 zu S. 64 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation als Autor zu benennen gewesen sein. Der verwendete Modus Konjunktiv I deutet auf die Wiedergabe einer fremden These hin und lässt es als nicht zwingend erscheinen, die Wörtlichkeit des Zitats eindeutiger zu kennzeichnen.

173

(42) Hingegen fehlt es sowohl an der erforderlichen Autorennennung als auch der erforderlichen besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme auf S. 65 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Der erste Satz ist vollständig wörtlich von Götz übernommen. Der zweite Satz entspricht unter Umstellung der in ihm enthaltenen Klimax der Quelle Götz. Während es bei Götz heißt: „Das Spektrum reicht von umfassenden Zustimmungsvorbehalten, die entweder durch Satzung oder Aufsichtsratsbeschuß oder auf beiden Wegen eingeführt worden sind, bis hin zu einem vollständigen Verzicht auf eine Mitwirkung des Aufsichtsrats an den Geschäften des Vorstands“, heißt es in der Dissertation: „Das Spektrum reicht vom vollständigen Verzicht auf jede Inanspruchnahme dieser Befugnis über wenige Details bis hin zu recht umfangreichen Zustimmungskatalogen, die entweder durch Satzung oder Aufsichtsratsbeschluß oder auf beiden Wegen eingeführt worden sind.“ Eine Autorennennung fehlt am rechten Ort. In der Fußnote 307 zum ersten Satz werden Gerum/Steinmann/Fees sowie Vogel als Urheber benannt. In der Fußnote 308 zum zweiten Satz werden nur Quellen zur „Problematik, ob Aufsichtsräte, die ihre Überwachungsaufgaben ohne Zustimmungsvorbehalte ausüben, ihre Sorgfaltspflicht vernachlässigen“, genannt.

174

(43) Auf S. 67 Abs. 2 Satz 2 der Dissertation ist die allein erforderliche Autorennennung vorhanden (Fallgruppe B). Wiedergegeben ist zunächst der damalige Gesetzesstand (§§ 76 Abs. 1, 111 Abs. 4 Satz 2, 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AktG). Die Nennung eines Autors war zwar erforderlich für den Umkehrschluss aus dem Gesetzeswortlaut, welche Zustimmungsvorbehalte mit dem Gesetz unvereinbar sind. Doch ist dieser Umkehrschluss bereits auf S. 67 Abs. 2 Satz 1 der Dissertation angedacht, wo es heißt, die Grenzen zulässiger Zustimmungsvorbehalte ergäben sich „aus § 76 Abs. 1 AktG i.V.m. dem Zusammenwirken der §§ 111 Abs. 4 S. 2, 90 Abs. 1 Nr. 4, 90 Abs. 2 Nr. 4 AktG“ und wo für diese Rechtsauffassung, neben anderen Autoren, auch Götz genannt wird. Die sich sowohl in der Dissertation als auch bei Götz findende Formulierung, dass „solche Zustimmungsvorbehalte unvereinbar sind“, ist nicht so originell, dass sie allein einen hervorgehobenen Beleg des Autors Götz erfordert hätte.

175

(44) Sowohl die erforderliche Autorennennung als auch die erforderliche besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme fehlen auf S. 75 Abs. 7 Satz 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Von Peltzer stammt der Satz: „Es erscheint jedoch fraglich, ob nicht in der Rechtswirklichkeit – und vielleicht schon gewohnheitsrechtlich verfestigt – in vielen Fällen eine Verlagerung auf andere Entscheidungsträger stattgefunden hat“. Dieser Satz wird – bis auf den Einschub – wörtlich übernommen. Der wiedergegebene gedankliche Inhalt an sich mag keine hohe Originalität haben, jedoch ist bei einer wörtlichen Übernahme die Nennung des Autors unter besonderer Kennzeichnung erforderlich. An beidem fehlt es hier.

176

(45) Ebenso verhält es sich auf S. 75 Abs. 4 Satz 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Der Hauptteil dieses Satzes lautet: „ob nicht in der Rechtswirklichkeit in vielen Fällen eine Verlagerung auf andere Entscheidungsträger stattgefunden hat“. Er übernimmt wörtlich zwei Fragmente des Satzes von Peltzer. Die marginale Veränderung in der Einleitung „Es erscheint jedoch fraglich“ gegenüber „Es fragt sich indessen“ macht eine Nennung des Autors und eine besondere Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme nicht entbehrlich, woran es jeweils fehlt.

177

(46) Auf S. 76 Abs. 3 der Dissertation tritt eine wörtliche Übernahme eines Satzes von A. auf, ohne dass an dieser Stelle auch nur der Autor genannt ist (Fallgruppe F). Es genügt entgegen der Annahme des Klägers nicht, dass der „fragliche Aufsatz […] in diesem Zusammenhang an mehreren Stellen angegeben“ werde. Die Nennung von A. in den Fußnoten 348-350 zu verschiedenen Textstellen auf S. 76 Abs. 1 und 2 der Dissertation ist nicht hinreichend. Denn mit der Textstelle S. 76 Abs. 3 der Dissertation beginnt ein neuer Abschnitt unter neuer Überschrift „Die rechtliche Verantwortung für das Bestellungsverfahren“. Nach dem auf S. 76 Abs. 3 der Dissertation wörtlich wiedergegebenen Gedanken A. ist es „[h]insichtlich der Frage nach der rechtlichen Verantwortung für das Bestellungsverfahren von entscheidender Bedeutung, ob diese faktische Entscheidungsbeteiligung des Vorstands […] Ausdruck seiner rechtlichen Verantwortung […] oder lediglich eine rechtlich irrelevante Hilfeleistung ist.“ Diese Alternativen werden nicht aufgezeigt an den Textstellen S. 77 Abs. 1 Satz 4 der Dissertation und S. 77 Abs. 1 Satz 6 der Dissertation, welchen die Fußnoten 351-352 zugeordnet sind, in denen (u.a.) A. als Urheber genannt wird.

178

(47) Ebenso bedurfte es einer Autorennennung und einer besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme auf S. 77 Abs. 3 Satz 3 der Dissertation (Fallgruppe F). Formulierung und Inhalt stammen von Götz. Bei Götz heißt es: „Die Personalkompetenz des Aufsichtsrats fordert sein Tätigwerden bereits weit im Vorfeld einer eintretenden Vorstandsvakanz. In der Dissertation wird übernommen: „Somit erfordert die Personalkompetenz des Aufsichtsrats sein Tätigwerden bereits weit im Vorfeld einer eintretenden Vorstandsvakanz.“ Es fehlt bereits an einer Autorennennung am rechten Ort. Der Urheber Götz wird in der Fußnote 355 zu S. 77 Abs. 3 Satz 2 der Dissertation benannt, aber nur für den Gedanken, dass es mittelfristiger Nachfolgeplanungen bedürfe. Die Verwendung des Wortes „Somit“ deutet auf eine Schlussfolgerung hin, die erst recht hätte als Fremdleistung ausgewiesen werden müssen.

179

(48) Die allein erforderliche Autorennennung noch hinreichend vorhanden ist demgegenüber auf S. 79 Abs. 3 Satz 1 bis S. 80 Abs. 1 Satz 1 der Dissertation (Fallgruppe B). Einen Quellennachweis erfordern nicht schon die Formulierungen, die fragmentsweise von A. stammen, aber anders als bei der vorgenannten Textstelle (s.o. (47)) wenig originell sind. Einen Quellennachweis erfordert, dass die gedanklichen Inhalte von A. stammen. Für den gedanklichen Inhalt wird in der Fußnote 369 zu S. 80 Abs. 1 Satz 2 der Dissertation A. als Quelle genannt. Eine Zuordnung zu den Inhalten der in Rede stehenden Textstelle ist dem Leser möglich, da S. 80 Abs. 1 Satz 2 der Dissertation eine Konkretisierung („im erstgenannten Fall“, „im letztgenannten Fall“) des an der in Rede stehenden Textstelle eingeführten Gegensatzpaars („Auf der einen Seite“, „auf der anderen Seite“) enthält.

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(49) Ein Zitierfehler, da zwar die erforderliche Autorennennung erfolgt, aber ohne die erforderliche besondere Kennzeichnung, begegnet dem Leser demgegenüber auf S. 80 Abs. 1 Satz 3 der Dissertation (Fallgruppe E). Die Satzfragmente „gilt auch […] für die vorzeitige Beendigung der Vorstandstätigkeit […], dürfen die anderen Vorstandsmitglieder nicht abwarten, bis der Aufsichtsrat die notwendigen Konsequenzen zieht, sondern müssen von sich aus initiativ werden, damit […] sein Amt zur Verfügung stellt bzw. abberufen wird.“ stammen wörtlich von A.. Dass der Inhalt von A. herrührt, geht zwar aus der Fußnote 370 zu S. 80 Abs. 1 Satz 6 der Dissertation („Deshalb wären rechtliche Vorgaben über das normative Gewicht des jeweiligen Entscheidungsträgers verfehlt.“) hervor, denn das Wort „Deshalb“ bewirkt eine Klammerung zu der vorstehenden Textstelle. Nicht offen gelegt ist aber die Wörtlichkeit der Übernahme. Geringfügige Änderungen („Gleiches gilt“ statt „Das gilt auch“) deuten auf Täuschungsvorsatz hin.

181

(50) Sowohl die erforderliche Autorennennung als auch die erforderliche besondere Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme der Zwischenergebnisse von A. fehlen wiederum auf S. 80 Abs. 1 Satz 1 der Dissertation (Fallgruppe F). Es handelt sich um eine Schlussfolgerung aus den vorstehenden Abschnitten, weshalb gerade eine erneute Benennung der Quelle nicht entbehrlich war, um nicht den falschen Eindruck einer Eigenleistung zu erwecken.

182

(51) Ohne Zitierfehler ist S. 81 Abs. 1 Satz 7 der Dissertation (Fallgruppe A). Formulierung und Inhalt, dass die für die Zukunft als Nachfolger im Vorstand ausgewählten Personen „stets adäquat und anspruchsgerecht beschäftigt werden“ müssen, sind von so geringer Originalität, dass das Fehlen einer Autorennennung unter Anlegung eines großzügigen Maßstabs als vertretbar erscheint.

183

(52) Einen Zitierfehler begründet in der Fußnote 396 zu S. 87 der Dissertation, dass A. als Urheber der Sekundärquelle nicht genannt wird (Fallgruppe D). Eine Autorennennung ist erforderlich wegen des Inhalts (Rezeptionsleistung von A.). Die Formulierung („Beispielhaft sei […] verwiesen“) erfordert hingegen keinen besonderen Quellennachweis. Eine Autorennennung fehlt am rechten Ort. Die Fußnoten 394 und 397 geben eine Quelle nur für den jeweiligen Inhalt des Textkorpus an, nicht für den Inhalt der Fußnote 396.

184

(53) Auf S. 132 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Dissertation fehlen die Nennung des Autors Mertens und die besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme beider Sätze (Fallgruppe F). Entgegen dem klägerischen Vortrag war eine Autorennennung nicht entbehrlich. Die beiden Sätze beschreiben konzentriert und prägnant die Leitungsverantwortung des Vorstands einer andere Unternehmen beherrschenden Aktiengesellschaft und enthalten die Schlussfolgerung einer „(Ober-)Leitung der Konzernunternehmen“.

185

(54) Entsprechend fehlen in der Fußnote 612 zu S. 132 der Dissertation Nachweise des Urhebers Scheffler und der wörtlichen Übernahme des vollständigen Satzes (Fallgruppe F). An einer Autorennennung fehlt es entgegen dem klägerischen Vortrag. Die Fußnoten 611 und 613 geben eine Quelle nur für den jeweiligen Inhalt des Textkorpus an, nicht für den Inhalt der Fußnote 612.

186

(55) Auf S. 179 Abs. 5 Satz 2 der Dissertation fehlen ebenso die Autorennennung und die besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme (Fallgruppe F). Gerade weil es sich gemäß der Überschrift auf S. 179 um die Zusammenfassung der Dissertation handelt, war eine – vom Leser gerade an dieser Stelle nicht zu erwartende – Fremdleistung als solche auszuweisen. Auf eine Nennung des Autors Götz konnte nicht verzichtet werden. Die wörtliche Übernahme der charakteristischen Formulierung „daß ein leistungsfähiges internes Überwachungssystem besteht, welches alle relevanten Vorgänge erfasst“ erfordert eine besondere Kennzeichnung.

187

(56) Die S. 115 Abs. 7 Satz 1 der Dissertation zeigt einen Zitierfehler gleicher Art (Fallgruppe F). Inhalte und Formulierungen stammen von Scheffler. Eine Autorennennung fehlt am rechten Ort. Der Leser vermag den Quellennachweis in der Fußnote 539 zu S. 115 Abs. 2 Satz 2 der Dissertation nicht der in Rede stehenden Textstelle zuzuordnen. Denn aus der Satzeinleitung „Aus diesen Überlegungen ist abzuleiten“ folgt, dass der in S. 115 Abs. 3 Satz 1 zum Ausdruck gebrachte Gedanke über den Inhalt des S. 115 Abs. 2 Satz 2 hinausgeht und eine weiterführende Schlussfolgerung enthält.

188

(57) Schließlich ist auf S. 180 Abs. 6 Satz 3 der Dissertation ein Zitierfehler gegeben (Fallgruppe D). Der Leser durfte erwarten, dass unter der Überschrift „Zusammenfassung“ keine fremden Untersuchungsergebnisse präsentiert werden, ohne die hier von Bezzenberger übernommene inhaltliche Fremdleistung als solche auszuweisen. Die übernommene Formulierung ist nicht originell genug, um über die Autorennennung hinaus eine besondere Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme zu gebieten.

189

cc. Die Täuschung ist nicht unerheblich. Die Bagatellgrenze ist, unabhängig davon, wo genau sie verläuft, jedenfalls überschritten. Dahinstehen kann, ob die Bagatellgrenze allein absolut zu bestimmen ist und bereits bei wenigen, nicht geringfügigen Zitierfehlern überschritten ist, oder ob dies erst dann der Fall ist, wenn auch relativ ein in Bezug auf die Prüfungsleistung als Ganzes nicht unverhältnismäßiges Ausmaß an Zitierfehlern erreicht ist, bei denen die betroffene Textstelle für den Leser zu Unrecht den Anschein einer Eigenleistung erweckt. Denn auch in relativer Betrachtung stehen die nicht zu beanstandenden Textstellen nicht außer Verhältnis zu den in absoluten Zahlen nicht wenigen Textstellen der vom Kläger vorgelegten Dissertation, die eine Eigenleistung vortäuschen.

190

Wie im Bescheid vom 25. Juni 2012, S. 17, dargelegt, ist jedenfalls kein vereinzelt auftretendes und versehentliches unsauberes Arbeiten bzw. Zitieren im Sinne von bagatellhaften, handwerklichen Flüchtigkeitsfehlern oder ein Fehlverhalten in inhaltlich irrelevanten, hinsichtlich der Thematik der Arbeit allenfalls randständigen Teilen der Dissertation gegeben. Denn den in der Dissertation redlich erbrachten Eigenleistungen steht nach den obigen Feststellungen (s.o. bb.) eine große und auch im Verhältnis dazu nicht zu vernachlässigende Anzahl von Fällen entgegen, in denen eine Fremdleistung nicht hinreichend als solche ausgewiesen und damit für den Leser zu Unrecht der Eindruck einer Eigenleistung erweckt worden ist. Die in einer Vielzahl auftretenden Zitierfehler, die einen Verstoß gegen die wissenschaftliche Redlichkeit begründen, überschreiten jedwede Bagatellgrenze bei Weitem. Während von den untersuchten 57 Textstellen zwölf (und eine weitere teilweise) keinen Zitierfehler aufweisen, weil entweder bereits eine Autorennennung entbehrlich ist (Fallgruppe A) oder die allein erforderliche Autorennennung vorhanden ist (Fallgruppe B), zeigen sich an allen übrigen der untersuchten Textstellen Zitierfehler. An zwei Textstellen fehlt es an der erforderlichen Autorennennung (Fallgruppe D) und an sieben weiteren Textstellen an der erforderlichen besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme (Fallgruppe E). An allen übrigen 35 Textstellen (und einer weiteren Textstelle teilweise) fehlt es sogar an beidem, sowohl an der erforderlichen Autorennennung als auch an der erforderlichen besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme (Fallgruppe F).

191

Die Bagatellgrenze ist sowohl in absoluter als auch in relativer Hinsicht selbst dann überschritten, wenn zugunsten des Klägers angenommen würde, dass keine weiteren, als die vorstehenden (s.o. bb. (1) bis (57)) untersuchten Textstellen Zitierfehler aufweisen. Nicht untersucht worden sind insbesondere die von der Beklagten im angefochtenen Bescheid in Anlage 3 angeführten 71 Textstellen, in denen nach ihrer Auffassung nicht kenntlich gemacht ist, welche Teile des Textes auf seinen eigenen Erkenntnissen und Gedanken beruhen und welche Teile des Textes eine bloße Wiedergabe fremder Erkenntnisse und Gedanken darstellen.

192

Das Gericht verkennt dabei nicht, dass der Kläger in der vorgelegten Dissertation in einem nicht kleinen Umfang Quellennachweise angebracht hat. Die 180 Seiten des Textkorpus enthalten 818 Fußnoten, die – zugeordnet zu einzelnen Textstellen – oftmals ein oder mehrere Autoren von übernommenen Fremdleistungen nennen. Die Vielzahl der festgestellten Zitierfehler, bei denen Fremdleistungen mangelhaft als solche ausgewiesen sind, überschreitet gleichwohl die Schwelle der Erheblichkeit deutlich.

193

Dahinstehen kann, ob der Kläger, wie er vorprozessual in seiner Stellungnahme vom 13. Januar 2012 vorgebracht hat, in seiner Dissertation als Eigenleistung eine herausragende Stellung des Finanzvorstands anerkannt hat. Denn die Dissertationsleistung ist im Rahmen dieses Verfahrens nicht zu würdigen; es ist auch unerheblich, ob die Leistung – die Zitierfehler hinweggedacht – noch für eine selbständige wissenschaftliche Arbeit ausgereicht hätte (VGH Mannheim, Beschl. v. 13.10.2008, 9 S 494/08, juris Rn. 8).

194

dd. Die Täuschung hat bei den maßgeblichen Adressaten einen Irrtum hervorgerufen, auf dem wiederum die Verleihung des Doktorgrads beruht.

195

Ein durch die Täuschungshandlung hervorgerufener Irrtum liegt bereits dann vor, wenn nur einzelne Amtswalter, die an der Entscheidung maßgeblich beteiligt waren, irregeführt worden sind (VG Regensburg, Urt. v. 31.7.2014, RO 9 K 13.1442, juris Rn. 47). Diese Voraussetzung ist erfüllt. Die Verleihung des Doktorgrads durch Aushändigung oder Zustellung einer vom Sprecher des damaligen Fachbereichs Rechtswissenschaft I gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 PromO 1972 unter dem 28. Januar 1998 unterzeichneten Urkunde setzte ein Bestehen des Kolloquiums gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 PromO 1972 vor dem aus drei Prüfern bestehenden Ausschuss gemäß § 13 Abs. 2 PromO 1972 voraus. Die Durchführung des Kolloquiums erforderte nach § 13 Abs. 1 PromO 1972, dass die Dissertation endgültig mindestens als „genügend“ bewertet wurde. Die Bewertung der vom Kläger vorgelegten Dissertation durch den nach § 11 PromO 1972 gebildeten Dissertationsausschuss entsprach gemäß § 10 Abs. 3 PromO 1972 der übereinstimmenden Bewertung der beiden zur Beurteilung der Dissertation bestellten Gutachter in ihren gemäß § 10 Abs. 1 i.V.m § 9 PromO 1972 erstellten Voten mit der Note „magna cum laude“. Dabei kann dahinstehen, ob der Betreuer der Dissertation und Erstgutachter Prof. Dr. A. bei Erstattung eines Votums vom 16. Oktober 1997 einem Irrtum unterlag. Denn zumindest das Votum des Zweitgutachters Prof. Dr. B. vom 23. Dezember 1997 beruhte, wie der Zweitgutachter in seiner Stellungnahme vom 1. Dezember 2011 bestätigt hat, auf dem durch die Täuschung hervorgerufenen Irrtum, dass „die gesamte Darstellung inhaltlich und textlich allein vom Verfasser“ stamme, sodass mit Aufdeckung der Täuschung nunmehr die „Grundlage für die Beurteilung“ entfallen ist. Ohne die Bewertung des Zweitgutachters wäre das Kolloquium nicht durchgeführt und dem Kläger folglich der Doktorgrad nicht verliehen worden.

196

Die Ursächlichkeit der vom Kläger begangenen Täuschung für die Verleihung des Doktorgrads schlösse es nicht aus, wenn für eine andere als die vom Kläger vorgelegte Arbeit der Doktorgrad verliehen worden wäre. Denn ausgehend von der Dissertation als Form- und Sinnganzes, kommt es auf die konkrete Identität der vorgelegten Arbeit an (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 19.4.2000, 9 S 2435/99, juris Rn. 25; Urt. v. 18.11.1980, IX 1302/78, ESVGH 31, 54 <57>).

197

ee. Der Kläger hat vorsätzlich gehandelt.

198

Vorsatz ist das Wissen und Wollen des Prüflings hinsichtlich der objektiven Umstände, d.h. der Täuschungshandlung im Promotionsverfahren durch Vorlage einer Fremdleistungen mangelhaft als solche ausweisenden Dissertation (dazu s.o. bb.), der Erheblichkeit der Täuschung (dazu s.o. cc.) und der Ursächlichkeit der Täuschung für die Verleihung des Doktorgrads (dazu s.o. dd.). Ausreichend für eine vorsätzliche Täuschung ist ein bedingter Vorsatz, bei dem die Verwirklichung der objektiven Umstände für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen wird (vgl. OVG Bautzen, Beschl. v. 28.6.1994, 2 S 130/94, SächsVBl 1994, 269, juris ). Die vorsätzliche Täuschung eines Prüflings liegt dann vor, wenn keine andere Erklärung zu finden ist, als die, dass der Prüfling insgeheim den ursprünglichen Text als Schreibvorlage benutzt hat (VGH Mannheim, Urt. v. 18.11.1980, IX 1302/78, ESVGH 31, 54 <55>).

199

Nach diesen Maßstäben hat der Kläger im Promotionsverfahren vorsätzlich getäuscht. Der Kläger hat es für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, dass der Grad eines Doktors der Rechtswissenschaft an ihn aufgrund einer erheblichen Täuschung im Promotionsverfahren verliehen werden würde. Art und Umfang der Übernahme fremder Texte und Gedanken ohne hinreichende Ausweisung lassen keine andere Erklärung zu. Im Einzelnen:

200

In quantitativer Hinsicht kann ein bedingter Täuschungsvorsatz bereits aus der schieren Menge der Verstöße gegen die wissenschaftliche Redlichkeit hergeleitet werden (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 159). Zitierfehler, die in einer mangelhaften Ausweisung von Fremdleistungen begründet sind, treten an 44 der 57 untersuchten Textstellen (und einer weiteren Textstelle teilweise) auf. Rechnerisch ist auf jeder vierten der insgesamt 180 Druckseiten der Dissertation festzustellen, dass Fremdleistungen mangelhaft ausgewiesen sind.

201

In qualitativer Hinsicht wiegt der vielfache Verstoß gegen die wissenschaftliche Redlichkeit besonders schwer. Die Art der Zitierfehler lässt – ebenso wie vorstehend beschrieben der Umfang der Zitierfehler – auf einen zumindest bedingten Täuschungsvorsatz schließen.

202

Dies folgt zunächst daraus, dass sich die mangelhafte Ausweisung von Fremdleistungen auf alle wesentlichen Teile der vom Kläger vorgelegten Dissertation erstreckt. Die betroffenen Textstellen (s.o. bb.) finden sich, wie im Bescheid vom 25. Juni 2012, S. 18 f., zu Recht hervorgehoben ist, nicht nur und auch nicht weit überwiegend in thematischen Randbereichen der Dissertation, vielmehr erstreckt sich die mangelhafte Ausweisung von Fremdleistungen auf alle wesentlichen Teile der vom Kläger vorgelegten Dissertation: Unter der Abschnittsüberschrift „§ 1 Generalia“ (S. 1-5) findet sich ein Zitierfehler der Fallgruppe F. Der Abschnitt „§ 2 Geschäftsleitung in der Aktiengesellschaft“ (S. 6-89) enthält 30 Textstellen (und eine Textstelle teilweise), die der Fallgruppe F zuzuordnen sind, davon 14 Textstellen in dem Unterabschnitt „D. Grenzen der Geschäftsverteilung“ (S. 24-74), die der Kläger in der Dissertation selbst (S. 3) als „Kernbereich der Arbeit“ ausgewiesen hat. Im Abschnitt „§ 3 …“ (S. 90-156) begegnen dem Leser zwei Zitierfehler der Fallgruppe F. Während in den beiden kürzeren Abschnitten „§ 4 …“ (S. 157-163) und „§ 5 …“ (S. 164-178) keine Zitierfehler festgestellt worden sind, treten in dem die Arbeit abschließenden Abschnitt „§ 6 … (S. 179-180)“, in dem die vom Promovenden gefundenen Ergebnisse der Arbeit zu sammeln waren, wiederum zwei Zitierfehler auf. An beiden Textstellen fehlt es bereits an der Autorennennung, an einer der Textstelle zusätzlich an der besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme.

203

In qualitativer Hinsicht wiegt der Verstoß ferner deshalb besonders schwer, weil von den 44 festgestellten Zitierfehlern (und einem weiteren teilweisen Zitierfehler), 35 (und ein weiterer teilweise) der Fallgruppe F zuzuordnen sind. Obwohl an den betroffenen Textstellen über den gedanklichen Inhalt hinaus auch die Formulierung wörtlich der Quelle entnommen ist, fehlt es hier nicht nur an der gebotenen besonderen Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme, sondern bereits überhaupt an der Nennung des Autors. Der dem Kläger gemacht Vorwurf erschöpft sich mithin nicht darin und besteht auch nicht im Schwerpunkt darin, dass er nicht in hinreichendem Umfang Anführungszeichen gesetzt habe. Vielmehr liegt der Vorwurf darin begründet, dass es bereits an einer Nennung des Urhebers eines zu Unrecht als Eigenleistung dargestellten fremden gedanklichen Inhalts fehlt und zusätzlich dazu die Formulierungen wörtlich übernommen worden sind.

204

Für einen Täuschungsvorsatz spricht weiter, dass sich die Zitierfehler nicht auf den darstellenden Teil der Dissertation beschränken. Auch soweit die Dissertation Schlussfolgerungen enthält oder die Ergebnisse der Arbeit selbst präsentiert werden, sind Fremdleistungen mangelhaft ausgewiesen (s.o. bb. (28), (47), (55) und (57)). Dies wiegt besonders schwer, weil aus Sicht des Lesers der Wert der Dissertation als wissenschaftlicher Arbeit vor allem in den über das Repetitive hinausgehenden Transferleistungen besteht.

205

Hinzu kommt, dass der Verstoß gegen die Grundanforderungen wissenschaftlicher Redlichkeit durch fehlerhafte Zitate jeweils mit bestimmten Indizien einer vorsätzlichen Täuschung einhergeht. Ein Täuschungsvorsatz lässt sich in Anlehnung an die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Münster anhand von vier alternativ zu erfüllenden Kriterien feststellen. Ist eines dieser Kriterien erfüllt, so kann darauf geschlossen werden, dass der Prüfling sich mit dem von ihm abgeschriebenen Text in einer Weise befasst hat, dass von einem bloß leichtfertigen Verstoß gegen das Redlichkeits- und Zitiergebot keine Rede sein kann (VG Münster, Urt. v. 20.2.2009, 10 K 1212/07, juris Rn. 27; vgl. OVG Münster, Beschl. v. 12.8.2010, 14 A 847/09, juris Rn. 23). Das erste Kriterium ist erfüllt, wenn der Prüfling eine Kollage aus Arbeiten fremder Autoren präsentiert. Das zweite Kriterium stellt auf marginale Manipulationen ausgehend vom ursprünglichen Text ab, denn (so VGH Mannheim, Beschl. v. 13.10.2008, 9 S 494/08, juris Rn. 9; vgl. auch VG Frankfurt, Urt. v. 23.5.2007, 12 E 2262/05, juris Rn. 15) die Vorgehensweise der Umstellungen und der Syntaxvariationen belegt eine gezielte Verschleierungsabsicht. Das dritte Kriterium zeigt ein Durchzitieren von Primärquellen ohne Nennung der Sekundärquelle, deren Rezeptionsleistung übernommen wurde, an. Das vierte Kriterium, das einen Täuschungsvorsatz indiziert, ist erfüllt, wenn der Prüfling die Quelle nicht an der in Rede stehenden Textstelle, sondern an anderer Stelle nennt, da dadurch für den Leser im Umkehrschluss der Eindruck bestärkt wird, der Prüfling habe an der erstgenannten Textstelle eine eigene Leistung erbracht.

206

An allen Textstellen, an denen Fremdleistungen mangelhaft ausgewiesen sind, ist zumindest das vierte Kriterium erfüllt, dass die Quelle an anderer Stelle benannt ist (s.o. bb. (1), (2), (5), (6), (8) bis (10), (12) bis (18), (20) bis (26), (28), (29) bis (33), (35) bis (39), (42), (44) bis (47), (49), (50), (52) bis (57)). In mindestens einem Fall ist daneben das erste Kriterium erfüllt, das eine kollageartige Zusammensetzung aus eigenen und fremden Gedanken anzeigt (s.o. bb. (16)). In neun Fällen ist auch das zweite Kriterium erfüllt, da gegenüber der Quelle eine marginale Veränderung, etwa in einzelnen Wörtern oder in den Satzübergängen vorgenommen worden ist (s.o. bb. (8), (12), (13), (16), (24), (30), (36), (38) und (45)). Das dritte Kriterium des Durchzitierens der Primärquelle unter Verschleierung der Rezeptionsleistung der Sekundärquelle ist in mindestens vier Fällen erfüllt (s.o. bb. (12), (20), (22) und (52)).

207

f. Die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads durch den Bescheid vom 25. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 genügt auch den auf Rechtsfolgenseite der Befugnisnorm gestellten Anforderungen.

208

Dabei kann dahinstehen, ob § 48 Abs. 1 HmbVwVfG oder § 18 Abs. 2 PromO 2010 als Rechtsgrundlage herangezogen wird (s.o. c.). Ebenso kann dahinstehen, ob § 18 Abs. 2 Satz 2 PromO 2010 zulasten des Prüflings eine gebundene Entscheidung für den Fall vorsieht, dass die Täuschung Leistungen in solchen Teilen der Promotion betrifft, die für die Bewertung der Dissertation oder Disputation oder die Gesamtnote einen wichtigen Stellenwert hatten und ob ein solcher Fall gegeben ist. Denn wenn keine gebundene Entscheidung vorläge, wäre die Ausübung des der Beklagten nach § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010 bzw. nach § 48 Abs. 1 HmbVwVfG eingeräumten behördlichen Ermessens nach § 114 Satz 1 VwGO gerichtlich nicht zu beanstanden. Im Einzelnen:

209

Ein der Ausübung von Ermessen etwaig vorgelagerter Fehler bei der Subsumtion unter den Tatbestand der Befugnisnorm kann keinen Ermessensfehler begründen (hierzu unter aa.). Die Beklagte hat in Übereinstimmung mit § 40 HmbVwVfG Ermessen ausgeübt (hierzu unter bb.) und zwar entsprechend dem Zweck der Ermächtigung (hierzu unter cc.) und unter Einhaltung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens (hierzu unter dd.).

210

aa. Kein Ermessensfehler folgt daraus, dass die Beklagte die vorsätzliche Täuschung im Promotionsverfahren aus von ihr angenommen Zitierfehlern an allen 57 in Anlage 1 und 2 zum Bescheid vom 25. Juni 2012 genannten Textstellen hergeleitet hat, aber nur an 44 Textstellen (und einer weiteren Textstelle teilweise) das Gericht Zitierfehler festgestellt hat (dazu s.o. e. bb.). Zum einen hat die Beklagte im Ergebnis zutreffend den Tatbestand der eine Rücknahme nach Ermessen eröffnenden Normen für erfüllt angesehen: Die festgestellte Täuschung im Promotionsverfahren erfüllt den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010 und die aus der Täuschung im Promotionsverfahren folgende Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, mit dem der Doktorgrad verliehen worden ist, erfüllt den Tatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG (s.o. e.). Zum anderen geht die Subsumtion unter den Tatbestand der ein Rücknahmeermessen eröffnenden Vorschrift der Ausübung von Ermessen voraus, so dass sich aus einer fehlerhaften Subsumtion kein Ermessensfehler herleiten kann. Die Abweichung der festgestellten Fehlerzahl ist nicht derart gravierend, dass die Ausübung von Ermessen zugunsten der Rücknahme dadurch in Frage gestellt würde. Denn es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der Widerspruchsausschuss eine andere Ermessensentscheidung getroffen hätte, wenn er statt von 57 Zitierfehlern von 44 Verstößen gegen die Grundanforderungen wissenschaftlicher Redlichkeit ausgegangen wäre.

211

bb. Die Entscheidung über die Rücknahme leidet nicht an einem Ermessensausfall. Die Beklagte ist davon ausgegangen, dass ihr bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen Ermessen darüber zusteht, ob sie den Verwaltungsakt über die Verleihung des Doktorgrads zurücknimmt. Die Beklagte hat im Widerspruchsbescheid das eröffnete Ermessen geprüft und ausgeführt, dass Ermessensfehler nicht erkennbar seien. Unschädlich ist dabei, dass die Beklagte statt der unanwendbaren bundesrechtlichen Vorschrift des § 48 Abs. 1 VwVfG nicht die in Betracht zu ziehende landesrechtliche Parallelvorschrift des § 48 Abs. 1 HmbVwVfG sowie die Satzungsbestimmung des § 18 Abs. 2 PromO 2010 genannt hat. Denn, wie bereits dargestellt, ist der Zweck des Ermessens, welches hinsichtlich der Rücknahme eines rechtswidrigen Verleihungsakts eingeräumt ist, nach beiden in Betracht zu ziehenden Befugnisnormen derselbe wie nach § 48 Abs. 1 VwVfG (s.o. c. cc.).

212

Ferner steht die im Widerspruchsbescheid enthaltene Annahme, wegen der vorliegenden arglistigen Täuschung sei ein sehr eingeschränkter Ermessensspielraum zu Grunde zu legen, weil der Vertrauensschutz eingeschränkt sei, in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Danach ist die in § 48 Abs. 2 der parallelen Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder getroffene Wertung über die Schutzwürdigkeit des Vertrauens, die sich ihrem Wortlaut nach nur auf die dort genannten Geld- und Sachleistungsverwaltungsakte bezieht, im Rahmen der Ausübung des Rücknahmeermessens zu berücksichtigen (BVerwG, Beschl. v. 20.10.2006, 6 B 67.06, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 116, juris Rn. 6; OVG Münster, Urt. v. 10.2.2016, 19 A 991/12, juris Rn. 88 ff.). Auf den Bestand eines Verwaltungsaktes darf der Begünstigte gemäß § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 Var. 1 HmbVwVfG insbesondere dann nicht vertrauen, wenn er den Verwaltungsakt durch eine arglistige Täuschung erwirkt hat. Dies ist hier der Fall. Arglist setzt eine bewusste Täuschung voraus (BVerwG, Urt. v. 9.9.2003, 1 C 6/03, BVerwGE 119, 17, juris Rn. 15), wobei bedingter Vorsatz genügt (OVG Bautzen, Beschl. v. 28.6.1994, 2 S 130/94, SächsVBl 1994, 269, juris ). Die Verleihung des Grads des Doktors der Rechtswissenschaft an den Kläger beruht auf der vorsätzlichen Täuschung im Promotionsverfahren (s.o. e.).

213

cc. Die Entscheidung über die Rücknahme leidet ferner nicht an einem Ermessensfehlgebrauch. Die Beklagte hat das Ermessen dem Zweck der Ermächtigung gemäß ausgeübt. Die Beklagte hat im Widerspruchsbescheid vom 30. April 2013 ihre eigene Ermessensbetätigung aufgrund einer Abwägung der widerstreitenden Interessen zu Recht darauf gestützt, dass die Entziehung des Doktorgrads den wissenschaftlichen Ruf des Fachbereichs, der Universität und das Ansehen der Rechtswissenschaft insgesamt schütze und die Übereinstimmung von akademischer Leistung und akademischem Titel ebenso sichere wie das Allgemeininteresse an Titelwahrheit, die Integrität des Promotionsverfahrens und die Chancengleichheit mit anderen Doktoranden. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der Widerspruchsausschuss bei der Entscheidung über die Rücknahme aus sachfremden Gründen, d.h. willkürlich vorgegangen wäre. Unerheblich für die Ermessensausübung durch den Widerspruchsausschuss ist, aus welchem Anlass der für die Ausgangsentscheidung zuständige Promotionsausschuss das Verfahren über die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads eingeleitet hatte.

214

dd. Die Entscheidung über die Rücknahme leidet schließlich nicht an einer Ermessensüberschreitung. Die Beklagte hat die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten. Die besonderen Einschränkungen des § 48 Abs. 2 bis 4 HmbVwVfG, unter denen gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 HmbVwVfG ein begünstigender Verwaltungsakt nur zurückgenommen werden darf, stehen der Rücknahme des die Verleihung des Doktorgrads vornehmenden Verwaltungsakts nicht entgegen. Dies gilt sowohl für den einfachgesetzlichen Vertrauensschutz nach § 48 Abs. 2 oder 3 HmbVwVfG (hierzu unter (1)) als auch für die Rücknahmefrist nach § 48 Abs. 4 HmbVwVG (hierzu unter ((2)). Die Rücknahme der Promotion ist nach Treu und Glauben auch nicht im Hinblick auf die Vorgänge im Habilitationsverfahren ausgeschlossen (hierzu unter (3)). Die Rücknahme steht ferner mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang (hierzu unter (4)).

215

(1) Der Rücknahme steht auf besonderer einfachgesetzlicher Grundlage kein Vertrauensschutz entgegen.

216

Auch ausgehend von einer Anwendbarkeit des § 48 Abs. 1 HmbVwVfG ist ein Bestandsschutz nach § 48 Abs. 2 HmbVwVfG bereits deshalb nicht zu prüfen, weil der Verwaltungsakt, mit dem der akademische Grad eines Doktors der Rechte verliehen worden ist, nicht – wie diese Vorschrift voraussetzt – eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist. Bei anderen Verwaltungsakten steht schutzwürdiges Vertrauen nicht nach § 48 Abs. 2 HmbVwVfG im Wege des Bestandschutzes einer Rücknahme entgegen, sondern löst lediglich nach § 48 Abs. 3 Satz 1 HmbVwVfG im Wege des Vermögensschutzes eine Entschädigungspflicht aus (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.5.2012, 5 C 17/11, BVerwGE 143, 161, juris Rn. 21).

217

Unabhängig davon war das Vertrauen des Klägers in den Bestand des Verwaltungsakts über die Verleihung des Doktorgrads nach dem Maßstab des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 Var. 1 HmbVwVfG nicht schutzwürdig. Denn der Kläger hat diesen Verwaltungsakt durch die im Promotionsverfahren begangene arglistige Täuschung erwirkt (s.o. bb.).

218

(2) Der Rücknahme der am 28. Januar 1998 vollzogenen Verleihung des Doktorgrads durch den Bescheid vom 25. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 steht die Rücknahmefristbestimmung des § 48 Abs. 4 HmbVwVfG nicht entgegen.

219

Die Bestimmung über die Rücknahmefrist findet nach § 18 Abs. 3 PromO 2010 auf eine Aberkennung und Entziehung der Verleihung des Doktorgrads aufgrund § 18 Abs. 2 PromO 2010 bzw. nach § 1 Abs. 1 HmbVwVfG auf eine Rücknahme aufgrund § 48 Abs. 1 HmbVwVfG Anwendung.

220

Jedoch galt die Rücknahmefrist in Anwendung des § 48 Abs. 4 Satz 2 HmbVwVfG vorliegend nicht. Nach dieser Vorschrift gilt die Fristbestimmung des § 48 Abs. 4 Satz 1 HmbVwVfG insbesondere nicht im Fall des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 Var. 1 HmbVwVfG, d.h. für die Rücknahme eines durch arglistige Täuschung erwirkten Verwaltungsakts. Dieser Anwendungsausschluss gilt nicht nur für Verwaltungsakte nach § 48 Abs. 2 HmbVwVfG, sondern auch für solche nach § 48 Abs. 3 HmbVwVfG (zu den Parallelvorschriften des Bundes und der Länder: BVerwG, Urt. v. 12.4.2005, 1 C 9/04, BVerwGE 123, 190, juris Rn. 32; Sachs, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 48 Rn. 209 m.w.N.). Dies betrifft insbesondere die Entziehung des Doktorgrads wegen arglistiger Täuschung (zur hessischen Parallelvorschrift: VG Frankfurt, Urt. v. 23.5.2007, 12 E 2262/05, juris Rn. 20). Wie bereits dargestellt, ist eine arglistige Täuschung gegeben, da die Verleihung des Doktorgrads auf der vorsätzlichen Täuschung im Promotionsverfahren beruht (s.o. bb.).

221

Unabhängig davon wäre die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 HmbVwVfG, ihre Geltung unterstellt, beachtet. Nach dieser Vorschrift ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt zulässig, in dem die Behörde von Tatsachen Kenntnis erhält, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen. Der Fristlauf beginnt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt, erst dann, wenn die Behörde positive Kenntnis von den Tatsachen, die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigen, erhalten hat. Danach erlangt die Behörde positive Kenntnis, wenn der nach der innerbehördlichen Geschäftsverteilung zur Rücknahme des Verwaltungsakts berufene Amtswalter oder ein sonst innerbehördlich zur rechtlichen Überprüfung des Verwaltungsakts berufener Amtswalter die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigenden Tatsachen feststellt; die Feststellung ist getroffen, sobald diese Tatsachen vollständig, uneingeschränkt und zweifelsfrei ermittelt sind (BVerwG, Beschl. v. 19.1.1984, GrSen 1/84, GrSen 2GrSen 2/84, BVerwGE 70, 356, juris Rn. 22). Zur Herstellung der Entscheidungsreife gehört auch die Anhörung des Betroffenen, vor deren Durchführung die Jahresfrist nicht beginnt (BVerwG, Beschl. v. 4.12.2008, 2 B 60/08, juris Rn. 7). Ausgehend von einer Anhörung des Klägers im Januar 2012 erfolgte die am 28. Juni 2012 zugestellte und nach §§ 43 Abs. 1 Satz 1, 41 Abs. 5 HmbVwVfG gegenüber dem Kläger wirksam gewordene Rücknahme jedenfalls rechtzeitig.

222

(3) Auch unter Berücksichtigung der Vorgänge im Habilitationsverfahren ist die Rücknahme der Promotion nicht nach dem im öffentlichen Recht geltenden allgemeinen Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben ausgeschlossen. Die Rücknahme ist weder durch einen Vergleichsvertrag (hierzu unter (a)) noch durch eine Zusicherung (hierzu unter (b)) ausgeschlossen noch steht der Rücknahme das Verbot widersprüchlichen Verhaltens entgegen (hierzu unter (c)).

223

(a) Die im Zusammenhang mit der Sitzung des Habilitationsausschusses am 27. Mai 2009 gefundene „Rettungslösung“ ist kein verbindlicher Vergleichsvertrag des Inhalts, Plagiatsvorwürfe hinsichtlich der Dissertation nicht weiter zu verfolgen. Dabei kann in tatsächlicher Hinsicht der Vortrag des Klägers zu den Inhalten der vor der Sitzung des Habilitationsausschusses am 27. Mai 2009 zwischen dessen Vorsitzenden Prodekan Prof. Dr. D. und dem klägerischen Bevollmächtigten Rechtsanwalt H. durchgeführten Unterredung zugrunde gelegt werden (vgl. klägerischer Schriftsatz v. 20.4.2016, Bl. 141 ff. d.A.). Der Inhalt des Vier-Augen-Gesprächs ergibt sich danach aus den detaillierten Aufzeichnungen und diktierten Protokollen des Rechtsanwalts H.. In rechtlicher Hinsicht trägt die vom Kläger vorgenommene Bewertung der im Habilitationsverfahren gefundenen „Rettungslösung“ jedoch nicht. Im Einzelnen:

224

Fraglich ist bereits, ob im Zusammenhang mit der „Rettungslösung“ ein (öffentlich-rechtlicher Vergleichs-)Vertrag als ein mehrseitiges, durch übereinstimmende Willenserklärungen gemäß § 62 Satz 2 HmbVwVfG i.V.m. §§ 145 ff. BGB konstituiertes Rechtsgeschäft geschlossen worden ist. Als „Rettungslösung“ bezeichnet hat der Habilitationsausschuss in seiner Sitzung vom 8. Juni 2011 den von ihm in seiner Sitzung am 27. Mai 2009 gefassten Beschluss. Ein Beschluss des Habilitationsausschusses ist als einseitiger Innenrechtsakt keine gegenüber einem anderen Rechtsträger abgegebene Willenserklärung mit dem Ziel eines Vertragsabschlusses. Allenfalls könnte im Umfeld der Beschlussfassung vom 27. Mai 2009 zwischen dem durch seinen Bevollmächtigten vertretenen Kläger und dem für die Beklagte handelnden Vorsitzenden des Habilitationsausschusses ein Vertrag geschlossen worden sein, etwa auch in dem durchgeführten Vier-Augen-Gespräch.

225

Einen Vertragsschluss unterstellt, hätte dieser jedenfalls nicht den Verzicht auf eine Rücknahme der Promotion zum Inhalt gehabt. Die Annahme einer Regelung mit „Generalquittungscharakter“ trägt dabei bereits deshalb nicht, weil eine Generalquittung auf den Erlass, den Verzicht oder ein negatives Schuldanerkenntnis in Bezug auf wechselseitige Ansprüche abzielt (vgl. BGH, Urt. v. 13.1.1999, XII ZR 208/96, juris Rn. 17). Dies kam in der Situation vom 27. Mai 2009 insbesondere aus Sicht des Klägers nicht in Betracht. Denn der Kläger wollte ersichtlich nicht auf seinen Prüfungsanspruch auf Durchführung des noch nicht abgeschlossenen Habilitationsverfahrens verzichten. Die etwaig zum Inhalt eines Vertrags gemachte „Rettungslösung“ zielte allein auf die Behebung des sich am 27. Mai 2009 dem Habilitationsausschuss und dem Kläger als Habilitanden stellenden Problems ab. Dieses Problem bestand darin, dass der Zweitgutachter der Habilitationsschrift Prof. Dr. G. in seinem Votum vom 19. Juni 2008 Zitiermängel insoweit festgestellt hatte, dass in der Habilitationsschrift Übernahmen aus der Dissertation nicht hinreichend ausgewiesen waren. Der Habilitationsausschuss selbst hatte die Habilitationsschrift am 14. Januar 2009 für unzureichend erachtet, womit aber noch kein Abschluss des Habilitationsverfahrens zum Nachteil des Klägers verbunden war. Die am 27. Mai 2009 für das Problem der bislang unzureichenden Habilitationsschrift gefundene Lösung zielte – in Übereinstimmung mit dem klägerischen Vortrag – darauf ab, „dass [der Kläger] die Arbeit umarbeiten“ solle, da bei „der Durchsicht der Arbeit [des Klägers] aufgefallen sei, dass Passagen aus Aufsätzen übernommen worden seien, ohne dass dies hinreichend gekennzeichnet worden sei“. Der Habilitationsausschuss behielt sich „eine Neubewertung des überarbeiteten Teils der Arbeit vor“. Mit der „Arbeit“ stand allein die Habilitationsschrift in Rede, auf deren Erörterung vor dem Habilitationsausschuss am 27. Mai 2009 einvernehmlich vorerst verzichtet wurde. In Ausführung dieser Lösung begleiteten Prof. Dr. I. und Prof. Dr. G. die Umarbeitung der Habilitationsschrift durch den Kläger, die schließlich zu positiven Voten der Gutachter im Habilitationsverfahren vom 25. März 2010 sowie 21. April 2010 führte. Zum Zeitpunkt der Sitzung des Habilitationsausschusses am 27. Mai 2009 standen lediglich Zitiermängel der Habilitationsschrift in Bezug auf eine richtige Zitation der Dissertation fest. Demgegenüber bestand aus Sicht des Habilitationsausschusses kein Anlass dazu, über einen Verzicht auf ein Promotionsentziehungsverfahren zu verhandeln.

226

Aus dem substantiierten Vortrag des Klägers zum Inhalt des Vier-Augen-Gesprächs zwischen Prof. Dr. D. und Rechtsanwalt H. ergibt sich bereits nicht, dass auch über gegen die Dissertation erhobene Plagiatsvorwürfe gesprochen worden wäre. Selbst dann, wenn bereits am 27. Mai 2009 im Habilitationsausschuss Bedenken nicht nur gegen die Habilitationsschrift sondern auch gegen die Dissertation erhoben worden sein sollten, standen zu diesem Zeitpunkt noch keine Zitiermängel der Dissertation fest. Insbesondere besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der Habilitationsausschuss sich am 27. Mai 2009 des Problems bewusst war, dass der Kläger im Promotionsverfahren dadurch vorsätzlich getäuscht hatte, dass in der vorgelegten Dissertation an mindestens 44 Textstellen (und einer weiteren Textstelle teilweise) fremde Leistungen zu Unrecht als eigene Leistungen präsentiert wurden (dazu s.o. e.). Soweit Rechtsanwalt H. die Ergebnisse des Vier-Augen-Gesprächs so verstanden hat, „dass vom Kläger erwartet werde, dass er nicht weiter vermeintliche formelle Mängel der Universität geltend mache und sich der neuen Situation widme“ und „[u]mgekehrt […] auch die Universität dem Kläger keine weiteren Steine in den Weg legen“ würde, bestand für diese Einschätzung nur Anlass angesichts des am 27. Mai 2009 ausdrücklich erörterten Problems der bislang unzureichenden Habilitationsschrift. Denn insbesondere der Fortbestand der Promotion war ausweislich der Aufzeichnung von Rechtsanwalt H. und dem Sitzungsprotokoll des Habilitationsausschusses kein Regelungsgegenstand der im Habilitationsverfahren gefundenen „Rettungslösung“.

227

Entgegen der Annahme des Klägers schloss die Einräumung einer Gelegenheit zur Überarbeitung und Verbesserung der Habilitationsschrift auch nicht „begriffsnotwendig“ ein, die Voraussetzungen zur Fertigung einer Habilitation als gegeben zu akzeptieren. Der Fortbestand der Promotion als Zulassungsvoraussetzung zur Habilitation bildete als Vorfrage die Geschäftsgrundlage eines Fortschreitens im Habilitationsverfahren. Doch gehört die Geschäftsgrundlage nicht zum Inhalt eines öffentlich-rechtlichen Vertrags, sondern geht ihm voraus. Die Geschäftsgrundlage wird aus den für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebenden Verhältnissen i.S.d. § 60 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG gebildet.

228

Unabhängig davon wäre eine ohne die Mitwirkung des Promotionsausschusses als fakultätsintern zur Entscheidung zuständigem Gremium geschlossene Vereinbarung, die Rücknahme der Promotion zu unterlassen, nach § 59 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 44 Abs. 1 HmbVwVfG wegen eines schweren und offensichtlichen Mangels nichtig. Der Habilitationsausschuss oder sein Vorsitzender konnten nicht wirksam auf eine Rücknahme der Promotion verzichten, da die Entscheidung über die Rücknahme dem Promotionsausschuss oblag (dazu s.o. d. bb. (1)).

229

Schließlich wäre ein über den Verzicht auf die Rücknahme der Promotion geschlossener Vertrag mangels Wahrung der durch § 57 HmbVwVfG vorgeschriebenen Schriftform nach § 125 BGB i.V.m. § 59 Abs. 1 HmbVwVfG nichtig.

230

(b) Desgleichen fehlt es an einer nach § 38 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG wirksamen Zusicherung, einen Verwaltungsakt über die Rücknahme der Promotion nicht zu erlassen.

231

Ein Unterlassen der Rücknahme der Promotion war ebenso wenig Regelungsgegenstand einer einseitig gegebenen Zusicherung wie es zum Regelungsgegenstand eines Vertrags zwischen den Beteiligten gemacht worden ist. Der Habilitationsausschuss hat im Zuge der „Rettungslösung“ keine Regelung über den Fortbestand der Promotion getroffen, sondern den Fortbestand der Promotion als von ihm nicht zu regelnde Geschäftsgrundlage vorausgesetzt (s.o. (a)).

232

Unabhängig davon wäre eine ohne die Mitwirkung des Promotionsausschusses als fakultätsintern zur Entscheidung zuständigem Gremium ausgesprochene Zusicherung, die Promotion nicht zurückzunehmen, nach § 38 Abs. 2 i.V.m. § 44 Abs. 1 HmbVwVfG wegen eines schweren und offensichtlichen Mangels nichtig.

233

Zudem wäre eine Zusicherung mangels Wahrung der vorgeschriebenen Schriftform nach § 38 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG unwirksam.

234

(c) Die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads steht – unter Berücksichtigung der Vorgänge im Habilitationsverfahren sowie aller anderen Umstände des Einzelfalls – auch mit dem aus Treu und Glauben herzuleitenden Verbot widersprüchlichen Verhaltens im Einklang. Die Befugnis zur Rücknahme ist nicht verwirkt.

235

Die behördliche Befugnis zur Rücknahme eines Verwaltungsaktes ist dann verwirkt, wenn Umstände eintreten, aus denen der die Rechtswidrigkeit kennende Begünstigte berechtigterweise den Schluss ziehen durfte, der Verwaltungsakt werde nicht mehr zurückgenommen, obwohl die Behörde dessen Rücknehmbarkeit erkannt hat, der Begünstigte ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass die Rücknahmebefugnis nicht mehr ausgeübt werde und dieses Vertrauen in einer Weise betätigt hat, dass ihm mit der sodann gleichwohl erfolgten Rücknahme ein unzumutbarer Nachteil entstünde (BVerwG, Urt. v. 20.12.1999, 7 C 42/98, BVerwGE 110, 226, juris Rn. 27).

236

Der für eine Verwirkung der Rücknahmebefugnis vorausgesetzte Vertrauenstatbestand ist mit der im Habilitationsverfahren am 27. Mai 2009 gefundenen „Rettungslösung“ bereits deshalb nicht gesetzt worden, weil die diesbezüglichen Verhandlungen des Klägers mit dem Habilitationsausschuss lediglich ein Voranschreiten im Habilitationsverfahren zum Regelungsgegenstand hatten, nicht aber eine vom Promotionsausschuss zu treffende Entscheidung, ob die Promotion zurückzunehmen war (s.o. (a)). Mangels Vertrauenstatbestands kann in der in Absprache mit dem Habilitationsausschuss durchgeführten Überarbeitung der Habilitationsschrift keine Betätigung des Vertrauens in den Fortbestand der Promotion gesehen werden.

237

Unabhängig davon haben der Habilitationsausschuss oder sein Vorsitzender einen Vertrauenstatbestand zugunsten des Fortbestands der Promotion auch deshalb nicht gesetzt, weil sie für eine Entscheidung über die Rücknahme der Promotion nicht zuständig waren. Die rechtlichen Hindernisse, die einem wirksamen Vergleichsvertrag und einer wirksamen Zusicherung entgegenstehen, dürfen nicht unter Rückgriff auf das Verbot widersprüchlichen Verhaltens umgangen werden. Die Bindung an geschlossene Verträge und gegebene Zusicherungen nach §§ 54 ff., 38 HmbVwVfG ist ein bereichsspezifisch vom Gesetzgeber konkretisierter Ausdruck des Gebots widerspruchsfreien Verhaltens. Hält sich die Behörde nicht an einen nach der Bewertung des Gesetzgebers unwirksamen Vertrag oder nicht an eine nach der Bewertung des Gesetzgebers unwirksame Zusicherung, so verstößt sie grundsätzlich nicht gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens. Eine sachlich nicht zuständige Stelle kann nur dann den für eine Verwirkung der Rücknahmebefugnis vorausgesetzten Vertrauensstand schaffen, wenn der Betroffene berechtigterweise den Schluss ziehen kann, der handelnden Stelle stehe die Rücknahmebefugnis zu und sie wolle diese nicht ausüben (BVerwG, Urt. v. 20.12.1999, 7 C 42/98, BVerwGE 100, 226, juris Rn. 28; vgl. Urt. v. 12.3.2015, 3 C 6/14, juris Rn. 18).

238

Dem Habilitationsausschuss stand es nicht zu, über die Frage der Rücknahme der Promotion durch Rechtsakt (Vergleichsvertrag oder Zusicherung) zu verfügen (dazu s.o. (a) und (b)). Deshalb kann das Verhalten des Habilitationsausschusses grundsätzlich auch nicht einer späteren Rücknahmeentscheidung des Promotionsausschusses entgegengehalten werden. Der vorbezeichnete Ausnahmefall, in dem eine unzuständige Stelle einen Vertrauenstatbestand setzen kann, ist nach den vorliegenden Umständen nicht gegeben. Die „Rettungslösung“ ist im Habilitationsverfahren am 27. Mai 2009 unter Beteiligung des durch seinen Vorsitzenden geleiteten Habilitationsausschuss einerseits und des durch seinen Bevollmächtigten vertretenen Klägers als Habilitanden andererseits gefunden worden. Objektiv bestand kein Zweifel daran, dass Prof. Dr. D. in seiner ihm in Vertretung des Dekans zukommenden Funktion als Vorsitzender des Habilitationsausschusses handelte und dass der Habilitationsausschuss nicht für Promotionsangelegenheiten zuständig ist und nicht zuständig war. Subjektiv standen für den Kläger keine Hindernisse entgegen, um die unterschiedlichen Gremienzuständigkeiten zu erkennen. Der Kläger ist selbst Jurist. Er hatte 1998 das Promotionsverfahren durchlaufen, 2000 die Befähigung zum Richteramt erworben, war seitdem als Rechtsanwalt tätig und erstrebte seit 2007 die rechtswissenschaftliche Habilitation.

239

Zudem spricht viel dafür, dass ein Vertrauenstatbestand mit der „Rettungslösung“ deshalb nicht verbunden ist, weil nicht verschriftlicht ist, die Promotion nicht zurückzunehmen. Das für die Wirksamkeit eines Rechtsakts (Vergleichsvertrag oder Zusicherung) geltende gesetzliche Schriftformerfordernis (dazu s.o. (a) und (b)) darf grundsätzlich nicht durch einen Rückgriff auf das Verbot widersprüchlichen Verhaltens umgangen werden.

240

Ferner ergibt sich der für eine Verwirkung der Rücknahmebefugnis vorausgesetzte Vertrauenstatbestand auch nicht aus einem Mitverschulden der Beklagten. Der vom Kläger gegen die Rücknahme erhobene Einwand, die Beklagte treffe wegen mangelnder Sorgfalt eine Mitverantwortung und es stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn nach 14 Jahren die Zitierweise in der Dissertation beanstandet werde, dringt nicht durch. Unerheblich ist, dass die Gutachter eine Täuschung nicht bemerkt haben, auch wenn sie möglicherweise nachlässig gehandelt haben (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 196, vgl. VGH München, Urt. v. 4.4.2006, 7 BV 05.388, BayVBl. 2007, 281, juris Rn. 13; VG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.2013, 7 K 3335/11, juris Rn. 28). Die Prüfer sind nicht gehalten, die Dissertation bei Abgabe anlasslos auf Verstöße gegen die wissenschaftliche Redlichkeit zu kontrollieren (VG Düsseldorf, Urt. v. 4.3.2013, a.a.O., Rn. 198). Die Verantwortung des Klägers für sein vorsätzliches Handeln wäre durch eine etwaige Fahrlässigkeit auf Seiten der von der Beklagten bestellten Prüfer nicht in Frage gestellt.

241

Schließlich folgt der für eine Verwirkung der Rücknahmebefugnis vorausgesetzte Vertrauenstatbestand nicht aus dem Zeitablauf seit der Verleihung des Doktorgrads. Ein bloßer längerer Zeitablauf seit Verleihung des akademischen Grads, etwa auch von 30 Jahren (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 177), schließt deren Rücknahme nicht aus. Über die Jahresfrist hinaus – die hier einer Rücknahme nicht entgegensteht (s.o. (2)) – gilt nach der Entscheidung des Normgebers für die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads keine absolute Grenze (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, a.a.O., Rn. 213 f. m.w.N.). Mangels gesetzlicher Anordnung besteht insbesondere keine Höchstfrist wie nach § 45 Abs. 3 SGB X. Eine zwingend zu beachtende Entziehungsfrist ist nicht verfassungsrechtlich geboten (OVG Münster, Beschl. v. 24.3.2015, 19 A 1111/12, juris Rn. 29 ff.; Urt. v. 10.12.2015, 19 A 254/13, juris Rn. 95 ff.).

242

(4) Die Rücknahme genügt hinsichtlich des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG und in seine Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads ist zu einem legitimen Zweck geeignet und erforderlich (hierzu unter (a)) sowie im Verhältnis zu dem Eingriff auch angemessen (hierzu unter (b)).

243

(a) Die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads dient den legitimen Zwecken, das Ansehen der betroffenen Hochschule und das Ansehen der Rechtswissenschaft zu bewahren (s.o. cc.). Sie ist zu diesen Zwecken geeignet und auch erforderlich. Ein milderes, gleich geeignetes Mittel stand nicht zu Gebote. Eine Notenherabsetzung oder eine Nachbesserung kamen als mildere Maßnahmen nicht in Betracht, da sie auch bei einer früheren Entdeckung in der Promotionsordnung nicht vorgesehen gewesen wären. Da von der konkreten Identität der vorgelegten Arbeit auszugehen ist (s.o. e. dd.), bleibt ohne Bedeutung, ob für eine andere Arbeit, als die tatsächlich vorgelegte Dissertation der Doktorgrad ggf. mit einer schlechteren Note verliehen hätte werden können. Entgegen der Annahme des Klägers können die Mängel der vorgelegten Dissertation nicht im Rahmen einer Neueinreichung oder einer Sammeldissertation geheilt werden, da diese nicht Gegenstand des abgeschlossenen Promotionsverfahrens gewesen sind.

244

(b) Die Rücknahme ist im Verhältnis zum Eingriff in Rechte und Interessen des Klägers auch angemessen. Im Rahmen der Ausübung des Rücknahmeermessens ist das öffentliche Interesse an der Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes mit dem Interesse des Betroffenen an der Aufrechterhaltung des Verwaltungsaktes abzuwägen; das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Grundsatz der Rechtssicherheit sind dabei grundsätzlich gleichwertig, sofern dem anzuwendenden Fachrecht nicht ausnahmsweise eine andere Wertung zu entnehmen ist (BVerwG, Urt. v. 24.5.2012, 5 C 17/11, BVerwGE 143, juris Rn. 27). Danach durfte vorliegend die Beklagte dem öffentlichen Interesse den Vorrang vor dem Interesse des Klägers am Fortbestand der Promotion einräumen, die durch vorsätzliche Täuschung erwirkt hatte. Im Einzelnen:

245

In die Abwägung sind die bei der Entziehung eines Doktorgrades für den Betroffenen verbundenen beruflichen Erschwernisse einzustellen, die als vorhersehbare und in Kauf genommene Nebenfolgen den Schutzbereich der durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Berufsfreiheit berühren. Die Entziehung des Doktorgrads lässt die mehrjährige Arbeit an der Dissertation hinfällig werden und kann zu beruflichen Erschwernissen führen. Diese Beeinträchtigungen mögen im Fall des Klägers ihre konkrete Ausprägung in den vom Kläger aufgezeigten Folgen für seine Tätigkeit als Rechtsanwalt und Geschäftsführer einer Interessenvereinigung mit sich bringen. Im Fall des Klägers kommt hinzu, dass mit der Aberkennung des Doktorgrads eine zwingende Zulassungsvoraussetzung zu der angestrebten Habilitation entfällt. Diese Folge ist aber ohne weiteres hinzunehmen, da eine unter Verstoß gegen die Grundanforderungen wissenschaftlicher Redlichkeit erschlichene Promotion keine schutzwürdige Grundlage einer weiteren wissenschaftlichen Laufbahn bildet.

246

Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich aus den entstandenen Indiskretionen und aus der von ihm geltend gemachten „öffentlichen Vorverurteilung“ nicht herleiten, dass die Entziehung des Doktorgrads unzulässig wäre. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass die Beklagte die Rücknahme der Promotion unterließe, denn eine Rechtsverletzung durch in der Vergangenheit aufgetretene Indiskretionen könnte dadurch nicht rückgängig gemacht werden, dass die durch vorsätzliche Täuschung erwirkte Promotion unangetastet bliebe.

247

Rechtlich nicht erheblich für die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs ist eine zwischenzeitlich aufgetretene und der Beklagten erst nach der letzten Behördenentscheidung bekannt gewordene Erkrankung des Klägers.

248

Das öffentliche Interesse an der Rücknahme der durch arglistige Täuschung erwirkten Promotion muss gegenüber dem privaten Interesse des Klägers an deren Fortbestand nicht zurückstehen. Die Rücknahme dient dazu, das Ansehen der Hochschule und der Rechtswissenschaft zu sichern. Die wissenschaftliche Redlichkeit ist ein zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Wissenschaftsprozesses überragend wichtiges und verfassungsrechtlich in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verankertes Gemeinschaftsgut (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 167 f. im Anlehnung an BVerwG, Urt. v. 31.7.2013, 6 C 9/12, BVerwGE 147, 292, Rn. 31). Die Rücknahme eines § 48 Abs. 3 HmbVwVfG unterfallenden Verwaltungsaktes kann zwar ausnahmsweise unzulässig sein, wenn dem Betroffenen durch die Rücknahme ein immaterieller, nicht durch eine materielle Entschädigung auszugleichender Schaden entsteht (Sachs, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 48 Rn. 181 ff.). Doch ist die § 48 Abs. 2 der parallelen Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder getroffene Wertung über die Schutzwürdigkeit des Vertrauens ist im Rahmen der Ausübung des Rücknahmeermessens zu berücksichtigen (BVerwG, Beschl. v. 20.10.2006, 6 B 67.06, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 116, juris Rn. 6; OVG Münster, Urt. v. 10.2.2016, 19 A 991/12, juris Rn. 88 ff.). Es ist nicht zu beanstanden, dass eine Universität vorsätzliche Täuschungen im Promotionsverfahren konsequent unterbindet und dem wissenschaftlichen Ruf sowie dem Ansehen der Rechtswissenschaft insgesamt den Vorrang vor negativen Folgen für den Promovenden einräumt (VGH München, Urt. v. 4.4.2006, 7 BV 05.388, BayVBl. 2007, 281, juris Rn. 13; vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 13.10.2008, 9 S 494/08, NVwZ-RR 2009, 285 Rn. 10).

249

2. Soweit der Kläger den Regelungsgehalt unter Ziffer 2 des Bescheidtenors anficht, ist die Klage demgegenüber nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO begründet. Denn in diesem Umfang ist der Bescheid vom 25. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 objektiv rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen subjektiven Rechten.

250

Dabei kann dahinstehen, ob für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Rückforderung von Urkunden maßgeblich auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung oder auf den Schluss der mündlichen Verhandlung abzustellen ist. Denn die tatbestandlichen Voraussetzungen der einschlägigen Befugnisnorm § 52 Satz 1 HmbVwVfG (i.V.m. § 18 Abs. 3 PromO 2010) waren zu keinem Zeitpunkt gegeben. Nach dieser Vorschrift kann die Behörde die auf Grund eines Verwaltungsaktes erteilten Urkunden oder Sachen, die zum Nachweis der Rechte aus dem Verwaltungsakt oder zu deren Ausübung bestimmt sind, dann zurückfordern, wenn der Verwaltungsakt unanfechtbar widerrufen oder zurückgenommen oder seine Wirksamkeit aus einem anderen Grund nicht oder nicht mehr gegeben ist. Der Verwaltungsakt, mit dem unter dem 28. Januar 1998 dem Kläger der Doktorgrad verliehen worden ist, war und ist noch nicht unanfechtbar widerrufen oder zurückgenommen. Auch ist dieser Verwaltungsakt deshalb noch als wirksam zu behandeln, weil die gemäß § 43 Abs. 2 HmbVwVfG zur Beendigung der Wirksamkeit führende Rücknahme mit aufschiebender Wirkung angefochten ist. Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage im Umfang von Ziffer 1 des Bescheidtenors endet gemäß § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO erst mit der Unanfechtbarkeit oder drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des Rechtsmittels gegen die insoweit klageabweisende gerichtliche Entscheidung.

II.

251

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Gegenüber dem Teilobsiegen der Beklagten hinsichtlich der Rücknahme der Promotion (dazu s.o. I. 1.) tritt ausgehend vom vorrangigen Interesse des Klägers an dem Erhalt des ihm verliehenen akademischen Grads das Teilobsiegen des Klägers hinsichtlich der Rückforderung der Promotionsurkunde (dazu s.o. I. 2.) als unbedeutend und nicht streitwerterhöhend zurück. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

Tenor

Der Bescheid vom 26. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Januar 2014 wird aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass dem Kläger mindestens drei Prüfungsversuche für die Hausarbeit im Lehrprojekt „Entrepreneurship I“ zustehen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen das endgültige Nichtbestehen des Studiums im Masterstudiengang Entrepreneurship bei der Beklagten und begehrt die Feststellung, dass ihm weitere Prüfungsversuche zustehen.

2

Der Kläger nahm zum 1. Oktober 2007 das Studium im Masterstudiengang Entrepreneur-ship bei der Beklagten auf.

3

Im Wintersemester 2007/08 nahm er erstmals an dem Kurs „Lehrprojekt Entrepreneur-ship I“ teil, in dem eine Hausarbeit zu schreiben war. Bis zum vorgesehenen Abgabetermin am 14. April 2008 gab der Kläger keine Hausarbeit ab. Nachdem der Abgabetermin für die zweite Hausarbeit auf Antrag des Klägers auf den 29. Oktober 2008 verschoben worden war, gab er die Hausarbeit am 26. Oktober 2008 ab. Die Hausarbeit wurde mit „nicht bestanden“ bewertet. Die dritte Hausarbeit reichte der Kläger am 16. Juni 2009 ein.

4

Mit Bescheid vom 26. Juli 2010 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass er die Hausarbeit im Lehrprojekt „Entrepreneurship I“ gemäß § 12 Abs. 3 der Prüfungsordnung endgültig nicht bestanden habe, und darauf hingewiesen, dass gemäß § 40 Abs. 2 der Prüfungsordnung die Masterprüfung nicht mehr bestanden werden könne. Auf dem in der Sachakte der Beklagten befindlichen Bescheid befindet sich ein handschriftlicher Vermerk folgenden Inhalts: „Heute 26.7.10 mit bewerteter Arbeit persönlich übergeben!“

5

Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom gleichen Tag Widerspruch, den er damit begründete, dass ihm ein weiterer Prüfungsversuch zustehe. Bei der ersten Hausarbeit mit Abgabetermin am 14. April 2008 sei er für eine andere Prüfung krankgeschrieben gewesen und beantrage, seine Krankschreibung auch auf die (erste) Hausarbeit zu beziehen. Hilfsweise begehre er die Neubewertung der zuletzt geschriebenen Hausarbeit. Wegen der durch den Kläger insofern geltend gemachten Bewertungsfehler wird auf die Widerspruchsbegründung verwiesen.

6

Am 18. Oktober 2010 nahm die Erstprüferin Frau … zu den durch den Kläger erhobenen Bewertungsrügen Stellung, wobei sie an der Bewertung mit „nicht bestanden“ festhielt. Am 17. November 2010 teilte die Zweitprüferin … mit, dass sie sich den Ausführungen der Erstprüferin anschließe.

7

Auf der Sitzung am 17. November 2010 beschloss der Prüfungsausschuss, dem Widerspruch des Klägers nicht abzuhelfen. Dies wurde dem Kläger mit Schreiben vom 19. November 2010, das mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, mitgeteilt.

8

Am 22. November 2010 erhob der Kläger „Widerspruch“ gegen die Nichtabhilfemitteilung und fügte ein auf den 3. Februar 2008 datiertes Schreiben bei, wonach er sich von der der ersten Hausarbeit abmelde, sowie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von Herrn Dr. … vom 18. März 2008 für den Zeitraum vom 18. März 2008 bis 13. April 2008. Er teilte mit, dass er das Attest in der ersten Juniwoche 2008 postalisch an die Beklagte versandt habe.

9

Am 21. Dezember 2010 ging ein Antrag des Klägers auf Neubewertung der im Sommersemester 2008 geschriebenen Hausarbeit bei der Beklagten ein.

10

Mit anwaltlichem Schreiben vom 1. November 2011 trug der Kläger zur Begründung seines Widerspruchs weiter vor: Der erste Prüfungsversuch könne nicht gewertet werden, da er, der Kläger, „abgemeldet“ und krank geschrieben gewesen sei; es sei unerklärlich, warum die Abmeldung und die Atteste erst 2010 eingegangen seien. Die Entscheidung über den Prüfungsrücktritt stünde aus. Aus der Nichtabgabe der Hausarbeit innerhalb der festgelegten Bearbeitungszeit könne nicht gefolgert werden, dass die Bewertung der Hausarbeit mit „nicht bestanden“ ihm bekannt gegeben worden sei. Der zweite Versuch könne ebenfalls nicht gewertet werden, da sich die Hausarbeit, gegen deren Bewertung er Widerspruch erhoben habe, nicht in der Sachakte befinde. Im Hinblick auf den dritten Versuch befinde sich nur noch die Kopie der Hausarbeit in der Sachakte; das Gutachten, das sich auf der Rückseite der Hausarbeit befunden habe, sei nicht (mehr) vorhanden. Da die Unauffindbarkeit des Originals zulasten der Beklagten gehe, sei ihm auch insofern ein Wiederholungsversuch zuzugestehen. Die Prüfungsversuche könnten zudem deshalb nicht gewertet werden, da die Prüferinnen entgegen § 7 Abs. 1 Satz 1 der Prüfungsordnung nicht ordnungsgemäß bestellt worden seien. Zudem ergebe sich erst aus § 35 Abs. 5 der Prüfungsordnung i.V.m. III.3 §§ 4 Abs. 2, 5 Abs. 1 der Studienordnung, dass eine Hausarbeit im Lehrprojekt geschrieben werden müsse. Die Prüfungsordnung enthalte zudem keine Regelungen zur Bearbeitungszeit. Dies verstoße gegen § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG, wonach Zahl, Art, Dauer und Bewertung von Prüfungsleistungen in Hochschulprüfungsordnungen geregelt werden müssten und nicht in der Studienordnung.

11

Nachdem Vergleichsverhandlungen zwischen den Beteiligten gescheitert waren, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2014 zurück. Die Bewertungen der ersten beiden Hausarbeiten seien bestandskräftig geworden. Ein nachträglicher Prüfungsrücktritt komme nicht in Betracht. Im Hinblick auf den dritten Prüfungsversuch seien Bewertungsfehler, für die der Kläger die Beweislast trage, nicht erkennbar. Die Prüferinnen seien ordnungsgemäß bestellt worden.

12

Der Kläger hat am 27. Februar 2014 Klage erhoben. Zu deren Begründung wiederholt und vertieft er seinen Vortrag aus dem Vorverfahren und trägt ergänzend insbesondere vor, dass die von der Beklagten als Ermächtigungsgrundlage für den angefochtenen Bescheid herangezogene Vorschrift des § 12 Abs. 3 der Prüfungsordnung nichtig und unanwendbar sei, da die darin vorgesehene Kombination der anzahlmäßigen Begrenzung der Wiederholungsmöglichkeiten und der Prüfungsfristenregelung nicht mit § 65 HmbHG in der bei Erlass der Prüfungsordnung gültigen Fassung von 2001 vereinbar sei.

13

Nachdem der Kläger zunächst angekündigt hatte, neben der Aufhebung des Bescheids vom 26. Juli 2014 und des Widerspruchsbescheids vom 30. Januar 2014 auch die Aufhebung der Nichtabhilfemitteilung vom 19. November 2010 zu beantragen, hat er den Antrag in der mündlichen Verhandlung vom 5. November 2015 klargestellt.

14

Der Kläger beantragt,

15

den Bescheid der Beklagten vom 26. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Januar 2014 aufzuheben und festzustellen, dass ihm mindestens drei Prüfungsversuche für die Hausarbeit im Lehrprojekt „Entrepreneurship I“ zustehen,

16

hilfsweise,

17

die Beklagte zu verpflichten, über die Bewertung der von ihm am 26. Oktober 2008 und 16. Juni 2009 abgegebenen Hausarbeiten (erneut) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

18

Die Beklagte beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihre Ausführungen aus dem Vorverfahren und führt ergänzend aus, dass die Prüfungsordnung im Hinblick auf die zu erbringenden Prüfungsleistungen mit § 60 Abs. 2 HmbHG vereinbar sei. In § 11 der Prüfungsordnung würden die Bestimmungen zur Bewertung der Prüfungsleistungen genannt. In § 35 Abs. 1 der Prüfungsordnung fänden sich die Regelungen zu Zahl, Art und Dauer der im Rahmen der Masterstudiengänge zu erbringenden Prüfungsleistungen. Der in § 35 Abs. 5 der Prüfungsordnung enthaltene Verweis auf die Studienordnung, die nähere Vorgaben zu der im Lehrprojekt zu erbringenden Hausarbeit enthalte, sei von § 60 Abs. 2 Nr. 1 HmbHG gedeckt, der erlaube, dass Inhalt und Aufbau des Studiums auch in Studienordnungen geregelt werden könnten.

21

Im Hinblick auf die Vereinbarkeit des § 12 Abs. 3 der Prüfungsordnung mit § 60 HmbHG hat die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung vom 5. November 2015 mitgeteilt, dass von der Fristenregelung nach § 12 Abs. 3 Satz 2 der Prüfungsordnung in der Praxis der Beklagten kein Gebrauch gemacht werde.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Sachakte der Beklagten, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist, sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

23

Die Klage ist bereits im Hauptantrag zulässig (hierzu unter 1.) und begründet (hierzu unter 2.).

24

1. Die Klage ist zulässig.

25

Soweit sie auf die Aufhebung des Bescheids vom 26. Juli 2010 und des Widerspruchsbescheids vom 30. Januar 2014 gerichtet ist, ist sie als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

26

Soweit sie auf die Feststellung der dem Kläger zustehenden Prüfungsversuche gerichtet ist, ist sie als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft und sind auch die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben.

27

Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO liegt im Hinblick auf die Anzahl der dem Kläger im Rahmen seines Masterstudiums konkret noch zustehenden Prüfungsversuche vor.

28

Das berechtigte Interesse an der Feststellung ergibt sich daraus, dass nach der Rechtsauffassung der Beklagten das Bestehen der Hausarbeit Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluss des Studiums im Masterstudiengang Entrepreneurship ist. Denn in dem Bescheid vom 26. Juli 2010 hat sie den Kläger darauf hingewiesen, dass er nach der Prüfungsordnung wegen des endgültigen Nichtbestehens dieser Prüfungsleistung sein Studium nicht mehr erfolgreich beenden könne.

29

Der Feststellungsklage steht auch § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht entgegen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer folgt, entfällt die dort angeordnete Subsidiarität jedenfalls dann, wenn eine Umgehung der insbesondere für die Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen geltenden Sonderregeln nicht in Betracht kommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 2.7.1976, VII C 71.75, BVerwGE 51, 69, juris Rn. 21 m.w.N.). Dies ist hier der Fall, da die Zulassung des Klägers zu weiteren Prüfungsversuchen im Rahmen der Hausarbeit weder mit der Anfechtungs- noch mit der Verpflichtungsklage, sondern mit der allgemeinen Leistungsklage zu erstreben wäre, die wie die Feststellungsklage weder die vorherige Durchführung eines behördlichen Vorverfahrens voraussetzt noch fristgebunden ist (vgl. Pietzcker, in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 28. EL 2015, § 43 Rn. 43).

30

Dass vorliegend weder Anfechtungs- noch Verpflichtungsklage statthaft wären, beruht darauf, dass im Hinblick auf die streitgegenständliche Hausarbeit keine gesonderte Zulassung durch Verwaltungsakt erfolgt. Ob die Zulassung zu einer Prüfung Verwaltungsaktqualität hat oder nicht, beurteilt sich – vergleichbar mit der Frage, ob der Bewertung einer Prüfungsentscheidung Verwaltungsaktqualität zukommt (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 23.5.2012, 6 C 8/11, juris Rn. 14; Beschl. v. 25.3.2003, 6 B 8/03, juris Rn. 3) – nach der konkreten Ausgestaltung des Prüfungs- bzw. Zulassungsverfahrens durch die jeweilige Prüfungsordnung.

31

Maßgeblich für das Studium des Klägers, das dieser zum 1. Oktober 2007 aufgenommen hat, ist die „Ordnung für die Bachelorprüfung im Interdisziplinären Bachelorstudiengang Sozialökonomie und die Masterprüfung in den konsekutiven Masterstudiengängen Europastudien, International Business Administration, Entrepreneurship, Human Resource Management – Personalpolitik und Ökonomische und Soziologische Studien“ (v. 12.6.2003, Amtl. Anz. S. 4473, zuletzt geändert am 15.6.2005, Amtl. Anz. S. 1568 - PO) und nicht die „Neufassung der Ordnung für die Bachelorprüfung im Interdisziplinären Bachelorstudiengang Sozialökonomie und die Masterprüfung in den konsekutiven Masterstudiengängen Europastudien, International Business Administration, Entrepreneurship, Human Resource Management – Personalpolitik und Ökonomische und Soziologische Studien“ (vom 2.7.2008 und 9.7.2008, Hochschulanzeiger Nr. 18 v. 12.8.2008), die gemäß ihrem § 45 nur für Studierende gilt, die ab dem Wintersemester 2008/2009 ihr Studium begonnen haben.

32

Gemäß § 31 Abs. 1 PO ist zwar für die Teilnahme an den Prüfungen des Masterstudiums eine vorherige Zulassung zum Masterstudium erforderlich und dürfte es sich bei dieser Zulassungsentscheidung auch um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 Satz 1 HmbVwVfG handeln. Nach dieser „Grundzulassung“ zum Masterstudium und zu den Prüfungen des Masterstudiums nach § 31 Abs. 1 PO ergehen jedoch für die im Einzelnen abzulegenden Prüfungen keine weiteren Zulassungsentscheidungen mehr. Der Vorschrift des § 7a Abs. 1 PO lässt sich vielmehr entnehmen, dass für die im Bachelor- und im Masterstudiengang zu erbringenden Klausuren nur noch eine „Anmeldung“ der Studierenden (und nicht etwa ein Antrag auf Zulassung) erforderlich ist. Auch für Hausarbeiten finden sich weder in der Prüfungsordnung noch in der für den Kläger maßgeblichen „Studienordnung für den Interdisziplinären Bachelorstudiengang Sozialökonomie und die konsekutiven Masterstudiengänge Europastudien, International Business Administration, Entrepreneur-ship, Human Ressource Management – Personalpolitik, Daten- und Informationsmanagement, Gender und Arbeit und Ökonomische und soziologische Studien“ (v. 12.6.2003, Amtl. Anz. S. 4484, mit Änderungen zuletzt v. 15.6.2005, Amtl. Anz. S. 1570 - StudO) gesonderte Zulassungsbestimmungen. Soweit ersichtlich hat die Beklagte auch in der Vergangenheit über die Teilnahme des Klägers an der streitgegenständlichen Hausarbeit nicht durch förmlichen Bescheid oder eine sonstige Mitteilung entschieden, die nach den auch im öffentlichen Recht geltenden Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB als Verwaltungsakt angesehen werden könnte.

33

2. Die Klage ist auch begründet. Der Kläger kann sowohl die Aufhebung des angefochtenen Bescheids (hierzu unter a.) als auch die Feststellung beanspruchen, dass ihm mindestens drei Prüfungsversuche zustehen (hierzu unter b.).

34

a. Der Bescheid vom 26. Juli 2010, mit dem das endgültige Nichtbestehen der Hausarbeit im Lehrprojekt „Entrepreneurship I“ festgestellt und dem Kläger mitgeteilt worden ist, dass er sein Studium nicht mehr erfolgreich beenden könne, in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Januar 2014 ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben, da er rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt.

35

Dabei kann an dieser Stelle offenbleiben, ob die Beklagte die Feststellung des Nichtbestehens der Hausarbeit im Lehrprojekt, bei der es sich um eine Prüfungsleistung des Masterstudiengangs Entrepreneurship i.S.d. § 35 Abs. 5 PO handelt, auf § 12 Abs. 3 Satz 1 PO stützen konnte oder ob diese Bestimmung wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig und unanwendbar ist (vgl. hierzu jedoch unten unter b.aa.).

36

Denn auch wenn der Nichtbestehensbescheid deshalb auf § 65 Abs. 1 Satz 1 des Hamburgischen Hochschulgesetzes in der bei Erlass des Widerspruchsbescheids am 30. Januar 2014 gültigen Fassung (v. 19.7.2001, HmbGVBl. 171 - HmbHG 2001) zu stützen wäre, wonachZwischen- und Abschlussprüfungen zweimal und andere Prüfungen bis zu zweimal wiederholt werden können, ist Voraussetzung für eine solche Feststellung, dass die drei fraglichen Prüfungsversuche auf Grundlage einer rechtsgültigen Prüfungsordnung abgenommen worden sind.

37

Soweit die Prüfungsordnung wegen formeller oder inhaltlicher Mängel rechtsungültig ist, führt dies regelmäßig dazu, dass der beanstandeten Prüfungsentscheidung die erforderliche rechtliche Grundlage fehlt und sie rechtswidrig und aufzuheben ist (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 62). Dies hat zur Konsequenz, dass die Prüfung – nach Erlass einer rechtsgültigen Prüfungsordnung – als Erstprüfung erneut abgehalten werden muss (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, a.a.O., Rn. 58, 62; BVerwG, Urt. v. 29.5.2013, 6 C 18/12, juris Rn. 50).

38

An einer wirksamen Grundlage in der Prüfungsordnung fehlt es für die streitgegenständliche Prüfungsleistung jedoch.

39

Dabei kann dahinstehen, ob die Bewertungen des ersten und zweiten Prüfungsversuchs des Klägers mit „nicht bestanden“, wie die Beklagte meint, bestandskräftig geworden sind bzw. ob diese Bewertungen überhaupt der Bestandskraft fähig sind, was voraussetzen würde, dass es sich bei den Bewertungen von Modulprüfungen um Verwaltungsakte i.S.d. § 35 Satz 1 HmbVwVfG handelt (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 23.5.2012, 6 C 8/11, juris Rn. 14).

40

Denn jedenfalls die Bewertung des dritten Prüfungsversuchs, die dem Kläger am 26. Juli 2010 mit der Übergabe des Nichtbestehensbescheids bekannt gegeben worden ist, ist durch die fristgerechte Erhebung von Widerspruch und Klage gemäß § 80 Abs. 1 VwGO mit aufschiebender Wirkung angefochten worden. Dieser Prüfungsversuch ist nicht auf Grundlage einer rechtsgültigen Prüfungsordnung abgenommen worden. Denn die für den Kläger maßgebliche Prüfungsordnung genügt im Hinblick auf die streitgegenständliche Hausarbeit den Anforderungen von § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG nicht.

41

Die Vorschrift des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG ist, abgesehen von der mit dem Gesetz zur Verbesserung des Hochschulzugangs für beruflich Qualifizierte und des Bachelor-Master-Studiensystems (v. 6.7.2010, HmbGVBl. S. 473) zum 15. Juli 2010 bewirkten Ersetzung der Textstelle „Zwischen- und Abschlussprüfungen“ durch die Textstelle „Prüfungen in modularisierten Studiengängen, Zwischen- und Abschlussprüfungen“, mit der klargestellt werden sollte, dass die inhaltlichen Vorgaben für die Hochschulprüfungsordnungen auch für Prüfungsordnungen in modularisierten Studiengängen gelten (Bü.-Drs. 19/6214, S. 13), seit ihrem Erlass (Gesetz zur Neuordnung des Hochschulrechts v. 19.7.2001, HmbGVBl. 171) unverändert geblieben und galt damit sowohl im fraglichen Prüfungszeitraum als auch bei Erlass des Widerspruchsbescheids. Nach dieser Vorschrift sind in Hochschulprüfungsordnungen, die Prüfungen in modularisierten Studiengängen, Zwischen- und Abschlussprüfungen oder Abschlussprüfungen betreffen, insbesondere Be-stimmungen aufzunehmen über Zahl, Art, Dauer und Bewertung von Prüfungsleistungen.

42

§ 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG erfordert es, dass diese Bestimmungen konkret in der Prüfungsordnung selbst geregelt werden (vgl. Delfs, in Neukirchen, Reußow/Schomburg, Hamburgisches Hochschulgesetz, 2011, § 60 Rn. 4). Diese gesetzliche Vorgabe ist, da die Regelung von Prüfungsanforderungen und Prüfungsverfahren in die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit eingreift, Ausfluss der Wesentlichkeitstheorie (vgl. Delfs, a.a.O., § 60 Rn. 2). Dabei betreffen die Bestimmungen gemäß § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG die Prüfungsanforderungen und damit „zentrale Elemente der Hochschulprüfungsordnung“ (Delfs, a.a.O, § 60 Rn. 8). Hieraus folgt, dass ein strenger Maßstab anzulegen ist: Zahl, Art, Dauer und Bewertung von Prüfungsleistungen sind – hinreichend konkret – in der Prüfungsordnung selbst zu regeln, eine Regelung in einem anderen Dokument – auch in einer Studienordnung – ist nicht zulässig. Für die Anlegung dieses strengen Maßstabs und gegen eine großzügige Öffnung zugunsten von Studienordnungen spricht auch, dass, während in § 60 Abs. 2 Nr. 1 HmbHG ausdrücklich geregelt ist, dass „Inhalt und Aufbau des Studiums (…) auch in gesonderten Ordnungen (Studienordnungen) geregelt werden“ können, eine solche Bestimmung in § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG fehlt. Zudem müssen Studienordnungen anders als Prüfungsordnungen nicht durch das Präsidium genehmigt (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 3 HmbHG) und nicht im Amtlichen Anzeiger veröffentlicht werden (vgl. § 108 Abs. 5 Satz 1 HmbHG). Auch dass sich an die Feststellung des endgültigen Nichtbestehens einer nach der Prüfungsordnung vorgesehenen Prüfung nach § 44 HmbHG erhebliche Rechtsfolgen für die Studierenden knüpfen – sie können das Studium an einer Hamburger Hochschule nicht in dem gleichen Studiengang fortsetzen und können, wenn die Prüfungsgegenstände der endgültig nicht bestandenen Prüfung auch in diesem Studiengang durch die Prüfungsordnung verbindlich vorgeschrieben sind, das Studium auch in einem anderen Studiengang nicht fortsetzen – spricht dagegen, die Regelungen über die Prüfungsanforderungen in einem anderen Dokument als der Prüfungsordnung selbst zuzulassen.

43

Entgegen der Bestimmung des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG ergibt sich im vorliegenden Fall jedoch erst aus der Studienordnung und nicht bereits aus der Prüfungsordnung, dass im Lehrprojekt I eine Hausarbeit zu erbringen ist, welchen Umfang sie haben soll und wie sie zu bewerten ist.

44

Dabei kann offen bleiben, ob sich die Bestimmungen in § 35 Abs. 1 PO, wie die Beklagte meint, auch auf die im Masterstudium zu erbringenden Fachprüfungsleistungen nach § 35 Abs. 5 PO beziehen oder nur die Prüfungsleistungen aus dem Bereich „Allgemeine Studien“ betreffen. Gemäß § 35 Abs. 1 PO sind Fachkurse, Projekte, betreute Projektgruppen, Lernwerkstätten und Kurse aus dem Bereich „Allgemeine Studien“ mit jeweils einer Prüfungsleistung abzuschließen; die Art der Leistungsnachweise – die in § 35 Abs. 5 Satz 2 PO bezogen auf eine zweistündige Lehrveranstaltung regelhaft aufgezählt sind und u.a. in Hausarbeiten in einem Umfang von 10 bis 12 Seiten bestehen können – werden durch die Kursleiterinnen bzw. Kursleiter mit Zustimmung der zuständigen Masterausschüsse bestimmt. Denn die Vorschrift genügt den Anforderungen des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG nicht, da sie jedenfalls die Art der Prüfungsleistung nicht selbst konkret regelt, sondern ihre Bestimmung den Kursleitern überlässt. Auch der Bestimmung des § 35 Abs. 5 PO lässt sich eine Regelung von Zahl, Art, Dauer und Bewertung der Prüfungsleistung nicht entnehmen, wenn es dort heißt: „Im Masterprogramm ‚Entrepreneurship‘ sind weitere Fachprüfungsleistungen im Umfang von 84 Kreditpunkten zu erbringen, davon Prüfungsleistungen im Umfang von 45 Kreditpunkten in Projekten. Das Nähere regelt die Studienordnung.“ § 11 PO lässt sich zwar entnehmen, wie die Prüfungsleistungen im Einzelnen zu bewerten sind. Eine konkrete Bestimmung der für die einzelnen Prüfungsleistungen zu vergebenden Kreditpunkte, die für die Berechnung der Gesamtnote der Masterarbeit gemäß § 40 Abs. 2 PO erforderlich ist und damit ebenfalls eine notwendige Bestimmung zur Bewertung der Prüfungsleistung i.S.d. § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG darstellt (vgl. Delfs, a.a.O., § 60 Rn. 8), enthält die Prüfungsordnung hingegen nicht. In § 34 Abs. 2 PO wird insofern lediglich bestimmt, dass für bestandene Prüfungen mindestens drei Kreditpunkte und im Falle „von Lehrveranstaltungen, die ein höheres Maß an studentischer Eigenarbeit voraussetzen (…) oder für die eine Große Hausarbeit als Prüfungsleistung erbracht wird, (…) eine dem Anteil der Eigenarbeit entsprechend höhere Anzahl von Kreditpunkten zu vergeben“ sind.

45

Erst aus Abschnitt III.3, §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 2, 5 Abs. 1 StudO ergibt sich, dass im ersten Semester im Rahmen des sog. Lehrprojekts eine Hausarbeit im Umfang von 25 Seiten geschrieben werden soll, für die 9 Kreditpunkte vergeben werden.

46

Anders als die Beklagte meint, betreffen diese Regelungen auch nicht lediglich Inhalt und Aufbau des Studiums, sondern die Zahl (eine Prüfungsleistung), die Art (Hausarbeit, Seitenanzahl) und die Bewertung (konkrete Anzahl der Kreditpunkte) der Prüfungsleistung. Die Dauer der Prüfungsleistung, d.h. die den Prüflingen einzuräumende Bearbeitungszeit für die Hausarbeit, lässt sich dabei weder der Prüfungsordnung noch der Studienordnung entnehmen.

47

Dass die Prüfungsordnung im Hinblick auf diese Bestimmungen auf die Studienordnung verweist, ändert nach dem oben beschriebenen strengen Maßstab nichts an dem Verstoß gegen § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG.

48

b. Auch im Hinblick auf die vom Kläger begehrte Feststellung, dass ihm mindestens drei Prüfungsversuche für die Hausarbeit im Lehrprojekt „Entrepreneurship I“ zustehen, ist die Klage begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Teilnahme an der streitgegenständlichen Prüfung (hierzu unter aa.), der weder durch Fristen noch die Anzahl der Prüfungsversuche beschränkt ist (hierzu unter bb.).

49

aa. Der (grundsätzliche) Anspruch des Klägers auf Teilnahme an der Prüfung ergibt sich als Teilhaberecht nach der staatlichen Errichtung der Beklagten als beruflicher Ausbildungseinrichtung und der Zulassung des Klägers zum Masterstudium gemäß § 31 Abs. 1 PO aus dem Gleichheitssatz in Verbindung mit der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. BVerwG, Urteil vom 7.9.1973, VII C 2.70, NJW 1974, 573, juris Rn. 9; OVG Münster, Urt. v. 30.1.2015, 14 A 2307/13, juris Rn 29 m.w.N.).

50

Dem Anspruch auf Prüfungsteilnahme steht dabei nicht entgegen, dass die Bestimmungen in der Prüfungsordnung den Anforderungen des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG auch gegenwärtig nicht entsprechen. Denn der Mangel der Prüfungsordnung führt zwar dazu, dass der auf diesen Bestimmungen beruhende, den Kläger belastende Bescheid über das endgültige Nichtbestehen aufzuheben ist (vgl. oben unter a.). Dies bedeutet jedoch nicht, dass dem Kläger die Teilnahme an der Prüfung solange versagt werden könnte, bis die Prüfungsordnung unter Berücksichtigung der Anforderungen höherrangigen Rechts geändert worden ist. Denn die Teilnahme an einer Prüfung setzt grundsätzlich nicht voraus, dass an ihr Nichtbestehen rechtlich wirksame nachteilige Folgen für den Studierenden geknüpft sind. Zudem geht es bei der Teilnahme an der Prüfung nicht um die Abwehr eines Eingriffs, sondern um die Erweiterung des Rechtskreises des Klägers in Form der Geltendmachung eines Prüfungsanspruchs, so dass die (übergangsweise) Anwendung der rechtsungültigen Vorschriften insoweit unbedenklich ist (vgl. OVG Münster, Urt. v. 30.1.2015, a.a.O., juris Rn. 29).

51

bb. Der Anspruch auf Prüfungsteilnahme ist nach aktueller Rechtslage weder durch Fristen noch in der Anzahl begrenzt, so dass dem Kläger – unabhängig von der Anzahl der (wirksamen) Prüfungsversuche in der Vergangenheit – mindestens drei Prüfungsversuche zustehen.

52

Dabei ergibt sich der Anspruch auf zumindest einen weiteren Prüfungsversuch bereits daraus, dass jedenfalls der letzte (nicht bestandskräftige) Prüfungsversuch mangels ausreichender Grundlage in der Prüfungsordnung rechtlich „ins Leere gegangen“ ist, so dass er erneut abzunehmen ist (vgl. oben unter a.).

53

Ob dies auch im Hinblick auf die ersten beiden Prüfungsversuche der Fall ist oder ob deren Bewertungen mit „nicht bestanden“ bestandskräftig geworden sind, kann dahinstehen.

54

Denn aus der Prüfungsordnung ergibt sich derzeit keine rechtsgültige Beschränkung der Prüfungsversuche (hierzu unter (1)). Auch höherrangigem Recht lässt sich eine Höchstgrenze nicht (mehr) entnehmen, sondern vielmehr ein Anspruch auf mindestens drei Prüfungsversuche (hierzu unter (2)).

55

(1) Eine rechtsgültige Begrenzung der Prüfungsversuche für die streitgegenständliche Hausarbeit auf insgesamt drei Prüfungsversuche ergibt sich nicht aus § 12 Abs. 3 Satz 1 PO. Denn die Bestimmung des § 12 Abs. 3 PO ist wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig und unanwendbar.

56

Gemäß § 12 Abs. 3 PO können Bachelor- und Masterprüfungsleistungen – mit Ausnahme der Abschlussarbeit gemäß § 12 Abs. 1 PO – zweimal wiederholt werden, wenn sie schlechter als 4,0 bewertet worden sind. Für die Wiederholungsprüfung kann der Dozent bzw. die Dozentin eine abweichende, gleichwertige Prüfungsart festlegen. Die Prüfungen müssen im Bachelorstudium einschließlich sämtlicher Wiederholungen im ersten Studienjahr gemäß § 22 PO innerhalb einer Frist von vier Semestern, beginnend mit dem Semester der Zulassung zum ersten Studienjahr, im zweiten und dritten Studienjahr gemäß § 23 PO innerhalb von einer Frist von acht Semestern, beginnend mit dem Semester der Zulassung zum zweiten Studienjahr, erbracht werden, im Masterstudium innerhalb einer Frist von sechs Semestern beginnend mit dem Semester der Zulassung zu den Masterprüfungen. Für Teilzeitstudierende verlängert sich die Frist um jeweils 50 %. Der Prüfungsausschuss kann diese Frist bei begründetem Antrag verlängern. Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 PO gilt die entsprechende Prüfung, wenn die Fristen nicht eingehalten werden, als nicht bestanden und wird mit „nicht ausreichend" (5,0) bewertet.

57

Diese in § 12 Abs. 3 PO enthaltene Kombination der Beschränkung der Anzahl der Wiederholungsversuche auf zwei (§ 12 Abs. 3 Satz 1 PO) mit der Beschränkung der Wiederholungsmöglichkeiten durch Prüfungsfristen (§ 12 Abs. 3 Satz 2 PO) verstößt gegen § 65 des Hamburgischen Hochschulgesetzes in der vom 19. Juli 2001 (HmbGVBl. 171) bis 30. Juni 2014 (sodann geändert durch das Gesetz zur Weiterentwicklung des Hochschulrechts v. 8.7.2014, HmbGVBl. 269) gültigen Fassung (HmbHG 2001).

58

An dieser Fassung (§ 65 HmbHG 2001) und nicht an der aktuellen Fassung (§ 65 HmbHG) der Norm muss sich § 12 Abs. 3 PO deshalb messen lassen, weil die für den Kläger maßgebliche Prüfungsordnung bereits am 12. Juni 2003 erlassen und letztmalig am 15. Juni 2005 geändert worden ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtsgültigkeit von Rechtsnormen ist derjenige ihres Erlasses; die spätere Änderung höherrangigen Rechts kann den Gültigkeitsmangel der untergesetzlichen Vorschrift nicht nachträglich beseitigen.

59

Zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt für die Vereinbarkeit von untergesetzlichen Rechtsnormen mit höherrangigem Recht hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschl. v. 15.11.1967, 2 BvL 7/64, 2 BvL 22 BvL 20/64, 2 BvL 22 BvL 22/64, juris Ls. 1 und Rn. 65) wie folgt ausgeführt:

60

„Das Rechtsstaatsprinzip gebietet, daß der Gesetzgeber die staatlicher Eingriffsmöglichkeit offenliegende Rechtssphäre selbst abgrenzt und dies nicht dem Ermessen der Exekutive überläßt (vergleiche BVerfG 1958-07-10 1 BvF 1/58 = BVerfGE 8, 71, 76).

61

Es fordert, daß die Exekutive als Verordnungsgeber in den Rechtskreis des einzelnen Bürgers durch Erlaß von Rechtsvorschriften nur eingreifen darf, wenn sie dazu in einem Gesetz ermächtigt ist und wenn diese Ermächtigung nach Inhalt, Zweck und Ausmaß so hinreichend bestimmt und begrenzt ist, daß die möglichen Eingriffe für den Staatsbürger voraussehbar und berechenbar werden (vergleiche BVerfG 1958-07-10 1 BvF 1/58 = BVerfGE 9, 137, 147 unter Hinweis auf BVerfG 1958-11-12 2 BvL 4/56 = BVerfGE 8, 274, 325; BVerfG 1958-11-12 2 BvL 26/56 = BVerfGE 8, 274, 325; BVerfG 1958-11-12 2 BvL 40/56 = BVerfGE 8, 274, 325; BVerfG 1958-11-12 2 BvL 1/57 = BVerfGE 8, 274, 325; BVerfG 1958-11-12 2 BvL 7/57 = BVerfGE 8, 274, 325). An der Voraussehbarkeit des Inhaltes von Rechtsverordnungen würde es jedoch fehlen, wenn eine Rechtsverordnung zunächst ohne gesetzliche Ermächtigung erlassen würde und der Gesetzgeber eine derartige Rechtsverordnung mit rückwirkender Kraft nachträglich genehmigen könnte.“

62

Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 27.3.2014, 4 CN 3/13, BVerwGE 149, 229-244, juris Rn. 27) sind Rechtsnormen, die unter Verletzung (zwingenden) höherrangigen Rechts, das in dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit maßgeblichen Zeitpunkt zu beachten war, zustande gekommen sind, von Anfang an nichtig:

63

„Rechtsnormen, die unter Verletzung (zwingenden) höherrangigen Rechts, das in dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit maßgeblichen Zeitpunkt zu beachten war, zustande gekommen sind, sind im Grundsatz von Anfang an (ex tunc) und ohne Weiteres (ipso iure) unwirksam (vgl. z.B. Gerhardt/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand April 2013, vor § 47 Rn. 6 und Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 47 Rn. 112 und 120), soweit sich nicht aufgrund gesetzlicher Sonderregelungen anderes ergibt (vgl. Beschluss vom 7. März 2002 - BVerwG 4 BN 60.01 - Buchholz 406.13 § 5 ROG Nr. 3 S. 10).“

64

Diese Grundsätze gelten auch für das Zustandekommen anderer untergesetzlicher Rechtsnormen wie Prüfungsordnungen. Eine Vorschrift im Hamburgischen Hochschulgesetz, wonach es für ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht nicht auf den Zeitpunkt ihres Erlasses ankäme, ist nicht ersichtlich, und eine solche Annahme lässt sich auch nicht aus anderen Bestimmungen oder Erwägungen herleiten. Ein Verstoß der Prüfungsordnung gegen zum Zeitpunkt ihres Erlasses geltende höherrangige gesetzliche Bestimmungen führt daher zu ihrer Nichtigkeit ex tunc. Eine spätere Änderung der höherrangigen gesetzlichen Bestimmungen kann wegen des Rechtsstaatsprinzips nicht zur Heilung der Prüfungsordnung führen, da es sonst an der Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit der auf ihrer Grundlage möglichen Eingriffe für die Studierenden fehlen würde.

65

Die Vorschrift des § 65 HmbHG 2001 lautet wie folgt:

66

§ 65 Wiederholbarkeit

67

(1) 1 Zwischen- und Abschlussprüfungen können zweimal, andere Prüfungen bis zu zweimal wiederholt werden. 2 Die Abschlussarbeit kann einmal, nur in begründeten Ausnahmefällen ein zweites Mal wiederholt werden.

68

(2) Die Wiederholung findet in der Regel nur für die Prüfungsleistungen statt, die nicht bestanden worden sind.

69

(3) 1 Für studienbegleitende Prüfungen kann anstelle der Wiederholbarkeit bestimmt werden, dass Prüfungsleistungen innerhalb in der Prüfungsordnung festzulegender Fristen zu erbringen sind. 2 Durch die Studienorganisation ist sicherzustellen, dass drei Prüfungsversuche innerhalb der Frist möglich sind.

70

Die Auslegung dieser Norm ergibt, dass zwischen einer anzahlmäßigen Begrenzung der Prüfungsversuche gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 HmbHG 2001 und einer durch Fristen begrenzten Limitierung der Prüfungsversuche gemäß § 65 Abs. 3 Satz 1 HmbHG 2001 in einer Prüfungsordnung ein Alternativverhältnis bestehen soll.

71

Für dieses Normverständnis spricht zunächst und vor allem der Wortlaut der Bestimmung: Durch die Formulierung „anstelle der Wiederholbarkeit“ in § 65 Abs. 3 Satz 1 HmbHG 2001 hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass eine Kombination der beiden Beschränkungsmöglichkeiten (nach § 65 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 HmbHG) nicht zulässig sein soll, sondern durch den Satzungsgeber entweder das eine oder das andere Instrument zur Begrenzung der Wiederholungsversuche gewählt werden soll.

72

Dass es dabei im Normtext positiv „Wiederholbarkeit“ und nicht negativ etwa „Beschränkung der Wiederholungsversuche“ heißt, führt nicht zu einem anderen Normverständnis. Vielmehr dürfte es sich hierbei nur um eine sprachliche Ungenauigkeit des Gesetzgebers handeln. Zwar enthält § 65 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 HmbHG auch eine gesetzliche Gewährleistung für die Studierenden dahingehend, dassZwischen- und Abschlussprüfungen zweimal wiederholt werden können („Wiederholbarkeit“). Zugleich enthält die Vorschrift jedoch sowohl im Hinblick auf Zwischen- und Abschlussprüfungen i.S.d. § 65 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 HmbHG als auch im Hinblick auf die anderen Prüfungen i.S.d. § 65 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 HmbHG eine gesetzliche Obergrenze für Prüfungsversuche (vgl. Nünke, in Neukirchen/Reußow/Schomburg, Hamburgisches Hochschulgesetz, 1. Aufl. 2011, § 65 Rn. 5; Bü-Drs. 20/10491, S. 63), d.h. eine Beschränkung der Wiederholungsversuche. Da auch § 65 Abs. 3 Satz 1 HmbHG 2001 mit der Beschränkbarkeit der Prüfungsversuche durch Prüfungsfristen für die Universität eine Regelungsbefugnis zulasten der Studierenden bereithält – erst § 65 Abs. 3 Satz 2 HmbHG 2001 enthält eine positive Gewährleistung für die Studierenden –, dürfte der Gesetzgeber mit dem durch das Wort „anstelle“ zum Ausdruck gebrachten Alternativverhältnis bezweckt haben, die Regelung gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 HmbHG 2001 und die Regelungsmöglichkeit gemäß § 65 Abs. 3 Satz 1 HmbHG 2001 so zu begrenzen, dass sie nicht zu einer unverhältnismäßigen Belastung der Studierenden führen. Dieses Bemühen zeigt auch der nachfolgende Satz gemäß § 65 Abs. 3 Satz 2 HmbHG, wonach durch die Studienorganisation sicherzustellen ist, dass drei Prüfungsversuche innerhalb der Frist möglich sind.

73

Dass die Beschränkungsmöglichkeiten von § 65 Abs. 1 und 3 HmbHG 2001 in einem Alternativverhältnis zueinander stehen sollten, ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung zum Entwurf des Hochschulrechtsänderungsgesetzes (v. 22.5.1978, HmbGVBl. S. 109), mit dem die Regelung des § 65 Abs. 3 HmbHG 2001 – damals als § 60 Abs. 5 – eingeführt worden ist und zu der er heißt, dass es „in bestimmten Studiengängen (…) zweckmäßiger sein (kann), wenn bei studienbegleitenden Prüfungenstatt der Wiederholbarkeit eine Frist für die Ablegung von Prüfungen festgelegt wird“ (Bü-Drs. 13/5337, S. 35).

74

Auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen für dieses Normverständnis. Denn mit der Begrenzung von Prüfungsversuchen, die im Ergebnis dazu führen kann, dass die Studierenden das aufgenommene Studium nicht erfolgreich beenden, gemäß § 44 Satz 1 HmbHG das Studium an einer Hamburger Hochschule nicht in dem gleichen Studiengang und unter den Voraussetzungen des § 44 Satz 2 HmbHG auch in einem anderen Studiengang nicht fortsetzen können, geht für die betroffenen Studierenden ein erheblicher Eingriff in die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG einher, der sich am Maßstab der Verhältnismäßigkeit messen lassen muss. Der Eingriff wiegt umso schwerer, wenn die Begrenzung nicht nur durch die Anzahl der Prüfungsversuche oder durch Prüfungsfristen erfolgt, sondern durch eine Kombination von beiden Begrenzungsinstrumenten. Dies gilt selbst dann, wenn gemäß § 65 Abs. 3 Satz 2 HmbHG 2001 sichergestellt ist, dass innerhalb der Prüfungsfrist eine Mindestzahl von Prüfungsversuchen zur Verfügung steht. Denn die Kombination der Begrenzungsinstrumente erhöht die Wahrscheinlichkeit des endgültigen Nichtbestehens einer Prüfungsleistung auch dann, wenn sichergestellt ist, dass innerhalb der Prüfungsfristen drei Prüfungsversuche möglich sind.

75

Aus alledem folgt, dass, wenn die Universitäten von der Regelung gemäß § 65 Abs. 3 HmbHG 2001 – vorschriftsmäßig – Gebrauch machen, die Studierenden „die – insoweit unbegrenzte – Möglichkeit“ haben müssen, studienbegleitende Prüfungen innerhalb einer bestimmten Frist abzulegen und „eine Prüfung (…) innerhalb der jeweiligen Frist so lange wiederholt werden (kann), bis sie bestanden ist“ (vgl. Nünke, a.a.O., § 65 Rn. 9).

76

Dieses durch § 65 HmbHG 2001 vorgeschriebene Alternativverhältnis findet sich in § 12 Abs. 3 PO nicht wieder. Vielmehr enthält § 12 Abs. 3 Satz 1 PO eine – anzahlmäßige – Begrenzung der Prüfungsversuche auf drei und § 12 Abs. 3 Satz 2 PO zugleich eine Beschränkung der Prüfungsversuche durch Prüfungsfristen. Beide Bestimmungen können unabhängig voneinander zum endgültigen Nichtbestehen der Prüfungsleistung führen. Dabei kann § 12 Abs. 3 Satz 1 PO auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass es sich hierbei um die Konkretisierung der Gewährleistung des § 65 Abs. 3 Satz 2 HmbHG 2001 und nicht um eine Beschränkung der Prüfungsversuche i.S.d. § 65 Abs. 1 Satz 1 HmbHG 2001 handelt. Denn, abgesehen davon, dass § 12 Abs. 3 Satz 1 HmbHG keine Maßgabe im Hinblick auf die Studienorganisation enthält, wird keine Mindestbestimmung („mindestens zweimal“), sondern eine feste Anzahl von Prüfungsversuchen und damit eine Obergrenze normiert. Auch systematische Gründe sprechen dafür, § 12 Abs. 3 Satz 1 PO im Sinne einer Beschränkung und nicht im Sinne einer Mindestgewährleistung zu verstehen. Denn im Gegensatz zu § 12 Abs. 3 PO regelt § 12 Abs. 4 PO ausdrücklich, dass „nicht bestandene Leistungen nach § 22 Absätze 2 und 3 (…) innerhalb der Frist nach Absatz 3 Satz 2 beliebig oft wiederholt werden“ können.

77

Diese Unvereinbarkeit der Gesamtbestimmung des § 12 Abs. 3 PO mit § 65 Abs. 1 und 3 HmbHG 2001 kann auch nicht zugunsten der Beklagten dahingehend aufgelöst werden, dass nur die anzahlmäßige Begrenzung der Prüfungsversuche gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 PO oder nur die Begrenzung der Prüfungsversuche durch Prüfungsfristen gemäß § 12 Abs. 3 Satz 2 PO bestehen bliebe. Denn das Gericht kann sich nicht an die Stelle des allein zuständigen Satzungsgebers setzen und entscheiden, welche der beiden Begrenzungen für sich genommen bestehen bleiben soll. Dies wäre mit den Grundsätzen der Gewaltenteilung unvereinbar.

78

Unerheblich ist auch, ob die Behauptung der Beklagtenvertreterin zutrifft, dass von der Regelung des § 12 Abs. 3 Satz 2 PO praktisch kein Gebrauch gemacht werde. Denn für die Vereinbarkeit einer Prüfungsordnung mit höherrangigem Recht kommt es allein auf ihren Regelungsinhalt und nicht auf ihre Anwendung in der Praxis an.

79

(2) Auch höherrangigem Recht lässt sich eine Begrenzung der Prüfungsversuche für die hier in Streit stehende Modulprüfung nicht (mehr) entnehmen, sondern – im Gegenteil – eine Mindestanzahl von Prüfungsversuchen.

80

Maßgeblich für die Frage der dem Kläger gegenwärtig noch zustehenden Prüfungsversuche ist nicht die Vorschrift des § 65 Abs. 1 Satz 1 HmbHG 2001, die eine gesetzliche Höchstgrenze für Prüfungsversuche bei Zwischen- und Abschlussprüfungen und anderen Prüfungen statuierte, sondern § 65 Abs. 1 des Hamburgischen Hochschulgesetzes in der aktuell gültigen Fassung (v. 8.7.2014, HmbGVBl. S. 269 - HmbHG), die eine gesetzliche Obergrenze für Prüfungsversuche bei studienbegleitenden Prüfungen nicht mehr vorsieht. Denn maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die begehrte Feststellung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, da es dem Kläger nicht um die Feststellung der ihm in der Vergangenheit zustehenden Prüfungsversuche, sondern um die Feststellung der ihm gegenwärtig zustehenden Prüfungsversuche geht. Zwar ist zu berücksichtigen, dass sich der Kläger seiner Prüfung bereits unter der Geltung des § 65 HmbHG 2001 gestellt hat. Da der Kläger jedoch jedenfalls seinen letzten Prüfungsversuch wirksam angefochten hat, ist sein Prüfungsverfahren noch nicht abgeschlossen (vgl. zu dieser Voraussetzung: OVG Bautzen, Urt. v. 23.4.2013, 2 A 525/11, juris Rn. 25). Eine Übergangsvorschrift ist in dem Gesetz zur Weiterentwicklung des Hochschulrechts (v. 8.7.2014, HmbGVBl. S. 269), mit dem die gesetzliche Höchstgrenze für Prüfungsversuche nach § 65 Abs. 1 Satz 1 HmbHG mit Wirkung zum 1. Juli 2014 aufgehoben worden ist, für diese Gesetzesänderung nicht vorgesehen. Auch aus sonstigen Erwägungen spricht nichts dafür, die Bestimmung des § 65 Abs. 1 Satz 1 HmbHG 2001 – zu Lasten – des Klägers weiterhin anzuwenden.

81

Gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 HmbHG stehen dem Kläger für die streitgegenständliche Hausarbeit mindestens drei Prüfungsversuche zu. Nach dieser Vorschrift können studienbegleitende Prüfungen nunmehr mindestens zweimal wiederholt werden. Eine Begrenzung der Prüfungsversuche für studienbegleitende Prüfungen sieht § 65 Abs. 1 Satz 1 HmbHG nicht mehr vor, sondern nur die Gewährleistung einer Mindestanzahl von Prüfungsversuchen (vgl. auch die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Hochschulrechts, Bü-Drs. 20/10491, S. 63).

82

Bei der streitgegenständlichen Hausarbeit handelt es sich um eine studienbegleitende Prüfung i.S.d. § 65 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 HmbHG. Ob es sich bei ihr zugleich auch um den Teil einer Abschlussprüfung i.S.d. § 65 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 HmbHG, d.h. einer das Studium beendenden Prüfung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 3.11.1986, B 108/86, juris Rn. 8) handelt, da sie gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 PO Teil der Masterprüfung ist, kann dahinstehen. Denn auch wenn die Hausarbeit zugleich als Teil einer Abschlussprüfung anzusehen sein sollte, handelt es sich jedenfalls um den studienbegleitenden Teil einer solchen Prüfung. Studienbegleitende Prüfungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie thematisch dem Studienfortschritt angepasst sind (vgl. Reich, Hochschulrahmengesetz, 11. Aufl. 2012, § 15 Rn. 2). So liegt es im Falle von Modulprüfungen (vgl. auch Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 812, der die Begriffe „studienbegleitende Prüfung“ und „Modulprüfung“ synonym verwendet), mit denen nicht kursübergreifender Prüfungsstoff eines Studienabschnitts oder des gesamten Studiums abgeprüft wird, sondern nur der in dem jeweiligen Modul vermittelte Prüfungsstoff. Dass nach § 65 Abs. 1 Satz 1 HmbHG dem Prüfling bei studienbegleitenden Prüfungen grundsätzlich mehr Prüfungsversuche zustehen als bei nicht studienbegleitend abgenommenen Zwischen- und Abschlussprüfungen, erscheint vor dem Hintergrund von Art. 12 Abs. 1 GG auch sachgerecht. Denn da bei einer studienbegleitenden Prüfung, deren Nichtbestehen ebenso wie das Nichtbestehen einer nicht studienbegleitend abgenommenen Zwischen- oder Abschlussprüfung zu einem Nichtbestehen des Studiums führen kann, ein kleinerer Ausschnitt aus dem für den Studienabschluss insgesamt erforderlichen Prüfungsstoff abgeprüft wird, bestehen hier weniger Möglichkeiten, Schlechtleistungen durch gute Leistungen in einem anderen Prüfungsgebiet auszugleichen, so dass der Ausspruch des endgültigen Nichtbestehens bei diesen Prüfungsleistungen schwerer wiegt.

II.

83

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO. Die Berufung war gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da keine obergerichtliche Rechtsprechung zu der Frage existiert, ob § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG es erfordert, Zahl, Art, Dauer und Bewertung von Prüfungsleistungen konkret in der Prüfungsordnung selbst zu regeln, und welche Rechtsfolgen ein Verstoß gegen die Vorschrift nach sich zieht.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen das endgültige Nichtbestehen im Nebenfach Betriebswirtschaftslehre ihres Bachelorstudiengangs.

2

Die Klägerin nahm an der beklagten Hochschule zum Wintersemester 2005/2006 (1. Fachsemester des Hauptfachstudiums) ein Studium im Studiengang Deutsche Sprache und Literatur mit dem Studienziel Bachelor of Arts auf. Vom Sommersemester 2008 bis zum Sommersemester 2013 studierte sie in Teilzeitform. Im Hauptfach schloss die Klägerin ihr Studium erfolgreich ab. Im Nebenfach Betriebswirtschaftslehre begann sie unter Genehmigung der Beklagten zum Wintersemester 2011/2012 (0,5. Fachsemester des Nebenfachstudiums) das Studium neu. Seit dem Wintersemester 2013/2014 (3. Fachsemester des Nebenfachstudiums) studierte sie wiederum in Vollzeitform.

3

Im Nebenfachstudium fertigte die Klägerin die Klausur „Statistik I“ am 19. März 2013 (Wintersemester 2012/2013 und 1,5. Fachsemester des Nebenfachstudiums), am 12. Februar 2014 (Wintersemester 2013/2014 und 3. Fachsemester des Nebenfachstudiums), am 13. Februar 2015 sowie am 27. März 2015 (beide Wintersemester 2014/2015 und 5. Fachsemester des Nebenfachstudiums) an. Die Klausuren wurden jeweils als nicht bestanden bewertet.

4

Von diesen Klausuren enthielten diejenigen vom 19. März 2013 bzw. 12. Februar 2014 einen Anteil an Aufgaben im Antwort-Wahl-Verfahren. Bei der Klausur vom 19. März 2013 waren die Aufgaben 1 und 2 im Antwort-Wahl-Verfahren („Multiple-Choice“-Verfahren in der Variante „Single-Choice“) ausgestaltet, von insofern erreichbaren 50 Punkten erzielte die Klägerin nach der Bewertung durch die Prüfer 15 Punkte. Die Aufgaben 3 bis 8 unterlagen nicht dem Antwort-Wahl-Verfahren; von erreichbaren 50 Punkten erzielte die Klägerin 2 Punkte. Die absolute Bestehensgrenze der Klausur von 34 Punkten untertraf die Klägerin mit 17 Punkten. Im Mittel erreichten die Teilnehmer 41,66 Punkte. Bei der Klausur vom 12. Februar 2014 war die Aufgabe 1 im Antwort-Wahl-Verfahren („Single-Choice“) ausgestaltet, von insofern erreichbaren 24 Punkten erzielte die Klägerin 12 Punkte. Die übrigen Aufgaben 2 bis 7 unterlagen nicht dem Antwort-Wahl-Verfahren; von 78 erreichbaren Punkten erzielte die Klägerin 11 Punkte. Die absolute Bestehensgrenze der Klausur von 44 Punkten untertraf die Klägerin mit 23 Punkten. Im Mittel erreichten die Teilnehmer 54,79 Punkte. Beide Klausuren wurden jeweils durch zwei Prüfer bewertet.

5

Die Bewertungen der beiden Klausuren vom 19. März 2013 bzw. 12. Februar 2014 mit „durchgefallen“ (5,0) waren für die Klägerin im Hochschulinformationssystem „StiNE“ ab dem 10. April 2013 bzw. ab dem 13. April 2014 einsehbar.

6

Mit einem bei der Beklagten am 21. April 2015 eingegangenen Schreiben vom 20. April 2015 beantragte die Klägerin die „Zulassung zur mündlichem Prüfung im Studienfach Statistik I“. Sie trug vor, dass sie sich wegen des extrem hohen psychischen Drucks der letzten Klausur nicht konsequent auf die Klausuraufgaben habe konzentrieren können. Wegen verschiedener familiärer und privater Gründe habe sich ihr Studium über einen erheblichen Zeitraum erstreckt.

7

Mit Bescheid vom 29. April 2015, zugestellt am 4. Mai 2015, teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Vorsitzende des Prüfungsausschusses für den Bachelorstudiengang Betriebswirtschaftslehre die von ihr vorgebrachten Härtefallgründe für die Voraussetzungen einer Modulfristverlängerung geprüft habe und zur Entscheidung gelangt sei, dem Antrag nicht abzuhelfen. Sie habe die Modulprüfung für das Modul „Statistik I“ endgültig nicht bestanden. Da sie die Modulprüfung viermal in der Modulfrist durchlaufen und nicht erfolgreich absolviert habe, habe sie den Nebenfach-Bachelorstudiengang Betriebswirtschaftslehre endgültig nicht bestanden.

8

Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid mit am selben Tag eingegangenen Schreiben vom 19. Mai 2015 Widerspruch ein. Sie trug vor, dass sie im Laufe ihres Studiums mehrere chirurgische Eingriffe habe erdulden müssen. Als „mildernder Umstand“ sei auch die Unvergleichbarkeit zweier Prüfungsverfahren zu berücksichtigen, da zum Teil „Multiple-Choice“-Aufgaben zum Einsatz gekommen seien. Sie habe inzwischen im Nebenfach alle Modulleistungen – außer in Statistik – erbracht.

9

Ergänzend trug die Klägerin vor, wegen ihrer Krankheit sei es ihr sehr schwer gefallen, im Studium mit anderen mitzuhalten und notwendige Leistungen termingerecht zu erbringen. Eine „Multiple-Choice“-Aufgabenstellung sei unzulässig gewesen, da es keine relative Bestehensgrenze gegeben habe. Das Zwei-Prüfer-Prinzip sei nicht eingehalten.

10

Ferner legte die Klägerin einen Entlassungsbericht des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf vom 19. Oktober 2015 vor, nach dem die Klägerin in den vorausgegangenen zwei Jahren durch mehrfache familiäre, berufliche und gesundheitliche Belastungsfaktoren stark beeinträchtigt gewesen sei. Vor dem Hintergrund von u.a. erheblichen Konzentration- und Aufmerksamkeitsstörungen seien die Prüfungsvorbereitungen für die Statistik-Klausur erheblich erschwert gewesen; die Störungen hätten sich unter dem Druck der Prüfungsbedingungen und der Anforderung, komplexe Zusammenhänge unter Zeitdruck zu erfassen, extrem verstärkt.

11

Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2015 zurück und führte aus:

12

Der Bescheid über das endgültige Nichtbestehen sei rechtmäßig, da die Klägerin ihr Nebenfach Betriebswirtschaftslehre endgültig nicht bestanden habe. Die Klägerin habe die Modulprüfung im Modul „Statistik I“ auch in ihrer letzten Wiederholung am 27. März 2014 nicht bestanden. § 18 Abs. 1 der Prüfungsordnung sehe als Folge das endgültige Nichtbestehen der Bachelorprüfung vor. Der Antrag auf Zulassung zur mündlichen Prüfung in „Statistik I“ hätte schon mangels Rechtsgrundlage für die Zulassung zu einer mündlichen Prüfung abgelehnt werden können, weshalb er als Antrag auf Modulfristverlängerung ausgelegt worden sei. Die Klägerin begehre offensichtlich einen weiteren Prüfungsversuch, was allenfalls in Form einer Modulfristverlängerung gemäß § 10 Abs. 3 der Prüfungsordnung hätte gewährt werden können. Gemäß § 10 Abs. 2 der Prüfungsordnung seien Modulprüfungen für Pflichtmodule innerhalb von Fristen zu erbringen. Die Modulfrist im Modul „Statistik I“ sei für die Klägerin vom Wintersemester 2013/2014 (3. Fachsemester des Nebenfachstudiums) bis zum Wintersemester 2014/2015 (5. Fachsemester des Nebenfachstudiums) gelaufen. Innerhalb dieser Frist habe die Klägerin an drei Prüfungsversuchen erfolglos teilgenommen. Einen vierten Versuch habe sie bereits vor Beginn der Modulfrist erfolglos unternommen. Für die vierte Prüfungsmöglichkeit innerhalb der Modulfrist sei die Klägerin nicht angemeldet gewesen.

13

Die von der Klägerin geltend gemachten Einwendungen und vorgelegten „Nachweise“ rechtfertigten keinen weiteren Prüfungsversuch im Rahmen eines Nachteilsausgleichs nach § 11 Abs. 1 der Prüfungsordnung. Ein Antrag auf Nachteilsausgleich müsste nach dem Wortlaut dieser Vorschrift vor dem letzten Wiederholungsversuch gestellt werden. Der Nachteilausgleich diene der Anpassung der Prüfung an Nachteile eines konkreten Studenten, ermögliche es hingegen nicht, weitere Prüfungsversuche zu gestatten. Die von der Klägerin vorgetragene familiäre, gesundheitliche und berufliche Belastungssituation stelle auch keine chronische Krankheit oder Behinderung dar.

14

Ebenso wenig komme ein nachträglicher Rücktritt von den Klausuren in „Statistik I“ nach § 16 Abs. 1 der Prüfungsordnung in Betracht. Der einen Rücktritt tragende triftige Grund müsse unverzüglich angezeigt und der Rücktritt eindeutig erklärt werden. Hieran fehle es, da die Klägerin ihre Belastungssituation erst im Schreiben vom 20. April 2015 bekundet habe und der Wille, nachträglich von den Prüfungen zurücktreten zu wollen, daraus nicht deutlich hervorgehe.

15

Weiter seien die von der Klägerin geschriebenen Klausuren „Statistik I“ verfahrensfehlerfrei. Gegen das Zwei-Prüfer-Prinzip sei nicht verstoßen worden. Nach § 64 Abs. 7 Satz 1 HmbHG 2001 müssten studienbegleitende Prüfungsleistungen in Abschluss- und Zwischenprüfungen – wie die Klausuren im Modul „Statistik I“ – nicht von einem zweiten Prüfer bewertet werden. Das Antwort-Wahl-Verfahren sei ein zulässiger Klausurtyp. Eine nachträgliche Bildung der relativen Bestehensgrenze zeige, dass die Klägerin die beiden betroffenen Klausuren auch unter Annahme einer relativen Bestehensgrenze von 25 % – die zu Gunsten der Klägerin sehr hoch angesetzt sei – nicht bestanden habe.

16

Zur Begründung der am 17. Dezember 2015 erhobenen Klage trägt die Klägerin vor:

17

Die nachgereichten Atteste wiesen eine chronische Krankheit nach, was einen Härtefallantrag ermögliche; es werde keine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht erfolgen. Sie leide unter einer chronischen Eierstockentzündung. Da „enormer Druck seitens diverser Instanzen“ entstanden sei, wie beispielsweise der Ausländerbehörde, habe sie einen Verzicht auf die Klausuren nicht in Betracht ziehen können. Leider habe sie nichts von der Möglichkeit eines Nachteilsausgleichs gewusst und einen solchen deshalb nicht beantragt.

18

Ergänzend trägt die Klägerin vor, zu wenig Zeit gehabt zu haben, um sich vorzubereiten. Sie sei nicht gesund gewesen, habe sich allerdings nicht krank gemeldet, weil sie Druck von der Ausländerbehörde empfunden habe. Sie habe auch nicht weiter ein Teilzeitstudium betreiben können, weil sie dann mit ihrem Aufenthaltstitel Schwierigkeiten bekommen hätte. Sie habe bisher nicht alle gesundheitlichen Belastungen dargelegt, dies gelte insbesondere für psychische Themen. Ihr sei ein unter Vorbehalt bereits gewährter Wiederholungsversuch der Klausur „Statistik I“ als regulärer zu werten. Ihre gesundheitlichen Belastungen hätten sich auf die Prüfungsleistungen in verschiedenen Fächern ausgewirkt, aber die Klausur „Statistik I“ sei eben besonders schwer.

19

Die Klägerin beantragt,

20

den Bescheid vom 29. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Dezember 2015 aufzuheben

21

Die Beklagte beantragt,

22

die Klage abzuweisen.

23

Die Beklagte trägt vor: Vorprozessual habe sie nichts von einem Dauerleiden der Klägerin gewusst. Die Befassung mit einem Nachteilsausgleich im Widerspruchsbescheid sei lediglich vollständigkeitshalber erfolgt. Nach der Prüfungsordnung betrage die Dauer einer Klausur mindestens 45, höchstens 180 Minuten und könnten auch in Form eines Antwort-Wahl-Verfahrens durchgeführt werden. Die im Hochschulinformationssystem „StiNE“ eingetragenen Prüfungsbewertungen seien Verwaltungsakte. Sie seien mit Ablauf der Jahresfrist jeweils bestandskräftig geworden. Die Klägerin habe sich erstmals mit Schreiben vom 1. Juni 2015 gegen die Bewertungen der Klausuren gewandt. Eine (unter Vorbehalt) am 12. Februar 2016 angefertigte Klausur „Statistik I“ habe die Klägerin nicht bestanden.

24

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist die Prüfungsakte. Darauf sowie auf die Gerichtsakte wird wegen der Einzelheiten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

25

I. Die zulässige Klage ist nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 29. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Dezember 2015 über das endgültige Nichtbestehen der Klägerin in der Bachelorprüfung im Nebenfach Betriebswirtschaftslehre ist ausgehend von den einschlägigen Satzungen (hierzu unter 1.) gerechtfertigt (hierzu unter 2.). Die einschlägigen Satzungen bilden – als mit höherrangigem Recht vereinbar – eine wirksame Rechtsgrundlage (hierzu unter 3.).

26

1. Einschlägig ist für das von der Klägerin zum Wintersemester 2011/2012 aufgenommene Nebenfachstudium der Betriebswirtschaftslehre die Prüfungsordnung des Departments Wirtschaftswissenschaften der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften für Studiengänge mit dem Abschluss „Bachelor of Science“ (B.Sc.) (v. 20.9.2006, Amtl. Anz. S. 2959 – PO 2006, mit Änderungen v. 16.7.2008, Amtl. Bek. Nr. 43 v. 22.9.2008 sowie v. 14.7.2010, Amtl. Bek. Nr. 18 v. 23.5.2011 – PO 2010). Unanwendbar ist die letzte Änderung der Prüfungsordnung der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften für Studiengänge mit dem Abschluss Bachelor of Science (v. 6.8.2014, Amtl. Bek. Nr. 74 v. 10.9.2014), die gemäß deren § 2 Abs. 1 Satz 2 erstmals für Studierende gilt, die ihr Studium zum Wintersemester 2014/2015 in einem Studiengang der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften aufgenommen haben. Die Änderungsordnung gilt mit Wirkung zum Wintersemester 2014/2015 zwar grundsätzlich ebenfalls für Studierende, die ihr Studium vor Inkrafttreten dieser Änderungsordnung am 11. September 2014 in einem Studiengang der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften aufgenommen haben, aber nicht im Bachelorstudiengang Betriebswirtschaftslehre (B.Sc.), der nunmehr der Zuständigkeit der neueingerichteten Fakultät Betriebswirtschaftslehre unterfällt. Die Klägerin hat das Studium bereits zum Wintersemester 2011/2012 und im Nebenfach-Bachelorstudiengang der Betriebswirtschaftslehre aufgenommen. Zeitlich unanwendbar ist auch die Prüfungsordnung der Fakultät für Betriebswirtschaft für Studiengänge mit dem Abschluss „Bachelor of Science (B.Sc.)“ (v. 8.7.2015 und 27.1.2016, Amtl. Bek. Nr. 39 v. 22.6.2016), die gemäß ihrem § 23 erst ab dem Wintersemester 2015/2016 gilt. Bereits sachlich unanwendbar ist die neue Prüfungsordnung der (nicht mehr die Betriebswirtschaftslehre umfassenden) Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften für Studiengänge mit dem Abschluss „Bachelor of Science“ (B.Sc.) (v. 15.6.2016, Amtl. Bek. Nr. 62 v. 4.10.2016).

27

In Ergänzung der PO 2010 finden die Fachspezifischen Bestimmungen für den Bachelor-Studiengang Betriebswirtschaftslehre im Department Wirtschaftswissenschaften der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg (v. 4.10.2006, Amtl. Anz. S. 2846, Neufassung v. 15.4.2009, Amtl. Bek. Nr. 31 v. 21.6.2010 – FSB 2009, mit Änderung v. 16.6.2010, Amtl. Bek. Nr. 47 v. 7.12.2011 – FSB 2010) Anwendung. Zeitlich unanwendbar sind demgegenüber die Fachspezifischen Bestimmungen für den Bachelor-Studiengang Betriebswirtschaftslehre der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg (v. 11.7.2012, Amtl. Bek. Nr. 78 v. 22.10.2012 – FSB 2012), da diese gemäß ihrer Bestimmung Satz 2 zu § 23 erstmal für Studierende gelten, die ihr Studium zum Wintersemester 2012/2013 aufgenommen haben. Die Aufhebung der Regelungen zum Nebenfachstudiengang Betriebswirtschaftslehre durch Satzung v. 8.7.2015 (Amtl. Bek. Nr. 48 v. 11.9.2015) mit Wirkung vom 30. September 2020 ist ebenso wenig anwendbar.

28

2. Unter Zugrundelegung der einschlägigen Satzungen (dazu s.o. 1.) ist der Bescheid über das endgültige Nichtbestehen in der Bachelorprüfung im Nebenfach Betriebswirtschaftslehre gerechtfertigt. Der Nichtbestehensbescheid findet seine satzungsmäßige Rechtsgrundlage in § 18 Abs. 2 PO 2010. Ist die Bachelorprüfung endgültig nicht bestanden, stellt gemäß dieser Satzungsbestimmung der oder die Vorsitzende des Prüfungsausschusses einen entsprechenden Bescheid aus. Die Bachelorprüfung ist gemäß § 18 Abs. 1 Buchst. a. PO 2010 insbesondere dann endgültig nicht bestanden, wenn eine Modulprüfung nicht fristgemäß absolviert wird, es sei denn, der bzw. die Studierende hat die Fristversäumnis nicht zu vertreten. Ausgehend von der Satzungslage hat die Klägerin die Bachelorprüfung endgültig nicht bestanden. Denn die Klägerin hat die auch im Nebenfachstudium verpflichtende Prüfungsleistung „Statistik I“ (hierzu unter a.) innerhalb der regulären Modulfrist (hierzu unter b.) nicht bestanden (hierzu unter c.). Weder war die Fristversäumnis von der Klägerin nicht zu vertreten (hierzu unter d.) noch die Modulfrist ausnahmsweise zu verlängern (hierzu unter e.).

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a. Die Klägerin musste in ihrem Nebenfachstudium Betriebswirtschaftslehre die Prüfungsleistung „Statistik I“ bestehen. Der verpflichtende Charakter dieser Prüfungsleistung ergibt sich aus Folgendem:

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Der Bachelorstudiengang ist auch im Nebenfachstudium der Betriebswirtschaftslehre gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 PO 2010 modular aufgebaut; Zahl, Umfang, Inhalte der Module und Modulvoraussetzungen sind danach in den Fachspezifischen Bestimmungen geregelt. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 PO 2010 ist zwischen obligatorischen Modulen (Pflichtmodulen), aus einem vorgegebenen Katalog auszuwählenden Modulen (Wahlpflichtmodulen) und frei wählbaren Modulen (Wahlmodulen) zu unterscheiden. Im Hauptfachstudium der Betriebswirtschaftslehre ist gemäß Abs. 1 Buchst. a FSB 2010 zu § 4 Abs. 3 und 4 PO 2010 und gemäß der in den FSB 2010 enthaltenen Modulbeschreibung für die erste Studienphase das Modul „Statistik I + II“ ein Pflichtmodul und Methodenmodul der ersten Studienphase, das den Fachsemestern „3 + 4“ zugeordnet ist, mit zwei Modulteilprüfungen i.S.d. § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 PO 2010 abschließt, jeweils in der Prüfungsart der Klausur gemäß § 13 Abs. 4 Buchst. a PO 2010. Diese beiden Teilprüfungsleistungen des Hauptfachstudiums entsprechen im Nebenfachstudium der Betriebswirtschaftslehre gemäß Abs. 3 Sätze 3 und 4 FSB 2010 zu § 4 Abs. 3 und 4 PO 2010 dem Pflichtmodul „Statistik I“ sowie dem Wahlmodul „Statistik II“.

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b. Für das Pflichtmodul „Statistik I“ (dazu s.o. a.) endete die Modulfrist, in der die Prüfungsleistung zu absolvieren war, regulär mit dem 31. März 2015.

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Die Bindung an eine Modulfrist folgt aus § 10 Abs. 2 Sätze 1 und 2 PO 2010: Danach sind Modulprüfungen für Pflichtmodule innerhalb von Fristen zu erbringen, die sich aus den in der jeweiligen Modulbeschreibung angegebenen Fachsemestern zuzüglich der Anzahl von Fachsemestern, innerhalb derer das Modul ein weiteres Mal absolviert werden kann (Wiederholungsfrist), errechnen. Bei Teilprüfungsleistungen endet die Frist gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 PO 2010 in dem Semester, in dem die der Teilprüfung zugeordnete Lehrveranstaltung ein weiteres Mal angeboten wird.

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Das Ende der Modulfrist errechnet sich wie folgt: Die in den FSB 2010 enthaltene Modulbeschreibung gibt für das Modul „Statistik I + II“ die Fachsemester „3 + 4“ an. Die erste Teilprüfungsleistung „Statistik I“ ist damit dem 3. Fachsemester zugeordnet. Die betreffende Frist endete gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 PO 2010 mit dem 5. Fachsemester, in dem ausgehend vom Jahresturnus die der Teilprüfung zugeordnete Lehrveranstaltung ein weiteres Mal angeboten worden ist. Das 5. Fachsemester der Klägerin im Nebenfachstudium der Betriebswirtschaftslehre war das am 31. März 2015 endende Wintersemester 2014/2015. Dem liegt zugrunde, dass die Klägerin zunächst in Teilzeitform zum Wintersemester 2011/2012 (0,5. Fachsemester des Nebenfachstudiums) mit dem Studium in diesem Nebenfach erneut begonnen und zum Wintersemester 2013/2014 (3. Fachsemester des Nebenfachstudiums) in ein Vollzeitstudium gewechselt ist.

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c. Die Prüfungsleistung „Statistik I“ hatte die Klägerin bis zum Ende der regulären Modulfrist am 31. März 2015 (dazu s.o. b.) nicht bestanden. Die von der Klägerin am 19. März 2013, am 12. Februar 2014, am 13. Februar 2015 sowie am 27. März 2015 angefertigten Klausuren in der Teilprüfungsleistung „Statistik I“ sind von den Prüfern als nicht bestanden bewertet worden. Die Klägerin kann das Ziel, eine innerhalb der Modulfrist angefertigte Klausur bestanden zu haben, auch nicht im Wege der Neubewertung erreichen, denn eine Neubewertung kann sie nicht beanspruchen.

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Dahinstehen kann dabei, ob der Beklagten darin zu folgen ist, dass die Bewertung der einzelnen Klausuren als nicht bestanden ein Verwaltungsakt ist, der jeweils bestandskräftig geworden ist. Es spricht viel dafür, dass sich die Beklagte auf eine etwaig eingetretene Bestandskraft nicht berufen könnte, da sie sich hinsichtlich der Bewertung der Klausuren noch im Widerspruchsbescheid auf eine Auseinandersetzung in der Sache eingelassen hat.

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Jedenfalls kann die Klägerin eine Neubewertung der angefertigten Klausuren deshalb nicht beanspruchen, weil nach dem beschränkten gerichtlichen Überprüfungsmaßstab, die bisherige Bewertung nicht durch eine neue zu ersetzen ist. Im Einzelnen:

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Bei der Bewertung der Leistungen in berufsbezogenen Prüfungen ist ein gerichtlich nicht überprüfbarer Beurteilungsspielraum anzuerkennen (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, juris Rn. 54; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 877 ff.). Das Gebot der Chancengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG erfordert eine Bewertung der Leistungen aller Prüflinge nach den Maßstäben der Prüfer. Das Gericht kann sich nicht an die Stelle der Prüfer setzen. Das Gericht kann nur überprüfen, ob das Verfahren eingehalten wurde, anzuwendendes Recht verkannt wurde, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe verletzt wurden oder sachfremde Erwägungen ausschlaggebend waren (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, juris Rn. 56). Es obliegt dem Prüfling, konkrete und substantiierte Einwendungen gegen die Bewertung zu benennen (BVerwG, Beschl. v. 23.12.1993, 6 B 19/93, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 326, juris Rn. 8; Urt. v. 4.5.1999, 6 C 13/98, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 395, juris Rn. 35; OVG Hamburg, Beschl. v. 17.7.2008, 3 Bf 351/07.Z, NVwZ-RR 2008, 851, juris Rn. 23).

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Ausgehend von diesem Maßstab ist kein durch Neubewertung der Klausuren zu behebender Fehler aufgezeigt. Die von der Klägerin erhobene Einwendung, das Zwei-Prüfer-Prinzip sei verletzt, dringt nicht durch. Zum einen sind die Klausuren, hinsichtlich derer die Klägerin substantiierte Einwendungen erhoben hat, jeweils von zwei Prüfern bewertet worden. Zum anderen findet das Zwei-Prüfer-Prinzip vorliegend gar keine Anwendung. Gemäß § 64 Abs. 7 Satz 1 des Hamburgischen Hochschulgesetzes (v. 18.7.2001, HmbGVBl. S. 171 m. spät. Änd. – HmbHG 2001) sind Prüfungsleistungen in Abschlussprüfungen und Zwischenprüfungen, soweit diese nicht studienbegleitend stattfinden, in der Regel von mindestens zwei Prüferinnen oder Prüfern zu bewerten. Das gleiche gilt gemäß § 64 Abs. 7 Satz 2 HmbHG 2001 für andere Prüfungsleistungen, sofern sie als nicht ausreichend erachtet werden sollen. Bei den streitbefangenen Klausuren handelt es sich im Sinne der Norm um andere Prüfungsleistungen, die auch als nicht ausreichend bewertet worden sind. Mit dem Zusatz „das Gleiche“ verweist Satz 2 aber vollständig auf Satz 1. Dieser Satz beinhaltet einerseits das Regel-Ausnahme-Verhältnis und andererseits auch den Ausschluss bei studienbegleitenden Prüfungsleistungen. Dieser Ausschluss greift hier. Studienbegleitend ist eine Prüfung dann, wenn sie thematisch dem Studienfortschritt angepasst ist; so liegt der Fall insbesondere bei Modulprüfungen, mit denen nicht kursübergreifender Prüfungsstoff eines Studienabschnitts oder des gesamten Studiums abgeprüft wird, sondern nur der in dem jeweiligen Modul vermittelte Prüfungsstoff (VG Hamburg, Urt. v. 5.11.2015, 2 K 950/14, juris Rn. 82), wie es auf die in Anknüpfung an die entsprechend angebotene Lehrveranstaltung „Statistik I“ abgenommene Klausur zutrifft.

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d. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, sie habe die Fristversäumnis nicht zu vertreten. Insbesondere hatte die Klägerin vor Ablauf der Modulfrist hinreichend Gelegenheit, die Prüfungsleistung abzulegen. Sie hat die Klausur im Modul „Statistik I“ viermal angefertigt und jeweils nicht bestanden. Die Klägerin muss sich die durchgeführten Prüfungsversuche entgegenhalten lassen. Die Prüfungsversuche sind gültig und nicht zu annullieren. Die von der Klägerin erhobenen Einwendungen, anhand derer nach dem vorgestellten Maßstab (s.o. c.) die Prüfungsentscheidung gerichtlich zu überprüfen ist, zeigen keine durch Neudurchführung des Prüfungsversuchs zu behebenden Verfahrensfehler auf. Im Einzelnen ist die Verwendung von „Multiple-Choice“-Aufgaben nicht zu beanstanden (hierzu unter aa.). Weder ist die Klägerin nachträglich wirksam von den angefertigten Klausuren zurückgetreten (hierzu unter bb.) noch kann ein Nachteilsausgleich nachträglich zur Annullierung der Klausuren führen (hierzu unter cc.).

40

aa. Die Verwendung von Aufgaben im Antwort-Wahl-Verfahren („Multiple-Choice“ in der Variante „Single-Choice“) in zwei der von der Klägerin im Modul „Statistik I“ angefertigten Klausuren ist entgegen der von der Klägerin erhobenen Einwendung keinen Bedenken ausgesetzt.

41

Gemäß § 13 Abs. 4 Buchst. a PO 2010 können Klausuren auch im Antwort-Wahl-Verfahren gestellt sein. Unabhängig davon ist eine gesonderte Ermächtigung für „Multiple-Choice“-Aufgaben nicht erforderlich, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die vom Prüfer korrigierte Arbeit nicht von ihm selbst gestellt worden ist (Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 42, 601).

42

Eine detaillierte Regelung von absoluten und relativen Bestehensgrenzen ist entbehrlich, wenn – wie hier – das Antwort-Wahl-Verfahren nur einen Teil der Klausuraufgabe darstellt, denn dann können Anforderungen, Antwortverhalten der Studierenden und Ergebnisse in einer Weise überschaubar und differenzierbar sein, wie dies auch bei einer herkömmlichen Aufgabenstellung der Fall ist (Niehues/Fischer/Jeremias, a.a.O., Rn. 600; vgl. OVG Münster, Urt. v. 16.12.2008, 14 A 2154/08, NVwZ-RR 2009, 422, juris Rn. 44). Es bedarf auch keiner normativen Ermächtigung für die Festlegung der relativen und absoluten Bestehensgrenzen, wenn – wie hier – die Arbeit nach dem individuellen Bewertungsschema des jeweiligen Prüfers bewertet werden darf (Niehues/Fischer/Jeremias, a.a.O., Rn. 601; OVG Münster, Beschl. v. 11.11.2011, 14 B 1109/11, juris, Rn. 18 ff.). Überdies zeigt eine nachträgliche Bildung der relativen Bestehensgrenze, dass die Klägerin die beiden betroffenen Klausuren auch relativ nicht bestanden hat: In der Klausur vom 19. März 2013 waren 34 von 100 Punkten für ein absolutes Bestehen erforderlich. Die Leistung der Klägerin mit 17 Punkten lag um mehr als 50 % unter der Durchschnittsleistung von 41,66 Punkten, so dass sie die Klausur selbst bei Ansatz einer zu ihren Gunsten sehr hohen relativen Bestehensgrenze von 25 % nicht bestanden hätte. Entsprechendes gilt für die Klausur vom 12. Februar 2014, in der 44 von 100 Punkten für ein absolutes Bestehen zu erreichen waren. Die Leistung der Klägerin von lediglich 23 Punkten liegt weit über 25 % unter der Durchschnittsleistung der Prüfungsteilnehmer von 54,79 Punkten.

43

Unabhängig davon ist für die Klägerin aus der Verwendung von Aufgaben im Antwort-Wahl-Verfahren kein konkreter Nachteil ersichtlich, da sie in Aufgaben dieser Art jeweils einen höheren Punktanteil als in herkömmlichen Aufgaben erzielt hat. In der Klausur vom 19. März 2013 erzielte sie in den betreffenden Aufgaben immerhin 15 von 50 Punkten, in den anderen Aufgaben lediglich 2 von 50 Punkten. In der Klausur vom 12. Februar 2014 erreichte sie in den Aufgaben des Antwort-Wahl-Verfahrens 12 von 24 Punkten, im Übrigen nur 11 von 78 Punkten.

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bb. Die Klägerin kann von den bereits absolvierten Prüfungsversuchen auch angesichts der vorgetragenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen nach dem insoweit anzulegenden Maßstab nicht nachträglich wirksam zurücktreten. Im Einzelnen:

45

Nach § 16 Abs. 1 PO 2010 gilt eine Prüfungsleistung als mit „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet, wenn der Prüfling ohne triftigen Grund einen Prüfungstermin oder eine Prüfungsfrist i.S.d. PO 2010 versäumt, nach Beginn einer (Teil-)Prüfung zurücktritt oder eine schriftliche Prüfungsleistung nicht innerhalb der vorgesehenen Bearbeitungszeit beginnt oder erbringt. Der für den Rücktritt oder das Versäumnis geltend gemachte Grund muss nach § 16 Abs. 2 Satz 1 PO 2010 dem Prüfungsausschuss unverzüglich schriftlich angezeigt und glaubhaft gemacht werden. Das Erfordernis des triftigen Grundes wird durch § 16 Abs. 2 Satz 2 PO 2010 dahingehend konkretisiert, dass bei Krankheit des Prüflings ein qualifiziertes ärztliches Attest vorzulegen ist. Dies ist nach § 16 Abs. 2 Satz 3 PO 2010 ein Attest, das Angaben enthält über die von der Erkrankung ausgehende körperliche bzw. psychische Funktionsstörung, die Auswirkungen der Erkrankung auf die Prüfungsfähigkeit des Prüflings aus medizinischer Sicht, den Zeitpunkt des dem Attest zugrunde liegenden Untersuchungstermins sowie die ärztliche Prognose über die Dauer der Erkrankung. Das Gebot der Unverzüglichkeit wird ausgehend von der Satzungsbestimmung des § 16 Abs. 2 Satz 5 PO 2010 dahingehend verschärft, dass nach Beendigung einer Prüfungsleistung Rücktrittsgründe nicht mehr geltend gemacht werden. Selbst wenn diese Satzungsbestimmung aufgrund höherrangigen Rechts im Fall einer zunächst unerkannten Prüfungsunfähigkeit zugunsten des Prüflings durchbrochen werden müsste, ist doch gerade in diesem Fall an die Unverzüglichkeit des Rücktritts ein strenger Maßstab anzulegen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die sich die Kammer zu eigen macht, ist es Sache des Prüflings, sich darüber Klarheit zu verschaffen, ob seine Leistungsfähigkeit durch außergewöhnliche Umstände, insbesondere durch Krankheit, erheblich beeinträchtigt ist, und bejahendenfalls daraus unverzüglich die in der jeweiligen Prüfungsordnung vorgesehenen Konsequenzen zu ziehen, und zwar bei krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit grundsätzlich vor Beginn der Prüfung, spätestens aber dann, wenn er sich ihrer bewusst geworden ist (BVerwG, Urt. v. 7.10.1988, 7 C 8/88, BVerwGE 80, 282, juris Rn. 12). Ein Rücktritt ist dann nicht mehr unverzüglich, wenn der Prüfling die Erklärung nicht zu dem frühestmöglichen Zeitpunkt abgegeben hat, zu dem sie von ihm in zumutbarer Weise hätte erwartet werden können (BVerwG, Urt. v. 13.5.1998, 6 C 12/98, BVerwGE 106, 369, juris Rn. 18 ff.; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 283 m.w.N.). Eine den Grundsatz der Chancengleichheit zu Lasten der Mitbewerber verletzende zusätzliche Prüfungschance verschafft sich nicht nur derjenige, dem es gelingt, durch nachträglich vorgetäuschte Prüfungsunfähigkeit die Genehmigung des Rücktritts zu erreichen, sondern auch der, der tatsächlich prüfungsunfähig war, sich aber in Kenntnis seines Zustandes der Prüfung unterzogen hat, um sich im Falle des Misserfolgs durch nachträglichen Rücktritt den Rechtswirkungen der fehlgeschlagenen Prüfung zu entziehen. Diesen Gefahren für die Chancengleichheit wird entgegengewirkt, wenn die nachträglich geltend gemachte Prüfungsunfähigkeit zwar als Rücktrittsgrund nicht von vornherein ausgeschlossen, an die Geltendmachung aber die Anforderung der Unverzüglichkeit gestellt wird (BVerwG, Urt. v. 7.10.1988, a.a.O., Rn. 11). Macht ein Prüfling geltend, dass er seine Prüfungsunfähigkeit erst nachträglich erkennen und einschätzen konnte, müssen die dafür maßgeblichen Gründe in gleicher Weise glaubhaft gemacht werden wie die Prüfungsunfähigkeit selbst (OVG Münster, Beschl. v. 8.12.2009, 14 E 861/09, juris Rn. 3). Kenntnis von der Prüfungsunfähigkeit hat der Prüfling schon dann, wenn ihm sein gesundheitlicher Zustand (speziell seine gesundheitlichen Beschwerden) in den wesentlichen Merkmalen bewusst ist und er die Auswirkungen der Erkrankung auf seine Leistungsfähigkeit im Sinne einer „Parallelwertung in der Laiensphäre“ erfasst (BVerwG, Beschl. v. 22.9.1993, 6 B 36/93, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 318, juris Rn. 4).

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Nach dem vorstehenden Maßstab ist die Klägerin von den unternommenen Prüfungsversuchen nicht wirksam zurückgetreten. Es fehlt – auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin dargelegten gesundheitlichen Beeinträchtigungen – an dem vorausgesetzten triftigen und dabei unverzüglich geltend gemachten Rücktrittsgrund sowie an einer unverzüglichen Rücktrittserklärung. Die Klägerin hat vorprozessual vorgetragen, wegen ihrer Krankheit sei es ihr sehr schwer gefallen sei, im Studium mit anderen mitzuhalten und notwendige Leistungen termingerecht zu erbringen. Sie sei – so heißt es in dem von ihr vorgelegten Entlassungsbericht des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf vom 19. Oktober 2015 – in den vorausgegangenen zwei Jahren durch mehrfache familiäre, berufliche und gesundheitliche Belastungsfaktoren stark beeinträchtigt gewesen. Vor dem Hintergrund von u.a. erheblichen Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen seien die Prüfungsvorbereitungen für die Statistik-Klausur erheblich erschwert gewesen; die Störungen hätten sich unter dem Druck der Prüfungsbedingungen und der Anforderung, komplexe Zusammenhänge unter Zeitdruck zu erfassen, extrem verstärkt. Schriftsätzlich hat die Klägerin vorgetragen, die nachgereichten Atteste wiesen eine chronische Krankheit nach, was einen Härtefallantrag ermögliche; es werde keine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht erfolgen. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, sie sei nicht gesund gewesen, habe sich allerdings nicht krank gemeldet, weil sie Druck von der Ausländerbehörde empfunden habe. Sie habe bisher nicht alle gesundheitlichen Belastungen dargelegt, dies gelte insbesondere für psychische Themen. Damit ist bereits keine krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit durch qualifiziertes Attest nach § 16 Abs. 2 Sätze 2 und 3 PO 2010 glaubhaft gemacht. Zwar ist für die Prüfungszeit eine chronische Eierstockentzündung attestiert. Doch sind nicht aus medizinischer Sicht die konkreten Auswirkungen einer von dieser Erkrankung ausgehenden Funktionsstörung auf die Leistungsfähigkeit in der Prüfung dargelegt. Dem Druck durch die Prüfungsbedingungen, insbesondere der Anforderung, komplexe Zusammenhänge unter Zeitdruck zu erfassen, muss sich jeder Prüfling stellen. Darin liegt keine krankheitsbedingte Besonderheit. Auch familiäre und berufliche Belastungen sind, soweit sie nicht – was hier nicht vorgetragen ist – zu einer bestimmten psychischen Krankheit geführt haben, von jedem Prüfling zu tragen, ohne dass sich daraus Folgen für das Prüfungsrechtsverhältnis ergeben. Unabhängig davon ist nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin eine Prüfungsunfähigkeit erst nachträglich hätte erkennen und einschätzen können, wie es aber nach dem dargestellten Maßstab wegen des Gebots der Chancengleichheit für einen ausnahmsweise erst nach Beendigung der Prüfungsleistung erklärten wirksamen Rücktritt Voraussetzung ist.

47

cc. Die Klägerin kann auch nicht wegen eines Nachteilsausgleichs nach § 11 Abs. 1 Satz 1 PO 2010 von den absolvierten Prüfungsversuchen nachträglich Abstand nehmen. Nach dieser Vorschrift kann der Vorsitzende bzw. die Vorsitzende des Prüfungsausschusses die Bearbeitungszeit für Prüfungsleistungen bzw. die Fristen für das Ablegen von Prüfungen verlängern oder gleichwertige Prüfungsleistungen in einer bedarfsgerechten Form gestatten, wenn ein Studierender bzw. eine Studierende glaubhaft macht, dass er bzw. sie wegen einer chronischen Krankheit oder einer Behinderung nicht in der Lage ist, die Prüfungsleistungen ganz oder teilweise in der vorgesehenen Form oder innerhalb der in der PO 2010 genannten Prüfungsfristen abzulegen. Diese Vorschriften bieten keine Grundlage dafür, nachträglich von einem absolvierten Prüfungsversuch Abstand zu nehmen. Seiner Konzeption nach kann ein Nachteilsausgleich nur gewährt werden, bevor der Prüfling den Prüfungsversuch antritt bzw. bevor die Prüfungsfrist abläuft. Er dient nicht nach Ablegen der Prüfung der Korrektur des erzielten Prüfungsergebnisses, sondern dem Ausgleich von den sich in der Abnahme der Prüfung selbst für den Prüfling ergebenden Nachteilen. In der Prüfung wird ein Nachteilsausgleich gewährt, wenn eine Behinderung vorliegt, die den Nachweis der vorhandenen Befähigung erschwert und die in der Prüfung sowie in dem angestrebten Beruf durch Hilfsmittel ausgeglichen werden kann (Niehues/Fischer/Jeremias, a.a.O., Rn. 259). Die Klägerin hat vor Abnahme der Prüfungsversuche und vor Ablauf der regulären Modulfrist keinen Nachteilsausgleich wegen einer chronischen Krankheit beantragt.

48

e. Die Modulfrist war auch nicht ausnahmsweise zu verlängern. Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 PO 2010 kann die Modulfrist bei Vorliegen eines besonderen Härtefalls durch den Prüfungsausschuss verlängert werden. Die Frist ist nach § 10 Abs. 3 Satz 2 PO 2010 so zu bemessen, dass jeweils nur eine weitere Prüfungsmöglichkeit besteht. Der Antrag ist nach § 10 Abs. 3 Satz 3 PO 2010 rechtzeitig vor Ablauf der Frist beim Prüfungsausschuss zu stellen und schriftlich zu begründen. Krankheit ist gemäß § 10 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 16 Abs. 2 Satz 3 PO 2010 durch Vorlage eines qualifizierten ärztlichen Attests nachzuweisen, d.h. eines Attests mit Angaben über die von der Erkrankung ausgehende körperliche bzw. psychische Funktionsstörung, die Auswirkungen der Erkrankung auf die Prüfungsfähigkeit des Prüflings aus medizinischer Sicht, den Zeitpunkt des dem Attest zugrunde liegenden Untersuchungstermins sowie die ärztliche Prognose über die Dauer der Erkrankung. Nach diesen Maßstäben fehlt es sowohl an einem rechtzeitigen Antrag (hierzu unter aa.) als auch an einem besonderen Härtefall (hierzu unter bb.).

49

aa. Es fehlt bereits an einem rechtzeitig vor Ablauf der regulären Modulfrist mit Ende des 5. Fachsemesters des Nebenfachstudiums am 31. März 2015 gestellten und begründeten Antrag auf eine Verlängerung der Modulfrist. Ein an die Beklagte gerichtetes Ersuchen der Klägerin, die Modulprüfung im Modul „Statistik I“ über die reguläre Modulfrist hinaus fortzusetzen, kann erst in dem am 21. April 2015 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 20. April 2015 gesehen werden, in dem die Klägerin eine „Zulassung zur mündlichem Prüfung im Studienfach Statistik I“ beantragt hat.

50

Unerheblich ist, ob die Beklagte sich ausgehend von der Begründung des Bescheids vom 29. April 2015 auf eine Prüfung der weiteren, d.h. über das Erfordernis einer rechtzeitigen Antragstellung hinausgehenden, Voraussetzungen einer Modulfristverlängerung eingelassen hat. Die rechtzeitige Antragstellung ist selbst eine satzungsmäßige Voraussetzung der Modulfristverlängerung. Die Satzung ermächtigt die Beklagte nicht, im Einzelfall von dieser Voraussetzung abzusehen. Denn anders als die Widerspruchsfrist nach § 70 VwGO, deren Versäumnis dann nicht mehr zu beachten ist, wenn die Widerspruchsbehörde in der Sache über einen Widerspruch entschieden hat (BVerwG, Urt. v. 20.6.1988, 6 C 24/87, NVwZ-RR 1989, 85, juris Rn. 9) und kein Dritter betroffen ist (BVerwG, Urt. v. 18.5.1982, 7 C 42/80, BVerwGE 65, 313, juris Rn. 19), dient das Erfordernis, eine Verlängerung der Modulfrist noch vor deren Ablauf zu beantragen, dem rechtsstaatlichen Gebot der Chancengleichheit der Prüflinge, von dem die Behörde nicht absehen kann.

51

Der Antrag der Klägerin auf eine Modulfristverlängerung wäre auch dann als nicht als rechtzeitig zu behandeln, wenn zugunsten eines Prüflings die Grundsätze einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entsprechend § 32 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVfG oder § 60 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 VwGO Anwendung fänden. War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm im Anwendungsbereich dieser Vorschriften auf einen innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellten Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Mangelnde Rechtskenntnis entschuldigt eine Fristversäumnis dabei in aller Regel nicht (BVerwG, Beschl. v. 7.10.2009, 9 B 83/09, NVwZ-RR 2010, 36, juris Rn. 3). Ausgehend davon war die Klägerin bereits nicht unverschuldet gehindert, die Modulfristverlängerung rechtzeitig zu beantragen. Die Klägerin musste sich über die rechtlichen Möglichkeiten, insbesondere im Hinblick auf eine Verlängerung der Modulfrist informieren und entsprechend handeln. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVfG nicht fähig gewesen wäre, Verfahrenshandlungen – etwa die Beantragung einer Modulfristverlängerung – wirksam vorzunehmen.

52

bb. Unabhängig davon ist der vorausgesetzte besondere Härtefall nicht gegeben.

53

Die einzelnen Prüfungsversuche, in denen die Klägerin vier Mal die Gelegenheit hatte, die Modulprüfung „Statistik I“ zu bestehen, muss die Klägerin sich auch angesichts der vorgetragenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen entgegenhalten lassen (s.o. d. bb.). Die vorgetragenen Umstände haben nicht dazu geführt, dass die Klägerin keine Prüfungsleistung hätte ablegen können. Nach eigenem Vortrag war der Klägerin dies in anderen Fächern sehr wohl mit Erfolg möglich. Der Misserfolg in einem bestimmten Fach über eine Vielzahl von Prüfungsversuchen über einen längeren Zeitraum spricht dafür, dass die Klägerin, die im Nebenfachstudium alle Modulleistungen – außer in Statistik – erbracht hat, die in diesem Fach gestellten Anforderungen nicht bewältigen konnte. Dies deckt sich mit der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung selbst vorgetragenen Einschätzung, die Klausur „Statistik I“ sei eben besonders schwer.

54

Soweit die Klägerin vorgetragen hat, sie habe einen Verzicht auf die Klausuren nicht in Betracht ziehen können, da „enormer Druck seitens diverser Instanzen“ entstanden sei, wie beispielsweise der Ausländerbehörde, und sie habe auch nicht weiter ein Teilzeitstudium betreiben können, weil sie dann mit ihrem Aufenthaltstitel Schwierigkeiten bekommen hätte, leitet sich daraus zu ihren Gunsten nichts her. Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Aufenthaltstitel erteilt oder verlängert werden kann, ist von der zuständigen Ausländerbehörde nach dem Aufenthaltsgesetz zu entscheiden, wobei im Streitfall dem Betroffenen der gerichtliche Rechtsschutz offensteht. Ist die Ausländerbehörde bei einer aufenthaltsrechtlichen Entscheidung gegenüber einem ausländischen Studierenden in einer bestimmten Weise vorgegangen, so kann der Betroffene dies nicht im Verhältnis zur Ausländerbehörde hinnehmen und später im prüfungsrechtlichen Verfahren gegenüber seiner Hochschule in Frage stellen. Soweit die Klägerin sich, etwaig mit Rücksicht auf aufenthaltsrechtliche Implikationen, entschieden hat, in Vollzeitform zu studieren und an den Klausuren teilzunehmen, muss sie sich an ihrer Entscheidung festhalten lassen und darf sie sich dazu nicht in Widerspruch setzen.

55

Im Übrigen wäre der Klägerin bei einem erfolgreichen Verlängerungsantrag gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 PO 2010 nur eine weitere Prüfungsmöglichkeit eingeräumt worden. Unterstellt, die Bewertung der von der Klägerin am 12. Februar 2016 unter Vorbehalt angefertigten Klausur hätte Bestand, wäre diese Prüfungsmöglichkeit bereits erschöpft.

56

3. Die einschlägigen Satzungen – PO 2010 und FSB 2010 – bieten eine wirksame Rechtsgrundlage für die Abnahme der Prüfungsleistung „Statistik I“ als Pflichtmodul im Nebenfachstudium der Betriebswirtschaftslehre. Sie genügen den höherrangigen Vorgaben, soweit Anlass zur Überprüfung bestand. Eine gesetzlich nicht vorgesehene Kumulation von Modulfristen mit einer Beschränkung der Anzahl der Wiederholungsversuche findet sich in den einschlägigen Satzungen nicht (hierzu unter a.). Der verpflichtende Charakter der Prüfungsleistung „Statistik I“ auch im Nebenfachstudium der Betriebswirtschaftslehre ist mit den Grundrechten vereinbar (hierzu unter b.). Die Dauer der Prüfungsleistung ist in einer dem gesetzlichen Regelungsauftrag des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG 2001 genügenden Weise normativ bestimmt (hierzu unter c.).

57

a. Die PO 2010 und die FSB 2010 begegnen nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil nach dem zum Zeitpunkt des Satzungserlasses gültigen Gesetz (§ 65 des Hamburgischen Hochschulgesetzes in der vom 19.7.2001, HmbGVBl. S. 171, bis 30.6.2014, sodann geändert durch das Gesetz zur Weiterentwicklung des Hochschulrechts v. 8.7.2014, HmbGVBl. S. 269) die Bestimmung von Modulfristen und die Beschränkung der Anzahl der Wiederholungsversuche nicht kumulativ Anwendung finden dürfen (dazu VG Hamburg, Urt. v. 5.11.2015, 2 K 950/14, juris Rn. 57). Zwar enthält § 10 Abs. 2 Satz 3 PO 2010 eine Ermächtigung, in den Fachspezifischen Bestimmungen die Anzahl der Prüfungsversuche auf drei zu beschränken. Davon ist jedoch in den auf das Nebenfachstudium der Klägerin zeitlich anwendbaren FSB 2010 kein Gebrauch (mehr) gemacht worden, so dass allein eine Modulfristregelung ohne Kumulation mit einer Beschränkung der Anzahl der Prüfungsversuche Geltung beansprucht.

58

b. Das Erfordernis des Abs. 3 Satz 4 FSB 2010 zu § 4 Abs. 3 und 4 PO 2010, dass zum Bestehen der Bachelorprüfung im Nebenfachstudium der Betriebswirtschaftslehre, die Prüfungsleistung „Statistik I“ als Pflichtmodul bestanden werden muss, ist mit den Grundrechten vereinbar. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 29.5.2013, 6 C 18/12, DVBl. 2013, 1122, juris Rn. 27), der sich die Kammer anschließt, genügt eine Regelung, nach der das Nichtbestehen einer Teilprüfung zum Nichtbestehen der Gesamtprüfung führen soll, den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG, wenn die Teilprüfung schon für sich genommen eine zuverlässige Grundlage für die Beurteilung der Eignung des Prüflings bietet; ob dies der Fall ist, obliegt dabei regelmäßig in weitem Umfang der eigenen Einschätzung des Normgebers, die gerichtlich nur beanstandet werden darf, wenn sie offenkundig sachlich unvertretbar ist. Diese dem Normgeber eingeräumte Einschätzungsprärogative ist vorliegend nicht überschritten. Nach der in den FSB 2010 enthaltenen Modulübersicht für die erste Studienphase dient das im Hauptfach einheitliche Modul „Statistik I + II“ und damit insbesondere die der Prüfungsleistung „Statistik I“ zugeordnete Lehrveranstaltung dem „Erlernen und Anwenden von elementaren Methoden, die für die Wirtschaftsstatistik sowie für die deskriptive und die schließende Statistik im Rahmen des wirtschaftswissenschaftlichen Studiums von Bedeutung sind“. Es ist nachvollziehbar, dass der Satzungsgeber wirtschaftswissenschaftliches Methodenwissen auch im Nebenfachstudium für unentbehrlich gehalten hat.

59

c. Die Dauer der Prüfungsleistung ist in einer dem gesetzlichen Regelungsauftrag des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG 2001 noch genügenden Weise normativ bestimmt. Nach dieser Gesetzesvorschrift sind in Hochschulprüfungsordnungen, die – wie hier – Prüfungen in modularisierten Studiengängen, Zwischen- und Abschlussprüfungen oder Abschlussprüfungen betreffen, insbesondere Bestimmungen aufzunehmen über Zahl, Art, Dauer und Bewertung von Prüfungsleistungen. Bezogen auf das Nebenfach ist das Modul „Statistik I“ nach den FSB 2010 mit einer Prüfungsleistung in der Prüfungsart der Klausur abzuschließen (s.o. 2. a.). Für die Dauer dieser Prüfungsleistung ist in § 13 Abs. 4 Buchst. a PO 2010 ein Rahmen von 45 Minuten bis 180 Minuten satzungsmäßig bestimmt. Innerhalb dieses Rahmens bleibt die minutengenaue Festlegung der Prüfungsdauer gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 PO 2010 den Prüfern überlassen. Nach dem Maßstab des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG 2001 (hierzu unter aa.) genügt die normative Bestimmung der Dauer der Prüfungsleistung durch Angabe eines durch eine Höchst- und eine Mindestdauer bezogenen Rahmens dem gesetzlichen Regelungsauftrag (hierzu unter bb.).

60

aa. Der Maßstab des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG 2001 ergibt sich aus Folgendem:

61

Zur Auslegung der gesetzlichen Vorgaben des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG knüpft die Kammer zunächst an ihre nachfolgend wiedergegebene Rechtsprechung (VG Hamburg, Urt. v. 5.11.2015, 2 K 950/14, juris Rn. 42, Hervorhebung nur hier) an:

62

„§ 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG erfordert es, dass diese Bestimmungen konkret in der Prüfungsordnung selbst geregelt werden (vgl. Delfs, in Neukirchen, Reußow/Schomburg, Hamburgisches Hochschulgesetz, 2011, § 60 Rn. 4). […] Dabei betreffen die Bestimmungen gemäß § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG die Prüfungsanforderungen und damit 'zentrale Elemente der Hochschulprüfungsordnung' (Delfs, a.a.O, § 60 Rn. 8). Hieraus folgt, dass ein strenger Maßstab anzulegen ist: Zahl, Art, Dauer und Bewertung von Prüfungsleistungen sind – hinreichend konkret – in der Prüfungsordnung selbst zu regeln, eine Regelung in einem anderen Dokument – auch in einer Studienordnung – ist nicht zulässig.“

63

Die Kammer ergänzt ihre Ausführungen dahingehend, dass die Dauer der Prüfungsleistung dann noch „hinreichend konkret“ angegeben ist, wenn die Prüfungsordnung für die Anfertigung der Prüfungsleistung einen Zeitrahmen vorgibt, sofern der Zeitrahmen nicht zu weit ist, um eine normative Eingrenzung vorzunehmen. Soweit der Satzungsgeber den Prüfern innerhalb des von ihm durch § 13 Abs. 4 Buchst. a PO 2010 bestimmten Rahmens die minutengenaue Festlegung der Prüfungsdauer nach § 13 Abs. 2 Satz 1 PO 2010 überlassen hat, liegt darin keine – unzulässige – Delegation einer Normsetzungskompetenz. Vielmehr beruht der den Prüfern im Einzelfall verbleibende Spielraum auf der – im Einklang mit der gesetzlichen Vorgabe – beschränkten Konkretisierungsdichte der Satzungsbestimmung über die Dauer der Prüfungsleistung. Ein normatives Defizit der Prüfungsordnung ist insoweit nicht festzustellen. Denn der gesetzgeberische Regelungsauftrag an den Satzungsgeber geht nicht so weit, dass die Dauer der Prüfungsleistung in der Prüfungsordnung notwendigerweise minutengenau festgelegt werden müsste. Diese Auslegung des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG stützt sich auf den Wortlaut des Gesetzes, die gesetzliche Systematik sowie auf den Gesetzeszweck, der aus der Gesetzgebungsgeschichte im Lichte der verfassungsrechtlichen Anforderungen abzuleiten ist. Im Einzelnen:

64

Aus dem Gesetzwortlaut folgt das Erfordernis, in der Prüfungsordnung eine zeitliche Vorgabe zu machen. Dem ist aber bereits dann Genüge getan, wenn ein hinreichend enger Zeitrahmen bestimmt ist, der durch die Prüfer auszuschöpfen ist. Der Wortlaut „Bestimmungen über Dauer von Prüfungsleistungen“ erfordert hingegen nicht notwendig eine minutengenaue Vorgabe der Prüfungszeit.

65

Die dem Wortlaut des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG 2001 innewohnende Offenheit bestätigt sich in gesetzessystematischer Hinsicht durch einen Vergleich mit dem Wortlaut des § 60 Nr. 2, 3, 5, 6, 7, 9, 10, 12, 13, 14, 16 HmbHG 2001. In diesen Katalognummern ist jeweils vom bestimmten Artikel Gebrauch gemacht. So sind danach etwa Bestimmungen über „die Voraussetzungen für die Zulassung zur Prüfung“ in die Prüfungsordnung aufzunehmen. Demgegenüber werden durch § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG 2001 lediglich – artikellos – „Bestimmungen […] über Dauer […] von Prüfungsleistungen“ gefordert.

66

Der vom Gesetzgeber mit der Katalognummer des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG 2001 verfolgte Gesetzeszweck ist derselbe, wie der mit der insoweit wortlautgleichen Katalognummer in der Vorgängervorschrift § 54 Abs. 1 UAbs. 2 Nr. 4 HmbHG 1978 (v. 22.5.1978, HmbGVBl. S. 109, vgl. § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HmbHG 1991 i.d.F. v. 2.7.1991, HmbGVBl. S. 249) verfolgte. Die Begründung zur Neufassung des Hamburgischen Hochschulgesetzes (Bü.-Drs. 16/5759 S. 47) bietet keinen entgegenstehenden Anhaltspunkt. Dort heißt es zu § 60 HmbHG 2001:

67

„Die Bestimmung (bisher § 54) ist aktualisiert worden.

68

Beim notwendigen Inhalt von Hochschulprüfungsordnungen nach Absatz 2 sind zusätzlich berücksichtigt worden […]“

69

Nach der damaligen gesetzlichen Systematik ist nicht anzunehmen, dass der Wille des Gesetzgebers des HmbHG 1978 dahin ging, dem Satzungsgeber eine abschließende minutengenaue Festlegung der Prüfungsdauer aufzuerlegen. In § 54 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 1 HmbHG 1978 war die § 60 Abs. 1 HmbHG 2001 entsprechende Bestimmung enthalten, dass Prüfungsordnungen Prüfungsanforderungen und -verfahren regeln. In § 54 Abs. 1 UAbs. 1 Sätze 2 und 3 HmbHG 1978 war bestimmt, dass die Prüfungsordnungen die Beendigung der Abschlussprüfung grundsätzlich innerhalb der Regelstudienzeit oder zuzüglich eines Zeitraums von höchstens sechs Monaten vorsehen und Prüfungsanforderungen und -verfahren entsprechend zu gestalten sind. Der Katalog der Gegenstände, über die insbesondere Bestimmungen in die Prüfungsordnung aufzunehmen sind, war in § 54 Abs. 1 UAbs. 2 HmbHG 1978 zu finden. Die Bestimmungen des § 54 Abs. 1 HmbHG beruhten auf § 53 Abs. 1 des Gesetzesentwurfs, zu dessen Begründung es im Gesetzgebungsverfahren lediglich hieß (Bü.-Drs. 8/2649, S. 57 f.):

70

„Die Forderung des Absatzes 1, daß in den Prüfungsordnungen die materiellen Anforderungen ebenso abschließend zu regeln sind wie das Prüfungsverfahren, entspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen. Der Bewerber muss übersehen können, wie er sich vor und während der Prüfung einzurichten hat. Ferner müssen Prüfungsanforderungen und -verfahren so geregelt werden, daß die Abschlußprüfung auch innerhalb der Regelstudienzeit oder – wenn die betreffende Prüfungsordnung dies vorsieht, weil es den Gegebenheiten des Studiengangs besser gerecht wird – innerhalb eines zusätzlichen Zeitraums von höchstens sechs Monaten abgelegt werden kann.“

71

Für die Auslegung der in § 54 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 1 HmbHG 1978 (nunmehr § 60 Abs. 1 HmbHG 2001) Gesetz gewordenen und im Wortlaut sehr abstrakt bleibenden Forderung an den Satzungsgeber, die Prüfungsanforderungen und das -verfahren zu regeln, geht aus der zitierten Entwurfsbegründung hervor, dass mit Prüfungsanforderungen die materiellen Anforderungen gemeint sind und diese ebenso „abschließend“ zu regeln sind wie das Prüfungsverfahren. Dies scheint zunächst auf eine vom Gesetzgeber geforderte Totalregelung hinsichtlich aller nur denkbaren formellen und materiellen Aspekte der Hochschulprüfung hinzudeuten. Jedoch geht aus der Entwurfsbegründung der Wille des Gesetzgebers hervor, mit der an den Satzungsgeber gestellten Forderung nicht mehr zu tun als rechtsstaatlichen Grundsätzen zu genügen. Auch hat der Gesetzgeber die Pauschalforderung des § 54 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 1 HmbHG 1978 (nunmehr § 60 Abs. 1 HmbHG 2001) selbst nicht für erschöpfend und abschließend erachtet, sondern ihr in § 54 Abs. 1 UAbs. 2 HmbHG 1978 (nunmehr § 60 Abs. 2 HmbHG 2001) einen Katalog der Aspekte zur Seite gestellt, über die „insbesondere“ Bestimmungen in die Prüfungsordnung aufzunehmen sind. Für die geforderte Konkretisierungsdichte innerhalb des Katalogs ergibt sich daraus kein zwingender Schluss.

72

Den Gesetzgebungsmaterialien der Vorgängervorschrift kann allenfalls entnommen werden, dass der Gesetzgeber den Satzungsgeber anhalten wollte, rechtstaatlichen Grund-sätzen zu genügen. Diesem rechtsstaatlichen Gebot entspricht ausweislich der zitierten Entwurfsbegründung bereits die allgemeine Regelung in § 60 Abs. 1 HmbHG (Baasch/Delfs, HmbHG, 2. Aufl. 2016, § 60 Rn. 3). Aus der besonderen Regelung in § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG geht vor diesem Hintergrund nur hervor, dass der Gesetzgeber dem Satzungsgeber über die rechtsstaatlichen Anforderungen hinausgehend aufgegeben hat, die Abnahme der Prüfungsleistung in zeitlicher Hinsicht nicht ohne jede normative Eingrenzung zu lassen, vorzugsweise also eine Mindestdauer und eine Höchstdauer festzulegen. Rechtsstaatliche Anforderungen erzwingen jedoch keine minutengenaue Festlegung der Prüfungsdauer der Klausur. Die aus Demokratieprinzip, Rechtstaatsprinzip und den Grundrechten hergeleitete Wesentlichkeitstheorie, nach der alle Fragen, die für die Ausübung der Grundrechte wesentlich sind, vom Gesetzgeber als Legislative selbst zu entscheiden sind (vgl. BVerfG, Urt. v. 18.7.1972, 1 BvL 32/70 u.a., BVerfGE 33, 303, juris Rn. 86 f.; Beschl. v. 21.12.1977, 1 BvL 1/75 u.a., BVerfGE 47, 46, juris Rn. 89 ff.), gibt nicht unmittelbar dafür etwas her, welche Gegenstände der Satzungsgeber als Teil der Exekutive regeln muss. Vielmehr ist anerkannt, dass den Hochschulen im Rahmen der sich vor allem aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Grundsätze der Chancengleichheit und des prüfungsrechtlichen Fairnessgebots immer noch ein erheblicher Gestaltungsspielraum für konkrete Festlegungen vor allem zum Prüfungsverfahren, Prüfungsstoff und zu den Voraussetzungen für das Bestehen verbleibt (Baasch/Delfs, a.a.O., Rn. 2). Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten wird einerseits durch die Grundrechtspositionen der Studierenden gemäß Art. 12 Abs. 1 GG, andererseits durch die in Art. 5 Abs. 3 GG enthaltene objektive, das Verhältnis von Wissenschaft, Forschung und Lehre zum Staat regelnde, wertentscheidende Grundsatznorm begrenzt (BVerfG, Beschl. v. 26.6.2015, 1 BvR 2218/13, NVwZ 2015, 1444, juris Rn. 18). Zu den rechtsstaatlichen Anforderungen gehört es zwar, zeitliche Vorgaben für die einzelnen Prüfungsleistungen vorzusehen (Lenz, in Epping, Hrsg., Niedersächsisches Hochschulgesetz, 1. Aufl. 2016, § 7 Rn. 63). Doch ist insoweit damit nicht das Gebot einer normativen Totalregelung ohne jeden Spielraum verbunden. Insoweit ist nicht der Zugang zu Studium und Prüfung selbst betroffen (dazu vgl. OVG Münster, Beschl. v. 15.6.2015, 13 B 505/15, juris Rn. 5), sondern die Ausgestaltung der Prüfung.

73

Belässt der Normgeber einer Hochschulprüfungsordnung den Prüfern für die Abnahme einer Prüfung einen Spielraum, indem er hinsichtlich der Dauer der Prüfungsleistung statt einer fixen Vorgabe einen gewissen Zeitrahmen bestimmt, so lassen sich dafür sachliche Gründe finden. Dies gilt selbst ausgehend davon, dass die Lehrfreiheit der Hochschullehrer aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG grundsätzlich nicht durch normative Festlegungen zum Umfang der Prüfungsleistung berührt sind (Lenz, a.a.O., Rn. 61), sondern allenfalls dann, wenn davon Rückwirkungen auf die inhaltliche und methodische Gestaltung der Lehrveranstaltung ausgehen (BVerwG, Beschl. v. 22.8.2005, 6 BN 1/05, NVwZ-RR 2006, 36, juris Rn. 4). Die der Hochschule eröffneten gesetzlichen Spielräume dürfen nicht in einer vom Gesetzgeber nicht intendierten und mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unvereinbaren Weise verengt werden (BVerfG, Beschl. v. 26.6.2015, a.a.O., Rn. 23). Dies spricht für eine Auslegung des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG, der Hochschule als Satzungsgeber die Entscheidung darüber vorzubehalten, ob die Satzung selbst oder – in einem von der Satzung gezogenen Rahmen – die Prüfer die Prüfungsdauer minutengenau festlegen. Es erscheint auch nicht sachwidrig, wenn die Hochschule die Konkretisierungsdichte der Satzungsbestimmung über die Dauer der Prüfungsleistung beschränkt, um dadurch den Prüfern einen Spielraum zu belassen, wie weit sie den zum Gegenstand der konkreten Klausur gemachte Ausschnitt des sich aus der Modulbeschreibung ergebenden Prüfungsstoffs ziehen und wie lange zu diesem Zweck die Klausur dauern soll.

74

Das Gebot der Chancengleichgleichheit in berufsbezogenen Prüfungen aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG, welches das Prüfungsrecht beherrscht (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, juris Rn. 53), erfordert nichts anderes. Dem Gebot vergleichbarer Prüfungsbedingungen kann auch ohne eine bereits in der Satzung fixe Festlegung der Prüfungsdauer Genüge getan werden. Innerhalb eines Prüfungstermins folgt aus dem Gebot der Chancengleichheit, dass die Prüfungsbedingungen einschließlich der Prüfungsdauer, so gut es geht, gleich sein müssen. Außerhalb desselben Prüfungstermins genügt es, dass die Prüfer die Prüfungszeit im Rahmen sachgerechter Gesichtspunkte unter Beachtung der Chancengleichheit der Prüflinge festsetzen (OVG Münster, Beschl. v. 15.7.2011, 14 B 699/11, juris Rn. 10). Insoweit kann in Ermangelung einer normativen Vorgabe die ständige Übung als Maßstab zugrunde gelegt worden, von dem etwaige Abweichungen zu rechtfertigen sind (OVG Münster, Urt. v. 4.12.2013, 14 A 2138/12, juris Rn. 27). Auch muss sich der Prüfling bereits vor Anfertigung der Prüfungsleistung auf die angesetzte Prüfungsdauer einstellen können. Der Prüfling ist dadurch weder rechtlos noch rechtsschutzlos gestellt. Auf rechtzeitige und substantiierte Rüge hin kann er überprüfen lassen, ob die benannten rechtsstaatlichen Anforderungen im Einzelfall erfüllt sind.

75

Dem entspricht es, dass in der Rechtsprechung auch der Obergerichte kein Verstoß gegen die jeweils einschlägigen höherrangigen Anforderungen, einschließlich der genannten verfassungsrechtlichen Anforderungen gesehen wird, wenn es in den Prüfungsbestimmungen an einer fixen normativen Vorgabe für die Dauer einer berufsbezogenen Prüfung fehlt. Unbeanstandet geblieben sind Prüfungsbestimmungen, welche hinsichtlich der Dauer einer Prüfungsleistung lediglich eine ungefähre Dauer festlegen (OVG Münster, Urt. v. 17.7.1991, 22 A 1533/89, juris Rn. 5), nur eine Höchstdauer bestimmen (VG Düsseldorf, Urt. v. 2.5.2007, 15 K 676/06, juris Rn. 56; vgl. OVG Münster, Beschl. v. 24.5.2006, 14 B 610/06, juris Rn. 7; VG Hamburg, Urt. v. 14.9.2016, 2 K 295/16) oder nur eine Mindestdauer bestimmen (VG München, Urt. v. 10.7.2012, M 16 K 12.377, juris Rn. 9). Ein in den Prüfungsbestimmungen vorgegebener Zeitrahmen ist gleichfalls in der Rechtsprechung unbeanstandet geblieben (FG Hannover, Urt. v. 24.4.2008, 6 K 26/08, EFG 2008, 1156, juris Rn. 21; VG Berlin, Urt. v. 25.2.2015, 12 K 324.14, juris Rn. 19).

76

Der § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG zu entnehmende gesetzgeberische Regelungsauftrag, Bestimmungen über die Dauer von Prüfungsleistungen aufzunehmen, läuft in dieser Auslegung auch nicht leer. Die Gesetzesvorschrift gibt dem Satzungsgeber auf, die Prüfungszeit sowohl durch Angabe einer Höchstdauer „nach oben“ als auch durch Angabe einer Mindestdauer „nach unten“ zu begrenzen. Dies wäre ohne § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG nicht selbstverständlich. Denn es begegnen, wie die zitierte Rechtsprechung belegt, vielfach Prüfungsbestimmungen, die keine Vorgabe über die Prüfungszeit enthalten oder die Prüfungszeit nur „nach oben“ oder nur „nach unten“ begrenzen und im Übrigen offen lassen. Allerdings darf der in der Prüfungsordnung angegebene Zeitrahmen nicht so weit gefasst sein, dass der Prüfungsordnung hinsichtlich der Dauer der Prüfungsleistung jede praktische Steuerungswirkung abzusprechen wäre. Denn der Gesetzgeber hat mit der spezifischen Vorgabe in § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG ersichtlich darauf abgezielt, dass der Prüfungsordnungsgeber selbst eine Eingrenzung der Prüfungsdauer vornimmt. Ob die gebotene normative Eingrenzung der Prüfungszeit gegeben ist, bemisst sich dabei anhand des vorfindlichen Spektrums, in dem sich die Dauer von berufsbezogenen Prüfungen üblicherweise bewegt.

77

bb. Nach dem vorstehenden Maßstab ist der in § 13 Abs. 4 Buchst. a PO 2010 gezogene Rahmen, dass die Klausur mindestens 45 und höchstens 180 Minuten dauert, – noch – hinreichend eng, um dem Regelungsauftrag des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG gerecht zu werden.

78

Die eröffnete Spannweite ist zwar in relativer Hinsicht beachtlich – die Maximaldauer ist viermal so lang wie die Minimaldauer einer Klausur. In einer Klausur von geringerer Dauer kann der Prüfer nur einen kleineren Ausschnitt des der Lehrveranstaltung entsprechenden Prüfungsstoffs abprüfen als dies bei einer längeren für die Anfertigung der Klausur zur Verfügung stehenden Zeit der Fall wäre. Doch ändert sich in absoluter Hinsicht für den Prüfling das Wesen der Prüfung nicht. Eine Klausur von knapp einer Stunde einerseits oder eine Klausur von drei Stunden andererseits stellt für einen Prüfling eine gewisse, aber doch begrenzte Belastung dar. Der Prüfling muss auf den der Lehrveranstaltung entsprechenden Prüfungsstoff vorbereitet sein, unabhängig davon, ob er nun in einem größeren oder einem kleineren Ausschnitt zum Gegenstand der Klausur gemacht wird.

79

Ein Fall mangelnder normativer Eingrenzung ist nicht festzustellen. Vielmehr ist in § 13 Abs. 4 Buchst. a PO 2010 durch die dort festgelegte Mindestdauer der Klausur von 45 Minuten eine untere Grenze und durch die dort festgelegte Höchstdauer von 180 Minuten eine obere Grenze gezogen, die aus dem vorfindlichen Spektrum, in dem sich die Dauer von berufsbezogenen Prüfungen üblicherweise bewegt, einen gewissen Ausschnitt im unteren bis mittleren Bereich herausgreift und damit die Dauer der Prüfungsleistung normativ bestimmt. Das vorfindliche Spektrum der üblichen Dauer schriftlicher Prüfungen reicht weit über das Doppelte der in § 13 Abs. 4 Buchst. a PO festgesetzten Höchstdauer der Klausur von drei Stunden hinaus. So dauert beispielsweise eine Aufsichtsarbeit in der Bilanzbuchhalterprüfung vier Stunden (gemäß § 5 Abs. 3 der Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Fortbildungsabschluss Geprüfter Bilanzbuchhalter und Geprüfte Bilanzbuchhalterin v. 26.10.2015; BGBl. I S. 1819 – BibuchhFPrV 2015), eine Aufsichtsarbeit in der zweiten Staatsprüfung für Juristen fünf Stunden (gemäß § 8 Abs. 1 der Übereinkunft der Länder Freie Hansestadt Bremen, Freie und Hansestadt Hamburg und Schleswig-Holstein über ein Gemeinsames Prüfungsamt und die Prüfungsordnung für die zweite Staatsprüfung für Juristen, ratifiziert durch Gesetz v. 26.6.1972, HmbGVBl. S. 119; m. spät. Änd. – LÜ), eine Aufsichtsarbeit in der Steuerberaterprüfung vier bis sechs Stunden (gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften v. 12.11.1979, BGBl. I S. 1922, m. spät. Änd. – DVStB) und eine Aufsichtsarbeit in der Lebensmittelchemikerprüfung acht Stunden (gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für staatlich geprüfte Lebensmittelchemikerinnen und Lebensmittelchemiker v. 3.11.2015, HmbGVBl. S. 294 – APO-LMChem). In § 13 Abs. 4 Buchst. a PO 2010 ist auch eine untere Grenze der Prüfungsdauer gezogen und auf 45 Minuten festgesetzt. Die praktische Wirksamkeit dieser normativen Festsetzung zeigt sich darin, dass ohne die angegebene Mindestdauer auch ein Kurztest von geringerer Dauer als Prüfungsleistung nicht ausgeschlossen wäre.

80

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit unter Abwendungsbefugnis beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

(1) Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist wird auch durch Einlegung bei der Behörde, die den Widerspruchsbescheid zu erlassen hat, gewahrt.

(2) §§ 58 und 60 Abs. 1 bis 4 gelten entsprechend.

(1) Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist.

(2) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.

Tatbestand

1

Das Revisionsverfahren betrifft die Frage, ob Bestimmungen der Studien- und Prüfungsordnung der Beklagten für den Studiengang Rechtswissenschaft vom 12. August 2003 (Juristen-Studien- und Prüfungsordnung - JuSPO) in der auf den Fall des Klägers anzuwendenden Fassung der 3. Änderungssatzung vom 5. Dezember 2007 über die Ausgestaltung der universitären Schwerpunktbereichsprüfung im Sinne von § 5 Abs. 1 Halbs. 2 DRiG - im Folgenden "Universitätsprüfung" - mit bundesrechtlichen Maßgaben im Einklang stehen. Der Kläger bestreitet dies insbesondere im Hinblick auf die Regelung in §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO, wonach die Universitätsprüfung nur besteht, wer sämtliche ihrer drei Teilprüfungen - Studienarbeit, Aufsichtsarbeit, mündliche Prüfung (vgl. § 10 Abs. 2 JuSPO) - bestanden hat.

2

Der Kläger studierte seit 2007 bei der Beklagten im Studiengang Rechtswissenschaft. Im Wintersemester 2008/2009 nahm er an der Universitätsprüfung im Schwerpunktbereich "Wirtschaftsrecht" teil. Seine Studienarbeit wurde mit fünf Punkten bewertet, seine Aufsichtsarbeit zunächst mit zwei Punkten und sodann in der Wiederholungsprüfung mit einem Punkt.

3

Anschließend exmatrikulierte sich der Kläger und schrieb sich an einer anderen Universität ein.

4

Das vom Kläger angerufene Verwaltungsgericht hat antragsgemäß festgestellt, der Kläger sei zur Fortsetzung der Universitätsprüfung bei der Beklagten berechtigt. Die Bestehensregelung in §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO sei wegen Verstoßes gegen höherrangiges Landesrecht unwirksam. Aufgrund von § 32 Abs. 1 der Verordnung des Justizministeriums über die Ausbildung und Prüfung der Juristen (Juristenausbildungs- und Prüfungsordnung - JAPrO BW) dürfe es ausschließlich darauf ankommen, dass die Gesamtnote mindestens im Bereich der Notenstufe "ausreichend" liege. Dem universitären Normgeber sei es danach verwehrt, die weitergehende Bestehensanforderung aufzustellen, dass sämtliche Teilprüfungen bestanden sein müssten. Die Exmatrikulation des Klägers habe nicht zum Erlöschen seines Prüfungsanspruchs geführt.

5

Der Kläger legte in der Folgezeit bei der Beklagten die mündliche Prüfung ab und erzielte hierbei eine Benotung mit fünf Punkten.

6

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit dem angefochtenen Urteil der Berufung der Beklagten stattgegeben. § 32 Abs. 1 JAPrO BW belasse den Universitäten die Befugnis, das Bestehen der Universitätsprüfung von der weiteren Voraussetzung abhängig zu machen, dass sämtliche ihrer Teilprüfungen bestanden sein müssen. Diese Maßgabe verstoße nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Zumindest im Fall des von der Beklagten eingerichteten Schwerpunktbereichs Wirtschaftsrecht rechtfertige das Versagen in einer der Teilprüfungen bereits den Schluss, der Prüfling sei nicht hinreichend qualifiziert, um das Gesamtziel des Studiums und den damit verbundenen berufsqualifizierenden Abschluss zu erreichen. Sämtliche Teilprüfungen würden große Teile des Stoffes abdecken. Jede der hierbei abgeprüften Fähigkeiten könne als für das Berufsbild des umfassend ausgebildeten Juristen auf der Stufe der Ersten Prüfung wesentlich angesehen werden. Der Kläger habe, nachdem er die im ersten Anlauf nichtbestandene Aufsichtsarbeit auch im zweiten Anlauf nicht bestanden habe, die Universitätsprüfung endgültig nicht bestanden, so dass sein Prüfungsanspruch erloschen sei. Für eine Wiederholung der Gesamtprüfung lasse die JuSPO keinen Raum.

7

Der Kläger verfolgt mit der Revision sein Feststellungsbegehren weiter. §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO verstoßen nach seiner Auffassung gegen § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG, gegen Art. 3 Abs. 1 GG sowie gegen Art. 12 Abs. 1 GG.

8

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und hält §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO für bundesrechtskonform, insbesondere auch im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG: Sämtliche Teilprüfungen würden Kenntnisse und Fähigkeiten abfordern, die im Lichte des Studienziels des Schwerpunktstudiums als unabdingbar anzusehen seien und daher als für die Beurteilung der Qualifikation der Kandidaten ausschlaggebend behandelt werden dürften.

9

Der Beigeladene hat sich in der mündlichen Verhandlung der Auffassung der Beklagten im Wesentlichen angeschlossen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) und erweist sich nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die durch die Vorinstanz getroffenen Tatsachenfeststellungen bieten für den Senat eine ausreichende Grundlage, um in der Sache selbst zu entscheiden (§ 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO). Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils des Verwaltungsgerichts.

11

1. Die entscheidungstragende Annahme im angefochtenen Urteil, der Prüfungsanspruch des Klägers sei bereits infolge seines Scheiterns in der Aufsichtsarbeit erloschen, verletzt Bundesrecht. Denn die Bestehensregelung aus §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO, auf die der Verwaltungsgerichtshof diese Annahme gestützt hat, verstößt - legt man die durch §§ 5 f. DRiG mitgeprägte Zweckrichtung der Universitätsprüfung zugrunde - gegen Art. 12 Abs. 1 GG (unten c.). Hingegen verstößt sie weder gegen § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG (unten a.) noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG (unten b.).

12

a. § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG, der gebietet, die Einheitlichkeit der Prüfungsanforderungen und der Leistungsbewertung zu gewährleisten, steht §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO nicht entgegen.

13

Es erscheint bereits zweifelhaft, ob der Kläger sich auf diese Bestimmung berufen kann. Ausweislich ihrer Entstehungsgeschichte zielt sie aus im Wesentlichen prüfungs- bzw. berufspolitischen Gründen darauf ab, die inhaltliche Gleichwertigkeit der Abschlüsse im Bundesgebiet zu sichern (Urteil vom 21. März 2012 - BVerwG 6 C 19.11 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 412 Rn. 29 m.w.N.). Dies lässt die Deutung zu, der Bundesgesetzgeber habe mit ihr rein objektiv-rechtliche Bindungen der Normgeber in den Ländern schaffen wollen, zumal zur Wahrung der subjektiven Belange der Prüfungsteilnehmer in Gestalt der insbesondere aus Art. 12 Abs. 1 GG sowie aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden allgemeinen Grundsätze des Prüfungsrechts bereits ein ebenso umfangreiches wie inhaltlich ausdifferenziertes Bündel an Vorgaben existiert, in dessen Licht für den Bundesgesetzgeber Bedarf am Erlass zusätzlicher einfachgesetzlicher Schutznormen kaum ersichtlich sein konnte. Reglementierungsbedarf dürfte der Bundesgesetzgeber ohnehin weniger im Hinblick auf vereinzelte Überhöhungen prüfungsrechtlicher Anforderungen gesehen haben, denen Betroffene regelmäßig schon durch Verlegung des Ausbildungs- und Prüfungsorts ausweichen können, als vielmehr im Hinblick auf die Gefahr regionaler Niveauabflachungen, welche die Wertigkeit andernorts erworbener Abschlüsse auszuhöhlen drohen und nicht hinreichend qualifizierten Personen den Zugang zum Richteramt (vgl. § 5 Abs. 1 Halbs. 1 DRiG) ebnen könnten. Dieser Gefahr kann bezeichnenderweise mit Mitteln subjektiven Rechtsschutzes nicht begegnet werden.

14

Zweifelhaft ist des Weiteren, ob eine prüfungsrechtliche Bestehensregelung der hier in Rede stehenden Art als "Prüfungsanforderung" im Sinne von § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG anzusehen ist. Der Wortsinn dieses Begriffs wie auch die prüfungs- bzw. berufspolitische Zweckrichtung der Vorschrift legen nahe, hierunter nur solche Vorgaben zu fassen, die den Prüfungsinhalt betreffen, d.h. Gegen-stand und Umfang der abgeforderten Prüfungsleistungen festlegen und so unmittelbar die inhaltliche Aussagekraft des Abschlusses prägen.

15

Beide Fragen können jedoch auf sich beruhen, da ein Verstoß gegen § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG jedenfalls aus anderen Gründen ausscheidet. § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG gebietet nach der Rechtsprechung des Senats keine strikte Uniformität. Die Vorschrift steht begrenzten Abweichungen zwischen verschiedenen Prüfungsordnungen nicht entgegen (Urteil vom 21. März 2012 a.a.O. Rn. 30; Beschluss vom 9. Juni 1995 - BVerwG 6 B 100.94 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 350 S. 80). Im Lichte der mit Einführung der Universitätsprüfung verfolgten Absichten gewinnt dies erhöhte Bedeutung. Dem Gesetzgeber stand hier vor Augen, die Variationsbreite im juristischen Ausbildungs- und Prüfungswesen zu erhöhen und den Fakultäten Spielräume zu eröffnen, um unter ihnen den "Qualitätswettbewerb" zu stärken (vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 17. Oktober 2001, BTDrucks 14/7176 S. 1, 9; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks 14/8629 S. 2, 11 f.). § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG bedarf daher gerade in Bezug auf Universitätsprüfungen einer zurückhaltenden Auslegung, zumal der Gesetzgeber eigens für diese eine Reihe prüfungsrechtlicher Vorgaben (§§ 5d Abs. 2 Satz 2 DRiG, § 5d Abs. 2 Satz 4 DRiG, § 5d Abs. 1 Satz 3 DRiG) geschaffen hat, welche die Spielräume der zuständigen Normgeber bereits zielgerichtet begrenzen. Die Vorschrift könnte daher, wäre sie überhaupt anzuwenden, allenfalls solchen universitären Bestehensregelungen entgegenstehen, die sich in gravierender Weise vom bundesüblichen Standard abheben, so dass sich in ihnen ein regelrechter Systembruch manifestiert. Diese Voraussetzung wird durch §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO nicht erfüllt. Im juristischen Prüfungswesen - auch auf universitärer Ebene - sind Bestimmungen, die für das Bestehen einer Prüfung nicht nur einen ausreichenden Gesamtdurchschnitt der erzielten Einzelnoten fordern, sondern darüber hinausgehende, auf das Bestehen einzelner Teilprüfungen bezogene Anforderungen aufstellen, vielfach verbreitet. Mögen §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO insoweit auch eine besonders weitreichende Gestaltung vornehmen, so manifestiert sich in ihnen zwar eine Abweichung vom bundesüblichen Standard, jedoch kein Systembruch.

16

b. §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO verstoßen entgegen der Auffassung des Klägers nicht deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil sie von den an anderen Universitäten in Baden-Württemberg für rechtswissenschaftliche Studiengänge geltenden Bestehensregelungen abweichen. Der Kläger verkennt, dass die Ausgestaltung der Prüfung durch andere Universitäten keinen im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 GG relevanten Vergleichsmaßstab abgibt. Der in Art. 3 Abs. 1 GG wurzelnde Gleichheitsanspruch richtet sich nur gegen den nach der Kompetenzverteilung zuständigen Träger öffentlicher Gewalt. Regeln verschiedene Hoheitsträger vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich, so liegt hierin keine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung der jeweiligen Normadressaten im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 7. November 2002 - 2 BvR 1053/98 - BVerfGE 106, 225 <241>, vom 7. November 1995 - 2 BvR 413/88, 1300/93 - BVerfGE 93, 319 <351> und vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 - BVerfGE 79, 127 <158>; Kischel, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK GG, Stand 01.01.2013, Art. 3 Rn. 95 f.).

17

c. §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO verstoßen jedoch gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Sie sind nicht hinreichend geeignet, den Zweck der Universitätsprüfung zu verwirklichen, und erweisen sich insofern als unverhältnismäßig. Der Zweck der Universitätsprüfung wird maßgeblich mit durch die in §§ 5 ff. DRiG vorgenommene Verklammerung von Universitätsprüfung und staatlicher Pflichtfachprüfung zur ersten juristischen Prüfung bestimmt. Danach dient auch die Universitätsprüfung der Feststellung, ob der Prüfling für den juristischen Vorbereitungsdienst (§ 5b DRiG) geeignet ist. Der universitäre Normgeber darf die Universitätsprüfung nicht an Qualifikationsmaßstäben ausrichten, die strukturell von den für die staatliche Pflichtfachprüfung geltenden Qualifikationsmaßstäben abweichen und denen insofern eine andere Vorstellung von der Eignung zugrunde liegt, die für den Eintritt in den Vorbereitungsdienst erforderlich sein soll. Tut er dies - wie hier durch Erlass der §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO - dennoch, wird die mit einer negativen Prüfungsentscheidung verbundene Aussage, der Prüfling weise nicht die mit der Prüfung nachzuweisende Befähigung auf, nicht auf einer durch den Prüfungszweck gedeckten Grundlage getroffen. Im Einzelnen:

18

aa. Regelungen, die für die Aufnahme eines Berufs den Nachweis erworbener Fähigkeiten durch Bestehen einer Prüfung verlangen, greifen in die Freiheit der Berufswahl ein und bedürfen daher einer den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG genügenden Rechtfertigung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 1529/84, 138/87 - BVerfGE 84, 59 <72>; BVerwG, Urteil vom 21. März 2012 a.a.O. Rn. 21, stRspr). Dies gilt auch für Bestimmungen, welche im Detail diejenigen Anforderungen festlegen, die erfüllt sein müssen, um eine solche Prüfung mit Erfolg abzulegen. Einzuschließen ist der Fall, dass eine Prüfung - so wie hier die Universitätsprüfung - zwar selbst noch nicht unmittelbar den Zugang zu einem reglementierten Beruf eröffnet, ihr Bestehen aber Voraussetzung für den Eintritt in weitere Ausbildungs- und Prüfungsetappen auf dem Weg dorthin bildet (vgl. etwa für studienbegleitende Leistungskontrollen: Beschluss vom 3. November 1986 - BVerwG 7 B 108.86 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 233 S. 297).

19

bb. Die Anforderung, dass Eingriffe in die Berufsfreiheit einer gesetzlichen Grundlage bedürfen (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG), ist im vorliegenden Fall erfüllt.

20

(1) Die für die Universitätsprüfung geltenden Bestehensregelungen musste der parlamentarische Gesetzgeber nicht selbst festlegen. Das Rechtsstaatsprinzip und das Demokratieprinzip des Grundgesetzes verpflichten ihn zwar, in dem durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Grundrechtsbereich die wesentlichen Entscheidungen über die Ausbildung und Prüfung selbst zu treffen (stRspr; vgl. nur Beschluss vom 17. September 1987 - BVerwG 7 B 160.87 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 244 S. 28 m.w.N.; vgl. allgemein BVerfG, Urteil vom 3. März 2009 - 2 BvC 3/07, 4/07 - BVerfGE 123, 39 <78>). Durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch geklärt, dass neben Vorschriften über den Prüfungsstoff, das Prüfungssystem und die Einzelheiten des Prüfungsverfahrens auch die Festlegung der Bestehensvoraussetzungen in aller Regel nicht zu diesen dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehaltenen Leitentscheidungen gehören (Beschluss vom 17. September 1987 a.a.O. m.w.N.). Insoweit wird den Anforderungen von Rechtsstaats- und Demokratieprinzip bereits dadurch hinreichend Genüge getan, dass der parlamentarische Gesetzgeber durch die Vorgabe von Ziel und Inhalt der Ausbildung - wie hier insbesondere in §§ 5 Abs. 1 Halbs. 2, 5a Abs. 2 Satz 4 DRiG geschehen - die Regelungen auf untergesetzlicher Ebene nach Tendenz und Programm begrenzt und berechenbar macht (vgl. Urteil vom 7. Oktober 1983 - BVerwG 7 C 54.82 - BVerwGE 68, 69 <72> = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 186 S. 153), zumal die prüfungsrechtliche Rechtsetzung auch auf untergesetzlicher Ebene in weitreichendem Maße bereits durch Grundsätze gesteuert wird, die sich unmittelbar aus Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG und aus dem Rechtsstaatsprinzip ergeben (vgl. Urteil vom 7. Oktober 1983 a.a.O. S. 74 bzw. 154).

21

(2) Auch Satzungsvorschriften weisen den von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG geforderten Rechtssatzcharakter auf (BVerfG, Beschluss vom 9. Mai 1972 - 1 BvR 518/62, 308/64 - BVerfGE 33, 125 <155>; BVerwG, Beschluss vom 22. November 1994 - BVerwG 6 B 80.94 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 341). Ebenso gilt dies für Verordnungsvorschriften. Die vom Verwaltungsgerichtshof offen gelassene Frage, ob der Erlass der Prüfungsordnung dem Bereich der akademischen Selbstverwaltung zuzurechnen ist oder es sich um einen Fall der Rechtssetzung im staatlichen Aufgabenbereich auf der Grundlage einer entsprechenden Delegation staatlicher Befugnisse handelt - was dann dafür sprechen könnte, der JuSPO ungeachtet ihrer Bezeichnung Verordnungscharakter zuzusprechen - bedarf daher auch an dieser Stelle keiner Vertiefung.

22

(3) Der Kläger kann nicht mit Erfolg geltend machen, die Regelung der Bestehensvoraussetzungen für die Universitätsprüfung hätte abschließend auf Ebene der JAPrO BW erfolgen und nicht der Beklagten überlassen werden dürfen.

23

Das Bundesrecht enthält keine Vorgaben, die dem Gesetz- oder Verordnungsgeber im Land generell verwehren würden, die nähere Ausgestaltung der Universitätsprüfung - wie hier durch § 26 Abs. 2 JAPrO BW ausdrücklich vorgesehen - der Regelung auf Universitätsebene zu überlassen. Der Verweis auf das Landesrecht in § 5d Abs. 6 DRiG enthält kein Verbot der Weiterdelegation. Dem Bundesgesetzgeber ging es - wie bereits angesprochen - bei Einführung der Universitätsprüfung gerade darum, den Universitäten eigene Gestaltungsräume zu eröffnen.

24

Bundesrechtlich gefordert ist - als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips - alleine, dass die universitäre Regelungsbefugnis hinreichend bestimmt sachlich umrissen wird (vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, S. 9 Fn. 12). Hieran kann im vorliegenden Fall in Ansehung der zahlreichen Vorgaben der JAPrO BW zu Prüfungsziel (§ 1 Abs. 2 Satz 2), Prüfungsgegenstand und Umfang des Prüfungsstoffs (§§ 27 Abs. 1 und 2, 28, 29) sowie zur Zahl und Bewertung von Prüfungsleistungen (§ 33) kein Zweifel bestehen. Mit diesen Vorgaben hat der Verordnungsgeber entsprechend der - ihrerseits offenkundig den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen genügenden - Ermächtigung in § 9 Abs. 1 Nr. 6 des Gesetzes über die juristischen Prüfungen und den juristischen Vorbereitungsdienst (Juristenausbildungsgesetz - JAG BW) "Rahmenvorgaben für die Prüfung" erlassen, welche die Rechtssetzung auf Ebene der Universität eingrenzen und inhaltlich anleiten. Soweit der Universität noch Regelungsspielräume verbleiben, ergeben die engmaschigen prüfungsrechtlichen Grundsätze, die aus der Verfassung abzuleiten und in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Verwaltungsgerichte näher ausgeformt sind, zusätzliche Orientierungspunkte; dies gilt namentlich auch - wie sich im Weiteren erweisen wird - in Bezug auf den Erlass von Bestehensregelungen der hier in Rede stehenden Art.

25

cc. Grundrechtseingriffe müssen, um verfassungsrechtlich gerechtfertigt zu sein, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Dieser verlangt, dass der Grundrechtseingriff einem legitimen Zweck dient und als Mittel zu diesem Zweck geeignet, erforderlich und angemessen ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008 - 1 BvR 370/07, 595/07 - BVerfGE 120, 274 <318 f.>; stRspr). Diesen Anforderungen genügen §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO nicht in jeder Hinsicht.

26

(1) Ist die Durchführung einer Prüfung in mehreren Teilprüfungen vorgesehen, wird hierdurch die Beurteilungsgrundlage verbreitert und so die Treffsicherheit des Befähigungsurteils erhöht, das mit der Prüfungsentscheidung über den Prüfling ausgesprochen wird. Bestehensregelungen, die an den Misserfolg in einer Teilprüfung bereits das Nichtbestehen der Gesamtprüfung knüpfen, laufen Gefahr, die Treffsicherheit dieses Befähigungsurteils zu verringern. Denn danach reduziert sich unter Umständen - nämlich bei Nichtbestehen der Teilprüfung - seine empirische Basis auf eine bloße Teilmenge der im Prüfungsverfahren erbrachten Leistungen, während die übrigen erbrachten Leistungen im Rahmen der Prüfungsentscheidung gänzlich außer Betracht bleiben. Wie der Senat bereits früher entschieden hat, genügen solche Regeln den verfassungsrechtlichen Anforderungen nur, wenn die Teilprüfung, deren Nichtbestehen zum Nichtbestehen der Gesamtprüfung führen soll, schon für sich genommen eine zuverlässige Beurteilungsgrundlage bietet (Beschlüsse vom 6. März 1995 - BVerwG 6 B 3.95 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 347 S. 62 f. und vom 10. Oktober 1994 - BVerwG 6 B 73.94 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 338 S. 46 f.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 14. März 1989 - 1 BvR 1033/82, 174/84 - BVerfGE 80, 1 <35>). Tut sie dies nicht, nimmt der Zufallsfaktor im Rahmen der Prüfungsentscheidung überhand und ist eine solche Regel daher schon nicht geeignet, den ihr zugedachten Zweck in rationaler Weise zu erfüllen, diejenigen Prüflinge zu ermitteln, die nicht die Tauglichkeit aufweisen, welche mit der Prüfung nachgewiesen werden sollen.

27

Eine zuverlässige Beurteilungsgrundlage kann eine Teilprüfung dann bieten, wenn gerade durch sie eine Fähigkeit nachgewiesen wird, die als unerlässlicher, nicht ausgleichsfähiger Bestandteil derjenigen Qualifikation anzusehen ist, die mit der Prüfung insgesamt nachgewiesen werden soll. Eine solche Fähigkeit mag beispielsweise in der Beherrschung einer bestimmten Fachmaterie oder, gegebenenfalls hiermit kombiniert, einer bestimmten Bearbeitungs- oder Darstellungsmethode bestehen, die nur in der betroffenen Teilprüfung abgeprüft werden. Der Normgeber mag aber auch die Auffassung verfolgen, ein positives Befähigungsurteil sei überhaupt nur bei durchgängiger Erzielung mindestens ausreichender Einzelleistungen gerechtfertigt; dann soll jede Teilprüfung mittelbar auch dem Nachweis der Fähigkeit zur fachbezogenen Leistungskonstanz dienen.

28

Ob einer dieser Begründungsansätze im konkreten Fall sachlich verfängt, obliegt in erster Linie der Beurteilung durch den Normgeber, dem Art. 12 Abs. 1 GG insoweit beträchtliche Einschätzungsspielräume eröffnet. Mit der Entscheidung, die Beherrschung einer bestimmten Fachmaterie, einer bestimmten methodischen Fertigkeit oder die Fähigkeit zur Leistungskonstanz seien für den Prüfungserfolg unverzichtbar, wird zugleich über Zuschnitt und Niveau der Befähigung entschieden, die mit der Ausbildung erworben und mit der Prüfung belegt werden soll, d.h. es werden hiermit berufliche oder akademische Qualifikationsanforderungen festgelegt. Diesbezüglich beschränkt sich aber die grundrechtliche Bindung des Normgebers auf das Gebot der Wahrung eines sachlichen Zusammenhangs mit den Anforderungen des betreffenden Berufs (vgl. Urteil vom 17. Juli 1987 - BVerwG 7 C 118.86 - BVerwGE 78, 55 <57> = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 242 S. 15). Sogar ein gewisser "Überschuss" an Ausbildungs- und Prüfungsanforderungen ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als zulässig zu erachten (vgl. Beschluss vom 1. Juli 1986 - 1 BvL 26/83 - BVerfGE 73, 301 <320> m.w.N.; aufgegriffen durch BVerwG, Urteil vom 17. Juli 1987 a.a.O. S. 57 bzw. 15). In dieser zurückhaltenden Linie kommt zum Ausdruck, dass die Definition beruflicher und akademischer Qualifikationsstandards vorwiegend Sache politisch wertender Gestaltung und durch die Verfassung im Kern nicht vorentschieden ist.

29

Zu verneinen ist die Frage, ob eine Teilprüfung eine zuverlässige Beurteilungsgrundlage bietet und insofern den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG standhält, im Allgemeinen daher nur dann, wenn die Einschätzung, gerade durch sie werde eine als unerlässlich einzustufende Fähigkeit abgeprüft, sachlich nicht vertretbar erscheint, d.h. wenn offenkundig ist, dass keiner der vorgenannten Begründungsansätze und auch kein nachvollziehbarer sonstiger Begründungsansatz sich im konkreten Fall als tragfähig erweist. Diese Maßgabe, mit der die Einstufung einer Bestehensregelung nach dem Muster von §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO als ungeeignet im Ergebnis auf besonders gelagerte Ausnahmefälle beschränkt bleiben wird, steht im Einklang mit dem in der Grundrechtsjudikatur des Bundesverfassungsgerichts allgemein anerkannten Befund, dass die Verfassung dem Gesetzgeber für die Beurteilung der Eignung der von ihm für die Durchsetzung der gesetzgeberischen Regelungsziele gewählten Mittel einen Einschätzungsspielraum zubilligt (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 15. Januar 2002 - 1 BvR 1783/99 - BVerfGE 104, 337 <347 f.>). Sie fügt sich in die prüfungsrechtliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insofern wertungssystematisch stimmig ein, als dort etwa im Hinblick auf die Zahl zugelassener Wiederholungsversuche, auf die Ausgestaltung von Gewichtungsregeln oder auf die Auswahl und Verteilung des Prüfungsstoffs - also im Hinblick auf Rahmenbedingungen, von denen die praktische Wirkungsschärfe einer Regel nach dem Muster von §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO entscheidend mitbestimmt wird - gleichfalls durchgängig die Gestaltungsfreiheit des Normgebers bzw. der Prüfungsverwaltung betont worden ist (vgl. Beschlüsse vom 7. März 1991 - BVerwG 7 B 178.90 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 285 S. 167, vom 16. August 1985 - BVerwG 7 B 51, 58 u. 59.85 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 218 S. 256 und vom 13. April 1983 - BVerwG 7 B 25.82 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 173 S. 121).

30

(2) Speziell im hier betroffenen Fall der juristischen Universitätsprüfung unterliegt der universitäre Normgeber allerdings engeren Bindungen als ein prüfungsrechtlicher Normgeber im Normalfall. Die Eignungsziele, an denen das Schwerpunktbereichsstudium und die Universitätsprüfung auszurichten sind, stehen in bestimmten Eckdaten nicht zu seiner Disposition. § 5 Abs. 1 Halbs. 2 DRiG legt fest, dass die Universitätsprüfung zusammen mit der staatlichen Pflichtfachprüfung die erste juristische Prüfung bildet. Die Bestimmung richtet hiermit beide gemeinsam in erster Linie auf den Zweck aus, die Befähigung für den anschließenden juristischen Vorbereitungsdienst festzustellen (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 JAPrO BW). Hierdurch wird der Gestaltungsspielraum des universitären Normgebers im Ergebnis eingeengt. Er darf keine Bestehensregelung für die Universitätsprüfung erlassen, in der Eignungsanforderungen zum Ausdruck kommen, die nicht hinreichend auf diesen bundesrechtlich vorgegebenen Prüfungszweck der Universitätsprüfung abgestimmt sind.

31

(a) Gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 DRiG dienen die Schwerpunktbereiche der Ergänzung des Studiums, der Vertiefung der mit ihnen zusammenhängenden - den Gegenstand der staatlichen Pflichtfachprüfung bildenden - Pflichtfächer sowie der Vermittlung interdisziplinärer und internationaler Bezüge des Rechts. Die Ergänzungsfunktion des Schwerpunktbereichs setzen die universitären Studien- und Prüfungsordnungen durch die Anreicherung des Ausbildungs- und Prüfungsstoffs der Pflichtfächer um zusätzliche Ausbildungs- und Prüfungsinhalte um. Die in § 5a Abs. 2 Satz 4 DRiG weiter angelegte Vertiefungsfunktion des Schwerpunktbereichs zielt ausweislich des Gesetzeswortlauts sowie auch der Gesetzesmaterialien demgegenüber insbesondere auf die Erweiterung und Verfeinerung des allgemeinen wissenschaftlich-methodischen Rüstzeugs der Studierenden (vgl. den Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 20. März 2002, BTDrucks 14/8629 S. 12, sowie die dortigen Bezugnahmen auf die Reformforderungen des sog. Ladenburger Manifests, NJW 1997, 2935 ff., und die Vorschläge von Ernst-Wolfgang Böckenförde im Rahmen eines erweiterten Berichterstattergesprächs; vgl. insoweit auch die Stellungnahme Böckenfördes im Rahmen einer Sachverständigenanhörung des Rechtsausschusses im Jahr 2001, Anhang zum Protokoll der 83. Sitzung des Rechtsausschusses vom 16. Mai 2001, S. 64 f.).

32

(b) Soweit der Schwerpunktbereich, im Rahmen seiner Ergänzungsfunktion, den Pflichtfachbereich lediglich fächerbezogen um weitere Inhalte des Ausbildungs- und Prüfungsstoffs ergänzt und diesem damit in seiner grundsätzlichen Anlage gleicht, hat sich der universitäre Normgeber bei Ausgestaltung der Bestehensregelungen an der Höhe derjenigen Eignungsanforderungen zu orientieren, die in der Ausgestaltung der Bestehensregelung der staatlichen Pflichtfachprüfung zum Ausdruck kommen. Wäre er dieser Pflicht ledig, würde in beiden Abschnitten der ersten juristischen Prüfung - und zwar dort, wo sie strukturell vergleichbar sind - ein jeweils unterschiedliches Maß an juristischer Qualifikation über den Prüfungserfolg entscheiden. Dies wäre mit ihrer prüfungsrechtlichen Verklammerung und ihrer gemeinsamen Ausrichtung auf die Feststellung der Eignung für den juristischen Vorbereitungsdienst nicht in Einklang zu bringen. Dass gerade dem staatlichen Normgeber im Hinblick auf die Definition der Eignungsstandards das Primat gegenüber dem universitären Normgeber zukommt, ist in der Ergänzungsfunktion des Schwerpunktbereichs bereits logisch angelegt. Dementsprechend verweist § 5d Abs. 6 DRiG hinsichtlich der prüfungsrechtlichen Ausgestaltung beider Prüfungsabschnitte auf das "Landesrecht". Hieraus folgt - wie oben bereits ausgeführt - zwar kein prinzipielles Verbot der Weiterdelegation an den universitären Normgeber, wohl aber die Maßgabe, dass es dem Landesgesetzgeber zukommt, diesem wesentliche prüfungsrechtliche Eckdaten verbindlich vorzugeben.

33

(c) Soweit der Schwerpunktbereich den Pflichtfachbereich nicht lediglich um zusätzliche Fachmaterien ergänzt, sondern in ihm - im Rahmen der Vertiefungsfunktion - qualitativ eigenständige bzw. weitergehende Qualifikationsziele verfolgt werden, eröffnen sich dem Normgeber konsequenterweise breitere prüfungsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten. Den Regelungen der Pflichtfachprüfung sind insoweit keine bindenden Eignungsstandards zu entnehmen.

34

(3) Gemessen an den vorstehenden Maßstäben hat die Beklagte mit dem Erlass der §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO ihren prüfungsrechtlichen Gestaltungsspielraum überschritten und eine Bestehensregelung erlassen, die nicht hinreichend geeignet ist, den der Universitätsprüfung im Lichte von §§ 5, 5a Abs. 2 DRiG zugedachten Zweck zu erfüllen, (nur) die für den juristischen Vorbereitungsdienst ungeeigneten Kandidaten zu ermitteln.

35

(a) Im Rahmen der staatlichen Pflichtfachprüfung lässt die JAPrO BW - nur leicht modifiziert durch die Regelung in ihrem § 16 - eine Kompensation nicht bestandener Teilprüfungen durch die in anderen Teilprüfungen erzielten Ergebnisse - auch fächerübergreifend - zu. Der staatliche Normgeber bringt hiermit zum Ausdruck, dass den in einzelnen Teilprüfungen jeweils abgeprüften fachlichen Kenntnissen bzw. Fertigkeiten nicht bereits für sich genommen, sondern nur in ihrer Summe Ausschlag gebendes Gewicht für die Beurteilung der Befähigung der Prüflinge zukommen darf. Hieraus tritt als Maßstab zutage, dass die Eignung für den Vorbereitungsdienst nicht entfällt, wenn der Prüfling nur partielle Leistungsschwächen in einzelnen Fachmaterien offenbart.

36

(b) Hingegen ist bei Zugrundelegung von §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO einem Prüfling bereits wegen mangelhafter Beherrschung des Stoffs der obligatorischen Lehrveranstaltungen ("Allgemeiner Teil" - vgl. § 11 Abs. 1 Satz 3 JuSPO zur Aufsichtsarbeit) oder des Stoffs des Wahlbereichs ("Besonderer Teil" - vgl. § 12 Abs. 1 Satz 2 JuSPO zur mündlichen Prüfung) oder wegen des Nichtbestehens der Studienarbeit (vgl. § 13 JuSPO) der Erfolg in der Universitätsprüfung und hiermit - da das Bestehen der ersten juristischen Prüfung das Bestehen sowohl der Universitätsprüfung als auch der staatlichen Pflichtfachprüfung voraussetzt (§ 5d Abs. 2 Satz 4 DRiG) - der Eintritt in den Vorbereitungsdienst versagt. Einzelne Abschnitte des Prüfungsstoffs der Universitätsprüfung werden auf diese Weise hinsichtlich der ihnen vom universitären Normgeber beigemessenen Aussagekraft verabsolutiert. Von dem Ansatz der JAPrO BW, wonach zutage tretende partielle Leistungsschwächen die Eignung für den juristischen Vorbereitungsdienst noch nicht entfallen lassen, weicht dieser Ansatz ersichtlich ab.

37

(c) Im Lichte des oben Gesagten überschreitet der universitäre Normgeber mit diesem verabsolutierenden Ansatz seinen Gestaltungsspielraum nicht, soweit eine Teilprüfung in besonderer Weise auf die Ermittlung der wissenschaftlich-methodischen Fertigkeiten der Prüflinge ausgerichtet ist und sich mithin eindeutig der Vertiefungsfunktion des Schwerpunktbereichs zuordnen lässt. Dies ist hier im Hinblick auf die Studienarbeit der Fall, mit der nach § 13 Abs. 1 Satz 2 JuSPO der Prüfling zeigen soll, "dass er in der Lage ist, innerhalb der vorgesehenen Frist ein Thema (...) selbständig nach wissenschaftlichen Methoden zu bearbeiten". Hingegen tritt im Hinblick auf die Aufsichtsarbeit sowie im Hinblick auf die mündliche Prüfung schon aus dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der §§ 11 f. JuSPO hervor, dass in ihnen vorwiegend - in einer den entsprechenden Teilprüfungen der staatlichen Pflichtfachprüfung strukturell vergleichbaren Weise - der Grad an fachlicher Stoffbeherrschung abgeprüft wird ("Gegenstand ... ist der Stoff der ..."). Sie sind daher stärker der Ergänzungsfunktion als der Vertiefungsfunktion des Schwerpunktbereichs zuzuordnen. Folglich greift hier das Erfordernis einer Kongruenz der Eignungsstandards zwischen Pflichtfach- und Universitätsprüfung - mit der Folge für den universitären Normgeber, dass er partielle Leistungsschwächen, die zum Nichtbestehen dieser Teilprüfungen führen, nicht dafür heranziehen darf, dem Prüfling insgesamt die Eignung für den Eintritt in den juristischen Vorbereitungsdienst abzusprechen. Insofern bilden weder die Aufsichtsarbeit noch die mündliche Prüfung für sich genommen bereits eine zuverlässige Grundlage für das Urteil, dass derjenige, der sie nicht besteht, deshalb nicht die mit der Universitätsprüfung nachzuweisende Eignung aufweist.

38

(d) Nichts anderes darf daraus hergeleitet werden, dass in Aufsichtsarbeit und mündlicher Prüfung unterschiedliche Arbeits- und Präsentationstechniken gefordert sind. Denn auch diesem Gesichtspunkt wird in den Bestimmungen der JAPrO BW über die staatliche Pflichtfachprüfung kein absoluter Stellenwert beigemessen. Die in ihnen eröffneten Kompensationsmöglichkeiten schließen ein, unzureichende Leistungen im einen Segment durch zureichende Leistungen im anderen Segment ausgleichen zu können.

39

(4) Zu keinem anderen Ergebnis führt der Umstand, dass § 5d Abs. 2 Satz 2 DRiG vorschreibt, in der Universitätsprüfung sei "mindestens eine schriftliche Leistung zu erbringen". Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich hieraus für den vorliegenden Fall nichts herleiten. Der Regelungsgehalt der Vorschrift besteht darin, die Durchführung der Universitätsprüfung rein auf mündlicher Basis zu verwehren. Im Übrigen wollte der Bundesgesetzgeber den Regelungsspielraum der Länder bzw. Universitäten nicht einschränken, ging aber gleichwohl von der Annahme aus, dass von ihnen eine Aufteilung der Prüfung in mehrere Teilprüfungen vorgenommen werden würde (vgl. BTDrucks 14/7176 S. 13: "... hinsichtlich der zu erbringenden Leistungen ..."). Eine Aussage im Hinblick auf die Zulässigkeit prüfungsrechtlicher Ausschlussklauseln nach Art von §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO ist der Vorschrift vor diesem Hintergrund nicht zu entnehmen.

40

(5) Nichts anderes ergibt sich ferner aufgrund des Hinweises der Beklagten auf die grundrechtliche Lehrfreiheit, die nach ihrer Auffassung im vorliegenden Fall einen "zurückhaltenden Umgang mit den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes" gebietet. Verlagert der staatliche Normgeber die Regelung von Bestehensanforderungen bei Prüfungen, die in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG fallen, auf die Universitäten, verändert sich hierdurch grundsätzlich nichts am Umfang des grundrechtlichen Abwehrrechts der Prüfungsteilnehmer. Die oben aufgezeigten Anforderungen an die Zulässigkeit prüfungsrechtlicher Bestehensregeln könnten die Lehrfreiheit allenfalls dann beeinträchtigen - und so ausnahmsweise eine ausgleichsbedürftige grundrechtliche Kollisionslage herbeiführen -, wenn von ihnen Rückwirkungen auf die inhaltliche und methodische Gestaltung der Lehrveranstaltungen ausgingen (vgl. Beschlüsse vom 24. Mai 1991 - BVerwG 7 NB 5.90 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 134 S. 40 und vom 22. August 2005 - BVerwG 6 BN 1.05 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 263 S. 25). Es ist nicht ersichtlich, inwiefern dies hier der Fall sein könnte. Der Hinweis der Beklagten, Bestehensregeln könnten den Studierenden mittelbar den Bedeutungsgrad von Fachmaterien signalisieren, mag sachlich zutreffen, macht aber nicht deutlich, inwiefern sich hieraus eine Einschränkung der inhaltlichen und methodischen Gestaltungsfreiheit von Hochschullehrern in Bezug auf die von ihnen angebotenen Lehrveranstaltungen ergeben könnte.

41

(6) Unerheblich ist schließlich, dass nach der Darstellung der Beklagten in der Vergangenheit nur eine geringe Zahl von Prüflingen in der Universitätsprüfung gescheitert sein soll. Die Maßgabe, wonach eine Teilprüfung, deren Nichtbestehen zum Misserfolg der gesamten Prüfung führen soll, eine zuverlässige Beurteilungsgrundlage bieten muss, soll gewährleisten, dass die der Prüfung zugedachte Filterungsfunktion in rationaler, den Zufallsfaktor minimierender Weise erfüllt werden kann. Hierauf besteht - unter dem Aspekt der Eingriffsgeeignetheit - ein grundrechtlicher Anspruch auch im Falle einer niedrigen Durchfallquote.

42

dd. Nach den in § 139 BGB und § 44 Abs. 4 VwVfG niedergelegten Rechtsgrundsätzen ist ein Rechtsakt insgesamt unwirksam, wenn die Unwirksamkeitsgründe einen nicht abgrenzbaren Teil erfassen oder, sofern sie einen abgrenzbaren Teil erfassen, wenn nicht feststeht, dass der übrige Rechtsakt gegebenenfalls auch ohne diesen Teil erlassen worden wäre (vgl. Beschluss vom 11. Juli 2002 - BVerwG 3 B 84.02 - juris Rn. 3). Hieraus ergeben sich im vorliegenden Fall folgende Konsequenzen:

43

(1) §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO sind insgesamt unwirksam. Es steht nicht mit hinreichender Sicherheit fest, dass die Beklagte die - nach dem oben Gesagten zulässige - Regelung, wonach ein Misserfolg in der Studienarbeit zum Misserfolg der Universitätsprüfung insgesamt führt, auch unter der Prämisse getroffen hätte, dass ihr entsprechende Regelungen in Bezug auf die Aufsichtsarbeit sowie in Bezug auf die mündliche Prüfung verwehrt sind.

44

(2) Die Unwirksamkeit der §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO zieht die Unwirksamkeit der Regelung zur Prüfungswiederholung in § 17 Abs. 1 i.V.m. § 17 Abs. 3 JuSPO nach sich, die nach der Auslegung durch den Verwaltungsgerichtshof die Wiederholungsmöglichkeit abschließend auf die im ersten Anlauf nichtbestandenen Teilprüfungen beschränkt. Diese Regelung hängt gesetzessystematisch untrennbar mit der in §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO getroffenen Anordnung zusammen, dass die Universitätsprüfung bereits bei endgültigem Nichtbestehen einer Teilprüfung nicht bestanden ist.

45

(3) Nicht von der Unwirksamkeit der §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO betroffen ist die in § 14 Abs. 2 JuSPO niedergelegte Gewichtungsregelung.

46

§ 14 Abs. 2 JuSPO ist von der Regelung der §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO logisch abgrenzbar. Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Beklagte diese Bestimmung nicht getroffen hätte, wenn ihr die Unzulässigkeit von §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO bewusst gewesen wäre.

47

§ 14 Abs. 2 JuSPO verstößt nicht gegen Bundesrecht. In der prüfungsrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist wiederholt betont worden, dass es Sache der Beurteilung durch den Normgeber ist, welches Gewicht Einzelleistungen im Rahmen der Gesamtwertung zugewiesen wird. Solange die entsprechende Regelung von sachlichen Erwägungen getragen wird, ist sie gerichtlich nicht zu beanstanden, auch wenn sich eine andere Gewichtung denken ließe (vgl. etwa Beschlüsse vom 16. August 1985 a.a.O. S. 256 und vom 11. August 1980 - BVerwG 7 CB 81.79 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 130 S. 216). Ausgehend hiervon erheben sich dagegen, dass nach § 14 Abs. 2 JuSPO die Studienarbeit zu 30 %, die mündliche Prüfung zu 20 % und die Aufsichtsarbeit zu 50 % über die Gesamtnote der Universitätsprüfung bestimmen sollen, keine durchgreifenden Bedenken. Im Lichte dessen, dass der Schwerpunktbereich neben der fächerbezogenen Ergänzung des Pflichtfachstudiums insbesondere auch der vertieften Ausbildung wissenschaftlich-methodischer Kompetenz dient, hätte es zwar nicht ferngelegen, den Gewichtungsanteil der in besonderer Weise hierauf bezogenen Studienarbeit höher anzusetzen. Die Entscheidung der Beklagten bewegt sich aber noch innerhalb der Spannbreite vertretbarer Gestaltungen und beruht nicht auf offenkundig unsachlichen Erwägungen.

48

2. Das Urteil stellt sich nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Beklagte darf dem Kläger nicht entgegenhalten, sein Prüfungsanspruch sei infolge der Exmatrikulation erloschen. Der Kläger hat sich zur Exmatrikulation vor dem Hintergrund der Rechtsauffassung der Beklagten veranlasst gesehen, sein Prüfungsanspruch sei durch den zweimaligen Misserfolg in der Aufsichtsarbeit erloschen. Er hat durch seine Klageerhebung zu verstehen gegeben, das Prüfungsverfahren bei der Beklagten fortsetzen und dieser Rechtsauffassung entgegentreten zu wollen. Die Beklagte hat sich hierauf insofern eingelassen, als sie den Kläger unter dem Vorbehalt des Ausgangs des gerichtlichen Verfahrens zur mündlichen Prüfung zugelassen hat. Unter diesen Gesamtumständen würde die Beklagte treuwidrig handeln, wenn sie sich nunmehr - nachdem sich im gerichtlichen Verfahren die Richtigkeit der Rechtsauffassung des Klägers erwiesen hat - darauf berufen würde, das Prüfungsrechtsverhältnis sei infolge der Exmatrikulation erloschen.

49

3. Die Beklagte hat den danach nicht erloschenen Prüfungsanspruch des Klägers dadurch zu erfüllen, dass sie auf Grundlage einer rechtmäßigen, an die Stelle der §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO tretenden Bestehensregelung ermittelt, ob der Kläger mit den von ihm erzielten Einzelnoten die Universitätsregelung mit Erfolg abgelegt hat. In Bezug auf den Kläger wie in Bezug auf andere Prüflinge ist die Beklagte im Interesse der Aufrechterhaltung des Prüfungsbetriebs übergangsweise berechtigt, hierfür auf die Regelung in § 32 Abs. 1 Satz 3 JAPrO BW zurückzugreifen, d.h. darauf abzustellen, ob in der Summe der Teilprüfungsergebnisse - unter Berücksichtigung der Gewichtungsregelung in § 14 Abs. 2 JuSPO - ein mindestens "ausreichendes" Ergebnis erzielt worden ist.

50

Sofern die Beklagte von dieser Möglichkeit in Bezug auf den Kläger Gebrauch machen sollte, würde sich erweisen, dass dieser die Universitätsprüfung im ersten Anlauf nicht bestanden hat. Denn ausgehend von der Gewichtungsregelung in § 14 Abs. 2 JuSPO hat der Kläger in den bereits abgelegten Teilprüfungen einen für die Note "ausreichend" nicht hinreichenden Punktedurchschnitt von 3,50 erzielt (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 1 JuSPO, §§ 19 Abs. 3 Satz 1, 32 Abs. 1 JAPrO BW). Demnach bliebe der Kläger auf eine Wiederholungsmöglichkeit verwiesen, die er durch die bereits erfolgte, jedoch auf unwirksamer Rechtsgrundlage vorgenommene Wiederholung der Aufsichtsarbeit nicht ausgeschöpft hat. Die Beklagte wäre in seinem Fall - wie in den Fällen anderer Prüflinge - übergangsweise berechtigt, zur Durchführung von Wiederholungsprüfungen auf die Regelung in § 33 Abs. 3 JAPrO BW zurückzugreifen. Danach hätten der Kläger bzw. im gegebenen Fall andere Betroffene die Möglichkeit, in einem zweiten Anlauf sämtliche Einzelprüfungen - unter Einschluss der Aufsichtsarbeit - ein weiteres Mal abzulegen.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen das endgültige Nichtbestehen im Nebenfach Betriebswirtschaftslehre ihres Bachelorstudiengangs.

2

Die Klägerin nahm an der beklagten Hochschule zum Wintersemester 2005/2006 (1. Fachsemester des Hauptfachstudiums) ein Studium im Studiengang Deutsche Sprache und Literatur mit dem Studienziel Bachelor of Arts auf. Vom Sommersemester 2008 bis zum Sommersemester 2013 studierte sie in Teilzeitform. Im Hauptfach schloss die Klägerin ihr Studium erfolgreich ab. Im Nebenfach Betriebswirtschaftslehre begann sie unter Genehmigung der Beklagten zum Wintersemester 2011/2012 (0,5. Fachsemester des Nebenfachstudiums) das Studium neu. Seit dem Wintersemester 2013/2014 (3. Fachsemester des Nebenfachstudiums) studierte sie wiederum in Vollzeitform.

3

Im Nebenfachstudium fertigte die Klägerin die Klausur „Statistik I“ am 19. März 2013 (Wintersemester 2012/2013 und 1,5. Fachsemester des Nebenfachstudiums), am 12. Februar 2014 (Wintersemester 2013/2014 und 3. Fachsemester des Nebenfachstudiums), am 13. Februar 2015 sowie am 27. März 2015 (beide Wintersemester 2014/2015 und 5. Fachsemester des Nebenfachstudiums) an. Die Klausuren wurden jeweils als nicht bestanden bewertet.

4

Von diesen Klausuren enthielten diejenigen vom 19. März 2013 bzw. 12. Februar 2014 einen Anteil an Aufgaben im Antwort-Wahl-Verfahren. Bei der Klausur vom 19. März 2013 waren die Aufgaben 1 und 2 im Antwort-Wahl-Verfahren („Multiple-Choice“-Verfahren in der Variante „Single-Choice“) ausgestaltet, von insofern erreichbaren 50 Punkten erzielte die Klägerin nach der Bewertung durch die Prüfer 15 Punkte. Die Aufgaben 3 bis 8 unterlagen nicht dem Antwort-Wahl-Verfahren; von erreichbaren 50 Punkten erzielte die Klägerin 2 Punkte. Die absolute Bestehensgrenze der Klausur von 34 Punkten untertraf die Klägerin mit 17 Punkten. Im Mittel erreichten die Teilnehmer 41,66 Punkte. Bei der Klausur vom 12. Februar 2014 war die Aufgabe 1 im Antwort-Wahl-Verfahren („Single-Choice“) ausgestaltet, von insofern erreichbaren 24 Punkten erzielte die Klägerin 12 Punkte. Die übrigen Aufgaben 2 bis 7 unterlagen nicht dem Antwort-Wahl-Verfahren; von 78 erreichbaren Punkten erzielte die Klägerin 11 Punkte. Die absolute Bestehensgrenze der Klausur von 44 Punkten untertraf die Klägerin mit 23 Punkten. Im Mittel erreichten die Teilnehmer 54,79 Punkte. Beide Klausuren wurden jeweils durch zwei Prüfer bewertet.

5

Die Bewertungen der beiden Klausuren vom 19. März 2013 bzw. 12. Februar 2014 mit „durchgefallen“ (5,0) waren für die Klägerin im Hochschulinformationssystem „StiNE“ ab dem 10. April 2013 bzw. ab dem 13. April 2014 einsehbar.

6

Mit einem bei der Beklagten am 21. April 2015 eingegangenen Schreiben vom 20. April 2015 beantragte die Klägerin die „Zulassung zur mündlichem Prüfung im Studienfach Statistik I“. Sie trug vor, dass sie sich wegen des extrem hohen psychischen Drucks der letzten Klausur nicht konsequent auf die Klausuraufgaben habe konzentrieren können. Wegen verschiedener familiärer und privater Gründe habe sich ihr Studium über einen erheblichen Zeitraum erstreckt.

7

Mit Bescheid vom 29. April 2015, zugestellt am 4. Mai 2015, teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Vorsitzende des Prüfungsausschusses für den Bachelorstudiengang Betriebswirtschaftslehre die von ihr vorgebrachten Härtefallgründe für die Voraussetzungen einer Modulfristverlängerung geprüft habe und zur Entscheidung gelangt sei, dem Antrag nicht abzuhelfen. Sie habe die Modulprüfung für das Modul „Statistik I“ endgültig nicht bestanden. Da sie die Modulprüfung viermal in der Modulfrist durchlaufen und nicht erfolgreich absolviert habe, habe sie den Nebenfach-Bachelorstudiengang Betriebswirtschaftslehre endgültig nicht bestanden.

8

Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid mit am selben Tag eingegangenen Schreiben vom 19. Mai 2015 Widerspruch ein. Sie trug vor, dass sie im Laufe ihres Studiums mehrere chirurgische Eingriffe habe erdulden müssen. Als „mildernder Umstand“ sei auch die Unvergleichbarkeit zweier Prüfungsverfahren zu berücksichtigen, da zum Teil „Multiple-Choice“-Aufgaben zum Einsatz gekommen seien. Sie habe inzwischen im Nebenfach alle Modulleistungen – außer in Statistik – erbracht.

9

Ergänzend trug die Klägerin vor, wegen ihrer Krankheit sei es ihr sehr schwer gefallen, im Studium mit anderen mitzuhalten und notwendige Leistungen termingerecht zu erbringen. Eine „Multiple-Choice“-Aufgabenstellung sei unzulässig gewesen, da es keine relative Bestehensgrenze gegeben habe. Das Zwei-Prüfer-Prinzip sei nicht eingehalten.

10

Ferner legte die Klägerin einen Entlassungsbericht des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf vom 19. Oktober 2015 vor, nach dem die Klägerin in den vorausgegangenen zwei Jahren durch mehrfache familiäre, berufliche und gesundheitliche Belastungsfaktoren stark beeinträchtigt gewesen sei. Vor dem Hintergrund von u.a. erheblichen Konzentration- und Aufmerksamkeitsstörungen seien die Prüfungsvorbereitungen für die Statistik-Klausur erheblich erschwert gewesen; die Störungen hätten sich unter dem Druck der Prüfungsbedingungen und der Anforderung, komplexe Zusammenhänge unter Zeitdruck zu erfassen, extrem verstärkt.

11

Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2015 zurück und führte aus:

12

Der Bescheid über das endgültige Nichtbestehen sei rechtmäßig, da die Klägerin ihr Nebenfach Betriebswirtschaftslehre endgültig nicht bestanden habe. Die Klägerin habe die Modulprüfung im Modul „Statistik I“ auch in ihrer letzten Wiederholung am 27. März 2014 nicht bestanden. § 18 Abs. 1 der Prüfungsordnung sehe als Folge das endgültige Nichtbestehen der Bachelorprüfung vor. Der Antrag auf Zulassung zur mündlichen Prüfung in „Statistik I“ hätte schon mangels Rechtsgrundlage für die Zulassung zu einer mündlichen Prüfung abgelehnt werden können, weshalb er als Antrag auf Modulfristverlängerung ausgelegt worden sei. Die Klägerin begehre offensichtlich einen weiteren Prüfungsversuch, was allenfalls in Form einer Modulfristverlängerung gemäß § 10 Abs. 3 der Prüfungsordnung hätte gewährt werden können. Gemäß § 10 Abs. 2 der Prüfungsordnung seien Modulprüfungen für Pflichtmodule innerhalb von Fristen zu erbringen. Die Modulfrist im Modul „Statistik I“ sei für die Klägerin vom Wintersemester 2013/2014 (3. Fachsemester des Nebenfachstudiums) bis zum Wintersemester 2014/2015 (5. Fachsemester des Nebenfachstudiums) gelaufen. Innerhalb dieser Frist habe die Klägerin an drei Prüfungsversuchen erfolglos teilgenommen. Einen vierten Versuch habe sie bereits vor Beginn der Modulfrist erfolglos unternommen. Für die vierte Prüfungsmöglichkeit innerhalb der Modulfrist sei die Klägerin nicht angemeldet gewesen.

13

Die von der Klägerin geltend gemachten Einwendungen und vorgelegten „Nachweise“ rechtfertigten keinen weiteren Prüfungsversuch im Rahmen eines Nachteilsausgleichs nach § 11 Abs. 1 der Prüfungsordnung. Ein Antrag auf Nachteilsausgleich müsste nach dem Wortlaut dieser Vorschrift vor dem letzten Wiederholungsversuch gestellt werden. Der Nachteilausgleich diene der Anpassung der Prüfung an Nachteile eines konkreten Studenten, ermögliche es hingegen nicht, weitere Prüfungsversuche zu gestatten. Die von der Klägerin vorgetragene familiäre, gesundheitliche und berufliche Belastungssituation stelle auch keine chronische Krankheit oder Behinderung dar.

14

Ebenso wenig komme ein nachträglicher Rücktritt von den Klausuren in „Statistik I“ nach § 16 Abs. 1 der Prüfungsordnung in Betracht. Der einen Rücktritt tragende triftige Grund müsse unverzüglich angezeigt und der Rücktritt eindeutig erklärt werden. Hieran fehle es, da die Klägerin ihre Belastungssituation erst im Schreiben vom 20. April 2015 bekundet habe und der Wille, nachträglich von den Prüfungen zurücktreten zu wollen, daraus nicht deutlich hervorgehe.

15

Weiter seien die von der Klägerin geschriebenen Klausuren „Statistik I“ verfahrensfehlerfrei. Gegen das Zwei-Prüfer-Prinzip sei nicht verstoßen worden. Nach § 64 Abs. 7 Satz 1 HmbHG 2001 müssten studienbegleitende Prüfungsleistungen in Abschluss- und Zwischenprüfungen – wie die Klausuren im Modul „Statistik I“ – nicht von einem zweiten Prüfer bewertet werden. Das Antwort-Wahl-Verfahren sei ein zulässiger Klausurtyp. Eine nachträgliche Bildung der relativen Bestehensgrenze zeige, dass die Klägerin die beiden betroffenen Klausuren auch unter Annahme einer relativen Bestehensgrenze von 25 % – die zu Gunsten der Klägerin sehr hoch angesetzt sei – nicht bestanden habe.

16

Zur Begründung der am 17. Dezember 2015 erhobenen Klage trägt die Klägerin vor:

17

Die nachgereichten Atteste wiesen eine chronische Krankheit nach, was einen Härtefallantrag ermögliche; es werde keine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht erfolgen. Sie leide unter einer chronischen Eierstockentzündung. Da „enormer Druck seitens diverser Instanzen“ entstanden sei, wie beispielsweise der Ausländerbehörde, habe sie einen Verzicht auf die Klausuren nicht in Betracht ziehen können. Leider habe sie nichts von der Möglichkeit eines Nachteilsausgleichs gewusst und einen solchen deshalb nicht beantragt.

18

Ergänzend trägt die Klägerin vor, zu wenig Zeit gehabt zu haben, um sich vorzubereiten. Sie sei nicht gesund gewesen, habe sich allerdings nicht krank gemeldet, weil sie Druck von der Ausländerbehörde empfunden habe. Sie habe auch nicht weiter ein Teilzeitstudium betreiben können, weil sie dann mit ihrem Aufenthaltstitel Schwierigkeiten bekommen hätte. Sie habe bisher nicht alle gesundheitlichen Belastungen dargelegt, dies gelte insbesondere für psychische Themen. Ihr sei ein unter Vorbehalt bereits gewährter Wiederholungsversuch der Klausur „Statistik I“ als regulärer zu werten. Ihre gesundheitlichen Belastungen hätten sich auf die Prüfungsleistungen in verschiedenen Fächern ausgewirkt, aber die Klausur „Statistik I“ sei eben besonders schwer.

19

Die Klägerin beantragt,

20

den Bescheid vom 29. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Dezember 2015 aufzuheben

21

Die Beklagte beantragt,

22

die Klage abzuweisen.

23

Die Beklagte trägt vor: Vorprozessual habe sie nichts von einem Dauerleiden der Klägerin gewusst. Die Befassung mit einem Nachteilsausgleich im Widerspruchsbescheid sei lediglich vollständigkeitshalber erfolgt. Nach der Prüfungsordnung betrage die Dauer einer Klausur mindestens 45, höchstens 180 Minuten und könnten auch in Form eines Antwort-Wahl-Verfahrens durchgeführt werden. Die im Hochschulinformationssystem „StiNE“ eingetragenen Prüfungsbewertungen seien Verwaltungsakte. Sie seien mit Ablauf der Jahresfrist jeweils bestandskräftig geworden. Die Klägerin habe sich erstmals mit Schreiben vom 1. Juni 2015 gegen die Bewertungen der Klausuren gewandt. Eine (unter Vorbehalt) am 12. Februar 2016 angefertigte Klausur „Statistik I“ habe die Klägerin nicht bestanden.

24

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist die Prüfungsakte. Darauf sowie auf die Gerichtsakte wird wegen der Einzelheiten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

25

I. Die zulässige Klage ist nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 29. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Dezember 2015 über das endgültige Nichtbestehen der Klägerin in der Bachelorprüfung im Nebenfach Betriebswirtschaftslehre ist ausgehend von den einschlägigen Satzungen (hierzu unter 1.) gerechtfertigt (hierzu unter 2.). Die einschlägigen Satzungen bilden – als mit höherrangigem Recht vereinbar – eine wirksame Rechtsgrundlage (hierzu unter 3.).

26

1. Einschlägig ist für das von der Klägerin zum Wintersemester 2011/2012 aufgenommene Nebenfachstudium der Betriebswirtschaftslehre die Prüfungsordnung des Departments Wirtschaftswissenschaften der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften für Studiengänge mit dem Abschluss „Bachelor of Science“ (B.Sc.) (v. 20.9.2006, Amtl. Anz. S. 2959 – PO 2006, mit Änderungen v. 16.7.2008, Amtl. Bek. Nr. 43 v. 22.9.2008 sowie v. 14.7.2010, Amtl. Bek. Nr. 18 v. 23.5.2011 – PO 2010). Unanwendbar ist die letzte Änderung der Prüfungsordnung der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften für Studiengänge mit dem Abschluss Bachelor of Science (v. 6.8.2014, Amtl. Bek. Nr. 74 v. 10.9.2014), die gemäß deren § 2 Abs. 1 Satz 2 erstmals für Studierende gilt, die ihr Studium zum Wintersemester 2014/2015 in einem Studiengang der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften aufgenommen haben. Die Änderungsordnung gilt mit Wirkung zum Wintersemester 2014/2015 zwar grundsätzlich ebenfalls für Studierende, die ihr Studium vor Inkrafttreten dieser Änderungsordnung am 11. September 2014 in einem Studiengang der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften aufgenommen haben, aber nicht im Bachelorstudiengang Betriebswirtschaftslehre (B.Sc.), der nunmehr der Zuständigkeit der neueingerichteten Fakultät Betriebswirtschaftslehre unterfällt. Die Klägerin hat das Studium bereits zum Wintersemester 2011/2012 und im Nebenfach-Bachelorstudiengang der Betriebswirtschaftslehre aufgenommen. Zeitlich unanwendbar ist auch die Prüfungsordnung der Fakultät für Betriebswirtschaft für Studiengänge mit dem Abschluss „Bachelor of Science (B.Sc.)“ (v. 8.7.2015 und 27.1.2016, Amtl. Bek. Nr. 39 v. 22.6.2016), die gemäß ihrem § 23 erst ab dem Wintersemester 2015/2016 gilt. Bereits sachlich unanwendbar ist die neue Prüfungsordnung der (nicht mehr die Betriebswirtschaftslehre umfassenden) Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften für Studiengänge mit dem Abschluss „Bachelor of Science“ (B.Sc.) (v. 15.6.2016, Amtl. Bek. Nr. 62 v. 4.10.2016).

27

In Ergänzung der PO 2010 finden die Fachspezifischen Bestimmungen für den Bachelor-Studiengang Betriebswirtschaftslehre im Department Wirtschaftswissenschaften der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg (v. 4.10.2006, Amtl. Anz. S. 2846, Neufassung v. 15.4.2009, Amtl. Bek. Nr. 31 v. 21.6.2010 – FSB 2009, mit Änderung v. 16.6.2010, Amtl. Bek. Nr. 47 v. 7.12.2011 – FSB 2010) Anwendung. Zeitlich unanwendbar sind demgegenüber die Fachspezifischen Bestimmungen für den Bachelor-Studiengang Betriebswirtschaftslehre der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg (v. 11.7.2012, Amtl. Bek. Nr. 78 v. 22.10.2012 – FSB 2012), da diese gemäß ihrer Bestimmung Satz 2 zu § 23 erstmal für Studierende gelten, die ihr Studium zum Wintersemester 2012/2013 aufgenommen haben. Die Aufhebung der Regelungen zum Nebenfachstudiengang Betriebswirtschaftslehre durch Satzung v. 8.7.2015 (Amtl. Bek. Nr. 48 v. 11.9.2015) mit Wirkung vom 30. September 2020 ist ebenso wenig anwendbar.

28

2. Unter Zugrundelegung der einschlägigen Satzungen (dazu s.o. 1.) ist der Bescheid über das endgültige Nichtbestehen in der Bachelorprüfung im Nebenfach Betriebswirtschaftslehre gerechtfertigt. Der Nichtbestehensbescheid findet seine satzungsmäßige Rechtsgrundlage in § 18 Abs. 2 PO 2010. Ist die Bachelorprüfung endgültig nicht bestanden, stellt gemäß dieser Satzungsbestimmung der oder die Vorsitzende des Prüfungsausschusses einen entsprechenden Bescheid aus. Die Bachelorprüfung ist gemäß § 18 Abs. 1 Buchst. a. PO 2010 insbesondere dann endgültig nicht bestanden, wenn eine Modulprüfung nicht fristgemäß absolviert wird, es sei denn, der bzw. die Studierende hat die Fristversäumnis nicht zu vertreten. Ausgehend von der Satzungslage hat die Klägerin die Bachelorprüfung endgültig nicht bestanden. Denn die Klägerin hat die auch im Nebenfachstudium verpflichtende Prüfungsleistung „Statistik I“ (hierzu unter a.) innerhalb der regulären Modulfrist (hierzu unter b.) nicht bestanden (hierzu unter c.). Weder war die Fristversäumnis von der Klägerin nicht zu vertreten (hierzu unter d.) noch die Modulfrist ausnahmsweise zu verlängern (hierzu unter e.).

29

a. Die Klägerin musste in ihrem Nebenfachstudium Betriebswirtschaftslehre die Prüfungsleistung „Statistik I“ bestehen. Der verpflichtende Charakter dieser Prüfungsleistung ergibt sich aus Folgendem:

30

Der Bachelorstudiengang ist auch im Nebenfachstudium der Betriebswirtschaftslehre gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 PO 2010 modular aufgebaut; Zahl, Umfang, Inhalte der Module und Modulvoraussetzungen sind danach in den Fachspezifischen Bestimmungen geregelt. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 PO 2010 ist zwischen obligatorischen Modulen (Pflichtmodulen), aus einem vorgegebenen Katalog auszuwählenden Modulen (Wahlpflichtmodulen) und frei wählbaren Modulen (Wahlmodulen) zu unterscheiden. Im Hauptfachstudium der Betriebswirtschaftslehre ist gemäß Abs. 1 Buchst. a FSB 2010 zu § 4 Abs. 3 und 4 PO 2010 und gemäß der in den FSB 2010 enthaltenen Modulbeschreibung für die erste Studienphase das Modul „Statistik I + II“ ein Pflichtmodul und Methodenmodul der ersten Studienphase, das den Fachsemestern „3 + 4“ zugeordnet ist, mit zwei Modulteilprüfungen i.S.d. § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 PO 2010 abschließt, jeweils in der Prüfungsart der Klausur gemäß § 13 Abs. 4 Buchst. a PO 2010. Diese beiden Teilprüfungsleistungen des Hauptfachstudiums entsprechen im Nebenfachstudium der Betriebswirtschaftslehre gemäß Abs. 3 Sätze 3 und 4 FSB 2010 zu § 4 Abs. 3 und 4 PO 2010 dem Pflichtmodul „Statistik I“ sowie dem Wahlmodul „Statistik II“.

31

b. Für das Pflichtmodul „Statistik I“ (dazu s.o. a.) endete die Modulfrist, in der die Prüfungsleistung zu absolvieren war, regulär mit dem 31. März 2015.

32

Die Bindung an eine Modulfrist folgt aus § 10 Abs. 2 Sätze 1 und 2 PO 2010: Danach sind Modulprüfungen für Pflichtmodule innerhalb von Fristen zu erbringen, die sich aus den in der jeweiligen Modulbeschreibung angegebenen Fachsemestern zuzüglich der Anzahl von Fachsemestern, innerhalb derer das Modul ein weiteres Mal absolviert werden kann (Wiederholungsfrist), errechnen. Bei Teilprüfungsleistungen endet die Frist gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 PO 2010 in dem Semester, in dem die der Teilprüfung zugeordnete Lehrveranstaltung ein weiteres Mal angeboten wird.

33

Das Ende der Modulfrist errechnet sich wie folgt: Die in den FSB 2010 enthaltene Modulbeschreibung gibt für das Modul „Statistik I + II“ die Fachsemester „3 + 4“ an. Die erste Teilprüfungsleistung „Statistik I“ ist damit dem 3. Fachsemester zugeordnet. Die betreffende Frist endete gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 PO 2010 mit dem 5. Fachsemester, in dem ausgehend vom Jahresturnus die der Teilprüfung zugeordnete Lehrveranstaltung ein weiteres Mal angeboten worden ist. Das 5. Fachsemester der Klägerin im Nebenfachstudium der Betriebswirtschaftslehre war das am 31. März 2015 endende Wintersemester 2014/2015. Dem liegt zugrunde, dass die Klägerin zunächst in Teilzeitform zum Wintersemester 2011/2012 (0,5. Fachsemester des Nebenfachstudiums) mit dem Studium in diesem Nebenfach erneut begonnen und zum Wintersemester 2013/2014 (3. Fachsemester des Nebenfachstudiums) in ein Vollzeitstudium gewechselt ist.

34

c. Die Prüfungsleistung „Statistik I“ hatte die Klägerin bis zum Ende der regulären Modulfrist am 31. März 2015 (dazu s.o. b.) nicht bestanden. Die von der Klägerin am 19. März 2013, am 12. Februar 2014, am 13. Februar 2015 sowie am 27. März 2015 angefertigten Klausuren in der Teilprüfungsleistung „Statistik I“ sind von den Prüfern als nicht bestanden bewertet worden. Die Klägerin kann das Ziel, eine innerhalb der Modulfrist angefertigte Klausur bestanden zu haben, auch nicht im Wege der Neubewertung erreichen, denn eine Neubewertung kann sie nicht beanspruchen.

35

Dahinstehen kann dabei, ob der Beklagten darin zu folgen ist, dass die Bewertung der einzelnen Klausuren als nicht bestanden ein Verwaltungsakt ist, der jeweils bestandskräftig geworden ist. Es spricht viel dafür, dass sich die Beklagte auf eine etwaig eingetretene Bestandskraft nicht berufen könnte, da sie sich hinsichtlich der Bewertung der Klausuren noch im Widerspruchsbescheid auf eine Auseinandersetzung in der Sache eingelassen hat.

36

Jedenfalls kann die Klägerin eine Neubewertung der angefertigten Klausuren deshalb nicht beanspruchen, weil nach dem beschränkten gerichtlichen Überprüfungsmaßstab, die bisherige Bewertung nicht durch eine neue zu ersetzen ist. Im Einzelnen:

37

Bei der Bewertung der Leistungen in berufsbezogenen Prüfungen ist ein gerichtlich nicht überprüfbarer Beurteilungsspielraum anzuerkennen (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, juris Rn. 54; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 877 ff.). Das Gebot der Chancengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG erfordert eine Bewertung der Leistungen aller Prüflinge nach den Maßstäben der Prüfer. Das Gericht kann sich nicht an die Stelle der Prüfer setzen. Das Gericht kann nur überprüfen, ob das Verfahren eingehalten wurde, anzuwendendes Recht verkannt wurde, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe verletzt wurden oder sachfremde Erwägungen ausschlaggebend waren (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, juris Rn. 56). Es obliegt dem Prüfling, konkrete und substantiierte Einwendungen gegen die Bewertung zu benennen (BVerwG, Beschl. v. 23.12.1993, 6 B 19/93, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 326, juris Rn. 8; Urt. v. 4.5.1999, 6 C 13/98, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 395, juris Rn. 35; OVG Hamburg, Beschl. v. 17.7.2008, 3 Bf 351/07.Z, NVwZ-RR 2008, 851, juris Rn. 23).

38

Ausgehend von diesem Maßstab ist kein durch Neubewertung der Klausuren zu behebender Fehler aufgezeigt. Die von der Klägerin erhobene Einwendung, das Zwei-Prüfer-Prinzip sei verletzt, dringt nicht durch. Zum einen sind die Klausuren, hinsichtlich derer die Klägerin substantiierte Einwendungen erhoben hat, jeweils von zwei Prüfern bewertet worden. Zum anderen findet das Zwei-Prüfer-Prinzip vorliegend gar keine Anwendung. Gemäß § 64 Abs. 7 Satz 1 des Hamburgischen Hochschulgesetzes (v. 18.7.2001, HmbGVBl. S. 171 m. spät. Änd. – HmbHG 2001) sind Prüfungsleistungen in Abschlussprüfungen und Zwischenprüfungen, soweit diese nicht studienbegleitend stattfinden, in der Regel von mindestens zwei Prüferinnen oder Prüfern zu bewerten. Das gleiche gilt gemäß § 64 Abs. 7 Satz 2 HmbHG 2001 für andere Prüfungsleistungen, sofern sie als nicht ausreichend erachtet werden sollen. Bei den streitbefangenen Klausuren handelt es sich im Sinne der Norm um andere Prüfungsleistungen, die auch als nicht ausreichend bewertet worden sind. Mit dem Zusatz „das Gleiche“ verweist Satz 2 aber vollständig auf Satz 1. Dieser Satz beinhaltet einerseits das Regel-Ausnahme-Verhältnis und andererseits auch den Ausschluss bei studienbegleitenden Prüfungsleistungen. Dieser Ausschluss greift hier. Studienbegleitend ist eine Prüfung dann, wenn sie thematisch dem Studienfortschritt angepasst ist; so liegt der Fall insbesondere bei Modulprüfungen, mit denen nicht kursübergreifender Prüfungsstoff eines Studienabschnitts oder des gesamten Studiums abgeprüft wird, sondern nur der in dem jeweiligen Modul vermittelte Prüfungsstoff (VG Hamburg, Urt. v. 5.11.2015, 2 K 950/14, juris Rn. 82), wie es auf die in Anknüpfung an die entsprechend angebotene Lehrveranstaltung „Statistik I“ abgenommene Klausur zutrifft.

39

d. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, sie habe die Fristversäumnis nicht zu vertreten. Insbesondere hatte die Klägerin vor Ablauf der Modulfrist hinreichend Gelegenheit, die Prüfungsleistung abzulegen. Sie hat die Klausur im Modul „Statistik I“ viermal angefertigt und jeweils nicht bestanden. Die Klägerin muss sich die durchgeführten Prüfungsversuche entgegenhalten lassen. Die Prüfungsversuche sind gültig und nicht zu annullieren. Die von der Klägerin erhobenen Einwendungen, anhand derer nach dem vorgestellten Maßstab (s.o. c.) die Prüfungsentscheidung gerichtlich zu überprüfen ist, zeigen keine durch Neudurchführung des Prüfungsversuchs zu behebenden Verfahrensfehler auf. Im Einzelnen ist die Verwendung von „Multiple-Choice“-Aufgaben nicht zu beanstanden (hierzu unter aa.). Weder ist die Klägerin nachträglich wirksam von den angefertigten Klausuren zurückgetreten (hierzu unter bb.) noch kann ein Nachteilsausgleich nachträglich zur Annullierung der Klausuren führen (hierzu unter cc.).

40

aa. Die Verwendung von Aufgaben im Antwort-Wahl-Verfahren („Multiple-Choice“ in der Variante „Single-Choice“) in zwei der von der Klägerin im Modul „Statistik I“ angefertigten Klausuren ist entgegen der von der Klägerin erhobenen Einwendung keinen Bedenken ausgesetzt.

41

Gemäß § 13 Abs. 4 Buchst. a PO 2010 können Klausuren auch im Antwort-Wahl-Verfahren gestellt sein. Unabhängig davon ist eine gesonderte Ermächtigung für „Multiple-Choice“-Aufgaben nicht erforderlich, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die vom Prüfer korrigierte Arbeit nicht von ihm selbst gestellt worden ist (Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 42, 601).

42

Eine detaillierte Regelung von absoluten und relativen Bestehensgrenzen ist entbehrlich, wenn – wie hier – das Antwort-Wahl-Verfahren nur einen Teil der Klausuraufgabe darstellt, denn dann können Anforderungen, Antwortverhalten der Studierenden und Ergebnisse in einer Weise überschaubar und differenzierbar sein, wie dies auch bei einer herkömmlichen Aufgabenstellung der Fall ist (Niehues/Fischer/Jeremias, a.a.O., Rn. 600; vgl. OVG Münster, Urt. v. 16.12.2008, 14 A 2154/08, NVwZ-RR 2009, 422, juris Rn. 44). Es bedarf auch keiner normativen Ermächtigung für die Festlegung der relativen und absoluten Bestehensgrenzen, wenn – wie hier – die Arbeit nach dem individuellen Bewertungsschema des jeweiligen Prüfers bewertet werden darf (Niehues/Fischer/Jeremias, a.a.O., Rn. 601; OVG Münster, Beschl. v. 11.11.2011, 14 B 1109/11, juris, Rn. 18 ff.). Überdies zeigt eine nachträgliche Bildung der relativen Bestehensgrenze, dass die Klägerin die beiden betroffenen Klausuren auch relativ nicht bestanden hat: In der Klausur vom 19. März 2013 waren 34 von 100 Punkten für ein absolutes Bestehen erforderlich. Die Leistung der Klägerin mit 17 Punkten lag um mehr als 50 % unter der Durchschnittsleistung von 41,66 Punkten, so dass sie die Klausur selbst bei Ansatz einer zu ihren Gunsten sehr hohen relativen Bestehensgrenze von 25 % nicht bestanden hätte. Entsprechendes gilt für die Klausur vom 12. Februar 2014, in der 44 von 100 Punkten für ein absolutes Bestehen zu erreichen waren. Die Leistung der Klägerin von lediglich 23 Punkten liegt weit über 25 % unter der Durchschnittsleistung der Prüfungsteilnehmer von 54,79 Punkten.

43

Unabhängig davon ist für die Klägerin aus der Verwendung von Aufgaben im Antwort-Wahl-Verfahren kein konkreter Nachteil ersichtlich, da sie in Aufgaben dieser Art jeweils einen höheren Punktanteil als in herkömmlichen Aufgaben erzielt hat. In der Klausur vom 19. März 2013 erzielte sie in den betreffenden Aufgaben immerhin 15 von 50 Punkten, in den anderen Aufgaben lediglich 2 von 50 Punkten. In der Klausur vom 12. Februar 2014 erreichte sie in den Aufgaben des Antwort-Wahl-Verfahrens 12 von 24 Punkten, im Übrigen nur 11 von 78 Punkten.

44

bb. Die Klägerin kann von den bereits absolvierten Prüfungsversuchen auch angesichts der vorgetragenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen nach dem insoweit anzulegenden Maßstab nicht nachträglich wirksam zurücktreten. Im Einzelnen:

45

Nach § 16 Abs. 1 PO 2010 gilt eine Prüfungsleistung als mit „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet, wenn der Prüfling ohne triftigen Grund einen Prüfungstermin oder eine Prüfungsfrist i.S.d. PO 2010 versäumt, nach Beginn einer (Teil-)Prüfung zurücktritt oder eine schriftliche Prüfungsleistung nicht innerhalb der vorgesehenen Bearbeitungszeit beginnt oder erbringt. Der für den Rücktritt oder das Versäumnis geltend gemachte Grund muss nach § 16 Abs. 2 Satz 1 PO 2010 dem Prüfungsausschuss unverzüglich schriftlich angezeigt und glaubhaft gemacht werden. Das Erfordernis des triftigen Grundes wird durch § 16 Abs. 2 Satz 2 PO 2010 dahingehend konkretisiert, dass bei Krankheit des Prüflings ein qualifiziertes ärztliches Attest vorzulegen ist. Dies ist nach § 16 Abs. 2 Satz 3 PO 2010 ein Attest, das Angaben enthält über die von der Erkrankung ausgehende körperliche bzw. psychische Funktionsstörung, die Auswirkungen der Erkrankung auf die Prüfungsfähigkeit des Prüflings aus medizinischer Sicht, den Zeitpunkt des dem Attest zugrunde liegenden Untersuchungstermins sowie die ärztliche Prognose über die Dauer der Erkrankung. Das Gebot der Unverzüglichkeit wird ausgehend von der Satzungsbestimmung des § 16 Abs. 2 Satz 5 PO 2010 dahingehend verschärft, dass nach Beendigung einer Prüfungsleistung Rücktrittsgründe nicht mehr geltend gemacht werden. Selbst wenn diese Satzungsbestimmung aufgrund höherrangigen Rechts im Fall einer zunächst unerkannten Prüfungsunfähigkeit zugunsten des Prüflings durchbrochen werden müsste, ist doch gerade in diesem Fall an die Unverzüglichkeit des Rücktritts ein strenger Maßstab anzulegen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die sich die Kammer zu eigen macht, ist es Sache des Prüflings, sich darüber Klarheit zu verschaffen, ob seine Leistungsfähigkeit durch außergewöhnliche Umstände, insbesondere durch Krankheit, erheblich beeinträchtigt ist, und bejahendenfalls daraus unverzüglich die in der jeweiligen Prüfungsordnung vorgesehenen Konsequenzen zu ziehen, und zwar bei krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit grundsätzlich vor Beginn der Prüfung, spätestens aber dann, wenn er sich ihrer bewusst geworden ist (BVerwG, Urt. v. 7.10.1988, 7 C 8/88, BVerwGE 80, 282, juris Rn. 12). Ein Rücktritt ist dann nicht mehr unverzüglich, wenn der Prüfling die Erklärung nicht zu dem frühestmöglichen Zeitpunkt abgegeben hat, zu dem sie von ihm in zumutbarer Weise hätte erwartet werden können (BVerwG, Urt. v. 13.5.1998, 6 C 12/98, BVerwGE 106, 369, juris Rn. 18 ff.; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 283 m.w.N.). Eine den Grundsatz der Chancengleichheit zu Lasten der Mitbewerber verletzende zusätzliche Prüfungschance verschafft sich nicht nur derjenige, dem es gelingt, durch nachträglich vorgetäuschte Prüfungsunfähigkeit die Genehmigung des Rücktritts zu erreichen, sondern auch der, der tatsächlich prüfungsunfähig war, sich aber in Kenntnis seines Zustandes der Prüfung unterzogen hat, um sich im Falle des Misserfolgs durch nachträglichen Rücktritt den Rechtswirkungen der fehlgeschlagenen Prüfung zu entziehen. Diesen Gefahren für die Chancengleichheit wird entgegengewirkt, wenn die nachträglich geltend gemachte Prüfungsunfähigkeit zwar als Rücktrittsgrund nicht von vornherein ausgeschlossen, an die Geltendmachung aber die Anforderung der Unverzüglichkeit gestellt wird (BVerwG, Urt. v. 7.10.1988, a.a.O., Rn. 11). Macht ein Prüfling geltend, dass er seine Prüfungsunfähigkeit erst nachträglich erkennen und einschätzen konnte, müssen die dafür maßgeblichen Gründe in gleicher Weise glaubhaft gemacht werden wie die Prüfungsunfähigkeit selbst (OVG Münster, Beschl. v. 8.12.2009, 14 E 861/09, juris Rn. 3). Kenntnis von der Prüfungsunfähigkeit hat der Prüfling schon dann, wenn ihm sein gesundheitlicher Zustand (speziell seine gesundheitlichen Beschwerden) in den wesentlichen Merkmalen bewusst ist und er die Auswirkungen der Erkrankung auf seine Leistungsfähigkeit im Sinne einer „Parallelwertung in der Laiensphäre“ erfasst (BVerwG, Beschl. v. 22.9.1993, 6 B 36/93, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 318, juris Rn. 4).

46

Nach dem vorstehenden Maßstab ist die Klägerin von den unternommenen Prüfungsversuchen nicht wirksam zurückgetreten. Es fehlt – auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin dargelegten gesundheitlichen Beeinträchtigungen – an dem vorausgesetzten triftigen und dabei unverzüglich geltend gemachten Rücktrittsgrund sowie an einer unverzüglichen Rücktrittserklärung. Die Klägerin hat vorprozessual vorgetragen, wegen ihrer Krankheit sei es ihr sehr schwer gefallen sei, im Studium mit anderen mitzuhalten und notwendige Leistungen termingerecht zu erbringen. Sie sei – so heißt es in dem von ihr vorgelegten Entlassungsbericht des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf vom 19. Oktober 2015 – in den vorausgegangenen zwei Jahren durch mehrfache familiäre, berufliche und gesundheitliche Belastungsfaktoren stark beeinträchtigt gewesen. Vor dem Hintergrund von u.a. erheblichen Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen seien die Prüfungsvorbereitungen für die Statistik-Klausur erheblich erschwert gewesen; die Störungen hätten sich unter dem Druck der Prüfungsbedingungen und der Anforderung, komplexe Zusammenhänge unter Zeitdruck zu erfassen, extrem verstärkt. Schriftsätzlich hat die Klägerin vorgetragen, die nachgereichten Atteste wiesen eine chronische Krankheit nach, was einen Härtefallantrag ermögliche; es werde keine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht erfolgen. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, sie sei nicht gesund gewesen, habe sich allerdings nicht krank gemeldet, weil sie Druck von der Ausländerbehörde empfunden habe. Sie habe bisher nicht alle gesundheitlichen Belastungen dargelegt, dies gelte insbesondere für psychische Themen. Damit ist bereits keine krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit durch qualifiziertes Attest nach § 16 Abs. 2 Sätze 2 und 3 PO 2010 glaubhaft gemacht. Zwar ist für die Prüfungszeit eine chronische Eierstockentzündung attestiert. Doch sind nicht aus medizinischer Sicht die konkreten Auswirkungen einer von dieser Erkrankung ausgehenden Funktionsstörung auf die Leistungsfähigkeit in der Prüfung dargelegt. Dem Druck durch die Prüfungsbedingungen, insbesondere der Anforderung, komplexe Zusammenhänge unter Zeitdruck zu erfassen, muss sich jeder Prüfling stellen. Darin liegt keine krankheitsbedingte Besonderheit. Auch familiäre und berufliche Belastungen sind, soweit sie nicht – was hier nicht vorgetragen ist – zu einer bestimmten psychischen Krankheit geführt haben, von jedem Prüfling zu tragen, ohne dass sich daraus Folgen für das Prüfungsrechtsverhältnis ergeben. Unabhängig davon ist nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin eine Prüfungsunfähigkeit erst nachträglich hätte erkennen und einschätzen können, wie es aber nach dem dargestellten Maßstab wegen des Gebots der Chancengleichheit für einen ausnahmsweise erst nach Beendigung der Prüfungsleistung erklärten wirksamen Rücktritt Voraussetzung ist.

47

cc. Die Klägerin kann auch nicht wegen eines Nachteilsausgleichs nach § 11 Abs. 1 Satz 1 PO 2010 von den absolvierten Prüfungsversuchen nachträglich Abstand nehmen. Nach dieser Vorschrift kann der Vorsitzende bzw. die Vorsitzende des Prüfungsausschusses die Bearbeitungszeit für Prüfungsleistungen bzw. die Fristen für das Ablegen von Prüfungen verlängern oder gleichwertige Prüfungsleistungen in einer bedarfsgerechten Form gestatten, wenn ein Studierender bzw. eine Studierende glaubhaft macht, dass er bzw. sie wegen einer chronischen Krankheit oder einer Behinderung nicht in der Lage ist, die Prüfungsleistungen ganz oder teilweise in der vorgesehenen Form oder innerhalb der in der PO 2010 genannten Prüfungsfristen abzulegen. Diese Vorschriften bieten keine Grundlage dafür, nachträglich von einem absolvierten Prüfungsversuch Abstand zu nehmen. Seiner Konzeption nach kann ein Nachteilsausgleich nur gewährt werden, bevor der Prüfling den Prüfungsversuch antritt bzw. bevor die Prüfungsfrist abläuft. Er dient nicht nach Ablegen der Prüfung der Korrektur des erzielten Prüfungsergebnisses, sondern dem Ausgleich von den sich in der Abnahme der Prüfung selbst für den Prüfling ergebenden Nachteilen. In der Prüfung wird ein Nachteilsausgleich gewährt, wenn eine Behinderung vorliegt, die den Nachweis der vorhandenen Befähigung erschwert und die in der Prüfung sowie in dem angestrebten Beruf durch Hilfsmittel ausgeglichen werden kann (Niehues/Fischer/Jeremias, a.a.O., Rn. 259). Die Klägerin hat vor Abnahme der Prüfungsversuche und vor Ablauf der regulären Modulfrist keinen Nachteilsausgleich wegen einer chronischen Krankheit beantragt.

48

e. Die Modulfrist war auch nicht ausnahmsweise zu verlängern. Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 PO 2010 kann die Modulfrist bei Vorliegen eines besonderen Härtefalls durch den Prüfungsausschuss verlängert werden. Die Frist ist nach § 10 Abs. 3 Satz 2 PO 2010 so zu bemessen, dass jeweils nur eine weitere Prüfungsmöglichkeit besteht. Der Antrag ist nach § 10 Abs. 3 Satz 3 PO 2010 rechtzeitig vor Ablauf der Frist beim Prüfungsausschuss zu stellen und schriftlich zu begründen. Krankheit ist gemäß § 10 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 16 Abs. 2 Satz 3 PO 2010 durch Vorlage eines qualifizierten ärztlichen Attests nachzuweisen, d.h. eines Attests mit Angaben über die von der Erkrankung ausgehende körperliche bzw. psychische Funktionsstörung, die Auswirkungen der Erkrankung auf die Prüfungsfähigkeit des Prüflings aus medizinischer Sicht, den Zeitpunkt des dem Attest zugrunde liegenden Untersuchungstermins sowie die ärztliche Prognose über die Dauer der Erkrankung. Nach diesen Maßstäben fehlt es sowohl an einem rechtzeitigen Antrag (hierzu unter aa.) als auch an einem besonderen Härtefall (hierzu unter bb.).

49

aa. Es fehlt bereits an einem rechtzeitig vor Ablauf der regulären Modulfrist mit Ende des 5. Fachsemesters des Nebenfachstudiums am 31. März 2015 gestellten und begründeten Antrag auf eine Verlängerung der Modulfrist. Ein an die Beklagte gerichtetes Ersuchen der Klägerin, die Modulprüfung im Modul „Statistik I“ über die reguläre Modulfrist hinaus fortzusetzen, kann erst in dem am 21. April 2015 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 20. April 2015 gesehen werden, in dem die Klägerin eine „Zulassung zur mündlichem Prüfung im Studienfach Statistik I“ beantragt hat.

50

Unerheblich ist, ob die Beklagte sich ausgehend von der Begründung des Bescheids vom 29. April 2015 auf eine Prüfung der weiteren, d.h. über das Erfordernis einer rechtzeitigen Antragstellung hinausgehenden, Voraussetzungen einer Modulfristverlängerung eingelassen hat. Die rechtzeitige Antragstellung ist selbst eine satzungsmäßige Voraussetzung der Modulfristverlängerung. Die Satzung ermächtigt die Beklagte nicht, im Einzelfall von dieser Voraussetzung abzusehen. Denn anders als die Widerspruchsfrist nach § 70 VwGO, deren Versäumnis dann nicht mehr zu beachten ist, wenn die Widerspruchsbehörde in der Sache über einen Widerspruch entschieden hat (BVerwG, Urt. v. 20.6.1988, 6 C 24/87, NVwZ-RR 1989, 85, juris Rn. 9) und kein Dritter betroffen ist (BVerwG, Urt. v. 18.5.1982, 7 C 42/80, BVerwGE 65, 313, juris Rn. 19), dient das Erfordernis, eine Verlängerung der Modulfrist noch vor deren Ablauf zu beantragen, dem rechtsstaatlichen Gebot der Chancengleichheit der Prüflinge, von dem die Behörde nicht absehen kann.

51

Der Antrag der Klägerin auf eine Modulfristverlängerung wäre auch dann als nicht als rechtzeitig zu behandeln, wenn zugunsten eines Prüflings die Grundsätze einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entsprechend § 32 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVfG oder § 60 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 VwGO Anwendung fänden. War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm im Anwendungsbereich dieser Vorschriften auf einen innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellten Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Mangelnde Rechtskenntnis entschuldigt eine Fristversäumnis dabei in aller Regel nicht (BVerwG, Beschl. v. 7.10.2009, 9 B 83/09, NVwZ-RR 2010, 36, juris Rn. 3). Ausgehend davon war die Klägerin bereits nicht unverschuldet gehindert, die Modulfristverlängerung rechtzeitig zu beantragen. Die Klägerin musste sich über die rechtlichen Möglichkeiten, insbesondere im Hinblick auf eine Verlängerung der Modulfrist informieren und entsprechend handeln. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVfG nicht fähig gewesen wäre, Verfahrenshandlungen – etwa die Beantragung einer Modulfristverlängerung – wirksam vorzunehmen.

52

bb. Unabhängig davon ist der vorausgesetzte besondere Härtefall nicht gegeben.

53

Die einzelnen Prüfungsversuche, in denen die Klägerin vier Mal die Gelegenheit hatte, die Modulprüfung „Statistik I“ zu bestehen, muss die Klägerin sich auch angesichts der vorgetragenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen entgegenhalten lassen (s.o. d. bb.). Die vorgetragenen Umstände haben nicht dazu geführt, dass die Klägerin keine Prüfungsleistung hätte ablegen können. Nach eigenem Vortrag war der Klägerin dies in anderen Fächern sehr wohl mit Erfolg möglich. Der Misserfolg in einem bestimmten Fach über eine Vielzahl von Prüfungsversuchen über einen längeren Zeitraum spricht dafür, dass die Klägerin, die im Nebenfachstudium alle Modulleistungen – außer in Statistik – erbracht hat, die in diesem Fach gestellten Anforderungen nicht bewältigen konnte. Dies deckt sich mit der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung selbst vorgetragenen Einschätzung, die Klausur „Statistik I“ sei eben besonders schwer.

54

Soweit die Klägerin vorgetragen hat, sie habe einen Verzicht auf die Klausuren nicht in Betracht ziehen können, da „enormer Druck seitens diverser Instanzen“ entstanden sei, wie beispielsweise der Ausländerbehörde, und sie habe auch nicht weiter ein Teilzeitstudium betreiben können, weil sie dann mit ihrem Aufenthaltstitel Schwierigkeiten bekommen hätte, leitet sich daraus zu ihren Gunsten nichts her. Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Aufenthaltstitel erteilt oder verlängert werden kann, ist von der zuständigen Ausländerbehörde nach dem Aufenthaltsgesetz zu entscheiden, wobei im Streitfall dem Betroffenen der gerichtliche Rechtsschutz offensteht. Ist die Ausländerbehörde bei einer aufenthaltsrechtlichen Entscheidung gegenüber einem ausländischen Studierenden in einer bestimmten Weise vorgegangen, so kann der Betroffene dies nicht im Verhältnis zur Ausländerbehörde hinnehmen und später im prüfungsrechtlichen Verfahren gegenüber seiner Hochschule in Frage stellen. Soweit die Klägerin sich, etwaig mit Rücksicht auf aufenthaltsrechtliche Implikationen, entschieden hat, in Vollzeitform zu studieren und an den Klausuren teilzunehmen, muss sie sich an ihrer Entscheidung festhalten lassen und darf sie sich dazu nicht in Widerspruch setzen.

55

Im Übrigen wäre der Klägerin bei einem erfolgreichen Verlängerungsantrag gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 PO 2010 nur eine weitere Prüfungsmöglichkeit eingeräumt worden. Unterstellt, die Bewertung der von der Klägerin am 12. Februar 2016 unter Vorbehalt angefertigten Klausur hätte Bestand, wäre diese Prüfungsmöglichkeit bereits erschöpft.

56

3. Die einschlägigen Satzungen – PO 2010 und FSB 2010 – bieten eine wirksame Rechtsgrundlage für die Abnahme der Prüfungsleistung „Statistik I“ als Pflichtmodul im Nebenfachstudium der Betriebswirtschaftslehre. Sie genügen den höherrangigen Vorgaben, soweit Anlass zur Überprüfung bestand. Eine gesetzlich nicht vorgesehene Kumulation von Modulfristen mit einer Beschränkung der Anzahl der Wiederholungsversuche findet sich in den einschlägigen Satzungen nicht (hierzu unter a.). Der verpflichtende Charakter der Prüfungsleistung „Statistik I“ auch im Nebenfachstudium der Betriebswirtschaftslehre ist mit den Grundrechten vereinbar (hierzu unter b.). Die Dauer der Prüfungsleistung ist in einer dem gesetzlichen Regelungsauftrag des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG 2001 genügenden Weise normativ bestimmt (hierzu unter c.).

57

a. Die PO 2010 und die FSB 2010 begegnen nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil nach dem zum Zeitpunkt des Satzungserlasses gültigen Gesetz (§ 65 des Hamburgischen Hochschulgesetzes in der vom 19.7.2001, HmbGVBl. S. 171, bis 30.6.2014, sodann geändert durch das Gesetz zur Weiterentwicklung des Hochschulrechts v. 8.7.2014, HmbGVBl. S. 269) die Bestimmung von Modulfristen und die Beschränkung der Anzahl der Wiederholungsversuche nicht kumulativ Anwendung finden dürfen (dazu VG Hamburg, Urt. v. 5.11.2015, 2 K 950/14, juris Rn. 57). Zwar enthält § 10 Abs. 2 Satz 3 PO 2010 eine Ermächtigung, in den Fachspezifischen Bestimmungen die Anzahl der Prüfungsversuche auf drei zu beschränken. Davon ist jedoch in den auf das Nebenfachstudium der Klägerin zeitlich anwendbaren FSB 2010 kein Gebrauch (mehr) gemacht worden, so dass allein eine Modulfristregelung ohne Kumulation mit einer Beschränkung der Anzahl der Prüfungsversuche Geltung beansprucht.

58

b. Das Erfordernis des Abs. 3 Satz 4 FSB 2010 zu § 4 Abs. 3 und 4 PO 2010, dass zum Bestehen der Bachelorprüfung im Nebenfachstudium der Betriebswirtschaftslehre, die Prüfungsleistung „Statistik I“ als Pflichtmodul bestanden werden muss, ist mit den Grundrechten vereinbar. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 29.5.2013, 6 C 18/12, DVBl. 2013, 1122, juris Rn. 27), der sich die Kammer anschließt, genügt eine Regelung, nach der das Nichtbestehen einer Teilprüfung zum Nichtbestehen der Gesamtprüfung führen soll, den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG, wenn die Teilprüfung schon für sich genommen eine zuverlässige Grundlage für die Beurteilung der Eignung des Prüflings bietet; ob dies der Fall ist, obliegt dabei regelmäßig in weitem Umfang der eigenen Einschätzung des Normgebers, die gerichtlich nur beanstandet werden darf, wenn sie offenkundig sachlich unvertretbar ist. Diese dem Normgeber eingeräumte Einschätzungsprärogative ist vorliegend nicht überschritten. Nach der in den FSB 2010 enthaltenen Modulübersicht für die erste Studienphase dient das im Hauptfach einheitliche Modul „Statistik I + II“ und damit insbesondere die der Prüfungsleistung „Statistik I“ zugeordnete Lehrveranstaltung dem „Erlernen und Anwenden von elementaren Methoden, die für die Wirtschaftsstatistik sowie für die deskriptive und die schließende Statistik im Rahmen des wirtschaftswissenschaftlichen Studiums von Bedeutung sind“. Es ist nachvollziehbar, dass der Satzungsgeber wirtschaftswissenschaftliches Methodenwissen auch im Nebenfachstudium für unentbehrlich gehalten hat.

59

c. Die Dauer der Prüfungsleistung ist in einer dem gesetzlichen Regelungsauftrag des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG 2001 noch genügenden Weise normativ bestimmt. Nach dieser Gesetzesvorschrift sind in Hochschulprüfungsordnungen, die – wie hier – Prüfungen in modularisierten Studiengängen, Zwischen- und Abschlussprüfungen oder Abschlussprüfungen betreffen, insbesondere Bestimmungen aufzunehmen über Zahl, Art, Dauer und Bewertung von Prüfungsleistungen. Bezogen auf das Nebenfach ist das Modul „Statistik I“ nach den FSB 2010 mit einer Prüfungsleistung in der Prüfungsart der Klausur abzuschließen (s.o. 2. a.). Für die Dauer dieser Prüfungsleistung ist in § 13 Abs. 4 Buchst. a PO 2010 ein Rahmen von 45 Minuten bis 180 Minuten satzungsmäßig bestimmt. Innerhalb dieses Rahmens bleibt die minutengenaue Festlegung der Prüfungsdauer gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 PO 2010 den Prüfern überlassen. Nach dem Maßstab des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG 2001 (hierzu unter aa.) genügt die normative Bestimmung der Dauer der Prüfungsleistung durch Angabe eines durch eine Höchst- und eine Mindestdauer bezogenen Rahmens dem gesetzlichen Regelungsauftrag (hierzu unter bb.).

60

aa. Der Maßstab des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG 2001 ergibt sich aus Folgendem:

61

Zur Auslegung der gesetzlichen Vorgaben des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG knüpft die Kammer zunächst an ihre nachfolgend wiedergegebene Rechtsprechung (VG Hamburg, Urt. v. 5.11.2015, 2 K 950/14, juris Rn. 42, Hervorhebung nur hier) an:

62

„§ 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG erfordert es, dass diese Bestimmungen konkret in der Prüfungsordnung selbst geregelt werden (vgl. Delfs, in Neukirchen, Reußow/Schomburg, Hamburgisches Hochschulgesetz, 2011, § 60 Rn. 4). […] Dabei betreffen die Bestimmungen gemäß § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG die Prüfungsanforderungen und damit 'zentrale Elemente der Hochschulprüfungsordnung' (Delfs, a.a.O, § 60 Rn. 8). Hieraus folgt, dass ein strenger Maßstab anzulegen ist: Zahl, Art, Dauer und Bewertung von Prüfungsleistungen sind – hinreichend konkret – in der Prüfungsordnung selbst zu regeln, eine Regelung in einem anderen Dokument – auch in einer Studienordnung – ist nicht zulässig.“

63

Die Kammer ergänzt ihre Ausführungen dahingehend, dass die Dauer der Prüfungsleistung dann noch „hinreichend konkret“ angegeben ist, wenn die Prüfungsordnung für die Anfertigung der Prüfungsleistung einen Zeitrahmen vorgibt, sofern der Zeitrahmen nicht zu weit ist, um eine normative Eingrenzung vorzunehmen. Soweit der Satzungsgeber den Prüfern innerhalb des von ihm durch § 13 Abs. 4 Buchst. a PO 2010 bestimmten Rahmens die minutengenaue Festlegung der Prüfungsdauer nach § 13 Abs. 2 Satz 1 PO 2010 überlassen hat, liegt darin keine – unzulässige – Delegation einer Normsetzungskompetenz. Vielmehr beruht der den Prüfern im Einzelfall verbleibende Spielraum auf der – im Einklang mit der gesetzlichen Vorgabe – beschränkten Konkretisierungsdichte der Satzungsbestimmung über die Dauer der Prüfungsleistung. Ein normatives Defizit der Prüfungsordnung ist insoweit nicht festzustellen. Denn der gesetzgeberische Regelungsauftrag an den Satzungsgeber geht nicht so weit, dass die Dauer der Prüfungsleistung in der Prüfungsordnung notwendigerweise minutengenau festgelegt werden müsste. Diese Auslegung des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG stützt sich auf den Wortlaut des Gesetzes, die gesetzliche Systematik sowie auf den Gesetzeszweck, der aus der Gesetzgebungsgeschichte im Lichte der verfassungsrechtlichen Anforderungen abzuleiten ist. Im Einzelnen:

64

Aus dem Gesetzwortlaut folgt das Erfordernis, in der Prüfungsordnung eine zeitliche Vorgabe zu machen. Dem ist aber bereits dann Genüge getan, wenn ein hinreichend enger Zeitrahmen bestimmt ist, der durch die Prüfer auszuschöpfen ist. Der Wortlaut „Bestimmungen über Dauer von Prüfungsleistungen“ erfordert hingegen nicht notwendig eine minutengenaue Vorgabe der Prüfungszeit.

65

Die dem Wortlaut des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG 2001 innewohnende Offenheit bestätigt sich in gesetzessystematischer Hinsicht durch einen Vergleich mit dem Wortlaut des § 60 Nr. 2, 3, 5, 6, 7, 9, 10, 12, 13, 14, 16 HmbHG 2001. In diesen Katalognummern ist jeweils vom bestimmten Artikel Gebrauch gemacht. So sind danach etwa Bestimmungen über „die Voraussetzungen für die Zulassung zur Prüfung“ in die Prüfungsordnung aufzunehmen. Demgegenüber werden durch § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG 2001 lediglich – artikellos – „Bestimmungen […] über Dauer […] von Prüfungsleistungen“ gefordert.

66

Der vom Gesetzgeber mit der Katalognummer des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG 2001 verfolgte Gesetzeszweck ist derselbe, wie der mit der insoweit wortlautgleichen Katalognummer in der Vorgängervorschrift § 54 Abs. 1 UAbs. 2 Nr. 4 HmbHG 1978 (v. 22.5.1978, HmbGVBl. S. 109, vgl. § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HmbHG 1991 i.d.F. v. 2.7.1991, HmbGVBl. S. 249) verfolgte. Die Begründung zur Neufassung des Hamburgischen Hochschulgesetzes (Bü.-Drs. 16/5759 S. 47) bietet keinen entgegenstehenden Anhaltspunkt. Dort heißt es zu § 60 HmbHG 2001:

67

„Die Bestimmung (bisher § 54) ist aktualisiert worden.

68

Beim notwendigen Inhalt von Hochschulprüfungsordnungen nach Absatz 2 sind zusätzlich berücksichtigt worden […]“

69

Nach der damaligen gesetzlichen Systematik ist nicht anzunehmen, dass der Wille des Gesetzgebers des HmbHG 1978 dahin ging, dem Satzungsgeber eine abschließende minutengenaue Festlegung der Prüfungsdauer aufzuerlegen. In § 54 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 1 HmbHG 1978 war die § 60 Abs. 1 HmbHG 2001 entsprechende Bestimmung enthalten, dass Prüfungsordnungen Prüfungsanforderungen und -verfahren regeln. In § 54 Abs. 1 UAbs. 1 Sätze 2 und 3 HmbHG 1978 war bestimmt, dass die Prüfungsordnungen die Beendigung der Abschlussprüfung grundsätzlich innerhalb der Regelstudienzeit oder zuzüglich eines Zeitraums von höchstens sechs Monaten vorsehen und Prüfungsanforderungen und -verfahren entsprechend zu gestalten sind. Der Katalog der Gegenstände, über die insbesondere Bestimmungen in die Prüfungsordnung aufzunehmen sind, war in § 54 Abs. 1 UAbs. 2 HmbHG 1978 zu finden. Die Bestimmungen des § 54 Abs. 1 HmbHG beruhten auf § 53 Abs. 1 des Gesetzesentwurfs, zu dessen Begründung es im Gesetzgebungsverfahren lediglich hieß (Bü.-Drs. 8/2649, S. 57 f.):

70

„Die Forderung des Absatzes 1, daß in den Prüfungsordnungen die materiellen Anforderungen ebenso abschließend zu regeln sind wie das Prüfungsverfahren, entspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen. Der Bewerber muss übersehen können, wie er sich vor und während der Prüfung einzurichten hat. Ferner müssen Prüfungsanforderungen und -verfahren so geregelt werden, daß die Abschlußprüfung auch innerhalb der Regelstudienzeit oder – wenn die betreffende Prüfungsordnung dies vorsieht, weil es den Gegebenheiten des Studiengangs besser gerecht wird – innerhalb eines zusätzlichen Zeitraums von höchstens sechs Monaten abgelegt werden kann.“

71

Für die Auslegung der in § 54 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 1 HmbHG 1978 (nunmehr § 60 Abs. 1 HmbHG 2001) Gesetz gewordenen und im Wortlaut sehr abstrakt bleibenden Forderung an den Satzungsgeber, die Prüfungsanforderungen und das -verfahren zu regeln, geht aus der zitierten Entwurfsbegründung hervor, dass mit Prüfungsanforderungen die materiellen Anforderungen gemeint sind und diese ebenso „abschließend“ zu regeln sind wie das Prüfungsverfahren. Dies scheint zunächst auf eine vom Gesetzgeber geforderte Totalregelung hinsichtlich aller nur denkbaren formellen und materiellen Aspekte der Hochschulprüfung hinzudeuten. Jedoch geht aus der Entwurfsbegründung der Wille des Gesetzgebers hervor, mit der an den Satzungsgeber gestellten Forderung nicht mehr zu tun als rechtsstaatlichen Grundsätzen zu genügen. Auch hat der Gesetzgeber die Pauschalforderung des § 54 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 1 HmbHG 1978 (nunmehr § 60 Abs. 1 HmbHG 2001) selbst nicht für erschöpfend und abschließend erachtet, sondern ihr in § 54 Abs. 1 UAbs. 2 HmbHG 1978 (nunmehr § 60 Abs. 2 HmbHG 2001) einen Katalog der Aspekte zur Seite gestellt, über die „insbesondere“ Bestimmungen in die Prüfungsordnung aufzunehmen sind. Für die geforderte Konkretisierungsdichte innerhalb des Katalogs ergibt sich daraus kein zwingender Schluss.

72

Den Gesetzgebungsmaterialien der Vorgängervorschrift kann allenfalls entnommen werden, dass der Gesetzgeber den Satzungsgeber anhalten wollte, rechtstaatlichen Grund-sätzen zu genügen. Diesem rechtsstaatlichen Gebot entspricht ausweislich der zitierten Entwurfsbegründung bereits die allgemeine Regelung in § 60 Abs. 1 HmbHG (Baasch/Delfs, HmbHG, 2. Aufl. 2016, § 60 Rn. 3). Aus der besonderen Regelung in § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG geht vor diesem Hintergrund nur hervor, dass der Gesetzgeber dem Satzungsgeber über die rechtsstaatlichen Anforderungen hinausgehend aufgegeben hat, die Abnahme der Prüfungsleistung in zeitlicher Hinsicht nicht ohne jede normative Eingrenzung zu lassen, vorzugsweise also eine Mindestdauer und eine Höchstdauer festzulegen. Rechtsstaatliche Anforderungen erzwingen jedoch keine minutengenaue Festlegung der Prüfungsdauer der Klausur. Die aus Demokratieprinzip, Rechtstaatsprinzip und den Grundrechten hergeleitete Wesentlichkeitstheorie, nach der alle Fragen, die für die Ausübung der Grundrechte wesentlich sind, vom Gesetzgeber als Legislative selbst zu entscheiden sind (vgl. BVerfG, Urt. v. 18.7.1972, 1 BvL 32/70 u.a., BVerfGE 33, 303, juris Rn. 86 f.; Beschl. v. 21.12.1977, 1 BvL 1/75 u.a., BVerfGE 47, 46, juris Rn. 89 ff.), gibt nicht unmittelbar dafür etwas her, welche Gegenstände der Satzungsgeber als Teil der Exekutive regeln muss. Vielmehr ist anerkannt, dass den Hochschulen im Rahmen der sich vor allem aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Grundsätze der Chancengleichheit und des prüfungsrechtlichen Fairnessgebots immer noch ein erheblicher Gestaltungsspielraum für konkrete Festlegungen vor allem zum Prüfungsverfahren, Prüfungsstoff und zu den Voraussetzungen für das Bestehen verbleibt (Baasch/Delfs, a.a.O., Rn. 2). Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten wird einerseits durch die Grundrechtspositionen der Studierenden gemäß Art. 12 Abs. 1 GG, andererseits durch die in Art. 5 Abs. 3 GG enthaltene objektive, das Verhältnis von Wissenschaft, Forschung und Lehre zum Staat regelnde, wertentscheidende Grundsatznorm begrenzt (BVerfG, Beschl. v. 26.6.2015, 1 BvR 2218/13, NVwZ 2015, 1444, juris Rn. 18). Zu den rechtsstaatlichen Anforderungen gehört es zwar, zeitliche Vorgaben für die einzelnen Prüfungsleistungen vorzusehen (Lenz, in Epping, Hrsg., Niedersächsisches Hochschulgesetz, 1. Aufl. 2016, § 7 Rn. 63). Doch ist insoweit damit nicht das Gebot einer normativen Totalregelung ohne jeden Spielraum verbunden. Insoweit ist nicht der Zugang zu Studium und Prüfung selbst betroffen (dazu vgl. OVG Münster, Beschl. v. 15.6.2015, 13 B 505/15, juris Rn. 5), sondern die Ausgestaltung der Prüfung.

73

Belässt der Normgeber einer Hochschulprüfungsordnung den Prüfern für die Abnahme einer Prüfung einen Spielraum, indem er hinsichtlich der Dauer der Prüfungsleistung statt einer fixen Vorgabe einen gewissen Zeitrahmen bestimmt, so lassen sich dafür sachliche Gründe finden. Dies gilt selbst ausgehend davon, dass die Lehrfreiheit der Hochschullehrer aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG grundsätzlich nicht durch normative Festlegungen zum Umfang der Prüfungsleistung berührt sind (Lenz, a.a.O., Rn. 61), sondern allenfalls dann, wenn davon Rückwirkungen auf die inhaltliche und methodische Gestaltung der Lehrveranstaltung ausgehen (BVerwG, Beschl. v. 22.8.2005, 6 BN 1/05, NVwZ-RR 2006, 36, juris Rn. 4). Die der Hochschule eröffneten gesetzlichen Spielräume dürfen nicht in einer vom Gesetzgeber nicht intendierten und mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unvereinbaren Weise verengt werden (BVerfG, Beschl. v. 26.6.2015, a.a.O., Rn. 23). Dies spricht für eine Auslegung des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG, der Hochschule als Satzungsgeber die Entscheidung darüber vorzubehalten, ob die Satzung selbst oder – in einem von der Satzung gezogenen Rahmen – die Prüfer die Prüfungsdauer minutengenau festlegen. Es erscheint auch nicht sachwidrig, wenn die Hochschule die Konkretisierungsdichte der Satzungsbestimmung über die Dauer der Prüfungsleistung beschränkt, um dadurch den Prüfern einen Spielraum zu belassen, wie weit sie den zum Gegenstand der konkreten Klausur gemachte Ausschnitt des sich aus der Modulbeschreibung ergebenden Prüfungsstoffs ziehen und wie lange zu diesem Zweck die Klausur dauern soll.

74

Das Gebot der Chancengleichgleichheit in berufsbezogenen Prüfungen aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG, welches das Prüfungsrecht beherrscht (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, juris Rn. 53), erfordert nichts anderes. Dem Gebot vergleichbarer Prüfungsbedingungen kann auch ohne eine bereits in der Satzung fixe Festlegung der Prüfungsdauer Genüge getan werden. Innerhalb eines Prüfungstermins folgt aus dem Gebot der Chancengleichheit, dass die Prüfungsbedingungen einschließlich der Prüfungsdauer, so gut es geht, gleich sein müssen. Außerhalb desselben Prüfungstermins genügt es, dass die Prüfer die Prüfungszeit im Rahmen sachgerechter Gesichtspunkte unter Beachtung der Chancengleichheit der Prüflinge festsetzen (OVG Münster, Beschl. v. 15.7.2011, 14 B 699/11, juris Rn. 10). Insoweit kann in Ermangelung einer normativen Vorgabe die ständige Übung als Maßstab zugrunde gelegt worden, von dem etwaige Abweichungen zu rechtfertigen sind (OVG Münster, Urt. v. 4.12.2013, 14 A 2138/12, juris Rn. 27). Auch muss sich der Prüfling bereits vor Anfertigung der Prüfungsleistung auf die angesetzte Prüfungsdauer einstellen können. Der Prüfling ist dadurch weder rechtlos noch rechtsschutzlos gestellt. Auf rechtzeitige und substantiierte Rüge hin kann er überprüfen lassen, ob die benannten rechtsstaatlichen Anforderungen im Einzelfall erfüllt sind.

75

Dem entspricht es, dass in der Rechtsprechung auch der Obergerichte kein Verstoß gegen die jeweils einschlägigen höherrangigen Anforderungen, einschließlich der genannten verfassungsrechtlichen Anforderungen gesehen wird, wenn es in den Prüfungsbestimmungen an einer fixen normativen Vorgabe für die Dauer einer berufsbezogenen Prüfung fehlt. Unbeanstandet geblieben sind Prüfungsbestimmungen, welche hinsichtlich der Dauer einer Prüfungsleistung lediglich eine ungefähre Dauer festlegen (OVG Münster, Urt. v. 17.7.1991, 22 A 1533/89, juris Rn. 5), nur eine Höchstdauer bestimmen (VG Düsseldorf, Urt. v. 2.5.2007, 15 K 676/06, juris Rn. 56; vgl. OVG Münster, Beschl. v. 24.5.2006, 14 B 610/06, juris Rn. 7; VG Hamburg, Urt. v. 14.9.2016, 2 K 295/16) oder nur eine Mindestdauer bestimmen (VG München, Urt. v. 10.7.2012, M 16 K 12.377, juris Rn. 9). Ein in den Prüfungsbestimmungen vorgegebener Zeitrahmen ist gleichfalls in der Rechtsprechung unbeanstandet geblieben (FG Hannover, Urt. v. 24.4.2008, 6 K 26/08, EFG 2008, 1156, juris Rn. 21; VG Berlin, Urt. v. 25.2.2015, 12 K 324.14, juris Rn. 19).

76

Der § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG zu entnehmende gesetzgeberische Regelungsauftrag, Bestimmungen über die Dauer von Prüfungsleistungen aufzunehmen, läuft in dieser Auslegung auch nicht leer. Die Gesetzesvorschrift gibt dem Satzungsgeber auf, die Prüfungszeit sowohl durch Angabe einer Höchstdauer „nach oben“ als auch durch Angabe einer Mindestdauer „nach unten“ zu begrenzen. Dies wäre ohne § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG nicht selbstverständlich. Denn es begegnen, wie die zitierte Rechtsprechung belegt, vielfach Prüfungsbestimmungen, die keine Vorgabe über die Prüfungszeit enthalten oder die Prüfungszeit nur „nach oben“ oder nur „nach unten“ begrenzen und im Übrigen offen lassen. Allerdings darf der in der Prüfungsordnung angegebene Zeitrahmen nicht so weit gefasst sein, dass der Prüfungsordnung hinsichtlich der Dauer der Prüfungsleistung jede praktische Steuerungswirkung abzusprechen wäre. Denn der Gesetzgeber hat mit der spezifischen Vorgabe in § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG ersichtlich darauf abgezielt, dass der Prüfungsordnungsgeber selbst eine Eingrenzung der Prüfungsdauer vornimmt. Ob die gebotene normative Eingrenzung der Prüfungszeit gegeben ist, bemisst sich dabei anhand des vorfindlichen Spektrums, in dem sich die Dauer von berufsbezogenen Prüfungen üblicherweise bewegt.

77

bb. Nach dem vorstehenden Maßstab ist der in § 13 Abs. 4 Buchst. a PO 2010 gezogene Rahmen, dass die Klausur mindestens 45 und höchstens 180 Minuten dauert, – noch – hinreichend eng, um dem Regelungsauftrag des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG gerecht zu werden.

78

Die eröffnete Spannweite ist zwar in relativer Hinsicht beachtlich – die Maximaldauer ist viermal so lang wie die Minimaldauer einer Klausur. In einer Klausur von geringerer Dauer kann der Prüfer nur einen kleineren Ausschnitt des der Lehrveranstaltung entsprechenden Prüfungsstoffs abprüfen als dies bei einer längeren für die Anfertigung der Klausur zur Verfügung stehenden Zeit der Fall wäre. Doch ändert sich in absoluter Hinsicht für den Prüfling das Wesen der Prüfung nicht. Eine Klausur von knapp einer Stunde einerseits oder eine Klausur von drei Stunden andererseits stellt für einen Prüfling eine gewisse, aber doch begrenzte Belastung dar. Der Prüfling muss auf den der Lehrveranstaltung entsprechenden Prüfungsstoff vorbereitet sein, unabhängig davon, ob er nun in einem größeren oder einem kleineren Ausschnitt zum Gegenstand der Klausur gemacht wird.

79

Ein Fall mangelnder normativer Eingrenzung ist nicht festzustellen. Vielmehr ist in § 13 Abs. 4 Buchst. a PO 2010 durch die dort festgelegte Mindestdauer der Klausur von 45 Minuten eine untere Grenze und durch die dort festgelegte Höchstdauer von 180 Minuten eine obere Grenze gezogen, die aus dem vorfindlichen Spektrum, in dem sich die Dauer von berufsbezogenen Prüfungen üblicherweise bewegt, einen gewissen Ausschnitt im unteren bis mittleren Bereich herausgreift und damit die Dauer der Prüfungsleistung normativ bestimmt. Das vorfindliche Spektrum der üblichen Dauer schriftlicher Prüfungen reicht weit über das Doppelte der in § 13 Abs. 4 Buchst. a PO festgesetzten Höchstdauer der Klausur von drei Stunden hinaus. So dauert beispielsweise eine Aufsichtsarbeit in der Bilanzbuchhalterprüfung vier Stunden (gemäß § 5 Abs. 3 der Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Fortbildungsabschluss Geprüfter Bilanzbuchhalter und Geprüfte Bilanzbuchhalterin v. 26.10.2015; BGBl. I S. 1819 – BibuchhFPrV 2015), eine Aufsichtsarbeit in der zweiten Staatsprüfung für Juristen fünf Stunden (gemäß § 8 Abs. 1 der Übereinkunft der Länder Freie Hansestadt Bremen, Freie und Hansestadt Hamburg und Schleswig-Holstein über ein Gemeinsames Prüfungsamt und die Prüfungsordnung für die zweite Staatsprüfung für Juristen, ratifiziert durch Gesetz v. 26.6.1972, HmbGVBl. S. 119; m. spät. Änd. – LÜ), eine Aufsichtsarbeit in der Steuerberaterprüfung vier bis sechs Stunden (gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften v. 12.11.1979, BGBl. I S. 1922, m. spät. Änd. – DVStB) und eine Aufsichtsarbeit in der Lebensmittelchemikerprüfung acht Stunden (gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für staatlich geprüfte Lebensmittelchemikerinnen und Lebensmittelchemiker v. 3.11.2015, HmbGVBl. S. 294 – APO-LMChem). In § 13 Abs. 4 Buchst. a PO 2010 ist auch eine untere Grenze der Prüfungsdauer gezogen und auf 45 Minuten festgesetzt. Die praktische Wirksamkeit dieser normativen Festsetzung zeigt sich darin, dass ohne die angegebene Mindestdauer auch ein Kurztest von geringerer Dauer als Prüfungsleistung nicht ausgeschlossen wäre.

80

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit unter Abwendungsbefugnis beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen das endgültige Nichtbestehen im Nebenfach Betriebswirtschaftslehre ihres Bachelorstudiengangs.

2

Die Klägerin nahm an der beklagten Hochschule zum Wintersemester 2005/2006 (1. Fachsemester des Hauptfachstudiums) ein Studium im Studiengang Deutsche Sprache und Literatur mit dem Studienziel Bachelor of Arts auf. Vom Sommersemester 2008 bis zum Sommersemester 2013 studierte sie in Teilzeitform. Im Hauptfach schloss die Klägerin ihr Studium erfolgreich ab. Im Nebenfach Betriebswirtschaftslehre begann sie unter Genehmigung der Beklagten zum Wintersemester 2011/2012 (0,5. Fachsemester des Nebenfachstudiums) das Studium neu. Seit dem Wintersemester 2013/2014 (3. Fachsemester des Nebenfachstudiums) studierte sie wiederum in Vollzeitform.

3

Im Nebenfachstudium fertigte die Klägerin die Klausur „Statistik I“ am 19. März 2013 (Wintersemester 2012/2013 und 1,5. Fachsemester des Nebenfachstudiums), am 12. Februar 2014 (Wintersemester 2013/2014 und 3. Fachsemester des Nebenfachstudiums), am 13. Februar 2015 sowie am 27. März 2015 (beide Wintersemester 2014/2015 und 5. Fachsemester des Nebenfachstudiums) an. Die Klausuren wurden jeweils als nicht bestanden bewertet.

4

Von diesen Klausuren enthielten diejenigen vom 19. März 2013 bzw. 12. Februar 2014 einen Anteil an Aufgaben im Antwort-Wahl-Verfahren. Bei der Klausur vom 19. März 2013 waren die Aufgaben 1 und 2 im Antwort-Wahl-Verfahren („Multiple-Choice“-Verfahren in der Variante „Single-Choice“) ausgestaltet, von insofern erreichbaren 50 Punkten erzielte die Klägerin nach der Bewertung durch die Prüfer 15 Punkte. Die Aufgaben 3 bis 8 unterlagen nicht dem Antwort-Wahl-Verfahren; von erreichbaren 50 Punkten erzielte die Klägerin 2 Punkte. Die absolute Bestehensgrenze der Klausur von 34 Punkten untertraf die Klägerin mit 17 Punkten. Im Mittel erreichten die Teilnehmer 41,66 Punkte. Bei der Klausur vom 12. Februar 2014 war die Aufgabe 1 im Antwort-Wahl-Verfahren („Single-Choice“) ausgestaltet, von insofern erreichbaren 24 Punkten erzielte die Klägerin 12 Punkte. Die übrigen Aufgaben 2 bis 7 unterlagen nicht dem Antwort-Wahl-Verfahren; von 78 erreichbaren Punkten erzielte die Klägerin 11 Punkte. Die absolute Bestehensgrenze der Klausur von 44 Punkten untertraf die Klägerin mit 23 Punkten. Im Mittel erreichten die Teilnehmer 54,79 Punkte. Beide Klausuren wurden jeweils durch zwei Prüfer bewertet.

5

Die Bewertungen der beiden Klausuren vom 19. März 2013 bzw. 12. Februar 2014 mit „durchgefallen“ (5,0) waren für die Klägerin im Hochschulinformationssystem „StiNE“ ab dem 10. April 2013 bzw. ab dem 13. April 2014 einsehbar.

6

Mit einem bei der Beklagten am 21. April 2015 eingegangenen Schreiben vom 20. April 2015 beantragte die Klägerin die „Zulassung zur mündlichem Prüfung im Studienfach Statistik I“. Sie trug vor, dass sie sich wegen des extrem hohen psychischen Drucks der letzten Klausur nicht konsequent auf die Klausuraufgaben habe konzentrieren können. Wegen verschiedener familiärer und privater Gründe habe sich ihr Studium über einen erheblichen Zeitraum erstreckt.

7

Mit Bescheid vom 29. April 2015, zugestellt am 4. Mai 2015, teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Vorsitzende des Prüfungsausschusses für den Bachelorstudiengang Betriebswirtschaftslehre die von ihr vorgebrachten Härtefallgründe für die Voraussetzungen einer Modulfristverlängerung geprüft habe und zur Entscheidung gelangt sei, dem Antrag nicht abzuhelfen. Sie habe die Modulprüfung für das Modul „Statistik I“ endgültig nicht bestanden. Da sie die Modulprüfung viermal in der Modulfrist durchlaufen und nicht erfolgreich absolviert habe, habe sie den Nebenfach-Bachelorstudiengang Betriebswirtschaftslehre endgültig nicht bestanden.

8

Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid mit am selben Tag eingegangenen Schreiben vom 19. Mai 2015 Widerspruch ein. Sie trug vor, dass sie im Laufe ihres Studiums mehrere chirurgische Eingriffe habe erdulden müssen. Als „mildernder Umstand“ sei auch die Unvergleichbarkeit zweier Prüfungsverfahren zu berücksichtigen, da zum Teil „Multiple-Choice“-Aufgaben zum Einsatz gekommen seien. Sie habe inzwischen im Nebenfach alle Modulleistungen – außer in Statistik – erbracht.

9

Ergänzend trug die Klägerin vor, wegen ihrer Krankheit sei es ihr sehr schwer gefallen, im Studium mit anderen mitzuhalten und notwendige Leistungen termingerecht zu erbringen. Eine „Multiple-Choice“-Aufgabenstellung sei unzulässig gewesen, da es keine relative Bestehensgrenze gegeben habe. Das Zwei-Prüfer-Prinzip sei nicht eingehalten.

10

Ferner legte die Klägerin einen Entlassungsbericht des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf vom 19. Oktober 2015 vor, nach dem die Klägerin in den vorausgegangenen zwei Jahren durch mehrfache familiäre, berufliche und gesundheitliche Belastungsfaktoren stark beeinträchtigt gewesen sei. Vor dem Hintergrund von u.a. erheblichen Konzentration- und Aufmerksamkeitsstörungen seien die Prüfungsvorbereitungen für die Statistik-Klausur erheblich erschwert gewesen; die Störungen hätten sich unter dem Druck der Prüfungsbedingungen und der Anforderung, komplexe Zusammenhänge unter Zeitdruck zu erfassen, extrem verstärkt.

11

Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2015 zurück und führte aus:

12

Der Bescheid über das endgültige Nichtbestehen sei rechtmäßig, da die Klägerin ihr Nebenfach Betriebswirtschaftslehre endgültig nicht bestanden habe. Die Klägerin habe die Modulprüfung im Modul „Statistik I“ auch in ihrer letzten Wiederholung am 27. März 2014 nicht bestanden. § 18 Abs. 1 der Prüfungsordnung sehe als Folge das endgültige Nichtbestehen der Bachelorprüfung vor. Der Antrag auf Zulassung zur mündlichen Prüfung in „Statistik I“ hätte schon mangels Rechtsgrundlage für die Zulassung zu einer mündlichen Prüfung abgelehnt werden können, weshalb er als Antrag auf Modulfristverlängerung ausgelegt worden sei. Die Klägerin begehre offensichtlich einen weiteren Prüfungsversuch, was allenfalls in Form einer Modulfristverlängerung gemäß § 10 Abs. 3 der Prüfungsordnung hätte gewährt werden können. Gemäß § 10 Abs. 2 der Prüfungsordnung seien Modulprüfungen für Pflichtmodule innerhalb von Fristen zu erbringen. Die Modulfrist im Modul „Statistik I“ sei für die Klägerin vom Wintersemester 2013/2014 (3. Fachsemester des Nebenfachstudiums) bis zum Wintersemester 2014/2015 (5. Fachsemester des Nebenfachstudiums) gelaufen. Innerhalb dieser Frist habe die Klägerin an drei Prüfungsversuchen erfolglos teilgenommen. Einen vierten Versuch habe sie bereits vor Beginn der Modulfrist erfolglos unternommen. Für die vierte Prüfungsmöglichkeit innerhalb der Modulfrist sei die Klägerin nicht angemeldet gewesen.

13

Die von der Klägerin geltend gemachten Einwendungen und vorgelegten „Nachweise“ rechtfertigten keinen weiteren Prüfungsversuch im Rahmen eines Nachteilsausgleichs nach § 11 Abs. 1 der Prüfungsordnung. Ein Antrag auf Nachteilsausgleich müsste nach dem Wortlaut dieser Vorschrift vor dem letzten Wiederholungsversuch gestellt werden. Der Nachteilausgleich diene der Anpassung der Prüfung an Nachteile eines konkreten Studenten, ermögliche es hingegen nicht, weitere Prüfungsversuche zu gestatten. Die von der Klägerin vorgetragene familiäre, gesundheitliche und berufliche Belastungssituation stelle auch keine chronische Krankheit oder Behinderung dar.

14

Ebenso wenig komme ein nachträglicher Rücktritt von den Klausuren in „Statistik I“ nach § 16 Abs. 1 der Prüfungsordnung in Betracht. Der einen Rücktritt tragende triftige Grund müsse unverzüglich angezeigt und der Rücktritt eindeutig erklärt werden. Hieran fehle es, da die Klägerin ihre Belastungssituation erst im Schreiben vom 20. April 2015 bekundet habe und der Wille, nachträglich von den Prüfungen zurücktreten zu wollen, daraus nicht deutlich hervorgehe.

15

Weiter seien die von der Klägerin geschriebenen Klausuren „Statistik I“ verfahrensfehlerfrei. Gegen das Zwei-Prüfer-Prinzip sei nicht verstoßen worden. Nach § 64 Abs. 7 Satz 1 HmbHG 2001 müssten studienbegleitende Prüfungsleistungen in Abschluss- und Zwischenprüfungen – wie die Klausuren im Modul „Statistik I“ – nicht von einem zweiten Prüfer bewertet werden. Das Antwort-Wahl-Verfahren sei ein zulässiger Klausurtyp. Eine nachträgliche Bildung der relativen Bestehensgrenze zeige, dass die Klägerin die beiden betroffenen Klausuren auch unter Annahme einer relativen Bestehensgrenze von 25 % – die zu Gunsten der Klägerin sehr hoch angesetzt sei – nicht bestanden habe.

16

Zur Begründung der am 17. Dezember 2015 erhobenen Klage trägt die Klägerin vor:

17

Die nachgereichten Atteste wiesen eine chronische Krankheit nach, was einen Härtefallantrag ermögliche; es werde keine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht erfolgen. Sie leide unter einer chronischen Eierstockentzündung. Da „enormer Druck seitens diverser Instanzen“ entstanden sei, wie beispielsweise der Ausländerbehörde, habe sie einen Verzicht auf die Klausuren nicht in Betracht ziehen können. Leider habe sie nichts von der Möglichkeit eines Nachteilsausgleichs gewusst und einen solchen deshalb nicht beantragt.

18

Ergänzend trägt die Klägerin vor, zu wenig Zeit gehabt zu haben, um sich vorzubereiten. Sie sei nicht gesund gewesen, habe sich allerdings nicht krank gemeldet, weil sie Druck von der Ausländerbehörde empfunden habe. Sie habe auch nicht weiter ein Teilzeitstudium betreiben können, weil sie dann mit ihrem Aufenthaltstitel Schwierigkeiten bekommen hätte. Sie habe bisher nicht alle gesundheitlichen Belastungen dargelegt, dies gelte insbesondere für psychische Themen. Ihr sei ein unter Vorbehalt bereits gewährter Wiederholungsversuch der Klausur „Statistik I“ als regulärer zu werten. Ihre gesundheitlichen Belastungen hätten sich auf die Prüfungsleistungen in verschiedenen Fächern ausgewirkt, aber die Klausur „Statistik I“ sei eben besonders schwer.

19

Die Klägerin beantragt,

20

den Bescheid vom 29. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Dezember 2015 aufzuheben

21

Die Beklagte beantragt,

22

die Klage abzuweisen.

23

Die Beklagte trägt vor: Vorprozessual habe sie nichts von einem Dauerleiden der Klägerin gewusst. Die Befassung mit einem Nachteilsausgleich im Widerspruchsbescheid sei lediglich vollständigkeitshalber erfolgt. Nach der Prüfungsordnung betrage die Dauer einer Klausur mindestens 45, höchstens 180 Minuten und könnten auch in Form eines Antwort-Wahl-Verfahrens durchgeführt werden. Die im Hochschulinformationssystem „StiNE“ eingetragenen Prüfungsbewertungen seien Verwaltungsakte. Sie seien mit Ablauf der Jahresfrist jeweils bestandskräftig geworden. Die Klägerin habe sich erstmals mit Schreiben vom 1. Juni 2015 gegen die Bewertungen der Klausuren gewandt. Eine (unter Vorbehalt) am 12. Februar 2016 angefertigte Klausur „Statistik I“ habe die Klägerin nicht bestanden.

24

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist die Prüfungsakte. Darauf sowie auf die Gerichtsakte wird wegen der Einzelheiten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

25

I. Die zulässige Klage ist nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 29. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Dezember 2015 über das endgültige Nichtbestehen der Klägerin in der Bachelorprüfung im Nebenfach Betriebswirtschaftslehre ist ausgehend von den einschlägigen Satzungen (hierzu unter 1.) gerechtfertigt (hierzu unter 2.). Die einschlägigen Satzungen bilden – als mit höherrangigem Recht vereinbar – eine wirksame Rechtsgrundlage (hierzu unter 3.).

26

1. Einschlägig ist für das von der Klägerin zum Wintersemester 2011/2012 aufgenommene Nebenfachstudium der Betriebswirtschaftslehre die Prüfungsordnung des Departments Wirtschaftswissenschaften der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften für Studiengänge mit dem Abschluss „Bachelor of Science“ (B.Sc.) (v. 20.9.2006, Amtl. Anz. S. 2959 – PO 2006, mit Änderungen v. 16.7.2008, Amtl. Bek. Nr. 43 v. 22.9.2008 sowie v. 14.7.2010, Amtl. Bek. Nr. 18 v. 23.5.2011 – PO 2010). Unanwendbar ist die letzte Änderung der Prüfungsordnung der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften für Studiengänge mit dem Abschluss Bachelor of Science (v. 6.8.2014, Amtl. Bek. Nr. 74 v. 10.9.2014), die gemäß deren § 2 Abs. 1 Satz 2 erstmals für Studierende gilt, die ihr Studium zum Wintersemester 2014/2015 in einem Studiengang der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften aufgenommen haben. Die Änderungsordnung gilt mit Wirkung zum Wintersemester 2014/2015 zwar grundsätzlich ebenfalls für Studierende, die ihr Studium vor Inkrafttreten dieser Änderungsordnung am 11. September 2014 in einem Studiengang der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften aufgenommen haben, aber nicht im Bachelorstudiengang Betriebswirtschaftslehre (B.Sc.), der nunmehr der Zuständigkeit der neueingerichteten Fakultät Betriebswirtschaftslehre unterfällt. Die Klägerin hat das Studium bereits zum Wintersemester 2011/2012 und im Nebenfach-Bachelorstudiengang der Betriebswirtschaftslehre aufgenommen. Zeitlich unanwendbar ist auch die Prüfungsordnung der Fakultät für Betriebswirtschaft für Studiengänge mit dem Abschluss „Bachelor of Science (B.Sc.)“ (v. 8.7.2015 und 27.1.2016, Amtl. Bek. Nr. 39 v. 22.6.2016), die gemäß ihrem § 23 erst ab dem Wintersemester 2015/2016 gilt. Bereits sachlich unanwendbar ist die neue Prüfungsordnung der (nicht mehr die Betriebswirtschaftslehre umfassenden) Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften für Studiengänge mit dem Abschluss „Bachelor of Science“ (B.Sc.) (v. 15.6.2016, Amtl. Bek. Nr. 62 v. 4.10.2016).

27

In Ergänzung der PO 2010 finden die Fachspezifischen Bestimmungen für den Bachelor-Studiengang Betriebswirtschaftslehre im Department Wirtschaftswissenschaften der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg (v. 4.10.2006, Amtl. Anz. S. 2846, Neufassung v. 15.4.2009, Amtl. Bek. Nr. 31 v. 21.6.2010 – FSB 2009, mit Änderung v. 16.6.2010, Amtl. Bek. Nr. 47 v. 7.12.2011 – FSB 2010) Anwendung. Zeitlich unanwendbar sind demgegenüber die Fachspezifischen Bestimmungen für den Bachelor-Studiengang Betriebswirtschaftslehre der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg (v. 11.7.2012, Amtl. Bek. Nr. 78 v. 22.10.2012 – FSB 2012), da diese gemäß ihrer Bestimmung Satz 2 zu § 23 erstmal für Studierende gelten, die ihr Studium zum Wintersemester 2012/2013 aufgenommen haben. Die Aufhebung der Regelungen zum Nebenfachstudiengang Betriebswirtschaftslehre durch Satzung v. 8.7.2015 (Amtl. Bek. Nr. 48 v. 11.9.2015) mit Wirkung vom 30. September 2020 ist ebenso wenig anwendbar.

28

2. Unter Zugrundelegung der einschlägigen Satzungen (dazu s.o. 1.) ist der Bescheid über das endgültige Nichtbestehen in der Bachelorprüfung im Nebenfach Betriebswirtschaftslehre gerechtfertigt. Der Nichtbestehensbescheid findet seine satzungsmäßige Rechtsgrundlage in § 18 Abs. 2 PO 2010. Ist die Bachelorprüfung endgültig nicht bestanden, stellt gemäß dieser Satzungsbestimmung der oder die Vorsitzende des Prüfungsausschusses einen entsprechenden Bescheid aus. Die Bachelorprüfung ist gemäß § 18 Abs. 1 Buchst. a. PO 2010 insbesondere dann endgültig nicht bestanden, wenn eine Modulprüfung nicht fristgemäß absolviert wird, es sei denn, der bzw. die Studierende hat die Fristversäumnis nicht zu vertreten. Ausgehend von der Satzungslage hat die Klägerin die Bachelorprüfung endgültig nicht bestanden. Denn die Klägerin hat die auch im Nebenfachstudium verpflichtende Prüfungsleistung „Statistik I“ (hierzu unter a.) innerhalb der regulären Modulfrist (hierzu unter b.) nicht bestanden (hierzu unter c.). Weder war die Fristversäumnis von der Klägerin nicht zu vertreten (hierzu unter d.) noch die Modulfrist ausnahmsweise zu verlängern (hierzu unter e.).

29

a. Die Klägerin musste in ihrem Nebenfachstudium Betriebswirtschaftslehre die Prüfungsleistung „Statistik I“ bestehen. Der verpflichtende Charakter dieser Prüfungsleistung ergibt sich aus Folgendem:

30

Der Bachelorstudiengang ist auch im Nebenfachstudium der Betriebswirtschaftslehre gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 PO 2010 modular aufgebaut; Zahl, Umfang, Inhalte der Module und Modulvoraussetzungen sind danach in den Fachspezifischen Bestimmungen geregelt. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 PO 2010 ist zwischen obligatorischen Modulen (Pflichtmodulen), aus einem vorgegebenen Katalog auszuwählenden Modulen (Wahlpflichtmodulen) und frei wählbaren Modulen (Wahlmodulen) zu unterscheiden. Im Hauptfachstudium der Betriebswirtschaftslehre ist gemäß Abs. 1 Buchst. a FSB 2010 zu § 4 Abs. 3 und 4 PO 2010 und gemäß der in den FSB 2010 enthaltenen Modulbeschreibung für die erste Studienphase das Modul „Statistik I + II“ ein Pflichtmodul und Methodenmodul der ersten Studienphase, das den Fachsemestern „3 + 4“ zugeordnet ist, mit zwei Modulteilprüfungen i.S.d. § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 PO 2010 abschließt, jeweils in der Prüfungsart der Klausur gemäß § 13 Abs. 4 Buchst. a PO 2010. Diese beiden Teilprüfungsleistungen des Hauptfachstudiums entsprechen im Nebenfachstudium der Betriebswirtschaftslehre gemäß Abs. 3 Sätze 3 und 4 FSB 2010 zu § 4 Abs. 3 und 4 PO 2010 dem Pflichtmodul „Statistik I“ sowie dem Wahlmodul „Statistik II“.

31

b. Für das Pflichtmodul „Statistik I“ (dazu s.o. a.) endete die Modulfrist, in der die Prüfungsleistung zu absolvieren war, regulär mit dem 31. März 2015.

32

Die Bindung an eine Modulfrist folgt aus § 10 Abs. 2 Sätze 1 und 2 PO 2010: Danach sind Modulprüfungen für Pflichtmodule innerhalb von Fristen zu erbringen, die sich aus den in der jeweiligen Modulbeschreibung angegebenen Fachsemestern zuzüglich der Anzahl von Fachsemestern, innerhalb derer das Modul ein weiteres Mal absolviert werden kann (Wiederholungsfrist), errechnen. Bei Teilprüfungsleistungen endet die Frist gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 PO 2010 in dem Semester, in dem die der Teilprüfung zugeordnete Lehrveranstaltung ein weiteres Mal angeboten wird.

33

Das Ende der Modulfrist errechnet sich wie folgt: Die in den FSB 2010 enthaltene Modulbeschreibung gibt für das Modul „Statistik I + II“ die Fachsemester „3 + 4“ an. Die erste Teilprüfungsleistung „Statistik I“ ist damit dem 3. Fachsemester zugeordnet. Die betreffende Frist endete gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 PO 2010 mit dem 5. Fachsemester, in dem ausgehend vom Jahresturnus die der Teilprüfung zugeordnete Lehrveranstaltung ein weiteres Mal angeboten worden ist. Das 5. Fachsemester der Klägerin im Nebenfachstudium der Betriebswirtschaftslehre war das am 31. März 2015 endende Wintersemester 2014/2015. Dem liegt zugrunde, dass die Klägerin zunächst in Teilzeitform zum Wintersemester 2011/2012 (0,5. Fachsemester des Nebenfachstudiums) mit dem Studium in diesem Nebenfach erneut begonnen und zum Wintersemester 2013/2014 (3. Fachsemester des Nebenfachstudiums) in ein Vollzeitstudium gewechselt ist.

34

c. Die Prüfungsleistung „Statistik I“ hatte die Klägerin bis zum Ende der regulären Modulfrist am 31. März 2015 (dazu s.o. b.) nicht bestanden. Die von der Klägerin am 19. März 2013, am 12. Februar 2014, am 13. Februar 2015 sowie am 27. März 2015 angefertigten Klausuren in der Teilprüfungsleistung „Statistik I“ sind von den Prüfern als nicht bestanden bewertet worden. Die Klägerin kann das Ziel, eine innerhalb der Modulfrist angefertigte Klausur bestanden zu haben, auch nicht im Wege der Neubewertung erreichen, denn eine Neubewertung kann sie nicht beanspruchen.

35

Dahinstehen kann dabei, ob der Beklagten darin zu folgen ist, dass die Bewertung der einzelnen Klausuren als nicht bestanden ein Verwaltungsakt ist, der jeweils bestandskräftig geworden ist. Es spricht viel dafür, dass sich die Beklagte auf eine etwaig eingetretene Bestandskraft nicht berufen könnte, da sie sich hinsichtlich der Bewertung der Klausuren noch im Widerspruchsbescheid auf eine Auseinandersetzung in der Sache eingelassen hat.

36

Jedenfalls kann die Klägerin eine Neubewertung der angefertigten Klausuren deshalb nicht beanspruchen, weil nach dem beschränkten gerichtlichen Überprüfungsmaßstab, die bisherige Bewertung nicht durch eine neue zu ersetzen ist. Im Einzelnen:

37

Bei der Bewertung der Leistungen in berufsbezogenen Prüfungen ist ein gerichtlich nicht überprüfbarer Beurteilungsspielraum anzuerkennen (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, juris Rn. 54; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 877 ff.). Das Gebot der Chancengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG erfordert eine Bewertung der Leistungen aller Prüflinge nach den Maßstäben der Prüfer. Das Gericht kann sich nicht an die Stelle der Prüfer setzen. Das Gericht kann nur überprüfen, ob das Verfahren eingehalten wurde, anzuwendendes Recht verkannt wurde, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe verletzt wurden oder sachfremde Erwägungen ausschlaggebend waren (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, juris Rn. 56). Es obliegt dem Prüfling, konkrete und substantiierte Einwendungen gegen die Bewertung zu benennen (BVerwG, Beschl. v. 23.12.1993, 6 B 19/93, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 326, juris Rn. 8; Urt. v. 4.5.1999, 6 C 13/98, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 395, juris Rn. 35; OVG Hamburg, Beschl. v. 17.7.2008, 3 Bf 351/07.Z, NVwZ-RR 2008, 851, juris Rn. 23).

38

Ausgehend von diesem Maßstab ist kein durch Neubewertung der Klausuren zu behebender Fehler aufgezeigt. Die von der Klägerin erhobene Einwendung, das Zwei-Prüfer-Prinzip sei verletzt, dringt nicht durch. Zum einen sind die Klausuren, hinsichtlich derer die Klägerin substantiierte Einwendungen erhoben hat, jeweils von zwei Prüfern bewertet worden. Zum anderen findet das Zwei-Prüfer-Prinzip vorliegend gar keine Anwendung. Gemäß § 64 Abs. 7 Satz 1 des Hamburgischen Hochschulgesetzes (v. 18.7.2001, HmbGVBl. S. 171 m. spät. Änd. – HmbHG 2001) sind Prüfungsleistungen in Abschlussprüfungen und Zwischenprüfungen, soweit diese nicht studienbegleitend stattfinden, in der Regel von mindestens zwei Prüferinnen oder Prüfern zu bewerten. Das gleiche gilt gemäß § 64 Abs. 7 Satz 2 HmbHG 2001 für andere Prüfungsleistungen, sofern sie als nicht ausreichend erachtet werden sollen. Bei den streitbefangenen Klausuren handelt es sich im Sinne der Norm um andere Prüfungsleistungen, die auch als nicht ausreichend bewertet worden sind. Mit dem Zusatz „das Gleiche“ verweist Satz 2 aber vollständig auf Satz 1. Dieser Satz beinhaltet einerseits das Regel-Ausnahme-Verhältnis und andererseits auch den Ausschluss bei studienbegleitenden Prüfungsleistungen. Dieser Ausschluss greift hier. Studienbegleitend ist eine Prüfung dann, wenn sie thematisch dem Studienfortschritt angepasst ist; so liegt der Fall insbesondere bei Modulprüfungen, mit denen nicht kursübergreifender Prüfungsstoff eines Studienabschnitts oder des gesamten Studiums abgeprüft wird, sondern nur der in dem jeweiligen Modul vermittelte Prüfungsstoff (VG Hamburg, Urt. v. 5.11.2015, 2 K 950/14, juris Rn. 82), wie es auf die in Anknüpfung an die entsprechend angebotene Lehrveranstaltung „Statistik I“ abgenommene Klausur zutrifft.

39

d. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, sie habe die Fristversäumnis nicht zu vertreten. Insbesondere hatte die Klägerin vor Ablauf der Modulfrist hinreichend Gelegenheit, die Prüfungsleistung abzulegen. Sie hat die Klausur im Modul „Statistik I“ viermal angefertigt und jeweils nicht bestanden. Die Klägerin muss sich die durchgeführten Prüfungsversuche entgegenhalten lassen. Die Prüfungsversuche sind gültig und nicht zu annullieren. Die von der Klägerin erhobenen Einwendungen, anhand derer nach dem vorgestellten Maßstab (s.o. c.) die Prüfungsentscheidung gerichtlich zu überprüfen ist, zeigen keine durch Neudurchführung des Prüfungsversuchs zu behebenden Verfahrensfehler auf. Im Einzelnen ist die Verwendung von „Multiple-Choice“-Aufgaben nicht zu beanstanden (hierzu unter aa.). Weder ist die Klägerin nachträglich wirksam von den angefertigten Klausuren zurückgetreten (hierzu unter bb.) noch kann ein Nachteilsausgleich nachträglich zur Annullierung der Klausuren führen (hierzu unter cc.).

40

aa. Die Verwendung von Aufgaben im Antwort-Wahl-Verfahren („Multiple-Choice“ in der Variante „Single-Choice“) in zwei der von der Klägerin im Modul „Statistik I“ angefertigten Klausuren ist entgegen der von der Klägerin erhobenen Einwendung keinen Bedenken ausgesetzt.

41

Gemäß § 13 Abs. 4 Buchst. a PO 2010 können Klausuren auch im Antwort-Wahl-Verfahren gestellt sein. Unabhängig davon ist eine gesonderte Ermächtigung für „Multiple-Choice“-Aufgaben nicht erforderlich, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die vom Prüfer korrigierte Arbeit nicht von ihm selbst gestellt worden ist (Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 42, 601).

42

Eine detaillierte Regelung von absoluten und relativen Bestehensgrenzen ist entbehrlich, wenn – wie hier – das Antwort-Wahl-Verfahren nur einen Teil der Klausuraufgabe darstellt, denn dann können Anforderungen, Antwortverhalten der Studierenden und Ergebnisse in einer Weise überschaubar und differenzierbar sein, wie dies auch bei einer herkömmlichen Aufgabenstellung der Fall ist (Niehues/Fischer/Jeremias, a.a.O., Rn. 600; vgl. OVG Münster, Urt. v. 16.12.2008, 14 A 2154/08, NVwZ-RR 2009, 422, juris Rn. 44). Es bedarf auch keiner normativen Ermächtigung für die Festlegung der relativen und absoluten Bestehensgrenzen, wenn – wie hier – die Arbeit nach dem individuellen Bewertungsschema des jeweiligen Prüfers bewertet werden darf (Niehues/Fischer/Jeremias, a.a.O., Rn. 601; OVG Münster, Beschl. v. 11.11.2011, 14 B 1109/11, juris, Rn. 18 ff.). Überdies zeigt eine nachträgliche Bildung der relativen Bestehensgrenze, dass die Klägerin die beiden betroffenen Klausuren auch relativ nicht bestanden hat: In der Klausur vom 19. März 2013 waren 34 von 100 Punkten für ein absolutes Bestehen erforderlich. Die Leistung der Klägerin mit 17 Punkten lag um mehr als 50 % unter der Durchschnittsleistung von 41,66 Punkten, so dass sie die Klausur selbst bei Ansatz einer zu ihren Gunsten sehr hohen relativen Bestehensgrenze von 25 % nicht bestanden hätte. Entsprechendes gilt für die Klausur vom 12. Februar 2014, in der 44 von 100 Punkten für ein absolutes Bestehen zu erreichen waren. Die Leistung der Klägerin von lediglich 23 Punkten liegt weit über 25 % unter der Durchschnittsleistung der Prüfungsteilnehmer von 54,79 Punkten.

43

Unabhängig davon ist für die Klägerin aus der Verwendung von Aufgaben im Antwort-Wahl-Verfahren kein konkreter Nachteil ersichtlich, da sie in Aufgaben dieser Art jeweils einen höheren Punktanteil als in herkömmlichen Aufgaben erzielt hat. In der Klausur vom 19. März 2013 erzielte sie in den betreffenden Aufgaben immerhin 15 von 50 Punkten, in den anderen Aufgaben lediglich 2 von 50 Punkten. In der Klausur vom 12. Februar 2014 erreichte sie in den Aufgaben des Antwort-Wahl-Verfahrens 12 von 24 Punkten, im Übrigen nur 11 von 78 Punkten.

44

bb. Die Klägerin kann von den bereits absolvierten Prüfungsversuchen auch angesichts der vorgetragenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen nach dem insoweit anzulegenden Maßstab nicht nachträglich wirksam zurücktreten. Im Einzelnen:

45

Nach § 16 Abs. 1 PO 2010 gilt eine Prüfungsleistung als mit „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet, wenn der Prüfling ohne triftigen Grund einen Prüfungstermin oder eine Prüfungsfrist i.S.d. PO 2010 versäumt, nach Beginn einer (Teil-)Prüfung zurücktritt oder eine schriftliche Prüfungsleistung nicht innerhalb der vorgesehenen Bearbeitungszeit beginnt oder erbringt. Der für den Rücktritt oder das Versäumnis geltend gemachte Grund muss nach § 16 Abs. 2 Satz 1 PO 2010 dem Prüfungsausschuss unverzüglich schriftlich angezeigt und glaubhaft gemacht werden. Das Erfordernis des triftigen Grundes wird durch § 16 Abs. 2 Satz 2 PO 2010 dahingehend konkretisiert, dass bei Krankheit des Prüflings ein qualifiziertes ärztliches Attest vorzulegen ist. Dies ist nach § 16 Abs. 2 Satz 3 PO 2010 ein Attest, das Angaben enthält über die von der Erkrankung ausgehende körperliche bzw. psychische Funktionsstörung, die Auswirkungen der Erkrankung auf die Prüfungsfähigkeit des Prüflings aus medizinischer Sicht, den Zeitpunkt des dem Attest zugrunde liegenden Untersuchungstermins sowie die ärztliche Prognose über die Dauer der Erkrankung. Das Gebot der Unverzüglichkeit wird ausgehend von der Satzungsbestimmung des § 16 Abs. 2 Satz 5 PO 2010 dahingehend verschärft, dass nach Beendigung einer Prüfungsleistung Rücktrittsgründe nicht mehr geltend gemacht werden. Selbst wenn diese Satzungsbestimmung aufgrund höherrangigen Rechts im Fall einer zunächst unerkannten Prüfungsunfähigkeit zugunsten des Prüflings durchbrochen werden müsste, ist doch gerade in diesem Fall an die Unverzüglichkeit des Rücktritts ein strenger Maßstab anzulegen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die sich die Kammer zu eigen macht, ist es Sache des Prüflings, sich darüber Klarheit zu verschaffen, ob seine Leistungsfähigkeit durch außergewöhnliche Umstände, insbesondere durch Krankheit, erheblich beeinträchtigt ist, und bejahendenfalls daraus unverzüglich die in der jeweiligen Prüfungsordnung vorgesehenen Konsequenzen zu ziehen, und zwar bei krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit grundsätzlich vor Beginn der Prüfung, spätestens aber dann, wenn er sich ihrer bewusst geworden ist (BVerwG, Urt. v. 7.10.1988, 7 C 8/88, BVerwGE 80, 282, juris Rn. 12). Ein Rücktritt ist dann nicht mehr unverzüglich, wenn der Prüfling die Erklärung nicht zu dem frühestmöglichen Zeitpunkt abgegeben hat, zu dem sie von ihm in zumutbarer Weise hätte erwartet werden können (BVerwG, Urt. v. 13.5.1998, 6 C 12/98, BVerwGE 106, 369, juris Rn. 18 ff.; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 283 m.w.N.). Eine den Grundsatz der Chancengleichheit zu Lasten der Mitbewerber verletzende zusätzliche Prüfungschance verschafft sich nicht nur derjenige, dem es gelingt, durch nachträglich vorgetäuschte Prüfungsunfähigkeit die Genehmigung des Rücktritts zu erreichen, sondern auch der, der tatsächlich prüfungsunfähig war, sich aber in Kenntnis seines Zustandes der Prüfung unterzogen hat, um sich im Falle des Misserfolgs durch nachträglichen Rücktritt den Rechtswirkungen der fehlgeschlagenen Prüfung zu entziehen. Diesen Gefahren für die Chancengleichheit wird entgegengewirkt, wenn die nachträglich geltend gemachte Prüfungsunfähigkeit zwar als Rücktrittsgrund nicht von vornherein ausgeschlossen, an die Geltendmachung aber die Anforderung der Unverzüglichkeit gestellt wird (BVerwG, Urt. v. 7.10.1988, a.a.O., Rn. 11). Macht ein Prüfling geltend, dass er seine Prüfungsunfähigkeit erst nachträglich erkennen und einschätzen konnte, müssen die dafür maßgeblichen Gründe in gleicher Weise glaubhaft gemacht werden wie die Prüfungsunfähigkeit selbst (OVG Münster, Beschl. v. 8.12.2009, 14 E 861/09, juris Rn. 3). Kenntnis von der Prüfungsunfähigkeit hat der Prüfling schon dann, wenn ihm sein gesundheitlicher Zustand (speziell seine gesundheitlichen Beschwerden) in den wesentlichen Merkmalen bewusst ist und er die Auswirkungen der Erkrankung auf seine Leistungsfähigkeit im Sinne einer „Parallelwertung in der Laiensphäre“ erfasst (BVerwG, Beschl. v. 22.9.1993, 6 B 36/93, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 318, juris Rn. 4).

46

Nach dem vorstehenden Maßstab ist die Klägerin von den unternommenen Prüfungsversuchen nicht wirksam zurückgetreten. Es fehlt – auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin dargelegten gesundheitlichen Beeinträchtigungen – an dem vorausgesetzten triftigen und dabei unverzüglich geltend gemachten Rücktrittsgrund sowie an einer unverzüglichen Rücktrittserklärung. Die Klägerin hat vorprozessual vorgetragen, wegen ihrer Krankheit sei es ihr sehr schwer gefallen sei, im Studium mit anderen mitzuhalten und notwendige Leistungen termingerecht zu erbringen. Sie sei – so heißt es in dem von ihr vorgelegten Entlassungsbericht des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf vom 19. Oktober 2015 – in den vorausgegangenen zwei Jahren durch mehrfache familiäre, berufliche und gesundheitliche Belastungsfaktoren stark beeinträchtigt gewesen. Vor dem Hintergrund von u.a. erheblichen Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen seien die Prüfungsvorbereitungen für die Statistik-Klausur erheblich erschwert gewesen; die Störungen hätten sich unter dem Druck der Prüfungsbedingungen und der Anforderung, komplexe Zusammenhänge unter Zeitdruck zu erfassen, extrem verstärkt. Schriftsätzlich hat die Klägerin vorgetragen, die nachgereichten Atteste wiesen eine chronische Krankheit nach, was einen Härtefallantrag ermögliche; es werde keine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht erfolgen. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, sie sei nicht gesund gewesen, habe sich allerdings nicht krank gemeldet, weil sie Druck von der Ausländerbehörde empfunden habe. Sie habe bisher nicht alle gesundheitlichen Belastungen dargelegt, dies gelte insbesondere für psychische Themen. Damit ist bereits keine krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit durch qualifiziertes Attest nach § 16 Abs. 2 Sätze 2 und 3 PO 2010 glaubhaft gemacht. Zwar ist für die Prüfungszeit eine chronische Eierstockentzündung attestiert. Doch sind nicht aus medizinischer Sicht die konkreten Auswirkungen einer von dieser Erkrankung ausgehenden Funktionsstörung auf die Leistungsfähigkeit in der Prüfung dargelegt. Dem Druck durch die Prüfungsbedingungen, insbesondere der Anforderung, komplexe Zusammenhänge unter Zeitdruck zu erfassen, muss sich jeder Prüfling stellen. Darin liegt keine krankheitsbedingte Besonderheit. Auch familiäre und berufliche Belastungen sind, soweit sie nicht – was hier nicht vorgetragen ist – zu einer bestimmten psychischen Krankheit geführt haben, von jedem Prüfling zu tragen, ohne dass sich daraus Folgen für das Prüfungsrechtsverhältnis ergeben. Unabhängig davon ist nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin eine Prüfungsunfähigkeit erst nachträglich hätte erkennen und einschätzen können, wie es aber nach dem dargestellten Maßstab wegen des Gebots der Chancengleichheit für einen ausnahmsweise erst nach Beendigung der Prüfungsleistung erklärten wirksamen Rücktritt Voraussetzung ist.

47

cc. Die Klägerin kann auch nicht wegen eines Nachteilsausgleichs nach § 11 Abs. 1 Satz 1 PO 2010 von den absolvierten Prüfungsversuchen nachträglich Abstand nehmen. Nach dieser Vorschrift kann der Vorsitzende bzw. die Vorsitzende des Prüfungsausschusses die Bearbeitungszeit für Prüfungsleistungen bzw. die Fristen für das Ablegen von Prüfungen verlängern oder gleichwertige Prüfungsleistungen in einer bedarfsgerechten Form gestatten, wenn ein Studierender bzw. eine Studierende glaubhaft macht, dass er bzw. sie wegen einer chronischen Krankheit oder einer Behinderung nicht in der Lage ist, die Prüfungsleistungen ganz oder teilweise in der vorgesehenen Form oder innerhalb der in der PO 2010 genannten Prüfungsfristen abzulegen. Diese Vorschriften bieten keine Grundlage dafür, nachträglich von einem absolvierten Prüfungsversuch Abstand zu nehmen. Seiner Konzeption nach kann ein Nachteilsausgleich nur gewährt werden, bevor der Prüfling den Prüfungsversuch antritt bzw. bevor die Prüfungsfrist abläuft. Er dient nicht nach Ablegen der Prüfung der Korrektur des erzielten Prüfungsergebnisses, sondern dem Ausgleich von den sich in der Abnahme der Prüfung selbst für den Prüfling ergebenden Nachteilen. In der Prüfung wird ein Nachteilsausgleich gewährt, wenn eine Behinderung vorliegt, die den Nachweis der vorhandenen Befähigung erschwert und die in der Prüfung sowie in dem angestrebten Beruf durch Hilfsmittel ausgeglichen werden kann (Niehues/Fischer/Jeremias, a.a.O., Rn. 259). Die Klägerin hat vor Abnahme der Prüfungsversuche und vor Ablauf der regulären Modulfrist keinen Nachteilsausgleich wegen einer chronischen Krankheit beantragt.

48

e. Die Modulfrist war auch nicht ausnahmsweise zu verlängern. Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 PO 2010 kann die Modulfrist bei Vorliegen eines besonderen Härtefalls durch den Prüfungsausschuss verlängert werden. Die Frist ist nach § 10 Abs. 3 Satz 2 PO 2010 so zu bemessen, dass jeweils nur eine weitere Prüfungsmöglichkeit besteht. Der Antrag ist nach § 10 Abs. 3 Satz 3 PO 2010 rechtzeitig vor Ablauf der Frist beim Prüfungsausschuss zu stellen und schriftlich zu begründen. Krankheit ist gemäß § 10 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 16 Abs. 2 Satz 3 PO 2010 durch Vorlage eines qualifizierten ärztlichen Attests nachzuweisen, d.h. eines Attests mit Angaben über die von der Erkrankung ausgehende körperliche bzw. psychische Funktionsstörung, die Auswirkungen der Erkrankung auf die Prüfungsfähigkeit des Prüflings aus medizinischer Sicht, den Zeitpunkt des dem Attest zugrunde liegenden Untersuchungstermins sowie die ärztliche Prognose über die Dauer der Erkrankung. Nach diesen Maßstäben fehlt es sowohl an einem rechtzeitigen Antrag (hierzu unter aa.) als auch an einem besonderen Härtefall (hierzu unter bb.).

49

aa. Es fehlt bereits an einem rechtzeitig vor Ablauf der regulären Modulfrist mit Ende des 5. Fachsemesters des Nebenfachstudiums am 31. März 2015 gestellten und begründeten Antrag auf eine Verlängerung der Modulfrist. Ein an die Beklagte gerichtetes Ersuchen der Klägerin, die Modulprüfung im Modul „Statistik I“ über die reguläre Modulfrist hinaus fortzusetzen, kann erst in dem am 21. April 2015 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 20. April 2015 gesehen werden, in dem die Klägerin eine „Zulassung zur mündlichem Prüfung im Studienfach Statistik I“ beantragt hat.

50

Unerheblich ist, ob die Beklagte sich ausgehend von der Begründung des Bescheids vom 29. April 2015 auf eine Prüfung der weiteren, d.h. über das Erfordernis einer rechtzeitigen Antragstellung hinausgehenden, Voraussetzungen einer Modulfristverlängerung eingelassen hat. Die rechtzeitige Antragstellung ist selbst eine satzungsmäßige Voraussetzung der Modulfristverlängerung. Die Satzung ermächtigt die Beklagte nicht, im Einzelfall von dieser Voraussetzung abzusehen. Denn anders als die Widerspruchsfrist nach § 70 VwGO, deren Versäumnis dann nicht mehr zu beachten ist, wenn die Widerspruchsbehörde in der Sache über einen Widerspruch entschieden hat (BVerwG, Urt. v. 20.6.1988, 6 C 24/87, NVwZ-RR 1989, 85, juris Rn. 9) und kein Dritter betroffen ist (BVerwG, Urt. v. 18.5.1982, 7 C 42/80, BVerwGE 65, 313, juris Rn. 19), dient das Erfordernis, eine Verlängerung der Modulfrist noch vor deren Ablauf zu beantragen, dem rechtsstaatlichen Gebot der Chancengleichheit der Prüflinge, von dem die Behörde nicht absehen kann.

51

Der Antrag der Klägerin auf eine Modulfristverlängerung wäre auch dann als nicht als rechtzeitig zu behandeln, wenn zugunsten eines Prüflings die Grundsätze einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entsprechend § 32 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVfG oder § 60 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 VwGO Anwendung fänden. War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm im Anwendungsbereich dieser Vorschriften auf einen innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellten Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Mangelnde Rechtskenntnis entschuldigt eine Fristversäumnis dabei in aller Regel nicht (BVerwG, Beschl. v. 7.10.2009, 9 B 83/09, NVwZ-RR 2010, 36, juris Rn. 3). Ausgehend davon war die Klägerin bereits nicht unverschuldet gehindert, die Modulfristverlängerung rechtzeitig zu beantragen. Die Klägerin musste sich über die rechtlichen Möglichkeiten, insbesondere im Hinblick auf eine Verlängerung der Modulfrist informieren und entsprechend handeln. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVfG nicht fähig gewesen wäre, Verfahrenshandlungen – etwa die Beantragung einer Modulfristverlängerung – wirksam vorzunehmen.

52

bb. Unabhängig davon ist der vorausgesetzte besondere Härtefall nicht gegeben.

53

Die einzelnen Prüfungsversuche, in denen die Klägerin vier Mal die Gelegenheit hatte, die Modulprüfung „Statistik I“ zu bestehen, muss die Klägerin sich auch angesichts der vorgetragenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen entgegenhalten lassen (s.o. d. bb.). Die vorgetragenen Umstände haben nicht dazu geführt, dass die Klägerin keine Prüfungsleistung hätte ablegen können. Nach eigenem Vortrag war der Klägerin dies in anderen Fächern sehr wohl mit Erfolg möglich. Der Misserfolg in einem bestimmten Fach über eine Vielzahl von Prüfungsversuchen über einen längeren Zeitraum spricht dafür, dass die Klägerin, die im Nebenfachstudium alle Modulleistungen – außer in Statistik – erbracht hat, die in diesem Fach gestellten Anforderungen nicht bewältigen konnte. Dies deckt sich mit der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung selbst vorgetragenen Einschätzung, die Klausur „Statistik I“ sei eben besonders schwer.

54

Soweit die Klägerin vorgetragen hat, sie habe einen Verzicht auf die Klausuren nicht in Betracht ziehen können, da „enormer Druck seitens diverser Instanzen“ entstanden sei, wie beispielsweise der Ausländerbehörde, und sie habe auch nicht weiter ein Teilzeitstudium betreiben können, weil sie dann mit ihrem Aufenthaltstitel Schwierigkeiten bekommen hätte, leitet sich daraus zu ihren Gunsten nichts her. Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Aufenthaltstitel erteilt oder verlängert werden kann, ist von der zuständigen Ausländerbehörde nach dem Aufenthaltsgesetz zu entscheiden, wobei im Streitfall dem Betroffenen der gerichtliche Rechtsschutz offensteht. Ist die Ausländerbehörde bei einer aufenthaltsrechtlichen Entscheidung gegenüber einem ausländischen Studierenden in einer bestimmten Weise vorgegangen, so kann der Betroffene dies nicht im Verhältnis zur Ausländerbehörde hinnehmen und später im prüfungsrechtlichen Verfahren gegenüber seiner Hochschule in Frage stellen. Soweit die Klägerin sich, etwaig mit Rücksicht auf aufenthaltsrechtliche Implikationen, entschieden hat, in Vollzeitform zu studieren und an den Klausuren teilzunehmen, muss sie sich an ihrer Entscheidung festhalten lassen und darf sie sich dazu nicht in Widerspruch setzen.

55

Im Übrigen wäre der Klägerin bei einem erfolgreichen Verlängerungsantrag gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 PO 2010 nur eine weitere Prüfungsmöglichkeit eingeräumt worden. Unterstellt, die Bewertung der von der Klägerin am 12. Februar 2016 unter Vorbehalt angefertigten Klausur hätte Bestand, wäre diese Prüfungsmöglichkeit bereits erschöpft.

56

3. Die einschlägigen Satzungen – PO 2010 und FSB 2010 – bieten eine wirksame Rechtsgrundlage für die Abnahme der Prüfungsleistung „Statistik I“ als Pflichtmodul im Nebenfachstudium der Betriebswirtschaftslehre. Sie genügen den höherrangigen Vorgaben, soweit Anlass zur Überprüfung bestand. Eine gesetzlich nicht vorgesehene Kumulation von Modulfristen mit einer Beschränkung der Anzahl der Wiederholungsversuche findet sich in den einschlägigen Satzungen nicht (hierzu unter a.). Der verpflichtende Charakter der Prüfungsleistung „Statistik I“ auch im Nebenfachstudium der Betriebswirtschaftslehre ist mit den Grundrechten vereinbar (hierzu unter b.). Die Dauer der Prüfungsleistung ist in einer dem gesetzlichen Regelungsauftrag des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG 2001 genügenden Weise normativ bestimmt (hierzu unter c.).

57

a. Die PO 2010 und die FSB 2010 begegnen nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil nach dem zum Zeitpunkt des Satzungserlasses gültigen Gesetz (§ 65 des Hamburgischen Hochschulgesetzes in der vom 19.7.2001, HmbGVBl. S. 171, bis 30.6.2014, sodann geändert durch das Gesetz zur Weiterentwicklung des Hochschulrechts v. 8.7.2014, HmbGVBl. S. 269) die Bestimmung von Modulfristen und die Beschränkung der Anzahl der Wiederholungsversuche nicht kumulativ Anwendung finden dürfen (dazu VG Hamburg, Urt. v. 5.11.2015, 2 K 950/14, juris Rn. 57). Zwar enthält § 10 Abs. 2 Satz 3 PO 2010 eine Ermächtigung, in den Fachspezifischen Bestimmungen die Anzahl der Prüfungsversuche auf drei zu beschränken. Davon ist jedoch in den auf das Nebenfachstudium der Klägerin zeitlich anwendbaren FSB 2010 kein Gebrauch (mehr) gemacht worden, so dass allein eine Modulfristregelung ohne Kumulation mit einer Beschränkung der Anzahl der Prüfungsversuche Geltung beansprucht.

58

b. Das Erfordernis des Abs. 3 Satz 4 FSB 2010 zu § 4 Abs. 3 und 4 PO 2010, dass zum Bestehen der Bachelorprüfung im Nebenfachstudium der Betriebswirtschaftslehre, die Prüfungsleistung „Statistik I“ als Pflichtmodul bestanden werden muss, ist mit den Grundrechten vereinbar. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 29.5.2013, 6 C 18/12, DVBl. 2013, 1122, juris Rn. 27), der sich die Kammer anschließt, genügt eine Regelung, nach der das Nichtbestehen einer Teilprüfung zum Nichtbestehen der Gesamtprüfung führen soll, den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG, wenn die Teilprüfung schon für sich genommen eine zuverlässige Grundlage für die Beurteilung der Eignung des Prüflings bietet; ob dies der Fall ist, obliegt dabei regelmäßig in weitem Umfang der eigenen Einschätzung des Normgebers, die gerichtlich nur beanstandet werden darf, wenn sie offenkundig sachlich unvertretbar ist. Diese dem Normgeber eingeräumte Einschätzungsprärogative ist vorliegend nicht überschritten. Nach der in den FSB 2010 enthaltenen Modulübersicht für die erste Studienphase dient das im Hauptfach einheitliche Modul „Statistik I + II“ und damit insbesondere die der Prüfungsleistung „Statistik I“ zugeordnete Lehrveranstaltung dem „Erlernen und Anwenden von elementaren Methoden, die für die Wirtschaftsstatistik sowie für die deskriptive und die schließende Statistik im Rahmen des wirtschaftswissenschaftlichen Studiums von Bedeutung sind“. Es ist nachvollziehbar, dass der Satzungsgeber wirtschaftswissenschaftliches Methodenwissen auch im Nebenfachstudium für unentbehrlich gehalten hat.

59

c. Die Dauer der Prüfungsleistung ist in einer dem gesetzlichen Regelungsauftrag des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG 2001 noch genügenden Weise normativ bestimmt. Nach dieser Gesetzesvorschrift sind in Hochschulprüfungsordnungen, die – wie hier – Prüfungen in modularisierten Studiengängen, Zwischen- und Abschlussprüfungen oder Abschlussprüfungen betreffen, insbesondere Bestimmungen aufzunehmen über Zahl, Art, Dauer und Bewertung von Prüfungsleistungen. Bezogen auf das Nebenfach ist das Modul „Statistik I“ nach den FSB 2010 mit einer Prüfungsleistung in der Prüfungsart der Klausur abzuschließen (s.o. 2. a.). Für die Dauer dieser Prüfungsleistung ist in § 13 Abs. 4 Buchst. a PO 2010 ein Rahmen von 45 Minuten bis 180 Minuten satzungsmäßig bestimmt. Innerhalb dieses Rahmens bleibt die minutengenaue Festlegung der Prüfungsdauer gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 PO 2010 den Prüfern überlassen. Nach dem Maßstab des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG 2001 (hierzu unter aa.) genügt die normative Bestimmung der Dauer der Prüfungsleistung durch Angabe eines durch eine Höchst- und eine Mindestdauer bezogenen Rahmens dem gesetzlichen Regelungsauftrag (hierzu unter bb.).

60

aa. Der Maßstab des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG 2001 ergibt sich aus Folgendem:

61

Zur Auslegung der gesetzlichen Vorgaben des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG knüpft die Kammer zunächst an ihre nachfolgend wiedergegebene Rechtsprechung (VG Hamburg, Urt. v. 5.11.2015, 2 K 950/14, juris Rn. 42, Hervorhebung nur hier) an:

62

„§ 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG erfordert es, dass diese Bestimmungen konkret in der Prüfungsordnung selbst geregelt werden (vgl. Delfs, in Neukirchen, Reußow/Schomburg, Hamburgisches Hochschulgesetz, 2011, § 60 Rn. 4). […] Dabei betreffen die Bestimmungen gemäß § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG die Prüfungsanforderungen und damit 'zentrale Elemente der Hochschulprüfungsordnung' (Delfs, a.a.O, § 60 Rn. 8). Hieraus folgt, dass ein strenger Maßstab anzulegen ist: Zahl, Art, Dauer und Bewertung von Prüfungsleistungen sind – hinreichend konkret – in der Prüfungsordnung selbst zu regeln, eine Regelung in einem anderen Dokument – auch in einer Studienordnung – ist nicht zulässig.“

63

Die Kammer ergänzt ihre Ausführungen dahingehend, dass die Dauer der Prüfungsleistung dann noch „hinreichend konkret“ angegeben ist, wenn die Prüfungsordnung für die Anfertigung der Prüfungsleistung einen Zeitrahmen vorgibt, sofern der Zeitrahmen nicht zu weit ist, um eine normative Eingrenzung vorzunehmen. Soweit der Satzungsgeber den Prüfern innerhalb des von ihm durch § 13 Abs. 4 Buchst. a PO 2010 bestimmten Rahmens die minutengenaue Festlegung der Prüfungsdauer nach § 13 Abs. 2 Satz 1 PO 2010 überlassen hat, liegt darin keine – unzulässige – Delegation einer Normsetzungskompetenz. Vielmehr beruht der den Prüfern im Einzelfall verbleibende Spielraum auf der – im Einklang mit der gesetzlichen Vorgabe – beschränkten Konkretisierungsdichte der Satzungsbestimmung über die Dauer der Prüfungsleistung. Ein normatives Defizit der Prüfungsordnung ist insoweit nicht festzustellen. Denn der gesetzgeberische Regelungsauftrag an den Satzungsgeber geht nicht so weit, dass die Dauer der Prüfungsleistung in der Prüfungsordnung notwendigerweise minutengenau festgelegt werden müsste. Diese Auslegung des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG stützt sich auf den Wortlaut des Gesetzes, die gesetzliche Systematik sowie auf den Gesetzeszweck, der aus der Gesetzgebungsgeschichte im Lichte der verfassungsrechtlichen Anforderungen abzuleiten ist. Im Einzelnen:

64

Aus dem Gesetzwortlaut folgt das Erfordernis, in der Prüfungsordnung eine zeitliche Vorgabe zu machen. Dem ist aber bereits dann Genüge getan, wenn ein hinreichend enger Zeitrahmen bestimmt ist, der durch die Prüfer auszuschöpfen ist. Der Wortlaut „Bestimmungen über Dauer von Prüfungsleistungen“ erfordert hingegen nicht notwendig eine minutengenaue Vorgabe der Prüfungszeit.

65

Die dem Wortlaut des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG 2001 innewohnende Offenheit bestätigt sich in gesetzessystematischer Hinsicht durch einen Vergleich mit dem Wortlaut des § 60 Nr. 2, 3, 5, 6, 7, 9, 10, 12, 13, 14, 16 HmbHG 2001. In diesen Katalognummern ist jeweils vom bestimmten Artikel Gebrauch gemacht. So sind danach etwa Bestimmungen über „die Voraussetzungen für die Zulassung zur Prüfung“ in die Prüfungsordnung aufzunehmen. Demgegenüber werden durch § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG 2001 lediglich – artikellos – „Bestimmungen […] über Dauer […] von Prüfungsleistungen“ gefordert.

66

Der vom Gesetzgeber mit der Katalognummer des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG 2001 verfolgte Gesetzeszweck ist derselbe, wie der mit der insoweit wortlautgleichen Katalognummer in der Vorgängervorschrift § 54 Abs. 1 UAbs. 2 Nr. 4 HmbHG 1978 (v. 22.5.1978, HmbGVBl. S. 109, vgl. § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HmbHG 1991 i.d.F. v. 2.7.1991, HmbGVBl. S. 249) verfolgte. Die Begründung zur Neufassung des Hamburgischen Hochschulgesetzes (Bü.-Drs. 16/5759 S. 47) bietet keinen entgegenstehenden Anhaltspunkt. Dort heißt es zu § 60 HmbHG 2001:

67

„Die Bestimmung (bisher § 54) ist aktualisiert worden.

68

Beim notwendigen Inhalt von Hochschulprüfungsordnungen nach Absatz 2 sind zusätzlich berücksichtigt worden […]“

69

Nach der damaligen gesetzlichen Systematik ist nicht anzunehmen, dass der Wille des Gesetzgebers des HmbHG 1978 dahin ging, dem Satzungsgeber eine abschließende minutengenaue Festlegung der Prüfungsdauer aufzuerlegen. In § 54 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 1 HmbHG 1978 war die § 60 Abs. 1 HmbHG 2001 entsprechende Bestimmung enthalten, dass Prüfungsordnungen Prüfungsanforderungen und -verfahren regeln. In § 54 Abs. 1 UAbs. 1 Sätze 2 und 3 HmbHG 1978 war bestimmt, dass die Prüfungsordnungen die Beendigung der Abschlussprüfung grundsätzlich innerhalb der Regelstudienzeit oder zuzüglich eines Zeitraums von höchstens sechs Monaten vorsehen und Prüfungsanforderungen und -verfahren entsprechend zu gestalten sind. Der Katalog der Gegenstände, über die insbesondere Bestimmungen in die Prüfungsordnung aufzunehmen sind, war in § 54 Abs. 1 UAbs. 2 HmbHG 1978 zu finden. Die Bestimmungen des § 54 Abs. 1 HmbHG beruhten auf § 53 Abs. 1 des Gesetzesentwurfs, zu dessen Begründung es im Gesetzgebungsverfahren lediglich hieß (Bü.-Drs. 8/2649, S. 57 f.):

70

„Die Forderung des Absatzes 1, daß in den Prüfungsordnungen die materiellen Anforderungen ebenso abschließend zu regeln sind wie das Prüfungsverfahren, entspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen. Der Bewerber muss übersehen können, wie er sich vor und während der Prüfung einzurichten hat. Ferner müssen Prüfungsanforderungen und -verfahren so geregelt werden, daß die Abschlußprüfung auch innerhalb der Regelstudienzeit oder – wenn die betreffende Prüfungsordnung dies vorsieht, weil es den Gegebenheiten des Studiengangs besser gerecht wird – innerhalb eines zusätzlichen Zeitraums von höchstens sechs Monaten abgelegt werden kann.“

71

Für die Auslegung der in § 54 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 1 HmbHG 1978 (nunmehr § 60 Abs. 1 HmbHG 2001) Gesetz gewordenen und im Wortlaut sehr abstrakt bleibenden Forderung an den Satzungsgeber, die Prüfungsanforderungen und das -verfahren zu regeln, geht aus der zitierten Entwurfsbegründung hervor, dass mit Prüfungsanforderungen die materiellen Anforderungen gemeint sind und diese ebenso „abschließend“ zu regeln sind wie das Prüfungsverfahren. Dies scheint zunächst auf eine vom Gesetzgeber geforderte Totalregelung hinsichtlich aller nur denkbaren formellen und materiellen Aspekte der Hochschulprüfung hinzudeuten. Jedoch geht aus der Entwurfsbegründung der Wille des Gesetzgebers hervor, mit der an den Satzungsgeber gestellten Forderung nicht mehr zu tun als rechtsstaatlichen Grundsätzen zu genügen. Auch hat der Gesetzgeber die Pauschalforderung des § 54 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 1 HmbHG 1978 (nunmehr § 60 Abs. 1 HmbHG 2001) selbst nicht für erschöpfend und abschließend erachtet, sondern ihr in § 54 Abs. 1 UAbs. 2 HmbHG 1978 (nunmehr § 60 Abs. 2 HmbHG 2001) einen Katalog der Aspekte zur Seite gestellt, über die „insbesondere“ Bestimmungen in die Prüfungsordnung aufzunehmen sind. Für die geforderte Konkretisierungsdichte innerhalb des Katalogs ergibt sich daraus kein zwingender Schluss.

72

Den Gesetzgebungsmaterialien der Vorgängervorschrift kann allenfalls entnommen werden, dass der Gesetzgeber den Satzungsgeber anhalten wollte, rechtstaatlichen Grund-sätzen zu genügen. Diesem rechtsstaatlichen Gebot entspricht ausweislich der zitierten Entwurfsbegründung bereits die allgemeine Regelung in § 60 Abs. 1 HmbHG (Baasch/Delfs, HmbHG, 2. Aufl. 2016, § 60 Rn. 3). Aus der besonderen Regelung in § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG geht vor diesem Hintergrund nur hervor, dass der Gesetzgeber dem Satzungsgeber über die rechtsstaatlichen Anforderungen hinausgehend aufgegeben hat, die Abnahme der Prüfungsleistung in zeitlicher Hinsicht nicht ohne jede normative Eingrenzung zu lassen, vorzugsweise also eine Mindestdauer und eine Höchstdauer festzulegen. Rechtsstaatliche Anforderungen erzwingen jedoch keine minutengenaue Festlegung der Prüfungsdauer der Klausur. Die aus Demokratieprinzip, Rechtstaatsprinzip und den Grundrechten hergeleitete Wesentlichkeitstheorie, nach der alle Fragen, die für die Ausübung der Grundrechte wesentlich sind, vom Gesetzgeber als Legislative selbst zu entscheiden sind (vgl. BVerfG, Urt. v. 18.7.1972, 1 BvL 32/70 u.a., BVerfGE 33, 303, juris Rn. 86 f.; Beschl. v. 21.12.1977, 1 BvL 1/75 u.a., BVerfGE 47, 46, juris Rn. 89 ff.), gibt nicht unmittelbar dafür etwas her, welche Gegenstände der Satzungsgeber als Teil der Exekutive regeln muss. Vielmehr ist anerkannt, dass den Hochschulen im Rahmen der sich vor allem aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Grundsätze der Chancengleichheit und des prüfungsrechtlichen Fairnessgebots immer noch ein erheblicher Gestaltungsspielraum für konkrete Festlegungen vor allem zum Prüfungsverfahren, Prüfungsstoff und zu den Voraussetzungen für das Bestehen verbleibt (Baasch/Delfs, a.a.O., Rn. 2). Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten wird einerseits durch die Grundrechtspositionen der Studierenden gemäß Art. 12 Abs. 1 GG, andererseits durch die in Art. 5 Abs. 3 GG enthaltene objektive, das Verhältnis von Wissenschaft, Forschung und Lehre zum Staat regelnde, wertentscheidende Grundsatznorm begrenzt (BVerfG, Beschl. v. 26.6.2015, 1 BvR 2218/13, NVwZ 2015, 1444, juris Rn. 18). Zu den rechtsstaatlichen Anforderungen gehört es zwar, zeitliche Vorgaben für die einzelnen Prüfungsleistungen vorzusehen (Lenz, in Epping, Hrsg., Niedersächsisches Hochschulgesetz, 1. Aufl. 2016, § 7 Rn. 63). Doch ist insoweit damit nicht das Gebot einer normativen Totalregelung ohne jeden Spielraum verbunden. Insoweit ist nicht der Zugang zu Studium und Prüfung selbst betroffen (dazu vgl. OVG Münster, Beschl. v. 15.6.2015, 13 B 505/15, juris Rn. 5), sondern die Ausgestaltung der Prüfung.

73

Belässt der Normgeber einer Hochschulprüfungsordnung den Prüfern für die Abnahme einer Prüfung einen Spielraum, indem er hinsichtlich der Dauer der Prüfungsleistung statt einer fixen Vorgabe einen gewissen Zeitrahmen bestimmt, so lassen sich dafür sachliche Gründe finden. Dies gilt selbst ausgehend davon, dass die Lehrfreiheit der Hochschullehrer aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG grundsätzlich nicht durch normative Festlegungen zum Umfang der Prüfungsleistung berührt sind (Lenz, a.a.O., Rn. 61), sondern allenfalls dann, wenn davon Rückwirkungen auf die inhaltliche und methodische Gestaltung der Lehrveranstaltung ausgehen (BVerwG, Beschl. v. 22.8.2005, 6 BN 1/05, NVwZ-RR 2006, 36, juris Rn. 4). Die der Hochschule eröffneten gesetzlichen Spielräume dürfen nicht in einer vom Gesetzgeber nicht intendierten und mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unvereinbaren Weise verengt werden (BVerfG, Beschl. v. 26.6.2015, a.a.O., Rn. 23). Dies spricht für eine Auslegung des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG, der Hochschule als Satzungsgeber die Entscheidung darüber vorzubehalten, ob die Satzung selbst oder – in einem von der Satzung gezogenen Rahmen – die Prüfer die Prüfungsdauer minutengenau festlegen. Es erscheint auch nicht sachwidrig, wenn die Hochschule die Konkretisierungsdichte der Satzungsbestimmung über die Dauer der Prüfungsleistung beschränkt, um dadurch den Prüfern einen Spielraum zu belassen, wie weit sie den zum Gegenstand der konkreten Klausur gemachte Ausschnitt des sich aus der Modulbeschreibung ergebenden Prüfungsstoffs ziehen und wie lange zu diesem Zweck die Klausur dauern soll.

74

Das Gebot der Chancengleichgleichheit in berufsbezogenen Prüfungen aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG, welches das Prüfungsrecht beherrscht (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, juris Rn. 53), erfordert nichts anderes. Dem Gebot vergleichbarer Prüfungsbedingungen kann auch ohne eine bereits in der Satzung fixe Festlegung der Prüfungsdauer Genüge getan werden. Innerhalb eines Prüfungstermins folgt aus dem Gebot der Chancengleichheit, dass die Prüfungsbedingungen einschließlich der Prüfungsdauer, so gut es geht, gleich sein müssen. Außerhalb desselben Prüfungstermins genügt es, dass die Prüfer die Prüfungszeit im Rahmen sachgerechter Gesichtspunkte unter Beachtung der Chancengleichheit der Prüflinge festsetzen (OVG Münster, Beschl. v. 15.7.2011, 14 B 699/11, juris Rn. 10). Insoweit kann in Ermangelung einer normativen Vorgabe die ständige Übung als Maßstab zugrunde gelegt worden, von dem etwaige Abweichungen zu rechtfertigen sind (OVG Münster, Urt. v. 4.12.2013, 14 A 2138/12, juris Rn. 27). Auch muss sich der Prüfling bereits vor Anfertigung der Prüfungsleistung auf die angesetzte Prüfungsdauer einstellen können. Der Prüfling ist dadurch weder rechtlos noch rechtsschutzlos gestellt. Auf rechtzeitige und substantiierte Rüge hin kann er überprüfen lassen, ob die benannten rechtsstaatlichen Anforderungen im Einzelfall erfüllt sind.

75

Dem entspricht es, dass in der Rechtsprechung auch der Obergerichte kein Verstoß gegen die jeweils einschlägigen höherrangigen Anforderungen, einschließlich der genannten verfassungsrechtlichen Anforderungen gesehen wird, wenn es in den Prüfungsbestimmungen an einer fixen normativen Vorgabe für die Dauer einer berufsbezogenen Prüfung fehlt. Unbeanstandet geblieben sind Prüfungsbestimmungen, welche hinsichtlich der Dauer einer Prüfungsleistung lediglich eine ungefähre Dauer festlegen (OVG Münster, Urt. v. 17.7.1991, 22 A 1533/89, juris Rn. 5), nur eine Höchstdauer bestimmen (VG Düsseldorf, Urt. v. 2.5.2007, 15 K 676/06, juris Rn. 56; vgl. OVG Münster, Beschl. v. 24.5.2006, 14 B 610/06, juris Rn. 7; VG Hamburg, Urt. v. 14.9.2016, 2 K 295/16) oder nur eine Mindestdauer bestimmen (VG München, Urt. v. 10.7.2012, M 16 K 12.377, juris Rn. 9). Ein in den Prüfungsbestimmungen vorgegebener Zeitrahmen ist gleichfalls in der Rechtsprechung unbeanstandet geblieben (FG Hannover, Urt. v. 24.4.2008, 6 K 26/08, EFG 2008, 1156, juris Rn. 21; VG Berlin, Urt. v. 25.2.2015, 12 K 324.14, juris Rn. 19).

76

Der § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG zu entnehmende gesetzgeberische Regelungsauftrag, Bestimmungen über die Dauer von Prüfungsleistungen aufzunehmen, läuft in dieser Auslegung auch nicht leer. Die Gesetzesvorschrift gibt dem Satzungsgeber auf, die Prüfungszeit sowohl durch Angabe einer Höchstdauer „nach oben“ als auch durch Angabe einer Mindestdauer „nach unten“ zu begrenzen. Dies wäre ohne § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG nicht selbstverständlich. Denn es begegnen, wie die zitierte Rechtsprechung belegt, vielfach Prüfungsbestimmungen, die keine Vorgabe über die Prüfungszeit enthalten oder die Prüfungszeit nur „nach oben“ oder nur „nach unten“ begrenzen und im Übrigen offen lassen. Allerdings darf der in der Prüfungsordnung angegebene Zeitrahmen nicht so weit gefasst sein, dass der Prüfungsordnung hinsichtlich der Dauer der Prüfungsleistung jede praktische Steuerungswirkung abzusprechen wäre. Denn der Gesetzgeber hat mit der spezifischen Vorgabe in § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG ersichtlich darauf abgezielt, dass der Prüfungsordnungsgeber selbst eine Eingrenzung der Prüfungsdauer vornimmt. Ob die gebotene normative Eingrenzung der Prüfungszeit gegeben ist, bemisst sich dabei anhand des vorfindlichen Spektrums, in dem sich die Dauer von berufsbezogenen Prüfungen üblicherweise bewegt.

77

bb. Nach dem vorstehenden Maßstab ist der in § 13 Abs. 4 Buchst. a PO 2010 gezogene Rahmen, dass die Klausur mindestens 45 und höchstens 180 Minuten dauert, – noch – hinreichend eng, um dem Regelungsauftrag des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG gerecht zu werden.

78

Die eröffnete Spannweite ist zwar in relativer Hinsicht beachtlich – die Maximaldauer ist viermal so lang wie die Minimaldauer einer Klausur. In einer Klausur von geringerer Dauer kann der Prüfer nur einen kleineren Ausschnitt des der Lehrveranstaltung entsprechenden Prüfungsstoffs abprüfen als dies bei einer längeren für die Anfertigung der Klausur zur Verfügung stehenden Zeit der Fall wäre. Doch ändert sich in absoluter Hinsicht für den Prüfling das Wesen der Prüfung nicht. Eine Klausur von knapp einer Stunde einerseits oder eine Klausur von drei Stunden andererseits stellt für einen Prüfling eine gewisse, aber doch begrenzte Belastung dar. Der Prüfling muss auf den der Lehrveranstaltung entsprechenden Prüfungsstoff vorbereitet sein, unabhängig davon, ob er nun in einem größeren oder einem kleineren Ausschnitt zum Gegenstand der Klausur gemacht wird.

79

Ein Fall mangelnder normativer Eingrenzung ist nicht festzustellen. Vielmehr ist in § 13 Abs. 4 Buchst. a PO 2010 durch die dort festgelegte Mindestdauer der Klausur von 45 Minuten eine untere Grenze und durch die dort festgelegte Höchstdauer von 180 Minuten eine obere Grenze gezogen, die aus dem vorfindlichen Spektrum, in dem sich die Dauer von berufsbezogenen Prüfungen üblicherweise bewegt, einen gewissen Ausschnitt im unteren bis mittleren Bereich herausgreift und damit die Dauer der Prüfungsleistung normativ bestimmt. Das vorfindliche Spektrum der üblichen Dauer schriftlicher Prüfungen reicht weit über das Doppelte der in § 13 Abs. 4 Buchst. a PO festgesetzten Höchstdauer der Klausur von drei Stunden hinaus. So dauert beispielsweise eine Aufsichtsarbeit in der Bilanzbuchhalterprüfung vier Stunden (gemäß § 5 Abs. 3 der Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Fortbildungsabschluss Geprüfter Bilanzbuchhalter und Geprüfte Bilanzbuchhalterin v. 26.10.2015; BGBl. I S. 1819 – BibuchhFPrV 2015), eine Aufsichtsarbeit in der zweiten Staatsprüfung für Juristen fünf Stunden (gemäß § 8 Abs. 1 der Übereinkunft der Länder Freie Hansestadt Bremen, Freie und Hansestadt Hamburg und Schleswig-Holstein über ein Gemeinsames Prüfungsamt und die Prüfungsordnung für die zweite Staatsprüfung für Juristen, ratifiziert durch Gesetz v. 26.6.1972, HmbGVBl. S. 119; m. spät. Änd. – LÜ), eine Aufsichtsarbeit in der Steuerberaterprüfung vier bis sechs Stunden (gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften v. 12.11.1979, BGBl. I S. 1922, m. spät. Änd. – DVStB) und eine Aufsichtsarbeit in der Lebensmittelchemikerprüfung acht Stunden (gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für staatlich geprüfte Lebensmittelchemikerinnen und Lebensmittelchemiker v. 3.11.2015, HmbGVBl. S. 294 – APO-LMChem). In § 13 Abs. 4 Buchst. a PO 2010 ist auch eine untere Grenze der Prüfungsdauer gezogen und auf 45 Minuten festgesetzt. Die praktische Wirksamkeit dieser normativen Festsetzung zeigt sich darin, dass ohne die angegebene Mindestdauer auch ein Kurztest von geringerer Dauer als Prüfungsleistung nicht ausgeschlossen wäre.

80

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit unter Abwendungsbefugnis beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

Tenor

Der Bescheid vom 26. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Januar 2014 wird aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass dem Kläger mindestens drei Prüfungsversuche für die Hausarbeit im Lehrprojekt „Entrepreneurship I“ zustehen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen das endgültige Nichtbestehen des Studiums im Masterstudiengang Entrepreneurship bei der Beklagten und begehrt die Feststellung, dass ihm weitere Prüfungsversuche zustehen.

2

Der Kläger nahm zum 1. Oktober 2007 das Studium im Masterstudiengang Entrepreneur-ship bei der Beklagten auf.

3

Im Wintersemester 2007/08 nahm er erstmals an dem Kurs „Lehrprojekt Entrepreneur-ship I“ teil, in dem eine Hausarbeit zu schreiben war. Bis zum vorgesehenen Abgabetermin am 14. April 2008 gab der Kläger keine Hausarbeit ab. Nachdem der Abgabetermin für die zweite Hausarbeit auf Antrag des Klägers auf den 29. Oktober 2008 verschoben worden war, gab er die Hausarbeit am 26. Oktober 2008 ab. Die Hausarbeit wurde mit „nicht bestanden“ bewertet. Die dritte Hausarbeit reichte der Kläger am 16. Juni 2009 ein.

4

Mit Bescheid vom 26. Juli 2010 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass er die Hausarbeit im Lehrprojekt „Entrepreneurship I“ gemäß § 12 Abs. 3 der Prüfungsordnung endgültig nicht bestanden habe, und darauf hingewiesen, dass gemäß § 40 Abs. 2 der Prüfungsordnung die Masterprüfung nicht mehr bestanden werden könne. Auf dem in der Sachakte der Beklagten befindlichen Bescheid befindet sich ein handschriftlicher Vermerk folgenden Inhalts: „Heute 26.7.10 mit bewerteter Arbeit persönlich übergeben!“

5

Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom gleichen Tag Widerspruch, den er damit begründete, dass ihm ein weiterer Prüfungsversuch zustehe. Bei der ersten Hausarbeit mit Abgabetermin am 14. April 2008 sei er für eine andere Prüfung krankgeschrieben gewesen und beantrage, seine Krankschreibung auch auf die (erste) Hausarbeit zu beziehen. Hilfsweise begehre er die Neubewertung der zuletzt geschriebenen Hausarbeit. Wegen der durch den Kläger insofern geltend gemachten Bewertungsfehler wird auf die Widerspruchsbegründung verwiesen.

6

Am 18. Oktober 2010 nahm die Erstprüferin Frau … zu den durch den Kläger erhobenen Bewertungsrügen Stellung, wobei sie an der Bewertung mit „nicht bestanden“ festhielt. Am 17. November 2010 teilte die Zweitprüferin … mit, dass sie sich den Ausführungen der Erstprüferin anschließe.

7

Auf der Sitzung am 17. November 2010 beschloss der Prüfungsausschuss, dem Widerspruch des Klägers nicht abzuhelfen. Dies wurde dem Kläger mit Schreiben vom 19. November 2010, das mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, mitgeteilt.

8

Am 22. November 2010 erhob der Kläger „Widerspruch“ gegen die Nichtabhilfemitteilung und fügte ein auf den 3. Februar 2008 datiertes Schreiben bei, wonach er sich von der der ersten Hausarbeit abmelde, sowie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von Herrn Dr. … vom 18. März 2008 für den Zeitraum vom 18. März 2008 bis 13. April 2008. Er teilte mit, dass er das Attest in der ersten Juniwoche 2008 postalisch an die Beklagte versandt habe.

9

Am 21. Dezember 2010 ging ein Antrag des Klägers auf Neubewertung der im Sommersemester 2008 geschriebenen Hausarbeit bei der Beklagten ein.

10

Mit anwaltlichem Schreiben vom 1. November 2011 trug der Kläger zur Begründung seines Widerspruchs weiter vor: Der erste Prüfungsversuch könne nicht gewertet werden, da er, der Kläger, „abgemeldet“ und krank geschrieben gewesen sei; es sei unerklärlich, warum die Abmeldung und die Atteste erst 2010 eingegangen seien. Die Entscheidung über den Prüfungsrücktritt stünde aus. Aus der Nichtabgabe der Hausarbeit innerhalb der festgelegten Bearbeitungszeit könne nicht gefolgert werden, dass die Bewertung der Hausarbeit mit „nicht bestanden“ ihm bekannt gegeben worden sei. Der zweite Versuch könne ebenfalls nicht gewertet werden, da sich die Hausarbeit, gegen deren Bewertung er Widerspruch erhoben habe, nicht in der Sachakte befinde. Im Hinblick auf den dritten Versuch befinde sich nur noch die Kopie der Hausarbeit in der Sachakte; das Gutachten, das sich auf der Rückseite der Hausarbeit befunden habe, sei nicht (mehr) vorhanden. Da die Unauffindbarkeit des Originals zulasten der Beklagten gehe, sei ihm auch insofern ein Wiederholungsversuch zuzugestehen. Die Prüfungsversuche könnten zudem deshalb nicht gewertet werden, da die Prüferinnen entgegen § 7 Abs. 1 Satz 1 der Prüfungsordnung nicht ordnungsgemäß bestellt worden seien. Zudem ergebe sich erst aus § 35 Abs. 5 der Prüfungsordnung i.V.m. III.3 §§ 4 Abs. 2, 5 Abs. 1 der Studienordnung, dass eine Hausarbeit im Lehrprojekt geschrieben werden müsse. Die Prüfungsordnung enthalte zudem keine Regelungen zur Bearbeitungszeit. Dies verstoße gegen § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG, wonach Zahl, Art, Dauer und Bewertung von Prüfungsleistungen in Hochschulprüfungsordnungen geregelt werden müssten und nicht in der Studienordnung.

11

Nachdem Vergleichsverhandlungen zwischen den Beteiligten gescheitert waren, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2014 zurück. Die Bewertungen der ersten beiden Hausarbeiten seien bestandskräftig geworden. Ein nachträglicher Prüfungsrücktritt komme nicht in Betracht. Im Hinblick auf den dritten Prüfungsversuch seien Bewertungsfehler, für die der Kläger die Beweislast trage, nicht erkennbar. Die Prüferinnen seien ordnungsgemäß bestellt worden.

12

Der Kläger hat am 27. Februar 2014 Klage erhoben. Zu deren Begründung wiederholt und vertieft er seinen Vortrag aus dem Vorverfahren und trägt ergänzend insbesondere vor, dass die von der Beklagten als Ermächtigungsgrundlage für den angefochtenen Bescheid herangezogene Vorschrift des § 12 Abs. 3 der Prüfungsordnung nichtig und unanwendbar sei, da die darin vorgesehene Kombination der anzahlmäßigen Begrenzung der Wiederholungsmöglichkeiten und der Prüfungsfristenregelung nicht mit § 65 HmbHG in der bei Erlass der Prüfungsordnung gültigen Fassung von 2001 vereinbar sei.

13

Nachdem der Kläger zunächst angekündigt hatte, neben der Aufhebung des Bescheids vom 26. Juli 2014 und des Widerspruchsbescheids vom 30. Januar 2014 auch die Aufhebung der Nichtabhilfemitteilung vom 19. November 2010 zu beantragen, hat er den Antrag in der mündlichen Verhandlung vom 5. November 2015 klargestellt.

14

Der Kläger beantragt,

15

den Bescheid der Beklagten vom 26. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Januar 2014 aufzuheben und festzustellen, dass ihm mindestens drei Prüfungsversuche für die Hausarbeit im Lehrprojekt „Entrepreneurship I“ zustehen,

16

hilfsweise,

17

die Beklagte zu verpflichten, über die Bewertung der von ihm am 26. Oktober 2008 und 16. Juni 2009 abgegebenen Hausarbeiten (erneut) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

18

Die Beklagte beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihre Ausführungen aus dem Vorverfahren und führt ergänzend aus, dass die Prüfungsordnung im Hinblick auf die zu erbringenden Prüfungsleistungen mit § 60 Abs. 2 HmbHG vereinbar sei. In § 11 der Prüfungsordnung würden die Bestimmungen zur Bewertung der Prüfungsleistungen genannt. In § 35 Abs. 1 der Prüfungsordnung fänden sich die Regelungen zu Zahl, Art und Dauer der im Rahmen der Masterstudiengänge zu erbringenden Prüfungsleistungen. Der in § 35 Abs. 5 der Prüfungsordnung enthaltene Verweis auf die Studienordnung, die nähere Vorgaben zu der im Lehrprojekt zu erbringenden Hausarbeit enthalte, sei von § 60 Abs. 2 Nr. 1 HmbHG gedeckt, der erlaube, dass Inhalt und Aufbau des Studiums auch in Studienordnungen geregelt werden könnten.

21

Im Hinblick auf die Vereinbarkeit des § 12 Abs. 3 der Prüfungsordnung mit § 60 HmbHG hat die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung vom 5. November 2015 mitgeteilt, dass von der Fristenregelung nach § 12 Abs. 3 Satz 2 der Prüfungsordnung in der Praxis der Beklagten kein Gebrauch gemacht werde.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Sachakte der Beklagten, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist, sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

23

Die Klage ist bereits im Hauptantrag zulässig (hierzu unter 1.) und begründet (hierzu unter 2.).

24

1. Die Klage ist zulässig.

25

Soweit sie auf die Aufhebung des Bescheids vom 26. Juli 2010 und des Widerspruchsbescheids vom 30. Januar 2014 gerichtet ist, ist sie als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

26

Soweit sie auf die Feststellung der dem Kläger zustehenden Prüfungsversuche gerichtet ist, ist sie als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft und sind auch die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben.

27

Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO liegt im Hinblick auf die Anzahl der dem Kläger im Rahmen seines Masterstudiums konkret noch zustehenden Prüfungsversuche vor.

28

Das berechtigte Interesse an der Feststellung ergibt sich daraus, dass nach der Rechtsauffassung der Beklagten das Bestehen der Hausarbeit Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluss des Studiums im Masterstudiengang Entrepreneurship ist. Denn in dem Bescheid vom 26. Juli 2010 hat sie den Kläger darauf hingewiesen, dass er nach der Prüfungsordnung wegen des endgültigen Nichtbestehens dieser Prüfungsleistung sein Studium nicht mehr erfolgreich beenden könne.

29

Der Feststellungsklage steht auch § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht entgegen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer folgt, entfällt die dort angeordnete Subsidiarität jedenfalls dann, wenn eine Umgehung der insbesondere für die Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen geltenden Sonderregeln nicht in Betracht kommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 2.7.1976, VII C 71.75, BVerwGE 51, 69, juris Rn. 21 m.w.N.). Dies ist hier der Fall, da die Zulassung des Klägers zu weiteren Prüfungsversuchen im Rahmen der Hausarbeit weder mit der Anfechtungs- noch mit der Verpflichtungsklage, sondern mit der allgemeinen Leistungsklage zu erstreben wäre, die wie die Feststellungsklage weder die vorherige Durchführung eines behördlichen Vorverfahrens voraussetzt noch fristgebunden ist (vgl. Pietzcker, in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 28. EL 2015, § 43 Rn. 43).

30

Dass vorliegend weder Anfechtungs- noch Verpflichtungsklage statthaft wären, beruht darauf, dass im Hinblick auf die streitgegenständliche Hausarbeit keine gesonderte Zulassung durch Verwaltungsakt erfolgt. Ob die Zulassung zu einer Prüfung Verwaltungsaktqualität hat oder nicht, beurteilt sich – vergleichbar mit der Frage, ob der Bewertung einer Prüfungsentscheidung Verwaltungsaktqualität zukommt (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 23.5.2012, 6 C 8/11, juris Rn. 14; Beschl. v. 25.3.2003, 6 B 8/03, juris Rn. 3) – nach der konkreten Ausgestaltung des Prüfungs- bzw. Zulassungsverfahrens durch die jeweilige Prüfungsordnung.

31

Maßgeblich für das Studium des Klägers, das dieser zum 1. Oktober 2007 aufgenommen hat, ist die „Ordnung für die Bachelorprüfung im Interdisziplinären Bachelorstudiengang Sozialökonomie und die Masterprüfung in den konsekutiven Masterstudiengängen Europastudien, International Business Administration, Entrepreneurship, Human Resource Management – Personalpolitik und Ökonomische und Soziologische Studien“ (v. 12.6.2003, Amtl. Anz. S. 4473, zuletzt geändert am 15.6.2005, Amtl. Anz. S. 1568 - PO) und nicht die „Neufassung der Ordnung für die Bachelorprüfung im Interdisziplinären Bachelorstudiengang Sozialökonomie und die Masterprüfung in den konsekutiven Masterstudiengängen Europastudien, International Business Administration, Entrepreneurship, Human Resource Management – Personalpolitik und Ökonomische und Soziologische Studien“ (vom 2.7.2008 und 9.7.2008, Hochschulanzeiger Nr. 18 v. 12.8.2008), die gemäß ihrem § 45 nur für Studierende gilt, die ab dem Wintersemester 2008/2009 ihr Studium begonnen haben.

32

Gemäß § 31 Abs. 1 PO ist zwar für die Teilnahme an den Prüfungen des Masterstudiums eine vorherige Zulassung zum Masterstudium erforderlich und dürfte es sich bei dieser Zulassungsentscheidung auch um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 Satz 1 HmbVwVfG handeln. Nach dieser „Grundzulassung“ zum Masterstudium und zu den Prüfungen des Masterstudiums nach § 31 Abs. 1 PO ergehen jedoch für die im Einzelnen abzulegenden Prüfungen keine weiteren Zulassungsentscheidungen mehr. Der Vorschrift des § 7a Abs. 1 PO lässt sich vielmehr entnehmen, dass für die im Bachelor- und im Masterstudiengang zu erbringenden Klausuren nur noch eine „Anmeldung“ der Studierenden (und nicht etwa ein Antrag auf Zulassung) erforderlich ist. Auch für Hausarbeiten finden sich weder in der Prüfungsordnung noch in der für den Kläger maßgeblichen „Studienordnung für den Interdisziplinären Bachelorstudiengang Sozialökonomie und die konsekutiven Masterstudiengänge Europastudien, International Business Administration, Entrepreneur-ship, Human Ressource Management – Personalpolitik, Daten- und Informationsmanagement, Gender und Arbeit und Ökonomische und soziologische Studien“ (v. 12.6.2003, Amtl. Anz. S. 4484, mit Änderungen zuletzt v. 15.6.2005, Amtl. Anz. S. 1570 - StudO) gesonderte Zulassungsbestimmungen. Soweit ersichtlich hat die Beklagte auch in der Vergangenheit über die Teilnahme des Klägers an der streitgegenständlichen Hausarbeit nicht durch förmlichen Bescheid oder eine sonstige Mitteilung entschieden, die nach den auch im öffentlichen Recht geltenden Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB als Verwaltungsakt angesehen werden könnte.

33

2. Die Klage ist auch begründet. Der Kläger kann sowohl die Aufhebung des angefochtenen Bescheids (hierzu unter a.) als auch die Feststellung beanspruchen, dass ihm mindestens drei Prüfungsversuche zustehen (hierzu unter b.).

34

a. Der Bescheid vom 26. Juli 2010, mit dem das endgültige Nichtbestehen der Hausarbeit im Lehrprojekt „Entrepreneurship I“ festgestellt und dem Kläger mitgeteilt worden ist, dass er sein Studium nicht mehr erfolgreich beenden könne, in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Januar 2014 ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben, da er rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt.

35

Dabei kann an dieser Stelle offenbleiben, ob die Beklagte die Feststellung des Nichtbestehens der Hausarbeit im Lehrprojekt, bei der es sich um eine Prüfungsleistung des Masterstudiengangs Entrepreneurship i.S.d. § 35 Abs. 5 PO handelt, auf § 12 Abs. 3 Satz 1 PO stützen konnte oder ob diese Bestimmung wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig und unanwendbar ist (vgl. hierzu jedoch unten unter b.aa.).

36

Denn auch wenn der Nichtbestehensbescheid deshalb auf § 65 Abs. 1 Satz 1 des Hamburgischen Hochschulgesetzes in der bei Erlass des Widerspruchsbescheids am 30. Januar 2014 gültigen Fassung (v. 19.7.2001, HmbGVBl. 171 - HmbHG 2001) zu stützen wäre, wonachZwischen- und Abschlussprüfungen zweimal und andere Prüfungen bis zu zweimal wiederholt werden können, ist Voraussetzung für eine solche Feststellung, dass die drei fraglichen Prüfungsversuche auf Grundlage einer rechtsgültigen Prüfungsordnung abgenommen worden sind.

37

Soweit die Prüfungsordnung wegen formeller oder inhaltlicher Mängel rechtsungültig ist, führt dies regelmäßig dazu, dass der beanstandeten Prüfungsentscheidung die erforderliche rechtliche Grundlage fehlt und sie rechtswidrig und aufzuheben ist (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 62). Dies hat zur Konsequenz, dass die Prüfung – nach Erlass einer rechtsgültigen Prüfungsordnung – als Erstprüfung erneut abgehalten werden muss (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, a.a.O., Rn. 58, 62; BVerwG, Urt. v. 29.5.2013, 6 C 18/12, juris Rn. 50).

38

An einer wirksamen Grundlage in der Prüfungsordnung fehlt es für die streitgegenständliche Prüfungsleistung jedoch.

39

Dabei kann dahinstehen, ob die Bewertungen des ersten und zweiten Prüfungsversuchs des Klägers mit „nicht bestanden“, wie die Beklagte meint, bestandskräftig geworden sind bzw. ob diese Bewertungen überhaupt der Bestandskraft fähig sind, was voraussetzen würde, dass es sich bei den Bewertungen von Modulprüfungen um Verwaltungsakte i.S.d. § 35 Satz 1 HmbVwVfG handelt (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 23.5.2012, 6 C 8/11, juris Rn. 14).

40

Denn jedenfalls die Bewertung des dritten Prüfungsversuchs, die dem Kläger am 26. Juli 2010 mit der Übergabe des Nichtbestehensbescheids bekannt gegeben worden ist, ist durch die fristgerechte Erhebung von Widerspruch und Klage gemäß § 80 Abs. 1 VwGO mit aufschiebender Wirkung angefochten worden. Dieser Prüfungsversuch ist nicht auf Grundlage einer rechtsgültigen Prüfungsordnung abgenommen worden. Denn die für den Kläger maßgebliche Prüfungsordnung genügt im Hinblick auf die streitgegenständliche Hausarbeit den Anforderungen von § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG nicht.

41

Die Vorschrift des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG ist, abgesehen von der mit dem Gesetz zur Verbesserung des Hochschulzugangs für beruflich Qualifizierte und des Bachelor-Master-Studiensystems (v. 6.7.2010, HmbGVBl. S. 473) zum 15. Juli 2010 bewirkten Ersetzung der Textstelle „Zwischen- und Abschlussprüfungen“ durch die Textstelle „Prüfungen in modularisierten Studiengängen, Zwischen- und Abschlussprüfungen“, mit der klargestellt werden sollte, dass die inhaltlichen Vorgaben für die Hochschulprüfungsordnungen auch für Prüfungsordnungen in modularisierten Studiengängen gelten (Bü.-Drs. 19/6214, S. 13), seit ihrem Erlass (Gesetz zur Neuordnung des Hochschulrechts v. 19.7.2001, HmbGVBl. 171) unverändert geblieben und galt damit sowohl im fraglichen Prüfungszeitraum als auch bei Erlass des Widerspruchsbescheids. Nach dieser Vorschrift sind in Hochschulprüfungsordnungen, die Prüfungen in modularisierten Studiengängen, Zwischen- und Abschlussprüfungen oder Abschlussprüfungen betreffen, insbesondere Be-stimmungen aufzunehmen über Zahl, Art, Dauer und Bewertung von Prüfungsleistungen.

42

§ 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG erfordert es, dass diese Bestimmungen konkret in der Prüfungsordnung selbst geregelt werden (vgl. Delfs, in Neukirchen, Reußow/Schomburg, Hamburgisches Hochschulgesetz, 2011, § 60 Rn. 4). Diese gesetzliche Vorgabe ist, da die Regelung von Prüfungsanforderungen und Prüfungsverfahren in die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit eingreift, Ausfluss der Wesentlichkeitstheorie (vgl. Delfs, a.a.O., § 60 Rn. 2). Dabei betreffen die Bestimmungen gemäß § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG die Prüfungsanforderungen und damit „zentrale Elemente der Hochschulprüfungsordnung“ (Delfs, a.a.O, § 60 Rn. 8). Hieraus folgt, dass ein strenger Maßstab anzulegen ist: Zahl, Art, Dauer und Bewertung von Prüfungsleistungen sind – hinreichend konkret – in der Prüfungsordnung selbst zu regeln, eine Regelung in einem anderen Dokument – auch in einer Studienordnung – ist nicht zulässig. Für die Anlegung dieses strengen Maßstabs und gegen eine großzügige Öffnung zugunsten von Studienordnungen spricht auch, dass, während in § 60 Abs. 2 Nr. 1 HmbHG ausdrücklich geregelt ist, dass „Inhalt und Aufbau des Studiums (…) auch in gesonderten Ordnungen (Studienordnungen) geregelt werden“ können, eine solche Bestimmung in § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG fehlt. Zudem müssen Studienordnungen anders als Prüfungsordnungen nicht durch das Präsidium genehmigt (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 3 HmbHG) und nicht im Amtlichen Anzeiger veröffentlicht werden (vgl. § 108 Abs. 5 Satz 1 HmbHG). Auch dass sich an die Feststellung des endgültigen Nichtbestehens einer nach der Prüfungsordnung vorgesehenen Prüfung nach § 44 HmbHG erhebliche Rechtsfolgen für die Studierenden knüpfen – sie können das Studium an einer Hamburger Hochschule nicht in dem gleichen Studiengang fortsetzen und können, wenn die Prüfungsgegenstände der endgültig nicht bestandenen Prüfung auch in diesem Studiengang durch die Prüfungsordnung verbindlich vorgeschrieben sind, das Studium auch in einem anderen Studiengang nicht fortsetzen – spricht dagegen, die Regelungen über die Prüfungsanforderungen in einem anderen Dokument als der Prüfungsordnung selbst zuzulassen.

43

Entgegen der Bestimmung des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG ergibt sich im vorliegenden Fall jedoch erst aus der Studienordnung und nicht bereits aus der Prüfungsordnung, dass im Lehrprojekt I eine Hausarbeit zu erbringen ist, welchen Umfang sie haben soll und wie sie zu bewerten ist.

44

Dabei kann offen bleiben, ob sich die Bestimmungen in § 35 Abs. 1 PO, wie die Beklagte meint, auch auf die im Masterstudium zu erbringenden Fachprüfungsleistungen nach § 35 Abs. 5 PO beziehen oder nur die Prüfungsleistungen aus dem Bereich „Allgemeine Studien“ betreffen. Gemäß § 35 Abs. 1 PO sind Fachkurse, Projekte, betreute Projektgruppen, Lernwerkstätten und Kurse aus dem Bereich „Allgemeine Studien“ mit jeweils einer Prüfungsleistung abzuschließen; die Art der Leistungsnachweise – die in § 35 Abs. 5 Satz 2 PO bezogen auf eine zweistündige Lehrveranstaltung regelhaft aufgezählt sind und u.a. in Hausarbeiten in einem Umfang von 10 bis 12 Seiten bestehen können – werden durch die Kursleiterinnen bzw. Kursleiter mit Zustimmung der zuständigen Masterausschüsse bestimmt. Denn die Vorschrift genügt den Anforderungen des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG nicht, da sie jedenfalls die Art der Prüfungsleistung nicht selbst konkret regelt, sondern ihre Bestimmung den Kursleitern überlässt. Auch der Bestimmung des § 35 Abs. 5 PO lässt sich eine Regelung von Zahl, Art, Dauer und Bewertung der Prüfungsleistung nicht entnehmen, wenn es dort heißt: „Im Masterprogramm ‚Entrepreneurship‘ sind weitere Fachprüfungsleistungen im Umfang von 84 Kreditpunkten zu erbringen, davon Prüfungsleistungen im Umfang von 45 Kreditpunkten in Projekten. Das Nähere regelt die Studienordnung.“ § 11 PO lässt sich zwar entnehmen, wie die Prüfungsleistungen im Einzelnen zu bewerten sind. Eine konkrete Bestimmung der für die einzelnen Prüfungsleistungen zu vergebenden Kreditpunkte, die für die Berechnung der Gesamtnote der Masterarbeit gemäß § 40 Abs. 2 PO erforderlich ist und damit ebenfalls eine notwendige Bestimmung zur Bewertung der Prüfungsleistung i.S.d. § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG darstellt (vgl. Delfs, a.a.O., § 60 Rn. 8), enthält die Prüfungsordnung hingegen nicht. In § 34 Abs. 2 PO wird insofern lediglich bestimmt, dass für bestandene Prüfungen mindestens drei Kreditpunkte und im Falle „von Lehrveranstaltungen, die ein höheres Maß an studentischer Eigenarbeit voraussetzen (…) oder für die eine Große Hausarbeit als Prüfungsleistung erbracht wird, (…) eine dem Anteil der Eigenarbeit entsprechend höhere Anzahl von Kreditpunkten zu vergeben“ sind.

45

Erst aus Abschnitt III.3, §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 2, 5 Abs. 1 StudO ergibt sich, dass im ersten Semester im Rahmen des sog. Lehrprojekts eine Hausarbeit im Umfang von 25 Seiten geschrieben werden soll, für die 9 Kreditpunkte vergeben werden.

46

Anders als die Beklagte meint, betreffen diese Regelungen auch nicht lediglich Inhalt und Aufbau des Studiums, sondern die Zahl (eine Prüfungsleistung), die Art (Hausarbeit, Seitenanzahl) und die Bewertung (konkrete Anzahl der Kreditpunkte) der Prüfungsleistung. Die Dauer der Prüfungsleistung, d.h. die den Prüflingen einzuräumende Bearbeitungszeit für die Hausarbeit, lässt sich dabei weder der Prüfungsordnung noch der Studienordnung entnehmen.

47

Dass die Prüfungsordnung im Hinblick auf diese Bestimmungen auf die Studienordnung verweist, ändert nach dem oben beschriebenen strengen Maßstab nichts an dem Verstoß gegen § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG.

48

b. Auch im Hinblick auf die vom Kläger begehrte Feststellung, dass ihm mindestens drei Prüfungsversuche für die Hausarbeit im Lehrprojekt „Entrepreneurship I“ zustehen, ist die Klage begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Teilnahme an der streitgegenständlichen Prüfung (hierzu unter aa.), der weder durch Fristen noch die Anzahl der Prüfungsversuche beschränkt ist (hierzu unter bb.).

49

aa. Der (grundsätzliche) Anspruch des Klägers auf Teilnahme an der Prüfung ergibt sich als Teilhaberecht nach der staatlichen Errichtung der Beklagten als beruflicher Ausbildungseinrichtung und der Zulassung des Klägers zum Masterstudium gemäß § 31 Abs. 1 PO aus dem Gleichheitssatz in Verbindung mit der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. BVerwG, Urteil vom 7.9.1973, VII C 2.70, NJW 1974, 573, juris Rn. 9; OVG Münster, Urt. v. 30.1.2015, 14 A 2307/13, juris Rn 29 m.w.N.).

50

Dem Anspruch auf Prüfungsteilnahme steht dabei nicht entgegen, dass die Bestimmungen in der Prüfungsordnung den Anforderungen des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG auch gegenwärtig nicht entsprechen. Denn der Mangel der Prüfungsordnung führt zwar dazu, dass der auf diesen Bestimmungen beruhende, den Kläger belastende Bescheid über das endgültige Nichtbestehen aufzuheben ist (vgl. oben unter a.). Dies bedeutet jedoch nicht, dass dem Kläger die Teilnahme an der Prüfung solange versagt werden könnte, bis die Prüfungsordnung unter Berücksichtigung der Anforderungen höherrangigen Rechts geändert worden ist. Denn die Teilnahme an einer Prüfung setzt grundsätzlich nicht voraus, dass an ihr Nichtbestehen rechtlich wirksame nachteilige Folgen für den Studierenden geknüpft sind. Zudem geht es bei der Teilnahme an der Prüfung nicht um die Abwehr eines Eingriffs, sondern um die Erweiterung des Rechtskreises des Klägers in Form der Geltendmachung eines Prüfungsanspruchs, so dass die (übergangsweise) Anwendung der rechtsungültigen Vorschriften insoweit unbedenklich ist (vgl. OVG Münster, Urt. v. 30.1.2015, a.a.O., juris Rn. 29).

51

bb. Der Anspruch auf Prüfungsteilnahme ist nach aktueller Rechtslage weder durch Fristen noch in der Anzahl begrenzt, so dass dem Kläger – unabhängig von der Anzahl der (wirksamen) Prüfungsversuche in der Vergangenheit – mindestens drei Prüfungsversuche zustehen.

52

Dabei ergibt sich der Anspruch auf zumindest einen weiteren Prüfungsversuch bereits daraus, dass jedenfalls der letzte (nicht bestandskräftige) Prüfungsversuch mangels ausreichender Grundlage in der Prüfungsordnung rechtlich „ins Leere gegangen“ ist, so dass er erneut abzunehmen ist (vgl. oben unter a.).

53

Ob dies auch im Hinblick auf die ersten beiden Prüfungsversuche der Fall ist oder ob deren Bewertungen mit „nicht bestanden“ bestandskräftig geworden sind, kann dahinstehen.

54

Denn aus der Prüfungsordnung ergibt sich derzeit keine rechtsgültige Beschränkung der Prüfungsversuche (hierzu unter (1)). Auch höherrangigem Recht lässt sich eine Höchstgrenze nicht (mehr) entnehmen, sondern vielmehr ein Anspruch auf mindestens drei Prüfungsversuche (hierzu unter (2)).

55

(1) Eine rechtsgültige Begrenzung der Prüfungsversuche für die streitgegenständliche Hausarbeit auf insgesamt drei Prüfungsversuche ergibt sich nicht aus § 12 Abs. 3 Satz 1 PO. Denn die Bestimmung des § 12 Abs. 3 PO ist wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig und unanwendbar.

56

Gemäß § 12 Abs. 3 PO können Bachelor- und Masterprüfungsleistungen – mit Ausnahme der Abschlussarbeit gemäß § 12 Abs. 1 PO – zweimal wiederholt werden, wenn sie schlechter als 4,0 bewertet worden sind. Für die Wiederholungsprüfung kann der Dozent bzw. die Dozentin eine abweichende, gleichwertige Prüfungsart festlegen. Die Prüfungen müssen im Bachelorstudium einschließlich sämtlicher Wiederholungen im ersten Studienjahr gemäß § 22 PO innerhalb einer Frist von vier Semestern, beginnend mit dem Semester der Zulassung zum ersten Studienjahr, im zweiten und dritten Studienjahr gemäß § 23 PO innerhalb von einer Frist von acht Semestern, beginnend mit dem Semester der Zulassung zum zweiten Studienjahr, erbracht werden, im Masterstudium innerhalb einer Frist von sechs Semestern beginnend mit dem Semester der Zulassung zu den Masterprüfungen. Für Teilzeitstudierende verlängert sich die Frist um jeweils 50 %. Der Prüfungsausschuss kann diese Frist bei begründetem Antrag verlängern. Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 PO gilt die entsprechende Prüfung, wenn die Fristen nicht eingehalten werden, als nicht bestanden und wird mit „nicht ausreichend" (5,0) bewertet.

57

Diese in § 12 Abs. 3 PO enthaltene Kombination der Beschränkung der Anzahl der Wiederholungsversuche auf zwei (§ 12 Abs. 3 Satz 1 PO) mit der Beschränkung der Wiederholungsmöglichkeiten durch Prüfungsfristen (§ 12 Abs. 3 Satz 2 PO) verstößt gegen § 65 des Hamburgischen Hochschulgesetzes in der vom 19. Juli 2001 (HmbGVBl. 171) bis 30. Juni 2014 (sodann geändert durch das Gesetz zur Weiterentwicklung des Hochschulrechts v. 8.7.2014, HmbGVBl. 269) gültigen Fassung (HmbHG 2001).

58

An dieser Fassung (§ 65 HmbHG 2001) und nicht an der aktuellen Fassung (§ 65 HmbHG) der Norm muss sich § 12 Abs. 3 PO deshalb messen lassen, weil die für den Kläger maßgebliche Prüfungsordnung bereits am 12. Juni 2003 erlassen und letztmalig am 15. Juni 2005 geändert worden ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtsgültigkeit von Rechtsnormen ist derjenige ihres Erlasses; die spätere Änderung höherrangigen Rechts kann den Gültigkeitsmangel der untergesetzlichen Vorschrift nicht nachträglich beseitigen.

59

Zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt für die Vereinbarkeit von untergesetzlichen Rechtsnormen mit höherrangigem Recht hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschl. v. 15.11.1967, 2 BvL 7/64, 2 BvL 22 BvL 20/64, 2 BvL 22 BvL 22/64, juris Ls. 1 und Rn. 65) wie folgt ausgeführt:

60

„Das Rechtsstaatsprinzip gebietet, daß der Gesetzgeber die staatlicher Eingriffsmöglichkeit offenliegende Rechtssphäre selbst abgrenzt und dies nicht dem Ermessen der Exekutive überläßt (vergleiche BVerfG 1958-07-10 1 BvF 1/58 = BVerfGE 8, 71, 76).

61

Es fordert, daß die Exekutive als Verordnungsgeber in den Rechtskreis des einzelnen Bürgers durch Erlaß von Rechtsvorschriften nur eingreifen darf, wenn sie dazu in einem Gesetz ermächtigt ist und wenn diese Ermächtigung nach Inhalt, Zweck und Ausmaß so hinreichend bestimmt und begrenzt ist, daß die möglichen Eingriffe für den Staatsbürger voraussehbar und berechenbar werden (vergleiche BVerfG 1958-07-10 1 BvF 1/58 = BVerfGE 9, 137, 147 unter Hinweis auf BVerfG 1958-11-12 2 BvL 4/56 = BVerfGE 8, 274, 325; BVerfG 1958-11-12 2 BvL 26/56 = BVerfGE 8, 274, 325; BVerfG 1958-11-12 2 BvL 40/56 = BVerfGE 8, 274, 325; BVerfG 1958-11-12 2 BvL 1/57 = BVerfGE 8, 274, 325; BVerfG 1958-11-12 2 BvL 7/57 = BVerfGE 8, 274, 325). An der Voraussehbarkeit des Inhaltes von Rechtsverordnungen würde es jedoch fehlen, wenn eine Rechtsverordnung zunächst ohne gesetzliche Ermächtigung erlassen würde und der Gesetzgeber eine derartige Rechtsverordnung mit rückwirkender Kraft nachträglich genehmigen könnte.“

62

Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 27.3.2014, 4 CN 3/13, BVerwGE 149, 229-244, juris Rn. 27) sind Rechtsnormen, die unter Verletzung (zwingenden) höherrangigen Rechts, das in dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit maßgeblichen Zeitpunkt zu beachten war, zustande gekommen sind, von Anfang an nichtig:

63

„Rechtsnormen, die unter Verletzung (zwingenden) höherrangigen Rechts, das in dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit maßgeblichen Zeitpunkt zu beachten war, zustande gekommen sind, sind im Grundsatz von Anfang an (ex tunc) und ohne Weiteres (ipso iure) unwirksam (vgl. z.B. Gerhardt/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand April 2013, vor § 47 Rn. 6 und Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 47 Rn. 112 und 120), soweit sich nicht aufgrund gesetzlicher Sonderregelungen anderes ergibt (vgl. Beschluss vom 7. März 2002 - BVerwG 4 BN 60.01 - Buchholz 406.13 § 5 ROG Nr. 3 S. 10).“

64

Diese Grundsätze gelten auch für das Zustandekommen anderer untergesetzlicher Rechtsnormen wie Prüfungsordnungen. Eine Vorschrift im Hamburgischen Hochschulgesetz, wonach es für ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht nicht auf den Zeitpunkt ihres Erlasses ankäme, ist nicht ersichtlich, und eine solche Annahme lässt sich auch nicht aus anderen Bestimmungen oder Erwägungen herleiten. Ein Verstoß der Prüfungsordnung gegen zum Zeitpunkt ihres Erlasses geltende höherrangige gesetzliche Bestimmungen führt daher zu ihrer Nichtigkeit ex tunc. Eine spätere Änderung der höherrangigen gesetzlichen Bestimmungen kann wegen des Rechtsstaatsprinzips nicht zur Heilung der Prüfungsordnung führen, da es sonst an der Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit der auf ihrer Grundlage möglichen Eingriffe für die Studierenden fehlen würde.

65

Die Vorschrift des § 65 HmbHG 2001 lautet wie folgt:

66

§ 65 Wiederholbarkeit

67

(1) 1 Zwischen- und Abschlussprüfungen können zweimal, andere Prüfungen bis zu zweimal wiederholt werden. 2 Die Abschlussarbeit kann einmal, nur in begründeten Ausnahmefällen ein zweites Mal wiederholt werden.

68

(2) Die Wiederholung findet in der Regel nur für die Prüfungsleistungen statt, die nicht bestanden worden sind.

69

(3) 1 Für studienbegleitende Prüfungen kann anstelle der Wiederholbarkeit bestimmt werden, dass Prüfungsleistungen innerhalb in der Prüfungsordnung festzulegender Fristen zu erbringen sind. 2 Durch die Studienorganisation ist sicherzustellen, dass drei Prüfungsversuche innerhalb der Frist möglich sind.

70

Die Auslegung dieser Norm ergibt, dass zwischen einer anzahlmäßigen Begrenzung der Prüfungsversuche gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 HmbHG 2001 und einer durch Fristen begrenzten Limitierung der Prüfungsversuche gemäß § 65 Abs. 3 Satz 1 HmbHG 2001 in einer Prüfungsordnung ein Alternativverhältnis bestehen soll.

71

Für dieses Normverständnis spricht zunächst und vor allem der Wortlaut der Bestimmung: Durch die Formulierung „anstelle der Wiederholbarkeit“ in § 65 Abs. 3 Satz 1 HmbHG 2001 hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass eine Kombination der beiden Beschränkungsmöglichkeiten (nach § 65 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 HmbHG) nicht zulässig sein soll, sondern durch den Satzungsgeber entweder das eine oder das andere Instrument zur Begrenzung der Wiederholungsversuche gewählt werden soll.

72

Dass es dabei im Normtext positiv „Wiederholbarkeit“ und nicht negativ etwa „Beschränkung der Wiederholungsversuche“ heißt, führt nicht zu einem anderen Normverständnis. Vielmehr dürfte es sich hierbei nur um eine sprachliche Ungenauigkeit des Gesetzgebers handeln. Zwar enthält § 65 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 HmbHG auch eine gesetzliche Gewährleistung für die Studierenden dahingehend, dassZwischen- und Abschlussprüfungen zweimal wiederholt werden können („Wiederholbarkeit“). Zugleich enthält die Vorschrift jedoch sowohl im Hinblick auf Zwischen- und Abschlussprüfungen i.S.d. § 65 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 HmbHG als auch im Hinblick auf die anderen Prüfungen i.S.d. § 65 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 HmbHG eine gesetzliche Obergrenze für Prüfungsversuche (vgl. Nünke, in Neukirchen/Reußow/Schomburg, Hamburgisches Hochschulgesetz, 1. Aufl. 2011, § 65 Rn. 5; Bü-Drs. 20/10491, S. 63), d.h. eine Beschränkung der Wiederholungsversuche. Da auch § 65 Abs. 3 Satz 1 HmbHG 2001 mit der Beschränkbarkeit der Prüfungsversuche durch Prüfungsfristen für die Universität eine Regelungsbefugnis zulasten der Studierenden bereithält – erst § 65 Abs. 3 Satz 2 HmbHG 2001 enthält eine positive Gewährleistung für die Studierenden –, dürfte der Gesetzgeber mit dem durch das Wort „anstelle“ zum Ausdruck gebrachten Alternativverhältnis bezweckt haben, die Regelung gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 HmbHG 2001 und die Regelungsmöglichkeit gemäß § 65 Abs. 3 Satz 1 HmbHG 2001 so zu begrenzen, dass sie nicht zu einer unverhältnismäßigen Belastung der Studierenden führen. Dieses Bemühen zeigt auch der nachfolgende Satz gemäß § 65 Abs. 3 Satz 2 HmbHG, wonach durch die Studienorganisation sicherzustellen ist, dass drei Prüfungsversuche innerhalb der Frist möglich sind.

73

Dass die Beschränkungsmöglichkeiten von § 65 Abs. 1 und 3 HmbHG 2001 in einem Alternativverhältnis zueinander stehen sollten, ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung zum Entwurf des Hochschulrechtsänderungsgesetzes (v. 22.5.1978, HmbGVBl. S. 109), mit dem die Regelung des § 65 Abs. 3 HmbHG 2001 – damals als § 60 Abs. 5 – eingeführt worden ist und zu der er heißt, dass es „in bestimmten Studiengängen (…) zweckmäßiger sein (kann), wenn bei studienbegleitenden Prüfungenstatt der Wiederholbarkeit eine Frist für die Ablegung von Prüfungen festgelegt wird“ (Bü-Drs. 13/5337, S. 35).

74

Auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen für dieses Normverständnis. Denn mit der Begrenzung von Prüfungsversuchen, die im Ergebnis dazu führen kann, dass die Studierenden das aufgenommene Studium nicht erfolgreich beenden, gemäß § 44 Satz 1 HmbHG das Studium an einer Hamburger Hochschule nicht in dem gleichen Studiengang und unter den Voraussetzungen des § 44 Satz 2 HmbHG auch in einem anderen Studiengang nicht fortsetzen können, geht für die betroffenen Studierenden ein erheblicher Eingriff in die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG einher, der sich am Maßstab der Verhältnismäßigkeit messen lassen muss. Der Eingriff wiegt umso schwerer, wenn die Begrenzung nicht nur durch die Anzahl der Prüfungsversuche oder durch Prüfungsfristen erfolgt, sondern durch eine Kombination von beiden Begrenzungsinstrumenten. Dies gilt selbst dann, wenn gemäß § 65 Abs. 3 Satz 2 HmbHG 2001 sichergestellt ist, dass innerhalb der Prüfungsfrist eine Mindestzahl von Prüfungsversuchen zur Verfügung steht. Denn die Kombination der Begrenzungsinstrumente erhöht die Wahrscheinlichkeit des endgültigen Nichtbestehens einer Prüfungsleistung auch dann, wenn sichergestellt ist, dass innerhalb der Prüfungsfristen drei Prüfungsversuche möglich sind.

75

Aus alledem folgt, dass, wenn die Universitäten von der Regelung gemäß § 65 Abs. 3 HmbHG 2001 – vorschriftsmäßig – Gebrauch machen, die Studierenden „die – insoweit unbegrenzte – Möglichkeit“ haben müssen, studienbegleitende Prüfungen innerhalb einer bestimmten Frist abzulegen und „eine Prüfung (…) innerhalb der jeweiligen Frist so lange wiederholt werden (kann), bis sie bestanden ist“ (vgl. Nünke, a.a.O., § 65 Rn. 9).

76

Dieses durch § 65 HmbHG 2001 vorgeschriebene Alternativverhältnis findet sich in § 12 Abs. 3 PO nicht wieder. Vielmehr enthält § 12 Abs. 3 Satz 1 PO eine – anzahlmäßige – Begrenzung der Prüfungsversuche auf drei und § 12 Abs. 3 Satz 2 PO zugleich eine Beschränkung der Prüfungsversuche durch Prüfungsfristen. Beide Bestimmungen können unabhängig voneinander zum endgültigen Nichtbestehen der Prüfungsleistung führen. Dabei kann § 12 Abs. 3 Satz 1 PO auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass es sich hierbei um die Konkretisierung der Gewährleistung des § 65 Abs. 3 Satz 2 HmbHG 2001 und nicht um eine Beschränkung der Prüfungsversuche i.S.d. § 65 Abs. 1 Satz 1 HmbHG 2001 handelt. Denn, abgesehen davon, dass § 12 Abs. 3 Satz 1 HmbHG keine Maßgabe im Hinblick auf die Studienorganisation enthält, wird keine Mindestbestimmung („mindestens zweimal“), sondern eine feste Anzahl von Prüfungsversuchen und damit eine Obergrenze normiert. Auch systematische Gründe sprechen dafür, § 12 Abs. 3 Satz 1 PO im Sinne einer Beschränkung und nicht im Sinne einer Mindestgewährleistung zu verstehen. Denn im Gegensatz zu § 12 Abs. 3 PO regelt § 12 Abs. 4 PO ausdrücklich, dass „nicht bestandene Leistungen nach § 22 Absätze 2 und 3 (…) innerhalb der Frist nach Absatz 3 Satz 2 beliebig oft wiederholt werden“ können.

77

Diese Unvereinbarkeit der Gesamtbestimmung des § 12 Abs. 3 PO mit § 65 Abs. 1 und 3 HmbHG 2001 kann auch nicht zugunsten der Beklagten dahingehend aufgelöst werden, dass nur die anzahlmäßige Begrenzung der Prüfungsversuche gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 PO oder nur die Begrenzung der Prüfungsversuche durch Prüfungsfristen gemäß § 12 Abs. 3 Satz 2 PO bestehen bliebe. Denn das Gericht kann sich nicht an die Stelle des allein zuständigen Satzungsgebers setzen und entscheiden, welche der beiden Begrenzungen für sich genommen bestehen bleiben soll. Dies wäre mit den Grundsätzen der Gewaltenteilung unvereinbar.

78

Unerheblich ist auch, ob die Behauptung der Beklagtenvertreterin zutrifft, dass von der Regelung des § 12 Abs. 3 Satz 2 PO praktisch kein Gebrauch gemacht werde. Denn für die Vereinbarkeit einer Prüfungsordnung mit höherrangigem Recht kommt es allein auf ihren Regelungsinhalt und nicht auf ihre Anwendung in der Praxis an.

79

(2) Auch höherrangigem Recht lässt sich eine Begrenzung der Prüfungsversuche für die hier in Streit stehende Modulprüfung nicht (mehr) entnehmen, sondern – im Gegenteil – eine Mindestanzahl von Prüfungsversuchen.

80

Maßgeblich für die Frage der dem Kläger gegenwärtig noch zustehenden Prüfungsversuche ist nicht die Vorschrift des § 65 Abs. 1 Satz 1 HmbHG 2001, die eine gesetzliche Höchstgrenze für Prüfungsversuche bei Zwischen- und Abschlussprüfungen und anderen Prüfungen statuierte, sondern § 65 Abs. 1 des Hamburgischen Hochschulgesetzes in der aktuell gültigen Fassung (v. 8.7.2014, HmbGVBl. S. 269 - HmbHG), die eine gesetzliche Obergrenze für Prüfungsversuche bei studienbegleitenden Prüfungen nicht mehr vorsieht. Denn maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die begehrte Feststellung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, da es dem Kläger nicht um die Feststellung der ihm in der Vergangenheit zustehenden Prüfungsversuche, sondern um die Feststellung der ihm gegenwärtig zustehenden Prüfungsversuche geht. Zwar ist zu berücksichtigen, dass sich der Kläger seiner Prüfung bereits unter der Geltung des § 65 HmbHG 2001 gestellt hat. Da der Kläger jedoch jedenfalls seinen letzten Prüfungsversuch wirksam angefochten hat, ist sein Prüfungsverfahren noch nicht abgeschlossen (vgl. zu dieser Voraussetzung: OVG Bautzen, Urt. v. 23.4.2013, 2 A 525/11, juris Rn. 25). Eine Übergangsvorschrift ist in dem Gesetz zur Weiterentwicklung des Hochschulrechts (v. 8.7.2014, HmbGVBl. S. 269), mit dem die gesetzliche Höchstgrenze für Prüfungsversuche nach § 65 Abs. 1 Satz 1 HmbHG mit Wirkung zum 1. Juli 2014 aufgehoben worden ist, für diese Gesetzesänderung nicht vorgesehen. Auch aus sonstigen Erwägungen spricht nichts dafür, die Bestimmung des § 65 Abs. 1 Satz 1 HmbHG 2001 – zu Lasten – des Klägers weiterhin anzuwenden.

81

Gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 HmbHG stehen dem Kläger für die streitgegenständliche Hausarbeit mindestens drei Prüfungsversuche zu. Nach dieser Vorschrift können studienbegleitende Prüfungen nunmehr mindestens zweimal wiederholt werden. Eine Begrenzung der Prüfungsversuche für studienbegleitende Prüfungen sieht § 65 Abs. 1 Satz 1 HmbHG nicht mehr vor, sondern nur die Gewährleistung einer Mindestanzahl von Prüfungsversuchen (vgl. auch die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Hochschulrechts, Bü-Drs. 20/10491, S. 63).

82

Bei der streitgegenständlichen Hausarbeit handelt es sich um eine studienbegleitende Prüfung i.S.d. § 65 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 HmbHG. Ob es sich bei ihr zugleich auch um den Teil einer Abschlussprüfung i.S.d. § 65 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 HmbHG, d.h. einer das Studium beendenden Prüfung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 3.11.1986, B 108/86, juris Rn. 8) handelt, da sie gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 PO Teil der Masterprüfung ist, kann dahinstehen. Denn auch wenn die Hausarbeit zugleich als Teil einer Abschlussprüfung anzusehen sein sollte, handelt es sich jedenfalls um den studienbegleitenden Teil einer solchen Prüfung. Studienbegleitende Prüfungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie thematisch dem Studienfortschritt angepasst sind (vgl. Reich, Hochschulrahmengesetz, 11. Aufl. 2012, § 15 Rn. 2). So liegt es im Falle von Modulprüfungen (vgl. auch Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 812, der die Begriffe „studienbegleitende Prüfung“ und „Modulprüfung“ synonym verwendet), mit denen nicht kursübergreifender Prüfungsstoff eines Studienabschnitts oder des gesamten Studiums abgeprüft wird, sondern nur der in dem jeweiligen Modul vermittelte Prüfungsstoff. Dass nach § 65 Abs. 1 Satz 1 HmbHG dem Prüfling bei studienbegleitenden Prüfungen grundsätzlich mehr Prüfungsversuche zustehen als bei nicht studienbegleitend abgenommenen Zwischen- und Abschlussprüfungen, erscheint vor dem Hintergrund von Art. 12 Abs. 1 GG auch sachgerecht. Denn da bei einer studienbegleitenden Prüfung, deren Nichtbestehen ebenso wie das Nichtbestehen einer nicht studienbegleitend abgenommenen Zwischen- oder Abschlussprüfung zu einem Nichtbestehen des Studiums führen kann, ein kleinerer Ausschnitt aus dem für den Studienabschluss insgesamt erforderlichen Prüfungsstoff abgeprüft wird, bestehen hier weniger Möglichkeiten, Schlechtleistungen durch gute Leistungen in einem anderen Prüfungsgebiet auszugleichen, so dass der Ausspruch des endgültigen Nichtbestehens bei diesen Prüfungsleistungen schwerer wiegt.

II.

83

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO. Die Berufung war gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da keine obergerichtliche Rechtsprechung zu der Frage existiert, ob § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG es erfordert, Zahl, Art, Dauer und Bewertung von Prüfungsleistungen konkret in der Prüfungsordnung selbst zu regeln, und welche Rechtsfolgen ein Verstoß gegen die Vorschrift nach sich zieht.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Tenor

1. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Mai 2013 - BVerwG 6 C 18.12 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wird aufgehoben. Die Sache wird an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen.

2. Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

1

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sind Regelungen einer Universität über die Schwerpunktbereichsprüfung in der Ersten Juristischen Prüfung. Die Universität wehrt sich gegen ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in einem Prüfungsrechtsstreit, mit dem diese Regelungen wegen eines Verstoßes gegen die Berufsfreiheit der Studierenden verworfen wurden.

I.

2

1. Mit dem Gesetz zur Reform der Juristenausbildung vom 11. Juli 2002 (BGBl I S. 2592), das zum 1. Juli 2003 in Kraft getreten ist, hat der Bundesgesetzgeber die "Substanz des allgemeinen Ausbildungswesens" (BTDrucks 14/7176, S. 6) an die Länder und die Universitäten gegeben und die Eigenständigkeit der jeweiligen Prüfungen betont. Die Wahlfachprüfung der "Ersten Prüfung" sollte vollständig auf die Universitäten übertragen (vgl. BTDrucks 14/7176, S. 1) und damit die rechtswissenschaftlichen Fakultäten gestärkt werden, die die Prüfung allein durchzuführen und zu verantworten haben (vgl. BTDrucks 14/7176, S. 9).

3

2. In Baden-Württemberg ergeben sich die Vorgaben zu Prüfungen im Rahmen des Schwerpunktstudiums an Juristischen Fakultäten in Baden-Württemberg aus dem Deutschen Richtergesetz (DRiG), dem Juristenausbildungsgesetz (JAG BW) und der Juristenausbildungs- und Prüfungsordnung des Landes (JAPrO BW) sowie der Studien- und Prüfungsordnung für den Studiengang Rechtswissenschaften der Universität (JuSPO 2007).

4

Grundsätzlich kann die Befähigung zum Richteramt nur erworben werden, wenn ein Studium mit einer ersten Prüfung abgeschlossen wird, die aus der universitären Schwerpunktprüfung und der staatlichen Pflichtfachprüfung besteht (§ 5 DRiG). Die Inhalte von Pflichtfächern und Schwerpunkten (§ 5a DRiG) sind ebenso wie Prüfungen (§ 5d DRiG) allgemein geregelt. Nach § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG ist die Einheitlichkeit der Prüfungsanforderungen zu gewährleisten; nach § 5d Abs. 2 Satz 2 DRiG ist im Schwerpunkt mindestens eine schriftliche Leistung zu erbringen.

5

In Baden-Württemberg sieht das Juristenausbildungsgesetz in § 1 Abs. 3 Satz 1 JAG BW vor, dass die Schwerpunktbereichsprüfung der Ersten Juristischen Prüfung von den Universitäten in eigener Verantwortung abgenommen wird. Nach der Juristenausbildungs- und Prüfungsordnung gibt es die "Universitätsprüfung" (§ 1 Abs. 2 Satz 3), für deren Vorbereitung und Durchführung die Universitäten zuständig sind (§ 2, 2. Halbsatz). Für die Staatsprüfung, die das Landesjustizprüfungsamt vorbereitet und durchführt (§ 2, 1. Halbsatz), wird geregelt, wann aufgrund mangelnder schriftlicher Leistungen keine Zulassung zur mündlichen Prüfung erfolgt (§ 16) und wie sich die Endnote der Staatsprüfung errechnet (§ 19). Das Land gibt zudem vor, wie die Endnote der Universitätsprüfung zu bilden ist (§ 32 Abs. 1), wann die Universitätsprüfungsleistungen erbracht werden müssen (§ 33 Abs. 1 und 2 in der bis zum 6. Mai 2013 geltenden Fassung) und dass die Universitätsprüfung nur einmal wiederholt werden kann (§ 33 Abs. 3 in der bis zum 6. Mai 2013 geltenden Fassung).

6

Die Beschwerdeführerin gab in der JuSPO 2007 vor, dass in der Schwerpunktbereichsprüfung insgesamt drei Prüfungsleistungen zu erbringen waren (§ 10 Abs. 2): eine Studienarbeit, eine Aufsichtsarbeit und eine mündliche Prüfung. Die Prüfung war insgesamt nur bestanden, wenn alle Prüfungsleistungen erfolgreich abgelegt wurden (§ 14 Abs. 1); die einzelnen Leistungen wurden gewichtet (§ 14 Abs. 2). Eine nicht bestandene Prüfungsleistung konnte einmal wiederholt werden (§ 17 Abs. 1). War die Wiederholungsprüfung erfolglos, war die Schwerpunktbereichsprüfung endgültig nicht bestanden (§ 17 Abs. 3).

II.

7

1. Der Kläger des Ausgangsverfahrens studierte Rechtswissenschaften bei der Beschwerdeführerin. In der universitären Schwerpunktbereichsprüfung erzielte er in der Aufsichtsarbeit im ersten Versuch zwei Punkte, in der Wiederholungsprüfung einen Punkt. Er klagte auf die Feststellung, dass er zur Fortsetzung der Schwerpunktbereichsprüfung berechtigt sei. Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt, denn die Ordnung der Beschwerdeführerin, die JuSPO 2007, die das Bestehen aller Teilprüfungen verlange, verstoße gegen die landesrechtliche Vorgabe des § 32 Abs. 1 JAPrO BW, wonach aus allen Prüfungsleistungen eine Gesamtnote zu bilden sei.

8

Der Verwaltungsgerichtshof änderte das Urteil und wies die Klage ab. Die landesrechtliche Regelung des § 32 Abs. 1 JAPrO BW sei nicht als abschließend zu verstehen. Für das Bestehen der Schwerpunktbereichsprüfung könne universitäres Satzungsrecht höhere Anforderungen stellen. Diese seien mit Art. 12 GG vereinbar, denn alle Teilprüfungen der Schwerpunktbereichsprüfung seien zur Beurteilung der Gesamteignung für das Studienziel wesentlich.

9

2. Die Revision des Klägers hielt das Bundesverwaltungsgericht für begründet, änderte das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs und wies die Berufung zurück.

10

Die Bestehensregelung verletze die durch Art. 12 GG gewährleistete Berufsfreiheit der Studierenden. Die Vorgaben der § 14 Abs. 1, § 17 Abs. 3 JusPO 2007 seien nicht hinreichend geeignet, den in §§ 5 ff. DRiG vorgegebenen Zweck der Schwerpunktbereichsprüfung zu erreichen. Ob eine Teilprüfung unerlässlicher, nicht ausgleichsfähiger Bestandteil der avisierten Qualifikation sei, habe in erster Linie der Normgeber zu beurteilen, der dabei über beträchtliche Einschätzungsspielräume verfüge. Verfassungswidrig seien Regelungen grundsätzlich nur, wenn die ihnen zugrunde liegende Einschätzung sachlich nicht vertretbar sei. Doch unterliege der universitäre Normgeber bei der juristischen Schwerpunktbereichsprüfung engeren grundrechtlichen Bindungen. Die Verbindung von Staats- und Schwerpunktbereichsprüfung in § 5 Abs. 1 DRiG richte beide Prüfungen auf denselben Zweck aus. Auch eine universitäre Bestehensregelung müsse darauf abgestimmt sein. Die Vorgaben für die Schwerpunktprüfung müssten mit der Pflichtfachprüfung kongruent sein. Soweit der Schwerpunktbereich eine Ergänzungsfunktion zum Pflichtfach habe, komme dem staatlichen Normgeber bei der Definition der Eignungsstandards schon logisch das Primat gegenüber dem universitären Normgeber zu. Auch nach dem Verweis des § 5d Abs. 6 DRiG auf das Landesrecht könne der Landesgesetzgeber die wesentlichen prüfungsrechtlichen Eckdaten verbindlich vorgeben. Demgegenüber habe die Universität breitere prüfungsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten, soweit der Schwerpunktbereich gegenüber dem Pflichtfachbereich eine Vertiefungsfunktion habe.

11

Hier habe die Beschwerdeführerin ihren prüfungsrechtlichen Gestaltungsspielraum überschritten. Ihre Bestehensregelung sei nicht hinreichend geeignet, den der Universitätsprüfung zugedachten Zweck zu erfüllen, die Eignung für den juristischen Vorbereitungsdienst zu ermitteln. Die Aufsichtsarbeit und die mündliche Prüfung hätten eine Ergänzungsfunktion. Sie müssten sich daher an § 16 JAPrO BW orientieren, wonach in einzelnen Teilprüfungen abgeprüfte Kenntnisse und Fertigkeiten nicht bereits für sich genommen, sondern nur in ihrer Summe ausschlaggebend seien, also nicht bestandene Teilprüfungen durch die Leistungen in anderen Teilprüfungen kompensiert werden könnten, indem eine Durchschnittsnote gebildet werde. Im Unterschied dazu verabsolutiere die Universität in § 14 Abs. 1 und § 17 Abs. 3 JuSPO 2007 die Aussagekraft einzelner Teile der Schwerpunktbereichsprüfung und weiche ersichtlich vom Ansatz der JAPrO BW ab. Demgegenüber habe die Studienarbeit eine Vertiefungsfunktion, weil sie auf wissenschaftlich-methodische Fertigkeiten ausgerichtet sei, weshalb die Universität die Bestehensregelung dafür anders fassen könne als im Landesrecht.

12

Nichts anderes ergebe sich aus der grundrechtlichen Lehrfreiheit. Der Grundrechtsschutz verändere sich nicht, wenn der staatliche Normgeber die Regelung von Bestehensanforderungen bei Prüfungen im Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG auf die Universitäten verlagere. Prüfungsrechtliche Bestehensregelungen wirkten nicht auf die inhaltliche oder methodische Gestaltung von Lehrveranstaltungen zurück.

13

3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Universität eine Verletzung der in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierten Lehrfreiheit. Das Bundesverwaltungsgericht habe die grundrechtlich geschützte Befugnis der Universität, Anforderungen der Schwerpunktbereichsprüfung eigenständig festzulegen, ohne verfassungsrechtlich tragfähigen Grund verkürzt. Bei der Gestaltung des Schwerpunktbereichs handelten die Universitäten nicht lediglich aufgrund einer delegierten Rechtsetzungsermächtigung im Rahmen des staatlichen Aufgabenbereichs. Vielmehr sei es gerade Ziel der Reform der Juristenausbildung gewesen, einen Teil der früheren Staatsprüfung auf die Universitäten zu verlagern. Die Schwerpunktbereichsprüfung sollte danach als rechtlich, organisatorisch und zeitlich eigenständige Prüfung von den Universitäten in eigener Verantwortung konzipiert und durchgeführt werden (Verweis auf BTDrucks 14/7176, S. 1 und 8-10). Das Bundesverwaltungsgericht habe durch das Erfordernis einer Kongruenz der Eignungsstandards zwischen Pflichtfach- und Universitätsprüfung, die sich aus dem einfachen Recht nicht ergebe, den Einschätzungsspielraum der Universität zur Bedeutung der Teilprüfungen für das Prüfungsziel über Gebühr beschränkt. Es habe die aus der Berufsfreiheit folgenden Anforderungen an Bestehensregelungen für die Schwerpunktbereichsprüfung im Studium der Rechtswissenschaft überdehnt.

14

4. Zu der Verfassungsbeschwerde und den durch sie aufgeworfenen Fragen haben das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, das Justizministerium Baden-Württemberg sowie der Deutsche Juristen-Fakultätentag Stellung genommen. Die Akten des Ausgangsverfahrens waren beigezogen.

15

Die Bundesregierung und das Justizministerium Baden-Württemberg verweisen auf die Begründung des Entwurfs für das Gesetz zur Reform der Juristenausbildung (BTDrucks 14/7176). Den Hochschulen sollten durch die bundesgesetzliche Regelung sowohl die Ausbildung als auch Teile der ersten Prüfung als eigene Aufgabe übertragen werden. Die Anforderungen an die universitäre Schwerpunktbereichsprüfung seien vom Bundesgesetzgeber sehr zurückhaltend geregelt worden. In Baden-Württemberg schlage sich der eigene Verantwortungsbereich der baden-württembergischen Hochschulen für die Schwerpunktbereichsprüfung der Ersten Juristischen Prüfung in § 1 Abs. 3 Satz 1 JAG BW sowie in § 26 JAPrO BW nieder. Die §§ 26 ff. JAPrO BW beschränkten sich auf die Vorgabe von Mindeststandards; es verblieben vielfältige Gestaltungsspielräume der Universitäten. Die Ausgestaltung der universitären Prüfungsordnungen unterliege - im Rahmen der gesetzlichen Grenzen - der vollen akademischen Selbstverwaltung; sie sei von den Vorgaben für die staatliche Pflichtfachprüfung entkoppelt. Es gebe nur eine Bindung der Hochschulen an die Notenskala der staatlichen Pflichtfachprüfung (vgl. § 5d Abs. 1 Satz 3 DRiG).

III.

16

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zu Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG), insbesondere sind die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen der Lehrfreiheit sowie des von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Selbstverwaltungsrechts der Hochschulen durch den Senat hinreichend geklärt (BVerfGE 35, 79<112 ff.>; 93, 85 <93, 95>; 111, 333 <354 f.>).

17

1. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil die von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Regelungsspielräume der Universität nicht hinreichend berücksichtigt.

18

a) Hochschulen dienen nicht nur der Pflege der Wissenschaft, sondern sind auch Ausbildungsstätten für bestimmte Berufe. Die auf einen berufsqualifizierenden Abschluss zielende Lehre ist eine den Universitäten und den Fakultäten als ihren Untergliederungen einfachgesetzlich übertragene staatliche Aufgabe. Sie können aus dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit daher kein Recht ableiten, die wissenschaftsorientierte Berufsausbildung autonom zu gestalten (vgl. BVerfGE 35, 79 <121 f.>; 67, 202 <207>). Den Gesetzgeber trifft im Bereich der Berufsausbildung schon im Hinblick auf die Grundrechtspositionen der Studierenden aus Art. 12 Abs. 1 GG eine Mitverantwortung. Es ist Sache des parlamentarischen Gesetzgebers, Rahmenregelungen für die berufsorientierte Lehre zu erlassen; er ist allerdings bei der Ausgestaltung der Berufsausbildungsfreiheit und bei der Festlegung der Rahmenbedingungen mit Blick auf die Wissenschaftsfreiheit nicht gänzlich frei. Vielmehr wird die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten durch die in Art. 5 Abs. 3 GG enthaltene objektive, das Verhältnis von Wissenschaft, Forschung und Lehre zum Staat regelnde, wertentscheidende Grundsatznorm begrenzt (vgl. BVerfGE 35, 79 <114 f.>; 93, 85 <95>; 111, 333 <353>). Die Wissenschaftsfreiheit schützt auch die Befugnis zum Erlass von Studien- und Prüfungsordnungen (vgl. BVerfGE 93, 85 <93>). Die Freiheit der Lehre umfasst insbesondere deren Inhalt, den methodischen Ansatz und das Recht auf Äußerung von wissenschaftlichen Lehrmeinungen (BVerfGE 35, 79 <113 f.>).

19

b) Das angegriffene Urteil berührt nicht nur Art. 12 Abs. 1 GG, sondern auch den Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Das Urteil greift in die der Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer akademischen Selbstverwaltung zustehende Satzungsautonomie ein, die auch die Befugnis umfasst, Prüfungsordnungen zu erlassen (vgl. BVerfGE 93, 85 <93>). Diese Einschränkung ist nicht gerechtfertigt. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt das Grundrecht der Beschwerdeführerin aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht hinreichend (aa). Zwar ist die Ausgestaltung von Wissenschaftsorganisationen einschließlich des Lehr- und Prüfungsrechts grundsätzlich dem Gesetzgeber überlassen, doch lässt sich das in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellte Kongruenzerfordernis weder dem einfachen Recht noch Art. 12 Abs. 1 GG entnehmen (bb).

20

Die Ausgestaltung von Wissenschaftsorganisationen einschließlich des Lehr- und Prüfungsrechts ist grundsätzlich dem Gesetzgeber überlassen. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG schützt davor, dass der Gesetzgeber kein System schafft, das Entscheidungen ermöglicht, die die Freiheit von Forschung und Lehre gefährden (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 12. Mai 2015 - 1 BvR 1501/13 u.a. -, Rn. 68; Beschluss des Ersten Senats vom 24. Juni 2014 - 1 BvR 3217/07 -, Rn. 55 ff. m.w.N.).

21

(1) Der Bundesgesetzgeber hat in Wahrnehmung seiner aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 und Art. 98 Abs. 1 GG folgenden Gesetzgebungskompetenz mit § 5a DRiG eine Regelung geschaffen, welche einen Rahmen für die rechtliche Ausgestaltung des Studiums der Rechtswissenschaft enthält und die nähere Ausgestaltung dem Landesrecht zuweist (vgl. § 5a Abs. 4 DRiG). Er hat dabei die universitäre und die staatliche Prüfung im Gesetz zur Reform der Juristenausbildung vom 11. Juli 2002 (BGBl I S. 2592) nicht in einer Weise rechtlich, zeitlich oder organisatorisch verklammert, wie sie das Bundesverwaltungsgericht zugrunde legt. Ausweislich der Begründung zum Gesetzentwurf sollte die Schwerpunktbereichsprüfung der ersten Prüfung "vollständig auf die Universitäten übertragen werden" und die Hochschulen in einen "Qualitätswettbewerb" untereinander eintreten (BTDrucks 14/7176, S. 1). Die rechtswissenschaftlichen Fakultäten hätten die Universitätsprüfung "allein durchzuführen und zu verantworten" (BTDrucks 14/7176, S. 9); es gebe nun eine "universitätsautonome Gestaltung der Prüfungsanforderungen und des Prüfungsverfahrens" (BTDrucks 14/7176, S. 13). Die Schwerpunktbereichsprüfung sei ein selbständiger Bestandteil der ersten Prüfung und insoweit auch Voraussetzung für den Vorbereitungsdienst, doch könne eine mangelhafte Universitätsprüfung gerade nicht durch eine deutlich bessere Pflichtfachprüfung ausgeglichen werden (vgl. BTDrucks 14/7176, S. 13). In der Beschlussempfehlung heißt es schließlich, dass die Universitäten die Schwerpunktbereiche "in eigener Verantwortung prüfen" (BTDrucks 14/8629, S. 11). Diese Formulierungen sprechen für sich genommen und in ihrer Gesamtheit dafür, dass die Verantwortung für die Schwerpunktbereichsprüfung vollständig bei den Universitäten liegt.

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(2) Auf das Landesrecht, das nach § 5a Abs. 4 DRiG "das Nähere" zum Studium regelt, kommt es im vorliegenden Verfahren nicht an, weil es als solches im Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 137 Abs. 1 VwGO nicht revisibel ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2009 - BVerwG 3 B 35.09 -, juris, Rn. 4 f.; Beschluss vom 22. September 2011 - BVerwG 8 B 41.11 -, juris, Rn. 5; stRspr).

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bb) Die Auslegung und Anwendung der einfachrechtlichen Vorschriften ist Aufgabe der Fachgerichte. Sie dürfen dabei die zum Schutz der Freiheit von Forschung und Lehre eröffneten gesetzlichen Spielräume nicht in einer vom Gesetzgeber nicht intendierten und mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unvereinbaren Weise verengen. Dies bewirkt jedoch die Auslegung durch das Bundesverwaltungsgericht, wenn es unter Verkennung der grundgesetzlichen Wertungen davon ausgeht, die beschwerdeführende Universität unterliege bei Regelungen über die juristische Universitätsprüfung aufgrund eines Kongruenzerfordernisses engeren Bindungen als ein prüfungsrechtlicher Normgeber. Eine solche Kongruenz zwischen Pflichtprüfung und Schwerpunktbereichsprüfung gibt das einfache Recht nicht vor. Soweit das Bundesverwaltungsgericht ein Kongruenzerfordernis unmittelbar aus Art. 12 Abs. 1 GG ableitet, verengt es den vom Bundesgesetzgeber im Interesse der Satzungsautonomie der Universitäten eröffneten Spielraum in einer mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unvereinbaren Weise (1). Die Prüfung, ob die streitige Bestehensregelung im konkreten Fall tatsächlich den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahrt, bleibt allerdings Aufgabe der Fachgerichte (2).

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(1) Ein Kongruenzerfordernis zwischen Bestehensregelungen ergibt sich nicht aus der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG, bei der es sich um revisibles Bundesrecht handelt. Allerdings greift jede Bestehensregelung in die Berufsfreiheit der Geprüften ein. Zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter ist auch ein gewisser, sich in vernünftigen Grenzen haltender "Überschuss" an Prüfungsanforderungen grundsätzlich hinzunehmen (BVerfGE 25, 236, <248>; 80, 1 <24>). Prüfungsregelungen genügen den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedoch nur, wenn sie für sich genommen geeignet, erforderlich und zumutbar sind (vgl. BVerfGE 80, 1 <24> m.w.N.; stRspr). Das Bestehen von Teilprüfungen kann folglich gefordert werden, wenn diese schon für sich genommen jeweils eine zuverlässige Beurteilungsgrundlage für die Erreichung des Prüfungszwecks bieten (vgl. BVerfGE 80, 1 <35>; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 6. März 1995 - BVerwG 6 B 3.95 -, juris, Rn. 4 f. m.w.N.). Spezifische Anforderungen einer Kongruenz mit Staatsprüfungen sind Art. 12 Abs. 1 GG damit jedoch nicht zu entnehmen.

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(2) Ob die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch einzelne Prüfungsregelungen gewahrt sind, mit denen die in Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit durch subjektive Zulassungsregelungen eingeschränkt wird (vgl. BVerfGE 80, 1 <24>), müssen die Fachgerichte beurteilen. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs waren alle Teilprüfungen der Schwerpunktbereichsprüfung an der beschwerdeführenden Universität so dimensioniert, dass sie für die Gesamteignung der Prüflinge für das Studienziel wesentlich waren. Dann ist auch eine Anforderung, die das Bestehen aller Teilprüfungen erzwingt, zu rechtfertigen. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit dieser Frage jedoch nicht auseinandergesetzt, weil es, unter Verkennung der nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Satzungsautonomie der Universität auch in Prüfungsfragen (vgl. BVerfGE 93, 85 <93>), bereits deren Gestaltungsspielraum als beschränkt angesehen hat. Es erwähnt zwar kurz die Lehrfreiheit, hält diese aber nicht für berührt. Auch lässt das Gericht die Frage, ob die Ausgestaltung der Prüfungsordnung als Satzung der akademischen Selbstverwaltung unterliegt, ausdrücklich offen. Damit verkennt das Gericht den Schutzgehalt des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, der die akademische Selbstverwaltung auch hinsichtlich der Satzungsbefugnis in Prüfungsfragen umfasst. Wird der Satzungsautonomie hingegen Rechnung getragen und ein Kongruenzerfordernis universitärer Prüfungen mit der Staatsprüfung demzufolge verneint, bleibt die Frage zu beantworten, ob jede der drei im Schwerpunkt geforderten Prüfungsleistungen bereits für sich genommen eine zuverlässige Beurteilungsgrundlage über das Bestehen oder Nichtbestehen der Schwerpunktbereichsprüfung bietet. Nur dann ist die Regelung, die das Bestehen aller drei Leistungen fordert, erforderlich und damit auch verhältnismäßig.

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(3) In der Beurteilung der Prüfungsregelungen stellen sich tatsächliche Fragen, die von den Fachgerichten unter Beachtung der grundrechtlichen Wertungen zu beantworten sind. Die streitige Bestehensregelung der Universität ist streng, so dass im Vergleich zu anderen Universitäten ein höheres Risiko besteht, die Universitätsprüfung nicht zu bestehen, woraufhin auch eine geringere Zahl an Kandidatinnen und Kandidaten zum Vorbereitungsdienst zugelassen wird. Erhöht die Universität damit die Risiken für Studierende, ein Studium nicht erfolgreich abschließen zu können, ist dies grundsätzlich Teil ihrer Entscheidung in wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten, wenn diese sachlich nachvollziehbar auf den Zweck ausgerichtet sind, die für den juristischen Vorbereitungsdienst ungeeigneten Kandidatinnen und Kandidaten zu ermitteln. Dies zu prüfen obliegt sowohl hinsichtlich der Bestehensregelung sowie weiteren insoweit bedeutsamen Regelungen etwa zur Begrenzung oder Freigabe von Wiederholungsversuchen den Fachgerichten.

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2. Die Grundrechtsverletzung hat besonderes Gewicht, weil das Bundesverwaltungsgericht die aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG erwachsende Grundrechtsposition der Beschwerdeführerin in seine Überlegungen nicht eingestellt hat. Damit fehlt es an dem Versuch, den bestehenden Konflikt mehrerer verfassungsrechtlich geschützter Positionen im Wege der praktischen Konkordanz zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen (vgl. BVerfGE 128, 1 <41> m.w.N.).

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3. Die angegriffene Entscheidung beruht auch auf dem festgestellten Verstoß gegen Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Bundesverwaltungsgericht anders entschieden hätte, wenn es die verfassungsrechtlichen Maßstäbe beachtet hätte.

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4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 10. April 2015 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.


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(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Tenor

Das angegriffene Urteil wird geändert:

Der Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2011 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheids vom 2. September 2011 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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(1) Die Prüfungsaufgaben der Aufsichtsarbeiten werden von der für die Finanzverwaltung zuständigen obersten Landesbehörde im Einvernehmen mit den übrigen für die Finanzverwaltung zuständigen obersten Landesbehörden gestellt. Sie bestimmt die zulässigen Hilfsmittel und die Bearbeitungszeit. Die Bearbeitungszeit soll für jede Arbeit mindestens vier und höchstens sechs Stunden betragen. Die zuständige Steuerberaterkammer bestimmt in der Ladung zur schriftlichen Prüfung, ob die Arbeiten mit der Anschrift und der Unterschrift des Bewerbers oder mit der zugeteilten Kennzahl zu versehen sind.

(2) Die Prüfungsaufgaben sind geheim zu halten. Sie sind von der zuständigen Steuerberaterkammer an den jeweiligen Prüfungstagen dem Aufsichtsführenden in der erforderlichen Anzahl zur Verteilung an die erschienenen Bewerber auszuhändigen.

(3) Auf Antrag hat die zuständige Steuerberaterkammer körperbehinderten Personen für die Fertigung der Aufsichtsarbeiten der Behinderung entsprechende Erleichterungen zu gewähren. Der Antrag soll mit dem Antrag auf Zulassung zur Prüfung gestellt werden. Die zuständige Steuerberaterkammer kann die Vorlage eines amtsärztlichen Zeugnisses verlangen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.