|
|
| 1. Die Klage gegen den Beklagten zu 1 ist unzulässig. Für die als Untätigkeitsklage statthafte Verpflichtungsklage (§§ 42 Abs. 1, 75 VwGO) fehlt das erforderliche Rechtsschutzinteresse (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 09.07.1990 - NC 9 S 58/90 - NVwZ-RR 1990, 566; OVG NRW, Urt. v. 29..06.2009 - 12 A 1638/07 - juris; v. Albedyll in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfaut, VwGO, 6. Aufl. 2014, vor § 40 Rnr. 26), da die Klägerin vor Klageerhebung keinen Antrag auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts an den Beklagten zu 1 gerichtet hat. Dieses Erfordernis kann auch nicht nach Klageerhebung nachgeholt werden (Kopp/Schenke, a.a.O.; v. Albedyll in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfaut, a.a.O.). |
|
| Die vor Klageerhebung an das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (Wissenschaftsministerium) gerichteten Schriftsätze sind nicht als Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts durch dieses Ministerium auszulegen, mit dem die ukrainischen Hochschulzeugnisse der Klägerin nostrifiziert bzw. in einen entsprechenden inländischen Hochschulgrad umgewandelt werden. |
|
| Erklärungen im öffentlichen Recht sind entsprechend den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden allgemeinen Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) auszulegen. Wesentlich ist hiernach der geäußerte Wille des Beteiligten, wie er sich aus der Erklärung und den sonstigen Umständen ergibt. Neben dem Wortlaut der Erklärung ist auch die Interessenlage des Rechtsmittelführers zu berücksichtigen, soweit sie sich aus dem Parteivortrag und sonstigen für die Behörde als Empfänger der Erklärung erkennbaren Umständen ergibt. Ist der Rechtsmittelführer anwaltlich vertreten, kommt der gewählten Formulierung gesteigerte Bedeutung zu. Selbst dann darf die Auslegung jedoch vom Wortlaut abweichen, wenn sonstige Umstände eindeutig erkennen lassen, dass das Gewollte von der gewählten Formulierung abweicht. Eine bloße - erkennbar - unrichtige Bezeichnung des Gemeinten schadet demzufolge nicht (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 07.01.2013 - 2 S 2120/12 - NVwZ-RR 2013, 398). |
|
| Der erste an das Wissenschaftsministerium gerichtete Schriftsatz vom 06.03.2014 war eindeutig darauf gerichtet, dass das Ministerium der Klägerin die zuständige Stelle benennt. Nachdem das erfolgt war, richtete der Klägerinvertreter einen zweiten Schriftsatz vom 31.03.2014 an das Wissenschaftsministerium. Am Ende des einleitenden Absatzes dieses Schriftsatzes wird ausgeführt „Im anstehenden Rechtsmittelverfahren wird es unter anderem um zwei Rechtsfragen gehen, nämlich um die Verpflichtung zur Anerkennung durch einen Verwaltungsakt und die Art und Weise der Gleichwertigkeitsprüfung. Ich möchte der Klage nicht in allen Einzelheiten vorgreifen und weise daher im Folgenden nur auf einige Punkte hin.“ Der Klägerinvertreter geht sodann auf die Auslegung des Übereinkommens über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der europäischen Region vom 11.04.1997 (sog. Lissabon-Konvention; BGBl. 2007 II, 712, 713) ein und macht geltend, die Verweigerung der Anerkennung gleichwertiger ausländischer Hochschulabschlüsse würde gegen Art. 11 der Daueraufenthaltsrichtlinie verstoßen. Sodann führt er auf Seite 4 unten aus: „Außerdem würde meine Ehefrau bei dem Zugang zum Arbeitsmarkt rechtsgrundlos unter Verstoß gegen Art. 11 Daueraufenthaltsrichtlinie schlechter gestellt, als Spätaussiedler aus der Ukraine gemäß § 4 Abs. 1 BVFG mit den gleichen Hochschulabschlüssen wie meine Ehefrau. Ein ukrainischen Spätaussiedler hat gemäß § 10 Abs. 2 BVFG (also durch Bundesrecht) einen Anspruch auf Durchführung eines Anerkennungsverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland, das mit einer Nostrifikation durch einen entsprechenden Verwaltungsakt abgeschlossen wird.“ Es folgen Ausführungen zur Anerkennung eines ukrainischen Hochschulabschlusses eines Spätaussiedlers, zu den Voraussetzungen der Eigenschaft als Spätaussiedler sowie dazu, dass seine Ehefrau, die Klägerin, die nach § 6 Abs. 2 S. 2 BVFG erforderlichen deutschen Sprachkenntnisse sogar übererfüllen würde. Der Absatz endet damit, dass es europarechtlich unzulässig sei, seiner Ehefrau ein Anerkennungsverfahren für die Hochschulabschlüsse wegen ihrer fehlenden deutschen Volkszugehörigkeit zu verweigern. Am Ende des Schriftsatzes folgen erneut Ausführungen zur Zuständigkeit und dazu, dass der Klägerinvertreter es für zweckmäßig hielte, dass die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) das Verwaltungsverfahren weiterhin durchführe. Abschließend wird um entsprechende zeitnahe Mitteilung mit der gebotenen Rechtsmittelbelehrung gebeten, falls von einer alleinigen Zuständigkeit einer Behörde des Landes Baden-Württemberg ausgegangen werde. |
|
| Diese Ausführungen machen aus der Empfängersicht nicht deutlich, dass die Klägerin einen konkreten Antrag auf den Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts an das Wissenschaftsministerium stellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Rechtslehrer an einer staatlichen Hochschule gehandelt hat, an den gewisse Anforderungen hinsichtlich der Klarheit seiner Anträge gestellt werden müssen. Insbesondere der vorangestellte Hinweis auf eine beabsichtigte Klage und die abschließenden Ausführungen zur Zuständigkeit lassen die Ausführungen zur Nostrifikation als allgemeine Rechtsausführungen und nicht als einen konkreten Antrag erscheinen. Diese Auslegung wird dadurch untermauert, dass der Klägerinvertreter in seinem nächsten Schriftsatz an das Wissenschaftsministerium erneut lediglich um Klärung der Zuständigkeit bittet und wiederum ausführt, in dem Gerichtsverfahren werde die Klägerin ihren Anspruch auf die Daueraufenthaltsrichtlinie und ihre danach unzulässige Diskriminierung gegenüber Spätaussiedlern stützen. Wenn er zuvor einen Antrag gestellt hätte, hätte es demgegenüber nahe gelegen, dessen Bescheidung anzumahnen. Selbst wenn man demnach in der abschließenden Bitte im Schriftsatz vom 31.03.2014 einen Antrag auf den Erlass eines Verwaltungsakts sehen würde, wäre dieser inhaltlich zudem auf die Mitteilung der zuständigen Stelle und nicht auf Nostrifikation gerichtet. |
|
| Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Klage gegen den Beklagten zu 1 auch unbegründet wäre. § 37 Abs. 1 Satz 7 LHG schließt eine Umwandlung in einen inländischen Grad mit Ausnahme der nach dem Bundesvertriebenengesetz Berechtigten ausdrücklich aus. Die Klägerin hat dementsprechend keinen Anspruch auf eine Gradumwandlung. Eine analoge Anwendung ist angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift nicht möglich. Die Klägerin kann das auch unter europarechtlichen Gesichtspunkten nicht beanspruchen. Sie gehört zwar zweifellos zum Kreis der aus Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25.11.2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. L 16/44 v. 23.01.2004) (Daueraufenthaltsrichtlinie) Berechtigten. Gemäß Art. 11 Abs. 1 Daueraufenthaltsrichtlinie werden Aufenthaltsberechtigte u.a. hinsichtlich des Zugangs zu einer unselbständigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit (lit. a) und der Anerkennung berufsqualifizierender Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstiger Befähigungsnachweise gemäß den einschlägigen nationalen Verfahren (lit. b) wie eigene Staatsangehörige behandelt. Der Beklagte zu 1 hat zu Recht darauf hingewiesen, dass das hier der Fall ist, da die Klägerin nicht anders behandelt wird als eine deutsche Staatsangehörige, die keine Spätaussiedlerin ist und ihren Abschluss an der Hochschule in Donezk gemacht hat. |
|
| Die Klägerin kann den geltend gemachten Anspruch auch nicht aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 12.12.2007 (ABl. C 303/1) (EU-GR-Charta) herleiten, die gemäß deren Art. 51 Abs. 1 bei der Anwendung der Daueraufenthaltsrichtlinie nach der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 26.02.2013 - C-617/10 - NVwZ 2013, 561) anwendbar ist. Das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit (Art. 21 Abs. 2 EuGRCh) gilt nur für EU-Bürger und verbietet nicht die Ungleichbehandlung von Drittstaatsangehörigen (Jarass, Charta der Grundrechte, 2010, Art. 21 Rnr. 36). Ob in der Bevorzugung der Gruppe der Spätaussiedler eine - mittelbare (vgl. Graser in Schwarze, EU-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Art. 21 GRC Rnr. 12) - Ungleichbehandlung aufgrund der Volkszugehörigkeit zu sehen ist, kann offen bleiben. Jedenfalls liegen unterschiedliche Sachverhalte vor, die auch unterschiedlich behandelt werden dürfen (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 07.07.2005 - 4 S 901/05 - NVwZ 2006, 360; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 26.09.2012 - 10 M 33.11 - Juris). Zweck der von der Klägerin für unzulässig erachteten Regelung des § 10 Abs. 1 BVFG n.F. ist der Ausgleich des Kriegsfolgenschicksals der ethnischen Deutschen insbesondere in der ehemaligen Sowjetunion (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.03.1998 - 9 C 3.97 - BVerwGE 106, 191). Die Einschätzung, inwieweit sich historisch erlittene Verfolgungsmaßnahmen noch in Gegenwart und Zukunft auswirken, ist nicht durch ein Verwaltungsgericht zu klären, sondern unterliegt der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es um die Begünstigung einer relativ kleinen Gruppe geht, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Gleichbehandlung aller nicht durch das BVFG bevorzugten Personen geboten wäre, selbst wenn man die Unzulässigkeit dieser Begünstigung unterstellt. |
|
| 2. Die Klage gegen den Beklagten zu 2 ist zulässig. Das Verwaltungsgericht Freiburg ist für diese Klage örtlich zuständig. Die Klägerin macht vorrangig geltend, Anspruch auf den Erlass eines Verwaltungsakts zu haben. Insoweit ist eine Verpflichtungsklage statthaft. Da die Zuständigkeit der ZAB sich über mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke erstreckt, ist das Verwaltungsgericht Freiburg gemäß § 52 Nr. 3 S. 2 und 5 VwGO örtlich zuständig. Die Klage ist auch nicht mangels Vorverfahren unzulässig. Selbst wenn man das Schreiben der ZAB vom 30.10.2013 als ablehnenden Verwaltungsakt ansieht, so hat der Kläger sich danach an die ZAB gewandt und deren Vorgehen gerügt. Diese hat deutlich gemacht, dass sie keine andere Entscheidung treffen will. Die Klage ist somit jedenfalls als Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO zulässig. |
|
| Die Klage gegen den Beklagten zu 2 ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. |
|
| 2.1 Keinen Erfolg hat diese Klage, soweit die Klägerin den Erlass eines Anerkennungsbescheids begehrt. Als Anspruchsgrundlage kommt insoweit § 37 Abs. 7 Satz 1 bis 4 LHG i.V.m. § 1 Verordnung des Wissenschaftsministeriums zur Übertragung der Zuständigkeit für die Bewertung von im Ausland erworbenen Hochschulqualifikationen auf das Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik vom 25.07.2014 in Betracht. Gemäß § 37 Abs. 7 Satz 1 LHG erhalten Inhaberinnen und Inhaber einer im Ausland ausgestellten Hochschulqualifikation, die nicht Voraussetzung zur Aufnahme und Ausübung eines reglementierten Berufes ist, nach Art. III.1 der Anlage zu dem Gesetz zu dem Übereinkommen vom 11.04.1997 über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der europäischen Region vom 16.05.2007 (BGBl. 2007 II, 712, 713) auf Antrag eine Bewertung dieser Qualifikation. |
|
| Diese Regelung begründet subjektive Rechte des Inhabers eines ausländischen Hochschulabschlusses, auf den die Lissabon-Konvention anwendbar ist. Allerdings wird in § 37 Abs. 7 Satz 1 LHG lediglich ein Anspruch auf eine Bewertung im Sinne der Lissabon-Konvention begründet. Das verdeutlicht insbesondere der folgende Satz, in dem zur Definition dieses Begriffs auf die Begriffsbestimmung der „Bewertung“ in Art. 1 der Lissabon-Konvention und nicht auf dort erfolgte Bestimmung des Begriffs „ Anerkennung“ verwiesen wird. |
|
| Zudem spricht Überwiegendes dafür, dass die Lissabon-Konvention selbst auch subjektive Rechte des Inhabers einer aus einem Unterzeichnerstaat stammenden Hochschulqualifikation begründet. Die Ukraine hat die Lissabon-Konvention ebenfalls unterzeichnet und ratifiziert. Diese gilt seit dem 01.06.2000 auch für die Ukraine (vgl. Homepage des Europarats als eines der Verwahrer der Lissabon-Konvention gem. deren Art. XI.9 Abs. 1; http://www.coe.int/de/web/conventions/full-list; dort Nr. 165). |
|
| Ein völkerrechtlicher Vertrag ist nur unmittelbar anwendbar, wenn er nach Wortlaut, Zweck und Inhalt geeignet und hinreichend bestimmt ist, wie eine innerstaatliche Vorschrift Wirkung zu entfalten, also dafür keiner weiteren normativen Ausfüllung bedarf (BVerwG, Beschl. v. 13.12.2010 - 7 B 64/10 - NVwZ 2011, 752 [juris Rnr. 9]; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.02.2009 - 2 S 1855/07 - Juris Rnr. 42 m.w.N. betraf UN-Sozialpakt im Zusammenhang mit Studiengebühren; Maunz/Dürig/Herzog, GG. Art. 59 Rnr. 180; Sachs, GG 7. Aufl. 2014, Art. 59 Rnr. 68; BK zum GG, Art. 59 Rnr. 115). Das ist - ebenso wie die sich daran anschließende Frage, ob subjektive Rechte begründet werden (vgl. Sachs, GG 7. Aufl. 2014, Art. 59 Rnr. 69; Maunz/Dürig/Herzog, GG. Art. 59 Rnr. 180) - durch Auslegung zu ermitteln. Maßgeblich für die Auslegung sind die Art. 31 bis 33 Wiener Vertragsrechtskonvention (WVRK) (BVerwG, Beschl. v. 13.12.2010, a.a.O.; BSG, Urt. v. 23.09.2004 - B 10 EG 3/04 R - Juris Rnr. 43 und 48). |
|
| Hier spricht der Wortlaut der Lissabon-Konvention dafür, dass subjektive Rechte begründet werden sollen. So bestimmt Art. III.1 Abs. 1 Lissabon-Konvention, dass Inhabern von Qualifikationen, die in einer der Vertragsparteien ausgestellt wurden, auf ein an die geeignete Stelle gerichtetes Ersuchen angemessener Zugang zu einer Bewertung dieser Qualifikationen zu ermöglichen ist. Art III.3 Absatz 5 bestimmt, dass die Beweislast, dass ein Antrag nicht die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt, bei der die Bewertung durchführenden Stelle liegt. Gemäß Art. III.5 S 2 Lissabon-Konvention ist es zu begründen, wenn die Anerkennung versagt wird, und der Antragsteller ist über mögliche Maßnahmen zu unterrichten, die er ergreifen kann, um die Anerkennung zu einem späteren Zeitpunkt zu erlangen. Wird die Anerkennung versagt oder ergeht keine Entscheidung, so kann der Antragsteller gemäß Art. III.5 Satz 3 Lissabon-Konvention innerhalb einer angemessenen Frist Rechtsmittel einlegen. |
|
| Aus dieser konkreten Umschreibung der Pflichten, bis hin zu einer Beweislastregel, ergibt sich eine Verpflichtung der Staaten. Die Begründung subjektiver Rechte ist daraus zu schließen, dass der Antragsteller nach Art. III.5 bei Versagung einer Anerkennung / Bewertung ein Rechtsmittel einlegen kann. Das setzt die Begründung subjektiver Rechte voraus. |
|
| Auch Ziel und Zweck der Lissabon-Konvention, in deren Lichte die Auslegung nach Art. 31 Abs. 1 WVRK zu erfolgen hat, sprechen für die Begründung subjektiver Rechte. So wird in der Präambel der Lissabon-Konvention gleich zu Beginn darauf abgestellt, dass Bildung ein Menschenrecht ist und die gerechte Anerkennung von Qualifikationen einen wesentlichen Bestandteil des Rechts auf Bildung darstellt und allen Menschen der Region die Möglichkeit gegeben werden soll, deren reiche Vielfalt zu nutzen. Für die Auslegung können die Empfehlungen des Ausschusses des Übereinkommens über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der europäischen Region (im Folgenden: Ausschuss) herangezogen werden. Dieser Ausschuss hat die Durchführung der Lissabon-Konvention zu überwachen (Art. X.1 a) und setzt sich aus Vertretern aller Vertragsparteien zusammen (Art. X.2 Abs. 1 Lissabon-Konvention). Die von diesem Ausschuss beschlossenen Empfehlungen und Erklärungen sind für die Mitgliedstaaten zwar nicht verbindlich, sie bemühen sich jedoch nach Kräften, diese Empfehlungen und Erklärungen anzuwenden (Art. X.2 Abs. 5 Lissabon-Konvention). In der Präambel der überarbeiteten Empfehlungen des Ausschusses zu den Kriterien und Verfahren der Bewertung Ausländischer Qualifikationen vom 23.06.2010 (Veröffentlicht auf der Homepage des Europarats; http://www.coe.int/de/web/conventions/full-list) wird ausgeführt, die akademische Mobilität fördere nicht nur das bessere Verständnis der verschiedenen Kulturen und Sprachen, sondern diene der kulturellen und akademischen Bereicherung des Einzelnen; es verbessere die Karrieremöglichkeiten des Einzelnen, im Ausland zu studieren oder zu arbeiten. Sowohl der Präambel der Lissabon-Konvention selbst als auch der der überarbeiteten Empfehlungen des Ausschusses kann somit entnommen werden, dass die Konvention nicht nur allgemein der Völkerverständigung, sondern den Interessen der betroffenen Einzelnen dienen soll. Das spricht ebenfalls für die Begründung subjektiver Rechte. |
|
| Allerdings begründet die Lissabon-Konvention selbst weder eine Verpflichtung, eine zentrale förmliche Anerkennungsentscheidung zu erlassen, noch ein korrespondierendes subjektives Recht. Vielmehr ist es gemäß Art. VI.2 Lissabon-Konvention „gegebenenfalls“ (in der englischen Originalfassung: „alternatively“) ausreichend, eine reine Bewertung zu erstellen. Anhaltspunkte dafür, dass das nur zulässig ist, wenn es verfassungsrechtlich im Signatarstaat geboten ist, wie die Klägerin vorträgt, sind nicht ersichtlich. Hinzu kommt, dass es in Deutschland mit seiner föderalen Struktur und der weitgehenden - durch Art. 5 Abs. 3 GG garantierten - Autonomie der Hochschulen problematisch wäre, eine verbindliche Anerkennungsentscheidung durch eine zentrale Behörde einzuführen. |
|
| Anderes ergibt sich nicht aus dem von der Klägerin zitierten Erläuternden Bericht (Explanatory Report) vom 11.04.1997 (http://www.coe.int/de/web/conventions/full-list; dort Nr. 165). Zur Heranziehung Erläuternder Berichte zur Auslegung völkerrechtlicher Verträge im Rahmen der §§ 31 bis 33 WVRK im Allgemeinen kann auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 23.09.2004 (- B 10 EG 3/04 R - Juris Rnr. 43 und 48) verwiesen werden. Im Erläuternden Bericht vom 11.04.1997 wird verdeutlicht, dass die beschränkte Zuständigkeit von Staaten, in denen die Hochschulen und nicht zentrale Behörden die Entscheidungen über die Anerkennung treffen, akzeptiert wird und dass diese Staaten lediglich verpflichtet sind, dafür zu sorgen, dass die Hochschulen über die Konvention informiert werden und ermutigt werden sollen, deren Bestimmungen zu befolgen (Erläuterung zu Art. II.1 der Konvention, S. 11). Auch die Erläuterungen zu Art. III.1 (S. 11 unten) sprechen gegen eine Verpflichtung zu einer förmlichen Entscheidung. Zwar geht es primär um die Pflicht, fair zu bewerten; es wird jedoch weiter ausgeführt, „the assessment may take the form of advice or of a formal decision on recognition by the competent authority“. Dies bedeutet, dass eine förmliche Entscheidung (d.h. durch verbindlichen Verwaltungsakt) nicht zwingend ist. Die Erläuterung zu Art. VI.2 (S. 15) lautet, Zweck dieser Bestimmung sei es klarzustellen, dass die Vertragsstaaten, die kein System für eine Anerkennung hätten, als Alternative ein System der Bewertung einführen sollten. Auch aus dem nächsten Satz kann nicht der Schluss gezogen werden, dass in Deutschland eine verbindliche Anerkennungsentscheidung (durch eine zentrale Stelle) zwingend geboten ist. Dort wird ausgeführt, es sei nicht beabsichtigt, dass eine Vertragspartei, die ein Anerkennungssystem habe, berechtigt sein solle, „in any particular case“ nur eine Bewertung vorzunehmen. Damit soll verdeutlicht werden, dass nicht lediglich in einem speziellen Fall eine ansonsten übliche verbindliche Anerkennung verweigert werden darf. Diese Bestimmung ist im Zusammenhang mit der Regelung in Art. III.1 Abs. 2 Lissabon-Konvention zu sehen, dass das es beim Zugang zu einer Bewertung der Qualifikation keine Diskriminierung geben darf. Aus dieser Formulierung kann aber nicht abgeleitet werden, dass eine nur für eine kleine Gruppe (Spätaussiedler) bestehende Möglichkeit einer Gradumwandlung (oder Nostrifikation) auch für alle anderen eingeführt werden muss. Daher ist es weiterhin zulässig, dass eine förmliche Anerkennung nicht vorgesehen ist, sondern nur eine Bewertung, die die Hochschulen dann bei den ihnen obliegenden Entscheidungen über die Anerkennung (z.B. im Rahmen der Entscheidung über die Zulassung zu einer Promotion) als antizipiertes Sachverständigenguthaben (VG Berlin, Urt. v. 07.03.2013 - 3 K 456.11 - Juris; VG Düsseldorf, Urt. v. 06.01.2012 - 15 K 5482/11 - Juris) oder zumindest als amtliche Auskunft (so. OVG Nds. Beschl. v. 30.11.2004 - 8 LA 123/04 - Juris, allerdings aus der Zeit vor dem Inkrafttreten der Lissabon-Konvention; offengelassen in VG München. Urt. v. 18.06.2013 - M 11.6109 - Juris) zu berücksichtigen haben. |
|
| Für diese Auslegung spricht des Weiteren, dass die Lissabon-Konvention als völkerrechtlicher Vertrag den souveränen Staaten einen gewissen Spielraum eröffnet. |
|
| Auch den Empfehlungen des Ausschusses zu den Kriterien und Verfahren der Bewertung Ausländischer Qualifikationen vom 23.06.2010 lässt sich nichts anderes entnehmen. Denn dort wird beispielsweise unter III „General principles“ (III.4; S. 3 des Ausdrucks) ausgeführt, „Holders of foreign qualifications shall have adequate access, upon request, to an assessment of their qualifications“. Dort ist ausdrücklich nur von einer Bewertung („assessment“) und nicht von einer Anerkennung („recognition“) die Rede. Auch wenn in anderen Teilen der Empfehlung von einer „recognition“ gesprochen wird, so kann dem Text ein unmittelbarer Anspruch auf eine solche Anerkennung nicht entnommen werden. In Nr. 43 wird unter der Überschrift „VI. The outcome of the assessment“ ausdrücklich ausgeführt, das Ergebnis der Bewertung könne sein: (1) eine Anerkennungsentscheidung („recognition decision“), (2) eine Empfehlung an eine andere Institution, die dann über die Anerkennung entscheidet („advice to another institution which will then make the recognition decision“), (3) eine Stellungnahme („statement“) an den Antragsteller oder „to whom it may concern“, die einen Vergleich der ausländischen Qualifikation mit ähnlichen Qualifikationen beinhaltet, ohne eine förmliche Entscheidung zu sein („without being a formal recognition decision“) oder (4) ein Rat („any other advice“) an den Antragsteller. |
|
| Unter diesen Umständen begründen die von der Klägerin genannten Beispiele von Staaten, die zentrale verbindliche Anerkennungen eingeführt haben (Dänemark, Kroatien, Ukraine und Russland), nicht die Annahme, es habe sich eine Übung i.S.d. Art. 31 WVRK herausgebildet, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über die Auslegung hervorgeht, dass eine zentrale förmliche Anerkennungsentscheidung erforderlich sei. Dagegen spricht, dass die Lissabon-Konvention derzeit für insgesamt 53 Staaten in Kraft getreten ist (vgl. Gesamtverzeichnis; Unterschriften und Ratifikationsstand des Vertrags 165; http://www. coe.int/de/web/conventions/full-list/-/conventions/treaty/165/signatures). |
|
| Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf das sog. Frustrationsverbot in Art. 18 WVRK berufen. Danach ist ein Staat verpflichtet, sich aller Handlungen zu enthalten, die Ziel und Zweck eines Vertrages vereiteln würden, wenn er u.a. unter Vorbehalt der Ratifikation unterzeichnet hat (vgl. dazu: BVerfG, Beschl. v. 24.06.2003 - 2 BvR 685/03 - juris Rnr. 43 f). Dieses völkerrechtliche Frustrationsverbot verpflichtet die Vertragsstaaten, sich vor Inkrafttreten des Vertrages nicht in einer Art und Weise zu verhalten, die den Vertrag bereits im Vorfeld seiner Geltung jeder Sinnhaftigkeit berauben würde. Dies wäre jedenfalls dann der Fall, wenn eine Durchführung des Vertrages aufgrund des fraglichen Verhaltens objektiv oder für die betreffende Vertragspartei selbst subjektiv unmöglich würde (Dörr in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union 57. EL August 2015 Art. 54 Rnr. 5). Wenn man davon ausgeht, dass die am 11.04.1997 erfolgte Unterzeichnung der Lissabon-Konvention unter einem entsprechenden Vorbehalt erfolgt ist, ist der Vertrag für Deutschland erst am 01.10.2007 nach der Ratifizierung am 23.08.2007 in Kraft getreten (davon geht auch die Aufstellung beim Europarat aus). Nach dem Frustrationsverbot durfte Deutschland in der Zeit vom 11.04.1997 bis zum 01.10.2007 nichts unternehmen, was Ziel und Zweck des Vertrags konterkariert. Ein solches Verhalten sieht die Klägerin in der Ende der 1990er Jahre bzw. 2000 erfolgten Abschaffung der Nostrifikation in allen Bundesländern. Es trifft zu, dass z.B. in Baden-Württemberg bis zum 31.12.2000 die Führung ausländischer akademischer Grade einer Erlaubnis bedurfte, deren Erteilung die Vergleichbarkeit der erteilenden Hochschule, deren Anerkennung und Befugnis zur Verleihung des Grades nach dem entsprechenden Hochschulrecht des betreffenden Landes erforderte und weiter voraussetzte, dass der Grad aufgrund vergleichbarer Studien- und Prüfungsleistungen erbracht wurde (§ 55b Abs. 2 UG a.F.). Diese Erlaubnis berechtigte nur zur Führung des ausländischen Grades in der Originalform gemäß der Verleihungsurkunde und mit Zusatz der verleihenden ausländischen Hochschule (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 28.10.1997 - 9 S 2096/96 - juris zur Zulässigkeit dieser Regelung). Mit § 55b UG i.d.F. v. 01.02.2000 wurde diese Erlaubnispflicht zum 01.01.2000 abgeschafft. In dieser Bestimmung wurde geregelt, dass Inhaber eines ausländischen Hochschulgrades zu dessen Führung befugt sind, wenn die Hochschule nach dem Recht des Herkunftslandes anerkannt, zur Verleihung dieses Titels berechtigt und der Grad im Anschluss an ein tatsächlich absolviertes Studium ordnungsgemäß verliehen worden ist. |
|
| Mit dieser legislativen Maßnahme wurden die oben dargelegten Zwecke der Lissabon-Konvention nicht vereitelt, sondern durch das Wegfallen eines Genehmigungserfordernisses für das Führen des Hochschulgrads die Situation der betroffenen Inhaber ausländischer Hochschulqualifikationen verbessert. Bei der Genehmigungspflicht handelte es sich - auch wenn eine ähnliche Prüfung wie bei der Bewertung bzw. Anerkennung vorausging - nicht um eine Maßnahme zur Begünstigung der Inhaber ausländischer Grade, sondern eher um eine Beschränkung ihrer Rechte. Der Zweck des Genehmigungsvorbehalts bestand vornehmlich im Schutz der deutschen Hochschulgrade vor einer unkontrollierten Führung ausländischer Grade sowie darin, dass die Bedeutung der an deutschen Hochschulen erworbenen Grade für die Wissenschaft und die zur Führung der Grade Berechtigten nicht entwertet werden sollte (Haug, Das Hochschulrecht in Baden-Württemberg, 2001, Rnr. 763). Nunmehr können ausländische Grade ohne eine spezielle Genehmigung geführt werden. Der Begründung für diese Neuregelung (LT Drucksache 12/4404, S. 250 f) lässt sich entnehmen, dass damit der „in den letzten Jahren stark angewachsenen und weltweit weiter fortschreitenden Mobilität der Menschen“ Rechnung getragen werden soll, die dazu geführt habe, dass „eine steigende Zahl von Inhabern ausländischer Titel diese auch in der Bundesrepublik Deutschland führen“ wolle. Daher seien in den letzten Jahren vermehrt allgemein erteilte Führungsberechtigungen durch Beschlüsse der KMK erteilt worden. Der verwaltungs-ökonomisch sinnvolle Ersatz der Einzelfallgenehmigung durch die allgemein erteilte Führungsgenehmigung erscheine danach nur noch als ein Mittel der Rechtstechnik, ausgelöst durch die prinzipiell erklärte Genehmigungspflichtigkeit, bedeute im Ergebnis aber schon jetzt Führungsgenehmigungsfreiheit. Damit zielte die Gesetzesänderung keinesfalls auf eine Verschlechterung der Stellung der Inhaber ausländischer akademischer Grade ab. |
|
| Soweit sich die Klägerin auf die Regelungen in einigen Verordnungen zur Studienplatzvergabe beruft (Rheinland-Pfalz § 4 Abs. 1 Satz 4: „Die Feststellung der Hochschulzulassungsberechtigung von Bewerbern mit ausländischen Bildungsnachweisen erfolgt, wenn keine Anerkennungsentscheidung der Zeugnisanerkennungsstelle eines anderen Landes vorliegt, für den angestrebten Studiengang im zentralen Vergabeverfahren durch die Stiftung (früher: ZVS) und im Vergabeverfahren der Hochschule durch diese auf der Grundlage der Bewertungsvorschläge der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen“; § 4 Abs. 1 Satz 3 VergabeVO Stiftung Schleswig-Holstein; § 4 VergabeVO Sachsen) kann sie daraus ebenfalls nichts für sich herleiten. Abgesehen davon, dass diese Bestimmungen Hochschulzulassungsberechtigungen und keine Hochschulqualifikationen betreffen, wird dort gerade geregelt, dass die verbindliche Entscheidung durch die Stiftung bzw. die Hochschule erfolgt. Diese Entscheidung soll lediglich auf der Grundlage der Bewertung der ZAB erfolgen. |
|
| Der Beschlussempfehlung in BT-Drucks. 16/3669 vom 29.11.2006 lässt sich keine ausdrückliche Stellungnahme dazu entnehmen, dass eine zentrale und verbindliche Anerkennung eingeführt werden soll. Dasselbe gilt für die „Denkschrift zum Übereinkommen“ in BT-Drucks. 16/1291 v. 21.04.2006. Beide Stellungnahmen gehen zwar ausdrücklich nur auf die Probleme der Ausbildung in juristischen und Heilberufen ein. Es wird jedoch nichts dazu ausgeführt, dass ein - bis dahin nicht bestehendes - zentrales Anerkennungsverfahren eingeführt werden soll. Hinzu kommt, dass Deutschland am 21.03.2013 eine Erklärung zur Lissabon-Konvention abgegeben hat (Bekanntmachung v. 15.05.2013; BGBl. 2013 II, 983), in der ausgeführt wird, die Bewertung ausländischer Bildungsnachweise für deutsche Behörden und Hochschulen, die Anerkennungsentscheidungen zu treffen hätten, erfolge durch die ZAB, die u.a. Stellungnahmen zu Individualfällen abgebe. Diese werde ferner mit der Erstellung zweckfreier Bewertungen auf der Grundlage von Art. III.1 der Lissabon-Konvention beauftragt. Entgegen der Ansicht der Klägerin war im Hinblick darauf, dass die Lissabon-Konvention nicht zwingend eine Anerkennung in Form eines Verwaltungsakts vorsieht, kein Vorbehalt Deutschlands bei der Unterzeichnung des Übereinkommens erforderlich. |
|
| Auch dem von der Klägerin zitierten Gutachten des Landes Berlin (ZAB) vom 27.01.2014 (Anlage 3 zur Klageschrift, GAS 117 ff) lässt sich nichts dafür entnehmen, dass von der Pflicht, eine zentrale verbindliche Anerkennungsentscheidung zu treffen, ausgegangen wird. Abgesehen davon, dass die entsprechenden Ausführungen zwar sachkundig, aber nicht verbindlich sind, wird dort gerade ausgeführt, konkrete gesetzgeberische Maßnahmen seien nicht erforderlich (S. 7). Es trifft zwar zu, dass auf die Pflicht zur Entwicklung gerechter Verfahren bei Anerkennungsentscheidungen hingewiesen wird (S. 2 unten). Es ist aber nicht ersichtlich, dass damit eine Verpflichtung der ZAB angesprochen wird. Denn auf S. 3 oben wird dann ausgeführt, zwar sei Deutschland Vertragspartei, in Art. II.1 Abs. 1 der Lissabon-Konvention sei aber ausdrücklich geregelt, dass die zuständigen Behörden der Gliedstaaten die notwendigen Maßnahmen zu treffen hätten, falls die Zuständigkeit für Anerkennungsangelegenheiten bei den Gliedstaaten liege. |
|
| Ein - bilaterales - Äquivalenzabkommen zwischen Deutschland und der Ukraine über die gegenseitige Anerkennung von Bildungsabschlüssen im Hochschulbereich besteht nicht (vgl.: http://www.kmk.org/zab/veröffentlichungen-und-beschluesse/ akademische-anerkennung.html#c8745; Stand. 18.12.2015). |
|
| 2.2 Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass in den Zeugnisbewertungen der ZAB ihre Hochschulabschlüsse als „gleichwertig“ zu einem inländischen Master bzw. zu einem inländischen Bachelor bezeichnet werden. Der Hinweis der Klägerin darauf, dass gemäß Art. III.3 Abs. 5 und Art. VI.1 Lissabon-Konvention die zuständige Behörde die Beweislast für die Ablehnung einer Anerkennung bzw. einer Bewertung als einem innerstaatlichen Hochschulabschluss entsprechend trage, trifft zwar zu, führt aber nicht zu einer anderen Entscheidung. Das von der Klägerin gerügte Prädikat „entspricht“ stellt keine - teilweise - Ablehnung einer der Klägerin günstigen Bewertung dar. Weder aus § 37 Abs. 7 Satz 1 LHG, der einen Anspruch auf eine Bewertung begründet, noch aus der zur Bestimmung des Inhalts dieser Verpflichtung heranzuziehenden Lissabon-Konvention ergibt sich, dass es ein Prädikat „gleichwertig“ geben muss. |
|
| Durch Art. VI.1 Lissabon-Konvention („Soweit eine Anerkennungsentscheidung auf den mit der Hochschulqualifikation nachgewiesenen Kenntnissen und Fähigkeiten beruht, erkennt jede Vertragspartei die in einer anderen Vertragspartei verliehenen Hochschulqualifikationen an, sofern nicht ein wesentlicher Unterschied zwischen der Qualifikation, deren Anerkennung angestrebt wird, und der entsprechenden Qualifikation in der Vertragspartei, in der die Anerkennung angestrebt wird, nachgewiesen werden kann.“), der gem. Art. VI.2 Lissabon-Konvention bei einer Bewertung entsprechend anzuwenden ist, wird kein bestimmtes Notensystem festgelegt. |
|
| Ein solcher Anspruch ergibt sich auch nicht aus einer allgemeinen Verwaltungspraxis, die zu einer entsprechenden Selbstbindung der ZAB führen und auf die sich die Klägerin im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG berufen könnte. Der Beklagte zu 2 hat in seinem Schriftsatz vom 26.01.2016 zur Vergabe der Note „entspricht“ vorgetragen, bei Zeugnissen, die auf den Zugang zum nichtreglementierten Teil des Arbeitsmarkts zielten, gebe es nur die Kategorie „entspricht“. Dies hat er in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Die Kammer hat keinen Anlass, an dieser Auskunft zu zweifeln. Solche Zweifel ergeben sich insbesondere nicht aus der Internetpräsentation der von der ZAB betriebenen Datenbank ANABIN, in der ausgeführt wird, dass „entspricht“ nur die mittlere Notenstufe sei, die sich lediglich auf formelle Aspekte beziehe, und es darüber eine Stufe gebe („gleichwertig“), die bedeute, dass im Vergleich zur bestehenden deutschen Qualifikation keine wesentlichen Unterschiede bestünden. Die Datenbank ANABIN nimmt gerade keine Bewertung einzelner Zeugnisse vor. Da sie nur allgemeine Auskünfte gibt, kann sie keine - ggf. abweichende - Verwaltungspraxis der ZAB begründen. Auch wenn es irreführend sein mag, dass in den Erläuterungen zu ANABIN auf ein dreistufiges System von Bewertungskategorien verwiesen wird, das nur für die Datenbank und nicht auch für die individuellen anlasslosen Zeugnisbewertungen gilt, so vermag die Klägerin hieraus keinen Anspruch auf die Vergabe des Prädikats „gleichwertig“ herzuleiten. |
|
| Wenn somit eine normative Vorgabe der Begrifflichkeiten fehlt, ist allein maßgeblich, ob der Wortsinn des „entspricht“ eine inhaltliche Einschränkung erkennen lässt. Nach dem üblichen Wortgebrauch deutet der Begriff „entspricht“ darauf hin, dass es keine signifikanten Unterschiede gibt. Eine Einschränkung der Bewertung dahin, dass inhaltlich bedeutsame Unterschiede und daher letztlich doch „wesentliche Unterschiede“ im Sinne des Art. VI.1 Lissabon-Konvention bestehen, ist der Formulierung, ein Abschluss entspreche einem deutschen Hochschulabschluss auf Bachelor- bzw. Masterebene, somit nicht zu entnehmen. |
|
| 2.3 Die Klage hat jedoch Erfolg, soweit sich die Klägerin dagegen wehrt, dass in der Zeugnisbewertung ihres „magistr z ekonomiky pidpryemstva“ vom 30.01.2013, geändert am 05.03.2013, unter der Überschrift „Zulassung zur Promotion“ ausgeführt wird, aufgrund des Abschlusses könne „die Zulassung zu promotionsvorbereitenden Studien bei einer deutschen Hochschule beantragt werden“. Insoweit liegt eine inhaltliche Einschränkung der Bewertung der Hochschulabschlüsse vor, was der Vertreter des Beklagten zu 2 in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat. Das zeigt insbesondere der Vergleich mit den Rechten, die ein an einer deutschen Hochschule erworbener Abschluss auf Masterebene eröffnet. So ermöglicht nach § 38 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 LHG ein erfolgreich abgeschlossenes Hochschulstudium mit einem Masterabschluss - vorbehaltlich der Promotionsordnung der jeweiligen Universität - die Zulassung zur Promotion (so auch: Art. 64 Abs. 1 Satz 5 BayHSchG, § 54 Abs. 2 Satz 1 BerlHSchG, § 67 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 HSchG NRW, § 54 Abs. 2 Satz 1 HSchG Schleswig-Holstein, § 24 Abs. 1 HSchG Hessen, § 70 Abs. 3 HambHSchG, § 26 Abs. 7 Satz 2 HSchG Rheinland-Pfalz, § 9 Abs. 2 Satz 1 Nds HSchG, § 40 Abs. 2 Sächs HSchG und § 54 Abs. 4 Satz 1 ThürHSchG). Demgegenüber wird in der Zeugnisbewertung einschränkend ausgeführt, dass (lediglich) eine Zulassung zu promotionsvorbereitenden Studien möglich sei. Insoweit kann nicht darauf verwiesen werden, dass letztlich die Hochschule in eigener Verantwortung über die Zulassung zur Promotion entscheidet, da die Zeugnisbewertung durch die ZAB zumindest als Gutachten bei dieser Entscheidung zu berücksichtigen ist. |
|
| Ergänzend kann auf Nr. 38 der überarbeiteten Empfehlungen des Ausschusses zu den Kriterien und Verfahren der Bewertung Ausländischer Qualifikationen vom 23.06.2010 verwiesen werden. Danach sollte in Fällen, in denen die Qualifikation im Heimatland ein bestimmtes formales Recht begründet, diese Qualifikation so beurteilt werden, dass sie dieses Recht auch im Gastland vermittelt, soweit dieses Recht dort existiert und durch das Lernergebnis begründet wird, das die ausländische Qualifikation bescheinigt. Das spricht dafür, den Masterabschluss der Klägerin so zu bewerten, dass sie sich unmittelbar für die Zulassung zu einer Promotion bewerben kann. Ausweislich der Übersetzung des „Magistr“-Abschlusses (VAS 102) berechtigt dieser zur Aufnahme in die Aspirantur. Diese Aspirantur(a) (kandidatskaja) (übersetzt: Kandidatenaspirantur) entspricht nach ANABIN (jedenfalls in Russland) einer Doktorpromotion. In ANABIN wird darauf hingewiesen, dass die ukrainischen Hochschulabschlüsse noch weitgehend den russischen entsprechen. Der Titel des kandydat nauk (= Kandidat der Wissenschaften), der im Rahmen der Aspirantur erworben wird, entspricht nach ANABIN auch in der Ukraine einer Promotion. „Doktor nauk“ ist dementsprechend kein Doktorgrad, sondern entspricht einer Habilitation (vgl. auch Veröffentlichung des National Information Centre of Academic Mobility der Ukraine [ENIC; http://www.enic.in.ua]) . Somit ist davon auszugehen, dass die Klägerin - wie von ihrem Prozessbevollmächtigten vorgetragen - in der Ukraine unmittelbar zur Promotion zugelassen werden kann. |
|
| Eine abweichende Bewertung ist daher nur zulässig, wenn die durch die ukrainischen Hochschulabschlüsse der Klägerin vermittelte Qualifikation einen „wesentlichen Unterschied“ im Sinne des Art. VI.2 i.V.m. Art. VI.1 Lissabon-Konvention zu einem an einer deutschen Hochschule erworbenen Masterabschluss in Betriebswirtschaft aufwiese. Man könnte insoweit formal argumentieren, die ZAB habe der Klägerin bescheinigt, dass ihre Hochschulqualifikation einem Masterabschluss entspreche, und ein solcher berechtige nach dem Landesrecht zur Promotion. Jedenfalls ergibt auch eine inhaltliche Betrachtung keinen wesentlichen Unterschied i.S.d. Art. VI.2 i.V.m. Art. VI.1 Lissabon-Konvention. Das ZAB hat seine Bewertung, der Abschluss ermögliche die Zulassung lediglich zu promotionsvorbereitenden Studien, im Schriftsatz vom 26.01.2016 damit begründet, dass die Schulzeit der Klägerin um zwei Jahre kürzer gewesen sei und allgemeinbildende Fächer im Umfang von zwei Semestern Teil des Studiums gewesen seien. Daher sei der fachwissenschaftliche Anteil des ukrainischen Abschlusses im Vergleich mit dem eines deutschen Abschlusses deutlich geringer. Nach den überarbeiteten Empfehlungen des Ausschusses zu den Kriterien und Verfahren der Bewertung Ausländischer Qualifikationen vom 23.06.2010 (Nr. 36) ist für die Frage, ob wesentliche Unterschiede bestehen, auf den Inhalt, das Profil, die Stundenzahl („workload“), die Qualität und die Ergebnisse („learning outcomes“) abzustellen. |
|
| Auch wenn der Ansatz der ZAB, die auf den fachgebundenen Unterricht entfallenden Stunden mit denen in vergleichbaren Studiengängen an deutschen Hochschulen zu vergleichen, zutreffend ist, erscheint die konkrete Herangehensweise zu schematisch. Unabhängig von der zwischen den Beteiligten streitigen Dauer der Schulzeit der Klägerin ist auf die konkrete Gestaltung des Studiums an der Hochschule, deren Abschlusszeugnis zur Bewertung gestellt wird, im Vergleich zu Studiengängen an deutschen Hochschulen abzustellen. Ein von der Behörde nachzuweisender wesentlicher Unterschied der Qualifikation kann nicht allein durch den Schluss von einer kürzeren Schulzeit auf eine geringere Qualität des nachfolgenden Studiums begründet werden. Das gilt jedenfalls in Fällen, in denen bereits im Verwaltungsverfahren substantiiert zu den Lehrinhalten und Lehrstunden im Vergleich zu inländischen Studiengängen vorgetragen wurde. Der Schluss, dass bei einer - unterstellt - kürzeren Schulzeit automatisch weniger fachgebundener Stoff im Studium vermittelt werde, da Allgemeinbildung nachgeholt werde, ist nicht zwingend. |
|
| Aus den Zeugnissen der Klägerin ergibt sich, dass zwar insbesondere im Bachelorstudium zahlreiche allgemeinbildende Fächer unterrichtet wurden. Dennoch sind weit überwiegend wirtschaftsbezogene Fächer unterrichtet worden, die ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen auch an deutschen Universitäten in den betriebswirtschaftlichen Studiengängen unterrichtet werden. Wenn man im Bachelorstudium die allgemeinbildenden Fächer abzieht, verbleiben noch 6750 (von zuvor 7911) Stunden und im Masterstudium 1143 (von zuvor 1278) Stunden. Es handelt sich dabei ausweislich der Zeugnisse um Lehrstunden. Die Kammer hat als Vergleich zwei der Universitäten, deren Studienordnungen die Klägerin in ihrer tabellarischen Aufstellung ausgewertet hat, herangezogen. Nach der als Beispiel herangezogenen Prüfungsordnung der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Leibniz Universität Hannover vom 06.08.2012 in der Fassung vom 29.04.2015 (Verkündungsblatt v. 09.07.2015; 8/2015; https://www.wiwi.uni-hannover.de/wiwi_master.html, dort abrufbar unter „Dokumente und Regelungen“; „Prüfungsordnung“) beträgt der Zeitaufwand für den Bachelorstudiengang 7200 Stunden, nämlich 240 ECTS Leistungspunkte zu je 30 Stunden (§ 2) und für den einjährige Masterstudiengang 1800 Stunden, nämlich 60 ECTS Leistungspunkte zu je 30 Stunden (§ 8). Dabei werden die auf das Präsenzstudium und die auf das Selbststudium entfallende Zeit zusammengerechnet. Des Weiteren hat die Kammer die Allgemeinen Bestimmungen zu Studien- und Prüfungsordnungen für das Bachelor- und Masterstudium an der Universität Ulm (Rahmenordnung) vom 11.03.2015 herangezogen (Amtliche Bekanntmachungen Nr. 8 vom 30.03.2015, S. 46 - 66; https://www.uni-ulm.de/index.php?id=8756, dort abrufbar unter „Allgemein“). Nach § 5 Abs. 2 Satz 4 der Allgemeinen Bestimmungen dieser Studien- und Prüfungsordnung beträgt der Lernaufwand bis zum Master 300 Leistungspunkte zu je 30 Stunden, d.h. insgesamt 9000 Stunden Arbeitsaufwand, wobei hier wohl auch das Selbststudium erfasst ist. Des Weiteren hat die Klägerin auch eine Masterarbeit verfasst. Angesichts dessen hat die Beklagte nicht dargetan, dass so wesentliche Unterschiede bestehen, dass eine Zulassung unmittelbar zur Promotion ausgeschlossen erscheint. |
|
| Unter diesen Umständen ist die Formulierung „zu promotionsvorbereitenden Studien“ in der Zeugnisbewertung des „Magistr“-Abschlusses vom 30.01.2013, geändert am 05.03.2013, durch die Worte „zur Promotion“ zu ersetzen. |
|
|
|
|
|