Gericht

Verwaltungsgericht Augsburg

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.

II. Die Kosten der Verfahren hat die jeweilige Klägerin zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerinnen wenden sich mit ihren Klagen jeweils gegen eine von der Beklagten ausgesprochene Untersagung des Betriebes einer Spielhalle sowie der Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 8.000,00 EUR.

Die Klägerinnen betrieben bis zum Erlass der streitgegenständlichen Verfügungen in der Betriebsstätte ... im Stadtgebiet der Beklagten jeweils eine Spielhalle mit acht Geldspielgeräten. Im selben Gebäude befindet sich eine weitere Spielhalle, ebenfalls jeweils mit acht Geldspielgeräten („...“). Sämtliche Spielhallen gehören zur Firmengruppe ... GmbH.

Mit Bescheid der Beklagten vom 28. Dezember 2011 (...) wurde der ... GmbH die Baugenehmigung zum Umbau und zur Nutzungsänderung von einer Lackierhalle in vier Spielhallen auf dem Grundstück ... erteilt.

Mit Schreiben vom 20. April 2012 beantragten die Klägerinnen bei der Beklagten jeweils die Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb einer Spielhalle nach § 33 i Gewerbeordnung (GewO). Diesen Anträgen wurde mit Bescheiden der Beklagten vom 27. Juni 2012 entsprochen.

Mit Schreiben vom 21. Februar 2013 beantragten die Klägerinnen bei der Beklagten die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis zum Weiterbetrieb der streitgegenständlichen Spielhallen.

Mit jeweils bestandskräftig gewordenen Bescheiden der Beklagten vom 28. Mai 2013 (Az. ...) wurden die vorbezeichneten Anträge auf Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für die Klägerinnen abgelehnt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf den Zeitpunkt der Erteilung der gewerberechtlichen Erlaubnis Bezug genommen. Da die gewerberechtliche Erlaubnisse der Klägerinnen gemäß § 33 i Abs. 1 GewO für die Spielhallen nach dem 28. Oktober 2011 erteilt worden seien, seien die Spielhallen gemäß § 29 Abs. 4 Satz 3 Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) lediglich bis zum 30. Juni 2013 als mit §§ 24 und 25 GlüStV vereinbar. Auf Grund dessen bedürften die Spielhallen ab dem 1. Juli 2013 zwingend einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für den Weiterbetrieb. Die erforderliche glücksspielrechtliche Erlaubnis für die Spielhallen dürfe allerdings nicht erteilt werden, da sie in einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen stünden, insbesondere in einem gemeinsamen Gebäude oder Gebäudekomplex untergebracht seien.

Auf den weiteren Inhalt der Bescheide wird ergänzend Bezug genommen.

Mit weiterem Bescheid der Beklagten vom 28. Mai 2013 (Az. ...) wurde der ... GmbH eine glücksspielrechtliche Erlaubnis für die Spielhalle „...“ im Anwesen ... erteilt.

Am 2. Juli 2013 wurde von Seiten der Beklagten bei einer Betriebsbesichtigung festgestellt, dass die streitgegenständlichen Spielhallen der Klägerin weiterhin geöffnet waren und jeweils acht Geldspielgeräte betrieben wurden.

Auf Grund dieser Ortsbegehung wurden die Klägerinnen mit Schreiben der Beklagten vom 5. Juli 2013 zur beabsichtigten Untersagung des Weiterbetriebs der Spielhallen angehört.

Mit im Wesentlichen gleichlautenden Bescheiden der Beklagten vom 9. Oktober 2013 wurde den Klägerinnen der Betrieb der Spielhallen im Anwesen ... ab dem Tag nach Bekanntgabe des Bescheides untersagt (Ziffer 1.). Für den Fall der nicht fristgerechten Folgeleistung wurde den Klägerinnen jeweils in Ziffer 2. ein Zwangsgeld in Höhe von 8.000,00 EUR angedroht.

Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass die Untersagung sich maßgeblich auf § 9 Abs. 1 S. 1, 2 und 3 Nr. 3 GlüStV stütze. Danach könne die Beklagte die erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen, um die Erfüllung der nach dem Glücksspielstaatsvertrag bestehenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen sowie darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterblieben. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV liege ein öffentliches Glücksspiel vor. Da die gewerberechtliche Erlaubnis gemäß § 33 i Abs. 1 GewO für die Spielhallen jeweils nach dem 28. Oktober 2011 erteilt worden sei, seien die Spielhallen gemäß § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV lediglich bis zum 30. Juni 2013 als mit §§ 24 und 25 GlüStV vereinbar. Auf Grund dessen bedürften die Spielhallen ab dem 1. Juli 2013 zwingend einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für den Weiterbetrieb. Diese erforderlich werdende glücksspielrechtliche Erlaubnis habe nicht erteilt werden dürfen, da die Spielhallen in einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen stünden. Im Anwesen ... befänden sich weitere Spielhallen, die ebenfalls mittelbar durch den Dachkonzern ... GmbH betrieben würden. Auch sei in diesem Zusammenhang das Erfordernis eines Mindestabstandes von 250 m Luftlinie zur nächsten Spielhalle nicht eingehalten. Die Untersagung entspreche pflichtgemäßer Ermessensausübung durch die Beklagte. Bei der gegebenen Sachlage sei ein Einschreiten der Beklagten geboten. Auf Grund der Ziele des Glücksspielstaatsvertrages übe die Beklagten das ihr eingeräumte Ermessen dahingehend aus, den weiteren Betrieb der Spielhallen zu untersagen. Die Betriebsuntersagung stehe auch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang. Die Anordnung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG). Die Höhe von 8.000,00 EUR erscheine im Hinblick auf die Anzahl der in der Spielhalle aufgestellten Geldspielgeräte als angemessen.

Auf den weiteren Inhalt der Bescheide der Beklagten vom 9. Oktober 2013 wird ergänzend Bezug genommen.

Die Klägerin hat jeweils mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2013, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg am 14. Oktober 2013, Klage erhoben und beantragt,

die Bescheide der Beklagten vom 9. Oktober 2013 aufzuheben.

Die Klägerinnen machen geltend, dass die angefochtene Untersagungsverfügung rechtswidrig sei und sie in ihren Rechten verletze. Die einjährige Übergangsfrist für Spielhallen, deren gewerberechtliche Erlaubnis nach § 33 i GewO erst nach dem 28. Oktober 2011 erteilt worden sei, begegne nicht nur wegen ihres tiefgreifenden Eingriffs in den mit Erteilung der Baugenehmigung geschaffenen Vertrauenstatbestand, sondern auch wegen einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung gegenüber solchen Spielhallen, deren gewerberechtliche Erlaubnis nach § 33 i GewO bis zum 28. Oktober 2011 erteilt worden sei und die in den Genuss einer fünfjährigen Übergangsfrist kämen, durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrages und des zu seiner Ausführung erlassenen Landesgesetzes griffen in den Schutzbereich der Art. 12 und 14 Grundgesetz (GG) ein. Dieser massive Eingriff zu dem im Gesetz genannten Zweck der „Bekämpfung der Spielsucht“, welcher bereits im Hinblick auf die offensichtliche Privilegierung staatlich veranstalteter Glücksspiele, insbesondere staatlicher Spielkasinos, zweifelhaft sei, erfordere eine Übergangsregelung. Diese Übergangsregelung müsse angemessen und verhältnismäßig sein. Anhaltspunkte für die Berechnung einer angemessenen Übergangsfrist seien die Dauer der Amortisierung der eingesetzten Investitionen, die Abschreibung von Gebäuden, Geräten und Einrichtungen sowie die Dauer der Mietverträge und der Beschäftigungsverhältnisse. Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genüge die einjährige Übergangsregelung in § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV nicht. Es liege insoweit bereits eine willkürliche Wahl des Stichtages vor. Bei einer Stichtagsregelung sei zu prüfen, ob der Gesetzgeber den ihm zukommenden Gestaltungsspielraum in sachgerechter Weise genutzt, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt habe und ob sich die gefundene Lösung im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen lasse oder als willkürlich erscheine. Diesen Anforderungen genüge die auf den 28. Oktober 2011 abstellende Stichtagsregelung in keiner Weise. Der Stichtag 28. Oktober 2011 kennzeichne kein Ereignis, welches es rechtfertigen würde, hieran unterschiedliche Rechtsfolgen wie die einer fünfjährigen Übergangsregelung einerseits und einer nur einjährigen Übergangsregelung für Spielhallen, die nach dem 28. Oktober 2011 genehmigt worden seien andererseits, zu knüpfen. Unabhängig von dem willkürlich gewählten Stichtag sei die einjährige Übergangsregelung verfassungswidrig. Sie sei nämlich offensichtlich unangemessen, um die schweren Nachteile, die die rückwirkende Anwendung des neuen Rechts auf bestehende und genehmigte Spielhallenbetriebe habe, auch nur ansatzweise auszugleichen. Auch sei es in der Praxis so, dass in der Regel die Erteilung der Erlaubnis nach § 33 i GewO nicht am Anfang, sondern am Ende einer Investitionsentscheidung stehe. Für die Errichtung einer Spielhalle sei neben der gewerberechtlichen Erlaubnis nach § 33 i GewO auch eine baurechtliche Nutzungsgenehmigung erforderlich. Obwohl das Gesetz einen Vorrang der einen vor der anderen Genehmigung nicht kenne und demgemäß theoretisch die Möglichkeit bestehe, die gewerberechtliche Erlaubnis nach § 33 i GewO vor der Baugenehmigung einzuholen, sei es in der Praxis so, dass zunächst die Baugenehmigung eingeholt werde. Üblich sei es, dass in der Regel die gewerberechtliche Erlaubnis nicht vor der Baugenehmigung erteilt werde. Damit erweise sich aber die Entscheidung des Gesetzgebers, Spielhallen, deren gewerberechtliche Erlaubnis gemäß § 33 i GewO erst nach dem 28. Oktober 2011 erteilt worden seien, nur eine einjährige Übergangsfrist einzuräumen, als sachwidrig. Sie berücksichtige nämlich nicht, dass der eigentliche Vertrauenstatbestand, der von Verfassungs wegen eine angemessene Übergangsregelung erfordere, nicht erst in der am Ende einer Investitionsentscheidung liegenden Erteilung der Erlaubnis nach § 33 i GewO, sondern in der in aller Regel sehr viel früher erfolgten Erteilung der Baugenehmigung liege. Daher sei es zumindest verfassungskonform geboten, in denjenigen Fällen, in denen die Investitionsentscheidung für eine Spielhalle im Vertrauen auf eine Baugenehmigung unwiderruflich schon vor dem 28. Oktober 2011 getroffen worden sei, die fünfjährige Übergangsregelung aus § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV anzuwenden, auch wenn die gewerberechtliche Erlaubnis erst nach dem 28. Oktober 2011 erteilt worden sei. Die verfassungskonforme Auslegung einer Norm sei dann geboten, wenn unter Berücksichtigung vom Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Gesamtzusammenhang und Zweck mehrere Deutungen möglich seien, von denen jedenfalls eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führe.

Auf den weiteren Inhalt des Klagebegründungsschriftsatzes der Klägerin vom 5. Februar 2014 wird ergänzend verwiesen.

Die Beklagte hat jeweils mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2013 beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Die zulässigen Klagen seien unbegründet, da die Bescheide vom 9. Oktober 2013 rechtmäßig seien und die Klägerinnen nicht in deren Rechten verletzten. Im Übrigen wurde auf die ergangenen Ausgangsbescheide verwiesen.

Von den Klägerinnen mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2013 gestellte Anträge in Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gerichtet auf Feststellung, dass den Klagen der Klägerinnen gegen die Ordnungsverfügungen der Beklagten vom 9. Oktober aufschiebende Wirkung zukomme bzw. hilfsweise die aufschiebende Wirkung der Klagen anzuordnen (Au 5 S 13.1540, Au 5 S 13.1543, Au 5 S 13.1545) blieben jeweils mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Oktober 2013 ohne Erfolg. Auf die Gründe dieser Entscheidungen wird vollumfänglich verwiesen.

Die von den Klägerinnen gegen die vorbezeichnete Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg gerichteten Beschwerden wurden mit Beschlüssen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Dezember 2013 (10 CS 13.2296, 10 CS 13.2297, 10 CS 13.2300) zurückgewiesen. Auf die Gründe der Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Dezember 2013 wird vollumfänglich Bezug genommen.

Am 8. Mai 2014 fand mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die von der Beklagten vorgelegte Behördenakten umfassend Bezug genommen.

Gründe

Die Verfahren Au 5 K 13.1539, Au 5 K 13.1541 und Au 5 K 13.1544 konnten gemäß § 93 VwGO zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden werden, da sich sämtliche von den Untersagungsverfügungen der Beklagten vom 9. Oktober 2013 betroffenen Spielhallen im selben Gebäude in der ..., befinden bzw. befanden und sämtliche Spielhallen zur Firmengruppe ... GmbH zugehörig sind. Eine gemeinsame Entscheidung über die erhobenen Klagen ist daher zweckdienlich.

Die zulässigen Klagen bleiben in der Sache ohne Erfolg. Sie sind zwar sämtlich zulässig, aber nicht begründet.

Die Bescheide der Beklagten vom 9. Oktober 2013 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerinnen nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Die Beklagte hat die Untersagungsanordnungen in Nr. 1 der Bescheide vom 9. Oktober 2013 zu Recht auf Art. 10 Satz 2 AGGlüStV bzw. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV gestützt.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 GlüStV hat die Glücksspielaufsicht die Aufgabe, die Erfüllung der nach diesem Staatsvertrag bestehenden oder aufgrund dieses Staatsvertrages begründeten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen sowie darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben. Die zuständige Behörde des jeweiligen Landes kann nach § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV die hierfür erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen. Sie kann nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV insbesondere die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür untersagen.

§ 9 Abs. 1 GlüStV kann im vorliegenden Fall allerdings nicht unmittelbar und als alleinige Rechtsgrundlage für die Untersagung des Weiterbetriebs der Spielhalle herangezogen werden.

§ 2 Abs. 3 GlüStV beschränkt nämlich den Anwendungsbereich des Glücksspielstaatsvertrages auf Spielhallen abschließend auf die in § 2 Abs. 3 GlüStV einzeln aufgeführten Vorschriften bzw. den 7. und 9. Abschnitt des Glücksspielstaatsvertrages. § 9 GlüStV wird in § 2 Abs. 3 GlüStV nicht ausdrücklich genannt und befindet sich im 2. Abschnitt des Glücksspielstaatsvertrages, so dass die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages für Spielhallen nicht unmittelbar gelten.

Ungeachtet dessen eröffnet § 28 GlüStV dem Landesgesetzgeber die Befugnis, auf Landesebene Ausführungsgesetze zum Glücksspielstaatsvertrag zu erlassen. Da sich § 28 GlüStV im 9. Abschnitt des Glücksspielstaatsvertrages befindet, gibt er damit auch die Befugnis, auf Landesebene den Betrieb von Spielhallen im Rahmen eines Ausführungsgesetzes zu regeln. Die Tatsache, dass § 9 GlüStV auf den Betrieb von Spielhallen nicht unmittelbar anwendbar ist, beschränkt daher nicht die Befugnis des jeweiligen Landes, auf der Grundlage des § 28 GlüStV eine eigene glücksspielrechtliche Eingriffsnorm zu schaffen, die auch die Möglichkeit des Erlasses von Einzelanordnungen für den Betrieb von Spielhallen umfasst vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 11.12.2013 – 10 CS 13.2297 Rn. 18 ff.; vorausgehend VG Augsburg, B.v. 18.10.2013 – Au 5 S 13.1540).

Als Rechtsgrundlage kommt danach vorliegend Art. 10 AGGlüStV in Betracht. Nach Art. 10 Satz 1 AGGlüStV haben die zuständigen Behörden die Aufgabe, die Erfüllung der nach dem Glücksspielstaatsvertrag bestehenden oder aufgrund des Glücksspielstaatsvertrages begründeten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen, Art. 10 Satz 1 Nr. 1 AGGlüStV, und die Erfüllung der nach dem Gesetz zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen oder aufgrund dieses Gesetzes begründeten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen, Art. 10 Satz 1 Nr. 2 AGGlüStV, beim Betrieb von Spielhallen zu überwachen. Zu diesem Zweck stehen ihnen nach Art. 10 Satz 2 AGGlüStV die Befugnisse nach § 9 Abs. 1 GlüStV zu; § 9 Abs. 2 GlüStV gilt entsprechend.

Art. 10 Satz 2 AGGlüStV geht in den Fällen, in denen Einzelanordnungen für den Betrieb von Spielhallen erlassen werden, als speziellere Vorschrift § 15 Abs. 2 GewO vor. Die Beklagte hat die Untersagung des Weiterbetriebes der Spielhalle ausdrücklich darauf gestützt, dass der Betrieb der Spielhalle ab dem 1. Juli 2013 einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis nach § 24 Abs. 1 GlüStV bedürfe, der Kläger nicht über eine solche Erlaubnis verfüge und deren Erteilung wegen des in § 25 Abs. 2 GlüStV geregelten Verbotes, mehrere Spielhallen in einem gemeinsamen Gebäude zu betreiben, ausgeschlossen sei. Die glücksspielrechtliche Erlaubnis dient nach dem in Art. 1 Abs. 1 AGGlüStV umschriebenen Gesetzeszweck gerade auch der Abwehr von Suchtgefahren durch Glücksspiele. Die Untersagung des Betriebes nicht erlaubnisfähiger Spielhallen dient eben diesem Ziel einer effektiven Bekämpfung von Suchtgefahren durch Glücksspiele. Zwar ist § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO als allgemeine gewerberechtliche Regelung nicht nur dann anwendbar, wenn die Gewerbeordnung selbst, wie z.B. in § 33i und § 33c GewO, eine Zulassung vorsieht, sondern auch in den Fällen, in denen die Ausübung des Gewerbes, hier der Betrieb der Spielhalle, in einem gewerberechtlichen Nebengesetz von einer Zulassung abhängig gemacht wird, in der Spezialvorschrift jedoch eine dem § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO entsprechende Vorschrift fehlt. Die glücksspielrechtliche Erlaubnispflicht wird aber vorliegend nicht durch die Gewerbeordnung, sondern die landesrechtlichen Regelungen im Glücksspielstaatsvertrag und die Befugnis, landesrechtliche Ausführungsgesetze zu erlassen, geschaffen. Von dieser Möglichkeit hat der Landesgesetzgeber im Freistaat Bayern mit Art. 10 Satz 2 Halbs. 1 AGGlüStV auch Gebrauch gemacht, in dem er dort geregelt hat, dass den zuständigen Behörden die Befugnisse nach § 9 Abs. 1 GlüStV zustehen. Die damit geschaffene spezialgesetzliche Befugnis für eine Untersagung des Betriebes von Spielhallen, die ohne eine glücksspielrechtliche Erlaubnis betrieben werden, geht daher der allgemeinen Befugnis nach § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO vor (vgl. BayVGH, B.v. 11.12.2013 – 10 CS 13.2297 – Rn. 26; VG Augsburg, B.v. 18.10.2013 – Au 5 S 13.1540 – juris Rn. 32; VG Mainz, B.v. 9.9.2013 – 6 L 815/13.MZ – juris Rn. 3; Marcks in Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, Stand September 2013, § 15 Rn. 10).

2. Die Tatbestandsvoraussetzungen für den Erlass einer Untersagungsverfügung auf der Grundlage des Art. 10 Satz 2 AGGlüStV i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV liegen vor. Dabei entspricht der Betrieb einer Spielhalle ohne die erforderliche Erlaubnis sachlich der Veranstaltung unerlaubten Glücksspiels im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV (Hecker in Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, 2. Auflage 2013, § 24 Rn. 20). Die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis an die Klägerinnen wurde mit bestandskräftig gewordenen Bescheiden der Beklagten vom 28. Mai 2013 abgelehnt. Darüber hinaus wurden bei der von der Beklagten durchgeführten Ortsbegehung am 2. Juli 2013 festgestellt, dass in allen drei streitgegenständlichen Spielhallen Geldspielgeräte betrieben wurden. Damit war im maßgeblichen Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung auch der Anwendungsbereich des GlüStV eröffnet, da es sich um Spielhallen im Sinne von § 2 Abs. 3 GlüStV handelt bzw. handelte, die Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeiten bereithielt. Auch hat sich der Dachkonzern der Klägerinnen gegenüber der Beklagten dahingehend geäußert, dass lediglich der Betrieb von Geldspielautomaten wirtschaftlich und gewinnbringend sei.

Der Weiterbetrieb der betroffenen Spielhallen über den 30. Juni 2013 hinaus bedarf nach der Übergangsregelung des § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV und § 24 Abs. 1 GlüStV, Art. 11 Abs. 1 AGGlüStV der Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis (im Folgenden 2.1.1).

2.1.1 Die unterschiedlichen Übergangsregelungen in § 29 Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 GlüStV verletzen nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Nach § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV gelten Spielhallen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Glücksspielstaatsvertrages bestehen und für die bis zum 28. Oktober 2011 eine Erlaubnis nach § 33 i GewO erteilt worden ist, deren Geltungsdauer nicht innerhalb von 5 Jahren nach Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages endet, bis zum Ablauf von 5 Jahren nach Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages als mit den §§ 24 und 25 GlüStV vereinbar. Spielhallen, für die nach dem 28. Oktober 2011 eine Erlaubnis nach § 33 i GewO erteilt worden ist, gelten nach § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV bis zum Ablauf von einem Jahr nach Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages als mit den §§ 24 und 25 GlüStV vereinbar.

Die in § 29 Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 GlüStV an den Zeitpunkt der Erteilung der gewerberechtlichen Erlaubnis und den diesbezüglichen Stichtag 28. Oktober 2011 anknüpfende Ungleichbehandlung bei den Übergangsfristen beinhaltet eine notwendige, sachlich vertretbare und nicht unverhältnismäßige Differenzierung.

Dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 29 Abs. 4 Satz 1 GlüStV lässt sich entnehmen, dass die durch den Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag (Erster GlüÄndStV) in dessen siebten Abschnitt für Spielhallen neu geschaffenen Regelungen in den §§ 24 bis 26 GlüStV auf Spielhallen, die zum Zeitpunkt des nach Art. 2 Abs. 1 Erster GlüÄndStV am 1. Juli 2012 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrages bestanden bzw. bestehen und nach der bis zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Rechtslage gewerberechtlich nach § 33 i GewO genehmigt waren, ab Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages Anwendung finden. Dadurch wird der Grundsatz bestätigt, dass die Anforderungen der §§ 24 bis 26 GlüStV ab deren Inkrafttreten anzuwenden sind (vgl. Gesetzesbegründung, LT-Drs. 16/11995 S. 32; BayVerfGH, E.v. 28.6.2013 – Vf. 10-VII-12 u.a. – juris Rn. 91). Demgegenüber enthält § 29 Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 GlüStV Übergangsregelungen, nach denen bestehende Spielhallen je nach dem Zeitpunkt der Erteilung der gewerberechtlichen Erlaubnis entweder bis zum Ablauf von fünf Jahren oder nur bis zum Ablauf von einem Jahr nach Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages als mit den §§ 24 und 25 GlüStV vereinbar gelten, d.h. für den betreffenden Zeitraum von der glückspielrechtlichen Erlaubnispflicht freigestellt werden und ihnen eine Fortsetzung ihrer bisherigen legalen Tätigkeit ohne glücksspielrechtliche Erlaubnis ermöglicht wird (vgl. Gesetzesbegründung LT-Drs. 16/11995 S. 32).

2.1.1.1 Diese Differenzierung ist notwendig, um das vom Gesetzgeber mit dem geänderten Glücksspielstaatsvertrag und dem entsprechenden Ausführungsgesetz weiterhin verfolgte Ziel, die Glücksspielangebote zum Schutz der Spieler und der Allgemeinheit vor den Gefahren des Glücksspiels strikt zu regulieren, zu erreichen. Die schon bisher in § 1 GlüStV verfolgten Kernziele sollen unter Berücksichtigung der zum Glücksspielrecht ergangenen Rechtsprechung nationaler Gerichte und des Gerichtshofs der Europäischen Union, der Ergebnisse der Evaluierung des bisherigen Glücksspielstaatsvertrages sowie der europäischen Entwicklung neu akzentuiert und zur Erreichung dieser Ziele eine Glücksspielregulierung mit differenzierten Maßnahmen für die einzelnen Glücksspielformen vorgenommen werden, um deren spezifischen Sucht-, Betrugs-, Manipulations- und Kriminalitätspotential Rechnung zu tragen (vgl. Gesetzesbegründung, LT-Drs. 16/11995 S. 16 f.). Im Hinblick auf das durch sämtliche vorliegenden Studien belegte, besonders hohe Suchtpotential bei Geldspielgeräten in Gastronomiebetrieben und vor allem in Spielhallen und das flächendeckende Angebot an Geldspielgeräten hat der Gesetzgeber gerade für den Bereich der Spielhallen Handlungsbedarf gesehen, um auch und gerade für diesen Bereich einen kohärenten Schutz vor Spielsucht zu schaffen (vgl. Gesetzesbegründung, LT-Drs. 16/11995 S. 30; BayVerfGH, E. v. 28.6.2013 – Vf. 10-VII-12 u.a. – juris Rn. 95; BayVGH, B.v. 30.9.2013 – 10 CE 13.1477 – juris Rn. 18). Mit den in § 29 Abs. 4 GlüStV vorgesehenen Übergangsfristen hat der Gesetzgeber dem Vertrauens- und Bestandsschutzinteresse der Spielhallenbetreiber und ihren Erwartungen an die Amortisation getätigter Investitionen in Abwägung mit den in den §§ 24 und 25 GlüStV verfolgten Allgemeinwohlinteressen Rechnung getragen (vgl. Gesetzesbegründung, LT-Drs. 16/11995 S. 32; BayVerfGH, E.v. 28.6.2013 – Vf. 10-VII-12 u.a. – juris Rn. 95; BayVGH, B.v. 30.9.2013 – 10 CE 13.1477 – juris Rn. 18).

Die Erforderlichkeit der Einbeziehung auch der bereits bestehenden, gewerberechtlich und baurechtlich genehmigten Spielhallen in den Anwendungsbereich dieser neuen glücksspielrechtlichen Anforderungen zur Bekämpfung der spezifischen Gefahren dieser Glücksspielform liegt auf der Hand. Um seine Ziele baldmöglichst umsetzen zu können, konnte der Gesetzgeber insbesondere im Hinblick auf den ihm bei der Ausgestaltung von Übergangsvorschriften zukommenden breiten Gestaltungsspielraum unter Berücksichtigung der berechtigten Bestandsschutzinteressen der Spielhallenbetreiber in rechtlich nicht zu beanstandender Weise eine Differenzierung der Übergangsfristen je nach dem für die einzelnen Spielhallenbetreiber bestehenden Vertrauensschutz vornehmen (vgl. BVerfG, B.v. 18.3.2013 – 1 BvR 2436/11 – juris Rn. 34; BayVGH, B.v. 30.9.2013 – 10 CE 13.1477 Rn. 19).

Gerade mit Blick auf die besonders gewichtigen Gemeinwohlziele des § 1 GlüStV und die von Geldspielgeräten in Spielhallen diesbezüglich ausgehenden besonderen Gefahren ist es dem Gesetzgeber auch unter Vertrauensschutzgesichtspunkten nicht verwehrt, sein glücksspielrechtliches Regelungskonzept durch die Staffelung von sachgerechten Übergangsfristen zeitnah umzusetzen und so – wie beabsichtigt – den stufenweisen Rückbau bei Spielhallenkomplexen zu erreichen. Dabei ist mit zu berücksichtigen, dass mit diesem schrittweisen Rückbau bei Spielhallenkomplexen ein wirtschaftlicher Betrieb von Spielhallen auch künftig nicht unmöglich gemacht wird und auch nicht alle insoweit getätigten Investitionen völlig entwertet werden (vgl. BayVGH, B.v. 30.9.2013 – 10 CE 13.1477 – juris Rn. 20).

2.1.1.2 Es entspricht auch einer sachgerechten Ausübung des Regelungsspielraums des Gesetzgebers, auf den Stichtag 28. Oktober 2011 abzustellen.

Gerade im Hinblick auf die Schutzwürdigkeit des Vertrauens der betroffenen Spielhallenbetreiber in das Fortbestehen der bisherigen Rechtslage kommt dem Beschluss der am 28. Oktober 2011 zu Ende gegangenen Ministerpräsidentenkonferenz, mit dem 15 der 16 Bundesländer sich auf den neuen Glückspielstaatsvertrag geeinigt und dessen Unterzeichnung am 15. Dezember 2011 beschlossen haben, entscheidende Bedeutung zu und nicht etwa erst der Paraphierung des neuen Glücksspielstaatsvertrages am 15. Dezember 2011 oder der erst im ersten Halbjahr 2012 erfolgten Ratifizierung des Glücksspielstaatsvertrages in den Ländern. Bereits mit der Zustimmung der Ministerpräsidenten zum neuen Staatsvertrag mussten die von Neuregelungen betroffenen und interessierten Kreise mit der beabsichtigten Rechtsänderung für Spielhallen rechnen. Dem steht nicht entgegen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das schutzwürdige Vertrauen in den Bestand der bisherigen Rechtsfolgenlage für die Betroffenen im Zeitpunkt des endgültigen Gesetzesbeschlusses über die Neuregelung entfällt, weshalb der Gesetzgeber berechtigt ist, den zeitlichen Anwendungsbereich einer Regelung auch auf den Zeitpunkt von dem Gesetzesbeschluss bis zur Verkündung zu erstrecken (vgl. BVerfG, E.v. 3.12.1997 – 2 BVR 882/97 – juris Rn. 42; BayVGH, B.v. 30.9.2013 – 10 CE 13.1477 – juris Rn. 22). Eine solche Rückerstreckung der Anwendung der streitigen Normen liegt hier aber nicht vor. Auch hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, dass schon mit der Einbringung eines Gesetzesentwurfs im Bundestag durch ein initiativberechtigtes Organ geplante Gesetzesänderungen öffentlich und ab diesem Zeitpunkt mögliche zukünftige Gesetzesänderungen allgemein vorhersehbar werden (vgl. BVerfG, B.v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07 – Rn. 56; BayVGH, B.v. 30.9.2013 – 10 CE 13.1477 – juris Rn. 22). Eine damit in etwa vergleichbare Konstellation im Bereich der vertraglichen Selbstkoordination der Länder ist hier gegeben. Eine vertragliche Koordination zwischen Bund und Ländern sowie den Ländern untereinander auf der Basis von Staatsverträgen ist nach Art. 30 GG zulässig, soweit dadurch nicht die verfassungsrechtliche Kompetenzordnung verletzt wird. Haben sich die Bundesländer wie vorliegend auf einen entsprechenden Staatsvertrag im Rahmen ihrer Länderzuständigkeit geeinigt, wird der betreffende Staatsvertrag gemäß Art. 72 Abs. 2 BV vom Ministerpräsidenten nach vorheriger Zustimmung des Landtags abgeschlossen, ohne dass der Staatsvertrag noch einer inhaltlichen Änderung durch den Landtag zugänglich wäre. Mit dem Beschluss vom 28. Oktober 2011 stand damit fest, dass der Erste Glücksspieländerungsstaatsvertrag in der beschlossenen Form den jeweiligen Länderparlamenten zur Unterrichtung vorgelegt und am 15. Dezember 2011 von den Ministerpräsidenten unterschrieben werden sollte (Presseinformationen des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr zur Sitzung des niedersächsischen Landtags am 13. Oktober 2011). Weitere Änderungen sollten nach diesem Beschluss nicht mehr erfolgen. Der Zustimmungsbeschluss des Landtags nach Art. 72 Abs. 2 BV entfaltet insoweit nur noch Ermächtigungsfunktion für die Ratifizierung und Transformation. Die Befugnis des Ministerpräsidenten, den Vertrag zu unterschreiben, ergibt sich bereits aus Art. 47 Abs. 3 BV, die Pflicht zur rechtzeitigen Information des Landtags aus Art. 55 Nr. 3 BV. Aufgrund dieses Verfahrens steht der Inhalt des abzuschließenden Staatsvertrages letztlich bereits mit dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz, dass der Vertrag mit dem beschlossenen Inhalt unterschrieben werden soll, fest (vgl. BayVGH, B.v. 30.9.2013 – 10 CE 13.1477 – juris Rn. 22).

2.1.1.3 Die Stichtagsregelung ist auch nicht deshalb sachwidrig, weil das maßgebliche Abgrenzungskriterium gemäß § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV der Zeitpunkt der Erlaubniserteilung ist, und nicht der der Antragstellung. Bestand nämlich ab dem der Öffentlichkeit bekannten Zeitpunkt, dem 28. Oktober 2011, der im Übrigen in den entsprechenden Foren deutlich kommuniziert wurde, die vom Gesetzgeber angenommene Gefahr, dass in Kenntnis der beabsichtigten Änderung der Rechtslage für Spielhallen Vorratserlaubnisse beantragt bzw. erwirkt werden, um so ggf. noch in den Genuss längerer Übergangsfristen zu gelangen, ist das Abstellen des Gesetzgebers auf den Zeitpunkt der Erteilung der gewerberechtlichen Erlaubnis sachgerecht. Wenn der Gesetzgeber derartige Mitnahmeeffekte für den Übergangszeitraum bis zum Inkrafttreten der Neuregelung verhindern wollte (vgl. Gesetzesbegründung, LT-Drs. 16/11995 S. 32), ist dies gerade im Hinblick auf den besonders wichtigen Gemeinwohlbelang des Schutzes der Bevölkerung vor den Gefahren der Spielsucht ein sachlich hinreichender Gesichtspunkt für die Wahl dieses Stichtags (vgl. BayVerfGH, E.v. 28.6.2013 – Vf 10 – VII – 12 u.a. – juris Rn. 96). Denn abgesehen davon, dass, wie oben bereits ausgeführt wurde, dem Gesetzgeber bei der Festlegung von Stichtagen ein weites Gesetzgebungsermessen zusteht, sprechen auch gewichtige Gesichtspunkte für das Abstellen des Gesetzgebers auf den Zeitpunkt der Erlaubniserteilung. Denn erst mit der gewerberechtlichen Erlaubnis für den Betrieb einer Spielhalle darf der Spielhallenbetreiber die Spielhalle legal betreiben und erlangt eine Rechtsposition die geeignet ist, einen weiterreichenden Vertrauenstatbestand zu eröffnen, als dies während des Laufs des Antragsverfahrens der Fall sein kann. Dagegen erwiese sich eine Stichtagsregelung, die auf die bloße Antragstellung hinsichtlich einer gewerberechtlichen Erlaubnis für eine geplante Spielhalle abstellte, nicht als sachlich geeignetes Abgrenzungskriterium. Mit der Antragstellung steht nämlich gerade noch nicht fest, ob der Spielhallenbetreiber jemals eine Erlaubnis nach § 33 i GewO erhalten und demgemäß die Spielhallen legal betreiben kann (vgl. BayVGH, B.v. 30.9.2013 – 10 CE 13.1477 – juris Rn. 24).

Auch die Gesetzesbegründung zu § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV (vgl. Gesetzesbegründung, LT-Drs. 16/11995 S. 32) spricht für den Zeitpunkt der Erteilung der gewerberechtlichen Erlaubnis nach § 33 i GewO als Stichtag für die verkürzte Übergangsfrist, da dort eben nicht auf „Vorratsanträge“, sondern ausdrücklich auf „Vorratserlaubnisse“ abgestellt wird. Im Übrigen lässt sich auch nur der vom Gesetzgeber gewählte Stichtag genau bestimmen. Stellte man auf die Antragstellung ab, wäre unklar, ob dies der Tag sein sollte, an dem überhaupt formal ein Antrag auf Erteilung der gewerblichen Erlaubnis gestellt wurde oder ob der Tag gemeint sein sollte, an dem der Antrag entscheidungsreif, also mit den erforderlichen Unterlagen, bei der Behörde vorliegt. Ein auf die Antragstellung abstellender Stichtag wäre damit letztlich nicht geeignet, eine eindeutige Differenzierung zwischen den beiden Fallgruppen mit jeweils unterschiedlichen Übergangsfristen vorzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 30.9.2013 – 10 CE 13.1477 Rn. 25).

2.1.2 Die Stichtagsregelung bzw. die unterschiedlichen Zeiträume in denen nach § 29 Abs. 4 Satz 2 und 3 GlüStV der Betrieb der Spielhallen mit den §§ 24 bis 26 GlüStV als noch vereinbar gilt, verstoßen auch nicht gegen die Eigentumsfreiheit bzw. das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nach Art. 14 Abs. 1 GG oder die entsprechende Grundrechtsgewährleistung in Art. 103 Abs. 1 BV.

2.1.2.1 Es kann letztlich dahin gestellt bleiben, ob der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG hier überhaupt eröffnet ist.

Die gewerberechtliche Erlaubnis nach § 33 i GewO unterfällt wohl nicht bereits grundsätzlich dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG (vgl. dazu BVerfG, E.v. 13.2.1964 – 1 BvL 17/61 – juris Rn. 58; BVerfG, B.v. 10.6.2009 – 1 BvR 198/08 – juris Rn. 18; BayVGH, B.v. 30.9.2013 – 10 CE 13.1477 – juris Rn. 28). Dies kann allerdings dann in Betracht kommen, wenn zu der öffentlich-rechtlichen Gewährung einer Rechtsposition, hier der Erlaubnis zum Betrieb der Spielhalle, hinzukommt, dass diese Rechtsposition auf nicht unerheblichen Eigenleistungen beruht (vgl. BVerfG, Wv. 24.2.2010 – 1 BvR 27/09 - juris Rn. 62). Das ist dann der Fall, wenn der Spielhallenbetreiber umfangreiche Investitionen für die Errichtung und den Betrieb seiner Spielhalle gerade im Vertrauen auf den Bestand der Erlaubnis getätigt hat. Das liegt hier aber nicht vor. Denn jedenfalls im vorliegenden Fall beruhen die vom Kläger getätigten Investitionen nicht auf dem Vertrauen in die gewerberechtliche Erlaubnis. Die Beklagte erteilte zwar bereits am 28. Dezember 2011 die Baugenehmigung für die Einrichtung von vier Spielhallen auf dem Grundstück Flur Nr. ... der Gemarkung .... Die gewerberechtliche Erlaubnis nach § 33 i GewO hat die Beklagte den Klägerinnen mit Bescheiden vom 27. Juni 2012 erteilt. Auch wenn es, wie der Kläger geltend macht, gängige Praxis bei der Beklagten sein sollte, die gewerberechtliche Erlaubnis nach § 33 i GewO zum Betrieb einer Spielhalle erst nach der Errichtung und der Abnahme der Spielhalle zu erteilen, schließt diese Vorgehensweise - ungeachtet ihrer Rechtmäßigkeit oder Zweckmäßigkeit - jedenfalls ein Vertrauen auf den Bestand der gewerberechtlichen Erlaubnis nach § 33 i GewO bis zu deren Erteilung aus (vgl. BayVGH, B.v. 30.9.2013 – 10 CE 13.1477 – juris Rn. 28). Überdies wurden hier die gewerberechtlichen Erlaubnisse erst deutlich nach dem maßgeblichen Stichtag, nämlich am 20. April 2012 zu einem Zeitpunkt beantragt, in dem kein schutzwürdiges Vertrauen in den unbeschränkten Weiterbetrieb der Spielhallen mehr begründet werden konnte.

2.1.2.2 Es bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung, ob der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb des Klägers als Sach- und Rechtsgesamtheit seiner Substanz nach den Eigentumsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 103 Abs. 1 BV genießt. Davon geht allerdings der Bayerische Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 28. Juni 2013 (BayVerfGH, E.v. 28.6.2013 – Vf 10 – VII – 12 u.a. – juris Rn. 114) aus, soweit er hierzu ausgeführt hat: „Die Eigentumsgarantie schützt das Erworbene, hat also die Ergebnisse geleisteter Arbeit zum Gegenstand … Die Betreiber bestehender Spielhallen sind insoweit in ihrem Grundrecht auf Eigentum berührt, als sie die neuen glücksspielrechtlichen Erlaubnisvoraussetzungen … nicht erfüllen und der Fortbestand ihrer Betriebe nach Ablauf der Übergangsfristen in Frage steht. Sie haben in den Betrieb von nach der bisherigen Rechtslage zulässigen Spielhallen investiert und die entsprechenden Genehmigungen nach Bau- und Gewerberecht erlangt“. Demgegenüber hat das Bundesverfassungsgericht hierüber noch nicht abschließend entschieden (vgl. BVerfG, B.v. 10.6.2009 – 1 BvR 198/08 – juris Rn. 17; BayVGH B.v. 30.9.2013 – 10 CE 13.1477 – juris Rn. 29).

Auch wenn der Spielhallenbetrieb der Klägerinnen den Eigentumsschutz aus Art. 14 GG genießt, stellt der Eingriff in den Bestand des auf der Grundlage der unbefristet erteilten gewerberechtlichen Erlaubnis begonnenen Spielhallenbetriebs keine verfassungswidrige Legalenteignung dar (vgl. BayVGH, B.v. 30.9.2013 – 10 CE 13.147 – juris Rn. 30). Denn eine Enteignung im Rechtssinne liegt nur dann vor, wenn sie darauf gerichtet ist, konkrete Rechtspositionen, die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt sind, zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben vollständig oder teilweise zu entziehen (vgl. BVerfG, B.v. 2.3.1999 – 1 BvL 7/91 – juris Rn. 73). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Mit dem durch die Übergangsregelung bewirkten Eingriff in den Bestand des aufgrund der unbefristet erteilten gewerberechtlichen Erlaubnis legalen Spielhallenbetriebs stellt der Gesetzgeber lediglich Inhalts- und Schrankenbestimmungen für die Nutzung des Eigentums auf (vgl. BayVerfGH vom 28.6.2013 – Vf. 10 – VII – 12 u.a. – juris Rn. 115). Denn aus der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung kann nicht hergeleitet werden, dass eine vom Eigentumsrecht umfasste Befugnis nach ihrem Entstehen für alle Zukunft uneingeschränkt erhalten bleiben muss. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Neuordnung eines Rechtsgebiets durch eine angemessene und zumutbare Überleitungsregelung individuelle Rechtspositionen umgestalten kann, wenn Gründe des Gemeinwohls vorliegen, die den Vorrang vor dem berechtigten Vertrauen auf den Fortbestand eines erworbenen Rechts verdienen (vgl. z.B. BVerfG, B.v. 24.2.2010 – 1 BvR 27/09 – juris Rn. 65; BayVGH, B.v. 30. 9.2013 - 10 CE 13.1477 – juris Rn. 30).

2.1.2.3 Handelt es sich danach bei den angegriffenen Vorschriften allenfalls um verfassungsrechtlich zulässige Inhaltsbeschränkungen des Eigentums, muss der Gesetzgeber die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Dabei ist er an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden (vgl. BVerfG, B.v. 24.2.2010 – 1 BvR 27/09 – juris Rn. 64). Gemessen hieran ist ein Grundrechtsverstoß nicht festzustellen. Der Gesetzgeber hat die Grenzen der inhaltlichen Eigentumsbeschränkung nicht in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise missachtet. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerinnen selbst in unverhältnismäßiger Weise in ihrem Eigentum beschränkt würden. Dabei ist zum einen in Erwägung zu ziehen, dass die ... GmbH als Dachkonzern, dem die Klägerinnen sämtlich angehören in dem Gebäude noch eine Spielhalle legal betreiben darf, und dass er den Teil des bestehenden Gebäudes, in dem sich die Spielhallen befanden, anderweitig nutzen kann. Zu denken ist hier beispielweise auch an das Angebot von bloßen Unterhaltungsspielen außerhalb des Geltungsbereichs von § 2 Abs. 3 GlüStV. Insoweit hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 8. Mai 2014 klargestellt, dass ein derartig eingeschränktes Angebot, von den Untersagungsverfügungen nicht erfasst werde. Die Investitionen für den Bau an sich sind damit nicht verloren und die Investitionen nicht „völlig in den Sand gesetzt“ (vgl. BayVGH, B.v. 30.9.2013 – 10 CE 13.1477 – juris Rn. 31). Auch das Inventar kann anderweitig verwendet oder wieder veräußert werden. Die Klägerinnen haben insbesondere keinen Rechtsanspruch darauf, die streitgegenständlichen Spielhallen solange betreiben zu dürfen, bis ihre Investitionen amortisiert sind. Denn die Interessen der Klägerinnen sind abzuwägen mit dem Wohl der Allgemeinheit und dem mit der Neuregelung des Glücksspielrechts verfolgten Ziel der Eindämmung der Spielsucht, die insbesondere, wie oben bereits dargelegt, durch das Glücksspiel an Geldspielautomaten in Spielhallen in besonderer Weise gefördert wird. Der Umsetzung der Ziele des neuen Glücksspielrechts kommt dabei eine überragende Bedeutung zu. Der Gesetzeszweck, die Spielmöglichkeiten zu beschränken und damit im Hinblick auf das hohe Suchtpotential bei Geldspielgeräten die Gefahren der Spielsucht einzudämmen, stellt einen wichtigen gesetzgeberischen Belang dar, der es rechtfertigt, private, insbesondere wirtschaftliche Belange einzelner Spielhallenbetreiber geringer zu gewichten (vgl. BayVGH, B.v. 30.9.2013 – 10 CE 13.1477 – juris Rn 31).

2.1.3 Auch das Recht auf Berufs- bzw. Gewerbefreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG wird durch die einjährige Übergangsfrist des § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV nicht verletzt.

2.1.3.1 Der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ist eröffnet, da der Betrieb einer Spielhalle eine berufliche bzw. gewerbliche Betätigung darstellt, die durch Art. 12 Abs. 1 GG vor staatlichen Beeinträchtigungen geschützt ist.

Das Bundesverfassungsgericht beurteilt Einschränkungen der Berufsfreiheit grundsätzlich am Maßstab der Verhältnismäßigkeit und unterscheidet dabei danach, auf welcher Stufe der Berufsfreiheit die Regelung ansetzt. Reine Berufsausübungsbeschränkungen können grundsätzlich durch jede vernünftige Erwägung des Gemeinwohls legitimiert werden. Allerdings müssen Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen. Hingegen sind objektive oder subjektive Berufswahlbeschränkungen nur zum Schutz überragender Gemeinwohlgüter zulässig (vgl. BVerfG, U.v. 10.6.2009 – 1 BvR 706/08 u.a. – juris Rn. 165).

Die Festsetzung von Übergangsvorschriften im neuen Glücksspielstaatsvertrag durch den Gesetzgeber enthält keine Beschränkung der Berufswahlfreiheit. Weder wird der Zugang zum Beruf eines Spielhallenbetreibers an sich verhindert oder von besonderen Voraussetzungen abhängig gemacht noch der Kläger verpflichtet, diesen Beruf aufzugeben. Es steht ihm jederzeit frei, eine andere Spielhalle an einem nicht unter die Restriktionen des Glücksspielstaatsvertrags fallenden Ort zu eröffnen. Die gesetzlichen Regelungen beschränken daher lediglich die ortsbezogene Ausübung dieser beruflichen Tätigkeit (vgl. BayVGH, B.v. 30.9.2013 – 10 CE 13.1477 – juris Rn. 35).

2.1.3.2 Regelungen der Berufsausübung sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zulässig, wenn sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind, wenn das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (vgl. BVerfG, U.v. 13.12.2000 – 1 BvR 335/97 – juris Rn. 26). Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt die angegriffene Regelung.

Wie bereits dargelegt ist die gesetzliche Festsetzung der strittigen Übergangsfristen gerechtfertigt, um die Ziele der Neuregelung des Glücksspielrechts in absehbarer Zeit zu erreichen. Durch diese soll gerade dem von Spielhallen ausgehenden Sucht-, Betrugs-, Manipulations- und Kriminalitätspotential Rechnung getragen werden. Es liegt im überwiegenden Wohl der Allgemeinheit, das Glücksspielangebot im Hinblick auf die Gefahren des Glücksspiels strikt zu regulieren und zu begrenzen. Die festgesetzten Übergangsvorschriften sind dazu geeignet, weil sie die Durchsetzung der gesetzlichen Vorschriften zu einem zeitnahen Termin ermöglichen. Zur Erforderlichkeit der Übergangsvorschriften wurde bereits dargelegt, dass dem Gesetzgeber bei der Festsetzung der Übergangsvorschriften ein weiter Beurteilungsspielraum zukommt und die einjährige Übergangsfrist in den vom Gesetz genannten Fällen im Hinblick auf den relativ geringen Vertrauensschutz der Spielhallenbetreiber, denen erst nach dem Stichtag 28. November 2011 eine gewerberechtliche Erlaubnis erteilt worden ist, verhältnismäßig ist. Bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe ist die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt, zumal im Hinblick auf die Berufsausübung des einzelnen Spielhallenbetreibers lediglich eine geringe Beeinträchtigung seines Rechts auf Berufsfreiheit vorliegt, so dass die einjährige Übergangsfrist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist (vgl. BayVGH, B.v. 30.9.2013 – 10 CE 13.1477 – juris Rn. 37).

Die einjährige Übergangsfrist ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne unter Abwägung des Gewichts des enttäuschten Vertrauens des Spielhallenbetreibers einerseits und des Gewichts der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe andererseits. Auf der einen Seite steht das betriebliche und wirtschaftliche Interesse der Spielhallenunternehmer, die Spielhalle weiter zumindest bis zum Ablauf der fünfjährigen Übergangsfrist aus § 29 Abs. 4 GlüStV betreiben zu können. Auf der anderen Seite steht das öffentliche Interesse an der Bekämpfung der Gefahren der Spielsucht durch Reglementierung der Zahl, Dichte und Betriebsform von Spielhallen.

Dabei verliert der Vertrauensschutz wesentlich an Gewicht, wenn die ihn begründende gewerberechtliche Erlaubnis – wie hier - erst zu einem Zeitpunkt beantragt und erteilt worden ist, als die restriktivere glückspielrechtliche Neuregelung bereits absehbar war. In solchen Fällen ist bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihm rechtfertigenden Gründe, der Berufsausübung des einzelnen Spielhallenbetreibers und seiner wirtschaftlichen Interessen einerseits und des öffentlichen Interesses an der wirksamen Bekämpfung der Gefahren pathologischer Spielsucht andererseits die Grenze der Zumutbarkeit durch die einjährige Übergangsfrist im Hinblick auf das Grundrecht der Berufsfreiheit in Art. 12 Abs. 1 GG noch gewahrt (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 8.4.2014 – 22 CS 14.224 – juris Rn. 17 f.).

Da die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis an die Klägerinnen bestandskräftig mit Bescheiden der Beklagten vom 28. Mai 2013 abgelehnt wurde – die Ablehnung erfolgte dabei sachgerecht wegen Vorliegens des nicht ausnahmefähigen Versagungsgrundes des Verbotes von Mehrfachkonzessionen in § 25 Abs. 2 GlüStV – sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass der streitgegenständlichen Untersagungsverfügungen gegeben.

3. Bei § 9 Satz 3 Nr. 3 GlüStV handelt es sich um eine Ermessensvorschrift, soweit darin geregelt wird, dass die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele untersagt werden kann. Soweit Art. 10 Satz 2 Halbs. 1 AGGlüStV regelt, dass den zuständigen Behörden die Befugnisse nach § 9 Abs. 1 GlüStV zustehen, ist diesen damit ebenfalls ein Ermessensspielraum eröffnet.

Die Ermessenserwägungen der Beklagten in den Bescheiden vom 9. Oktober 2013, auf die sie die jeweilige Untersagungsverfügung gestützt hat, sind im Rahmen des bei Ermessensentscheidungen nach § 114 Satz 1 VwGO eingeschränkten gerichtlichen Prüfungsumfanges rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Beklagte hat erkannt, dass ihr ein Ermessen zusteht und entsprechende Ermessenserwägungen angestellt. Die Beklagte hat im Rahmen ihrer Ermessensausübung zutreffend ausgeführt, dass die Untersagung des Betriebes der Spielhallen eine geeignete Maßnahme sei, um die in § 1 GlüStV dargelegten Ziele des Glücksspielstaatsvertrages durchzusetzen. Die Beklagte ist darüber hinaus in rechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die Untersagung des Betriebes erforderlich ist, weil ein milderes Mittel nicht in Betracht kommt, um die Fortführung des erlaubnispflichtigen, aber nicht erlaubnisfähigen Betriebes der Spielhalle wirksam zu unterbinden. Soweit die Beklagte darüber hinaus darlegt, dass die getroffene Anordnung im konkreten Fall angemessen und zumutbar sei, sind Ermessensfehler ebenfalls nicht erkennbar. Die Beklagte hat im Ergebnis zu Recht darauf abgestellt, dass die Untersagungsanordnung für die Klägerinnen zwar einen empfindlichen Eingriff in seine Berufsfreiheit darstellt und auch mit einem finanziellen Schaden für diese verbunden ist, allerdings dann gleichwohl in rechtlich nicht zu beanstandender Weise dem Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung des Gesetzeszweckes des Glücksspielstaatsvertrages sowie der Herstellung rechtmäßiger Zustände den Vorrang vor dem finanziellen Interesse der Klägerinnen am Weiterbetrieb der Spielhallen eingeräumt.

4. Die Androhung des Zwangsgeldes in Nr. 2 der Bescheide vom 9. Oktober 2013 ist ebenfalls rechtmäßig.

Die Zwangsgeldandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 Abs. 1 und 2, Art. 36 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 VwZVG.

Die Zwangsgeldandrohung ist hinreichend bestimmt. Sie ist so formuliert, dass die Klägerinnen ihr konkret entnehmen können, unter welchen Voraussetzungen das jeweilige Zwangsgeld fällig wird.

Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG beträgt das Zwangsgeld mindestens 15,-- und höchstens 50.000,-- EUR. Dabei soll das Zwangsgeld nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG das wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung hat, erreichen. Im vorliegenden Fall bleibt die Höhe des Zwangsgeldes mit 8.000,-- EUR im Rahmen des wirtschaftlichen Interesses der Klägerinnen an einem Unterbleiben der Untersagungsverfügung. Es ist daher auch nicht ersichtlich, dass die Klägerinnen durch die Höhe des jeweils angedrohten Zwangsgeldes in ihren Rechten verletzt werden könnten.

5. Soweit sich die Klägerinnen gegen die Kostenforderung in den Bescheiden vom 9. Oktober 2013 in Höhe von jeweils 2.000,-- EUR wenden (Nr. 3 der Bescheide) bleibt die Klage ebenfalls ohne Erfolg. Insoweit ist für das Gericht nicht erkennbar, dass die Kostenfestsetzung innerhalb des durch Art. 5, 6, 10, 11, 15 Kostengesetz (KG) i.V.m. Tarif-Nr. 2.IV.1/3.2 Kostenverzeichnis (KvZ) eröffneten Rahmens für derartige Amtshandlungen von 500,-- EUR bis 50.0000,-- EUR in unverhältnismäßiger Weise erfolgt wäre. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass die festgesetzte Gebühr in Höhe von jeweils 2.000,-- EUR außer Verhältnis zu dem mit der Angelegenheit verbundenen Verwaltungsaufwand stünde. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass vor Erlass der streitgegenständlichen Bescheide auch Ortskontrollen durchgeführt werden mussten. Da sich die Gebührenhöhe im unteren Bereich des vom Kostenverzeichnis zum Kostengesetz eröffneten Rahmen bewegt, bedurfte es aus Sicht des Gerichts auch keiner näheren Darlegung, wie sich die Gebührenhöhe im Einzelnen zusammensetzt. Insoweit genügt die Nennung der einschlägigen Rechtsvorschriften unter Verweis auf den im Kostenverzeichnis zum Kostengesetz eröffneten Rahmen sowie der Verweis auf die Vorschrift des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 KG, wonach die festgesetzte Gebühr den Verwaltungsaufwand aller Beteiligten Behörden und Stellen und die Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten berücksichtigt. Rechtsfehler der Beklagten bei der Anwendung von Kostengesetz und Kostenverzeichnis sind nicht erkennbar.

6. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen haben die Klägerinnen die Kosten der jeweiligen Verfahren zu tragen.

Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

 

Beschluss

Der Streitwert wird vor der Verbindung für die Verfahren Au 5 K 13.1539, Au 5 K 13.1541 und Au 5 K 13.1544 auf jeweils 20.000,-- EUR und nach der Verbindung auf insgesamt 60.000,-- festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung beruht jeweils auf § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) unter Berücksichtigung der Bedeutung der Angelegenheit für die jeweilige Klägerin.

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In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

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Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

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Das Gericht kann durch Beschluß mehrere bei ihm anhängige Verfahren über den gleichen Gegenstand zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbinden und wieder trennen. Es kann anordnen, daß mehrere in einem Verfahren erhobene Ansprüche in getrennt

Gewerbeordnung - GewO | § 33i Spielhallen und ähnliche Unternehmen


(1) Wer gewerbsmäßig eine Spielhalle oder ein ähnliches Unternehmen betreiben will, das ausschließlich oder überwiegend der Aufstellung von Spielgeräten oder der Veranstaltung anderer Spiele im Sinne des § 33c Abs. 1 Satz 1 oder des § 33d Abs. 1 Satz

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(1) Wer gewerbsmäßig Spielgeräte, die mit einer den Spielausgang beeinflussenden technischen Vorrichtung ausgestattet sind, und die die Möglichkeit eines Gewinnes bieten, aufstellen will, bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Die Erlaubnis be

Gewerbeordnung - GewO | § 15 Empfangsbescheinigung, Betrieb ohne Zulassung


(1) Die Behörde bescheinigt innerhalb dreier Tage den Empfang der Anzeige. (2) Wird ein Gewerbe, zu dessen Ausübung eine Erlaubnis, Genehmigung, Konzession oder Bewilligung (Zulassung) erforderlich ist, ohne diese Zulassung betrieben, so kann die

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 30


Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt.

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Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 08. Mai 2014 - Au 5 K 13.1539 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 08. Mai 2014 - Au 5 K 13.1539 zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

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Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 08. Mai 2014 - Au 5 K 13.1539

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Tenor I. Die Klagen werden abgewiesen. II. Die Kosten der Verfahren hat die jeweilige Klägerin zu tragen. III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige Klägerin darf die Vollstreckung durch Sic

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Das Gericht kann durch Beschluß mehrere bei ihm anhängige Verfahren über den gleichen Gegenstand zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbinden und wieder trennen. Es kann anordnen, daß mehrere in einem Verfahren erhobene Ansprüche in getrennten Verfahren verhandelt und entschieden werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Behörde bescheinigt innerhalb dreier Tage den Empfang der Anzeige.

(2) Wird ein Gewerbe, zu dessen Ausübung eine Erlaubnis, Genehmigung, Konzession oder Bewilligung (Zulassung) erforderlich ist, ohne diese Zulassung betrieben, so kann die Fortsetzung des Betriebes von der zuständigen Behörde verhindert werden. Das gleiche gilt, wenn ein Gewerbe von einer ausländischen juristischen Person begonnen wird, deren Rechtsfähigkeit im Inland nicht anerkannt wird.

(1) Wer gewerbsmäßig eine Spielhalle oder ein ähnliches Unternehmen betreiben will, das ausschließlich oder überwiegend der Aufstellung von Spielgeräten oder der Veranstaltung anderer Spiele im Sinne des § 33c Abs. 1 Satz 1 oder des § 33d Abs. 1 Satz 1 dient, bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Die Erlaubnis kann mit einer Befristung erteilt und mit Auflagen verbunden werden, soweit dies zum Schutze der Allgemeinheit, der Gäste oder der Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke vor Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen erforderlich ist; unter denselben Voraussetzungen ist auch die nachträgliche Aufnahme, Änderung und Ergänzung von Auflagen zulässig.

(2) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn

1.
die in § 33c Absatz 2 Nummer 1 oder § 33d Absatz 3 genannten Versagungsgründe vorliegen,
2.
die zum Betrieb des Gewerbes bestimmten Räume wegen ihrer Beschaffenheit oder Lage den polizeilichen Anforderungen nicht genügen oder
3.
der Betrieb des Gewerbes eine Gefährdung der Jugend, eine übermäßige Ausnutzung des Spieltriebs, schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder sonst eine nicht zumutbare Belästigung der Allgemeinheit, der Nachbarn oder einer im öffentlichen Interesse bestehenden Einrichtung befürchten läßt.

(1) Wer gewerbsmäßig Spielgeräte, die mit einer den Spielausgang beeinflussenden technischen Vorrichtung ausgestattet sind, und die die Möglichkeit eines Gewinnes bieten, aufstellen will, bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Die Erlaubnis berechtigt nur zur Aufstellung von Spielgeräten, deren Bauart von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zugelassen ist. Sie kann mit Auflagen, auch im Hinblick auf den Aufstellungsort, verbunden werden, soweit dies zum Schutze der Allgemeinheit, der Gäste oder der Bewohner des jeweiligen Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke oder im Interesse des Jugendschutzes erforderlich ist; unter denselben Voraussetzungen ist auch die nachträgliche Aufnahme, Änderung und Ergänzung von Auflagen zulässig.

(2) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn

1.
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für die Aufstellung von Spielgeräten erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt; die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt in der Regel nicht, wer in den letzten drei Jahren vor Stellung des Antrages wegen eines Verbrechens, wegen Diebstahls, Unterschlagung, Erpressung, Hehlerei, Geldwäsche, Betruges, Untreue, unerlaubter Veranstaltung eines Glücksspiels, Beteiligung am unerlaubten Glücksspiel oder wegen eines Vergehens nach § 27 des Jugendschutzgesetzes rechtskräftig verurteilt worden ist,
2.
der Antragsteller nicht durch eine Bescheinigung einer Industrie- und Handelskammer nachweist, dass er über die für die Ausübung des Gewerbes notwendigen Kenntnisse zum Spieler- und Jugendschutz unterrichtet worden ist, oder
3.
der Antragsteller nicht nachweist, dass er über ein Sozialkonzept einer öffentlich anerkannten Institution verfügt, in dem dargelegt wird, mit welchen Maßnahmen den sozialschädlichen Auswirkungen des Glücksspiels vorgebeugt werden soll.

(3) Der Gewerbetreibende darf Spielgeräte im Sinne des Absatzes 1 nur aufstellen, wenn ihm die zuständige Behörde schriftlich bestätigt hat, daß der Aufstellungsort den auf der Grundlage des § 33f Abs. 1 Nr. 1 erlassenen Durchführungsvorschriften entspricht. Sollen Spielgeräte in einer Gaststätte aufgestellt werden, so ist in der Bestätigung anzugeben, ob dies in einer Schank- oder Speisewirtschaft oder in einem Beherbergungsbetrieb erfolgen soll. Gegenüber dem Gewerbetreibenden und demjenigen, in dessen Betrieb ein Spielgerät aufgestellt worden ist, können von der zuständigen Behörde, in deren Bezirk das Spielgerät aufgestellt worden ist, Anordnungen nach Maßgabe des Absatzes 1 Satz 3 erlassen werden. Der Aufsteller darf mit der Aufstellung von Spielgeräten nur Personen beschäftigen, die die Voraussetzungen nach Absatz 2 Nummer 2 erfüllen.

(1) Die Behörde bescheinigt innerhalb dreier Tage den Empfang der Anzeige.

(2) Wird ein Gewerbe, zu dessen Ausübung eine Erlaubnis, Genehmigung, Konzession oder Bewilligung (Zulassung) erforderlich ist, ohne diese Zulassung betrieben, so kann die Fortsetzung des Betriebes von der zuständigen Behörde verhindert werden. Das gleiche gilt, wenn ein Gewerbe von einer ausländischen juristischen Person begonnen wird, deren Rechtsfähigkeit im Inland nicht anerkannt wird.


Tenor

Der Widerspruch des Antragstellers gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 24. Juli 2013 wird wiederhergestellt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 7.500,00 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 24. Juli 2013 wiederherzustellen (Untersagungsverfügung und Gebot der Gewerbeabmeldung) bzw. anzuordnen (Zwangsmittelandrohung und Gebührenfestsetzung), ist gemäß § 80 Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nrn. 3 und VwGO, § 20 AGVwGO zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung geht vorliegend zugunsten des Antragstellers aus, da sich die angefochtene Entscheidung bereits aufgrund der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung als rechtswidrig erweist.

2

Die Rechtswidrigkeit der Verfügung vom 24. Juli 2013 ergibt sich daraus, dass die Antragsgegnerin für den Erlass der streitigen Untersagungsverfügung sachlich nicht zuständig ist.

3

Zwar ist die Antragsgegnerin für den Erlass von Untersagungsverfügungen nach § 15 Abs. 2 der Gewerbeordnung (GewO), auf den sie sich gestützt hat, zuständig. Diese Ermächtigungsgrundlage greift vorliegend jedoch nicht. Gemäß der genannten Vorschrift kann die Fortsetzung eines Gewerbebetriebs von der zuständigen Behörde verhindert werden, wenn das Gewerbe, zu dessen Ausübung eine Erlaubnis, Genehmigung, Konzession oder Bewilligung (Zulassung) erforderlich ist, ohne diese Zulassung betrieben wird. Die Antragsgegnerin stellt dabei darauf ab, dass der Antragsteller nicht über die gemäß § 24 Abs. 1 Glücksspielstaatsvertrag 2012 (GlüStV) für die Errichtung und den Betrieb einer Spielhalle erforderliche Erlaubnis verfügt. Bei der glücksspielsrechtlichen Erlaubnis nach § 24 Abs. 1 GlüStV handelt es sich allerdings nicht um eine Erlaubnis im Sinne des § 15 Abs. 2 GewO (noch offengelassen im Beschluss der Kammer vom 6. August 2013 – 6 L 762/13.MZ –, s. dazu auch unten). Denn die glücksspielrechtliche Erlaubnis hat eine ganz andere Stoßrichtung (Suchtbekämpfung) wie gewerberechtliche Erlaubnisse – auch im weiteren Sinne –, bei denen es um den Gewerbebetrieb an sich (die wirtschaftliche Unternehmung) geht (vgl. zu alledem auch Landmann/Rohmer, GewO, Kommentar, § 15 Rn. 10 f.). Sicherlich einschlägig wäre § 15 Abs. 2 GewO, wenn die gewerberechtliche Erlaubnis nach § 33 i GewO fehlen würde. Dies ist indessen gerade nicht der Fall. Der Antragsteller verfügt nach wie vor über die Erlaubnis nach § 33 i GewO, die ihm mit Bescheid vom 14. März 2012 – unbefristet – erteilt worden ist. Diese Erlaubnis ist auch nicht durch das Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags 2012 erloschen. Entsprechende Erlöschenstatbestände sind nicht normiert. Normiert ist lediglich, dass eine zusätzliche Erlaubnis nach § 24 Abs. 1 GlüStV erforderlich ist.

4

Soweit die Kammer es in einem vergleichbaren Fall (vgl. Beschluss vom 6. August 2013 - 6 L 762/13.MZ -) für möglich gehalten hat, die Ermächtigungsgrundlage des § 15 Abs. 2 GewO gegen die Generalklausel nach dem Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (POG) auszutauschen – und daher die Frage der Anwendbarkeit des § 15 Abs. 2 GewO offenlassen konnte –, hält die Kammer daran im Hinblick auf die Vorschrift des § 13 Landesglückspielgesetz (LGlüG) nicht mehr fest. Die Eingriffsnorm des § 13 Abs. 2 LGlüG, wonach die zuständige Behörde zur Durchführung der Aufsicht nach pflichtgemäßem Ermessen die geeigneten Maßnahmen gegenüber denjenigen Personen (u.a. Spielhallenbetreiber, vgl. Abs. 2 Satz 2 Nr. 4), die gegen die Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrages oder des Landesglücksspielgesetzes verstoßen oder an einem solchen Verstoß mitwirken, zu treffen hat, ist die hier einschlägige Ermächtigungsgrundlage für die Untersagung des Betriebs einer Spielhalle wegen fehlender glücksspielrechtlicher Erlaubnis. Sie ist gegenüber der Generalklausel des POG spezieller und verdrängt diese daher. Dass gemäß § 2 Abs. 3 GlüStV die im Staatsvertrag enthaltene glücksspielrechtliche Aufsichtsnorm auf Spielhallen nicht anwendbar ist, beschränkt nicht die Befugnis des Landes, in Ausführung des Staatsvertrags (§ 28 GlüStV) eine eigene glücksspielrechtliche Eingriffsnorm zu schaffen, die auch auf Spielhallen anwendbar ist.

5

Für Maßnahmen nach § 13 LGlüG ist die Antragsgegnerin jedoch nicht zuständig.

6

Die Zuständigkeiten nach dem Landesglücksspielgesetz sind in § 15 geregelt. Die Absätze 1 bis 3 begründen dabei spezielle Zuständigkeiten, während in Absatz 5 eine Auffangzuständigkeit der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion begründet wird. Vorliegend greift keine der speziellen Zuständigkeitsregelungen ein. Insbesondere ist § 15 Abs. 3 LGlüG nicht einschlägig. Nach dieser Vorschrift ist für die Erteilung der Erlaubnis für die Errichtung und den Betrieb einer Spielhalle nach § 24 Abs. 1 GlüStV und aller damit zusammenhängenden Entscheidungen die für die Erteilung der Erlaubnis nach § 33 i der Gewerbeordnung zuständige Behörde zuständig. Zwar ist die Antragsgegnerin für die Erteilung der Erlaubnis nach § 33 i der Gewerbeordnung zuständig. Vorliegend geht es aber nicht um die Erteilung einer Erlaubnis für die Errichtung und den Betrieb einer Spielhalle nach § 24 Abs. 1 GlüStV und auch nicht um eine damit zusammenhängende Entscheidung. Die Untersagung der Fortführung eines Betriebs einer Spielhalle wegen fehlender glücksspielrechtlicher Erlaubnis fällt nicht unter die „damit zusammenhängenden Entscheidungen“. Dies ergibt sich schon mit Blick auf die Absätze 1 und 2 des § 15 LGlüG. Auch dort werden Zuständigkeiten für die Erteilung von Erlaubnissen und aller damit zusammenhängenden Entscheidungen begründet. Zusätzlich sind aber dort noch ausdrücklich die Aufsichtsmaßnahmen genannt („…und aller damit zusammenhängenden Entscheidungen und Aufsichtsmaßnahmen…“). Dieser Zusatz fehlt in § 15 Abs. 3 LGlüG. Auch in der Gesetzesbegründung zu § 15 Abs. 3 LGlüG werden die „damit zusammenhängenden Entscheidungen“ dahingehend erläutert, dass die zuständige Behörde auch für einen nachträglichen Widerruf der Erlaubnis oder den Erlass nachträglicher Nebenbestimmungen zuständig ist (vgl. LT-Drs. 16/1179, S. 53). Auch dies verdeutlicht, dass mit den „damit zusammenhängenden Entscheidungen“ nicht eine Aufsichtsmaßnahme wie eine Untersagungsverfügung gemeint ist. Nach alledem bleibt es bei der Auffangzuständigkeit der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion gemäß § 15 Abs. 5 LGlüG.

7

Ist damit die Untersagungsverfügung mangels sachlicher Zuständigkeit der Antragsgegnerin rechtswidrig, so trifft dies auch auf die an die Untersagungsverfügung anknüpfenden Nebenentscheidungen wie die geforderte Gewerbeabmeldung, die Zwangsmittelandrohung und die Gebührenfestsetzung zu.

8

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

9

Die Festsetzung des Verfahrensgegenstandes folgt aus §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

§ 36 Absatz 4 des Gewerbesteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts vom 20. Dezember 2001 (Bundesgesetzblatt I Seite 3858) verstößt gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes aus Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes und ist nichtig, soweit er § 8 Nummer 5 des Gewerbesteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts auf Dividendenvorabausschüttungen für anwendbar erklärt, die von der ausschüttenden Gesellschaft vor dem 12. Dezember 2001 verbindlich beschlossen wurden und der mit weniger als 10% an der ausschüttenden Gesellschaft beteiligten Körperschaft vor diesem Zeitpunkt zugeflossen sind.

§ 36 Absatz 4 des Gewerbesteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts ist mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit er § 8 Nummer 5 des Gewerbesteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts auf Dividendenvorabausschüttungen für anwendbar erklärt, die nach dem 11. Dezember 2001 zugeflossen sind.

Gründe

A.

1

Die Vorlage betrifft die Frage, ob § 36 Abs. 4 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts vom 20. Dezember 2001 (Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz - UntStFG -, BGBl I S. 3858), der mittlerweile nicht mehr im Gewerbesteuergesetz enthalten ist (im Folgenden: § 36 Abs. 4 GewStG a.F.), die Anwendung des § 8 Nr. 5 GewStG in der Fassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes mit verfassungsrechtlich unzulässiger Rückwirkung bereits für den Erhebungszeitraum 2001 anordnet.

I.

2

1. § 8 Nr. 5 GewStG steht im Zusammenhang mit dem Systemwechsel im Körperschaftsteuerrecht vom früheren Anrechnungsverfahren zum sogenannten Halbeinkünfteverfahren (vgl. BVerfGE 125, 1 <2 ff.>; 127, 224 <227 ff.>). Auch das Gewerbesteuerrecht war davon mittelbar betroffen. Die Vorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG bestimmt die Auswirkungen des für das neue Körperschaftsteuersystem wesentlichen § 8b des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) auf die Gewerbesteuer.

3

§ 8b KStG regelt die steuerliche Behandlung der Erträge von Körperschaften aus Beteiligungen an anderen Körperschaften (Bezüge und Veräußerungsgewinne) und der mit diesen Erträgen zusammenhängenden Aufwendungen und Gewinnminderungen. Nach § 8b Abs. 1 und 2 KStG sind die Erträge aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften grundsätzlich bei der Einkommensermittlung der empfangenden Gesellschaft "außer Ansatz" zu lassen. Hierdurch wird zur Vermeidung von wirtschaftlichen Doppelbelastungen die Steuerfreiheit von Gewinnausschüttungen und Veräußerungsgewinnen sichergestellt, solange die Erträge im Bereich von Kapitalgesellschaften verbleiben.

4

Die Hinzurechnungsvorschriften des § 8 GewStG haben den Zweck, Folgewirkungen zu korrigieren, die sich aus der in § 7 Satz 1 GewStG geregelten Übernahme der einkommen- oder körperschaftsteuerlichen Gewinnermittlung in das Gewerbesteuerrecht ergeben, die jedoch bei der Gewerbesteuer nach Auffassung des Gesetzgebers unerwünscht sind. Dadurch, dass § 7 Satz 1 GewStG für die Ermittlung des gewerblichen Gewinns als Grundlage des Gewerbeertrags auf die Ergebnisrechnung nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) und dem Körperschaftsteuergesetz verweist, bleiben nach inzwischen klargestellter Rechtslage Gewinnanteile (Dividenden) und ähnliche Bezüge aus Kapitalanteilen auch bei der Gewerbesteuer zunächst außer Ansatz, soweit sie bei der Einkommensteuer nach § 3 Nr. 40 EStG oder bei der Körperschaftsteuer nach § 8b KStG steuerfrei sind (vgl. den Ende 2004 eingefügten § 7 Satz 4 GewStG).

5

Zur Zeit des körperschaftsteuerlichen Systemwechsels enthielt das Gewerbesteuerrecht mit den Kürzungsvorschriften des § 9 Nr. 2a und 7 GewStG bereits Regelungen darüber, inwieweit eine gewerbesteuerliche Doppelbelastung von Gewinnanteilen vermieden werden sollte. Eine doppelte Gewerbebesteuerung wurde bei sogenannten Schachtelbeteiligungen von mindestens 10% durch entsprechende Kürzung des Gewinns und der Hinzurechnungen (§ 8 GewStG) ausgeschlossen, nicht dagegen bei sogenannten Streubesitzbeteiligungen von weniger als 10%.

6

Mit der durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz eingefügten Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG neutralisierte der Gesetzgeber für die Gewerbesteuer die in § 3 Nr. 40 EStG und § 8b KStG eingeführten teilweisen oder vollständigen Steuerfreistellungen von der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer. Zu diesem Zweck ordnete er in § 8 Nr. 5 Satz 1 GewStG an, dass die nach § 3 Nr. 40 EStG oder § 8b Abs. 1 KStG über § 7 Satz 1 GewStG außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile (Dividenden) und ähnlichen Bezüge aus Kapitalanteilen dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wieder hinzugerechnet werden. Die Hinzurechnung erfolgt, soweit nicht die Voraussetzungen des Schachtelprivilegs nach § 9 Nr. 2a und 7 GewStG erfüllt sind, das heißt nur bei Streubesitzbeteiligungen von weniger als 10% (seit 2008 weniger als 15%). Im Ergebnis wurde und wird eine gewerbesteuerliche Doppelbelastung damit lediglich bei Schachtelbeteiligungen von mindestens 10% (seit 2008 mindestens 15%) vermieden. Bei Erträgen aus bloßen Streubesitzbeteiligungen blieb die gewerbesteuerliche Doppelbelastung entsprechend der bisherigen Rechtslage erhalten.

7

2. § 8 Nr. 5 GewStG wurde durch Art. 4 Nr. 3 UntStFG in das Gewerbesteuergesetz eingefügt. Art. 4 Nr. 5 UntStFG enthielt die Regelung des § 36 Abs. 4 GewStG zum zeitlichen Anwendungsbereich der Neuregelung.

8

Die für das Vorlageverfahren maßgeblichen Vorschriften unter Berücksichtigung der Änderungen durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz lauten:

9

§ 7 GewStG

Gewerbeertrag

Gewerbeertrag ist der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum (§ 14) entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 bezeichneten Beträge. ...

10

§ 8 GewStG

Hinzurechnungen

Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7) werden folgende Beträge wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind:

Nr. 5 die nach § 3 Nr. 40 des Einkommensteuergesetzes oder § 8b Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile (Dividenden) und die diesen gleichgestellten Bezüge und erhaltenen Leistungen aus Anteilen an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes, soweit sie nicht die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a oder 7 erfüllen, nach Abzug der mit diesen Einnahmen, Bezügen und erhaltenen Leistungen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben, soweit sie nach § 3c des Einkommensteuergesetzes und § 8b Abs. 5 des Körperschaftsteuergesetzes unberücksichtigt bleiben. 2 Dies gilt nicht für Gewinnausschüttungen, die unter § 3 Nr. 41 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes fallen.

11

§ 9 GewStG

Kürzungen

Die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen wird gekürzt um

Nr. 2a die Gewinne aus Anteilen an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft im Sinne des § 2 Abs. 2, einer Kreditanstalt des öffentlichen Rechts, einer Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft oder einer Unternehmensbeteiligungsgesellschaft im Sinne des § 3 Nr. 23, wenn die Beteiligung zu Beginn des Erhebungszeitraums mindestens ein Zehntel des Grund- oder Stammkapitals beträgt und die Gewinnanteile bei Ermittlung des Gewinns (§ 7) angesetzt worden sind. 2 Ist ein Grund- oder Stammkapital nicht vorhanden, so ist die Beteiligung an dem Vermögen, bei Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften die Beteiligung an der Summe der Geschäftsguthaben, maßgebend;

Nr. 7 die Gewinne aus Anteilen an einer Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes, an deren Nennkapital das Unternehmen seit Beginn des Erhebungszeitraums ununterbrochen mindestens zu einem Zehntel beteiligt ist (Tochtergesellschaft) und die ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 des Außensteuergesetzes fallenden Tätigkeiten und aus Beteiligungen an Gesellschaften bezieht, an deren Nennkapital sie mindestens zu einem Viertel unmittelbar beteiligt ist, wenn...

12

§ 36 GewStG

Zeitlicher Anwendungsbereich

(1) Die vorstehende Fassung dieses Gesetzes ist, soweit in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist, erstmals für den Erhebungszeitraum 2002 anzuwenden.

(4) § 8 Nr. 5 ist erstmals für den Erhebungszeitraum 2001 anzuwenden.

13

3. Das Gesetzgebungsverfahren zum Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz begann mit einem Gesetzentwurf der Bundesregierung (BTDrucks 14/6882), der dem Bundesrat am 17. August 2001 zugeleitet und am 10. September 2001 beim Deutschen Bundestag eingebracht wurde. Er sah keine Regelung zu der Frage vor, wie nach § 8b KStG steuerfreie Beteiligungserträge und Veräußerungsgewinne gewerbesteuerlich behandelt werden sollten. Der Bundesrat griff diese bereits zuvor diskutierte Frage in einer Stellungnahme vom 27. September 2001 mit dem Vorschlag auf, die körperschaftsteuerfreien Beteiligungserträge und Veräußerungsgewinne in voller Höhe der Gewerbesteuer zu unterwerfen (vgl. BTDrucks 14/7084, S. 4 f.).

14

Die Bundesregierung stimmte dem nicht zu (vgl. BTDrucks 14/7084, S. 8). Die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Bundestages vom 7. November 2001 (BTDrucks 14/7343) enthielt dazu keinen Vorschlag  ; die Forderung des Bundesrates nach einer "Gewerbesteuerpflicht der Gewinne von Kapitalgesellschaften aus (Streubesitz-)Anteilen an einer Kapitalgesellschaft und aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft" wird lediglich im Bericht erwähnt (vgl. BTDrucks 14/7344, S. 2). Auf der Grundlage der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses stimmte der Bundestag dem Entwurf des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes am 9. November 2001 zu (vgl. BRDrucks 893/01).

15

Der Bundesrat rief daraufhin am 30. November 2001 den Vermittlungsausschuss an (vgl. BRDrucks 893/01 und BTDrucks 14/7742). Die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 11. Dezember 2001 enthielt den Entwurf des § 8 Nr. 5 GewStG in der später Gesetz gewordenen Fassung und sah eine erstmalige Anwendung für den Erhebungszeitraum 2001 vor (vgl. BTDrucks 14/7780, S. 5; Rödder/Schumacher, DStR 2002, S. 105 <108 f.>). Der Bundestag stimmte am 14. Dezember 2001 der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zu. Am 20. Dezember 2001 stimmte der Bundesrat zu (BRDrucks 1061/01).

16

Am 24. Dezember 2001 wurde das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz vom 20. Dezember 2001 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl I S. 3858).

II.

17

1. Klägerin des Ausgangsverfahrens ist eine im Juli 2000 errichtete Beteiligungs- und Vermögensverwaltungsgesellschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. In dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Streitjahr 2001 hielt die Klägerin eine Streubesitzbeteiligung von weniger als 10% des Stammkapitals einer anderen Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die Gesellschafterversammlung dieser anderen Gesellschaft (im Folgenden: ausschüttende Gesellschaft) beschloss, nachdem zuvor ausweislich eines Protokolls vom 19. Oktober 2001 eine entsprechende Absicht bekundet worden war, am 15. Dezember 2001 eine Vorabausschüttung in Höhe von 3,75 Mio. DM. Hiervon entfiel auf die Klägerin ein Bruttobetrag von 257.953,56 DM, welcher ihr nach den Feststellungen des vorlegenden Finanzgerichts "spätestens am 19. Dezember 2001" durch Kontogutschrift zufloss. Nach Abzug anteiliger Betriebsausgaben ergibt sich ein der Höhe nach zwischen den Beteiligten des Ausgangsverfahrens unstreitiger Nettobetrag von 232.200 DM.

18

2. Das Finanzamt erfasste im Gewerbesteuermessbetragsbescheid für das Jahr 2001 diesen Betrag als Gewinn der Klägerin aus Gewerbebetrieb. Ihr hiergegen gerichteter Einspruch blieb ohne Erfolg. Gegen die Einspruchsentscheidung erhob die Klägerin Klage, mit der sie im Kern geltend machte, sie habe als Gesellschafterin der ausschüttenden Gesellschaft eine wirtschaftliche Disposition in dem Vertrauen darauf getroffen, dass die erhaltene Dividende nicht der Gewerbesteuer unterfallen werde. Durch die Gesetzesänderung sei das Halten der Beteiligung wirtschaftlich uninteressant geworden. Die Klägerin habe sie deshalb mittlerweile veräußert. Nach eigenem Bekunden hätte die Klägerin die Veräußerung ihrer Beteiligung an der ausschüttenden Gesellschaft noch vor der Ausschüttung vorgenommen, wenn die Gesetzesänderung früher bekannt geworden wäre.

III.

19

1. Das Finanzgericht Münster hatte das Klageverfahren durch Beschluss vom 2. März 2007 ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die zu § 8 Nr. 5 GewStG in der Fassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes ergangene Anwendungsregelung des § 36 Abs. 4 GewStG in der Fassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes mit Art. 20 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1 GG insoweit vereinbar ist, als die nach § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile (Dividenden) und die diesen gleichgestellten Bezüge und erhaltenen Leistungen aus Anteilen an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des KStG, soweit sie nicht die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a oder 7 GewStG erfüllen, unter den in dieser Vorschrift weiter genannten Voraussetzungen auch dann dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen sind, wenn der Gewinnverwendungsbeschluss der ausschüttenden Körperschaft vor dem 20. Dezember 2001 gefasst und der auf die als Gesellschafterin beteiligte Körperschaft entfallende Betrag auch vor dem 20. Dezember 2001 ausgezahlt wurde sowie das im Zeitpunkt der Beschlussfassung und Auszahlung geltende Gesetz eine Hinzurechnung zum Gewinn nicht vorsah.

20

2. Das vorlegende Gericht fasste am 1. September 2011 einen neuen Vorlagebeschluss, mit dem es an seiner Vorlagefrage festhält, die Begründung dafür aber mit Rücksicht auf die zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rückwirkung im Steuerrecht neu formuliert. Das Finanzgericht ist weiterhin überzeugt von der Verfassungswidrigkeit des § 36 Abs. 4 GewStG in Verbindung mit § 8 Nr. 5 GewStG, jeweils in der Fassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes vom 20. Dezember 2001.

21

a) Im Zeitpunkt des Zuflusses der Gewinnausschüttung bei der Klägerin habe noch ein verfassungsrechtlich schützenswertes Vertrauen in die bestehende Rechtslage bestanden. Zwingende öffentliche Interessen an einer rückwirkenden Gesetzesänderung, die das Vertrauen der Steuerpflichtigen überwögen, lägen nicht vor. Da für die Entscheidung im Ausgangsverfahren nur erheblich sei, ob bereits vor der Zustimmung des Bundesrates am 20. Dezember 2001 realisierte Einkünfte dazu führten, das Vertrauen der Klägerin als grundsätzlich schützenswert anzusehen, beziehe sich die Vorlagefrage nur auf dieses Datum. Unerheblich sei für das Ausgangsverfahren, ob der Vertrauensschutz schon mit der Zustimmung des Bundesrates am 20. Dezember 2001 oder erst im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt am 24. Dezember 2001 entfallen sei. In jedem Fall sei der Sachverhalt durch den Ausschüttungsbeschluss vom 15. Dezember 2001, die Überweisung der Dividende am 17. Dezember 2001 und deren Zufluss spätestens am 19. Dezember 2001 vor dem 20. Dezember 2001 abgeschlossen gewesen.

22

b) Nach zumindest ganz herrschender Meinung seien in einfachrechtlicher Hinsicht die Befreiungen nach § 8b Abs. 1, 2 KStG auch im Bereich der Gewerbesteuer anwendbar. Die Steuerbefreiung des § 8b Abs. 1 KStG wirke sich auf den körperschaftsteuerlichen Gewinn und damit vorbehaltlich der Hinzurechnungen und Kürzungen gemäß §§ 8, 9 GewStG auch auf den Gewerbeertrag im Sinne des § 7 Satz 1 GewStG aus. Das Gericht teile insofern nicht die Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen. Eine verfassungskonforme Auslegung dahin, dass § 8b Abs. 1 KStG sich nicht auf § 7 GewStG auswirke und § 8 Nr. 5 in Verbindung mit § 36 Abs. 4 GewStG deshalb nur eine Klarstellung bedeute, sei nicht möglich. Die Hinzurechnung durch den neu in das Gesetz eingefügten § 8 Nr. 5 GewStG in der Fassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes wirke konstitutiv und nicht nur deklaratorisch.

23

c) Bei der verfassungsrechtlichen Würdigung geht das vorlegende Gericht in seinem neuen Vorlagebeschluss nun von den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juli 2010 (BVerfGE 127, 1; 127, 31; 127, 61) aus. Danach könne ein im Zeitpunkt des Mittelzuflusses bereits schwebendes Gesetzgebungsverfahren die Gewährleistungsfunktionen des geltenden Rechts nicht von vornherein suspendieren. Diesen Grundsätzen folge das vorlegende Gericht. Insbesondere halte das Gericht es in der Regel nicht für zumutbar, dass Steuerpflichtige sich im Zeitpunkt der Verwirklichung eines Einkünfterealisierungstatbestandes auf das alte Recht "nicht mehr" und auf das neue Recht "noch nicht" verlassen dürften und sich deshalb nicht nur über den jeweiligen Stand des Gesetzgebungsverfahrens informieren müssten, sondern darüber hinaus bei einem schwebenden Gesetzgebungsverfahren unter Umständen selbst bei den laufenden Geschäften über Monate hinaus nicht wüssten, welche Rechtslage letztlich gelten werde. Der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt einer zugeflossenen Gewinnausschüttung unterscheide sich in seinen relevanten Merkmalen nicht von dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall einer zugeflossenen Arbeitnehmerabfindung (BVerfGE 127, 31). Mit dem Zufluss sei der Einkünfteerzielungstatbestand bereits verwirklicht.

24

Die neuen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts seien als Weiterentwicklung der bisherigen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu verstehen, und zwar unter Abwägung der in den dortigen Verfahren vorgebrachten Argumente. Den Beschlüssen vom 7. Juli 2010 (BVerfGE 127, 1 <22>; 127, 61 <80>) sei auch darin zu folgen, dass es nicht auf die konkrete Motivations- und Entscheidungslage der einzelnen Steuerpflichtigen bei der Disposition und ihrer Umsetzung ankomme, sondern für die Frage der Verfassungsmäßigkeit die generalisierende Sicht des Gesetzgebers maßgeblich sei. Der erhöhte Rechtfertigungsbedarf folge bereits aus der Gewährleistungsfunktion des geltenden Rechts. Die Steuerpflichtigen dürften bei ihren Entscheidungen über Sparen, Konsum oder Investition der erzielten Einnahmen darauf vertrauen, dass der Steuergesetzgeber nicht ohne sachlichen Grund von hinreichendem Gewicht die Rechtslage zu einem späteren Zeitpunkt rückwirkend zu ihren Lasten verändere und dadurch den Nettoertrag der Einkünfte erheblich mindere (vgl. BVerfGE 127, 31 <57 f.>).

25

Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liege im Streitfall des Ausgangsverfahrens eine verfassungswidrige unechte Rückwirkung vor, da der Sachverhalt (Einkünfteerzielungstatbestand) mit der dem Gewinnausschüttungsbeschluss nachfolgenden tatsächlichen Überweisung des entsprechenden Betrages am 17./19. Dezember 2001 bereits vor der Verkündung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes im Bundesgesetzblatt vom 24. Dezember 2001 abgeschlossen gewesen sei.

26

d) Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung sehe sich das vorlegende Gericht in Übereinstimmung mit dem Beschluss des Finanzgerichts Berlin vom 13./26. Februar 2004 (6 B 6314/03, EFG 2004, S. 1146). Auch im Schrifttum seien - wenngleich mit unterschiedlicher und teilweise aufgrund der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts überholter Begründung - Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Geltung des § 8 Nr. 5 GewStG geäußert worden. Der gegenteiligen Auffassung des Finanzgerichts Köln im Urteil vom 1. Juni 2006 (15 K 5537/03, EFG 2007, S. 1345, Revisionsverfahren anhängig beim Bundesfinanzhof unter I R 14/07) folge das Gericht nicht.

IV.

27

Das Bundesministerium der Finanzen hat namens der Bundesregierung zu beiden Vorlagebeschlüssen Stellung genommen; der Präsident des Bundesfinanzhofs hat eine Stellungnahme des I. Senats des Bundesfinanzhofs zum ursprünglichen Vorlagebeschluss übersandt.

28

1. a) Die Bundesregierung hielt die ursprüngliche Vorlage für unzulässig und jedenfalls unbegründet.

29

aa) Das Finanzgericht habe sich nicht mit einer sich aufdrängenden verfassungskonformen Auslegung auseinandergesetzt. Es beziehe sich auf die herrschende Meinung, wonach die Änderung im Körperschaftsteuergesetz vor Inkrafttreten des § 36 Abs. 4 GewStG a.F. auf die Gewerbesteuer durchgeschlagen habe. Auf der Basis der dem Finanzgericht bekannten Gegenmeinung, wonach sich die Änderung im Körperschaftsteuerrecht nicht auf das Gewerbesteuerrecht ausgewirkt habe, würde § 36 Abs. 4 GewStG a.F. keine rückwirkende Belastung, sondern lediglich eine - unter Rückwirkungsgesichtspunkten unproblematische - Klarstellung der geltenden Rechtslage bedeuten. Eine verfassungskonforme Auslegung auch von Vorschriften, die mit der vorgelegten in engem Sachzusammenhang stünden, sei insbesondere dann geboten, wenn offensichtlich mehrere Auslegungsmöglichkeiten in Betracht kämen und mindestens eine von ihnen nicht in gleicher Weise den verfassungsrechtlichen Bedenken des vorlegenden Gerichts ausgesetzt sei.

30

bb) Im Fall ihrer Zulässigkeit sei die Vorlage jedenfalls unbegründet. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens habe nicht auf die alte Gesetzeslage vertrauen können. § 36 Abs. 4 GewStG a.F. sei nach Auffassung der Bundesregierung im Ausgangsfall unbedenklich, weil es hier von vornherein an einem schutzwürdigen Vertrauen in die alte Rechtslage fehle. Der maßgebliche Beschluss über die Vor-abausschüttung sei erst nach dem Gesetzesbeschluss des Bundestages getroffen worden. Das maßgebliche Datum für den Vertrauensschutz sei der Tag des endgültigen Gesetzesbeschlusses des Bundestages.

31

Das Bundesverfassungsgericht habe dies mit seiner neueren Rechtsprechung (Hinweis auf BVerfGE 127, 31) bestätigt. Im Ausgangsverfahren sei die Ausschüttung erst einen Tag nach dem Gesetzesbeschluss des Bundestages beschlossen worden. Insofern unterscheide sich der vorgelegte Fall von dem Ausgangsfall zu BVerfGE 127, 31. Jedenfalls auf den Tag des Gesetzesbeschlusses hätte der Gesetzgeber nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die neue Rechtsfolge rückwirkend anordnen dürfen. Zumindest insoweit müsste der in § 36 Abs. 4 GewStG a.F. zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wille zur rückwirkenden Regelung respektiert werden. Es erscheine ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber, hätte er nicht über den Zeitpunkt des Gesetzesbeschlusses hinaus rückwirkend eingreifen können, nicht zumindest diesen Zeitpunkt als maßgeblich benannt hätte. Darüber hinaus bestehe zur Vermeidung von Ankündigungseffekten ein Interesse des Gesetzgebers an einer möglichst früh geltenden Regelung, um Vorverlegungen von Dividendenausschüttungen zu begegnen, da es sich hierbei um einen besonders einfach gestaltbaren Vorgang handele.

32

b) Die Bundesregierung hat auch zum neuen Vorlagebeschluss Stellung genommen und dabei ihren bisherigen Standpunkt bekräftigt.

33

Die zu § 8 Nr. 5 GewStG ergangene Anwendungsvorschrift des § 36 Abs. 4 GewStG a.F. sei kein Fall echter Rückwirkung. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens könne sich aus den bereits in der ursprünglichen Stellungnahme der Bundesregierung vorgetragenen Gründen entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen.

34

2. Der I. Senat des Bundesfinanzhofs hat mitgeteilt, er habe sich mit der erstmaligen Anwendung von § 8 Nr. 5 GewStG in Verbindung mit § 36 Abs. 4 GewStG a.F. und einem dadurch möglicherweise bedingten Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip bislang noch nicht auseinandersetzen müssen. Ein anhängiges Revisionsverfahren (Aktenzeichen I R 14/07) sei mit Blick auf das Vorlageverfahren zum Ruhen gebracht worden.

35

Der Senat habe mehrheitlich Zweifel, dass dem vorlegenden Finanzgericht beizupflichten sei. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Beschränkung der steuerlichen Entlastung von Entschädigungen für entgangene oder entgehende Einnahmen unter anderem insoweit gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes verstoße, als die Entschädigung vor der Verkündung des neuen Rechts ausgezahlt worden sei (Hinweis auf BVerfGE 127, 31 <56 ff.>). Hier betreffe die in Rede stehende Ausschüttung der ausschüttenden Kapitalgesellschaft nur deren (Minderheits-)Anteilseigner als Empfänger der Ausschüttung. Er habe den Zeitpunkt, in welchem die Ausschüttung beschlossen worden sei, nicht beeinflussen können. Im Unterschied zur Entschädigungsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gebe es deswegen auch keinen Anlass, sein Vertrauen im Zeitpunkt des Ausschüttungszuflusses als schützenswert zu erachten.

B.

36

Die Vorlagefrage bedarf der geringfügigen Präzisierung und Erweiterung. Die Frage, ob die zu § 8 Nr. 5 GewStG ergangene, die Regelung für ab dem 1. Januar 2001 anwendbar erklärende Vorschrift des § 36 Abs. 4 GewStG a.F., jeweils in der Fassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes, mit den Grundsätzen des Vertrauensschutzes aus Art. 20 Abs. 3 GG insoweit vereinbar ist, als die nach § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile (Dividenden) bei Streubesitzbeteiligungen auch dann dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen sind, wenn der Gewinnverwendungsbeschluss der ausschüttenden Körperschaft vor dem 20. Dezember 2001 gefasst und der auf die als Gesellschafterin beteiligte Körperschaft entfallende Betrag auch vor dem 20. Dezember 2001 ausgezahlt wurde, ist zum einen auf Vorabausschüttungsbeschlüsse zu beschränken und zum anderen auf den Zeitraum bis zur Verkündung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt vom 24. Dezember 2001 zu erweitern.

37

Bei normalen Gewinnverwendungsbeschlüssen (Beschlüsse über offene Ausschüttungen von in bereits abgelaufenen Kalenderjahren entstandenen Gewinnen) fand der im Zuge des körperschaftsteuerlichen Systemwechsels neu gefasste § 8b Abs. 1 KStG im Jahr 2001 noch keine Anwendung (vgl. § 34 Abs. 7 Sätze 1 und 2 KStG sowie Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 28. April 2003 - IV A 2 - S 2750 a - 7/03 -, BStBl I S. 292, Rn. 60 ff.). Die Vorlagefrage wird daher auf Vorabausschüttungen beschränkt.

38

Für die verfassungsrechtliche Beurteilung kommt es allenfalls darauf an, ob die Vorabausschüttung vor der Verkündung der Neuregelung am 24. Dezember 2001 erfolgt ist, statt, wie angefragt, vor dem 20. Dezember 2001, dem Tag der Zustimmung des Bundesrates zu dem Beschluss des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes durch den Bundestag.

39

Schließlich ist die Vorlagefrage des Finanzgerichts mit Rücksicht auf die Befriedungsfunktion des Normenkontrollverfahrens (vgl. dazu BVerfGE 44, 322 <337 f.>; 62, 354 <364>; 78, 132 <143>) über den für das Ausgangsverfahren unmittelbar erheblichen Zeitraum hinaus darauf zu erstrecken, inwieweit es mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar ist, auch weiter zurückliegende Ausschüttungsvorgänge bis zum Beginn des Rückwirkungszeitraums am 1. Januar 2001 der neuen Gewinnanrechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG zu unterwerfen.

C.

40

Das rückwirkende Inkraftsetzen der Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG in der Fassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes ist verfassungsgemäß, soweit es den Zeitraum nach dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses für den neuen § 8 Nr. 5 GewStG vom 11. Dezember 2001 betrifft; soweit hingegen bis zu diesem Zeitpunkt beschlossene und zugeflossene Vorabausschüttungen hiervon erfasst werden, ist die Anwendungsregel des § 36 Abs. 4 GewStG a.F. mit den Grundsätzen des Vertrauensschutzes unvereinbar.

I.

41

1. Das grundsätzliche Verbot rückwirkender belastender Gesetze beruht auf den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes (vgl. BVerfGE 45, 142 <167 f.>). Es schützt das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der unter der Geltung des Grundgesetzes geschaffenen Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen Rechte (BVerfGE 101, 239 <262>). Wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert, bedarf dies einer besonderen Rechtfertigung vor dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten des Grundgesetzes, unter deren Schutz Sachverhalte "ins Werk gesetzt" worden sind (vgl. BVerfGE 45, 142 <167 f.>; 63, 343 <356 f.>; 72, 200 <242>; 97, 67 <78 f.>). Die Grundrechte wie auch das Rechtsstaatsprinzip garantieren im Zusammenwirken die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und damit als eine Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen. Es würde Einzelne in ihrer Freiheit erheblich gefährden, dürfte die öffentliche Gewalt an ihr Verhalten oder an sie betreffende Umstände ohne Weiteres im Nachhinein belastendere Rechtsfolgen knüpfen, als sie zum Zeitpunkt ihres rechtserheblichen Verhaltens galten (vgl. BVerfGE 30, 272 <285>; 63, 343 <357>; 72, 200 <257 f.>; 97, 67 <78>; 105, 17 <37>; 114, 258 <300 f.>; 127, 1 <16>).

42

2. Eine Rechtsnorm entfaltet "echte" Rückwirkung, wenn sie nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift (vgl. BVerfGE 101, 239 <263>; 123, 186 <257>). Dies ist insbesondere der Fall, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll ("Rückbewirkung von Rechtsfolgen"; vgl. BVerfGE 127, 1 <17>). Normen mit echter Rückwirkung sind grundsätzlich verfassungsrechtlich unzulässig (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 101, 239 <263>). Erst mit der Verkündung, das heißt mit der Ausgabe des ersten Stücks des Verkündungsblattes, ist eine Norm rechtlich existent. Bis zu diesem Zeitpunkt, zumindest aber bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss (vgl. BVerfGE 97, 67 <78 f.> m.w.N.), müssen von einem Gesetz Betroffene grundsätzlich darauf vertrauen können, dass ihre auf geltendes Recht gegründete Rechtsposition nicht durch eine zeitlich rückwirkende Änderung der gesetzlichen Rechtsfolgenanordnung nachteilig verändert wird (vgl. BVerfGE 63, 343 <353 f.>; 67, 1 <15>; 72, 200 <241 f.>; 97, 67 <78 f.>; 114, 258 <300>; 127, 1 <16 f.>).

43

3. a) Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition entwertet (vgl. BVerfGE 101, 239 <263>; 123, 186 <257>), so wenn belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden ("tatbestandliche Rückanknüpfung"; vgl. BVerfGE 63, 343 <356>; 72, 200 <242>; 97, 67 <79>; 105, 17 <37 f.>; 127, 1 <17>). Sie ist grundsätzlich zulässig. Allerdings können sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen der Zulässigkeit ergeben. Diese Grenzen sind erst überschritten, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86>; 101, 239 <263>; 122, 374 <394 f.>; stRspr).

44

b) Im Steuerrecht liegt eine echte Rückwirkung nur vor, wenn der Gesetzgeber eine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abändert (vgl. BVerfGE 127, 1 <18 f.>; 127, 31 <48 f.>; 127, 61 <77 f.>). Für den Bereich des Einkommensteuerrechts bedeutet dies, dass die Änderung von Normen mit Wirkung für den laufenden Veranlagungszeitraum der Kategorie der unechten Rückwirkung zuzuordnen ist; denn nach § 38 der Abgabenordnung (AO) in Verbindung mit § 36 Abs. 1 EStG entsteht die Einkommensteuer erst mit dem Ablauf des Veranlagungszeitraums, das heißt des Kalenderjahres (§ 25 Abs. 1 EStG; vgl. BVerfGE 72, 200 <252 f.>; 97, 67 <80>; vgl. auch bereits BVerfGE 13, 261 <263 f., 272>; 13, 274 <277 f.>; 19, 187 <195>; 30, 272 <285>). Entsprechendes gilt für das Gewerbesteuerrecht im Hinblick auf den regelmäßig mit dem Kalenderjahr endenden Erhebungszeitraum (§§ 14, 18 GewStG).

45

c) Sofern eine Steuerrechtsnorm nach diesen Grundsätzen über den Veranlagungs- oder Erhebungszeitraum unechte Rückwirkung entfaltet, gelten für deren Vereinbarkeit mit der Verfassung im Verhältnis zu sonstigen Fällen unechter Rückwirkung gesteigerte Anforderungen. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass rückwirkende Regelungen innerhalb eines Veranlagungs- oder Erhebungszeitraums, die danach der unechten Rückwirkung zugeordnet werden, in vielerlei Hinsicht den Fällen echter Rückwirkung nahe stehen. Freilich ist auch in diesem Fall eine unechte Rückwirkung nicht grundsätzlich unzulässig (vgl. BVerfGE 127, 1 <17>; 127, 31 <47 f.>; 127, 61 <76>). Die Gewährung vollständigen Schutzes zu Gunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde andernfalls den dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen (vgl. BVerfGE 63, 343 <357>; 105, 17 <40>; 114, 258 <301>). Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht insbesondere nicht so weit, vor jeder Enttäuschung zu bewahren (vgl. BVerfGE 63, 312 <331>; 67, 1 <15>; 71, 255 <272>; 76, 256 <349 f.>). Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. BVerfGE 38, 61 <83>; 68, 193 <222>; 105, 17 <40>; 109, 133 <180 f.>; 125, 104 <135>).

46

Der Gesetzgeber muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte innerhalb des nicht abgeschlossenen Veranlagungs- oder Erhebungszeitraums anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen. Die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen der Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage sind abzuwägen (vgl. BVerfGE 30, 392 <404>; 50, 386 <395>; 67, 1 <15>; 75, 246 <280>; 105, 17 <37>; 114, 258 <300>). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss gewahrt sein (vgl. BVerfGE 72, 200 <242 f.>; 95, 64 <86>; 101, 239 <263>; 116, 96 <132>; 122, 374 <394>; 123, 186 <257>). Soweit daher an zurückliegende Sachverhalte innerhalb des nicht abgeschlossenen Veranlagungs- oder Erhebungszeitraums angeknüpft wird, ist diese unechte Rückwirkung mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 127, 1 <17 f.>; 127, 31 <47 f.>; 127, 61 <76 f.>). Wenn der Gesetzgeber das Gewerbesteuerrecht während des laufenden Erhebungszeitraums umgestaltet und die Rechtsänderungen auf dessen Beginn bezieht, bedürfen die belastenden Wirkungen einer Enttäuschung schutzwürdigen Vertrauens deshalb stets einer hinreichenden Begründung nach den Maßstäben der Verhältnismäßigkeit. Hier muss der Normadressat eine Enttäuschung seines Vertrauens in die alte Rechtslage nur hinnehmen, soweit dies aufgrund besonderer, gerade die Rückanknüpfung rechtfertigender öffentlicher Interessen unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE 127, 1 <20>; 127, 31 <48 f.>).

II.

47

Die Regelung des § 36 Abs. 4 GewStG a.F., nach der die Hinzurechnung von Dividenden und gleichgestellten Leistungen zum Gewerbeertrag gemäß § 8 Nr. 5 GewStG erstmals für den Erhebungszeitraum 2001 anzuwenden ist, führt zu einer unechten Rückwirkung (1). Sie ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, soweit sie Vorabausschüttungen erfasst, die erst nach dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses vom 11. Dezember 2001 beschlossen oder abgewickelt wurden (2), verstößt hingegen gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, soweit sie Vorabausschüttungen betrifft, die in dem Zeitraum bis einschließlich 11. Dezember 2001 beschlossen und abgewickelt wurden (3).

48

1. Der durch das am 24. Dezember 2001 verkündete Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz vom 20. Dezember 2001 neu eingefügte § 8 Nr. 5 GewStG bestimmt, dass dem Gewinn aus Gewerbebetrieb die nach dem Einkommensteuerrecht oder Körperschaftsteuerrecht außer Ansatz gebliebenen Gewinnanteile (Dividenden) und gleichgestellten Bezüge und Leistungen aus Streubesitzbeteiligungen (vgl. den Verweis auf § 9 Nr. 2a und 7 GewStG in § 8 Nr. 5 GewStG und zum Zusammenhang der Normen BFH, Beschluss vom 9. November 2011 - I B 62/11 -, BFH/NV 2012, S. 449) wieder hinzugerechnet werden. Damit hat der Gesetzgeber die Auswirkung des im Zuge des Systemwechsels im Körperschaftsteuerrecht (vgl. BVerfGE 125, 1 <2 ff.>) durch das Steuersenkungsgesetz vom 23. Oktober 2000 (BGBl I S. 1433) neu gefassten und später mehrfach geänderten § 8b KStG auf die Gewinnermittlung im Gewerbesteuerrecht korrigiert. Die neue Vorschrift (vgl. zu der ursprünglichen Fassung BVerfGE 127, 224 <229>) sah bei Anteilen an inländischen Gesellschaften zunächst eine vollständige Freistellung für Beteiligungserträge und Veräußerungsgewinne von der Körperschaft-steuer vor. Nach der im Einklang mit der ganz herrschenden Meinung im Schrifttum (vgl. Eilers/Wienands, GmbHR 2000, S. 957 <963>; Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8b Rn. 74; Gröning/Siegmund, DStR 2003, S. 617; Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 8 Nr. 5, Rn. 1 [5. Aufl. 2002, 7. Aufl. 2009]; Prinz/Simon, DStR 2002, S. 149; Ritzer/Stangl, INF 2002, S. 131 <133 ff.>; Roser, in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 7 Rn. 75 [Stand: Juli 2009]) stehenden Auffassung des vorlegenden Finanzgerichts führte die Befreiungsvorschrift des § 8b KStG über die Verknüpfungsnorm in § 7 GewStG - vorbehaltlich einer im Gesetz zunächst nicht enthaltenen Hinzurechnung nach § 8 GewStG - im Vergleich zur früheren Rechtslage zu einer entsprechenden Verringerung des Gewerbeertrags.

49

Für die vom Bundesministerium der Finanzen geforderte verfassungskonforme Auslegung des § 7 Satz 1 GewStG im Sinne einer Nichtberücksichtigung des § 8b KStG bei der Ermittlung des Gewerbeertrags ist angesichts der eindeutigen, auch von den Gesetzesmaterialien (vgl. BTDrucks 14/2683, S. 124) gestützten Rechtslage kein Raum. Unabhängig davon bietet das Mittel der verfassungskonformen Auslegung keine Handhabe dafür, ein vorlegendes Gericht zu einer bestimmten einfachrechtlichen Auslegung eines anderen, dem verfahrensgegenständlichen vorangegangenen Gesetzes nur deshalb anzuhalten, um so eine verfassungswidrige Rückwirkung der vorgelegten Norm zu vermeiden.

50

Indem § 36 Abs. 4 GewStG a.F. die erstmalige Anwendung des § 8 Nr. 5 GewStG für den noch nicht abgeschlossenen Erhebungszeitraum 2001 und damit beginnend mit dem 1. Januar 2001 anordnete, änderte er die Vorschriften über die Ermittlung des zu versteuernden Gewerbeertrags im Sinne einer unechten Rückwirkung.

51

2. Die Anwendungsvorschrift des § 36 Abs. 4 GewStG a.F. verstößt nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, soweit sie rückwirkend Vorabausschüttungen im Jahr 2001 erfasst, die erst nach dem Vermittlungsvorschlag vom 11. Dezember 2001 beschlossen oder abgewickelt wurden, selbst wenn sie dem Empfänger der Vorabausschüttung noch vor der Verkündung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes im Bundesgesetzblatt zugeflossen sind. Dies gilt erst recht für Beschlüsse über Vorabausschüttungen, die nach dem endgültigen Gesetzesbeschluss vom 14. Dezember 2001 gefasst wurden.

52

a) Gewinnausschüttungen beruhen zwar nicht zwingend auf einer besonderen Vertrauensdisposition der Streubesitzbeteiligten (aa). Letztere können sich aber gleichwohl auf Vertrauensschutz berufen (bb).

53

aa) Ausschüttungen oder - wie im Ausgangsfall - Vorabausschüttungen von Erträgen aus einer Beteiligung im Sinne des § 8 Nr. 5 GewStG, die nach § 3 Nr. 40 EStG oder § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz bleiben, sind bei Streubesitzbeteiligungen, um die es hier allein geht (vgl. § 8 Nr. 5 in Verbindung mit § 9 Nr. 2a und 7 GewStG), typischerweise nicht Ausfluss einer Dispositionsentscheidung des Minderheitsgesellschafters, die besonderen Vertrauensschutz verdient. Der gewerbesteuerpflichtige Minderheitsgesellschafter trifft in diesen Fällen im Allgemeinen keine von ihm maßgeblich verantwortete Dispositionsentscheidung über die Gewinnausschüttung, die Vertrauensschutz begründen könnte. Sein Einfluss in der Gesellschafterversammlung dürfte allenfalls gering sein. Er wird die Entscheidung der Gesellschafterversammlung über das Ob und Wie einer Ausschüttung oder Vorabausschüttung daher regelmäßig lediglich hinnehmen. Zudem ist die Entscheidung über eine Gewinnausschüttung per se keine Maßnahme, die - wie etwa eine Investitionsentscheidung - im Vertrauen auf den längerfristigen Bestand einer Rechtslage erfolgt. Auch das der Vorlage zugrunde liegende Ausgangsverfahren bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass die in Streit stehende Vorabausschüttung auf Maßnahmen der Klägerin zurückginge, die in besonderer Weise schutzwürdiges Vertrauen begründeten.

54

bb) Berechtigtes Vertrauen für den die Ausschüttung entgegennehmenden Minderheitsgesellschafter besteht danach vorrangig im Hinblick auf die Gewährleistungsfunktion der Rechtsordnung (vgl. BVerfGE 127, 31 <57 f.>). Steuerpflichtige müssen grundsätzlich darauf vertrauen dürfen, dass die zum Zeitpunkt des tatsächlichen Abschlusses eines steuerrelevanten Geschäftsvorgangs geltende Steuerrechtslage nicht ohne hinreichend gewichtigen Rechtfertigungsgrund rückwirkend geändert wird. Andernfalls wäre das Vertrauen in die Rechtssicherheit und Rechtsbeständigkeit der Rechtsordnung als Garanten einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung ernsthaft gefährdet (vgl. BVerfGE 109, 133 <180>; 126, 369 <393>; 127, 1 <16>). Die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, genießt zwar, sofern keine besonderen Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. BVerfGE 38, 61 <83>; 68, 193 <222>; 105, 17 <40>; 109, 133 <180 f.>; 127, 1 <17>). Das diesen Grundsatz rechtfertigende Anliegen, die notwendige Flexibilität der Rechtsordnung zu wahren, zielt indes auf künftige Rechtsänderungen und relativiert nicht ohne Weiteres die Verlässlichkeit der Rechtsordnung innerhalb eines Veranlagungs- oder Erhebungszeitraums.

55

b) Die Einbringung eines Gesetzentwurfs im Deutschen Bundestag stellt das Vertrauen in den zukünftigen Bestand einer Rechtslage in Frage (aa), jedenfalls der endgültige Beschluss des Bundestages über das rückwirkende Gesetz zerstört es grundsätzlich (bb). Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses hat hier das Vertrauen in den Fortbestand der Rechtslage beseitigt (cc).

56

aa) Mit der Einbringung eines Gesetzentwurfs im Bundestag durch ein initiativberechtigtes Organ werden geplante Gesetzesänderungen öffentlich. Ab diesem Zeitpunkt sind mögliche zukünftige Gesetzesänderungen in konkreten Umrissen allgemein vorhersehbar. Deshalb können Steuerpflichtige regelmäßig nicht mehr darauf vertrauen, das gegenwärtig geltende Recht werde auch in Zukunft, insbesondere im Folgejahr, unverändert fortbestehen; es ist ihnen vielmehr grundsätzlich möglich, ihre wirtschaftlichen Dispositionen durch entsprechende Anpassungsklauseln auf mögliche zukünftige Änderungen einzustellen (vgl. BVerfGE 127, 31 <50>).

57

bb) Jedenfalls ab dem endgültigen Beschluss des Deutschen Bundestages über einen Gesetzentwurf müssen die Betroffenen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit der Verkündung und dem Inkrafttreten der Neuregelung rechnen, weshalb es ihnen von diesem Zeitpunkt an zuzumuten ist, ihr Verhalten auf die beschlossene Gesetzeslage einzurichten. Der Gesetzgeber kann deshalb berechtigt sein, den zeitlichen Anwendungsbereich einer Norm sogar im Sinne einer echten Rückwirkung auch auf den Zeitraum von dem Gesetzesbeschluss bis zur Verkündung zu erstrecken (vgl. BVerfGE 13, 261 <273>; 30, 272 <286 f.>; 72, 200 <260 ff.>; 95, 64 <86 f.>; 97, 67 <79>; 127, 31 <58>). Diese Zuordnung hat das Bundesverfassungsgericht als den "verhältnismäßig besten Ausgleich" zwischen den denkbaren Positionen - Abstellen auf die Einbringung des Gesetzentwurfs einerseits und die Verkündung der Neuregelung andererseits - bezeichnet (vgl. BVerfGE 72, 200 <261 f.>; 127, 31 <58>).

58

cc) (1) Der durch die Bundesregierung in den Deutschen Bundestag eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts (BTDrucks 14/6882) enthielt noch keine den späteren § 8 Nr. 5 GewStG und § 36 Abs. 4 GewStG a.F. entsprechenden Bestimmungen. Die Anregung des Bundesrates in seiner Stellungnahme vom 27. September 2001 zu dem Gesetzentwurf, die Hinzurechnung von Bezügen und Einnahmen nach § 3 Nr. 40 EStG und von Bezügen und Gewinnen nach § 8b KStG zum Gewerbeertrag ausdrücklich zu regeln (vgl. BTDrucks 14/7084, S. 4 f.), wurde von der Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung mit dem Argument abgelehnt, dass die Umsetzung des Vorschlags die Wiedereinführung der mit dem Steuersenkungsgesetz gerade abgeschafften Doppelbelastung von Streubesitz mit Gewerbesteuer bedeuten würde (vgl. BTDrucks 14/7084, S. 8). Zu diesem Zeitpunkt mussten potenziell Betroffene ihr Verhalten daher noch nicht auf eine solche Regelung einstellen.

59

Erst nach Einleitung des Vermittlungsverfahrens und jedenfalls mit dessen Abschluss änderte sich dies. In der in der Bundestagsdrucksache 14/7780 vom 11. Dezember 2001 veröffentlichten Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses an den Bundestag zum Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz waren nunmehr Formulierungsvorschläge zu einem neuen § 8 Nr. 5 GewStG und zu § 36 Abs. 4 GewStG a.F. enthalten, die den später Gesetz gewordenen Regelungen entsprachen (vgl. BTDrucks 14/7780, S. 5). Hinsichtlich ihrer das Vertrauen in den Fortbestand der geltenden Rechtslage beeinträchtigenden Wirkung entspricht die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses nicht nur derjenigen der Einbringung eines Gesetzentwurfs im Bundestag durch ein initiativberechtigtes Organ, sondern geht sogar noch darüber hinaus. Die Annahme eines solchen Vermittlungsvorschlags durch den Bundestag ist regelmäßig erheblich wahrscheinlicher als die Verwirklichungschancen eines Gesetzentwurfs zu Beginn der parlamentarischen Beratungen, weil der Vermittlungsvorschlag am Ende des parlamentarischen Entscheidungsfindungsprozesses einschließlich der Kompromissbemühungen des Vermittlungsausschusses steht und deren Ergebnis markiert.

60

Es kann daher hier offen bleiben, ob die Einbringung eines Gesetzentwurfs im Bundestag durch ein initiativberechtigtes Organ stets der maßgebliche Zeitpunkt ist, ab dem sich die Betroffenen nicht mehr auf ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der bisherigen Rechtslage berufen können (s.o. aa, vgl. auch BVerfGE 127, 31 <50>). Mit dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses vom 11. Dezember 2001 ist die Zerstörung schutzwürdigen Vertrauens hier jedenfalls eingetreten. Dies folgt aus der besagten hohen Wahrscheinlichkeit der Annahme des Vermittlungsvorschlags auf der einen Seite und der geringen Schutzwürdigkeit des Minderheitsgesellschafters im Hinblick auf einen Gewinnausschüttungsbeschluss der Gesellschaft (s. dazu oben 2 a) auf der anderen Seite  . 

61

(2) Schutzwürdiges Vertrauen in den künftigen Bestand der bisherigen Rechtslage besteht erst recht nicht mehr ab der Zustimmung des Bundestages zum Vermittlungsvorschlag des Vermittlungsausschusses (vgl. Art. 77 Abs. 2 Satz 5 GG) vom 14. Dezember 2001 (vgl. BRDrucks 1061/01). Dieser Zeitpunkt entspricht in jeder Hinsicht dem des endgültigen Gesetzesbeschlusses des Bundestages über einen Gesetzentwurf, der nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - auch in den Fällen echter Rückwirkung - den zeitlichen Endpunkt eines schutzwürdigen Vertrauens in den Bestand der bisherigen Rechtslage bestimmt (s. vorstehend bb).

62

(3) Der Wegfall schutzwürdigen Vertrauens bereits durch den Vorschlag des Vermittlungsausschusses vom 11. Dezember 2001 führt dazu, dass Vorabausschüttungsbeschlüsse, die nach dem 11. Dezember 2001 gefasst worden sind, keinen verfassungsrechtlichen Schutz vor der Hinzurechnung der Vorabausschüttung zum Gewerbeertrag nach dem später in das Gewerbesteuergesetz eingefügten § 8 Nr. 5 GewStG genießen. Da es insoweit schon an einem schutzwürdigen Vertrauen auf das Nichtbestehen einer solchen Hinzurechnungsvorschrift fehlt, kommt eine Abwägung, ob das Interesse der Allgemeinheit an dem rückwirkenden Inkraftsetzen des § 8 Nr. 5 GewStG bis zum 11. Dezember 2001 dem Vertrauen Einzelner auf die Fortgeltung der Rechtslage über diesen Zeitpunkt hinaus unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (zu diesem Maßstab vgl. BVerfGE 127, 31 <47 f.> und oben I 3 c) vorgeht, nicht in Betracht.

63

Das der Vorlage des Finanzgerichts zugrunde liegende Ausgangsverfahren betrifft einen solchen Fall; der Vorabausschüttungsbeschluss in jenem Verfahren datiert vom 15. Dezember 2001, liegt also zeitlich sowohl nach dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses vom 11. Dezember 2001 als auch nach dem Gesetzesbeschluss des Bundestages vom 14. Dezember 2001.

64

c) Das rückwirkende Inkraftsetzen von § 8 Nr. 5 GewStG ist mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes auch insoweit vereinbar, als die Regelung Vorab-ausschüttungen erfasst, die zwar erst nach dem 11. Dezember 2001 beschlossen wurden, jedoch - wie im Ausgangsverfahren - dem Steuerpflichtigen noch vor der Verkündung der Neuregelung am 24. Dezember 2001 zugeflossen sind.

65

Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings in seinem Beschluss vom 7. Juli 2010 zur sogenannten "Fünftel-Regelung" des § 34 Abs. 1 EStG (BVerfGE 127, 31<57 ff.>) die Schutzwürdigkeit des Vertrauens der Betroffenen in die Gewährleistungsfunktion des geltenden Rechts unabhängig von der Schutzwürdigkeit ihrer Dispositionen zum Zeitpunkt der zugrunde liegenden Vereinbarungen für den Fall bejaht, dass der Mittelzufluss vor Verkündung der Neuregelung erfolgt ist. Dabei ging es um Abfindungsvereinbarungen zwischen Arbeitgebern und aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidenden Arbeitnehmern. Bei den Entscheidungen über Sparen, Konsum oder Investition der erzielten Einnahmen durften die Arbeitnehmer nach dem Beschluss vom 7. Juli 2010 darauf vertrauen, dass der Steuergesetzgeber nicht ohne sachlichen Grund von hinreichendem Gewicht die Rechtslage zu einem späteren Zeitpunkt rückwirkend zu ihren Lasten verändere und dadurch den Nettoertrag der erhaltenen Abfindungszahlung erheblich mindere. Die Vorhersehbarkeit einer möglichen zukünftigen Gesetzesänderung bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses der Entschädigungsvereinbarung und zum Zeitpunkt der Erfüllung des materiellen steuerbegründenden Tatbestands durch den Zufluss des Abfindungsbetrags stehe der Anerkennung grundrechtlich geschützten Vertrauens in geltendes Recht zum Zeitpunkt der Erfüllung nicht grundsätzlich entgegen (vgl. BVerfGE 127, 31 <57 f.>). Selbst wenn der Geldzufluss erst nach dem endgültigen Gesetzesbeschluss über die beabsichtigte Steuererhöhung erfolgt sei und die Betroffenen sich deshalb grundsätzlich schon auf die Neuregelung hätten einstellen können, bleibe in diesen Fällen des Mittelzuflusses vor Verkündung der Neuregelung das berechtigte Vertrauen der Steuerpflichtigen in die Gewährleistungsfunktion des Rechts, das nur durch überwiegende Gemeinwohlinteressen an einer rückwirkenden Neuregelung überwunden werden könne (vgl. BVerfGE 127, 31 <58 f.>).

66

Die Grundsätze dieser Fallgruppe sind auf den hier zu entscheidenden Fall nicht übertragbar. Dort ging es um zweiseitige Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, auf deren Gültigkeit und Werthaltigkeit der Arbeitnehmer unter Umständen existenziell angewiesen war. Mit der Zustimmung zu einer Abfindungsvereinbarung disponiert der Arbeitnehmer über den Bestand seines Arbeitsvertrags und damit über Teile seiner wirtschaftlichen Existenz. Dabei handelt er in einer gewissen Zwangslage. Er verliert seine Rechte zwar nicht ohne seinen Willen, gibt sie aber doch unter einem erheblichen wirtschaftlichen, rechtlichen oder tatsächlichen Druck auf (vgl. BVerfGE 127, 31 <52, 60>). In dieser besonderen Situation verdient das Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt des verfügbaren Werts einer solchen Vereinbarung in weitergehendem Umfang Schutz, selbst wenn sie erst nach der Zustimmung des Bundestages zu einem Steuererhöhungsgesetz geschlossen wurde, sofern die Abfindung noch vor der Verkündung des Gesetzes ausgezahlt wurde (vgl. BVerfGE 127, 31 <58 f.>).

67

Damit ist die Lage bei der Ausschüttung von Gewinnanteilen an Streubesitzbeteiligte in der dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Art nicht vergleichbar. Eine Vertrauensschutz erfordernde Disposition über Teile seines Vermögens hat der Minderheitsgesellschafter hier nicht in einer dem Arbeitnehmer bei der Abfindungsvereinbarung vergleichbaren Weise getätigt. Als Streubesitzbeteiligter ist er im Fall einer Ausschüttung im Wesentlichen auf deren Entgegennahme beschränkt; schutzwürdiges Vertrauen investiert er dabei regelmäßig in allenfalls geringfügigem Umfang (s. dazu bereits oben 2 a aa). Nach dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zur rückwirkenden Einführung der Hinzurechnungsregelung vom 11. Dezember 2001, erst recht nach dem endgültigen Beschluss des Bundestages, im vorliegenden Fall nach der Zustimmung des Bundestages vom 14. Dezember 2001 zum Vermittlungsvorschlag, konnten sich die Begünstigten eines Vorabausschüttungsbeschlusses ohne Weiteres auf die sich konkret abzeichnende neue Rechtslage einstellen. Selbst bei Abwicklung dieses Beschlusses vor der Verkündung des Gesetzes am 24. Dezember 2001 ändert der dadurch erreichte "gesteigerte Grad an Abgeschlossenheit" (vgl. BVerfGE 127, 31 <59>) nichts am Fehlen schutzwürdigen Vertrauens in den Bestand der noch geltenden Steuerrechtslage für die Vorabausschüttung. Allein die Gewährleistungsfunktion des zum Zeitpunkt des Mittelzuflusses geltenden Rechts vermag das Fehlen schutzwürdigen Vertrauens wegen der bereits konkret absehbaren Neuregelung in solchen Fällen nicht zu kompensieren.

68

Fehlt es für die Zeit nach dem 11. Dezember 2001 an schutzwürdigem Vertrauen in das Fortbestehen der Steuerrechtslage zur Übertragbarkeit der Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 1 KStG auf das Gewerbesteuerrecht, bedarf die Zulässigkeit der Rückwirkung keiner Abwägung mehr unter den Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit und insbesondere der Zumutbarkeit (s.o. I 3 c).

69

3. § 36 Abs. 4 GewStG a.F. ist mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes unvereinbar und verstößt gegen Art. 20 Abs. 3 GG, soweit er die Anwendung des neuen § 8 Nr. 5 GewStG auf den Erhebungszeitraum 2001 auch mit Wirkung vor dem 12. Dezember 2001 erstreckt und dabei bis einschließlich 11. Dezember 2001 beschlossene und zugeflossene Vorabausschüttungen erfasst.

70

a) Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses vom 11. Dezember 2001 zur Einfügung des § 8 Nr. 5 in das Gewerbesteuergesetz, erst recht aber der Beschluss des Deutschen Bundestages hierzu vom 14. Dezember 2001 haben zwar das Vertrauen in den zukünftigen Bestand der bisherigen Rechtslage zur gewerbesteuerlichen Freistellung von Erträgen im Sinne des § 8b Abs. 1 KStG aus Streubesitzbeteiligungen zerstört. Berechtigtes Vertrauen in den Bestand der Steuerrechtslage für den davor liegenden Zeitraum wird durch diese Vorgänge im Gesetzgebungsverfahren allerdings nicht beseitigt. Dies gilt auch dann, wenn es sich dabei um zurückliegende Zeiten innerhalb des laufenden Veranlagungs- oder Erhebungszeitraums handelt. Denn die Behandlung steuerlich relevanter Vorgänge als bis zum Ende des Veranlagungs- oder Erhebungszeitraums noch nicht abgeschlossene Sachverhalte bedeutet lediglich, dass Gesetze, die während, insbesondere gegen Ende eines Veranlagungszeitraums mit Wirkung für den gesamten Zeitraum erlassen werden, nach den für ein Gesetz mit unechter Rückwirkung anzuwendenden verfassungsrechtlichen Maßstäben beurteilt werden. Daraus folgt aber nicht, dass vor dem Gesetzeserlass getätigte Dispositionen des Steuerschuldners deshalb keinen Vertrauensschutz genössen. Hier ist eine Enttäuschung seines Vertrauens in die alte Rechtslage nur hinzunehmen, soweit dies aufgrund besonderer, gerade die Rückanknüpfung rechtfertigender öffentlicher Interessen unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE 127, 1 <20>).

71

Vertrauen erwächst in den von der Vorlage des Finanzgerichts angesprochenen Fällen der Vorabausschüttung nicht in erster Linie durch in besonderer Weise schützenswerte Dispositionen des gewerbesteuerpflichtigen, mit weniger als 10% beteiligten Minderheitsgesellschafters, sondern im Wesentlichen aus der Gewährleistungsfunktion des geltenden Rechts (s.o. 2 a). Um Vertrauensschutz gegen rückwirkende Gesetzesänderungen auslösen zu können, bedarf ein Geschäftsvorgang eines erkenn- und belegbaren gesteigerten Grades der Abgeschlossenheit. Diese liegt nicht allein in dem Gesellschafterbeschluss über die Vorabausschüttung. Da er keinen besonderen Formbindungen unterliegt und deshalb weder hinsichtlich seines Inhalts noch hinsichtlich des Beschlusszeitpunktes ohne Weiteres objektiv gesichert ist, vermittelt er allein hier noch keine Rechtsbeständigkeit gegenüber einer Gesetzesänderung. Erst der in Umsetzung des Gesellschafterbeschlusses erfolgte Zufluss der Ausschüttung beim Empfänger verschafft dem Sachverhalt einen gesteigerten Grad an Abgeschlossenheit, der Schutz gegen eine rückwirkende Änderung der Rechtslage bietet (vgl. BVerfGE 127, 31 <59>). Die Anknüpfung an den Zufluss der Ausschüttung gewährleistet zudem eine einheitliche Handhabung solcher Rückwirkungsfälle unabhängig von der Geltung des Zu- und Abflussprinzips (vgl. § 4 Abs. 3, § 11 EStG), das heißt unabhängig von der Methode der Einkünfteermittlung und insbesondere auch unabhängig von einer etwaigen im Fall der Bilanzierung erfolgenden Aktivierung des Anspruchs auf die Vorabausschüttung schon im Zeitpunkt der Beschlussfassung der ausschüttenden Gesellschaft.

72

b) Besondere Gründe, welche die nachträgliche Belastung vor dem 12. Dezember 2001 beschlossener und ausgezahlter Vorabausschüttungen mit einer höheren Gewerbesteuer rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar.

73

Die allgemeinen Ziele der Umgestaltung des Steuerrechts und der Erhöhung des Steueraufkommens rechtfertigen die rückwirkende Steuerbelastung nicht (vgl. BVerfGE 127, 1 <26>; 127, 31 <59>).

74

Ein spürbarer Ankündigungs- oder Mitnahmeeffekt mit Blick auf die drohende Erhöhung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer, der durch die Rückwirkung verhindert werden sollte, ist - zumal für die Zeit bis zum 11. Dezember 2001 - nicht erkennbar. Eine rein steuerlich motivierte Vorabausschüttung zu Gunsten einer mit weniger als 10% beteiligten Minderheitsgesellschafterin erscheint zudem generell eher ungewöhnlich. Es ist ferner nicht unüblich, dass Vorabausschüttungen kurz vor Jahresende beschlossen und durchgeführt werden. Auch das vorlegende Finanzgericht hat im konkreten Fall festgestellt, dass bei der Körperschaft, an der die Klägerin des Ausgangsverfahrens beteiligt war, in den Vorjahren regelmäßig Vorabausschüttungen erfolgt waren.

75

Der im Jahr 2001 vollzogene Systemwechsel im Körperschaftsteuerrecht (vgl. dazu BVerfGE 125, 1 <2 ff.>) bietet ebenfalls keinen Rechtfertigungsgrund für das rückwirkende Inkraftsetzen des § 8 Nr. 5 GewStG. Insbesondere war die sich vor Einfügung des § 8 Nr. 5 GewStG ergebende Rechtslage nicht systemwidrig. Die unmittelbare Auswirkung der körperschaftsteuerlichen Freistellung von Beteiligungserträgen und Veräußerungsgewinnen nach § 8b KStG auf das Gewerbesteuerecht war und ist eine systemgerechte Folge aus der Übernahme der einkommen- oder körperschaftsteuerlichen Gewinnermittlungsregelungen in das Gewerbesteuerrecht (§ 7 Satz 1 GewStG). Um dies zu ändern, bedurfte es einer ausdrücklichen Korrektur durch den Gesetzgeber, wie sie durch den neuen § 8 Nr. 5 GewStG für Erträge aus Streubesitzbeteiligungen dann auch erfolgt ist. Die zwischenzeitlich im Jahr 2001 geltende Rechtslage war damit keineswegs offensichtlich so ungerecht oder auch nur im Hinblick auf das Gewerbesteuerrecht so systemwidrig, dass eine rückwirkende Änderung durch den Gesetzgeber als unabweisbar hätte erscheinen müssen. Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung auf den Vorschlag des Bundesrates vom 27. September 2001, die Hinzurechnung von Bezügen und Einnahmen nach § 3 Nr. 40 EStG und von Bezügen und Gewinnen nach § 8b KStG zum Gewerbeertrag ausdrücklich zu regeln (vgl. BTDrucks 14/7084, S. 4 f.), ihre Ablehnung damit begründet, dass die Umsetzung des Vorschlags die Wiedereinführung der mit dem Steuersenkungsgesetz gerade abgeschafften Doppelbelastung von Streubesitz mit Gewerbesteuer bedeuten würde (vgl. BTDrucks 14/7084, S. 8). Die neue Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG war daher keine überfällige Fehlerkorrektur, mit der Steuerpflichtige ohne Weiteres hätten rechnen müssen, sondern eine bewusst die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer abweichend von der Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer gestaltende Entscheidung des Gesetzgebers.

76

Liegen keine Gründe vor, welche die Rückwirkung der Regelung für bis einschließlich 11. Dezember 2001 erfolgte Vorabausschüttungen rechtfertigen könnten, erübrigt sich die Prüfung, ob eine darauf gestützte Rückwirkungsanordnung verhältnismäßig wäre. Eine Interessenabwägung kommt nicht in Betracht, wenn verfassungsrechtlich bereits kein für die Rückwirkung sprechendes öffentliches Interesse anzuerkennen ist.

III.

77

Soweit § 36 Abs. 4 GewStG a.F. den § 8 Nr. 5 GewStG auf Dividendenvorab-ausschüttungen an Minderheitsgesellschafter für anwendbar erklärt, die von der ausschüttenden Gesellschaft vor dem 12. Dezember 2001 verbindlich beschlossen wurden und der mit weniger als 10% beteiligten Körperschaft vor diesem Zeitpunkt zugeflossen sind, verstößt diese Anwendungsvorschrift gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und ist nichtig (§ 78 Satz 1 i.V.m. § 82 Abs. 1 BVerfGG).

78

Die Entscheidung über die Maßgeblichkeit des Zeitpunktes des Vorschlags des Vermittlungsausschusses anstelle des Gesetzesbeschlusses des Deutschen Bundestages (C II) ist mit 5:3 Stimmen ergangen.

Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Überleitung alter Wasserrechte nachdem Sächsischen Wassergesetz.

I.

2

1. a) Am 27. Juli 1957 erließ der Bund aufgrund seiner Rahmenkompetenz nach Art. 75 Nr. 4 GG in der damals gültigen Fassung das Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz), das am 12. August 1957 im Bundesgesetzblatt verkündet wurde (BGBl I S. 1110) und gemäß § 45 WHG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes vom 19. Februar 1959 (BGBl I S. 37) am 1. März 1960 in Kraft trat.

3

Jede Gewässerbenutzung bedarf nach § 2 des Wasserhaushaltsgesetzes in der den Ausgangsentscheidungen zugrunde liegenden, bis zum 28. Februar 2010 gültigen Fassung (im Folgenden: WHG; ab 1. März 2010: § 8 WHG in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Wasserrechts vom 31. Juli 2009 ) grundsätzlich einer behördlichen Zulassung in Gestalt der Erlaubnis (§ 7 WHG) oder der Bewilligung (§ 8 WHG; künftig: § 10 WHG n.F.). Die beim Inkrafttreten des Wasserhaushaltsgesetzes bereits bestehenden Gewässerbenutzungen haben in den §§ 15 bis 17 WHG (künftig: §§ 20 f. WHG n.F.) eine differenzierte Behandlung erfahren. Die Vorschriften haben folgenden Wortlaut:

4

§ 15 Alte Rechte und alte Befugnisse

5

(1) Eine Erlaubnis oder eine Bewilligung ist, soweit die Länder nichts anderes bestimmen, nicht erforderlich für Benutzungen

6

1. auf Grund von Rechten, die nach den Landeswassergesetzen erteilt oder durch sie aufrechterhalten worden sind,

7

2. auf Grund von Bewilligungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über Vereinfachungen im Wasser- und Wasserverbandsrecht vom 10. Februar 1945 (RGBl. I S. 29),


8

3. auf Grund einer nach der Gewerbeordnung erteilten Anlagegenehmigung,

9

zu deren Ausübung am 12. August 1957 oder zu einem anderen von den Ländern zu bestimmenden Zeitpunkt rechtmäßige Anlagen vorhanden sind.

10

(2) Eine Erlaubnis oder eine Bewilligung ist ferner nicht erforderlich für Benutzungen auf Grund gesetzlich geregelter Planfeststellungsverfahren oder auf Grund hoheitlicher Widmungsakte für Anlagen des öffentlichen Verkehrs, zu deren Ausübung am 12. August 1957 rechtmäßige Anlagen vorhanden sind.

11

(3) Die Länder können andere in einem förmlichen Verfahren auf Grund der Landeswassergesetze zugelassene Benutzungen den in Absatz 1 genannten Benutzungen gleichstellen.

12

(4) Die in den Absätzen 1 bis 3 bezeichneten Rechte und Befugnisse (alte Rechte und alte Befugnisse) können gegen Entschädigung widerrufen werden, soweit von der Fortsetzung der Benutzung eine erhebliche Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit zu erwarten ist. Sie können ohne Entschädigung, soweit dies nicht schon nach dem vor dem 1. Oktober 1976 geltenden Recht zulässig war, widerrufen werden,

13

1. wenn der Unternehmer die Benutzung drei Jahre ununterbrochen nicht ausgeübt hat,

14

2. soweit die Benutzung im bisher zulässigen Umfang für den Unternehmer nicht mehr erforderlich ist; dies gilt insbesondere, wenn der zulässige Umfang drei Jahre lang erheblich unterschritten wurde,

15

3. wenn der Unternehmer den Zweck der Benutzung so geändert hat, dass er mit der festgelegten Zweckbestimmung nicht mehr übereinstimmt,

16

4. wenn der Unternehmer trotz einer mit der Androhung der Aufhebung verbundenen Warnung die Benutzung über den Rahmen des alten Rechts oder der alten Befugnis hinaus erheblich ausgedehnt oder Bedingungen oder Auflagen nicht erfüllt hat.

17

Unberührt bleibt die Zulässigkeit nachträglicher Anforderungen und Maßnahmen ohne Entschädigung nach § 5.

18

§ 16 Anmeldung alter Rechte und alter Befugnisse

19

(…)

20

§ 17 Andere alte Benutzungen

21

(1) Eine Erlaubnis oder eine Bewilligung wird erst nach Ablauf von fünf Jahren seit dem 1. März 1960 erforderlich für Benutzungen, die über die nach diesem Gesetz erlaubnisfreie Benutzung hinausgehen, soweit sie am 1. März 1960

22

1. auf Grund eines Rechts oder einer Befugnis der in § 15 Abs. 1 und 2 genannten Art ausgeübt werden durften, ohne dass zu dem dort genannten Zeitpunkt rechtmäßige Anlagen vorhanden waren, oder

23

2. auf Grund eines anderen Rechts oder in sonst zulässiger Weise ausgeübt werden durften; für Benutzungen, die nur mittels Anlagen ausgeübt werden können, gilt dies nur, wenn zu dem in § 15 Abs. 1 genannten Zeitpunkt rechtmäßige Anlagen vorhanden waren.

24

Ist eine Erlaubnis oder eine Bewilligung vor Ablauf der fünf Jahre beantragt worden, so darf die Benutzung bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über den Antrag fortgesetzt werden.

25

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist dem Inhaber eines Rechts auf seinen fristgemäß gestellten Antrag eine Bewilligung im Umfang seines Rechts zu erteilen; § 6 bleibt unberührt. Der Anspruch auf eine Bewilligung nach Satz 1 besteht nicht, soweit nach dem am 1. März 1960 geltenden Recht die Aufhebung oder Beschränkung des Rechts ohne Entschädigung zulässig war.

26

(3) Wird in den Fällen des Absatzes 2 auf Grund des § 6 eine Bewilligung versagt oder nur in beschränktem Umfang erteilt, so steht dem Berechtigten ein Anspruch auf Entschädigung zu. Dies gilt nicht, soweit nach dem am 1. März 1960 geltenden Recht die Aufhebung oder die Beschränkung des Rechts ohne Entschädigung zulässig war.

27

b) Auf dem Gebiet des Freistaates Sachsen wurde das Sächsische Wassergesetz vom 12. März 1909 (Gesetz und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen S. 227; im Folgenden: SächsWG 1909) durch das Gesetz der DDR über den Schutz, die Nutzung und die Instandhaltung der Gewässer und den Schutz vor Hochwassergefahren vom 17. April 1963 (im Folgenden: Wassergesetz 1963; GBl-DDR I S. 77) ersetzt.

28

An dessen Stelle trat später das Wassergesetz der DDR vom 2. Juli 1982 (im Folgenden: Wassergesetz 1982; GBl-DDR I S. 467). § 46 des Wassergesetzes 1982 bestimmte, dass aufgrund früherer wasserrechtlicher Vorschriften getroffene Entscheidungen ihre Gültigkeit behielten.

29

Durch Art. 3 § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Umweltrahmengesetzes der DDR vom 29. Juni 1990 (im Folgenden: URG; GBl-DDR S. 649) wurde zum 1. Juli 1990 das Wasserhaushaltsgesetz auf dem Gebiet der DDR in Kraft gesetzt. Das Wassergesetz 1982 blieb gemäß Art. 3 § 2 Abs. 2 URG in Kraft, soweit es dem Wasserhaushaltsgesetz nicht widersprach.

30

Seit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 gilt das Wasserhaushaltsgesetz gemäß Art. 8 des Einigungsvertrages (EV) vom 31. August 1990 (BGBl II S. 885) als Bundesrecht fort. Das Wassergesetz 1982 galt nach Art. 9 EV zunächst als Landesrecht weiter.

31

Am 13. März 1993 trat das Sächsische Wassergesetz (SächsWG) vom 23. Februar 1993 (im Folgenden: SächsWG 1993; SächsGVBl S. 201) in Kraft, das am 20. August 1998 in der ab 13. August 1998 geltenden Neufassung bekannt gemacht wurde (im Folgenden: SächsWG 1998; SächsGVBl S. 393). Gemäß § 141 SächsWG 1993/1998 wurde das Wassergesetz 1982 aufgehoben.

32

§ 136 SächsWG 1993 regelte die Überleitung alter wasserrechtlicher Entscheidungen. Die Vorschrift lautete:

33

§ 136 (zu § 15 WHG) Alte wasserrechtliche Entscheidungen

34

(1) Wasserrechtliche Entscheidungen, die nach dem Wassergesetz (WG) vom 2. Juli 1982 (GBl. I Nr. 26 S. 467) und den dazu erlassenen Durchführungsverordnungen und Durchführungsbestimmungen getroffen wurden oder aufgrund der genannten Regelung fortbestehen, behalten ihre Gültigkeit. § 15 Abs. 4 WHG ist entsprechend anwendbar.

35

(2) Bereits begonnene Verfahren sind nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu Ende zu führen. Wurden im Rahmen des begonnenen Verfahrens die Unterlagen ausgelegt und ist die Einwendungsfrist abgelaufen, so ist das Verfahren nach altem Recht zu Ende zu führen.

36

§ 136 SächsWG 1998 ist wortlautgleich. Lediglich in der Überschrift ist der Zusatz "(zu § 15 WHG)" nicht mehr enthalten.

37

Durch Art. 1 Nr. 94 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sächsischen Wassergesetzes vom 9. August 2004 (SächsGVBl S. 374), in Kraft getreten am 1. September 2004, wurde § 136 Abs. 2 SächsWG 1993/1998 gestrichen und im bisherigen Absatz 1 ein neuer Satz 2 eingefügt. § 136 SächsWG lautet seitdem:

38

§ 136 Alte Wasserrechtliche Entscheidungen

39

Wasserrechtliche Entscheidungen, die nach dem Wassergesetz (WG) vom 2. Juli 1982 (GBl. I Nr. 26 S. 467) und den dazu erlassenen Durchführungsverordnungen und Durchführungsbestimmungen getroffen wurden oder aufgrund der genannten Regelung fortbestehen, behalten ihre Gültigkeit. Eine Erlaubnis oder Bewilligung ist nicht erforderlich für Benutzungen aufgrund eines alten Rechtes oder einer alten Befugnis im Sinne von § 15 WHG, zu deren Ausübung am 1. Juli 1990 rechtmäßige und funktionsfähige Anlagen vorhanden waren. § 15 Abs. 4 WHG ist entsprechend anwendbar.

40

2. a) Die Beschwerdeführer schlossen im Jahr 1999 einen Kaufvertrag über mehrere Flurstücke an der Z... Mulde, auf denen sich eine Wehranlage und das ehemalige Grabensystem einer früheren Wasserkraftanlage befinden. Seit 23. Juni 1999 ist für die Beschwerdeführer im Grundbuch eine Auflassungsvormerkung eingetragen. Als Eigentümer wurden sie bislang nicht eingetragen.

41

Die frühere Wasserkraftanlage bestand seit unvordenklichen Zeiten. In den Altunterlagen wird Bezug genommen auf Genehmigungen aus den Jahren 1891 und 1913. Laut Wasserbucheintrag vom 9. März 1939 wurde den damaligen Betreibern die Erlaubnis zum Betrieb der Wasserkraftanlage mit drei Turbinen erteilt.

42

Aufgrund eines Talsperrenbaus reichte das in der Z... Mulde geführte Wasser seit Mitte der 1970er Jahre zur Deckung des benötigten Betriebswasserbedarfs nicht mehr aus. Der Mühlgraben wurde seit 1976 als Entnahmestelle von Produktionswasser für die Rohpappenproduktion genutzt. Rechtsträger der Betriebsgrundstücke war damals ein Volkseigener Betrieb. Im Jahr 1983 erfolgte die Planung der Instandsetzung einer jetzigen Kreisstraße. Im Zuge der Baumaßnahmen wurde der parallel zur Straße verlaufende Betriebsgraben (teilweise) verfüllt.

43

Im September 1999 wandten sich die Beschwerdeführer mit Blick auf die beabsichtigte Wiederinbetriebnahme der Wasserkraftanlage an das zuständige Landratsamt. Dieses stellte mit Bescheid vom 8. Juni 2000 fest, dass ein Wasserbenutzungsrecht für die Stauanlage nicht bestehe. Den Widerspruch der Beschwerdeführer wies das Regierungspräsidium mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2002 im Wesentlichen zurück.

44

b) Hiergegen erhoben die Beschwerdeführer Klage und begehrten zuletzt, den beklagten Landkreis unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zu verpflichten, einen feststellenden Verwaltungsakt des Inhalts zu erlassen, dass die Beschwerdeführer berechtigt seien, die Wasserkraftanlage aufgrund einer altrechtlichen Gestattung gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG wieder in Betrieb zu nehmen, ohne dass es hierzu einer Erlaubnis oder Bewilligung bedürfe.

45

Die Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 1. November 2006 abgewiesen. Ein den Betrieb der Wasserkraftanlage umfassender altrechtlicher Bestandsschutz gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG bestehe nicht, weswegen die Anlage ohne eine Gestattung neuen Rechts (Erlaubnis oder Bewilligung, §§ 7, 8 WHG) nicht betrieben werden dürfe (§ 2 WHG). Die Erlaubnis für eine Stauanlage zu einem Wassertriebwerk habe zwar am 1. Juli 1990 noch Bestand gehabt. Allerdings stehe fest, dass am Stichtag (1. Juli 1990) rechtmäßige Anlagen zur Ausübung des alten Stau- und Triebwerksrechts nicht mehr vorhanden gewesen seien.

46

Den hiergegen gerichteten Antrag der Beschwerdeführer auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 25. November 2008 ab. Der Senat habe mit rechtskräftigem Grundsatzurteil vom 27. März 2007 (4 B 707/05, veröffentlicht in juris) entschieden, dass § 15 WHG in der ehemaligen DDR über Art. 3 § 2 URG mit der Maßgabe in Kraft getreten sei, dass der Stichtag des 1. Juli 1990 maßgeblich sei, im Freistaat Sachsen mit diesem Inhalt fortgelte und dies durch § 136 Satz 2 SächsWG in der am 1. September 2004 in Kraft getretenen Fassung - verfassungsrechtlich unbedenklich - klargestellt worden sei.

47

3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde greifen die Beschwerdeführer unmittelbar die gerichtlichen Entscheidungen und mittelbar § 136 Satz 2 SächsWG an. Sie rügen eine Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG.

48

Das alte Wasserrecht zum Betrieb der Wasserkraftanlage stelle eine von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition dar. Das Erlöschen einer solchen könne nur durch einen ausdrücklich geregelten gesetzlichen Verlusttatbestand bewirkt werden. An einem solchen fehle es hier. Bis zu Beginn des Jahres 1999 sei bei der Prüfung von Altrechtsfällen in Sachsen das Vorhandensein rechtmäßiger Anlagen zu einem bestimmten Stichtag richtigerweise nicht gefordert worden.

49

Wolle man § 136 SächsWG demgegenüber dahingehend auslegen, dass alte Wasserrechte mit Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sächsischen Wassergesetzes erloschen seien, sofern am Stichtag des 1. Juli 1990 keine rechtmäßigen funktionsfähigen Anlagen vorhanden gewesen seien, stelle sich § 136 SächsWG als verfassungswidrige Inhalts- und Schrankenbestimmung dar. Der ersatz- und übergangslose Verlust alter Wasserbenutzungsrechte, zu deren Ausübung am 1. Juli 1990 keine rechtmäßigen funktionsfähigen Anlagen vorhanden gewesen seien, sei unverhältnismäßig.

50

4. Zu der Verfassungsbeschwerde haben das Bundesverwaltungsgericht, das Sächsische Staatsministerium der Justiz, der Verband der Wasserkraftwerksbetreiber Sachsen- und Sachsen-Anhalt e.V., der Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke (BDW) e.V., das Landratsamt Erzgebirgskreis und die Landesregierung Brandenburg Stellung genommen.

51

a) Das Bundesverwaltungsgericht hat auf seine Entscheidungen vom 14. April 2005 (BVerwG 7 C 16.04 und BVerwG 7 C 8.04, jeweils veröffentlicht in juris) verwiesen. Es sei anzunehmen, dass Wasserrechte gemäß § 49 SächsWG 1909 Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG darstellten. Die landesgesetzlichen Regelungen, die bei der Überleitung alter Wasserrechte in das System des Wasserhaushaltsgesetzes unter bestimmten Voraussetzungen das Erlöschen alter Rechte anordneten, stellten eine Neubestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Eine Übergangsregelung zugunsten solcher Rechte, zu deren Ausübung rechtmäßige und funktionsfähige Anlagen nicht mehr vorhanden seien, sei verfassungsrechtlich nicht geboten. Zu erwägen sei allenfalls, ob bezogen auf die in Rede stehende Voraussetzung rechtmäßiger und funktionsfähiger Anlagen ein ersatzloses Erlöschen der alten Wasserrechte dann zu beanstanden sei, wenn ursprünglich vorhandene Anlagen unter Verstoß gegen die geltende Rechtsordnung durch staatliche Stellen beseitigt worden seien. Einen solchen Sachverhalt habe das Verwaltungsgericht aber nicht festgestellt.

52

b) Das Sächsische Staatsministerium der Justiz hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet.

53

Soweit ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG vorliege, sei er gerechtfertigt. § 136 Satz 2 SächsWG habe lediglich deklaratorische Bedeutung.

54

Das Sächsische Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft habe zur Verwaltungspraxis im Zeitraum von 1990 bis März 1996 bei den drei Landesdirektionen eine kurzfristige Erhebung vorgenommen. Die Landesdirektion Dresden habe mitgeteilt, dass seit dem Beginn regelmäßiger Dienstberatungen ab Ende 1992/Anfang 1993 auf das Tatbestandsmerkmal "Vorhandensein rechtmäßiger Anlagen" geachtet worden sei. Andererseits sei auch mit einiger Sicherheit davon auszugehen, dass es eine Reihe von unzutreffenden Entscheidungen gegeben habe, die dem damaligen Regierungspräsidium nicht bekannt gewesen seien. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle dürfte das Stichtagskriterium nach Auffassung der Landesdirektion jedoch beachtet worden sein. Die Landesdirektion Leipzig sehe sich nicht betroffen, da dort die ersten Altrechtsfälle erst seit 1997 anhängig gewesen seien. Die Landesdirektion Chemnitz zeige ein differenziertes Bild. Danach sei das Tatbestandsmerkmal "Vorhandensein rechtmäßiger Anlagen" häufig nicht geprüft worden, auch sei bis etwa 2001 häufiger der 3. Oktober 1990 als Stichtag bestimmt worden. Ab März 1996 habe das Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft verstärkt begonnen, den Verwaltungsvollzug zu vereinheitlichen und aufsichtlich tätig zu werden.

55

c) Der Verband der Wasserkraftwerksbetreiber Sachsen und Sachsen-Anhalt e.V. hält die Verfassungsbeschwerde für begründet. Die Rechtsprechung und die Verwaltungspraxis im Freistaat Sachsen verstießen gegen Art. 14 Abs. 1 GG, gegen das Rechtsstaatsprinzip und das daraus abgeleitete Rückwirkungsverbot, den Vorbehalt des Gesetzes sowie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. § 136 Satz 2 SächsWG sei aus den gleichen Gründen verfassungswidrig.

56

d) Der Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke (BDW) e.V. hat sich dem angeschlossen.

57

e) Nach Auffassung des Landratsamts Erzgebirgskreis hat die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg.

58

Es bestünden bereits Zweifel an der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde, weil die Beschwerdeführer sich nicht auf das Eigentumsrecht, sondern nur auf eine zu ihren Gunsten bestehende Auflassungsvormerkung beriefen. Eine mögliche Rechtsverletzung der Beschwerdeführer scheide auch deshalb aus, weil aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse vor Ort eine Wiederinbetriebnahme der Wasserkraftanlage unmöglich sei und sich dieser Befund auch jedem aufgedrängt habe beziehungsweise habe aufdrängen müssen.

II.

59

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>) nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG (1). Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführer aus Art. 14 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, wobei es teilweise bereits an der Wahrung des Subsidiaritätsgrundsatzes (vgl. § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) mangelt (2).

60

1. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinreichend geklärt. Dies gilt insbesondere für den Gewährleistungsgehalt des Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. mit Blick auf das Wasserrecht insbesondere BVerfGE 58, 300) und die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts durch die Fachgerichte und den insoweit anzulegenden verfassungsgerichtlichen Prüfungsmaßstab (vgl. etwa BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 53, 352 <357 f.>; 81, 29 <31 f.>; vgl. auch BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juli 2001 - 1 BvR 432/00 -, juris).

61

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführer aus Art. 14 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

62

a) Mit dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. April 2005 - BVerwG 7 C 16.04 -, NVwZ 2005, S. 1076) ist davon auszugehen, dass alte Wasserrechte den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG genießen können. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn sie dem Einzelnen eine Rechtsposition verschaffen, die derjenigen eines Eigentümers entspricht (vgl. dazu BVerfGE 53, 257 <289>; 88, 384 <401>) und diese Rechtsposition auf nicht unerheblichen Eigenleistungen beruht (vgl. dazu BVerfGE 72, 9 <18 f.>; 97, 271 <284>; zuletzt BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 10. Juni 2009 - 1 BvR 198/08 -, juris Rn. 17). Demnach wird zumindest der Betrieb einer Wasserkraftanlage auf der Grundlage einer Erlaubnis nach § 23 Nr. 3 SächsWG 1909 durch das Eigentumsgrundrecht geschützt. Die Erlaubnis nach dem Sächsischen Wassergesetz 1909 wurde grundsätzlich unwiderruflich erteilt und konnte nur unter bestimmten Voraussetzungen widerrufen oder beschränkt werden (vgl. § 28, §§ 36 ff. SächsWG 1909; dazu Bell, ZfW 2004, S. 65 <71 f.>). Zur Ausübung einer solchen Gewässerbenutzung sind umfangreiche Investitionen für die Errichtung und Erhaltung der erforderlichen Anlagen notwendig. Diese tätigt der Anlagenbetreiber regelmäßig im Vertrauen auf den Bestand der Erlaubnis. Aufgrund dieser Verknüpfung der privatwirtschaftlichen Investitionen des Anlagenbetreibers mit den wasserrechtlichen Grundlagen des Anlagenbetriebs erstreckt sich der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz auch auf die durch die Erlaubnis gemäß § 23 Nr. 3 SächsWG 1909 vermittelte Rechtsposition.

63

b) Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Beschwerdeführer, die zu keinem Zeitpunkt Inhaber des alten Wasserrechts waren, sondern lediglich Inhaber einer Auflassungsvormerkung sind, sich unter Berufung auf Art. 14 Abs. 1 GG gegen das Erlöschen des alten Wasserrechts wenden können. Denn auch unter dieser Prämisse ist eine Grundrechtsverletzung nicht festzustellen.

64

c) aa) Die konkrete Reichweite des Schutzes durch die Eigentumsgarantie ergibt sich erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Sache des Gesetzgebers ist (vgl. BVerfGE 53, 257 <292>; 58, 81 <109 f.>; 72, 9 <22>; 116, 96 <124 f.>). Allerdings ist der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums nicht gänzlich frei. Er muss die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Dabei ist er an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden (vgl. etwa BVerfGE 100, 226 <240 f.>; 110, 1 <28>). Im Falle einer Änderung der Rechtsordnung muss der Gesetzgeber für Eingriffe in durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte subjektive Rechte legitimierende Gründe haben (vgl. BVerfGE 31, 275 <291>; 58, 81 <121>; 72, 9 <22 f.>). Regelungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, die zu solchen Eingriffen führen, sind nur zulässig, wenn sie durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sind. Die Eingriffe müssen zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet und erforderlich sein, insbesondere dürfen sie den Betroffenen nicht übermäßig belasten und für ihn deswegen unzumutbar sein (vgl. BVerfGE 21, 150 <155>; 31, 275 <290>; 36, 281 <293>; 58, 137 <148>; 72, 9 <23>; 117, 272 <294>; stRspr).

65

Aus der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung kann demnach nicht hergeleitet werden, dass eine vom Eigentumsrecht umfasste, vom Berechtigten ausgeübte Befugnis nach ihrem Entstehen für alle Zukunft uneingeschränkt erhalten bleiben müsse oder nur im Wege der Enteignung wieder genommen werden dürfte. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Neuordnung eines Rechtsgebietes nicht vor der Alternative steht, die alten Rechtspositionen zu konservieren oder gegen Entschädigung zu entziehen. Er kann im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG durch eine angemessene und zumutbare Überleitungsregelung individuelle Rechtspositionen umgestalten, wenn Gründe des Gemeinwohls vorliegen, die den Vorrang vor dem berechtigten - durch die Bestandsgarantie gesicherten - Vertrauen auf den Fortbestand eines wohl erworbenen Rechts verdienen (vgl. BVerfGE 31, 275 <285, 290>; 36, 281 <293>; 43, 242 <288>; 58, 300 <350 f.>).

66

bb) Die Gerichte haben bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts die durch die Eigentumsgarantie gezogenen Grenzen zu beachten und müssen die im Gesetz auf verfassungsmäßiger Grundlage zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachvollziehen, die den Grundrechtsschutz des Eigentümers beachtet und unverhältnismäßige Eigentumsbeschränkungen vermeidet (vgl. BVerfGE 53, 352 <357 f.>; 55, 249 <258>; 68, 361 <372 f.>; stRspr). Zwar sind die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den Einzelfall grundsätzlich allein Sache der dafür zuständigen Gerichte und einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 42, 64 <74>). Die Schwelle eines Verfassungsverstoßes, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, ist jedoch erreicht, wenn die Entscheidung der Gerichte Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Fall von einigem Gewicht sind (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 79, 292 <303>; stRspr).Dabei ist es den Gerichten nicht nur untersagt, die gesetzlich auferlegten Eigentumsbeschränkungen unverhältnismäßig zu verstärken und ihnen einen Inhalt zu geben, den auch der Gesetzgeber nur unter Verletzung der Eigentumsgewährleistung hätte festlegen können. Hat dieser in Wahrnehmung seiner Kompetenz aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gehandelt, ist es vielmehr auch ihre Aufgabe, die den gesetzlichen Regelungen zugrunde liegende und darin zum Ausdruck kommende Interessenbewertung nachzuvollziehen (vgl. BVerfGE 81, 29 <31 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juli 2001 - 1 BvR 432/00 -, juris Rn. 22).

67

d) Gemessen hieran ist ein Grundrechtsverstoß nicht festzustellen.

68

aa) § 136 Satz 2 SächsWG in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sächsischen Wassergesetzes vom 9. August 2004 (SächsGVBl S. 374) ist mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar.

69

(1) Unter Zugrundelegung der verfassungsrechtlich unbedenklichen Auslegung der Vorgängervorschriften durch die Ausgangsgerichte verkürzt § 136 Satz 2 SächsWG keine nach altem Recht gewährte Rechtsposition.

70

(a) Die Ausgangsgerichte gehen davon aus, dass das in § 136 Satz 2 SächsWG normierte Erfordernis des Vorhandenseins rechtmäßiger und funktionsfähiger Anlagen am 1. Juli 1990 bereits vor der Wiedervereinigung gemäß Art. 3 § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG in Verbindung mit § 15 WHG gültiges Recht der DDR gewesen ist.

71

Diese Auffassung dürfte zwar im Gegensatz zu der Kommentarliteratur zu § 15 und § 17 WHG stehen (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, 9. Aufl. 2007, § 15 Rn. 4 und 7, § 17 Rn. 1; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 15 Rn. 5c und 14 , § 17 Rn. 2a ; Pape, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, § 15 WHG Rn. 23 und 49 , § 17 Rn. 4 ). Jedenfalls wahrt sie aber die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfindung.

72

Die auf Sinn und Zweck der Stichtagsregelung abstellende Argumentation des Oberverwaltungsgerichts in dem Urteil vom 27. März 2007 (4 B 707/05, juris Rn. 38) erscheint vertretbar. Insbesondere verstößt sie nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Die - verschiedenen Deutungen zugänglichen - gesetzlichen Regelungen des Art. 3 § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG in Verbindung mit §§ 15 ff. WHG genügen auch mit dem Inhalt, den das Oberverwaltungsgericht ihnen gegeben hat, den Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 GG. Soweit die Regelungen vorliegend zur Überprüfung stehen (aa), begegnen sie keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie dienen einem legitimen Zweck (bb) und sind zu dessen Erreichung geeignet und erforderlich (cc). Auch erweisen sie sich als im engeren Sinne verhältnismäßig (dd).

73

(aa) Die verfassungsrechtliche Überprüfung beschränkt sich auf die vorliegend allein in Frage stehende Konstellation, dass ein altes Recht im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG bestand, zu dessen Ausübung Anlagen notwendig sind, die zum Stichtag des 1. Juli 1990 nicht vorhanden waren.

74

(bb) Dass Art. 3 § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG in Verbindung mit dem Wasserhaushaltsgesetz grundsätzlich alle Gewässerbenutzungen nach seinem Inkrafttreten der öffentlichrechtlichen Benutzungsordnung und damit dem Gestattungsverfahren gemäß §§ 2 ff. WHG unterwirft, dient dem legitimen Zweck, eine geordnete Bewirtschaftung des Wassers sicherzustellen (vgl. BVerfGE 58, 300 <328 f., 351>).

75

Mit der Stichtagsregelung des § 15 Abs. 1 WHG soll zum einen sichergestellt werden, dass nur tatsächlich ausgeübte alte Gewässerbenutzungen aufrechterhalten werden (so das Oberverwaltungsgericht im Urteil vom 27. März 2007 - 4 B 707/05 -, juris Rn. 38 und Pape, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, § 15 WHG Rn. 23 ). Darüber hinaus soll das Erfordernis des Vorhandenseins von Anlagen dafür sorgen, dass das Bestehen der Benutzung beziehungsweise des Benutzungsrechts nach außen erkennbar ist (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, 9. Aufl. 2007, § 15 Rn. 7; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 15 Rn. 13 ; Gieseke, ZfW 1964, S. 179 <181>).

76

(cc) Die gesetzliche Normierung eines Gestattungserfordernisses nach neuem Recht und seine Erstreckung auf solche früheren Gewässerbenutzungen, zu deren Ausübung Anlagen erforderlich, zum Stichtag aber nicht vorhanden sind, ist zur Erreichung dieser Ziele geeignet und erforderlich.

77

Dem Gesetzgeber steht kein milderes, die Betroffenen weniger belastendes Mittel zur Verfügung, mit dem er seine Ziele ebenso gut erreichen könnte. Insbesondere würde die uneingeschränkte Aufrechterhaltung alter Wasserrechte und die damit einhergehende Befreiung der Gewässerbenutzungen von der Gestattungspflicht nach neuem Recht dazu führen, dass diese Nutzungen sämtlich fortgeführt werden dürften, ohne dass die Anforderungen des Wasserhaushaltsgesetzes an Gewässerbenutzungen (vgl. § 6 WHG; künftig: § 12 WHG n.F.) überprüft würden.

78

(dd) Das Erfordernis des Vorhandenseins rechtmäßiger und funktionsfähiger Anlagen am 1. Juli 1990 genügt auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Es stellt keine unangemessene Belastung für die Inhaber alter Wasserrechte dar, dass (auch im Beitrittsgebiet) solche alten Nutzungsrechte nach Maßgabe des § 17 WHG erloschen sind, zu deren Ausübung Anlagen notwendig sind, am Stichtag des 1. Juli 1990 aber nicht vorhanden waren. § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG (in Verbindung mit § 17 WHG) ist in dieser Auslegung der Ausgangsgerichte mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar.

79

(aaa) § 15 Abs. 1 bis 3 WHG dient dem Bestandsschutz (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 14. April 2005 - BVerwG 7 C 16.04 -, NVwZ 2005, S. 1076 <1077>; Czychowski/Reinhardt, WHG, 9. Aufl. 2007, § 15 Rn. 1), indem er bestimmte bereits vorhandene Gewässernutzungen von der Gestattungspflicht nach neuem Recht ausnimmt. Nach der gesetzlichen Regelung spielt es dabei für die Anwendung der Stichtagsregelung jedenfalls im Ausgangspunkt keine Rolle, ob das Nichtvorhandensein funktionsfähiger Anlagen auf eine freie unternehmerische Entscheidung zurückgeht oder auf Umständen beruht, die der Unternehmer nicht zu vertreten hat.

80

Diese Anknüpfung an die tatsächlichen Verhältnisse begegnet im Grundsatz keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sofern eine Gewässernutzung nicht (mehr) ausgeübt wird und schon mangels Vorliegens der hierfür erforderlichen Anlagen nicht (mehr) ausgeübt werden kann, kann sie auch nicht (mehr) in ihrem Fortbestand geschützt werden. Die Überleitung alter Wasserrechte, die den Gewässerbenutzungen zugrunde liegen, dient keinem Selbstzweck und ist im Falle einer Neuordnung des Wasserrechts von Verfassungs wegen nicht in jedem Fall geboten. Die Bestandsinteressen solcher Inhaber alter Wasserrechte, die die Gewässerbenutzungen zum Stichtag nicht mehr ausüben und auch nicht mehr über die hierfür erforderlichen Anlagen verfügen, überwiegen die Belange einer geordneten Wasserwirtschaft nicht in einer Weise, die eine Aufrechterhaltung ihrer alten Wasserrechte erforderlich machen würde.

81

Grundsätzlich kann nur der Schutz eines tatsächlich vorhandenen und genutzten Bestandes von Verfassungs wegen geboten sein. Es kann daher dahinstehen, ob alte Wasserrechte gemäß § 23 Nr. 3 SächsWG 1909 als solche, das heißt unabhängig von ihrer Ausübung mittels hierfür errichteter Anlagen, von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt werden. Der Umfang des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes eines alten Wasserrechts hängt in jedem Fall maßgeblich von der Verknüpfung der durch das alte Wasserrecht vermittelten Rechtsposition mit den Investitionen in die zu seiner Ausübung geschaffenen Anlagen ab. Sofern am Stichtag keine funktionsfähigen Anlagen (mehr) vorhanden sind, kann das Erlöschen eines alten Wasserrechts typischerweise kein durch Investitionen betätigtes Vertrauen in den Fortbestand der alten Rechtslage mehr enttäuschen. Die Investitionen in die "alten" Anlagen zur Ausübung der Gewässernutzung können sich - sofern nicht bereits in der Vergangenheit geschehen - ohnehin nicht mehr beziehungsweise nur noch eingeschränkt amortisieren, die alten Anlagen müssten vor einer Wiederaufnahme der Gewässerbenutzung durch "neue" Investitionen erst wieder in Stand gesetzt werden beziehungsweise durch neue Anlagen ersetzt werden.

82

Das Erlöschen eines alten Wasserrechts hat überdies nicht zwangsläufig die Aufgabe der nach bisherigem Recht erlaubten Nutzung zur Folge. Vielmehr unterfällt die fragliche Gewässerbenutzung nur der Gestattungspflicht nach §§ 2 ff. WHG. Die weiteren Rechtsfolgen ergeben sich aus § 17 WHG, dessen Fristbestimmungen nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ab dem 1. Juli 1990 sinngemäß anzuwenden sind (vgl. Urteil vom 27. März 2007 - 4 B 707/05 -, juris Rn. 41).

83

Die Anwendung der Stichtagsregelung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG führte ausgehend hiervon bei Inkrafttreten des Wasserhaushaltsgesetzes im Beitrittsgebiet nach der gesetzlichen Konzeption nicht zu einem ersatz- und übergangslosen Erlöschen alter Wasserrechte. § 17 Abs. 2 und 3 WHG mildert in der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts die Belastung für die Inhaber alter Wasserrechte auch in der vorliegenden Konstellation jedenfalls in einer Weise ab, die eine Unverhältnismäßigkeit der Stichtagsregelung vermeidet. Anders als nach § 6 WHG, der die Erteilung einer wasserrechtlichen Gestattung in das Ermessen der zuständigen Behörde stellt, räumt § 17 Abs. 2 Satz 1 WHG dem Inhaber eines alten Wasserrechts einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Bewilligung nach § 8 WHG ein, sofern § 6 WHG dem nicht entgegensteht, das heißt soweit von der beabsichtigten Gewässerbenutzung keine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere keine Gefährdung der öffentlichen Wasserversorgung, zu erwarten ist. Ist dies der Fall und wird eine Bewilligung nach neuem Recht deswegen versagt, hat der Berechtigte nach § 17 Abs. 3 Satz 1 WHG einen Entschädigungsanspruch.

84

Eine spürbare Belastung der Inhaber alter Wasserrechte ergibt sich ausgehend von dem Vorstehenden vornehmlich dann, wenn die in Frage stehende Gewässerbenutzung nach neuem Recht nicht gestattungsfähig ist. Dann kann keine Bewilligung nach § 8 WHG erteilt werden und die Nutzung darf nicht wieder aufgenommen werden. Gerade in diesen Fällen aber sind die Gemeinwohlbelange, die den Bestandsinteressen der vormals Nutzungsberechtigten entgegenlaufen, gewichtig, da die in Frage stehenden Gewässerbenutzungen nicht den Anforderungen des § 6 WHG genügen.

85

(bbb) Die vorstehenden Ausführungen gelten auch unter Berücksichtigung der von den Beschwerdeführern beschriebenen besonderen Situation in der DDR. Dem Gesetzeber war die Anknüpfung an den status quo und die Nutzungssituation, wie sie im Beitrittsgebiet vor und bei der Wiedervereinigung bestanden hat und naturgemäß durch die Entwicklungen in den davor liegenden Jahrzehnten mitgeprägt wurde, nicht verwehrt. Die Beschwerdeführer müssen sich im Hinblick auf den Bestandsschutz für die Gewässernutzungen auf der Grundlage des alten Wasserrechts jedenfalls das Verhalten ihrer Rechtsvorgänger und die dadurch geprägte (Nutzungs-)Situation entgegenhalten lassen. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die vormalige Eigentümerstellung anderer Privatpersonen als auch die zwischenzeitliche Rechtsträgerschaft Volkseigener Betriebe zu Zeiten der DDR. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Überleitung des Eigentums an den Betriebsmitteln in das Eigentum der DDR beziehungsweise in das Volkseigentum, die nicht in den Verantwortungsbereich der dem Grundgesetz unterworfenen Bundesrepublik Deutschland fiel, rechtsstaatlichen Grundsätzen genügt. Jedenfalls endete die förmliche Rechtsstellung des vormaligen Privateigentümers (vgl. im Hinblick auf besatzungshoheitliche Enteignungen BVerfGE 112, 1 <21>) und standen die fraglichen Betriebe auf der Grundlage der Rechtsordnung der DDR nunmehr im Volkseigentum. Hiervon geht auch das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Urteil aus, ohne dass die Beschwerdeführer dies im Verfassungsbeschwerdeverfahren in Zweifel gezogen hätten. Jedenfalls unter Berücksichtigung der in § 17 WHG getroffenen Regelungen, die nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts auch auf die vorliegende Konstellation Anwendung finden, erweist sich die Rechtsfolge des Erlöschens des alten Wasserrechts in der Regel nicht als unangemessen.

86

(ccc) Mit Art. 14 Abs. 1 GG unvereinbare Härten, die sich infolge der gesetzlichen Stichtagsregelung in besonders gelagerten Einzelfällen möglicherweise ergeben können, lassen sich jedenfalls durch eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung der §§ 15, 17 WHG vermeiden. Zu denken ist daran etwa in Fällen, in denen eine Anlage kurz vor dem Stichtag durch ein Naturereignis zerstört und kurzfristig wieder errichtet wurde oder in denen eine Anlage im Verlauf von Umbauten oder Betriebsänderungen ab- und wiederaufgebaut wurde. Auch in der vom Bundesverwaltungsgericht in seiner Stellungnahme im vorliegenden Verfahren angesprochenen Konstellation, dass vorhandene Anlagen durch staatliche Stellen unter Verstoß gegen die (damals) geltende Rechtsordnung beseitigt wurden, ist zweifelhaft, ob es mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar ist, rechtswidrige Eingriffe des Staates als Anknüpfungspunkt für das Erlöschen einer dem Berechtigten vormals zustehenden Rechtsposition zu nehmen. Es erschiene in derartigen Fällen zum einen denkbar, im Rahmen des § 15 Abs. 1 WHG ungeachtet der tatsächlichen Verhältnisse vom Vorhandensein der Anlagen im Rechtssinne auszugehen. Alternativ käme in Betracht, § 17 Abs. 2 Satz 1 WHG dahingehend auszulegen, dass die zuständige Behörde bei der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung keine weiteren Anforderungen nach neuem Recht stellen darf, als sie bei einem aufrechterhaltenen Recht nach § 15 Abs. 4 Satz 3 in Verbindung mit § 5 WHG (gegebenenfalls in Verbindung mit § 138 SächsWG) möglich sind (so das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 14. April 2005 - BVerwG 7 C 16.04 -, NVwZ 2005, S. 1076 <1078> in Bezug auf § 38 des Wassergesetzes für das Land Sachsen-Anhalt).

87

(b) Die Ausgangsgerichte konnten ohne Verfassungsverstoß davon ausgehen, dass die Rechtslage in Bezug auf die Aufrechterhaltung alter Wasserrechte bis zum Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sächsischen Wassergesetzes am 1. September 2004 unverändert geblieben ist.

88

(aa) Der Regelungsgehalt des § 136 SächsWG 1993/1998 und insbesondere der systematische Zusammenhang dieser Vorschrift mit § 15 Abs. 1 bis 3 und § 17 WHG sind unklar.

89

Ausgehend von dem Wortlaut des § 136 SächsWG 1993/1998 erscheint es zum einen vertretbar, den Fortbestand alter Wasserrechte nicht vom Vorhandensein funktionstüchtiger Anlagen zu einem bestimmten Zeitpunkt abhängig zu machen, sondern die Fortgeltung und Gestattungsfreiheit aller gemäß § 46 des Wassergesetzes 1982 aufrechterhaltenen Gewässerbenutzungen anzunehmen (so Kotulla, WHG, 2002, § 15 Rn. 19; weniger eindeutig Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 15 Rn. 5c, 14 ; Czychowski/Reinhardt, WHG, 9. Aufl. 2007, § 15 Rn. 4, 7, 11; Pape, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, § 15 WHG Rn. 23, 49 und 63 ).

90

Demgegenüber gehen das Sächsische Justizministerium und die Ausgangsgerichte - bei im Einzelnen wiederum differierendem Verständnis der Vorschrift - im Ergebnis übereinstimmend davon aus, dass § 136 Abs. 1 SächsWG 1993/1998 das Erfordernis des Vorhandenseins funktionsfähiger Anlagen am 1. Juli 1990 unberührt gelassen habe. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts in dem Urteil vom 27. März 2007 (4 B 707/05, juris Rn. 38), auf das der hier angegriffene Beschluss vom 25. November 2008 verweist, bezieht sich § 136 Abs. 1 SächsWG 1993/1998 schon nach seinem Wortlaut nicht auf § 15 Abs. 1 bis 3 WHG. Eine Regelung, welche die Gestattungsfreiheit der Gewässernutzung nicht davon abhängig mache, dass zu ihrer Ausübung zu einem bestimmten Zeitpunkt rechtmäßige Anlagen vorhanden seien, wäre nicht mit § 15 Abs. 1 WHG vereinbar gewesen. Dieser ermächtige die Länder nur dazu, einen von § 15 Abs. 1 WHG abweichenden Stichtag zu bestimmen. Im Übrigen wendet das Oberverwaltungsgericht, das § 15 WHG mit Blick auf die Frage des Fortbestandes alter Wasserrechte offenbar als "Sonderregelung" zu § 136 SächsWG 1993/1998 ansieht (so wohl auch Habel/Zeppernick, Das Wasserrecht in Sachsen, § 136 SächsWG Rn. 1 ), § 15 WHG unmittelbar an.

91

(bb) § 136 Abs. 1 SächsWG 1993/1998 ist demnach verschiedenen Auslegungsvarianten zugänglich, die allerdings sämtlich Unklarheiten in der argumentativen Herleitung nicht vermeiden können und von denen sich daher keine in einer Weise aufdrängt, die ein abweichendes Verständnis als verfassungswidrig erscheinen ließe. Auch die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts mag einfachrechtlich diskussionswürdig sein. Sie lässt jedoch keine Fehler erkennen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Eigentumsgrundrechts beruhen.

92

(2) § 136 Satz 2 SächsWG verstößt ausgehend hiervon nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG.

93

(a) Die ausdrückliche Aufnahme der Stichtagsregelung hat auf der Grundlage der Rechtsauffassung der Ausgangsgerichte lediglich deklaratorischen Charakter und schreibt die bereits davor gültige Rechtslage klarstellend fest. Im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot und den Grundsatz des Vertrauensschutzes bestehen daher insoweit keine Bedenken.

94

(b) Dies gilt auch unter Berücksichtigung der mit Blick auf die Stichtagsregelung zunächst bestehenden Rechtsunsicherheiten und das diesbezügliche behördliche Vollzugsdefizit in den Jahren nach der Wiedervereinigung.

95

(aa) Die einschlägigen Vorgängervorschriften (Art. 3 § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG sowie § 136 Abs. 1 SächsWG 1993/1998) ließen ihrem Wortlaut nach nicht erkennen, dass zum 1. Juli 1990 rechtmäßige Anlagen vorhanden sein mussten und dass bis zum 30. Juni 1995 ein Antrag gemäß § 17 WHG gestellt werden konnte beziehungsweise musste. Auch wurde die Stichtagsregelung in der Verwaltungspraxis der sächsischen Behörden jedenfalls in den Jahren nach der Wiedervereinigung offenbar nur unzureichend beachtet. Teilweise wurde auf den 12. August 1957 abgestellt, teilweise auf das Vorhandensein rechtmäßiger funktionsfähiger Anlagen vollständig verzichtet.

96

(bb) Dieser Befund führt jedoch nicht zur Verfassungswidrigkeit des § 136 Satz 2 SächsWG.

97

Denn die "abfedernde" Regelung des § 17 WHG ist jedenfalls einer verfassungskonformen Auslegung und Anwendung zugänglich. Eine solche kann hier unbeschadet der Frage geboten sein, ob die in § 17 WHG getroffenen Regelungen von Verfassungs wegen zwingend erforderlich waren (aaa). Dies ist allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen der Fall (bbb). Im Rahmen des § 17 Abs. 1 Satz 2 WHG kommt in diesen Fällen die Gewährung von Nachsicht in Betracht, im Rahmen des § 17 Abs. 2 WHG die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (ccc).

98

(aaa) Eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung kann hier unbeschadet der Frage erforderlich sein, ob die in § 17 WHG getroffenen Regelungen von Verfassungs wegen zwingend geboten waren. Denn - wie bereits dargestellt - verpflichtet Art. 14 Abs. 1 GG die Gerichte, die den gesetzlichen Regelungen zugrunde liegende und darin zum Ausdruck kommende Interessenbewertung nachzuvollziehen (vgl. BVerfGE 81, 29 <31 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juli 2001 - 1 BvR 432/00 -, juris Rn. 22).

99

(bbb) Eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung der Fristbestimmungen des § 17 WHG ist allerdings nicht in jedem Fall geboten.

100

Zwar konnten die Inhaber alter Rechte den vormals einschlägigen Vorschriften (zunächst §§ 15, 17 WHG und später auch § 136 SächsWG 1993/1998) die Obliegenheit zur Stellung eines Antrags innerhalb der Fristen des § 17 WHG nicht zweifelsfrei entnehmen.

101

Allerdings ist bei der Beurteilung der Erforderlichkeit einer verfassungskonformen Auslegung des § 17 WHG auch das Regel-/Ausnahmeverhältnis zu berücksichtigen, in dem die Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes über die Gestattungspflicht von Gewässerbenutzungen (§§ 2 ff. WHG) zu § 15 WHG (in Verbindung mit den ausgestaltenden landesgesetzlichen Regelungen, hier § 136 SächsWG), § 17 WHG stehen: Die mit dem Betrieb einer Wasserkraftanlage verbundenen Gewässernutzungen bedürfen als solche zweifelsohne der Gestattung gemäß §§ 2 ff. WHG. Deren Erteilung steht gemäß § 6 WHG grundsätzlich im Ermessen der zuständigen Behörde. Eine Wasserkraftanlage kann unter Geltung des Wasserhaushaltsgesetzes ohne wasserrechtliche Gestattung gemäß §§ 7 ff. WHG daher jedenfalls nur betrieben werden, wenn eine gesetzlich geregelte Ausnahme von der Gestattungspflicht einschlägig ist. Eine solche konnte sich für alte Rechte und Befugnisse aus § 15 WHG (in Verbindung mit § 136 SächsWG 1993/1998) ergeben. Abweichend von der generellen Regelung des § 6 WHG kann im Fall des § 17 Abs. 2 WHG ausnahmsweise ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Bewilligung, gegebenenfalls auf eine Entschädigung (vgl. § 17 Abs. 3 WHG) bestehen. Wollten somit aber die Inhaber alter Wasserrechte aus den genannten Vorschriften, über deren Regelungsgehalt Unklarheit bestand, für sich günstige Rechtsfolgen in Gestalt der Gestattungsfreiheit der ausgeübten Gewässerbenutzungen (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG), der vorläufigen Befugnis zur Ausübung der Gewässerbenutzungen ohne neue wasserrechtliche Gestattung (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG) beziehungsweise des Anspruchs auf Erteilung einer Erlaubnis oder gegebenenfalls einer Entschädigung (vgl. § 17 Abs. 2 und 3 WHG) ableiten, hätte es ihnen oblegen, sich über den Inhalt dieser Vorschriften sowie die diesbezügliche behördliche Vollzugspraxis Klarheit zu verschaffen und gegebenenfalls die Feststellung ihres alten Wasserrechts zu begehren. Sie durften angesichts der unklaren Rechtslage nicht ohne Weiteres darauf vertrauen, dass die Vorschriften in der von ihnen für richtig gehaltenen Auslegung Anwendung finden würden.

102

Eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung des § 17 WHG ist demnach nur dann geboten, wenn im konkreten Einzelfall der Inhaber eines alten Wasserrechts aufgrund eines behördlichen (Fehl-)Verhaltens bei der Anwendung der einschlägigen Rechtsvorschriften davon ausgehen durfte, dass es auf das Vorhandensein funktionsfähiger Anlagen zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht ankomme, das alte Wasserrecht gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG fortbestehe und daher keine Gestattung nach dem Wasserhaushaltsgesetz und somit auch kein Antrag gemäß § 17 WHG erforderlich sei. Anlass zu einer derartigen Annahme können etwa behördliche Auskünfte gegenüber dem Betroffenen selbst geben oder aber eine ständige behördliche Praxis, von der der Betroffene Kenntnis hatte und aufgrund derer er von der Einholung behördlicher Auskünfte oder der Stellung eines Antrages gemäß § 17 WHG abgesehen hat. Gleiches gilt in Fällen, in denen die Behörde etwa im Rahmen des Verfahrens zur Bewilligung von Fördergeldern zunächst die Gestattungsfreiheit des Betriebs der Wasserkraftanlage bestätigt hat.

103

(ccc) § 17 Abs. 1 Satz 2 WHG ist - soweit nach dem eben Ausgeführten geboten - einer verfassungskonformen Auslegung und Anwendung auch dann zugänglich, wenn man eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Rahmen des § 17 Abs. 1 WHG für ausgeschlossen erachtet (so Pape, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, § 17 WHG Rn. 30 ; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 17 Rn. 15 ). So ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass sich Behörden unter bestimmten engen Voraussetzungen nicht auf den Ablauf einer die weitere Rechtsverfolgung abschneidenden oder die Anspruchsberechtigung vernichtenden Ausschlussfrist berufen dürfen (vgl. BVerwGE 101, 39 <45> m.w.N.). Diese Grundsätze lassen sich auf die Wahrung der in § 17 Abs. 1 WHG geregelten Frist übertragen.

104

Bei der in § 17 Abs. 2 WHG geregelten Frist handelt es sich um eine verfahrensrechtliche Ausschlussfrist, so dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässig ist (vgl. Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 17 Rn. 23 ; Pape, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, § 17 WHG Rn. 35 ).

105

Hinsichtlich der Voraussetzungen, unter denen die Gewährung von Nachsicht beziehungsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Verfassungs wegen geboten sein kann, wird auf die vorstehenden Ausführungen (bbb) verwiesen.

106

bb) Die Verfassungsbeschwerde hat auch keine Aussicht auf Erfolg, soweit sie sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 1. November 2006 und den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 25. November 2008 richtet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen jedenfalls im Ergebnis das Grundrecht der Beschwerdeführer aus Art. 14 Abs. 1 GG nicht.

107

(1) Hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des § 136 Satz 2 SächsWG und der diesbezüglichen Erwägungen der Ausgangsgerichte wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Dies gilt auch und insbesondere mit Blick auf die Fragestellungen, die sich aus der (zunächst) unterbliebenen beziehungsweise unzureichenden Umsetzung des Erfordernisses des Vorhandenseins rechtmäßiger funktionsfähiger Anlagen in der sächsischen Verwaltungspraxis und der verwaltungsgerichtlichen Klärung des Regelungsgehaltes des § 15 WHG in Verbindung mit § 136 SächsWG 1993/1998 erst nach Ablauf der in § 17 WHG geregelten Fünfjahresfrist ergeben.

108

(2) Auch im Übrigen ist ein Verfassungsverstoß bei der Auslegung und Anwendung der vorgenannten Vorschriften durch die Ausgangsgerichte nicht festzustellen.

109

(a) Dies gilt zunächst insoweit, als das Verwaltungsgericht das Vorhandensein rechtmäßiger funktionsfähiger Anlagen am Stichtag des 1. Juli 1990 verneint hat.

110

(aa) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Rechtsauffassung und die ihr zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen haben die Beschwerdeführer jedenfalls innerhalb der Begründungsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG nicht substantiiert geltend gemacht. Da auch ihr Antrag auf Zulassung der Berufung im Ausgangsverfahren keine diesbezüglichen Ausführungen enthält, stünde einer Prüfung im vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren zudem schon der Grundsatz der Subsidiarität (vgl. § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) entgegen.

111

(bb) Es erscheint nach dem oben Ausgeführten zwar fraglich, ob die Auffassung des Verwaltungsgerichts, es komme nicht darauf an, ob die Verfüllung des Betriebsgrabens widerrechtlich vorgenommen worden sei, mit Art. 14 Abs. 1 GG in Einklang steht. Letztlich kann dies aber offenbleiben. Denn die Beschwerdeführer haben diese Frage mit der Verfassungsbeschwerde nicht aufgegriffen und auch in tatsächlicher Hinsicht hierzu nichts vorgetragen. Überdies haben sie das Urteil des Verwaltungsgerichts auch insoweit nicht mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung angegriffen, so dass es an der Wahrung des Subsidiaritätsgrundsatzes mangelt.

112

(cc) Abgesehen von der gegebenenfalls widerrechtlichen Verfüllung des Betriebsgrabens durch staatliche Stellen liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Annahme des Erlöschens des alten Wasserrechts gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 14 Abs. 1 GG verstoßen könnte.

113

Nach den von den Beschwerdeführern nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts wird die Wasserkraftanlage schon seit mehr als 20 Jahren nicht mehr betrieben. Die Nutzungsaufgabe beruhte - soweit ersichtlich - auch nicht auf den von den Beschwerdeführern ins Feld geführten Materialengpässen zu DDR-Zeiten, sondern auf einem verminderten Wasserzufluss infolge eines Talsperrenbaus und der Verfüllung des Betriebsgrabens im Zuge eines Straßenausbaus. Das Verwaltungsgericht weist in dem angegriffenen Urteil überdies nachvollziehbar darauf hin, dass sowohl die baulichen Anlagen des Mühlgrabens, soweit sie als Mauern noch vorhanden seien, als auch des Wasserschlosses in den inzwischen mehr als 20 Jahren ihrer Nichtnutzung in der Substanz Veränderungen erfahren hätten, die die Wiederinbetriebnahme in Frage stellen könnten und jedenfalls eine statisch-bautechnische Prüfung erforderten.

114

(b) Ob das Verwaltungsgericht ohne Verfassungsverstoß davon ausgehen konnte, dass sich die Beschwerdeführer schon deswegen nicht auf § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 WHG berufen könnten, weil jedenfalls kein entsprechender Antrag gestellt worden sei und die bis zum 30. Juni 1995 laufende Schonfrist schon damals, als die Beschwerdeführer im Jahr 1999 den Kaufvertrag über die betreffenden Grundstücke geschlossen hätten, längst verstrichen gewesen sei, erscheint zweifelhaft. Gleiches gilt für die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zu § 17 WHG.

115

Letztlich bedarf aber auch diese Frage keiner Entscheidung. Denn es ist auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens nicht ersichtlich, dass die Gerichte gemessen an den oben dargestellten Maßstäben im Ergebnis von Verfassungs wegen gehindert gewesen wären, den Beschwerdeführern den Ablauf der Fünfjahresfrist des § 17 WHG entgegenzuhalten und dass die angegriffenen Entscheidungen auf einem etwaigen diesbezüglichen Grundrechtsverstoß beruhen könnten. Die Beschwerdeführer haben weder substantiiert vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass sie oder die derzeitigen Eigentümerinnen aufgrund eines Fehlverhaltens der Behörden bei der Anwendung der § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG, § 136 SächsWG 1993/1998 von der fristgemäßen Stellung eines Antrages gemäß § 17 WHG abgesehen hätten. Allein die lange Zeit bestehenden Unklarheiten über die Rechtslage und die allgemeinen Unzulänglichkeiten des Verwaltungsvollzuges reichen hierfür - wie bereits dargestellt - nicht aus.

116

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

117

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Überleitung alter Wasserrechte nachdem Sächsischen Wassergesetz.

I.

2

1. a) Am 27. Juli 1957 erließ der Bund aufgrund seiner Rahmenkompetenz nach Art. 75 Nr. 4 GG in der damals gültigen Fassung das Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz), das am 12. August 1957 im Bundesgesetzblatt verkündet wurde (BGBl I S. 1110) und gemäß § 45 WHG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes vom 19. Februar 1959 (BGBl I S. 37) am 1. März 1960 in Kraft trat.

3

Jede Gewässerbenutzung bedarf nach § 2 des Wasserhaushaltsgesetzes in der den Ausgangsentscheidungen zugrunde liegenden, bis zum 28. Februar 2010 gültigen Fassung (im Folgenden: WHG; ab 1. März 2010: § 8 WHG in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Wasserrechts vom 31. Juli 2009 ) grundsätzlich einer behördlichen Zulassung in Gestalt der Erlaubnis (§ 7 WHG) oder der Bewilligung (§ 8 WHG; künftig: § 10 WHG n.F.). Die beim Inkrafttreten des Wasserhaushaltsgesetzes bereits bestehenden Gewässerbenutzungen haben in den §§ 15 bis 17 WHG (künftig: §§ 20 f. WHG n.F.) eine differenzierte Behandlung erfahren. Die Vorschriften haben folgenden Wortlaut:

4

§ 15 Alte Rechte und alte Befugnisse

5

(1) Eine Erlaubnis oder eine Bewilligung ist, soweit die Länder nichts anderes bestimmen, nicht erforderlich für Benutzungen

6

1. auf Grund von Rechten, die nach den Landeswassergesetzen erteilt oder durch sie aufrechterhalten worden sind,

7

2. auf Grund von Bewilligungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über Vereinfachungen im Wasser- und Wasserverbandsrecht vom 10. Februar 1945 (RGBl. I S. 29),


8

3. auf Grund einer nach der Gewerbeordnung erteilten Anlagegenehmigung,

9

zu deren Ausübung am 12. August 1957 oder zu einem anderen von den Ländern zu bestimmenden Zeitpunkt rechtmäßige Anlagen vorhanden sind.

10

(2) Eine Erlaubnis oder eine Bewilligung ist ferner nicht erforderlich für Benutzungen auf Grund gesetzlich geregelter Planfeststellungsverfahren oder auf Grund hoheitlicher Widmungsakte für Anlagen des öffentlichen Verkehrs, zu deren Ausübung am 12. August 1957 rechtmäßige Anlagen vorhanden sind.

11

(3) Die Länder können andere in einem förmlichen Verfahren auf Grund der Landeswassergesetze zugelassene Benutzungen den in Absatz 1 genannten Benutzungen gleichstellen.

12

(4) Die in den Absätzen 1 bis 3 bezeichneten Rechte und Befugnisse (alte Rechte und alte Befugnisse) können gegen Entschädigung widerrufen werden, soweit von der Fortsetzung der Benutzung eine erhebliche Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit zu erwarten ist. Sie können ohne Entschädigung, soweit dies nicht schon nach dem vor dem 1. Oktober 1976 geltenden Recht zulässig war, widerrufen werden,

13

1. wenn der Unternehmer die Benutzung drei Jahre ununterbrochen nicht ausgeübt hat,

14

2. soweit die Benutzung im bisher zulässigen Umfang für den Unternehmer nicht mehr erforderlich ist; dies gilt insbesondere, wenn der zulässige Umfang drei Jahre lang erheblich unterschritten wurde,

15

3. wenn der Unternehmer den Zweck der Benutzung so geändert hat, dass er mit der festgelegten Zweckbestimmung nicht mehr übereinstimmt,

16

4. wenn der Unternehmer trotz einer mit der Androhung der Aufhebung verbundenen Warnung die Benutzung über den Rahmen des alten Rechts oder der alten Befugnis hinaus erheblich ausgedehnt oder Bedingungen oder Auflagen nicht erfüllt hat.

17

Unberührt bleibt die Zulässigkeit nachträglicher Anforderungen und Maßnahmen ohne Entschädigung nach § 5.

18

§ 16 Anmeldung alter Rechte und alter Befugnisse

19

(…)

20

§ 17 Andere alte Benutzungen

21

(1) Eine Erlaubnis oder eine Bewilligung wird erst nach Ablauf von fünf Jahren seit dem 1. März 1960 erforderlich für Benutzungen, die über die nach diesem Gesetz erlaubnisfreie Benutzung hinausgehen, soweit sie am 1. März 1960

22

1. auf Grund eines Rechts oder einer Befugnis der in § 15 Abs. 1 und 2 genannten Art ausgeübt werden durften, ohne dass zu dem dort genannten Zeitpunkt rechtmäßige Anlagen vorhanden waren, oder

23

2. auf Grund eines anderen Rechts oder in sonst zulässiger Weise ausgeübt werden durften; für Benutzungen, die nur mittels Anlagen ausgeübt werden können, gilt dies nur, wenn zu dem in § 15 Abs. 1 genannten Zeitpunkt rechtmäßige Anlagen vorhanden waren.

24

Ist eine Erlaubnis oder eine Bewilligung vor Ablauf der fünf Jahre beantragt worden, so darf die Benutzung bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über den Antrag fortgesetzt werden.

25

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist dem Inhaber eines Rechts auf seinen fristgemäß gestellten Antrag eine Bewilligung im Umfang seines Rechts zu erteilen; § 6 bleibt unberührt. Der Anspruch auf eine Bewilligung nach Satz 1 besteht nicht, soweit nach dem am 1. März 1960 geltenden Recht die Aufhebung oder Beschränkung des Rechts ohne Entschädigung zulässig war.

26

(3) Wird in den Fällen des Absatzes 2 auf Grund des § 6 eine Bewilligung versagt oder nur in beschränktem Umfang erteilt, so steht dem Berechtigten ein Anspruch auf Entschädigung zu. Dies gilt nicht, soweit nach dem am 1. März 1960 geltenden Recht die Aufhebung oder die Beschränkung des Rechts ohne Entschädigung zulässig war.

27

b) Auf dem Gebiet des Freistaates Sachsen wurde das Sächsische Wassergesetz vom 12. März 1909 (Gesetz und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen S. 227; im Folgenden: SächsWG 1909) durch das Gesetz der DDR über den Schutz, die Nutzung und die Instandhaltung der Gewässer und den Schutz vor Hochwassergefahren vom 17. April 1963 (im Folgenden: Wassergesetz 1963; GBl-DDR I S. 77) ersetzt.

28

An dessen Stelle trat später das Wassergesetz der DDR vom 2. Juli 1982 (im Folgenden: Wassergesetz 1982; GBl-DDR I S. 467). § 46 des Wassergesetzes 1982 bestimmte, dass aufgrund früherer wasserrechtlicher Vorschriften getroffene Entscheidungen ihre Gültigkeit behielten.

29

Durch Art. 3 § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Umweltrahmengesetzes der DDR vom 29. Juni 1990 (im Folgenden: URG; GBl-DDR S. 649) wurde zum 1. Juli 1990 das Wasserhaushaltsgesetz auf dem Gebiet der DDR in Kraft gesetzt. Das Wassergesetz 1982 blieb gemäß Art. 3 § 2 Abs. 2 URG in Kraft, soweit es dem Wasserhaushaltsgesetz nicht widersprach.

30

Seit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 gilt das Wasserhaushaltsgesetz gemäß Art. 8 des Einigungsvertrages (EV) vom 31. August 1990 (BGBl II S. 885) als Bundesrecht fort. Das Wassergesetz 1982 galt nach Art. 9 EV zunächst als Landesrecht weiter.

31

Am 13. März 1993 trat das Sächsische Wassergesetz (SächsWG) vom 23. Februar 1993 (im Folgenden: SächsWG 1993; SächsGVBl S. 201) in Kraft, das am 20. August 1998 in der ab 13. August 1998 geltenden Neufassung bekannt gemacht wurde (im Folgenden: SächsWG 1998; SächsGVBl S. 393). Gemäß § 141 SächsWG 1993/1998 wurde das Wassergesetz 1982 aufgehoben.

32

§ 136 SächsWG 1993 regelte die Überleitung alter wasserrechtlicher Entscheidungen. Die Vorschrift lautete:

33

§ 136 (zu § 15 WHG) Alte wasserrechtliche Entscheidungen

34

(1) Wasserrechtliche Entscheidungen, die nach dem Wassergesetz (WG) vom 2. Juli 1982 (GBl. I Nr. 26 S. 467) und den dazu erlassenen Durchführungsverordnungen und Durchführungsbestimmungen getroffen wurden oder aufgrund der genannten Regelung fortbestehen, behalten ihre Gültigkeit. § 15 Abs. 4 WHG ist entsprechend anwendbar.

35

(2) Bereits begonnene Verfahren sind nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu Ende zu führen. Wurden im Rahmen des begonnenen Verfahrens die Unterlagen ausgelegt und ist die Einwendungsfrist abgelaufen, so ist das Verfahren nach altem Recht zu Ende zu führen.

36

§ 136 SächsWG 1998 ist wortlautgleich. Lediglich in der Überschrift ist der Zusatz "(zu § 15 WHG)" nicht mehr enthalten.

37

Durch Art. 1 Nr. 94 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sächsischen Wassergesetzes vom 9. August 2004 (SächsGVBl S. 374), in Kraft getreten am 1. September 2004, wurde § 136 Abs. 2 SächsWG 1993/1998 gestrichen und im bisherigen Absatz 1 ein neuer Satz 2 eingefügt. § 136 SächsWG lautet seitdem:

38

§ 136 Alte Wasserrechtliche Entscheidungen

39

Wasserrechtliche Entscheidungen, die nach dem Wassergesetz (WG) vom 2. Juli 1982 (GBl. I Nr. 26 S. 467) und den dazu erlassenen Durchführungsverordnungen und Durchführungsbestimmungen getroffen wurden oder aufgrund der genannten Regelung fortbestehen, behalten ihre Gültigkeit. Eine Erlaubnis oder Bewilligung ist nicht erforderlich für Benutzungen aufgrund eines alten Rechtes oder einer alten Befugnis im Sinne von § 15 WHG, zu deren Ausübung am 1. Juli 1990 rechtmäßige und funktionsfähige Anlagen vorhanden waren. § 15 Abs. 4 WHG ist entsprechend anwendbar.

40

2. a) Die Beschwerdeführer schlossen im Jahr 1999 einen Kaufvertrag über mehrere Flurstücke an der Z... Mulde, auf denen sich eine Wehranlage und das ehemalige Grabensystem einer früheren Wasserkraftanlage befinden. Seit 23. Juni 1999 ist für die Beschwerdeführer im Grundbuch eine Auflassungsvormerkung eingetragen. Als Eigentümer wurden sie bislang nicht eingetragen.

41

Die frühere Wasserkraftanlage bestand seit unvordenklichen Zeiten. In den Altunterlagen wird Bezug genommen auf Genehmigungen aus den Jahren 1891 und 1913. Laut Wasserbucheintrag vom 9. März 1939 wurde den damaligen Betreibern die Erlaubnis zum Betrieb der Wasserkraftanlage mit drei Turbinen erteilt.

42

Aufgrund eines Talsperrenbaus reichte das in der Z... Mulde geführte Wasser seit Mitte der 1970er Jahre zur Deckung des benötigten Betriebswasserbedarfs nicht mehr aus. Der Mühlgraben wurde seit 1976 als Entnahmestelle von Produktionswasser für die Rohpappenproduktion genutzt. Rechtsträger der Betriebsgrundstücke war damals ein Volkseigener Betrieb. Im Jahr 1983 erfolgte die Planung der Instandsetzung einer jetzigen Kreisstraße. Im Zuge der Baumaßnahmen wurde der parallel zur Straße verlaufende Betriebsgraben (teilweise) verfüllt.

43

Im September 1999 wandten sich die Beschwerdeführer mit Blick auf die beabsichtigte Wiederinbetriebnahme der Wasserkraftanlage an das zuständige Landratsamt. Dieses stellte mit Bescheid vom 8. Juni 2000 fest, dass ein Wasserbenutzungsrecht für die Stauanlage nicht bestehe. Den Widerspruch der Beschwerdeführer wies das Regierungspräsidium mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2002 im Wesentlichen zurück.

44

b) Hiergegen erhoben die Beschwerdeführer Klage und begehrten zuletzt, den beklagten Landkreis unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zu verpflichten, einen feststellenden Verwaltungsakt des Inhalts zu erlassen, dass die Beschwerdeführer berechtigt seien, die Wasserkraftanlage aufgrund einer altrechtlichen Gestattung gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG wieder in Betrieb zu nehmen, ohne dass es hierzu einer Erlaubnis oder Bewilligung bedürfe.

45

Die Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 1. November 2006 abgewiesen. Ein den Betrieb der Wasserkraftanlage umfassender altrechtlicher Bestandsschutz gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG bestehe nicht, weswegen die Anlage ohne eine Gestattung neuen Rechts (Erlaubnis oder Bewilligung, §§ 7, 8 WHG) nicht betrieben werden dürfe (§ 2 WHG). Die Erlaubnis für eine Stauanlage zu einem Wassertriebwerk habe zwar am 1. Juli 1990 noch Bestand gehabt. Allerdings stehe fest, dass am Stichtag (1. Juli 1990) rechtmäßige Anlagen zur Ausübung des alten Stau- und Triebwerksrechts nicht mehr vorhanden gewesen seien.

46

Den hiergegen gerichteten Antrag der Beschwerdeführer auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 25. November 2008 ab. Der Senat habe mit rechtskräftigem Grundsatzurteil vom 27. März 2007 (4 B 707/05, veröffentlicht in juris) entschieden, dass § 15 WHG in der ehemaligen DDR über Art. 3 § 2 URG mit der Maßgabe in Kraft getreten sei, dass der Stichtag des 1. Juli 1990 maßgeblich sei, im Freistaat Sachsen mit diesem Inhalt fortgelte und dies durch § 136 Satz 2 SächsWG in der am 1. September 2004 in Kraft getretenen Fassung - verfassungsrechtlich unbedenklich - klargestellt worden sei.

47

3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde greifen die Beschwerdeführer unmittelbar die gerichtlichen Entscheidungen und mittelbar § 136 Satz 2 SächsWG an. Sie rügen eine Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG.

48

Das alte Wasserrecht zum Betrieb der Wasserkraftanlage stelle eine von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition dar. Das Erlöschen einer solchen könne nur durch einen ausdrücklich geregelten gesetzlichen Verlusttatbestand bewirkt werden. An einem solchen fehle es hier. Bis zu Beginn des Jahres 1999 sei bei der Prüfung von Altrechtsfällen in Sachsen das Vorhandensein rechtmäßiger Anlagen zu einem bestimmten Stichtag richtigerweise nicht gefordert worden.

49

Wolle man § 136 SächsWG demgegenüber dahingehend auslegen, dass alte Wasserrechte mit Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sächsischen Wassergesetzes erloschen seien, sofern am Stichtag des 1. Juli 1990 keine rechtmäßigen funktionsfähigen Anlagen vorhanden gewesen seien, stelle sich § 136 SächsWG als verfassungswidrige Inhalts- und Schrankenbestimmung dar. Der ersatz- und übergangslose Verlust alter Wasserbenutzungsrechte, zu deren Ausübung am 1. Juli 1990 keine rechtmäßigen funktionsfähigen Anlagen vorhanden gewesen seien, sei unverhältnismäßig.

50

4. Zu der Verfassungsbeschwerde haben das Bundesverwaltungsgericht, das Sächsische Staatsministerium der Justiz, der Verband der Wasserkraftwerksbetreiber Sachsen- und Sachsen-Anhalt e.V., der Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke (BDW) e.V., das Landratsamt Erzgebirgskreis und die Landesregierung Brandenburg Stellung genommen.

51

a) Das Bundesverwaltungsgericht hat auf seine Entscheidungen vom 14. April 2005 (BVerwG 7 C 16.04 und BVerwG 7 C 8.04, jeweils veröffentlicht in juris) verwiesen. Es sei anzunehmen, dass Wasserrechte gemäß § 49 SächsWG 1909 Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG darstellten. Die landesgesetzlichen Regelungen, die bei der Überleitung alter Wasserrechte in das System des Wasserhaushaltsgesetzes unter bestimmten Voraussetzungen das Erlöschen alter Rechte anordneten, stellten eine Neubestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Eine Übergangsregelung zugunsten solcher Rechte, zu deren Ausübung rechtmäßige und funktionsfähige Anlagen nicht mehr vorhanden seien, sei verfassungsrechtlich nicht geboten. Zu erwägen sei allenfalls, ob bezogen auf die in Rede stehende Voraussetzung rechtmäßiger und funktionsfähiger Anlagen ein ersatzloses Erlöschen der alten Wasserrechte dann zu beanstanden sei, wenn ursprünglich vorhandene Anlagen unter Verstoß gegen die geltende Rechtsordnung durch staatliche Stellen beseitigt worden seien. Einen solchen Sachverhalt habe das Verwaltungsgericht aber nicht festgestellt.

52

b) Das Sächsische Staatsministerium der Justiz hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet.

53

Soweit ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG vorliege, sei er gerechtfertigt. § 136 Satz 2 SächsWG habe lediglich deklaratorische Bedeutung.

54

Das Sächsische Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft habe zur Verwaltungspraxis im Zeitraum von 1990 bis März 1996 bei den drei Landesdirektionen eine kurzfristige Erhebung vorgenommen. Die Landesdirektion Dresden habe mitgeteilt, dass seit dem Beginn regelmäßiger Dienstberatungen ab Ende 1992/Anfang 1993 auf das Tatbestandsmerkmal "Vorhandensein rechtmäßiger Anlagen" geachtet worden sei. Andererseits sei auch mit einiger Sicherheit davon auszugehen, dass es eine Reihe von unzutreffenden Entscheidungen gegeben habe, die dem damaligen Regierungspräsidium nicht bekannt gewesen seien. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle dürfte das Stichtagskriterium nach Auffassung der Landesdirektion jedoch beachtet worden sein. Die Landesdirektion Leipzig sehe sich nicht betroffen, da dort die ersten Altrechtsfälle erst seit 1997 anhängig gewesen seien. Die Landesdirektion Chemnitz zeige ein differenziertes Bild. Danach sei das Tatbestandsmerkmal "Vorhandensein rechtmäßiger Anlagen" häufig nicht geprüft worden, auch sei bis etwa 2001 häufiger der 3. Oktober 1990 als Stichtag bestimmt worden. Ab März 1996 habe das Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft verstärkt begonnen, den Verwaltungsvollzug zu vereinheitlichen und aufsichtlich tätig zu werden.

55

c) Der Verband der Wasserkraftwerksbetreiber Sachsen und Sachsen-Anhalt e.V. hält die Verfassungsbeschwerde für begründet. Die Rechtsprechung und die Verwaltungspraxis im Freistaat Sachsen verstießen gegen Art. 14 Abs. 1 GG, gegen das Rechtsstaatsprinzip und das daraus abgeleitete Rückwirkungsverbot, den Vorbehalt des Gesetzes sowie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. § 136 Satz 2 SächsWG sei aus den gleichen Gründen verfassungswidrig.

56

d) Der Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke (BDW) e.V. hat sich dem angeschlossen.

57

e) Nach Auffassung des Landratsamts Erzgebirgskreis hat die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg.

58

Es bestünden bereits Zweifel an der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde, weil die Beschwerdeführer sich nicht auf das Eigentumsrecht, sondern nur auf eine zu ihren Gunsten bestehende Auflassungsvormerkung beriefen. Eine mögliche Rechtsverletzung der Beschwerdeführer scheide auch deshalb aus, weil aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse vor Ort eine Wiederinbetriebnahme der Wasserkraftanlage unmöglich sei und sich dieser Befund auch jedem aufgedrängt habe beziehungsweise habe aufdrängen müssen.

II.

59

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>) nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG (1). Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführer aus Art. 14 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, wobei es teilweise bereits an der Wahrung des Subsidiaritätsgrundsatzes (vgl. § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) mangelt (2).

60

1. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinreichend geklärt. Dies gilt insbesondere für den Gewährleistungsgehalt des Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. mit Blick auf das Wasserrecht insbesondere BVerfGE 58, 300) und die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts durch die Fachgerichte und den insoweit anzulegenden verfassungsgerichtlichen Prüfungsmaßstab (vgl. etwa BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 53, 352 <357 f.>; 81, 29 <31 f.>; vgl. auch BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juli 2001 - 1 BvR 432/00 -, juris).

61

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführer aus Art. 14 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

62

a) Mit dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. April 2005 - BVerwG 7 C 16.04 -, NVwZ 2005, S. 1076) ist davon auszugehen, dass alte Wasserrechte den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG genießen können. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn sie dem Einzelnen eine Rechtsposition verschaffen, die derjenigen eines Eigentümers entspricht (vgl. dazu BVerfGE 53, 257 <289>; 88, 384 <401>) und diese Rechtsposition auf nicht unerheblichen Eigenleistungen beruht (vgl. dazu BVerfGE 72, 9 <18 f.>; 97, 271 <284>; zuletzt BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 10. Juni 2009 - 1 BvR 198/08 -, juris Rn. 17). Demnach wird zumindest der Betrieb einer Wasserkraftanlage auf der Grundlage einer Erlaubnis nach § 23 Nr. 3 SächsWG 1909 durch das Eigentumsgrundrecht geschützt. Die Erlaubnis nach dem Sächsischen Wassergesetz 1909 wurde grundsätzlich unwiderruflich erteilt und konnte nur unter bestimmten Voraussetzungen widerrufen oder beschränkt werden (vgl. § 28, §§ 36 ff. SächsWG 1909; dazu Bell, ZfW 2004, S. 65 <71 f.>). Zur Ausübung einer solchen Gewässerbenutzung sind umfangreiche Investitionen für die Errichtung und Erhaltung der erforderlichen Anlagen notwendig. Diese tätigt der Anlagenbetreiber regelmäßig im Vertrauen auf den Bestand der Erlaubnis. Aufgrund dieser Verknüpfung der privatwirtschaftlichen Investitionen des Anlagenbetreibers mit den wasserrechtlichen Grundlagen des Anlagenbetriebs erstreckt sich der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz auch auf die durch die Erlaubnis gemäß § 23 Nr. 3 SächsWG 1909 vermittelte Rechtsposition.

63

b) Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Beschwerdeführer, die zu keinem Zeitpunkt Inhaber des alten Wasserrechts waren, sondern lediglich Inhaber einer Auflassungsvormerkung sind, sich unter Berufung auf Art. 14 Abs. 1 GG gegen das Erlöschen des alten Wasserrechts wenden können. Denn auch unter dieser Prämisse ist eine Grundrechtsverletzung nicht festzustellen.

64

c) aa) Die konkrete Reichweite des Schutzes durch die Eigentumsgarantie ergibt sich erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Sache des Gesetzgebers ist (vgl. BVerfGE 53, 257 <292>; 58, 81 <109 f.>; 72, 9 <22>; 116, 96 <124 f.>). Allerdings ist der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums nicht gänzlich frei. Er muss die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Dabei ist er an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden (vgl. etwa BVerfGE 100, 226 <240 f.>; 110, 1 <28>). Im Falle einer Änderung der Rechtsordnung muss der Gesetzgeber für Eingriffe in durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte subjektive Rechte legitimierende Gründe haben (vgl. BVerfGE 31, 275 <291>; 58, 81 <121>; 72, 9 <22 f.>). Regelungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, die zu solchen Eingriffen führen, sind nur zulässig, wenn sie durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sind. Die Eingriffe müssen zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet und erforderlich sein, insbesondere dürfen sie den Betroffenen nicht übermäßig belasten und für ihn deswegen unzumutbar sein (vgl. BVerfGE 21, 150 <155>; 31, 275 <290>; 36, 281 <293>; 58, 137 <148>; 72, 9 <23>; 117, 272 <294>; stRspr).

65

Aus der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung kann demnach nicht hergeleitet werden, dass eine vom Eigentumsrecht umfasste, vom Berechtigten ausgeübte Befugnis nach ihrem Entstehen für alle Zukunft uneingeschränkt erhalten bleiben müsse oder nur im Wege der Enteignung wieder genommen werden dürfte. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Neuordnung eines Rechtsgebietes nicht vor der Alternative steht, die alten Rechtspositionen zu konservieren oder gegen Entschädigung zu entziehen. Er kann im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG durch eine angemessene und zumutbare Überleitungsregelung individuelle Rechtspositionen umgestalten, wenn Gründe des Gemeinwohls vorliegen, die den Vorrang vor dem berechtigten - durch die Bestandsgarantie gesicherten - Vertrauen auf den Fortbestand eines wohl erworbenen Rechts verdienen (vgl. BVerfGE 31, 275 <285, 290>; 36, 281 <293>; 43, 242 <288>; 58, 300 <350 f.>).

66

bb) Die Gerichte haben bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts die durch die Eigentumsgarantie gezogenen Grenzen zu beachten und müssen die im Gesetz auf verfassungsmäßiger Grundlage zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachvollziehen, die den Grundrechtsschutz des Eigentümers beachtet und unverhältnismäßige Eigentumsbeschränkungen vermeidet (vgl. BVerfGE 53, 352 <357 f.>; 55, 249 <258>; 68, 361 <372 f.>; stRspr). Zwar sind die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den Einzelfall grundsätzlich allein Sache der dafür zuständigen Gerichte und einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 42, 64 <74>). Die Schwelle eines Verfassungsverstoßes, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, ist jedoch erreicht, wenn die Entscheidung der Gerichte Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Fall von einigem Gewicht sind (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 79, 292 <303>; stRspr).Dabei ist es den Gerichten nicht nur untersagt, die gesetzlich auferlegten Eigentumsbeschränkungen unverhältnismäßig zu verstärken und ihnen einen Inhalt zu geben, den auch der Gesetzgeber nur unter Verletzung der Eigentumsgewährleistung hätte festlegen können. Hat dieser in Wahrnehmung seiner Kompetenz aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gehandelt, ist es vielmehr auch ihre Aufgabe, die den gesetzlichen Regelungen zugrunde liegende und darin zum Ausdruck kommende Interessenbewertung nachzuvollziehen (vgl. BVerfGE 81, 29 <31 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juli 2001 - 1 BvR 432/00 -, juris Rn. 22).

67

d) Gemessen hieran ist ein Grundrechtsverstoß nicht festzustellen.

68

aa) § 136 Satz 2 SächsWG in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sächsischen Wassergesetzes vom 9. August 2004 (SächsGVBl S. 374) ist mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar.

69

(1) Unter Zugrundelegung der verfassungsrechtlich unbedenklichen Auslegung der Vorgängervorschriften durch die Ausgangsgerichte verkürzt § 136 Satz 2 SächsWG keine nach altem Recht gewährte Rechtsposition.

70

(a) Die Ausgangsgerichte gehen davon aus, dass das in § 136 Satz 2 SächsWG normierte Erfordernis des Vorhandenseins rechtmäßiger und funktionsfähiger Anlagen am 1. Juli 1990 bereits vor der Wiedervereinigung gemäß Art. 3 § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG in Verbindung mit § 15 WHG gültiges Recht der DDR gewesen ist.

71

Diese Auffassung dürfte zwar im Gegensatz zu der Kommentarliteratur zu § 15 und § 17 WHG stehen (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, 9. Aufl. 2007, § 15 Rn. 4 und 7, § 17 Rn. 1; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 15 Rn. 5c und 14 , § 17 Rn. 2a ; Pape, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, § 15 WHG Rn. 23 und 49 , § 17 Rn. 4 ). Jedenfalls wahrt sie aber die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfindung.

72

Die auf Sinn und Zweck der Stichtagsregelung abstellende Argumentation des Oberverwaltungsgerichts in dem Urteil vom 27. März 2007 (4 B 707/05, juris Rn. 38) erscheint vertretbar. Insbesondere verstößt sie nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Die - verschiedenen Deutungen zugänglichen - gesetzlichen Regelungen des Art. 3 § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG in Verbindung mit §§ 15 ff. WHG genügen auch mit dem Inhalt, den das Oberverwaltungsgericht ihnen gegeben hat, den Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 GG. Soweit die Regelungen vorliegend zur Überprüfung stehen (aa), begegnen sie keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie dienen einem legitimen Zweck (bb) und sind zu dessen Erreichung geeignet und erforderlich (cc). Auch erweisen sie sich als im engeren Sinne verhältnismäßig (dd).

73

(aa) Die verfassungsrechtliche Überprüfung beschränkt sich auf die vorliegend allein in Frage stehende Konstellation, dass ein altes Recht im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG bestand, zu dessen Ausübung Anlagen notwendig sind, die zum Stichtag des 1. Juli 1990 nicht vorhanden waren.

74

(bb) Dass Art. 3 § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG in Verbindung mit dem Wasserhaushaltsgesetz grundsätzlich alle Gewässerbenutzungen nach seinem Inkrafttreten der öffentlichrechtlichen Benutzungsordnung und damit dem Gestattungsverfahren gemäß §§ 2 ff. WHG unterwirft, dient dem legitimen Zweck, eine geordnete Bewirtschaftung des Wassers sicherzustellen (vgl. BVerfGE 58, 300 <328 f., 351>).

75

Mit der Stichtagsregelung des § 15 Abs. 1 WHG soll zum einen sichergestellt werden, dass nur tatsächlich ausgeübte alte Gewässerbenutzungen aufrechterhalten werden (so das Oberverwaltungsgericht im Urteil vom 27. März 2007 - 4 B 707/05 -, juris Rn. 38 und Pape, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, § 15 WHG Rn. 23 ). Darüber hinaus soll das Erfordernis des Vorhandenseins von Anlagen dafür sorgen, dass das Bestehen der Benutzung beziehungsweise des Benutzungsrechts nach außen erkennbar ist (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, 9. Aufl. 2007, § 15 Rn. 7; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 15 Rn. 13 ; Gieseke, ZfW 1964, S. 179 <181>).

76

(cc) Die gesetzliche Normierung eines Gestattungserfordernisses nach neuem Recht und seine Erstreckung auf solche früheren Gewässerbenutzungen, zu deren Ausübung Anlagen erforderlich, zum Stichtag aber nicht vorhanden sind, ist zur Erreichung dieser Ziele geeignet und erforderlich.

77

Dem Gesetzgeber steht kein milderes, die Betroffenen weniger belastendes Mittel zur Verfügung, mit dem er seine Ziele ebenso gut erreichen könnte. Insbesondere würde die uneingeschränkte Aufrechterhaltung alter Wasserrechte und die damit einhergehende Befreiung der Gewässerbenutzungen von der Gestattungspflicht nach neuem Recht dazu führen, dass diese Nutzungen sämtlich fortgeführt werden dürften, ohne dass die Anforderungen des Wasserhaushaltsgesetzes an Gewässerbenutzungen (vgl. § 6 WHG; künftig: § 12 WHG n.F.) überprüft würden.

78

(dd) Das Erfordernis des Vorhandenseins rechtmäßiger und funktionsfähiger Anlagen am 1. Juli 1990 genügt auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Es stellt keine unangemessene Belastung für die Inhaber alter Wasserrechte dar, dass (auch im Beitrittsgebiet) solche alten Nutzungsrechte nach Maßgabe des § 17 WHG erloschen sind, zu deren Ausübung Anlagen notwendig sind, am Stichtag des 1. Juli 1990 aber nicht vorhanden waren. § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG (in Verbindung mit § 17 WHG) ist in dieser Auslegung der Ausgangsgerichte mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar.

79

(aaa) § 15 Abs. 1 bis 3 WHG dient dem Bestandsschutz (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 14. April 2005 - BVerwG 7 C 16.04 -, NVwZ 2005, S. 1076 <1077>; Czychowski/Reinhardt, WHG, 9. Aufl. 2007, § 15 Rn. 1), indem er bestimmte bereits vorhandene Gewässernutzungen von der Gestattungspflicht nach neuem Recht ausnimmt. Nach der gesetzlichen Regelung spielt es dabei für die Anwendung der Stichtagsregelung jedenfalls im Ausgangspunkt keine Rolle, ob das Nichtvorhandensein funktionsfähiger Anlagen auf eine freie unternehmerische Entscheidung zurückgeht oder auf Umständen beruht, die der Unternehmer nicht zu vertreten hat.

80

Diese Anknüpfung an die tatsächlichen Verhältnisse begegnet im Grundsatz keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sofern eine Gewässernutzung nicht (mehr) ausgeübt wird und schon mangels Vorliegens der hierfür erforderlichen Anlagen nicht (mehr) ausgeübt werden kann, kann sie auch nicht (mehr) in ihrem Fortbestand geschützt werden. Die Überleitung alter Wasserrechte, die den Gewässerbenutzungen zugrunde liegen, dient keinem Selbstzweck und ist im Falle einer Neuordnung des Wasserrechts von Verfassungs wegen nicht in jedem Fall geboten. Die Bestandsinteressen solcher Inhaber alter Wasserrechte, die die Gewässerbenutzungen zum Stichtag nicht mehr ausüben und auch nicht mehr über die hierfür erforderlichen Anlagen verfügen, überwiegen die Belange einer geordneten Wasserwirtschaft nicht in einer Weise, die eine Aufrechterhaltung ihrer alten Wasserrechte erforderlich machen würde.

81

Grundsätzlich kann nur der Schutz eines tatsächlich vorhandenen und genutzten Bestandes von Verfassungs wegen geboten sein. Es kann daher dahinstehen, ob alte Wasserrechte gemäß § 23 Nr. 3 SächsWG 1909 als solche, das heißt unabhängig von ihrer Ausübung mittels hierfür errichteter Anlagen, von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt werden. Der Umfang des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes eines alten Wasserrechts hängt in jedem Fall maßgeblich von der Verknüpfung der durch das alte Wasserrecht vermittelten Rechtsposition mit den Investitionen in die zu seiner Ausübung geschaffenen Anlagen ab. Sofern am Stichtag keine funktionsfähigen Anlagen (mehr) vorhanden sind, kann das Erlöschen eines alten Wasserrechts typischerweise kein durch Investitionen betätigtes Vertrauen in den Fortbestand der alten Rechtslage mehr enttäuschen. Die Investitionen in die "alten" Anlagen zur Ausübung der Gewässernutzung können sich - sofern nicht bereits in der Vergangenheit geschehen - ohnehin nicht mehr beziehungsweise nur noch eingeschränkt amortisieren, die alten Anlagen müssten vor einer Wiederaufnahme der Gewässerbenutzung durch "neue" Investitionen erst wieder in Stand gesetzt werden beziehungsweise durch neue Anlagen ersetzt werden.

82

Das Erlöschen eines alten Wasserrechts hat überdies nicht zwangsläufig die Aufgabe der nach bisherigem Recht erlaubten Nutzung zur Folge. Vielmehr unterfällt die fragliche Gewässerbenutzung nur der Gestattungspflicht nach §§ 2 ff. WHG. Die weiteren Rechtsfolgen ergeben sich aus § 17 WHG, dessen Fristbestimmungen nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ab dem 1. Juli 1990 sinngemäß anzuwenden sind (vgl. Urteil vom 27. März 2007 - 4 B 707/05 -, juris Rn. 41).

83

Die Anwendung der Stichtagsregelung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG führte ausgehend hiervon bei Inkrafttreten des Wasserhaushaltsgesetzes im Beitrittsgebiet nach der gesetzlichen Konzeption nicht zu einem ersatz- und übergangslosen Erlöschen alter Wasserrechte. § 17 Abs. 2 und 3 WHG mildert in der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts die Belastung für die Inhaber alter Wasserrechte auch in der vorliegenden Konstellation jedenfalls in einer Weise ab, die eine Unverhältnismäßigkeit der Stichtagsregelung vermeidet. Anders als nach § 6 WHG, der die Erteilung einer wasserrechtlichen Gestattung in das Ermessen der zuständigen Behörde stellt, räumt § 17 Abs. 2 Satz 1 WHG dem Inhaber eines alten Wasserrechts einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Bewilligung nach § 8 WHG ein, sofern § 6 WHG dem nicht entgegensteht, das heißt soweit von der beabsichtigten Gewässerbenutzung keine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere keine Gefährdung der öffentlichen Wasserversorgung, zu erwarten ist. Ist dies der Fall und wird eine Bewilligung nach neuem Recht deswegen versagt, hat der Berechtigte nach § 17 Abs. 3 Satz 1 WHG einen Entschädigungsanspruch.

84

Eine spürbare Belastung der Inhaber alter Wasserrechte ergibt sich ausgehend von dem Vorstehenden vornehmlich dann, wenn die in Frage stehende Gewässerbenutzung nach neuem Recht nicht gestattungsfähig ist. Dann kann keine Bewilligung nach § 8 WHG erteilt werden und die Nutzung darf nicht wieder aufgenommen werden. Gerade in diesen Fällen aber sind die Gemeinwohlbelange, die den Bestandsinteressen der vormals Nutzungsberechtigten entgegenlaufen, gewichtig, da die in Frage stehenden Gewässerbenutzungen nicht den Anforderungen des § 6 WHG genügen.

85

(bbb) Die vorstehenden Ausführungen gelten auch unter Berücksichtigung der von den Beschwerdeführern beschriebenen besonderen Situation in der DDR. Dem Gesetzeber war die Anknüpfung an den status quo und die Nutzungssituation, wie sie im Beitrittsgebiet vor und bei der Wiedervereinigung bestanden hat und naturgemäß durch die Entwicklungen in den davor liegenden Jahrzehnten mitgeprägt wurde, nicht verwehrt. Die Beschwerdeführer müssen sich im Hinblick auf den Bestandsschutz für die Gewässernutzungen auf der Grundlage des alten Wasserrechts jedenfalls das Verhalten ihrer Rechtsvorgänger und die dadurch geprägte (Nutzungs-)Situation entgegenhalten lassen. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die vormalige Eigentümerstellung anderer Privatpersonen als auch die zwischenzeitliche Rechtsträgerschaft Volkseigener Betriebe zu Zeiten der DDR. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Überleitung des Eigentums an den Betriebsmitteln in das Eigentum der DDR beziehungsweise in das Volkseigentum, die nicht in den Verantwortungsbereich der dem Grundgesetz unterworfenen Bundesrepublik Deutschland fiel, rechtsstaatlichen Grundsätzen genügt. Jedenfalls endete die förmliche Rechtsstellung des vormaligen Privateigentümers (vgl. im Hinblick auf besatzungshoheitliche Enteignungen BVerfGE 112, 1 <21>) und standen die fraglichen Betriebe auf der Grundlage der Rechtsordnung der DDR nunmehr im Volkseigentum. Hiervon geht auch das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Urteil aus, ohne dass die Beschwerdeführer dies im Verfassungsbeschwerdeverfahren in Zweifel gezogen hätten. Jedenfalls unter Berücksichtigung der in § 17 WHG getroffenen Regelungen, die nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts auch auf die vorliegende Konstellation Anwendung finden, erweist sich die Rechtsfolge des Erlöschens des alten Wasserrechts in der Regel nicht als unangemessen.

86

(ccc) Mit Art. 14 Abs. 1 GG unvereinbare Härten, die sich infolge der gesetzlichen Stichtagsregelung in besonders gelagerten Einzelfällen möglicherweise ergeben können, lassen sich jedenfalls durch eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung der §§ 15, 17 WHG vermeiden. Zu denken ist daran etwa in Fällen, in denen eine Anlage kurz vor dem Stichtag durch ein Naturereignis zerstört und kurzfristig wieder errichtet wurde oder in denen eine Anlage im Verlauf von Umbauten oder Betriebsänderungen ab- und wiederaufgebaut wurde. Auch in der vom Bundesverwaltungsgericht in seiner Stellungnahme im vorliegenden Verfahren angesprochenen Konstellation, dass vorhandene Anlagen durch staatliche Stellen unter Verstoß gegen die (damals) geltende Rechtsordnung beseitigt wurden, ist zweifelhaft, ob es mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar ist, rechtswidrige Eingriffe des Staates als Anknüpfungspunkt für das Erlöschen einer dem Berechtigten vormals zustehenden Rechtsposition zu nehmen. Es erschiene in derartigen Fällen zum einen denkbar, im Rahmen des § 15 Abs. 1 WHG ungeachtet der tatsächlichen Verhältnisse vom Vorhandensein der Anlagen im Rechtssinne auszugehen. Alternativ käme in Betracht, § 17 Abs. 2 Satz 1 WHG dahingehend auszulegen, dass die zuständige Behörde bei der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung keine weiteren Anforderungen nach neuem Recht stellen darf, als sie bei einem aufrechterhaltenen Recht nach § 15 Abs. 4 Satz 3 in Verbindung mit § 5 WHG (gegebenenfalls in Verbindung mit § 138 SächsWG) möglich sind (so das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 14. April 2005 - BVerwG 7 C 16.04 -, NVwZ 2005, S. 1076 <1078> in Bezug auf § 38 des Wassergesetzes für das Land Sachsen-Anhalt).

87

(b) Die Ausgangsgerichte konnten ohne Verfassungsverstoß davon ausgehen, dass die Rechtslage in Bezug auf die Aufrechterhaltung alter Wasserrechte bis zum Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sächsischen Wassergesetzes am 1. September 2004 unverändert geblieben ist.

88

(aa) Der Regelungsgehalt des § 136 SächsWG 1993/1998 und insbesondere der systematische Zusammenhang dieser Vorschrift mit § 15 Abs. 1 bis 3 und § 17 WHG sind unklar.

89

Ausgehend von dem Wortlaut des § 136 SächsWG 1993/1998 erscheint es zum einen vertretbar, den Fortbestand alter Wasserrechte nicht vom Vorhandensein funktionstüchtiger Anlagen zu einem bestimmten Zeitpunkt abhängig zu machen, sondern die Fortgeltung und Gestattungsfreiheit aller gemäß § 46 des Wassergesetzes 1982 aufrechterhaltenen Gewässerbenutzungen anzunehmen (so Kotulla, WHG, 2002, § 15 Rn. 19; weniger eindeutig Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 15 Rn. 5c, 14 ; Czychowski/Reinhardt, WHG, 9. Aufl. 2007, § 15 Rn. 4, 7, 11; Pape, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, § 15 WHG Rn. 23, 49 und 63 ).

90

Demgegenüber gehen das Sächsische Justizministerium und die Ausgangsgerichte - bei im Einzelnen wiederum differierendem Verständnis der Vorschrift - im Ergebnis übereinstimmend davon aus, dass § 136 Abs. 1 SächsWG 1993/1998 das Erfordernis des Vorhandenseins funktionsfähiger Anlagen am 1. Juli 1990 unberührt gelassen habe. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts in dem Urteil vom 27. März 2007 (4 B 707/05, juris Rn. 38), auf das der hier angegriffene Beschluss vom 25. November 2008 verweist, bezieht sich § 136 Abs. 1 SächsWG 1993/1998 schon nach seinem Wortlaut nicht auf § 15 Abs. 1 bis 3 WHG. Eine Regelung, welche die Gestattungsfreiheit der Gewässernutzung nicht davon abhängig mache, dass zu ihrer Ausübung zu einem bestimmten Zeitpunkt rechtmäßige Anlagen vorhanden seien, wäre nicht mit § 15 Abs. 1 WHG vereinbar gewesen. Dieser ermächtige die Länder nur dazu, einen von § 15 Abs. 1 WHG abweichenden Stichtag zu bestimmen. Im Übrigen wendet das Oberverwaltungsgericht, das § 15 WHG mit Blick auf die Frage des Fortbestandes alter Wasserrechte offenbar als "Sonderregelung" zu § 136 SächsWG 1993/1998 ansieht (so wohl auch Habel/Zeppernick, Das Wasserrecht in Sachsen, § 136 SächsWG Rn. 1 ), § 15 WHG unmittelbar an.

91

(bb) § 136 Abs. 1 SächsWG 1993/1998 ist demnach verschiedenen Auslegungsvarianten zugänglich, die allerdings sämtlich Unklarheiten in der argumentativen Herleitung nicht vermeiden können und von denen sich daher keine in einer Weise aufdrängt, die ein abweichendes Verständnis als verfassungswidrig erscheinen ließe. Auch die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts mag einfachrechtlich diskussionswürdig sein. Sie lässt jedoch keine Fehler erkennen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Eigentumsgrundrechts beruhen.

92

(2) § 136 Satz 2 SächsWG verstößt ausgehend hiervon nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG.

93

(a) Die ausdrückliche Aufnahme der Stichtagsregelung hat auf der Grundlage der Rechtsauffassung der Ausgangsgerichte lediglich deklaratorischen Charakter und schreibt die bereits davor gültige Rechtslage klarstellend fest. Im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot und den Grundsatz des Vertrauensschutzes bestehen daher insoweit keine Bedenken.

94

(b) Dies gilt auch unter Berücksichtigung der mit Blick auf die Stichtagsregelung zunächst bestehenden Rechtsunsicherheiten und das diesbezügliche behördliche Vollzugsdefizit in den Jahren nach der Wiedervereinigung.

95

(aa) Die einschlägigen Vorgängervorschriften (Art. 3 § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG sowie § 136 Abs. 1 SächsWG 1993/1998) ließen ihrem Wortlaut nach nicht erkennen, dass zum 1. Juli 1990 rechtmäßige Anlagen vorhanden sein mussten und dass bis zum 30. Juni 1995 ein Antrag gemäß § 17 WHG gestellt werden konnte beziehungsweise musste. Auch wurde die Stichtagsregelung in der Verwaltungspraxis der sächsischen Behörden jedenfalls in den Jahren nach der Wiedervereinigung offenbar nur unzureichend beachtet. Teilweise wurde auf den 12. August 1957 abgestellt, teilweise auf das Vorhandensein rechtmäßiger funktionsfähiger Anlagen vollständig verzichtet.

96

(bb) Dieser Befund führt jedoch nicht zur Verfassungswidrigkeit des § 136 Satz 2 SächsWG.

97

Denn die "abfedernde" Regelung des § 17 WHG ist jedenfalls einer verfassungskonformen Auslegung und Anwendung zugänglich. Eine solche kann hier unbeschadet der Frage geboten sein, ob die in § 17 WHG getroffenen Regelungen von Verfassungs wegen zwingend erforderlich waren (aaa). Dies ist allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen der Fall (bbb). Im Rahmen des § 17 Abs. 1 Satz 2 WHG kommt in diesen Fällen die Gewährung von Nachsicht in Betracht, im Rahmen des § 17 Abs. 2 WHG die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (ccc).

98

(aaa) Eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung kann hier unbeschadet der Frage erforderlich sein, ob die in § 17 WHG getroffenen Regelungen von Verfassungs wegen zwingend geboten waren. Denn - wie bereits dargestellt - verpflichtet Art. 14 Abs. 1 GG die Gerichte, die den gesetzlichen Regelungen zugrunde liegende und darin zum Ausdruck kommende Interessenbewertung nachzuvollziehen (vgl. BVerfGE 81, 29 <31 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juli 2001 - 1 BvR 432/00 -, juris Rn. 22).

99

(bbb) Eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung der Fristbestimmungen des § 17 WHG ist allerdings nicht in jedem Fall geboten.

100

Zwar konnten die Inhaber alter Rechte den vormals einschlägigen Vorschriften (zunächst §§ 15, 17 WHG und später auch § 136 SächsWG 1993/1998) die Obliegenheit zur Stellung eines Antrags innerhalb der Fristen des § 17 WHG nicht zweifelsfrei entnehmen.

101

Allerdings ist bei der Beurteilung der Erforderlichkeit einer verfassungskonformen Auslegung des § 17 WHG auch das Regel-/Ausnahmeverhältnis zu berücksichtigen, in dem die Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes über die Gestattungspflicht von Gewässerbenutzungen (§§ 2 ff. WHG) zu § 15 WHG (in Verbindung mit den ausgestaltenden landesgesetzlichen Regelungen, hier § 136 SächsWG), § 17 WHG stehen: Die mit dem Betrieb einer Wasserkraftanlage verbundenen Gewässernutzungen bedürfen als solche zweifelsohne der Gestattung gemäß §§ 2 ff. WHG. Deren Erteilung steht gemäß § 6 WHG grundsätzlich im Ermessen der zuständigen Behörde. Eine Wasserkraftanlage kann unter Geltung des Wasserhaushaltsgesetzes ohne wasserrechtliche Gestattung gemäß §§ 7 ff. WHG daher jedenfalls nur betrieben werden, wenn eine gesetzlich geregelte Ausnahme von der Gestattungspflicht einschlägig ist. Eine solche konnte sich für alte Rechte und Befugnisse aus § 15 WHG (in Verbindung mit § 136 SächsWG 1993/1998) ergeben. Abweichend von der generellen Regelung des § 6 WHG kann im Fall des § 17 Abs. 2 WHG ausnahmsweise ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Bewilligung, gegebenenfalls auf eine Entschädigung (vgl. § 17 Abs. 3 WHG) bestehen. Wollten somit aber die Inhaber alter Wasserrechte aus den genannten Vorschriften, über deren Regelungsgehalt Unklarheit bestand, für sich günstige Rechtsfolgen in Gestalt der Gestattungsfreiheit der ausgeübten Gewässerbenutzungen (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG), der vorläufigen Befugnis zur Ausübung der Gewässerbenutzungen ohne neue wasserrechtliche Gestattung (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG) beziehungsweise des Anspruchs auf Erteilung einer Erlaubnis oder gegebenenfalls einer Entschädigung (vgl. § 17 Abs. 2 und 3 WHG) ableiten, hätte es ihnen oblegen, sich über den Inhalt dieser Vorschriften sowie die diesbezügliche behördliche Vollzugspraxis Klarheit zu verschaffen und gegebenenfalls die Feststellung ihres alten Wasserrechts zu begehren. Sie durften angesichts der unklaren Rechtslage nicht ohne Weiteres darauf vertrauen, dass die Vorschriften in der von ihnen für richtig gehaltenen Auslegung Anwendung finden würden.

102

Eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung des § 17 WHG ist demnach nur dann geboten, wenn im konkreten Einzelfall der Inhaber eines alten Wasserrechts aufgrund eines behördlichen (Fehl-)Verhaltens bei der Anwendung der einschlägigen Rechtsvorschriften davon ausgehen durfte, dass es auf das Vorhandensein funktionsfähiger Anlagen zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht ankomme, das alte Wasserrecht gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG fortbestehe und daher keine Gestattung nach dem Wasserhaushaltsgesetz und somit auch kein Antrag gemäß § 17 WHG erforderlich sei. Anlass zu einer derartigen Annahme können etwa behördliche Auskünfte gegenüber dem Betroffenen selbst geben oder aber eine ständige behördliche Praxis, von der der Betroffene Kenntnis hatte und aufgrund derer er von der Einholung behördlicher Auskünfte oder der Stellung eines Antrages gemäß § 17 WHG abgesehen hat. Gleiches gilt in Fällen, in denen die Behörde etwa im Rahmen des Verfahrens zur Bewilligung von Fördergeldern zunächst die Gestattungsfreiheit des Betriebs der Wasserkraftanlage bestätigt hat.

103

(ccc) § 17 Abs. 1 Satz 2 WHG ist - soweit nach dem eben Ausgeführten geboten - einer verfassungskonformen Auslegung und Anwendung auch dann zugänglich, wenn man eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Rahmen des § 17 Abs. 1 WHG für ausgeschlossen erachtet (so Pape, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, § 17 WHG Rn. 30 ; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 17 Rn. 15 ). So ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass sich Behörden unter bestimmten engen Voraussetzungen nicht auf den Ablauf einer die weitere Rechtsverfolgung abschneidenden oder die Anspruchsberechtigung vernichtenden Ausschlussfrist berufen dürfen (vgl. BVerwGE 101, 39 <45> m.w.N.). Diese Grundsätze lassen sich auf die Wahrung der in § 17 Abs. 1 WHG geregelten Frist übertragen.

104

Bei der in § 17 Abs. 2 WHG geregelten Frist handelt es sich um eine verfahrensrechtliche Ausschlussfrist, so dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässig ist (vgl. Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 17 Rn. 23 ; Pape, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, § 17 WHG Rn. 35 ).

105

Hinsichtlich der Voraussetzungen, unter denen die Gewährung von Nachsicht beziehungsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Verfassungs wegen geboten sein kann, wird auf die vorstehenden Ausführungen (bbb) verwiesen.

106

bb) Die Verfassungsbeschwerde hat auch keine Aussicht auf Erfolg, soweit sie sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 1. November 2006 und den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 25. November 2008 richtet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen jedenfalls im Ergebnis das Grundrecht der Beschwerdeführer aus Art. 14 Abs. 1 GG nicht.

107

(1) Hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des § 136 Satz 2 SächsWG und der diesbezüglichen Erwägungen der Ausgangsgerichte wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Dies gilt auch und insbesondere mit Blick auf die Fragestellungen, die sich aus der (zunächst) unterbliebenen beziehungsweise unzureichenden Umsetzung des Erfordernisses des Vorhandenseins rechtmäßiger funktionsfähiger Anlagen in der sächsischen Verwaltungspraxis und der verwaltungsgerichtlichen Klärung des Regelungsgehaltes des § 15 WHG in Verbindung mit § 136 SächsWG 1993/1998 erst nach Ablauf der in § 17 WHG geregelten Fünfjahresfrist ergeben.

108

(2) Auch im Übrigen ist ein Verfassungsverstoß bei der Auslegung und Anwendung der vorgenannten Vorschriften durch die Ausgangsgerichte nicht festzustellen.

109

(a) Dies gilt zunächst insoweit, als das Verwaltungsgericht das Vorhandensein rechtmäßiger funktionsfähiger Anlagen am Stichtag des 1. Juli 1990 verneint hat.

110

(aa) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Rechtsauffassung und die ihr zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen haben die Beschwerdeführer jedenfalls innerhalb der Begründungsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG nicht substantiiert geltend gemacht. Da auch ihr Antrag auf Zulassung der Berufung im Ausgangsverfahren keine diesbezüglichen Ausführungen enthält, stünde einer Prüfung im vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren zudem schon der Grundsatz der Subsidiarität (vgl. § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) entgegen.

111

(bb) Es erscheint nach dem oben Ausgeführten zwar fraglich, ob die Auffassung des Verwaltungsgerichts, es komme nicht darauf an, ob die Verfüllung des Betriebsgrabens widerrechtlich vorgenommen worden sei, mit Art. 14 Abs. 1 GG in Einklang steht. Letztlich kann dies aber offenbleiben. Denn die Beschwerdeführer haben diese Frage mit der Verfassungsbeschwerde nicht aufgegriffen und auch in tatsächlicher Hinsicht hierzu nichts vorgetragen. Überdies haben sie das Urteil des Verwaltungsgerichts auch insoweit nicht mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung angegriffen, so dass es an der Wahrung des Subsidiaritätsgrundsatzes mangelt.

112

(cc) Abgesehen von der gegebenenfalls widerrechtlichen Verfüllung des Betriebsgrabens durch staatliche Stellen liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Annahme des Erlöschens des alten Wasserrechts gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 14 Abs. 1 GG verstoßen könnte.

113

Nach den von den Beschwerdeführern nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts wird die Wasserkraftanlage schon seit mehr als 20 Jahren nicht mehr betrieben. Die Nutzungsaufgabe beruhte - soweit ersichtlich - auch nicht auf den von den Beschwerdeführern ins Feld geführten Materialengpässen zu DDR-Zeiten, sondern auf einem verminderten Wasserzufluss infolge eines Talsperrenbaus und der Verfüllung des Betriebsgrabens im Zuge eines Straßenausbaus. Das Verwaltungsgericht weist in dem angegriffenen Urteil überdies nachvollziehbar darauf hin, dass sowohl die baulichen Anlagen des Mühlgrabens, soweit sie als Mauern noch vorhanden seien, als auch des Wasserschlosses in den inzwischen mehr als 20 Jahren ihrer Nichtnutzung in der Substanz Veränderungen erfahren hätten, die die Wiederinbetriebnahme in Frage stellen könnten und jedenfalls eine statisch-bautechnische Prüfung erforderten.

114

(b) Ob das Verwaltungsgericht ohne Verfassungsverstoß davon ausgehen konnte, dass sich die Beschwerdeführer schon deswegen nicht auf § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 WHG berufen könnten, weil jedenfalls kein entsprechender Antrag gestellt worden sei und die bis zum 30. Juni 1995 laufende Schonfrist schon damals, als die Beschwerdeführer im Jahr 1999 den Kaufvertrag über die betreffenden Grundstücke geschlossen hätten, längst verstrichen gewesen sei, erscheint zweifelhaft. Gleiches gilt für die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zu § 17 WHG.

115

Letztlich bedarf aber auch diese Frage keiner Entscheidung. Denn es ist auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens nicht ersichtlich, dass die Gerichte gemessen an den oben dargestellten Maßstäben im Ergebnis von Verfassungs wegen gehindert gewesen wären, den Beschwerdeführern den Ablauf der Fünfjahresfrist des § 17 WHG entgegenzuhalten und dass die angegriffenen Entscheidungen auf einem etwaigen diesbezüglichen Grundrechtsverstoß beruhen könnten. Die Beschwerdeführer haben weder substantiiert vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass sie oder die derzeitigen Eigentümerinnen aufgrund eines Fehlverhaltens der Behörden bei der Anwendung der § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG, § 136 SächsWG 1993/1998 von der fristgemäßen Stellung eines Antrages gemäß § 17 WHG abgesehen hätten. Allein die lange Zeit bestehenden Unklarheiten über die Rechtslage und die allgemeinen Unzulänglichkeiten des Verwaltungsvollzuges reichen hierfür - wie bereits dargestellt - nicht aus.

116

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

117

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen einen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 8. Januar 2014, mit dem ihr Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer anhängigen Klage gegen eine glücksspielrechtliche Betriebsuntersagung abgelehnt wurde.

Die Antragstellerin betreibt eine Spielhalle im Abstand von etwa 118 m Luftlinie zu einer anderen Spielhalle in derselben Gemeinde. Am 14. Dezember 2011 beantragte die Antragstellerin die Erlaubnis nach § 33i Abs. 1 GewO zum Betrieb einer Spielhalle. Mit Bescheid vom 24. Januar 2012 erhielt sie diese Erlaubnis. Mit Schreiben vom 18. September 2013 informierte das Landratsamt die Antragstellerin, dass nach dem am 1. Juli 2012 in Kraft getretenen Ersten Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Bek. vom 30.6.2012 GVBl S. 31 - Glücksspielstaatsvertrag GlüStV) zusätzlich eine Erlaubnis für die von ihr betriebene Spielhalle erforderlich und die für sie geltende einjährige Übergangsfrist zwischenzeitlich abgelaufen sei. Da ihre Spielhalle zu einer anderen Spielhalle in derselben Gemeinde einen Abstand von lediglich 118 m Luftlinie aufweise, sei die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für die von der Antragstellerin betriebene Spielhalle nicht möglich. Sie werde daher aufgefordert, den Betrieb sofort einzustellen und das Gewerbe abzumelden, anderenfalls werde ihr der Weiterbetrieb untersagt, wozu sie zugleich angehört werde.

Mit Bescheid vom 30. Oktober 2013 untersagte das Landratsamt der Antragstellerin den Betrieb der Spielhalle ab dem 1. Januar 2014 und drohte für den Fall der Nichtbefolgung ein Zwangsgeld an. Der Betrieb der Spielhalle sei zu untersagen, weil die hierfür erforderliche Erlaubnis nach dem Glücksspielstaatsvertrag fehle. Für Spielhallen wie die vorliegende der Antragstellerin, für welche die gewerberechtlichen Erlaubnisse zwischen dem 28. Oktober 2011 und dem 1. Juli 2012 erteilt worden seien, gelte eine Übergangsfrist bis zum 30. Juni 2013, die hier abgelaufen sei. Die andere Spielhalle in derselben Gemeinde sei bereits vor dem 28. Oktober 2011 gewerberechtlich erlaubt worden, könne sich daher auf die fünfjährige Übergangsfrist berufen und benötige bis zum 30. Juni 2017 keine glücksspielrechtliche Erlaubnis. Die Untersagung sei geeignet, die Fortführung des Betriebs der Spielhalle entsprechend den gesetzgeberischen Zielen zu unterbinden. Sie sei erforderlich, weil ein milderes Mittel nicht zur Verfügung stehe und einer Erlaubniserteilung das Verbot des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 AGGlüStV entgegenstehe. Eine Ausnahme vom Mindestabstand habe auch nicht erteilt werden können, weil sich unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld der Spielhalle und der Lage des Einzelfalls kein atypischer Ausnahmefall ergebe. Vielmehr befinde sich in 236 m Luftlinie Entfernung und damit in unmittelbarer Nähe des Betriebs der Antragstellerin eine Mittelschule als sensible Anlage. Erfahrungsgemäß sei mit einem hohen Aufkommen an jungen Menschen und Schülern zu rechnen, wodurch der Belang des Jugend- und Spielerschutzes besonderes Gewicht erhalte. Aufgrund der geringen Entfernung zur Schule sowie der deutlichen Unterschreitung des gesetzlichen Mindestabstands zur nächsten Spielhalle sei eine Ausnahme nicht zu gewähren. Auch eine Befreiung von dem Mindestabstandsgebot nach § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV oder Art. 9 Abs. 3 Satz 2 AGGlüStV sei nicht möglich, weil die Spielhalle erst nach dem 28. Oktober 2011 erlaubt worden sei.

Über die von der Antragstellerin gegen den Untersagungsbescheid erhobene Anfechtungsklage ist noch nicht entschieden.

Mit Beschluss vom 8. Januar 2014 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage und hilfsweise auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage ab. Im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen Interessenabwägung sei davon auszugehen, dass die Anfechtungsklage der Antragstellerin voraussichtlich erfolglos bleiben werde, weil sowohl die Untersagungsverfügung als auch die Zwangsgeldandrohung voraussichtlich rechtmäßig seien und somit das öffentliche Vollzugsinteresse überwiege.

Die Antragstellerin hat Beschwerde eingelegt, soweit das Verwaltungsgericht auch den Hilfsantrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt hat. Für die Antragstellerin liege eine unbillige Härte i. S. von § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV vor, weil die Erlaubniserteilung nur kurz den Stichtag verfehlt habe. Die Verzögerung habe an einer verspäteten Bauabnahme durch den Antragsgegner gelegen. Die Erlaubnis hätte weit früher erteilt werden können und müssen, denn zu prüfen sei lediglich noch die Aufstellung der Spielgeräte gewesen. Der Vertrauens- und Bestandsschutz überwiege im vorliegenden Fall das öffentliche Untersagungsinteresse. Die Antragstellerin habe auch nichts von der bevorstehenden Änderung des Glücksspielstaatsvertrags gewusst, sondern ernstlich eine Erlaubnis für den Betrieb der Spielhalle beantragt, keine Erlaubnis auf Vorrat. Auch nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 AGGlüStV sei eine Ausnahme geboten, insbesondere da nicht nachgewiesen sei, dass für die in der Nähe befindliche Spielhalle bereits vor dem 28. Oktober 2011 eine Erlaubnis vorgelegen habe. Die Schulen seien weit weg und die Schüler durch den Betrieb der Spielhalle nicht gefährdet. Zudem habe die Antragstellerin über 70.000 Euro in die Spielhalle investiert und einen Mietvertrag bis zum Sommer 2016 abgeschlossen; diese Investitionen wären verloren, würde der Betrieb eingestellt werden müssen.

Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen und beantragt ihre Zurückweisung. Die Regelung des § 29 Abs. 4 GlüStV sei verfassungskonform und auch nicht entsprechend auf eine unbillige Härte in Fällen anwendbar, in denen - wie hier - der Stichtag verpasst worden sei. Selbst wenn die Erlaubnis verzögert erteilt worden wäre, könne dies keine Ausnahme begründen, sondern allenfalls Amtshaftungsansprüche. Im Übrigen habe der Gesetzgeber einen großen Spielraum bei der Ausgestaltung von Übergangsregelungen. Die Rechtsänderung sei der Antragstellerin bei Antragstellung erkennbar gewesen, weil sie bereits im Frühjahr 2011 in einschlägigen Bereichen diskutiert worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet. Die Beschwerdebegründung, auf deren Prüfung das Beschwerdegericht beschränkt ist, rechtfertigt es nicht, den angefochtenen Beschluss zu ändern (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO).

1. Soweit die Antragstellerin geltend macht, bei verfassungskonformer Auslegung der Übergangsregelungen in § 29 Abs. 4 Sätze 2 bis 4 GlüStV müsse ihr nach Ablauf der einjährigen Übergangsfrist eine Befreiung von den Anforderungen des § 25 GlüStV erteilt werden, verhilft dies der Beschwerde nicht zum Erfolg.

a) Die gesetzliche Neuregelung i. V. m. der Übergangsregelung des § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV zeitigt im Fall der Antragstellerin auch mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG keine verfassungsrechtlich nicht hinnehmbare Rückwirkung (Art. 20 Abs. 3 GG).

Vielmehr handelt es sich in Fällen wie dem vorliegenden, in denen eine Neuregelung wie § 24 Abs. 1, § 29 Abs. 4 Satz 1 GlüStV erst für die Zeit nach ihrem Inkrafttreten Geltung beansprucht, aber bereits Sachverhalte erfasst, die vor der Verkündung der Norm „ins Werk gesetzt“ worden sind (vgl. BVerfG, B.v. 7.12.2010 - 1 BvR 2628/07 - BVerfGE 128, 90/106 f.; BVerfG, B.v. 7.7.2010 - 2 BvL 1/03 u. a. - BVerfGE 127, 31/48 jeweils m. w. N.), um eine unechte Rückwirkung. Der Antragstellerin bleibt ihre vor Inkrafttreten der Neuregelung erteilte gewerberechtliche Erlaubnis nach § 33i GewO uneingeschränkt erhalten; sie kann von ihr allerdings nach Inkrafttreten der Neuregelung und nach Ablauf der einjährigen Übergangsfrist des § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV mangels glücksspielrechtlicher Erlaubnis und Erlaubnisfähigkeit ihrer Spielhalle im bisherigen Betrieb keinen Gebrauch mehr machen. Insofern knüpft § 24 Abs. 1 GlüStV eine neue Rechtsfolge an den vor seinem Inkrafttreten aufgenommenen und darüber hinaus fortdauernden Spielhallenbetrieb der Antragstellerin an.

Eine solche unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und bei der Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt (vgl. BVerfG, B.v. 7.7.2010 - 2 BvL 1/03 u. a. - BVerfGE 127, 31/48 m. w. N.; BayVerfGH, E.v. 28. 6. 2013 - Vf. 10-VII-12 u. a. - NVwZ 2014, 141/144). Zur Anpassung der Rechtslage an die vorgefundene Situation und damit auch zum Vertrauensschutz kann der Gesetzgeber Übergangsvorschriften erlassen. Dabei ist eine Übergangsregelung in Fällen geboten, in denen der Zwang zur sofortigen Aufgabe einer beruflichen Tätigkeit für den Betroffenen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unzumutbar wäre, weil dieser die künftig unzulässige Tätigkeit in der Vergangenheit bereits in zulässiger Weise ausgeübt hat (vgl. BVerfG, B.v. 15.2.1967 - 1 BvR 569/62 - BVerfGE 21, 173/183; BVerfG, B.v. 4.5.1983 - 1 BvL 46/80 u. a. - BVerfGE 64, 72/83 f.; BVerfG, U.v. 27.10.1998 - 1 BvR 2309/96 u. a. - BVerfGE 98, 265/309 f.; auch BayVGH, U.v. 17.2.2012 - 22 N 11.3022 - Rn. 43 ff.). Dann liegt es nicht im Ermessen des Gesetzgebers, ob er eine Übergangsregelung schafft, sondern nur, wie er sie ausgestaltet (vgl. BVerfG, B.v. 8.6.2010 - 1 BvR 2011/07 u. a. - juris Rn. 126 m. w. N.), wobei der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum hat (vgl. BayVGH, B.v. 13.12.2012 - 22 ZB 12.922 - Rn. 18).

Vorliegend hat der Gesetzgeber mit Blick auf den Schutz des Vertrauens Betroffener in § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Übergangsregelung für während der Vorbereitung des neuen Glücksspielstaatsvertrags bereits erlaubt bestehende und von der unechten Rückwirkung betroffene Spielhallen geschaffen.

Die einjährige Übergangsfrist ist zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet. Die Übergangsregelung in § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV dient der Neuregelung des Glücksspielrechts in absehbarer Zeit, indem sie die Bekämpfung des von Spielhallen ausgehenden Sucht-, Betrugs-, Manipulations- und Kriminalitätspotentials fördert und die Durchsetzung der gesetzlichen Vorschriften über die Erlaubnispflicht und das Abstandsgebot in § 24 Abs. 1 und Abs. 2, § 25 Abs. 1 GlüStV zu einem zeitnahen Termin ermöglicht.

Die einjährige Übergangsfrist ist erforderlich, weil ein weniger beeinträchtigendes, ebenso wirksames Mittel nicht zur Verfügung steht. Ohne die nach Ablauf der einjährigen Übergangsfrist anwendbaren Neuregelungen genössen auch Spielhallen, deren Erlaubnis nach § 33i GewO erst während der Vorbereitung des neuen Glücksspielstaatsvertrags beantragt und erteilt worden ist, einen fünf Jahre dauernden Bestandsschutz, so dass das Ziel einer Spielsuchtbekämpfung durch Verringerung der Glücksspielangebote im Wege der Dekonzentration vorhandener Spielhallen (vgl. LT-Drs. 16/11995 S. 17, 20, 30 f.) in weite Ferne rückte. Blieben die bestehenden Spielhallen generell fünf Jahre lang von der Anwendung des neuen Rechts ausgespart, würden glücksspielrechtlich „genehmigungsfreie“ Zeiträume entstehen (vgl. LT-Drs. 16/11995 S. 32) und zentrale Anliegen der Neuregelung verfehlt.

Die einjährige Übergangsfrist ist auch verhältnismäßig i.e.S. unter Abwägung des Gewichts des enttäuschten Vertrauens einerseits und des Gewichts der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe andererseits. Auf der einen Seite steht das betriebliche und wirtschaftliche Interesse der Spielhallenunternehmer, die Spielhalle weiter zu diesem Zweck betreiben zu können. Dem gegenüber steht das öffentliche Interesse an der Eindämmung der Gefahren der Spielsucht durch Reglementierung der Zahl, Dichte und Betriebsform von Spielhallen unter Einschluss bestehender Spielhallen.

Der Vertrauensschutz verliert wesentlich an Gewicht, wenn die ihn begründende gewerberechtliche Erlaubnis erst beantragt und erteilt wurde, als die restriktivere glücksspielrechtliche Neuregelung absehbar war. In solchen Fällen ist bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe, der Berufsausübung des einzelnen Spielhallenbetreibers und seiner betrieblichen und wirtschaftlichen Interessen einerseits und des öffentlichen Interesses an der Eindämmung der Gefahren der Spielsucht durch Reglementierung und Reduzierung der Zahl, Dichte und Betriebsform von Spielhallen andererseits (vgl. LT-Drs. 16/11995, S. 32: „stufenweiser Rückbau“), die Grenze der Zumutbarkeit durch die einjährige Übergangsfrist im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG gewahrt.

b) Besondere Bedeutung für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Übergangsregelung des § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV kommt dem Stichtag 28. Oktober 2011 zu. Das Abstellen auf den Stichtag 28. Oktober 2011 entspricht sachgerechter Ausübung des Regelungsspielraums des Gesetzgebers in Abwägung des schutzwürdigen Vertrauens von Spielhallenbetreibern einerseits mit dem öffentlichen Interesse an einer baldigen Wirksamkeit der gesetzlichen Neuregelung andererseits. Die diesbezüglichen Einwände der Antragstellerin greifen nicht durch.

Im Hinblick auf die Schutzwürdigkeit des Vertrauens der betroffenen Spielhallenbetreiber in das Fortbestehen der bisherigen Rechtslage hat der Gesetzgeber vorliegend auf den Beschluss der am 28. Oktober 2011 zu Ende gegangenen Ministerpräsidentenkonferenz, worin sich 15 der 16 Bundesländer auf den neuen Glücksspielstaatsvertrag geeinigt und seine Unterzeichnung am 15. Dezember 2011 beschlossen haben, abgestellt, also nicht auf den Zeitpunkt des späteren Gesetzesbeschlusses des jeweiligen Landtags zum Staatsvertrag, sondern auf einen vor diesem Zeitpunkt liegenden Stichtag.

Für die Wahl des maßgeblichen Stichtags bei Übergangsfristen hat das Bundesverfassungsgericht zwar in steuerrechtlichen Fällen auf den Zeitpunkt des parlamentarischen Gesetzesbeschlusses abgestellt, weil das Vertrauen erst von dem Zeitpunkt an nicht mehr schutzwürdig sei, in dem der Bundestag ein rückwirkendes Gesetz beschlossen habe; das Bekanntwerden von Gesetzesinitiativen und die öffentliche Berichterstattung über die Vorbereitung einer Neuregelung durch die gesetzgebenden Körperschaften beeinträchtigten die Schutzwürdigkeit des Vertrauens hingegen nicht (vgl. zu Doppelbesteuerungsabkommen BVerfG, B.v. 10.3.1971 - 2 BvL 3/68 - BVerfGE 30, 272/287; BVerfG, B.v. 14.5.1986 - 2 BvL 2/83 - BVerfGE 72, 200/261; zur Besteuerung BVerfG, B.v. 7.7.2010 - 2 BvL 1/03 u. a. - BVerfGE 127, 31/48; hieran anknüpfend VG Osnabrück, B.v. 24.9.2013 - 1 B 36/13 - NVwZ 2014, 313 [nur Ls.]). Von dieser Rechtsprechung ist das Bundesverfassungsgericht jedoch teilweise abgewichen und hat ausgeführt, schon mit der Einbringung eines Gesetzesentwurfs im Bundestag durch ein initiativberechtigtes Organ würden geplante Gesetzesänderungen öffentlich und ab diesem Zeitpunkt zukünftige Gesetzesänderungen allgemein vorhersehbar; der Gesetzgeber sei daher berechtigt, den zeitlichen Anwendungsbereich einer Regelung auch auf den Zeitraum vor dem Gesetzesbeschluss bis zur Verkündung zu erstrecken (vgl. BVerfG, B.v. 10.10.2012 - 1 BvL 6/07 - BVerfGE 132, 302 ff. juris Rn. 56 f.). Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht sogar einen vor dem Gesetzesbeschluss liegenden und nicht mit dem Gesetzgebungsverfahren in Zusammenhang stehenden, aber für die weitere Entwicklung grundlegenden Stichtag gebilligt, weil massenhaft einsetzende Erwerbsgeschäfte das Ziel einer Restitution zu Unrecht enteigneten Vermögens durch gutgläubigen Erwerb Dritter zu unterlaufen drohten (vgl. zum Abstellen auf den Zeitpunkt des Rücktritts des Staatsratsvorsitzenden der DDR als Stichtag BVerfG, U.v. 23.11.1999 - 1 BvF 1/94 - BVerfGE 101, 239/270). Mit der Wahl des Stichtags 28. Oktober 2011 ging es dem Gesetzgeber ebenfalls darum, der Vereitelung eines im Hinblick auf den vorbeugenden Gesundheitsschutz in Gestalt der Spielsuchtprävention hochrangigen Gesetzeszwecks durch „massenhaft“ auf Vorrat gestellte Erlaubnisanträge entgegenzuwirken.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht die Annahme des Verwaltungsgerichts durch die Beschwerdebegründung nicht erschüttert, dass die interessierten Kreise (angehender) Spielhallenbetreiber bereits mit dem Beschluss der am 28. Oktober 2011 zu Ende gegangenen Ministerpräsidentenkonferenz mit einer durchgreifenden Rechtsänderung rechnen mussten (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2013 - 10 CE 13.2008 - Rn. 19; auch OVG Saarl, B.v. 10.2.2014 - 1 B 476/13 - juris Rn. 32; OVG LSA, B.v. 14.11.2013 - 1 M 124/13 - juris Rn. 12 ff.). Insoweit konnte die Antragstellerin in verlässlicher und zumutbarer Weise, wie es rechtsstaatlich geboten ist (vgl. zur Kenntniserlangung von DIN-Normen neuerdings BVerwG, B.v. 5.12.2013 - 4 BN 48.13 - UPR 2014, 148) von dem für den Stichtag maßgeblichen Ereignis Kenntnis erlangen. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits festgestellt hat, wurde hierüber in der Tagespresse berichtet und in entsprechenden Foren deutlich kommuniziert (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2013 - 10 CE 13.2008 - Rn. 21 mit Verweis auf FAZ vom 28.10.2011, „Bundesländer öffnen den Glücksspielmarkt“, Forum www.i...de/i....). Gerade als an der Eröffnung einer neuen Spielhalle Interessierte lag es für die Antragstellerin besonders nahe, sich über die aktuelle Entwicklung zu informieren. Die von der Antragstellerin vorgetragenen Beschwerdegründe entkräften diese Argumentation nicht, sondern lassen sie bestehen.

Für die in § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV getroffene Festsetzung des maßgeblichen Stichtags auf den Tag des Beschlusses der am 28. Oktober 2011 zu Ende gegangenen Ministerpräsidentenkonferenz statt auf den Zeitpunkt der Einbringung des jeweils erforderlichen Zustimmungsgesetzes in den Ländern spricht das Ziel, Mitnahmeeffekte durch auf Vorrat gestellte Anträge auf Erlaubnisse nach § 33i GewO zu vermeiden. Die Stichtagsregelung erweist sich gerade nicht als sachwidriges und untaugliches Differenzierungskriterium. Für den Zeitpunkt der Beschlussfassung der Ministerpräsidenten spricht die vom Gesetzgeber wegen des in der Öffentlichkeit bekannten und in einschlägigen Foren damals diskutierten Zeitpunkts der Beschlussfassung (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2013 - 10 CE 13.2008 - Rn. 21 m. w. N.) angenommene Gefahr, dass in Kenntnis der beabsichtigten Änderung der Rechtslage für Spielhallen Vorratserlaubnisse erwirkt werden, um so gegebenenfalls (noch) in den Genuss längerer Übergangsfristen zu gelangen. Damit wäre das legislative Ziel eines zeitnahen stufenweisen Rückbaus des konzentrierten Angebots an Spielhallen (vgl. LT-Drs. 16/11995 S. 32; BayVerfGH, E.v. 28.6.2013 - Vf. 10-VII-12 u. a. - NVwZ 2014, 141/145 f.; auch NdsOVG, B. v. 7.1.2014 - 7 ME 90/13 - juris Rn. 38) wesentlich erschwert worden. Da das Glücksspiel an Geldspielautomaten in Spielhallen ein durch Studien belegtes, besonders hohes Suchtpotenzial birgt, bereits ein suchtverstärkendes flächendeckendes Angebot an Geldspielgeräten besteht (vgl. LT-Drs. 16/11995 S. 30; BayVerfGH, E.v. 28.6.2013 - Vf. 10-VII-12 u. a. - NVwZ 2014, 141/145; BayVGH, B.v. 30.9.2013 - 10 CE 13.1834 - Rn. 14) und die Eindämmung der Spielsucht einen überragend wichtigen Gemeinwohlbelang darstellt (vgl. BVerfG, U. v. 28.3.2006 - 1 BvR 1054/01 - BVerfGE 115, 276/304 f.), liegt eine gesetzgeberische Drucksituation vor, die ein Abstellen auf den Zeitpunkt bereits der politischen Entscheidung, nicht erst der legislativen Beschlussfassung rechtfertigt.

c) Die Antragstellerin hält § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV weiter deshalb für bedenklich, weil die Vorschrift auf die Erlaubniserteilung und nicht auf die Stellung des Erlaubnisantrags abstellt. Diese Bedenken greifen jedenfalls dann nicht, wenn nicht nur die Erlaubniserteilung, sondern auch die Beantragung der Erlaubnis nach dem Stichtag liegen. So liegt es hier.

aa) Der Einwand, mit dem Abstellen auf den Tag der Erlaubniserteilung statt der Antragstellung hätte es die Behörde in der Hand, ggf. durch eine verzögerte Bearbeitung die Erlaubniserteilung über den Stichtag hinaus zu verzögern, greift jedenfalls in Fällen wie jenem der Antragstellerin, die ihre gewerberechtliche Erlaubnis erst nach dem Stichtag beantragt (und erhalten) hat, nicht durch.

Insoweit kommt es entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht auf die Antragstellung durch oder die Erlaubniserteilung an ihren Geschäftsführer als natürliche Person an, sondern auf jene durch bzw. an die Antragstellerin als haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft. Sie ist im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Untersagungsbescheids die Betreiberin der Spielhalle und Adressatin dieses Bescheids, so dass es für eine etwaige Rechtsverletzung allein auf sie ankommt (vgl. § 80 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog), nicht auf etwaige frühere Betreiber derselben Spielhalle.

bb) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin stellt sich die Festlegung einer einjährigen Übergangsfrist für nach dem Stichtag beantragte und erlaubte Spielhallen auch im Vergleich zur fünfjährigen Übergangsfrist für vor dem Stichtag erlaubte Spielhallen auch ohne Billigkeitsregelung nicht als unverhältnismäßige Beschränkung der Berufsfreiheit dar.

Die von der Antragstellerin auch bei der Einjahresfrist begehrte Billigkeitsregelung ist verfassungsrechtlich nicht geboten, weil bei von der Einjahresfrist erfassten Spielhallen nach der insoweit nicht zu beanstandenden Wertung des Gesetzgebers, wie sie in § 29 Abs. 4 Satz 4 und 5 GlüStV zu Tage tritt, generell nicht mehr von einem besonders schutzwürdigen Vertrauen des Betreibers auszugehen ist.

Der Antragstellerin ist zuzugestehen, dass sich ihre Investitionen in die Spielhalle bei einem nur ein- bzw. mittlerweile faktisch mehr als zweijährigen Betrieb möglicherweise noch nicht amortisiert haben. Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, dass ein Spielhallenbetreiber keinen Rechtsanspruch darauf hat, eine Spielhalle solange betreiben zu dürfen, bis die Investitionen amortisiert sind (vgl. BayVGH, B.v. 30.9.2013 - 10 CE 13.1834 - Rn. 28). Mit der in § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV enthaltenen Übergangsfrist hat der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum in sachgerechter Weise genutzt, die für die zeitliche Anknüpfung relevanten Fakten hinreichend gewürdigt und eine durch sachliche Gründe gerechtfertigte Lösung gefunden (als Maßstab bei BVerfG, B.v. 18.3.2013 - 1 BvR 2436/11 u. a. - juris Rn. 34), indem er vorliegend dem Vertrauens- und Bestandsschutz der Spielhallenbetreiber und ihren Erwartungen an die Amortisation getätigter Investitionen in Abwägung mit den in den §§ 24 und 25 GlüStV verfolgten Allgemeinwohlinteressen in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise Rechnung getragen hat (vgl. LT-Drs. 16/11995 S. 32; auch BayVerfGH, E.v. 28.6.2013 - Vf. 10-VII-12 u. a. - NVwZ 2014, 141/144; auch OVG Saarl, B.v. 10.2.2014 - 1 B 476/13 - juris Rn. 9-22).

cc) Zudem sind die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung der Härtefallregelung des § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV vorliegend nicht erfüllt.

§ 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV enthält die Möglichkeit des Absehens von einzelnen, in § 24 Abs. 2 GlüStV gestellten Anforderungen nur in Fällen des Ablaufs der in § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV genannten Frist, also nur für Spielhallen, die - anders als jene der Antragstellerin - vor dem Stichtag gewerberechtlich genehmigt worden sind und die für fünf Jahre mit den Regelungen des Staatsvertrags als vereinbar gelten. Daran fehlt es bei der Antragstellerin, da ihr Geschäftsführer eine Erlaubnis für sie erst am 14. Dezember 2011 und lange nach dem Stichtag 28. Oktober 2011 beantragt hat. Für erst nach dem Stichtag gewerberechtlich beantragte und erlaubte Spielhallen fehlt es an den Voraussetzungen einer Analogie, insbesondere liegen weder vergleichbare Sachverhalte noch eine planwidrige Regelungslücke vor. Vielmehr handelt es sich um eine bewusste legislative Differenzierung zwischen vor und nach dem Stichtag gewerberechtlich erlaubten Spielhallen unter Abwägung des unterschiedlichen Vertrauens- und Bestandsschutzinteresses der Betreiber mit den in §§ 24 f. GlüStV verfolgten Allgemeininteressen zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit im jeweiligen Einzelfall (so LT-Drs. 16/11995, S. 32).

3. Auch die Ausnahmeregelung des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 Ausführungsgesetz zum GlüStV i. V. m. § 25 Abs. 1 GlüStV führt entgegen der Auffassung der Antragstellerin vorliegend zu keiner anderen Bewertung.

Sie hat nicht dargelegt, dass ihr ein Anspruch auf Ausnahmeerteilung von dem Abstandsgebot durch Ermessensreduzierung auf Null zukäme oder sonst die diesbezügliche Ermessensentscheidung des Antragsgegners an nach § 114 Satz 1 VwGO relevanten Ermessensfehlern litte. Im Gegenteil hat der Antragsgegner eine Ausnahme vom Mindestabstand mit der nachvollziehbaren Begründung versagt, unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld der Spielhalle und der Lage des Einzelfalls ergebe sich kein atypischer Ausnahmefall. Vielmehr befinde sich in 236 m Luftlinie Entfernung und damit in unmittelbarer Nähe des Betriebs der Antragstellerin eine Mittelschule als sensible Anlage. Erfahrungsgemäß sei mit einem hohen Aufkommen an jungen Menschen und Schülern zu rechnen, wodurch der Belang des Jugend- und Spielerschutzes besonderes Gewicht erhalte. Aufgrund der geringen Entfernung zur Schule sowie der deutlichen Unterschreitung des gesetzlichen Mindestabstands zur nächsten Spielhalle sei eine Ausnahme nicht zu gewähren. Dagegen hat die Antragstellerin nichts Durchgreifendes vorgetragen.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwert: § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 47 Abs. 1 GKG (mangels anderweitiger Anhaltspunkte wie Vorinstanz).

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.