Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 19. März 2015 - Au 2 K 14.1729

bei uns veröffentlicht am19.03.2015

Gericht

Verwaltungsgericht Augsburg

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

IV.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Beigeladene ist Eigentümer des 44.881 qm großen mit einem Schulgebäudekomplex (Berufsschule/Berufsoberschule/Fachoberschule) bebauten Grundstücks Fl.Nr. ... Gemarkung ... (...straße ...), das mit seiner Ostseite an der Erschließungsanlage „...straße“ anliegt. Das Abrechnungsgebiet liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, sondern ist dem Innenbereich (§ 34 BauGB) zuzurechnen.

Bei der ...straße handelt es sich um eine als Ortsstraße gewidmete Straße, die im Norden in die ... Straße mündet und die im Süden an die ... Straße bzw. an die ...gasse angebunden ist.

Auf die mit Schreiben der Bauverwaltung der Klägerin vom 21. Januar 2014 an die Stadtplanung/Herrn ... erbetene Prüfung und Mitteilung, ob die ...straße den Kriterien des § 125 Abs. 2 BauGB entsprechend hergestellt sei, wurde ein undatierter, den Ersteller nicht erkennen lassender Vermerk gefertigt, der im Ergebnis feststellt, dass die Errichtung der Erschließungsanlagen in der...straße den in § 1 Abs. 4 bis Abs. 7 BauGB bezeichneten Anforderungen entspricht.

Die Klägerin veranlagte den Beigeladenen als Eigentümer des genannten Grundstücks mit Bescheid vom 24. März 2014 zu einem Erschließungsbeitrag für die erstmalige endgültige Herstellung der Erschließungsanlage „...straße“ in Höhe von 160.300,23 EUR.

Hiergegen hat der Beigeladene mit Schreiben vom 22. April 2014 Widerspruch erhoben.

Der vom Beigeladenen mit Schreiben vom 27. April 2014 gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Beitragsbescheids wurde von der Klägerin mit Schreiben vom 16. Mai 2014 abgelehnt.

Ein daraufhin vom Beigeladenen beim Verwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen Au 2 S 14.894 geführtes Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hatte Erfolg. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 4. August 2014 wurde die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Beigeladenen vom 22. April 2014 gegen den Erschließungsbeitragsbescheid der Klägerin vom 24. März 2014 angeordnet.

Auf den Widerspruch des Beigeladenen hat das Landratsamt ... mit Widerspruchsbescheid vom 26. November 2014 den Erschließungsbeitragsbescheid der Klägerin vom 24. März 2014 für das Grundstück Fl.Nr. ... Gemarkung ... aufgehoben.

Die Klägerin erhob am 3. Dezember 2014 hiergegen Klage. Für sie ist beantragt,

den Widerspruchsbescheid des Landratsamts ... vom 26. November 2014, Az. ..., aufzuheben.

Zur Begründung wurde zunächst auf die Ausführungen im Verfahren Au 2 S 14.894 Bezug genommen. Der Erschließungsbeitragsbescheid vom 24. März 2014 sei rechtmäßig. Die Abrechnung der Erschließungsanlage „...straße“ sei bis 2013 aus Rechtsgründen nicht möglich gewesen. Die Ausschlussfrist des Art. 19 Abs. 2 KAG komme hier nicht zum Tragen. Die Rechtsprechung stelle im Erschließungsbeitragsrecht bei den Verjährungsfristen auf die endgültige technische Fertigstellung der Erschließungsanlage entsprechend den in der Erschließungsbeitragssatzung zu erfüllenden erforderlichen Merkmalen ab. Für die Ermittlung der Vorteilslage, die durch die qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit der Straße entstehe, komme es auf die endgültige technische Fertigstellung an. Gleiches gehe auch aus der Gesetzesbegründung zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes hervor. In der Literatur werde überwiegend die Meinung vertreten, dass die Vorteilslage erst dann eintrete, wenn die technische Herstellung der Straße gemäß dem einschlägigen Bauprogramm vollständig abgeschlossen sei. Entsprechend der vorgelegten Fotodokumentation habe das frühere Haus ...straße ... massiv in die Gehwegfluchtlinie hineingeragt und dadurch eine optische Sperrwirkung im seinerzeitigen Gehwegverlauf bewirkt. Auf Höhe dieses Gebäudes sei der Gehweg so schmal gewesen, dass ein Begegnungsverkehr von Fußgängern und Kinderwagen nicht ohne weiteres möglich gewesen sei. Der Durchgang sei auch dadurch erschwert worden, dass die beiden an der Straßenseite des Hauses verlaufenden Fallrohre aus den Dachrinnen in den Gehwegbereich hinein geragt hätten. Bei einer angenommenen Gehwegbreite von dort 0,70 m hätten an diesen Stellen noch etwa 10 bis 15 cm für die Breite der Fallrohre und deren Abstand zur Hauswand abgezogen werden müssen. Hieraus habe sich dann eine nutzbare Gehwegbreite von nur noch 0,55 m bis 0,60 m ergeben. Diese Breite habe nicht als ausreichend erachtet werden können. Ein Fußgänger benutze den Gehweg nicht ohne Abstand zur Hauswand bzw. zum Fallrohr und zum Schramboard, so dass sich die effektiv zur Verfügung stehende Gehwegbreite weiter reduziert habe. Bei anzunehmenden Breiten von Kinderwagen oder Buggys von meist um 50 bis 65 cm sei ein solcher Gehweg mit diesen Fahrzeugen nicht befahrbar und ein Ausweichen auf die andere Straßenseite oder kurzfristig auf die Fahrbahn erforderlich gewesen. Zudem sei die Frage, ob ein Gehweg seine Funktion erfüllen könne, von vielen Faktoren abhängig, z. B. von der Erschließungsfunktion (Wohn- oder Hauptverkehrsstraße), Kraftfahrzeug- bzw. Fußgängerfrequenz, Zielverkehr (Wohnen, Gewerbe, öffentliche Einrichtungen). Die ...straße weise einen erhöhten Ziel- und Quellverkehr auf. Als Durchfahrtstraße zur ... Insel und Erschließungsstraße im Sinne einer Zubringerstraße zum Schulzentrum müsse sie in der Lage sein, auch den dadurch hervorgerufenen Fußgängerverkehr abzuwickeln. Sie sei bereits Mitte der 1970er Jahre als Ausweichstrecke zur Insel genutzt worden und stelle auch heute noch eine Durchfahrtsstraße und wichtige Verkehrsverbindung im ... Straßennetz dar. Darüber hinaus liege die Berufs-, die Berufsober- und die Fachoberschule an der ...straße, welche nicht nur durch Autos, sondern auch durch Schüler als Fußgänger einen erhöhten Ziel- und Quellverkehr auslösten. Gerade bei Gruppen von Schülern könne nicht davon ausgegangen werden, dass die im Straßenverkehr erforderliche Sorgfalt stets beachtet werde und bei einem sich verengenden Gehweg nur noch hintereinander gelaufen werde. Vielmehr werde bei solchen Gelegenheiten auf die Fahrbahn ausgewichen. Dies zeige, dass die Gehwegbreite von letztlich nur knapp 0,55 m bis 0,60 m nicht ausreichend gewesen sei, um einen verkehrssicheren Schulweg einschließlich Gegenverkehr zu gewährleisten.

Die im Widerspruchsbescheid vom Beklagten vertretende Auffassung, die Klägerin habe kein entsprechendes Bauprogramm zur Herstellung der ...straße mit einer Fahrbahnbreite von 6,00 m und beidseitigen Gehwegen mit je 1,50 m besessen, treffe nicht zu. Die Lagepläne von 1972 würden im südlichen und nördlichen Bereich jeweils eine Straßenbreite von 6,00 m zuzüglich Gehwegen von je 1,50 m, also insgesamt 9,00 m Breite, aufweisen. Für den südlichen Bauabschnitt liege eine noch genauere Planung aus dem Jahr 1980 vor, die auf den Vorgängerplänen aufbaue und ebenfalls eine Straßenbreite von 9,00 m einschließlich zwei Gehwegen mit je 1,50 m Breite vorsehe. Durch diese Unterlagen werde dokumentiert, dass für die Straße auf ihrer gesamten Länge, also auch auf Höhe des früheren Anwesens ...straße ..., diese Breiten vorgesehen gewesen seien. Dies gelte vor allem im Hinblick auf die im südlichen Bereich noch nicht vorhandene Bebauung und das 1980 erst geplante Schulzentrum, für dessen Bereich es 1976 auch einen Aufstellungsbeschluss zu einem Bebauungsplan gegeben habe. Wie aus mehreren Protokollen hervorgehe, sei die ...straße bereits zum damaligen Zeitpunkt eine weitere Zufahrt zur Insel und nicht nur Wohn- sondern auch Durchgangsstraße gewesen. Möglicherweise mag es kein Bauprogramm nach heutigem Standard für die ...straße gegeben haben. Für jeden objektiven Beobachter sei jedoch erkennbar gewesen, dass eine klare Bauabsicht und der Wille bestanden haben, die ...straße ursprünglich sogar auf ganzer Länge mit 9,00 m Breite auszubauen. Aufgrund der Angaben des Lageplans von 1972 könne festgestellt werden, dass begründet durch die Lage der ...straße, d. h. ihrem geradlinigen Verlauf ohne Kreuzungen zwischen der ... Straße und der ...gasse, kein anderer Ausbauzustand zu erwarten gewesen sei als auch in der Planung von 1980 für den südlichen Bauabschnitt dargestellt. Die vorliegenden Planunterlagen seien ausreichend, um den angestrebten Ausbaustandard für die endgültige Straßenherstellung nachzuweisen. Die Tatsache, dass die ...straße bisher nicht abgerechnet worden sei, lasse zudem durchaus den Rückschluss zu, dass man bereits in den früheren Jahren der Ansicht gewesen sei, die endgültige Fertigstellung sei erst erreicht, wenn auch die gesamten Gehwege entlang der Bebauung mit der vorgesehenen und bis dahin lediglich mit der Ausnahme beim Anwesen ...straße ... umgesetzten 1,5 m Breite hergestellt seien.

Das Anwesen ...straße ... sei zwar mehrmals verkauft worden, ohne dass die Klägerin ein Ankaufsrecht geltend gemacht habe. Hierfür habe jedoch keine Rechtsgrundlage bestanden. Der Kauf des gesamten Grundstücks und der anschließende Abriss des Hauses, um die Vervollständigung des Gehwegs erreichen zu können, hätte als unverhältnismäßig angesehen werden müssen und wäre mit dem Grundsatz der wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung nicht vereinbar gewesen. Für einen objektiven Betrachter habe sich der Zustand des Gehwegs beim Anwesen ...straße ... gerade nicht als auf ewige Zeit zementiert dargestellt. Bauliche Entwicklungen im Ort hätten sich meist so dargestellt, dass Grundstücke mit einem alten Gebäudebestand aufgekauft, die Gebäude abgebrochen und die Grundstücke nachfolgend verdichtet bebaut worden seien. Dieses Vorgehen sei vor allem bei Grundstücken festzustellen gewesen, wo die Gebäude nicht mehr unterhalten worden seien. Dies habe auch für das Haus in der ...straße ... gegolten. Es sei daher absehbar gewesen, dass das dortige Gebäude nicht auf Dauer Bestand haben werde, sondern dass das Grundstück einer Neubebauung zugeführt werden würde. Mit dem Abbruch des Hauses sei die Klägerin tätig geworden, habe die fehlende Fläche für den Gehwegausbau in ihr Eigentum überführt und die Fertigstellung des Gehweges veranlasst. Dies zeige, dass die Klägerin ebenso wie jedem objektiven Betrachter auch noch im Jahr 2012 bewusst gewesen sei, dass es einem Teilstück des Gehwegs an der ausreichenden Breite mangelte und die bis auf diesen Abschnitt realisierte Straßenbreite inklusive Gehweg nun auch in diesem Bereich umgesetzt werden könne. Nach den Festsetzungen der Erschließungsbeitragssatzung sei das Vorhandensein eines Gehwegs nicht als Merkmal für die erstmalige endgültige technische Herstellung aufgeführt, da dies bedeutet hätte, dass jede Straße für ihre erstmalige endgültige Herstellung einen oder mehrere Gehwege, Grünstreifen oder Parkbuchten benötigen würde. Es komme jedoch darauf an, ob die Planungen für die ...straße bereits im Jahr 1980 und davor die Anlegung eines Gehweges vorgesehen hätten, da Gehwege nach dem Bayerischen Straßen- und Wegegesetz schon immer Bestandteil der Straße gewesen seien. Wie oben bereits ausgeführt, habe bereits in den 1970er Jahren die Absicht bestanden, die ...straße mit beidseitigen Gehwegen von je 1,50 m Breite anzulegen. Vor der endgültigen Herstellung des Gehwegs habe deshalb die Beitragspflicht nicht entstehen können. Erst mit der durchgängigen Gehwegbreite von 1,50 m habe es sich bei der ...straße um eine insgesamt „betriebsfertige Einrichtung“ gehandelt. Dem objektiven Beobachter sei klar gewesen, dass eine Straße, deren Gehweg sich auf einer zehn Meter langen Teilstrecke bis auf etwas mehr als einen halben Meter verenge und sonst durchgehend eine Breite von 1,50 m aufweise, nicht endgültig technisch hergestellt sein könne. Die Rechtsauffassung der Klägerin sei im Übrigen hinsichtlich der endgültigen technischen Herstellung und dem damit verbundenen Eintritt der Vorteilslage durch Stellungnahmen des Bayerischen Städtetags, des Bayerischen Gemeindetags und des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbands bestätigt worden.

Der Erlass des Widerspruchsbescheids durch das Landratsamt ... sei rechtswidrig. Der gesetzliche Vertreter der beitragspflichtigen Körperschaft sei zugleich der Leiter des Landratsamts als Staatsbehörde. Da sich dieser jedoch nicht selbst kontrollieren dürfe, fehle es an der Zuständigkeit des staatlichen Landratsamts für die Entscheidung über den Widerspruch.

Das Abstellen auf die Vorteilslage erscheine fragwürdig, da kein Betrachter feststellen könne, wann eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung vorliege. Nur Fachleuten sei es (nach Entnahme von Proben) beispielsweise möglich, festzustellen, ob der Unterbau der Fahrbahn den technischen Anforderungen entspreche. Die Widerspruchsbehörde habe das in den Unterlagen der 1970er und 1980er Jahre zum Ausdruck kommende Bauprogramm der Stadt weitgehend ignoriert. Jeder Notar weise in einem Grundstückskaufvertrag ausdrücklich auf die Möglichkeit hin, dass noch Abgaben entstehen können, so dass „Überraschungen“ ausgeschlossen seien.

Mit Beschluss vom 3. Dezember 2014 wurde der Landkreis ... zum Verfahren beigeladen.

Der Beigeladene wandte sich mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2014 gegen das Klagebegehren. Für ihn ist beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte stellte mit Schreiben des Landratsamts ... vom 30. Dezember 2014 den Antrag,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Beschluss vom 4. August 2014 verwiesen. Was die Funktionsfähigkeit des Gehwegs an der ...straße angehe, werde auf die Darlegungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Dabei sei von der Widerspruchsbehörde durchaus berücksichtigt worden, dass Gehwege eine Mindestbreite aufweisen müssten, um Fußgängern ein sicheres Begehen zu ermöglichen. Nicht funktionsfähig sei eine Teileinrichtung aber erst dann, wenn sie im Ganzen absolut ungeeignet sei, die ihr in verkehrstechnischer Hinsicht zugedachte Funktion in der konkreten örtlichen Situation tatsächlich zu erfüllen. Dabei komme es weder auf punktuelle Engpässe, in denen selbst der oben beschriebene Verkehrsraum nicht mehr zur Verfügung stehe, noch auf besondere Nutzungsansprüche von Verkehrsteilnehmern oder eine Begegnungsverkehrsbreite an. Eine derartige Einschränkung der Funktion des Gehwegs sei hier nicht gegeben gewesen, auch wenn der Gehwegbereich an zwei Stellen wegen Fallrohren weiter verengt worden sei. Die Verschmälerung des Gehwegs habe nur eine Länge von zehn Metern betroffen. Insgesamt betrachtet sei der Gehweg als funktionsfähig einzustufen gewesen.

Zur Erschließungsfunktion der ...straße sowie zu der Qualität als Durchfahrtsstraße zur ... Insel und Zubringerstraße zum Schulkomplex sei Stellung genommen worden. Im Bereich der ...straße sei kaum mit Schülern zu rechnen, die die Gehwege benützten, da Fußgänger zur Schule hier die absolute Ausnahme darstellten.

Das Landratsamt ... sei zur Entscheidung über den Widerspruch zuständig gewesen. Es sei im Rahmen des Widerspruchsverfahrens als Staatsbehörde tätig geworden. Der Beigeladene habe als kommunale Gebietskörperschaft, an die der Erschließungsbeitragsbescheid gerichtet sei, mit dem Widerspruchsverfahren nichts zu tun, die Kreisorgane hätten dabei keine Zuständigkeiten. Eine andere Zuständigkeitsregelung für Widersprüche von Landkreisen sei nicht vorhanden. Im Übrigen sei die Bearbeitung des Widerspruchs durch die Rechtsaufsichtsbehörde getrennt von der Einlegung des Widerspruchs und des Verfahrens zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erfolgt. In diesem Zusammenhang sei auch die Entscheidung über die Hinzuziehung des Rechtsanwalts durch den Beigeladenen im Widerspruchsverfahren zu verstehen. Die staatliche Rechtsaufsichtsbehörde sei bei der Anfechtung des streitgegenständlichen Erschließungsbeitragsbescheids nicht tätig geworden.

Der Beigeladene führte mit Schriftsatz vom 27. Januar 2015 aus, er verweise zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Vorbringen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Die Klägerin habe den Entscheidungsgründen im Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 4. August 2014 keine neuen entscheidungserheblichen Argumente entgegengesetzt. Die bislang für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. November 2013 sowie die Reaktion des Bayerischen Landesgesetzgebers in Form des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 11. März 2014 würden in bedeutsamer Weise ergänzt durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. März 2014 (Az. 4 C 11.13). Dieser Entscheidung komme nicht nur deshalb besondere Bedeutung zu, weil sie ausdrücklich die zum Erschließungsbeitragsrecht ergangene Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. November 2013 bestätige, sondern wegen ihres Anspruchs auf Allgemeingültigkeit für alle Fallkonstellationen, in denen eine Vorteilslage durch öffentliche Abgaben abgegolten werde. Die Entscheidung betreffe also gerade nicht nur die dort streitgegenständlichen sanierungsrechtlichen Ausgleichsbeiträge. Soweit die Klägerin unablässig wiederhole, sie habe die ...straße stets für unfertig gehalten und stets - vom Bürger unbemerkt - vorgehabt, die Straße nach Maßgabe eines (nicht vorhandenen) Bauprogramms auszubauen und zu gegebener Zeit Erschließungsbeiträge zu erheben, greife dies zu kurz. Sie trage dies vor, obwohl sie nichts dafür getan habe, um den angeblich gewünschten Straßenzustand zu erreichen. Es sei nie der Versuch unternommen worden, die angeblich unbefriedigende Verkehrssituation zu lösen und eine Neubebauung zu initiieren. Die Klägerin habe die für die Verbreiterung des Gehwegs notwendigen acht Quadratmeter Fläche nicht einmal dem Bauträger abgekauft, der sie für sein Neubauvorhaben gar nicht gebraucht habe, sondern einen Vertragsschluss mit dessen Käuferin abgewartet.

Es sei im Übrigen auch denkbar, den Fall - wie vom Bundesverwaltungsgericht entschieden - unter Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung zu lösen. Ein derartiger Fall in der Sphäre der Klägerin angesiedelter Versäumnisse liegt hier vor, wenn man - allerdings wohl zu Unrecht - zu dem Ergebnis gelangen würde, dass die Vorteilslage im Sinn des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG nicht bereits im Jahr 1980 entstanden sei.

Der Beklagte verzichtete mit Schreiben vom 3. Februar 2015 auf mündliche Verhandlung. Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom 20. Februar 2015 ebenfalls den Verzicht auf mündliche Verhandlung. Im Übrigen vertiefte sie ihr bisheriges Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Gerichts- und Behördenakten, insbesondere die gerichtlichen Verfahrensakten Au 2 S 14.894, Bezug genommen.

Gründe

Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da alle Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Widerspruchsbescheid des Landratsamts ... vom 26. November 2014, mit dem aufgrund des Widerspruchs des Beigeladenen der Erschließungsbeitragsbescheid der Klägerin vom 24. März 2014 aufgehoben wurde, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 115, § 79 Abs. 1 Nr. 2, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Da der Widerspruch des Beigeladenen zulässig und begründet war, durfte das für den Beklagten als zuständige staatliche Rechtsaufsichtsbehörde handelnde Landratsamt ... den Erschließungsbeitragsbescheid der Klägerin vom 24. März 2014 aufheben (§ 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO, Art. 119 Nr. 1, 110 Satz 1 GO; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 42 Rn. 140).

Der Widerspruch war begründet, weil der Erschließungsbeitragsbescheid der Klägerin vom 24. März 2014 rechtswidrig ist und den Beigeladenen in eigenen Rechten verletzt (§ 68 Abs. 1 Satz 1, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog).

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Erschließungsbeitrag sind Art. 5a KAG, §§ 127 ff. BauGB i. V. m. der Erschließungsbeitragssatzung der Klägerin vom 29. Oktober 1981 i. d. F. der Änderungssatzung vom 31. Juli 1991 (EBS).

Durch diese Bestimmungen wird die Klägerin grundsätzlich zur Erhebung eines Erschließungsbeitrags zur Deckung ihres nicht anderweitig refinanzierbaren Aufwands für Erschließungsanlagen ermächtigt. Die Geltendmachung eines Erschließungsbeitrags ist jedoch nicht zeitlich unbegrenzt möglich.

Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu entschieden, dass das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit gesetzliche Regelungen verlangt, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können (BVerfG, B.v. 5.3.2013 - 1 BvR 2457/08 - BayVBl 2013, 465; B.v. 3.9.2013 - 1 BvR 1282/13 - juris; BVerwG, U.v. 20.3.2014 - 4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211 = NVwZ 2014, 1671; Driehaus, KStZ 2014, 181/183).

Dem Gesetzgeber obliege es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhebung von Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann (BVerfG, B.v. 5.3.2013, a. a. O.).

Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc Spiegelstrich 2 KAG für unvereinbar mit Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG erklärt; denn durch diese Bestimmung werde im Fall der Ungültigkeit einer Abgabensatzung der Verjährungsbeginn ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festgelegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei, was den Interessenkonflikt einseitig zulasten der Beitragsschuldner löse. Diesen Erwägungen hat der Bayerische Landesgesetzgeber durch die Schaffung von Ausschlussfristen in Art. 19 Abs. 2 KAG Rechnung getragen.

Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 11. März 2014 (GVBl. 70) ist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG § 169 AO in der jeweils geltenden Fassung nunmehr mit der Maßgabe anwendbar, dass über Abs. 1 Satz 1 hinaus die Festsetzung eines Beitrags ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig ist; liegt ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht nach Art. 5 Abs. 2a KAG vor, und kann der Beitrag deswegen nicht festgesetzt werden, beträgt die Frist 25 Jahre. Für Beiträge, die - wie hier - vor dem 1. April 2014 durch nicht bestandskräftigen Bescheid festgesetzt sind, gilt Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG mit der Maßgabe, dass die Frist einheitlich 30 Jahre beträgt (Art. 19 Abs. 2 KAG).

Der für den Lauf der Ausschlussfristen maßgebliche Zeitpunkt des Eintritts der Vorteilslage muss für den Bürger erkennbar sein (s. hierzu Rottenwallner, KStZ 2014, 145/191 ff.), so dass er auch selbst feststellen kann, bis zu welchem Zeitpunkt er damit rechnen muss, noch zu einem Beitrag herangezogen zu werden (s. auch Driehaus a. a. O.). Der Begriff der Vorteilslage knüpft damit an für den Bürger ohne weiteres bestimmbare, rein tatsächliche Gegebenheiten an und lässt rechtliche Entstehensvoraussetzungen für die Beitragsschuld, wie etwa den vollständigen Grunderwerb, die formelle Widmung oder auch die Wirksamkeit der Beitragssatzung, außen vor (BVerfG, B.v. 5.3.2013 - 1 BvR 2457/08 - NVwZ 2013, 1004).

(Auch) im Bereich der Abrechnungen von Straßen kann vom Entstehen der Vorteilslage ausgegangen werden, wenn ein Grundstück durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung, die Erschließungsfunktion besitzt, erschlossen ist. Abzustellen ist dabei darauf, ob dem Grundstück eine qualifizierte Möglichkeit der Inanspruchnahme vermittelt wird, für die bereits jede sinnvolle und zulässige Nutzungsmöglichkeit ausreicht (BayVGH, B.v. 8.3.2013 - 6 B 12.2220 - juris Rn. 12; Driehaus, KStZ 2014, 181/184). Die Vorteilslage tritt nach diesen Maßgaben ein, wenn die Einrichtung bzw. Straße insgesamt betriebsfertig ist, d. h. technisch endgültig fertiggestellt wurde (BayVGH, U.v. 14.11.2013 - 6 B 12.704 - BayVBl 2014, 241; B.v. 23.7.2013 - 6 BV 13.1273 - juris Rn. 10).

Im Erschließungsbeitragsrecht kommt es damit auf die technische Herstellung derjenigen beitragsfähigen Erschließungsanlage an, die der bekundeten Planung der Gemeinde entspricht und von dieser erkennbar dem öffentlichen Verkehr zur Verfügung gestellt wurde. Die formellen Anforderungen an eine Widmung nach dem Bayerischen Straßen- und Wegegesetz sollen jedoch mangels Erkennbarkeit für den Bürger bei der Bestimmung des Eintritts der Vorteilslage irrelevant sein (vgl. Kolbe, KommP BY 2014, 166/168). Für das Vorliegen einer insgesamt betriebsfertigen Einrichtung im Bereich des Erschließungs- und Ausbaubeitragsrechts könne nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bayerischen Staatsregierung zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes von der endgültigen technischen Fertigstellung ausgegangen werden. Dieser Zeitpunkt sei deutlich später anzusetzen, als der etwa in § 133 Abs. 3 Satz 3 BauGB als maßgeblich bezeichnete Zeitpunkt der Benutzbarkeit. Die Anlage müsse vielmehr unter Berücksichtigung der Vorgaben des konkreten Bauprogramms, der in einer (gültigen oder nichtigen) Satzung benannten baulichen Merkmale der endgültigen Herstellung sowie der Erwartungen eines objektiven Beobachters den Eindruck der Abrechenbarkeit erwecken (LT-Drs. 17/370 S. 14).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist im vorliegenden Fall die Festsetzung und Erhebung eines Erschließungsbeitrags - ohne Rücksicht auf das Entstehen der Beitragsschuld und unbeschadet der abgabenrechtlichen Verjährungsregelungen - ausgeschlossen, da seit dem Entstehen der Vorteilslage durch die endgültige technische Fertigstellung der Erschließungsanlage mehr als 30 Jahre vergangen sind (siehe auch BayVGH, U.v. 14.11.2013 a. a. O.).

Die 30-jährige Ausschlussfrist war hier bei Erlass des streitgegenständlichen Erschließungsbeitragsbescheids vom 24. März 2014 bereits abgelaufen, da die bis 2013 baulich unverändert gebliebene Erschließungsanlage „...straße“ bereits 1980 endgültig technisch hergestellt und damit die als Anknüpfungspunkt für die Ausschlussfrist maßgebliche Vorteilslage eingetreten war. Die Festsetzung und Erhebung eines Erschließungsbeitrags für die erstmalige endgültige Herstellung der Erschließungsanlage „...straße“ war nach Maßgabe von Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1, Art. 19 Abs. 2 KAG folglich mit Ablauf des Jahres 2010 ausgeschlossen.

Das Entstehen der Vorteilslage und der rechtlich zur Unzulässigkeit der Erhebung eines Erschließungsbeitrags führende Ablauf der Ausschlussfrist waren nicht dadurch ausgeschlossen, dass der westliche Gehweg der ...straße im Gegensatz zu den übrigen Gehwegen der Erschließungsanlage, die durchgängig eine Breite von 1,50 m aufweisen, bis zum Jahr 2013 auf einer Länge von ca. zehn Metern lediglich mit einer durchschnittlichen Breite von 0,70 m bis 0,80 m hergestellt war, da die Erschließungsanlage insgesamt auch ohne einen durchgängig in 1,50 m Breite ausgebauten Gehweg als technisch endgültig fertiggestellt anzusehen war.

Der Herstellung der ...straße liegt weder ein Bebauungsplan, noch örtliche Richtlinien oder ein förmliches Teileinrichtungs- und Ausbauprogramm zugrunde, aus denen sich eine verbindliche Festlegung der Gehwegbreite auf durchgängig 1,50 m ableiten lässt und die es einem Abgabenschuldner ermöglicht hätten, zu erkennen, dass die ...straße bis zur 2013 erfolgten Verbreiterung des Gehwegs vor dem jetzigen Anwesen ...straße ... noch nicht endgültig hergestellt war (s. hierzu Rottenwallner, KStZ 2014, 145/192 ff. mit Zweifeln in Bezug auf die Erkennbarkeit der Vorgaben eines formlosen gemeindeinternen Bauprogramms für den Bürger).

Der tatsächliche Umstand, dass die restlichen Gehsteige der ...straße eine Breite von 1,50 m aufweisen, lässt nicht zwingend den Schluss zu, dass auch im Bereich vor dem früheren Grundstück ...straße ... noch über 30 Jahre nach der Herstellung der Straße in ihren übrigen Teilen eine Verbreiterung des Gehwegs erfolgen werde. Das Vorhandensein von Ausbauplanungen für andere Bereiche der ...straße, die dort Gehwegbreiten von 1,50 m vorsehen, ist im vorliegenden Fall auch unter Berücksichtigung der in der ...straße gegebenen Verkehrsbedürfnisse nicht in der Lage, ein Bauprogramm zu ersetzen, da nicht erkennbar ist, dass und in welcher Weise ein diesbezüglicher Planungswille des entscheidungszuständigen Organs der Klägerin besteht.

Ein bloßer Rückschluss vom Inhalt bestehender Ausbauplanungen auf einen voraussichtlich in gleicher Weise ausgeübten Planungswillen vermag - auch wenn aus heutiger Sicht viel für ein Beibehalten des bereits für wesentliche Teile der ...straße festgelegten Ausbaustandards spricht und an das Vorhandensein eines Bauprogramms keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind - insoweit ebenfalls keine planungssubstituierende Bedeutung zu entfalten (s. hierzu z. B. BVerwG, U.v. 25.2.1981 - 8 C 7.81 - BauR 1982, 480; Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 132 Rn. 20).

Auch den in der EBS einschließlich der Vorgängerregelungen festgelegten Merkmalen der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen kann keine Vorgabe für eine Mindestbreite bei Gehwegen entnommen werden. Nach § 7 Abs. 2 EBS sind Bürgersteige endgültig hergestellt, wenn sie eine Abgrenzung gegen die Fahrbahn sowie eine Befestigung mit Platten, Pflaster, Asphaltbelag oder eine ähnliche Decke in neuzeitlicher Bauweise mit dem technisch notwendigen Unterbau aufweisen. Diesen Anforderungen hat selbst der bautechnisch nur verschmälert ausgeführte Gehweg im Bereich vor dem Anwesen ...straße ... (alt) genügt.

Aufgrund der straßenbautechnischen Herstellung der Erschließungsanlage „...straße“ im Jahr 1980 und angesichts der Tatsache, dass der Grund für die auf eine Stelle beschränkte verschmälerte Errichtung des Gehwegs das Hineinragen eines als Wohnhaus genutzten Gebäudes in den Straßenbereich war, das sich nicht im Eigentum der Klägerin befand und bei dem - auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin geschilderten üblichen Verfahrensweise bei altem Baubestand - keine Anhaltspunkte für einen in absehbarer Zeit erfolgenden - von der Klägerin selbst als unverhältnismäßig angesehenen - Erwerb zum Abbruch vorlagen, konnte und durfte ein objektiver Beobachter in der Lage eines potentiellen Beitragspflichtigen anhand der zugänglichen Quellen den Eindruck gewinnen, dass die Erschließungsanlage „...straße“ in diesem Zustand verbleiben werde und deshalb endgültig technisch hergestellt ist und die Gemeinde nicht mehr beabsichtigt, den Gehsteig in dem Bereich vor dem Anwesen ...straße ... (alt) auf 1,50 m zu verbreitern, um dann Erschließungsbeiträge zu erheben.

Dieses Ergebnis wird auch nicht durch die nur flächenmäßig eingeschränkte Benutzbarkeit des Gehsteigs für den Fußgängerverkehr in diesem Teilstück in Frage gestellt, da die Teileinrichtung „Gehweg“ einschließlich des ca. zehn Meter langen Gehwegbereichs vor dem Anwesen ...straße ... (alt) trotz dessen reduzierter Breite von lediglich 0,70 m bis 0,80 m und den die nutzbare Gehwegfläche punktuell zusätzlich beengenden beiden Fallrohren der Dachrinne im Herstellungszeitpunkt noch den Mindestanforderungen genügte, die an die Funktionsfähigkeit einer Verkehrseinrichtung „Gehweg“ - auch an einer Straße mit erhöhter Verkehrsbedeutung - zu stellen sind.

Für die Beurteilung der Funktionsfähigkeit eines Gehwegs ist die gesamte Teileinrichtung und nicht nur einzelne Abschnitte der Verkehrsanlage in den Blick zu nehmen. Bei dieser Betrachtungsweise stellen etwaige einzelne Engstellen die Funktionsfähigkeit der Teileinrichtung „Gehweg“ nicht durchgreifend in Frage, sondern können ausgeblendet werden (BayVGH, B.v. 14.7.2006 - 6 ZB 04.222 - juris Rn. 6; OVG NW, B.v. 1.9.2009 - 15 A 1102/09 - NVwZ-RR 2009, 939; U.v. 1.6.1992 - 2 A 660/91 - juris Rn. 24).

Gehwege dienen nach ihrer Zweckbestimmung primär der Sicherheit von Fußgängern, weil sie den langsamsten und schutzbedürftigsten Verkehrsteilnehmern einen eigenen, von den übrigen Verkehrsarten abgegrenzten Verkehrsraum überlassen. In welcher Breite Gehwege hergestellt werden, kann die Gemeinde als Trägerin der Straßenbaulast bei Festlegung eines individuellen Ausbauprogramms für die jeweilige Straße selbst entscheiden. Innerhalb des ihr dabei eingeräumten Planungsspielraums (BVerwG, U.v. 23.6.1972 - IV C 15.71 - BVerwGE 40, 177/181) hat sie die Aufgabe der einzelnen (Teil)Anlage und die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen (BVerwG, U.v. 18.1.1991 - 8 C 14.89 - BVerwGE 87, 288/298 f.). Die Grenzen dieses Spielraums werden nach unten hin - zur Wahrung von Mindeststandards - dadurch bestimmt, dass die jeweilige Teileinrichtung in verkehrstechnischer Hinsicht funktionsfähig sein muss. Bei Gehwegen bedeutet das, dass sie eine Mindestbreite aufweisen müssen, die ein sicheres Begehen - getrennt vom Autoverkehr auf der Fahrbahn - ermöglicht (BayVGH, U.v. 11.6.2002 - 6 B 97.2355 - juris Rn. 21).

Konkrete Aussagen zur Bemessung der Breite von Gehwegen sind den „Empfehlungen für die Anlage von Erschließungsstraßen“ - EAE 85/95 -, die das Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau in Zusammenarbeit mit der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen erstellt hat bzw. den diese ersetzenden „Richtlinien für die Anlegung von Stadtstraßen“ - RASt 06 -, die das Bayerische Staatsministerium des Innern mit Schreiben vom 11. Februar 2009 zur Anwendung empfiehlt, zu entnehmen (vgl. BayVGH, U.v. 31.5.2011 - 8 B 10.1653 - juris Rn. 29). Es handelt sich bei diesem Regelwerk um die sachverständige Konkretisierung moderner Grundsätze des Straßenbaus (BVerwGE, U.v. 26.5.1989 - 8 C 6.88 - BVerwGE 82, 102/111). Die Sachverständigenaussagen enthalten auf der Grundlage standardisierter Vorgaben Maßstäbe dafür, wie Verkehrsanlagen im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs entsprechend ihrer Funktion auszuführen und zu gestalten sind. Den in den Richtlinien enthaltenen Maßangaben kommt keine verbindliche Wirkung im Sinne einer Norm zu. Die darin empfohlenen Breiten für die einzelnen Entwurfselemente stellen im Kern Orientierungswerte dar, die als Hilfe bei Planung und Entwurf nicht starr angewandt zu werden brauchen. Die Gemeinden können bei der Entwurfsplanung anhand der konkreten örtlichen Situation im notwendigen Umfang hiervon abweichen (BayVGH, U.v. 11.6.2002 - 6 B 97.2355 - juris Rn. 22 f.).

Bei Ermittlung der funktionsgerechten Breite eines Gehwegs ist zu beachten, dass Gehwege, die unmittelbar an Fahrbahnen angrenzen, eine Fläche benötigen, die sich aus dem Verkehrs- oder Bewegungsraum für Fußgänger (sog. Gehraum) und dem zugehörigen Sicherheitsraum zum angrenzenden Verkehrsraum zusammensetzt. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, die auf der Grundlage der EAE 85/95 basiert, soll die (idealtypische) Mindestbreite des Gehraums 1,50 m betragen, wobei zusätzlich der seitliche Sicherheitsraum Berücksichtigung finden müsse, für den 50 cm zur Fahrbahn zu veranschlagen seien. Daraus folge, dass fahrbahnbegleitende Gehwege nach Möglichkeit nicht schmäler als 2,00 m sein sollten (BayVGH, U.v. 11.6.2002 a. a. O.).

Allerdings erscheint auch nach den Richtlinienvorgaben das Unterschreiten der Gehwegbreite von 2,00 m im Einzelfall vertretbar, wenn bei beengten Verhältnissen andernfalls auf Gehwegflächen verzichtet werden müsste. Die Verschmälerung darf jedoch zur Wahrung der Funktionsfähigkeit nicht so weit gehen, dass bei einer Gesamtbetrachtung der Teilanlage (siehe hierzu BayVGH, U.v. 26.3.2002 - 6 B 96.3901 - juris Rn. 37), also - wie oben ausgeführt - trotz Ausblendens etwaiger einzelner Engstellen, ein sicheres Begehen der Fußgänger nicht mehr gewährleistet ist (BayVGH, U.v. 11.6.2002 a. a. O. Rn. 22 ff.).

Bei der im vorliegenden Fall gegebenen Konstellation, die durch eine Verschmälerung des Gehwegs von 1,50 m auf 0,70 m bis 0,80 m auf einer Länge von ca. zehn Meter und durch das Hineinragen von Regenrinnenfallrohren in den Gehwegbereich an zwei Stellen gekennzeichnet ist, lag jedenfalls gemessen an den Verhältnissen zum Herstellungszeitpunkt der Erschließungsanlage „...straße“ (noch) eine funktionsfähige Teilanlage vor. Die vorhandene Breite von 0,70 m bis 0,80 m entsprach dem für einen Fußgänger erforderlichen 0,75 m breiten „Gehraum“. Da es sich lediglich um eine Strecke von etwa zehn Meter handelte, die eine geringere Gehwegbreite aufwies, stellte dies die Funktionsfähigkeit der gesamten Teilanlage auch unter Berücksichtigung einer erhöhten Verkehrsbedeutung der ...straße nicht in Frage und war auch aus heutiger retrospektiver Sicht als noch hinnehmbar anzusehen (siehe auch BayVGH, U.v. 11.6.2002 a. a. O.; OVG NW, B.v. 1.9.2009 - 15 A 1102/09 - NVwZ-RR 2009, 939; U.v. 1.6.1992 - 2 A 660/91 - juris Rn. 16 ff.).

Dabei kann dahinstehen, ob dieses Ergebnis auch unter dem Aspekt einer gemäß § 125 Abs. 3 Nr. 1 BauGB zulässigen Planunterschreitung tragfähig erscheint und inwieweit der von der Klägerin hervorgehobene Aspekt der besonderen Bedeutung der...straße für das städtische Verkehrswegenetz mit hohem Ziel- und Quellverkehr angesichts der langen Zeit von über 30 Jahren, in der trotzdem von einer baulichen oder sonstigen Verbesserung der Engstellensituation für den Fußgängerverkehr abgesehen wurde, aus der Sicht eines objektiven Beobachters in seiner Bedeutung für den Eintritt der Vorteilslage relativiert wird.

Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin in der Zeit zwischen der Herstellung der ...straße im Jahr 1980 und dem Erwerb der Grundstücksteilfläche von acht Quadratmetern im Bereich des Anwesens ...straße ... im Jahr 2012 in einer für die Beitragsschuldner transparenten Weise zu erkennen gegeben hat, dass sie die Herstellung der ...straße als noch nicht bautechnisch abgeschlossen und die Erhebung von Beiträgen in der Zukunft für möglich erachte.

Dem Umstand, dass für die ...straße bislang keine Erschließungsbeiträge erhoben wurden und auch kein Stadtrats- oder Ausschussbeschluss bzw. eine sonstige Entscheidung der Klägerin vorliegt, die klar zum Ausdruck bringt, dass die Herstellung der ...straße als endgültig abgeschlossen und die Anlage als abrechenbar betrachtet wird, kann hingegen angesichts des vom Beigeladenen unter Hinweis auf entsprechende Presseveröffentlichungen vorgetragenen offenbar jahrzehntelang üblichen Verzichts auf die Erhebung von Erschließungs- und Straßenausbaubeiträgen kein besonderes Gewicht zukommen.

Da bereits der Ablauf der in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1, Art. 19 Abs. 2 KAG geregelten Ausschlussfrist der Erhebung eines Erschließungsbeitrags für die...straße entgegensteht, kam es auf die Frage, ob die (vermutlich) von der Verwaltung der Klägerin festgestellte Beachtung der Vorgaben von § 125 Abs. 2 BauGB den gesetzlichen Anforderungen genügt, nicht mehr an (s. hierzu z. B. BayVGH, B.v. 27.3.2007 - 6 ZB 05.2456 - juris Rn. 8; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 7 Rn. 22).

Die auf Art. 80 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG beruhende und von der Klägerin gerügte Entscheidung des Beklagten in Ziff. 4. des Widerspruchsbescheids, die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durch den Beigeladenen für notwendig anzusehen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Im vorliegenden Fall des Vorgehens gegen einen Erschließungsbeitragsbescheid ist die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wegen der hier typischerweise auftretenden schwierigen Sach- und Rechtsfragen und des dadurch entstehenden Beratungsbedarfs durch eine mit dieser Materie vertraute rechtskundige Personen regelmäßig als notwendig anzusehen (vgl. BVerwG, U.v. 15.2.1991 - 8 C 83.88 - BayVBl 1991, 599; VG Augsburg, U.v. 4.11.2014 - Au 2 K 14.519 - juris Rn. 28). Der Anwendung dieses Grundsatzes steht nicht entgegen, dass es sich bei dem Beitragspflichtigen um einen Landkreis, also um eine kommunale Gebietskörperschaft handelt, da auch Verwaltungspersonal beschäftigenden Landkreisen nicht das Recht abgesprochen werden kann, sich in einem Fall, wie dem vorliegenden, sachkundigen Rat einzuholen. Ob dies aufgrund des Umstands, dass der Beigeladene die Möglichkeit hat, sich eines dem Landratsamt zugeteilten juristischen Staatsbeamten (Art. 37 Abs. 3 Satz 1 und 2 LKrO) zu bedienen, anders zu sehen wäre, kann dahinstehen, da hierfür keine Anhaltspunkte vorliegen und es hier letztlich im (weiten) Ermessen des Beigeladenen steht, ob er (zusätzlich) Rechtsrat für erforderlich hält.

Da der angegriffene Widerspruchsbescheid des Landratsamts ... vom 26. November 2014 damit insgesamt rechtlich nicht zu beanstanden ist, war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen der Klägerin aufzuerlegen, da sich dieser durch die Stellung des Antrags auf Klageabweisung einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 162 Rn. 17).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Berufung war zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür vorliegen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Sache besitzt grundsätzliche Bedeutung, da sie mit den für die vorliegende Entscheidung relevanten Aspekten der tatsächlichen und rechtlichen Anforderungen an den Eintritt der Vorteilslage im Erschließungsbeitragsrecht in verallgemeinerungsfähiger Form rechtliche Fragen aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich sind, über den Einzelfall hinaus Bedeutung besitzen und zur Wahrung der Rechtseinheit sowie zur Rechtsfortbildung der Klärung bedürfen (vgl. Kopp/Schenke, a. a. O., § 124 Rn. 10).

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Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 19. März 2015 - Au 2 K 14.1729 zitiert 22 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Baugesetzbuch - BBauG | § 34 Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile


(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und di

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 101


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

Baugesetzbuch - BBauG | § 1 Aufgabe, Begriff und Grundsätze der Bauleitplanung


(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten. (2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und d

Abgabenordnung - AO 1977 | § 169 Festsetzungsfrist


(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf d

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 68


(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn 1. der Verwaltungsakt von einer ob

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 79


(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist 1. der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,2. der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält. (2) Der

Baugesetzbuch - BBauG | § 133 Gegenstand und Entstehung der Beitragspflicht


(1) Der Beitragspflicht unterliegen Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden dürfen. Erschlossene Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht f

Baugesetzbuch - BBauG | § 125 Bindung an den Bebauungsplan


(1) Die Herstellung der Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Absatz 2 setzt einen Bebauungsplan voraus. (2) Liegt ein Bebauungsplan nicht vor, so dürfen diese Anlagen nur hergestellt werden, wenn sie den in § 1 Absatz 4 bis 7 bezeichneten Anfo

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 73


(1) Hilft die Behörde dem Widerspruch nicht ab, so ergeht ein Widerspruchsbescheid. Diesen erläßt 1. die nächsthöhere Behörde, soweit nicht durch Gesetz eine andere höhere Behörde bestimmt wird,2. wenn die nächsthöhere Behörde eine oberste Bundes- od

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 115


§§ 113 und 114 gelten entsprechend, wenn nach § 79 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 der Widerspruchsbescheid Gegenstand der Anfechtungsklage ist.

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Gründe 1 Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Ihr

Bundesverfassungsgericht Beschluss, 05. März 2013 - 1 BvR 2457/08

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Tenor 1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom
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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 24. Feb. 2017 - 6 BV 15.1000

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Tenor I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 19. März 2015 - Au 2 K 14.1729 - wird zurückgewiesen. II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerich

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(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Die Herstellung der Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Absatz 2 setzt einen Bebauungsplan voraus.

(2) Liegt ein Bebauungsplan nicht vor, so dürfen diese Anlagen nur hergestellt werden, wenn sie den in § 1 Absatz 4 bis 7 bezeichneten Anforderungen entsprechen.

(3) Die Rechtmäßigkeit der Herstellung von Erschließungsanlagen wird durch Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht berührt, wenn die Abweichungen mit den Grundzügen der Planung vereinbar sind und

1.
die Erschließungsanlagen hinter den Festsetzungen zurückbleiben oder
2.
die Erschließungsbeitragspflichtigen nicht mehr als bei einer plangemäßen Herstellung belastet werden und die Abweichungen die Nutzung der betroffenen Grundstücke nicht wesentlich beeinträchtigen.

(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

§§ 113 und 114 gelten entsprechend, wenn nach § 79 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 der Widerspruchsbescheid Gegenstand der Anfechtungsklage ist.

(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist

1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,
2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Hilft die Behörde dem Widerspruch nicht ab, so ergeht ein Widerspruchsbescheid. Diesen erläßt

1.
die nächsthöhere Behörde, soweit nicht durch Gesetz eine andere höhere Behörde bestimmt wird,
2.
wenn die nächsthöhere Behörde eine oberste Bundes- oder oberste Landesbehörde ist, die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat,
3.
in Selbstverwaltungsangelegenheiten die Selbstverwaltungsbehörde, soweit nicht durch Gesetz anderes bestimmt wird.
Abweichend von Satz 2 Nr. 1 kann durch Gesetz bestimmt werden, dass die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, auch für die Entscheidung über den Widerspruch zuständig ist.

(2) Vorschriften, nach denen im Vorverfahren des Absatzes 1 Ausschüsse oder Beiräte an die Stelle einer Behörde treten, bleiben unberührt. Die Ausschüsse oder Beiräte können abweichend von Absatz 1 Nr. 1 auch bei der Behörde gebildet werden, die den Verwaltungsakt erlassen hat.

(3) Der Widerspruchsbescheid ist zu begründen, mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen und zuzustellen. Zugestellt wird von Amts wegen nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes. Der Widerspruchsbescheid bestimmt auch, wer die Kosten trägt.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Ihr kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der von der Beschwerdeführerin als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

2

Soweit sie sich gegen den Beitragsbescheid richtet, fehlt es an der Rechts-wegerschöpfung (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).

3

Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gegen die im Eilverfahren ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen steht der Grundsatz der Subsidiarität entgegen, da keine selbständige Beschwer durch das Eilverfahren geltend gemacht wird. Mit dem Vorbringen, die Beitragserhebung verletze die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit sowie des Rechts auf eine willkürfreie Entscheidung, erhebt die Beschwerdeführerin Rügen, die das Hauptsacheverfahren betreffen.

4

Die Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausnahmsweise vom Erfordernis der Rechtswegerschöpfung in der Hauptsache abgesehen werden kann (vgl. BVerfGE 70, 180 <186>; 79, 275 <279>; 86, 15 <22 f.>; 104, 65 <71>), liegen hier nicht vor.

5

Der Beschwerdeführerin ist die Durchführung des Hauptsacheverfahrens zumutbar. Diese ist insbesondere nicht von vornherein aussichtslos. Denn die für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen - unter anderem die Fragen der Wirksamkeit der Kanalanschlussbeitragssatzung 2008 und ihrer Vorgängersatzungen - wurden im fachgerichtlichen Eilverfahren nur summarisch geprüft. Die angegriffenen Entscheidungen ergingen zudem noch vor der Veröffentlichung des Beschlusses des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, S. 1004) mit dem der Erste Senat eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsverjährung im Bayerischen Kommunalabgabengesetz - BayKAG - (Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG) für unvereinbar mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit erklärte, weil diese eine zeitlich unbegrenzte Inanspruchnahme der Beitragsschuldner nach Erlangung des Vorteils ermöglichte.

6

Das Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg - KAG Bbg - enthält zwar keine dem Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG vergleichbare Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsverjährung. § 8 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 1 KAG Bbg fordert allerdings für das Entstehen der Beitragspflicht neben dem Eintritt der Vorteilslage das Inkrafttreten einer "rechtswirksamen" Satzung, die nicht bereits zum Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein muss; sie kann vielmehr nach § 8 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 KAG Bbg einen späteren Zeitpunkt für das Entstehen der Beitragspflicht bestimmen.

7

Diese Regelung ermöglicht ebenfalls eine zeitlich unbegrenzte Festsetzung von Beiträgen nach Erlangung des Vorteils und begegnet deshalb im Hinblick auf den Grundsatz der Rechtssicherheit verfassungsrechtlichen Bedenken. Es bedarf allerdings zunächst der Klärung im Hauptsacheverfahren, wie den Maßgaben des Senatsbeschlusses vom 5. März 2013 Rechnung getragen werden kann (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Mai 2013 - 9 S 75.12 -, juris, Rn. 29 a.E.). Ein schwerer, unabwendbarer Nachteil der Beschwerdeführerin durch Verweisung auf den Rechtsweg in der Hauptsache, der ihr nicht zugemutet werden könnte (vgl. BVerfGE 70, 180 <186>; 104, 65 <71>), ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

8

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

9

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Der Beitragspflicht unterliegen Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden dürfen. Erschlossene Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, unterliegen der Beitragspflicht, wenn sie nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung der Gemeinde zur Bebauung anstehen. Die Gemeinde gibt bekannt, welche Grundstücke nach Satz 2 der Beitragspflicht unterliegen; die Bekanntmachung hat keine rechtsbegründende Wirkung.

(2) Die Beitragspflicht entsteht mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen, für Teilbeträge, sobald die Maßnahmen, deren Aufwand durch die Teilbeträge gedeckt werden soll, abgeschlossen sind. Im Falle des § 128 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 entsteht die Beitragspflicht mit der Übernahme durch die Gemeinde.

(3) Für ein Grundstück, für das eine Beitragspflicht noch nicht oder nicht in vollem Umfang entstanden ist, können Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag bis zur Höhe des voraussichtlichen endgültigen Erschließungsbeitrags verlangt werden, wenn ein Bauvorhaben auf dem Grundstück genehmigt wird oder wenn mit der Herstellung der Erschließungsanlagen begonnen worden ist und die endgültige Herstellung der Erschließungsanlagen innerhalb von vier Jahren zu erwarten ist. Die Vorausleistung ist mit der endgültigen Beitragsschuld zu verrechnen, auch wenn der Vorausleistende nicht beitragspflichtig ist. Ist die Beitragspflicht sechs Jahre nach Erlass des Vorausleistungsbescheids noch nicht entstanden, kann die Vorausleistung zurückverlangt werden, wenn die Erschließungsanlage bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht benutzbar ist. Der Rückzahlungsanspruch ist ab Erhebung der Vorausleistung mit 2 vom Hundert über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs jährlich zu verzinsen. Die Gemeinde kann Bestimmungen über die Ablösung des Erschließungsbeitrags im Ganzen vor Entstehung der Beitragspflicht treffen.

(1) Die Herstellung der Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Absatz 2 setzt einen Bebauungsplan voraus.

(2) Liegt ein Bebauungsplan nicht vor, so dürfen diese Anlagen nur hergestellt werden, wenn sie den in § 1 Absatz 4 bis 7 bezeichneten Anforderungen entsprechen.

(3) Die Rechtmäßigkeit der Herstellung von Erschließungsanlagen wird durch Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht berührt, wenn die Abweichungen mit den Grundzügen der Planung vereinbar sind und

1.
die Erschließungsanlagen hinter den Festsetzungen zurückbleiben oder
2.
die Erschließungsbeitragspflichtigen nicht mehr als bei einer plangemäßen Herstellung belastet werden und die Abweichungen die Nutzung der betroffenen Grundstücke nicht wesentlich beeinträchtigen.

Tenor

I.

Unter Aufhebung der Ziffer 2. des Widerspruchsbescheids des Landratsamts ... vom 12. März 2014 wird der Beklagte verpflichtet, die Kostenentscheidung dahingehend abzuändern, dass von den Kosten des Widerspruchsverfahrens die Klägerin 69,4% und die Beigeladene 30,6% zu tragen haben sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durch die Klägerin für notwendig zu erklären.

II.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin wurde als Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. ... Gemarkung ... mit Bescheid der Beigeladenen vom 21. Januar 2013 zur Leistung eines Erschließungsbeitrags in Höhe von 29.918,59 EUR herangezogen. Dagegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 28. Januar 2013 Widerspruch. Da das Landratsamt ... im Widerspruchsverfahren die Auffassung vertrat, dass der Widerspruch wegen einer zu Unrecht gewährten Eckgrundstücksvergünstigung teilweise begründet sei, wurde von der Beigeladenen unter dem 21. Januar 2014 ein mit Rechtsbehelfsbelehrung versehener „Änderungsbescheid“ erlassen, die Beitragsforderung neu auf 20.775,39 EUR festgesetzt und unter Anrechnung der bereits beglichenen Beitragsforderung ein überzahlter Erschließungsbeitrag von 9.143,20 EUR ermittelt.

Mit Schreiben der Klägerin vom 27. März 2014 wurde gegenüber der Widerspruchsbehörde erklärt, dass sich das Widerspruchsverfahren durch den Erschließungsbeitragsbescheid der Beigeladenen vom 21. Januar 2013 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 21. Januar 2014 erledigt habe und beantragt, die Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen und die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren durch die Klägerin auszusprechen.

Mit Widerspruchsbescheid des Landratsamts ... vom 12. März 2014 wurde das Widerspruchsverfahren eingestellt (Ziffer 1.), der Klägerin als Widerspruchsführerin die Kosten des Verfahrens auferlegt (Ziffer 2.) und für den Bescheid eine Gebühr von 20,00 EUR festgesetzt (Ziffer 3.).

Zur Begründung führte das Landratsamt ... aus, dass sich der Widerspruch aufgrund der im Schreiben der Klägerin vom 27. Januar 2014 erklärten Rücknahme erledigt habe. Das Verfahren sei deshalb einzustellen. Gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG sei über die Höhe der Gebühr nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Die nach Art. 1, 2 Abs. 1 Satz 1, Art. 6 und Art. 9 des Kostengesetzes zu erhebende Gebühr habe gemäß Art. 9 Abs. 2 KG bis auf ein Zehntel der normalerweise bei Durchführung des Verfahrens fälligen Gebühr ermäßigt werden können.

Am 1. April 2014 erhob die Klägerin Klage. Für sie ist unter Berücksichtigung des mit Schriftsatz vom 8. Mai 2014 korrigierten Schreibversehens beantragt,

I.

den Widerspruchsbescheid des Landratsamts ... vom 12. März 2014 isoliert in Bezug auf die Kostenentscheidung (Ziffer 2. des Widerspruchsbescheids) aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, folgende Kostenentscheidung zu treffen: Die Kosten des Widerspruchsverfahrens gegen den Erschließungsbeitragsbescheid der Stadt ... vom 21.Januar 2013 für das Grundstück Fl.Nr. ... Gemarkung ... haben die Stadt ... im Umfang von 30,6% und die Widerspruchsführerin im Umfang von 69,4% zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren war notwendig.

II.

Dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Zur Begründung führte die Klägerin mit Schriftsatz vom 8. Mai 2014 aus, dass der Erschließungsbeitragsbescheid der Beigeladenen vom 21. Januar 2013 für das klägerische Grundstück Fl.Nr. ... durch Erlass des Änderungsbescheids vom 21. Januar 2014 (konkludent) aufgehoben worden sei. Dadurch habe sich der gegen den Bescheid vom 21. Januar 2013 eingelegte Widerspruch erledigt. Gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG sei daher durch die Widerspruchsbehörde nur noch über die Kosten des Widerspruchsverfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden gewesen. Nach eigener Auffassung der Widerspruchsbehörde sei der Widerspruch im Umfang der nicht berücksichtigten Eckgrundstücksermäßigung begründet gewesen. Der Änderungsbescheid der Beigeladenen habe dies auch berücksichtigt, so dass dem Widerspruch in diesem Umfang faktisch abgeholfen worden sei. Im Übrigen sei der Erschließungsbeitragsbescheid vom 21. Januar 2013 aufgrund des Änderungsbescheids vom 21. Januar 2014 gegenstandslos. Unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstands zum Zeitpunkt der Erledigung hätten die Kosten daher im Verhältnis der durch den Änderungsbescheid gegenüber dem Ausgangsbescheid eingetretenen Beitragsreduzierung der Beigeladenen auferlegt werden müssen. Der Anteil der Beitragsermäßigung betrage 30,6%. In diesem Umfang habe die Beigeladene die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen.

Der Beklagte wandte sich mit Schreiben des Landratsamts ... vom 2. Juni 2014 gegen das Klagebegehren.

Für ihn ist beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die im Schreiben der Klägerin vom 27. Januar 2014 erklärte Erledigung sei als Widerspruchsrücknahme zu betrachten gewesen. Der Widerspruch gegen den Erschließungsbeitragsbescheid vom 21. Januar 2013 habe sich nicht aufgrund des Änderungsbescheids vom 21. Januar 2014 erledigt. Erledigung im Sinne von Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG sei die rechtswirksame Beseitigung des Widerspruchs durch Handeln oder Geschehen, z. B. durch Aufhebung des Bescheids. Der Widerspruch sei dagegen nicht erledigt, wenn den Widerspruchspunkten nicht voll Rechnung getragen worden sei. Durch den Änderungsbescheid der Beigeladenen sei nur in einem Widerspruchspunkt Abhilfe geschaffen worden (Eckgrundstücksermäßigung). Dies führe nicht automatisch zur Erledigung des gesamten Widerspruchs gegen den ursprünglichen Bescheid. Dieser sei durch den Änderungsbescheid vom 21. Januar 2014 weder aufgehoben noch ersetzt worden. Dadurch, dass in dem Änderungsbescheid ein Erschließungsbeitrag in Abänderung des Erschließungsbeitragsbescheids vom 21. Januar 2013 festgesetzt worden sei, werde der Erschließungsbeitragsbescheid vom 21. Januar 2013 nicht gegenstandslos, sondern gelte in Gestalt des Änderungsbescheides fort und bilde mit diesem eine Einheit. Die von der Klägerin im Schreiben vom 27. Januar 2014 erklärte Erledigung des Widerspruchs sei daher als Rücknahme des Widerspruchs zu betrachten gewesen mit der Folge, dass das Widerspruchsverfahren durch Widerspruchsbescheid einzustellen (und nicht als erledigt festzustellen) gewesen sei. Kostenschuldner sei bei einer Rücknahme des Widerspruchs derjenige, der den Rechtsbehelf zurückgenommen habe. Dem Antrag, dass die Beigeladene die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen habe, habe daher in Bezug auf den Widerspruch vom 28. Januar 2013 nicht stattgegeben werden können. Die Kosten seien vielmehr der Widerspruchsführerin aufzuerlegen gewesen.

Mit Schriftsatz vom 18. Juli 2014 führte die Klägerin aus, dass die von der Widerspruchsbehörde vorgenommene Auslegung des Schreibens vom 27. Januar 2014 nicht haltbar sei. Bereits der dort gewählte Wortlaut „Erledigung“ sei eindeutig. Angesichts der unterschiedlichen verfahrensrechtlichen Bedeutung einer Erledigungserklärung einerseits und einer Rücknahmeerklärung andererseits scheide eine Auslegung gegen den Wortlaut an sich bereits aus. Dies jedenfalls dann, wenn die vorgenommene Auslegung darüber hinaus noch zur Folge habe, dass dies mit einer für den Erklärenden nachteiligen Folge verbunden sei. Angesichts der unterschiedlichen Kostenfolgen sei die durch die Widerspruchsbehörde vorgenommene Auslegung abwegig. Zu der vorliegenden Konstellation der Ersetzung eines Ausgangsbescheids durch einen Änderungsbescheid gelte die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass für den Widerspruchsführer ein Wahlrecht bestehe, entweder den zweiten Bescheid gesondert anzufechten und das erste Verfahren für erledigt zu erklären oder aber den zweiten Bescheid in das Widerspruchsverfahren einzuführen. Hier sei der erste Weg gewählt worden. Der Änderungsbescheid habe auch eine Beschwer enthalten, da mit ihm nicht lediglich der Ausgangsbescheid ermäßigt, sondern der Erschließungsbeitrag insgesamt unter Angabe aller Berechnungsgrundlagen neu berechnet und festgesetzt worden sei. Der Änderungsbescheid habe zudem ein eigenständiges Zahlungsgebot, welches durch entsprechende Aufrechnungserklärung mit den bereits früher geleisteten Zahlungen erledigt wurde, und eine vollständige Rechtsbehelfsbelehrung enthalten. Der Änderungsbescheid habe durch die darin enthaltene Neuberechnung und Neufestsetzung des Erschließungsbeitrags die konkludente Aufhebung des Ausgangsbescheids enthalten. Dies ergebe sich mittelbar auch durch die im Änderungsbescheid enthaltene Aufrechnung.

Von Beklagtenseite wurde mit Schreiben vom 11. August 2014 ergänzend darauf hingewiesen, dass die Erklärung der Klägerin im Schreiben vom 27. Januar 2014 als Rücknahme des Widerspruchs zu bewerten gewesen sei. Der Änderungsbescheid sei als Entscheidung in der Hauptsache von der Klägerin nicht angefochten worden und sei - ebenso wie der Ausgangsbescheid vom 21. Januar 2013 - bestandskräftig geworden. Gegen den von der Beigeladenen erlassenen Änderungsbescheid vom 21. Januar 2014 habe die Klägerin Widerspruch eingelegt, über den mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2014 entschieden worden sei. Der Widerspruch sei darin zurückgewiesen und in der Begründung ausführlich auf die Thematik der Ersetzung eines Ausgangsbescheids durch einen Änderungsbescheid eingegangen worden. Da der Widerspruchsbescheid nicht angegriffen worden sei, habe er Bestandskraft erlangt. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Anfechtung der Kosten des Widerspruchsbescheids vom 12. März 2014 aufrechterhalten werde ohne gleichzeitig die Hauptsacheentscheidung oder den Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2014 anzufechten. Die isoliert angefochtene Kostenentscheidung könne nur im Hinblick auf die Gebührenfestsetzung überprüft werden.

Mit Beschluss vom 16. September 2014 wurde die Stadt ... zum Verfahren beigeladen.

Mit Schriftsatz vom 29. September 2014 legte die Klägerin abschließend dar, dass die Bestandskraft des Widerspruchsbescheids vom 3. Juni 2014 grundsätzlich nur die ausgesprochene Rechtsfolge erfasse. Die angegebene rechtliche Begründung nehme an der Bestandskraft nicht teil.

Mit Beschluss vom 8. Oktober 2014 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2014 erklärte die Beigeladene, auf mündliche Verhandlung zu verzichten. Der Beklagte schloss sich mit Schreiben vom 22. Oktober 2014 der Verzichtserklärung an. Die Klägerin verzichtete mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2014 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und teilte mit, dass der Anteil der Beigeladenen an den Kosten des Widerspruchsverfahrens auf 372,23 EUR zu veranschlagen sei.

Gründe

Über die Klage konnte ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden, da alle Beteiligten hierauf verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat Anspruch darauf, den Beklagten zu verpflichten, die Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 12. März 2014 dahingehend abzuändern, dass von den Kosten des Widerspruchsverfahrens sie 69,4% und die Beigeladene 30,6% zu tragen haben und - in der Folge - festzustellen, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren notwendig war. Die unter Nr. 2 des Widerspruchsbescheids ausschließlich zulasten der Klägerin getroffene Kostenentscheidung war daher aufzuheben (§ 115, § 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Kostenentscheidung in einem das Widerspruchsverfahren einstellenden Widerspruchsbescheid kann in entsprechender Anwendung von § 79 Abs. 1 Nr. 2, § 115 VwGO alleiniger Klagegegenstand sein (Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 79 Rn. 9 u. Rn. 11). Die Klage ist auch in diesen Fällen gegen den Rechtsträger zu richten, dem die Widerspruchsbehörde angehört (BayVGH, U.v. 25.3.1988 - 23 B 87.2360 - BayVBl 1988, 628; U.v. 20.11.1984 - 23 B 84.A.1942 - BayVBl 1985, 350; Kopp/Schenke, a. a. O., Rn. 10 u. Rn. 15). Das Landratsamt ... wurde bei Erlass des Widerspruchsbescheids gemäß Art. 119 Nr. 1, Art. 110 Satz 1 GO i. V. m. Art. 37 Abs. 1 Satz 2 LKrO aus Staatsbehörde tätig. Folglich ist der Freistaat Bayern passivlegitimiert (§ 78 Abs. 2 VwGO).

Da die Klägerin das gegen den Erschließungsbeitragsbescheid vom 21. Januar 2013 gerichtete Widerspruchsverfahren mit Schriftsatz vom 24. Januar 2014 ausdrücklich und zulässigerweise für erledigt erklärt hat, konnte die Widerspruchsbehörde nach Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG lediglich noch über die Kosten dieses Widerspruchsverfahrens entscheiden.

Die Erledigungserklärung der Klägerin war statthaft, da sich das Widerspruchsverfahren durch den von der Beigeladenen zum Zweck der Abhilfe (§ 72 VwGO) erlassenen „Änderungsbescheid“ vom 21. Januar 2014 „auf andere Weise“ im Sinn von Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG erledigt hatte. Da die Beigeladene mit diesem Bescheid den Erschließungsbeitrag rechnerisch (vollständig) neu festgesetzt und auch über das Leistungsgebot dadurch erneut entschieden hat, dass sie die von der Klägerin auf das im Bescheid vom 21. Januar 2013 enthaltene Leistungsgebot hin vorgenommene Zahlung verrechnet und einen Erstattungsbetrag von 9.143,20 EUR ermittelt hat, entfaltete der Erschließungsbeitragsbescheid vom 21. Januar 2013 mit Wirksamwerden des „Änderungsbescheids“ vom 21. Januar 2014 keine Rechtswirkungen mehr. Der „Änderungsbescheid“ löste den Erschließungsbeitragsbescheid vom 21. Januar 2013 - ohne dass es sich um eine außerhalb des Widerspruchsverfahrens erfolgte Rücknahme nach Art. 48 BayVwVfG gehandelt hat (s. hierzu BVerwG, U.v. 28.4.2009 - 2 A 8.08 - NJW 2009, 2968) - in seinen Rechtswirkungen in vollem Umfang ab mit der Folge, dass der ursprüngliche Bescheid die Klägerin nicht (mehr) in ihren Rechten verletzen konnte (vgl. hierzu z. B. BayVGH, U.v. 3.7.2006 - 6 B 03.2544 - BayVBl 2007, 533 zum Verhältnis des Vorausleistungsbescheids zum endgültigen Beitragsbescheid). Dies wird auch daran deutlich, dass dem Bescheid eine derjenigen des Erstbescheids entsprechende (vollständige) Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war. Auf die Frage, ob im Erlass des „Änderungsbescheids“ eine (konkludente) Rücknahme des Erschließungsbeitragsbescheids vom 21. Januar 2013 gesehen werden kann, wie dies die Klägerin vertritt, kam es deshalb nicht an.

Da diese Änderung des Anfechtungsgegenstands erfolgte, bevor über den Widerspruch durch Erlass eines Widerspruchsbescheids entschieden war, hat dies der Klägerin verfahrensrechtlich die Wahlmöglichkeit eröffnet, entweder das den ursprünglichen Bescheid betreffende Widerspruchsverfahren für erledigt zu erklären oder den „Änderungsbescheid“ vom 21. Januar 2014 durch eine gemäß § 91 VwGO analog mögliche Widerspruchsänderung in das anhängige Widerspruchsverfahren einzubeziehen und diesen damit zum nunmehrigen alleinigen Gegenstand des Widerspruchsverfahrens zu erklären (BayVGH, U.v. 10.7.1986 - 6 B 84.A.1426 - BayVBl 1987, 22; U.v. 24.11.2011 - 20 B 11.722 - juris Rn. 24; Kopp/Schenke, a. a. O., § 68 Rn. 23). Durch die Abgabe einer Erledigungserklärung in Bezug auf das den Bescheid vom 21. Januar 2013 betreffende Widerspruchsverfahren hat die Klägerin in rechtlich nicht zu beanstandender Weise von ersterer Option Gebrauch gemacht.

Die Auslegung der verfahrensbeendenden Erklärung des Bevollmächtigten der Klägerin als Widerspruchsrücknahme überschritt die Grenzen einer Wortlautauslegung und war deshalb rechtsfehlerhaft. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat das Widerspruchsverfahren ausdrücklich für „erledigt“ erklärt. Damit schied ohne entsprechende Anhaltspunkte für ein Versehen und bei der erforderlichen Berücksichtigung der Interessenlage auf Seiten der Widerspruchsführerin eine Auslegung der Erledigungserklärung als Rücknahme aus.

Da mithin nicht von einer Rücknahme des Widerspruchs, sondern von einer Erledigung des Widerspruchsverfahrens auszugehen war, oblag es der Widerspruchsbehörde gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG, unter Berücksichtigung des bisherigen Sachstandes nach billigem Ermessen über die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu entscheiden. Die dabei zu treffende Entscheidung hat sich hier mangels anderer berücksichtigungsfähiger Aspekte am Umfang des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens zu orientieren (vgl. Giehl, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Stand Oktober 2014, Art. 80 Anm. II. 6.). Aufgrund der als Abhilfe infolge des Widerspruchsvorbringens erfolgten Reduzierung des Erschließungsbeitrags im „Änderungsbescheid“ lag ein Obsiegen der Klägerin in Höhe von 30,6% und ein Unterliegen in Höhe von 69,4% vor. Dementsprechend war die Kostenentscheidung zu treffen.

Dass der Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2014 Bestandskraft erlangt hat, steht dieser Einschätzung nicht entgegen, da in diesem über den Widerspruch der Klägerin vom 24. Januar 2014 gegen den Änderungsbescheid vom 21. Januar 2014 entscheiden wurde und die Bestandskraftwirkung nicht über den dortigen Verfahrensgegenstand und den Entscheidungsausspruch in diesem Verfahren hinausgeht.

Die Klägerin hat schließlich auch Anspruch darauf, dass in der Kostenentscheidung die (förmliche) Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durch sie für notwendig erklärt wird (Art. 80 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG). Im vorliegenden Fall des Vorgehens gegen einen Erschließungsbeitragsbescheid ist die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wegen der hier typischerweise auftretenden schwierigen Sach- und Rechtsfragen und des dadurch entstehenden Beratungsbedarfs durch eine mit dieser Materie vertraute rechtskundige Personen regelmäßig als notwendig anzusehen (BVerwG, U.v. 15.2.1991 - 8 C 83.88 - BayVBl 1991, 599).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor (§ 124, § 124a VwGO).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.