Verwaltungsgericht Arnsberg Beschluss, 04. Okt. 2016 - 8 L 1257/16
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,- EUR festgesetzt.
1
Gründe:
2Der sinngemäße Antrag,
3gemäß §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung des Widerspruches vom 22. Dezember 2015 gegen die der Beigeladenen vom Antragsgegner erteilte Genehmigung vom 27. August 2015 (Az.:63.6-970.0013/14/1.6.2-Be) zur Errichtung und zum Betrieb von drei Windenergieanlagen (WEA) vom Typ Nordex N 117/2400 mit einer Nennleistung von jeweils maximal 2.475 kW, einer Gesamthöhe von 199 m über Grund, einer Nabenhöhe von 140,60 m und einem Rotordurchmesser von 116,80 m (3-Blatt-Rotor, pitchgeregelt) auf den Grundstücken in G. , Gemarkung C.----, Flur 21, Flurstücke 25 und 106 (Windpark L1. ) wiederherzustellen,
4ist zulässig, aber unbegründet.
5Das Verwaltungsgericht Arnsberg ist örtlich zuständig, weil sich die Streitigkeit auf ein ortsgebundenes Recht bezieht und die streitbefangenen Windenergieanlagen in G. / Nordrhein-Westfalen errichtet werden sollen, vgl. § 52 Nr.1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
6Unter dem 2. September 2015 hat der Antragsgegner den Sofortvollzug angeordnet, so dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruches gem. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO entfällt.
7Die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens ist hier auch nicht gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO i.V.m. § 110 Abs. 1 Satz 1 des Justizgesetzes für das Land NRW – JustG NRW – entbehrlich. Gem. § 110 Abs. 3 Satz 1 JustizG NRW findet Abs. 1 S. 1 nämlich keine Anwendung auf im Verwaltungsverfahren nicht beteiligte Dritte. Der Antragsteller war im Verwaltungsverfahren nicht förmlich Beteiligter i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land NRW - VwVfG NRW -, und er ist auch nicht vom Antragsgegner nach § 13 Abs. 2 VwVfG NRW zum Verwaltungsverfahren hinzugezogen worden mit der Folge, dass er Beteiligter gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG NRW wäre. Zwar hat der Antragsteller bereits mit Schreiben vom 27. April 2015 seine persönlichen Bedenken in das Verfahren eingebracht. Dies kann jedoch nicht genügen, ihn bereits als beteiligten Dritten anzusehen, da er es sonst allein in der Hand hätte, diese Eigenschaft durch eine Eingabe im Verwaltungsverfahren zu begründen,
8vgl. VG Minden, Urteil vom 25. September 2013 – 11 K 1779/12-, nach juris.
9Vielmehr bedarf es seitens der Behörde eines konstitutiven Heranziehungsaktes, der hier nicht ersichtlich ist,
10vgl. OVG NRW, Beschluss v. 5. Oktober 2010 – 8 B 817/10 – unterHinweis auf Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungs-verfahrensrecht, Kommentar, 7. Aufl. 2008, § 13 Rn. 43; Kopp,11. Aufl. 2010, § 13 Rn. 24, juris.
11Der Antragsteller ist insbesondere auch antragsbefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog). Er kann geltend machen, durch den der Beigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid des Antragsgegners vom 27. August 2015 in eigenen Rechten zumindest aus § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG verletzt zu sein. Nach dieser Vorschrift sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Diese Bestimmung ist für die Nachbarn drittschützend. Als Nachbarn einer immissionsschutzrechtlich genehmigten Anlage sind alle Personen, die sich auf Dauer im Einwirkungsbereich der Anlage aufhalten, oder Eigentümer von Grundstücken im Einwirkungsbereich der Anlage anzusehen,
12Vgl. insgesamt VG Aachen, Beschluss vom 18.07.2016 – 6 L 532/16 –mit Hinweis auf OVG NRW, u.a. Urteil vom 25. Februar 2015 - 8 A 959/10 -, nach juris.
13Das im Eigentum des Antragstellers stehende Grundstück I. 3 und 4 in G1. , das im bauplanungsrechtlichen Außenbereich gem. § 35 des Baugesetzbuches (BauGB) liegt, als Hofstelle der landwirtschaftlichen Nutzung dient und im Rahmen privilegierter Nutzung auch mit zwei Wohnhäusern des Antragstellers bebaut ist, liegt im Einwirkungsbereich der WEA, deren nächstgelegener Standort (WEA 1a) sich in einer Entfernung von ca. 584 m zum Grundstück befindet. Angesichts dessen kann der Antragsteller hier jedenfalls geltend machen, durch den Betrieb insbesondere der WEA 1a möglicherweise schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Lärm und Schattenwurf ausgesetzt und durch die angegriffene Genehmigung des emittierenden Vorhabens daher in eigenen Rechten verletzt zu sein. Auch eine Verletzung des ebenfalls nachbarschützenden Rücksichtnahmegebots ist angesichts des Abstands von weniger als der dreifachen Anlagenhöhe nicht von vornherein ausgeschlossen,
14Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2015 - 8 B 959/10 -, juris Rn. 80 ff., 86.
15Damit gehört der Antragsteller insoweit auch zur betroffenen Öffentlichkeit i.S.d. Art. 11 Abs. 1 UVP-Richtlinie 2011/92/EU bzw. § 2 Abs. 6 UVPG. An der Antragsbefugnis des Antragstellers bestehen vor diesem Hintergrund keine durchgreifenden Zweifel. Ob vorliegend tatsächlich eine Verletzung nachbarschützender Normen festzustellen ist, ist dem gegenüber eine Frage der Begründetheit des eingelegten Rechtsbehelfs.
16Der zulässige Antrag ist unbegründet.
17Die mit Bescheid vom 2. September 2015 erfolgte Anordnung der sofortigen Vollziehung des Genehmigungsbescheides vom 27. August 2015 ist zunächst in formaler Hinsicht nicht zu beanstanden.
18Namentlich entspricht sie den Anforderungen der §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, wonach das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO schriftlich zu begründen ist. Die schriftliche Begründung muss in nachvollziehbarer Weise die Erwägungen erkennen lassen, die die Behörde zur Anordnung der sofortigen Vollziehung veranlasst haben. Die Behörde ist verpflichtet, abgestellt auf den konkreten Fall das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung sowie die Ermessenserwägungen, die sie zur Anordnung der sofortigen Vollziehung bewogen haben, schlüssig und substanziiert darzulegen. Formelhafte und pauschale Begründungen oder Wendungen, mit denen lediglich der Gesetzestext wiederholt wird, reichen nicht aus. In diesem Zusammenhang kommt es allerdings nicht darauf an, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind. Die Abwägung, ob das Aussetzungsinteresse des Antragstellers die gegenläufigen Vollziehungsinteressen der Beigeladenen überwiegt, ist vielmehr Teil der eigenständigen gerichtlichen Interessenabwägung.
19Diesen Anforderungen hat der Antragsgegner bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt. Er hat mit Blick auf den vorliegenden Einzelfall zur Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs ausgeführt, die Nutzung erneuerbarer Energien stehe nach der sog. Energiewende im Jahre 2011 im politischen Interesse, wobei der Windenergie besondere Bedeutung zukomme. Eine Verzögerung der Realisierung von Anlagen zur Gewinnung von Strom aus erneuerbaren Energien wie den hier in Rede stehenden WEA durch Rechtsbehelfe Dritter stehe in evidentem Widerspruch zu diesem öffentlichen Interesse. Ansonsten drohten wesentliche Verzögerungen durch Drittwidersprüche, welche der Realisierung des Vorhabens unter Umstände auf Jahre entgegenstehen könnten. Auch sei es der Beigeladenen aufgrund der langen Planungs- und Verfahrensdauer, vorgehaltener Finanzmittel, bereits erfolgter Investitionen, zu erwartender Verzögerungskosten bis hin zu Schadensersatzansprüchen des Anlagenlieferanten sowie einer stetig sinkenden Einspeisevergütung in Abhängigkeit vom Inbetriebnahmezeitpunkt nicht zumutbar, den Abschluss von Rechtsbehelfsverfahren Dritter abzuwarten.
20Damit hat der Antragsgegner schlüssig und nachvollziehbar zu erkennen gegeben, aufgrund welcher konkreten Überlegungen er gerade im vorliegenden Fall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung als gegeben ansieht. Dies genügt, wie dargelegt, den Begründungserfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
21Die in materieller Hinsicht vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Ungunsten des Antragstellers aus.
22Maßgebliches Kriterium innerhalb der im Rahmen des §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung sind regelmäßig die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig und wird der Antragsteller hierdurch in eigenen, gerade seinem Schutz dienenden Rechtsnormen verletzt, weshalb er im Hauptsacheverfahren voraussichtlich einen Aufhebungsanspruch erfolgreich wird durchsetzen können, überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse. Stellt der Verwaltungsakt sich dem gegenüber als offensichtlich rechtmäßig dar, weshalb der von dem belasteten Beteiligten eingelegte Rechtsbehelf mit erheblicher Wahrscheinlichkeit in der Hauptsache erfolglos bleiben wird, überwiegt in der Regel das Vollzugsinteresse. Darüber hinausgehende Rechtsverletzungen verschaffen dem anfechtenden Dritten keine im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigende Rechtsposition, weil ihm ein allgemeiner Gesetzesvollziehungsanspruch nicht zukommt,
23vgl. VG Aachen aaO..
24Nach § 4a Abs. 3 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) ist § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO im Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen oder wiederherstellen kann, wenn im Rahmen einer Gesamtabwägung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. Der Vorschrift des § 4a Abs. 3 UmwRG ist nicht eindeutig zu entnehmen, welcher Wahrscheinlichkeitsgrad für das Vorliegen "ernstlicher Zweifel" als Prüfungsmaßstab konkret anzuwenden ist. § 4a Abs. 3 UmwRG macht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, ob die aufschiebende Wirkung angeordnet oder wiederhergestellt wird, von einer Gesamtabwägung abhängig; die erheblichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind lediglich Bestandteil dieser notwendigen Gesamtabwägung. Dabei kommt es nicht auf einen bestimmten, für alle Fälle gleichen Wahrscheinlichkeitsgrad der rechtlichen Bedenken an. Vielmehr kann hier auch ein schwächerer Grad der rechtlichen Bedenken etwa ergänzt oder verstärkt werden durch den Umstand, dass besonders gravierende, möglicherweise nicht reversible Folgen drohen, wenn das Vorhaben vor Unanfechtbarkeit der Genehmigung verwirklicht wird. Insoweit gilt, dass der Sofortvollzug umso eher auszusetzen ist, je berechtigter und gewichtiger die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung sind. Ist ein voraussichtlicher Erfolg in der Hauptsache offensichtlich, wird sich ein privates oder öffentliches Vollzugsinteresse nur ausnahmsweise durchsetzen können. Ausgehend von diesen Grundsätzen kommt eine Aussetzung des Sofortvollzuges nicht stets erst dann in Betracht, wenn das Verwaltungsgericht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgeht, dass der Rechtsbehelf in der Hauptsache begründet ist. Vielmehr können im Rahmen einer Gesamtabwägung begründete Zweifel ausreichen, die die Rechtmäßigkeit der behördlichen Entscheidung in Frage stellen. Insbesondere bei komplexen und komplizierten Verfahren können sich offene Erfolgsaussichten auch ohne detaillierte Prüfungen ergeben,
25vgl. VG Aachen, aaO. m.w.N.
26Bei Anwendung dieses Maßstabs bestehen bei summarischer Betrachtung im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitigen Genehmigung. Nach derzeitigem Sachstand ist vielmehr bei der im vorliegenden Verfahren allein gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage davon auszugehen, dass sie Rechte des Antragstellers nicht verletzt.
27Der Genehmigungsbescheid ist zunächst formell rechtmäßig.
28Insbesondere liegen entgegen der Annahme des Antragstellers in Bezug auf die Durchführung einer erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung bzw. Vorprüfung zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit beachtliche Verfahrensfehler i.S.d. UmwRG ebenso wenig vor wie hinsichtlich der geltend gemachten fehlerhaften Öffentlichkeitsbeteiligung.
29Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG kann ein Rechtsbehelfsführer die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG verlangen, wenn eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist; gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG gilt § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG auch dann, wenn eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls nicht dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG genügt. Zudem kann die Aufhebung einer Zulassungsentscheidung begehrt werden, wenn eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung i.S.v. § 9 UVPG oder i.S.d. § 10 des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG), und wenn ein anderer, nicht geheilter und nach seiner Art und Schwere vergleichbarer Verfahrensfehler vorliegt und der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen wurde, wobei zur Beteiligung am Entscheidungsprozess auch der Zugang zu den Unterlagen gehört, die zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG). Diese Regelungen gelten nach § 4 Abs. 3 Satz 1 UmwRG auch für Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO, wobei § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG in diesen Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass die Aufhebung einer Entscheidung nur verlangt werden kann, wenn der Verfahrensfehler dem Beteiligten die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat (§ 4 Abs. 3 Satz 2 UmwRG).
30Ausgehend hiervon ist ein beachtlicher Verfahrensfehler nicht festzustellen.
31Bei dem streitgegenständlichen Vorhaben handelt es sich um ein Vorhaben i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG, für das eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen kann. Hierunter fallen nicht nur die Vorhaben, für die bereits kraft Gesetzes eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist (§§ 3b, 3e Abs. 1 Nr. 1 UVPG), sondern auch die Vorhaben, für die eine allgemeine (§§ 3c Satz 1, 3e Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 UVPG) oder eine standortgebundene (§ 3c Satz 2 UVPG) Vorprüfung des Einzelfalls durchzuführen ist. Beide Arten der Vorprüfung dienen gerade der Untersuchung, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Für das streitgegenständliche Vorhaben ist gemäß § 3c Satz 1 UVPG i.V.m. Nr. 1.6.3 Spalte 2 der Anlage 1 zum UVPG (als Teil eines Windparks mit 3 bis weniger als 6 Windkraftanlagen in einer Gesamthöhe von jeweils mehr als 50 Metern) eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls gem. § 3c S. 2 UVPG durchzuführen.
32Festzustellen ist in diesem Zusammenhang noch, dass gemäß § 3c Satz 1 UVPG i.V.m. Nr. 17.2. der Anlage 1 zum UVPG in Ansehung des durch den Landesbetrieb Wald und Holz mit Schreiben vom 6. Mai 2015 auf insgesamt 0,8855 ha bezifferten Umfangs der Umwandlung von Wald die minimal erforderliche Rodungungsfläche (Inanspruchnahme von 1 ha bis weniger als 10 ha Wald nach Nr. 17.2.3) nicht erreicht wird, so dass insoweit keine Verpflichtung zur UVP oder UVP-Vorprüfung ausgelöst wird.
33Die danach allein erforderliche standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls gem. § 3c S. 2 UVPG hat hier stattgefunden.
34In formeller Hinsicht ist zunächst festzustellen, dass ausweislich der der Kammer vorliegenden Verwaltungsvorgänge (Bl. 665 der Beiakte Heft 3) nach § 3a Satz 2 UVPG öffentlich bekannt gegeben wurde, dass eine Vorprüfung ergeben habe, dass
35keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen zu erwarten seien, weshalb es keiner UVP bedürfe. Zugleich wurde auf die Möglichkeit der Einsichtnahme in die Entscheidungsgründe hingewiesen.
36Gem. § 3a S. 4 UVPG ist die Einschätzung der zuständigen Behörde in einem gerichtlichen Verfahren betreffend die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens nur darauf zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben von § 3c durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist, wenn ‑ wie hier ‑ die Feststellung, dass eine UVP unterbleiben soll, auf einer Vorprüfung des Einzelfalles nach § 3c beruht.
37Nach § 4 Abs. 1b UmwRG i.V.m. § 45 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) wäre es dem Antragsgegner allerdings sogar möglich, die Vorprüfung bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachzuholen, wenn diese Verfahrenshandlung gänzlich unterblieben wäre. Die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs wären also im vorläufigen Rechtsschutzverfahren selbst dann noch als zumindest offen anzusehen, wenn keine Vorprüfung stattgefunden hätte, weil diese noch nachgeholt werden könnte, so dass Vieles dafür spricht, dass aus einem solchen Mangel nicht per se ein Aussetzungsinteresse hinsichtlich des Vollzuges folgt. Die Möglichkeit zur Nachholung ist hier auch nicht von vornherein ausgeschlossen, weil nicht einmal das Widerspruchsverfahren abgeschlossen ist, bis zur „letzten Tatsacheninstanz“ also noch geraume Zeit verstreichen wird.
38Der Antragsgegner hat – soweit ersichtlich – alle Behörden und sonstigen Stellen angehört hat, deren umweltbezogener Aufgaben- bzw. Interessenbereich durch das Vorhaben berührt wird. Eine standortbezogene Vorprüfung hat damit sicherlich stattgefunden. Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass das Ergebnis nicht nachvollziehbar wäre, liegen nicht vor.
39So heißt es etwa in der Artenschutzprüfung zur 21. Änderung des FNP der Stadt G. (Stand: Entwurf für Offenlage, Oktober 2014, Bl. 260 ff. Beiakte Heft 2), im Fazit: „Derzeit kann davon ausgegangen werden, dass auf Grund betriebsbedingter Einflüsse von WEA in den Untersuchungsräumen L1. und L2. bei keiner europäisch geschützten Vogelart gegen Zugriffsverbote verstoßen wird.
40Im avifaunistischen Gutachten vom 18. September 2014 (Bl.269 Beiakte Heft 2) heißt es u.a., dass von den im Untersuchungsraum festgestellten Arten keine als störungsempfindlich gegenüber WEA gälten. Allerdings heißt es in der o.g. Artenschutzprüfung, dass bei Fledermausarten nur unter Einbeziehung von Vermeidungsmaßnahmen, vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen bzw. eines Risikomanagements nicht gegen Zugriffsverbote verstoßen werde, bzw. im Endbericht zur Erfassung und Bewertung der Fledermausfauna des Büros für Landschaftsökologie T. & X1. GbR von Juni 2014 (Bl. 295 ff. Beiakte Heft 2), dass auf Grund sehr hoher Aktivitätsdichte der Zwergfledermaus in über 50 % der Untersuchungsnächte für alle WEA ein Abschaltalgorithmus empfohlen werde. Im landschaftspflegerischen Begleitplan (Oktober 2014, Bl. 371 Beiakte Heft 2) wird ausgeführt, dass in einem Radius von 10 km um den Untersuchungsraum L1. lediglich ein Gesamtflächenanteil von 1,27 % erheblich beeinträchtigt und ca. 93,7 % nicht beeinträchtigt würden.
41Im Gutachten des Dipl.Ing. (FH) Dipl. Ökologen V. N1. vom 12. März 2015 bzw. Dezember 2014 (Beiakte Heft 5) heißt es u.a., dass der Immissionsort G1. -I. westlich der WEA (Antragsteller) mit 584 m Abstand, also dem 2,93‑fachen der Höhe einschließlich Rotorblatt, den (eher unproblematischen) 3‑fachen Abstandswert nur knapp verfehle, was rechnerisch bei einer Nabenhöhe von 140,60 m und einem Rotordurchmesser von 116,80 m, woraus sich eine Gesamthöhe von 199,00 m (140,60 m + ½ x 116,80 m = 199,00 m) ergibt, ohne Weiteres (584 m : 199,00 m = 2,93) nachzuvollziehen ist.
42In der Zusammenfassung heißt es u.a.: „Im Untersuchungsraum wird durch den Windpark L1. mit drei Anlagen voraussichtlich eine Fläche von 416,03 ha erheblich beeinträchtigt. Dies entspricht etwa 1,27 % der Gesamtfläche. Diese Landschaftsbildbeeinträchtigung wird auf die Zeiten begrenzt, die meteorologisch einen Blick auf die Anlage erlauben. Der Anteil an Tagen pro Jahr mit Dunst, Nebel, Regen und /oder anderen Ereignissen, die die frei Sicht auf die Anlagen behindern, dürfte im Kreisgebiet beachtenswert sein und die Landschaftsbildstörung nochmals relativieren.“
43Auch die Artenschutzprüfung des Dipl.Ing. (FH) Dipl. Ökologen V. N1. vom Dezember 2014 (Beiakte Heft 5) ergab, dass im Ergebnis keine Zugriffsverbote gem. § 44 Abs. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) ausgelöst würden, wenn Vermeidungsmaßnahmen, Ausgleichsmaßnahmen und ein Risikomanagement einbezogen würden. Vor allem für die Zwergfledermaus müsse ein vorsorglicher Abschaltalgorithmus festgelegt werden. Bei den Abschaltzeiten müssten der Frühjahrszug, die Wochenstubenzeit und der Herbstzug berücksichtigt werden. Abweichungen von diesem umfassenden Szenario erfolgten durch Berücksichtigung der Windgeschwindigkeit, der Temperatur und der Niederschlagsverhältnisse. Das beschriebene Abschaltszenario könne durch ein zweijähriges Gondelmonitoring standort- und artspezifisch optimiert werden. Nur unter Einbeziehung dieser Maßnahmen würden keine Verbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG ausgelöst.
44Im avifaunistischen Gutachten der „planungsgruppe grün“ (Beiakte Heft 5) heißt es, dass insgesamt 73 Arten als Brutvogelarten im Untersuchungsraum bis 500 m um die geplanten WEA-Standorte festgestellt worden seien. Zusätzlich sei im 2000m-Umfeld untersucht worden, ob windkraftsensible Arten vorkämen bzw. ob mögliche Aktionsräume dieser beständen. Von den festgestellten Arten gelte keine als störungsempfindlich gegenüber WEA. Kollisionsgefährdet einzustufen seien lediglich drei Vogelarten, nämlich der Baumfalke, der Rotmilan und der Uhu. Projektspezifisch ergebe sich allerdings kein Konfliktpotenzial, da die Arten das Areal des geplanten Windparks nicht als Brut- und Nahrungshabitat nutzten und/oder eine zukünftige Nutzung aufgrund der Biotopstruktur nicht zu erwarten sei. Im Untersuchungsraum bestehe über das normale Zuggeschehen hinaus keine besondere Eignung bzw. Bedeutung als Rastquartier. Darüber hinaus seien auch keine Schlafplätze oder Sammelplätze einzelner Arten festgestellt worden.
45Im Endbericht Juni 2014 der T. & X1. GbR (Beiakte Heft 5) (s.o) zur Erfassung und Bewertung der Fledermausfauna heißt es, dass aufgrund lokal hoher bis sehr hoher Aktivitätsdichten der Zwergfledermaus in über 50 % der Untersuchungsnächte für alle WEA-Standorte ein Abschaltalgorithmus empfohlen werde.
46Auch die Bestände von Wildkatze, Haselmaus, Schlingnatter, Zauneidechse und Geburtshelferkröte wurden von der T. & X1. GbR im August 2014 untersucht, ohne dass ersichtlich wäre, dass die geplanten WEA insoweit nicht hinnehmbare Beeinträchtigungen verursachten.
47Mit Vermerk zur Übertragbarkeit der Untersuchungsergebnisse auf den neuen Standort WEA 1a der T. & X1. GbR vom August 2014 wurden insbesondere die Bedenken bezüglich der Zwergfledermaus wiederholt.
48Schließlich heißt es im Rahmen einer als „Allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls gem. § 3c UVPG“ bezeichneten Prüfung durch Dipl.Ing. N1. von Dezember 2014 (Beiakte Heft 5) im Ergebnis, dass keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen zu erwarten seien.
49Ob hier faktisch mehr erfolgt ist als eine UVP-Vorprüfung erfordern würde, kann dahinstehen. Dass durch ein Überschreiten des notwendigen Prüfungsumfangs gegen die o.g. Bestimmungen des UVPG verstoßen und hierdurch Rechte des Antragstellers verletzt wurden, ist nicht ersichtlich. Der Antragsteller selbst mahnt an, „entsprechend kritisch das“ (im Rahmen der Vorprüfung) „zur Verfügung stehende Material zu bewerten“. Auch dürfte es kaum definierbar sein, wann die Schwelle von einer bloßen UVP-Vorprüfung zu einer der UVP „vorbehaltenen“ Prüfung überschritten wird. Dementsprechend eingeschränkt ist der gerichtliche Prüfungsrahmen, s.o..
50Mit der Beigeladenen geht die Kammer auch davon aus, dass diese Vorprüfung rechtzeitig erfolgt ist, um bei der beantragten Genehmigung berücksichtigt werden zu können. Dies gilt umso mehr, als sogar Vieles dafür spricht, dass sie bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens hätte nachgeholt werden können, s.o.. Hier sind die Ergebnisse der Vorprüfung jedenfalls gebündelt, dokumentiert (vgl. § 3c S. 6 UVPG) und in der Gesamtschau gewertet worden.
51Das Ergebnis der Vorprüfung ist auch nachvollziehbar. Ausdruck und Umsetzung findet dieses insbesondere in zahlreichen Auflagen im Genehmigungsbescheid, so etwa unter „IV.“ zum Schutz des Rotmilans und der Fledermäuse. Ein Ergebnis im Sinne des Antragstellers, die Genehmigung versagen zu müssen, geben die Erkenntnisse der Vorprüfung ebenso wenig her wie die Notwendigkeit der Durchführung einer UVP. Dies gilt auch im Hinblick auf drei weitere Anlagen in einer Entfernung von rund 4 km. Allein diese Entfernung spricht nämlich für sich. Etwaige umweltspezifische Auswirkungen erscheinen angesichts dieser Entfernung eher spekulativ. In diese Richtung weist auch § 3 b UVPG für kleinere kumulierende Vorhaben, welche gem. Abs. 2 S. 2 Nr. 2 in engem räumlichen Zusammenhang stehen müssen.
52Die mithin formell rechtmäßige Genehmigung ist auch materiell rechtmäßig.
53Rechtsgrundlage für die angefochtene Genehmigung zur Errichtung der Windenergieanlage ist § 6 BImSchG. Danach ist die erforderliche Genehmigung zu erteilen, wenn
541. sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und
552. andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.
56In Betracht kommt vorliegend unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Verletzung von Nachbarrechten allenfalls ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG.
57Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Diese Bestimmung ist für Nachbarn drittschützend,
58vgl. OVG NRW, Urteile vom 25. Februar 2015 - 8 A 959/10 -, juris Rn. 85,und vom 9. Dezember 2009 - 8 D 6/08.AK -, juris Rn. 62.
59Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind nach § 3 Abs. 2 BImSchG auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.
60Die Erfüllung der Grundpflichten des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ist "sichergestellt", wenn schädliche Umwelteinwirkungen, Nachteile oder Belästigungen mit hinreichender, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sind. Davon kann ausgegangen werden, wenn den Antragsunterlagen bei Anlegung praktischer Maßstäbe ohne verbleibenden ernstlichen Zweifel entnommen werden kann, dass der Betreiber die Pflichten erfüllen wird. Die Erfüllung der Pflichten muss für den Zeitpunkt der Inbetriebnahme sowie für die Dauer des Betriebs sichergestellt sein. Zweifel gehen grundsätzlich zu Lasten des Antragstellers. Ob und inwieweit dies der Fall ist, hängt vom Grad der Wahrscheinlichkeit schädlicher Umwelteinwirkungen sowie Art und Nachhaltigkeit der Zweifel ab. Unsicherheiten werden zum Teil über die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeitsprognose aufgefangen. Wie weit sich daher Zweifel zu Lasten des Antragstellers auswirken, hängt auch vom Grad der Wahrscheinlichkeit ab. Letztendlich lassen sich Unsicherheiten nicht selten durch geeignete Nebenbestimmungen kompensieren,
61VG Aachen, aaO. mit Hinweis auf Jarass, BImSchG, 10. Auflage 2013,§ 6 Rn. 11 f.; Enders, in: Giesberts/Reinhardt, Beck'scher Online-kommentar, Umweltrecht, § 6 BImSchG Rn. 8; OVG NRW, Beschlussvom 4. Juni 2013 - 8 A 318/11 -, S. 4 f. des amtlichen Umdrucks.
62Von Windenergieanlagen ausgehende schädliche Umwelteinwirkungen können insbesondere in Form von Lärmimmissionen und Schattenwurf auftreten. Derartige schädliche und zum Nachteil des Antragstellers wirkende Umwelteinwirkungen sind hier nicht festzustellen.
63Im Hinblick auf die vom Antragsteller geltend gemachten Lärmimmissionen wäre dann nicht von schädlichen Umwelteinwirkungen auszugehen, wenn die Immissionsrichtwerte der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) in ihrer Fassung vom 26. August 1998 (GMBl. S. 503) eingehalten werden. Nach Nr. 3.2.1 Abs. 1 TA Lärm ist der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche vorbehaltlich der Regelungen in den Absätzen 2 bis 5 sichergestellt, wenn die Gesamtbelastung am maßgeblichen Immissionsort die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 nicht überschreitet. Das ist hier voraussichtlich der Fall.
64Allerdings sieht die TA Lärm (in 6.1) hier ausdrücklich keine Immissionsrichtwerte vor. Das Wohnhaus des Antragstellers liegt in Ansehung seiner weitgehend isolierten Lage nämlich eindeutig im bauplanungsrechtlichen Außenbereich.
65Nach der Schallimmissionsprognose der „X2. H. gmbh“, welche dem Regelwerk der TA Lärm sowie der in Bezug genommenen DIN ISO 9613-2 entsprechend vorgenommen wurde und damit zumindest im gerichtlichen Eilverfahren „auf der sicheren Seite liegt“,
66vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Juni 2016 – 8 B 1018/15 -, juris;Beschluss vom 12. Februar 2013 - 8 A 96/12 -, juris Rdnr. 9 mitweiteren Rechtsprechungsnachweisen,
67liegen die Schallimmissionspegel der Windenergieanlagen während der Nachtzeit an 10 ausgewählten Immissionspunkten - so auch am als „IP 07“ bzw. „G“ bezeichneten Punkt, welcher nahe dem Wohnhaus des Antragstellers liegt – von 22 bis maximal 40 dB(A). Reflexionen durch eine bestimmte Gebäudeanordnung können danach aufgrund einer Ortsbesichtigung ausgeschlossen werden. Selbst wenn für das Grundstück (Wohnhäuser) des Antragstellers angesichts der privilegierten Nutzung im Außenbereich von einer hier allenfalls anzunehmenden Schutzbedürftigkeit entsprechend 6.1 c) TA Lärm (Dorf-/ Mischgebiet) auszugehen ist, so dass nachts 45 dB(A) und tags 60 dB(A) nicht überschritten werden dürfen,
68vgl. unter anderem: OVG NRW, Beschluss vom 23. Januar 2008- 8 B 215/07 -, juris Rdnr. 38 mit weiteren Rechtsprechungs-nachweisen,
69wären diese Werte nach summarischer Prüfung hier ganz sicher unterschritten. Dass diese Werte hier – etwa durch weitere WEA im Umfeld – verstärkt würden, ist nicht ersichtlich. Schließlich wurde die Betriebsgenehmigung zusätzlich unter „II.“ mit Auflagen zum Immissionsschutz versehen, durch welche insbesondere sichergestellt wird, dass die Anlagen zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr, also zur Nachtzeit, ausschließlich im leistungsreduzierten Betriebsmodus gefahren werden dürfen.
70Soweit sog. Infraschall, dessen Frequenz unterhalb von 16-20 Hz und damit unterhalb der menschlichen Hörschwelle liegt,
71wikipedia,
72zu befürchten ist, wird der Antragsteller hierdurch nicht beeinträchtigt, da seine Wohnhäuser mehr als 500 m von den WEA entfernt liegen,
73OVG NRW, Beschluss vom 17. Juni 2016 – 8 B 1018/15 -, juris.
74Der Antragsteller wird aller Voraussicht nach auch durch Schattenwurf der genehmigten Windenergieanlagen nicht unzumutbar beeinträchtigt werden.
75Nach der Rechtsprechung gilt eine Belästigung durch den Schattenwurf von Windkraftanlagen in der Regel dann nicht als schädliche Umwelteinwirkung i.S.d. § 3 Abs. 1 und 2 BImSchG, wenn die nach einer "worst-case"-Berechnung maximal mögliche Beschattungsdauer am jeweiligen Einwirkungsort nicht mehr als 30 Stunden im Jahr ‑ entsprechend einer realen, d.h. im langjährigen Mittel für hiesige Standorte zu erwartenden Einwirkungsdauer von maximal 8 Stunden im Jahr ‑ und darüber hinaus nicht mehr als 30 Minuten pro Tag beträgt. Zwar gibt es für den von Windkraftanlagen verursachten Schattenwurf keine feste, wissenschaftlich abgesicherte Grenze, deren Überschreitung stets die Annahme einer schädlichen Umwelteinwirkung und damit einer Verletzung von Rechten der Nachbarn nach sich ziehen müsste. Dem wird jedoch dadurch Rechnung getragen, dass die vorstehend wiedergegebenen Immissionsrichtwerte nicht nach Art eines Rechtssatzes anzuwenden sind. Vielmehr sind auch hinsichtlich des Schattenwurfs von Windkraftanlagen ‑ wie allgemein bei der Frage nach dem Vorliegen schädlicher Umwelteinwirkungen ‑ die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer wertenden Betrachtung zu würdigen.
76Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Mai 2016 - 8 B 866/15 -, juris Rn. 35,vom 19. September 2012 - 8 A 339/12 -, juris Rn. 10 und vom23. Januar 2008 - 8 B 237/07 -, juris Rn. 61.
77Nach der von der „X2. H. gmbh“ duchgeführten Schattenwurfprognose (Beiakte Heft 4) wird das Grundstück des Antragstellers im schlechtesten (astronomisch allenfalls möglichen) Fall (gelbe Zone) an 45 Stunden im Jahr beschattet. Die meteorologisch wahrscheinlichste Beschattung liegt dagegen (blaue Zone) bei 8 Stunden jährlich.
78Schon diese Dauer ist dem Antragsteller grundsätzlich zuzumuten, zumal sein Grundstück insbesondere bei tief stehender Sonne auch vom benachbarten Wald teilverschattet werden dürfte.
79Die Auflage unter Ziffer 8 zum Genehmigungsbescheid sieht darüber hinaus vor, dass die Windenergieanlagen abzuschalten sind, wenn die astronomisch maximal mögliche Gesamtbeschattungsdauer aller WEA in Summe 30 Stunden pro Kalenderjahr, was einer tatsächlichen Beschattungsdauer von 8 Stunden pro Jahr entspreche, überschreitet.
80Die tägliche Beschattungsdauer der betroffenen Wohnhäuser oder deren intensiv genutzter Außenflächen, an denen Schlagschatten unmittelbar oder durch Spiegelung einwirken könne, darf zusätzlich täglich 30 Minuten nicht überschreiten.
81Diese Regelungen sind technisch umsetzbar und ohne Weiteres verständlich. Auch wenn im Einzelfall zweifelhaft sein mag, was unter „intensiv genutzter Außenfläche“ eines Wohnhauses zu verstehen ist, ist die Regelung noch bestimmt genug, um eine unzumutbar lange Beschattung der Wohnhäuser und der schutzwürdigen Außenflächen des Antragstellers, unter welche zumindest die typischen Ruhezonen bzw. Aufenthaltsflächen im Freien, welche der Erholung dienen (Terrasse pp.) fallen dürften, zu verhindern.
82Eine Gefährdung durch Eiswurf von den genehmigten Anlagen kann die Antragstellerin bereits deshalb nicht geltend machen, weil die Anlagen mindestens 584 m von ihrem Wohnhaus entfernt errichtet werden sollen und daher ihr Grundstück von eventuellem Eiswurf dieser Anlagen kaum betroffen sein wird. Als (bloßem) Nutzer der in der Nähe der Windenergieanlagen verlaufenden Verkehrsflächen steht ihm von vornherein kein subjektives Abwehrrecht gegen die Anlagen zu. Im Übrigen sieht die unter Ziffer 9 der angefochtenen Genehmigung eine Eiswurfabschaltautomatik für die Anlagen vor und dürften so einer Gefährdung von Verkehrsteilnehmern hinreichend vorbeugen.
83Dem Antragsteller steht auch nicht deshalb ein nachbarliches Abwehrrecht gegen die geplante Windenergieanlage zu, weil von dem angegriffenen Vorhaben eine optisch bedrängende Wirkung ausgeht, die mit Blick auf sein Wohngrundstück einen Verstoß gegen das hier aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB folgende bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot darstellt.
84Bei der Prüfung, ob eine Windenergieanlage sich in einer optisch bedrängenden und damit bauplanungsrechtlich unzumutbaren Weise auf eine benachbarte Wohnnutzung auswirkt, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, der das beschließende Gericht folgt, stets eine Bewertung des konkreten Einzelfalles vorzunehmen. Diese orientiert sich im Ausgangspunkt an den folgenden groben Anhaltswerten: Beträgt der Abstand zwischen einem Wohnhaus und einer Windkraftanlage mindestens das Dreifache der Gesamthöhe (Nabenhöhe + 1/2 Rotordurchmesser) der geplanten Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu dem Ergebnis kommen, dass von dieser Anlage keine optisch bedrängende Wirkung zu Lasten der Wohnnutzung ausgeht. Bei einem solchen Abstand treten die Baukörperwirkung und die Rotorbewegung der Anlage so weit in den Hintergrund, dass ihr in der Regel keine beherrschende Dominanz und keine optisch bedrängende Wirkung gegenüber der Wohnbebauung zukommt. Ist der Abstand geringer als das Zweifache der Gesamthöhe der Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu einer dominanten und optisch bedrängenden Wirkung der Anlage gelangen. Ein Wohnhaus wird bei einem solchen Abstand in der Regel optisch von der Anlage überlagert und vereinnahmt. Auch tritt die Anlage in einem solchen Fall durch den verkürzten Abstand und den damit vergrößerten Betrachtungswinkel derart unausweichlich in das Sichtfeld, dass die Wohnnutzung überwiegend in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird. Beträgt der Abstand zwischen dem Wohnhaus und der Windkraftanlage das Zwei- bis Dreifache der Gesamthöhe der Anlage, bedarf es regelmäßig einer besonders intensiven Prüfung des Einzelfalls.
85Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. August 2006 - 8 A 3726/05 -, Baurecht (BauR)2007, 74, und Beschluss vom 8. Juli 2014 - 8 B 1230/13 -.
86Im Rahmen der Einzelfallwürdigung sind insbesondere die Kriterien Höhe und Standort der Windenergieanlage, Größe des Rotordurchmessers, Blickwinkel, Hauptwindrichtung, (Außenbereichs-)Lage des Grundstücks, Lage der Aufenthaltsräume und deren Fenster im Verhältnis zur Anlage sowie Bestehen von Ausweichmöglichkeiten von Bedeutung. Ferner ist zu berücksichtigen, ob auf dem Grundstück eine hinreichende optische Abschirmung zur Windenergieanlage besteht oder in zumutbarer Weise hergestellt werden kann. Auch reicht es für sich gesehen nicht aus, dass die Windenergieanlagen von den Wohnräumen aus überhaupt wahrnehmbar sind, um von einer optisch bedrängenden Wirkung zu sprechen. Das Gebot der Rücksichtnahme vermittelt dem Nachbarn keinen Anspruch auf ein von technischen Bauwerken freie Sicht. Die optisch bedrängende Wirkung einer Windenergieanlage entfällt daher nicht erst dann, wenn die Sicht auf die Windenergieanlage durch Abschirm- oder Ausweichmaßnahmen völlig gehindert wird. Ausreichend ist vielmehr, dass die Anlage in ihrer Wirkung durch eine vorhandene Abschirmung abgemildert wird oder dass eine solche Abschirmung in zumutbarer Weise hergestellt werden kann. Dies gilt insbesondere für Außenbereichsgrundstücke. Denn in diesen Fällen sind dem Betroffenen wegen des verminderten Schutzanspruchs eher Maßnahmen zuzumuten, durch die er den Wirkungen der Windenergieanlage ausweicht oder sich vor ihnen schützt,
87vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Mai 2016 - 8 B 866/15 -, juris Rn. 27,vom 27. Juli 2015 - 8 B 390/15 -, juris Rn. 29 ff., und vom 8. Juli 2014- 8 B 1230/13 -, juris Rn. 7 ff., 20 ff.
88Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich vorliegend zumindest nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein gebotenen summarischen Prüfung anhand der der Kammer vorliegenden umfangreichen Verwaltungsvorgänge, des Karten- und Bildmaterials sowie sonstiger Informationsquellen wie insbesondere google-maps, dass von den genehmigten Anlagen keine optisch bedrängende Wirkung auf die Wohnhäuser des Antragstellers ausgeht.
89Der Antragsteller macht hierzu im Wesentlichen geltend, dass sein Anwesen weniger als das Dreifache der Anlagenhöhe entfern liege. Gegenüber der Kreisstraße K befinde sich eine Schneise im Wald in Richtung der Anlagen, so dass der Wald kaum zu einer Sichtverschattung führe. Topografisch liege sein Grundstück mit der WEA 1a auf einem Niveau. Dazwischen befinde sich eine talähnliche Mulde. Die Hauptwindrichtung sorge dafür, dass er überwiegend die nahezu größtmögliche Sichtfläche auf die Rotoren habe. Der bestehende, jedoch bereits angegriffene Fichtenwald biete nur ungenügenden Sichtschutz.
90Die Kammer verkennt nicht, dass das Grundstück des Antragstellers durch die genehmigten WEA optisch beeinträchtigt wird. Diese Beeinträchtigung hat er indes hinzunehmen.
91Der Abstand zwischen den Wohnhäusern und der am nächsten liegenden WEA beträgt dem Akteninhalt nach ca. 584 m. Ausgehend von einer Gesamthöhe der Windenergieanlage (Nabenhöhe + halber Rotordurchmesser) von 199,00 m ergibt sich als Abstand zwischen dieser geplanten Windenergieanlage und dem Hausgrundstück des Antragstellers damit etwa das 2,93-fache der Gesamthöhe der Anlage. Alle anderen Anlagen liegen außerhalb des Abstandes der dreifachen Anlagenhöhe.
92Selbst bei Hinzurechnung der topografischen Höhendifferenz der exponiertesten WEA 1a (445,56 m ü. NN auf Grund gegenüber 430 m ü. NN des Antragstellergrundstückes) von weiteren 15,56 m beträgt der Abstand noch das (199,00 m + 15,56 m = 214,56 m; 584 m : 214,56 m =) 2,72 – fache der optischen Wirkungshöhe, liegt also auch dann noch deutlich näher am eher unbedenklichen 3‑fachen als am eher bedenklichen unter 2-fachen Wert.
93Der Antragsteller selbst räumt indirekt ein, dass die Sicht von seinem Grundstück auf die Anlagen durch eine Waldschneise führe. Nach dem der Kammer vorliegenden aktuellen Bildmaterial (abrufbar auch über google-maps) grenzt das Grundstück des Klägers östlich an die K . Unmittelbar östlich der K erstreckt sich ein ausladendes Waldgebiet, in welchem die Anlagen errichtet werden sollen.
94Hierdurch ergibt sich bereits eine Abschirmung der Sichtbarkeit der Anlage, die der Antragsgegner hier zutreffend (unter Hinweis auch auf Bl. 140 der Beiakte Heft 2) berücksichtigt hat. Mit dem Antragsgegner ist nämlich davon auszugehen, dass selbst bei fehlendem Blattwerk der Bäume im Wesentlichen lediglich Anteile der Rotorblätter zu sehen sein werden. Dies gilt umso mehr, als es sich lt. Antragsteller um dauergrünen Fichtenbestand handeln soll. Ob und inwieweit dieser „angegriffen“ ist, ist nicht entscheidungserheblich, da er jedenfalls gegenwärtig besteht und im Übrigen der Forstkontrolle/Aufforstung unterliegen dürfte. Inwieweit insbesondere die Fenster der zum Wohnen bestimmten Räume der Wohnhäuser des Antragstellers auf die Anlagen ausgerichtet sind und mit welcher Ausrichtung der Rotorblätter überwiegend zu rechnen ist, kann bei dieser Sachlage kaum noch eine entscheidende Rolle einnehmen. Gleichwohl sei insoweit angemerkt, dass es sich nach dem o.g. Luftbild auf das Grundstück des Antragstellers geradezu aufdrängt, dass die attraktivste „Hauptsicht“ vom Grundstück Richtung Westen auf ein großes freies Feld mit einem dahinter liegenden Waldstreifen liegt. Diese Sicht bleibt von den genehmigten Anlagen jedoch gerade unberührt.
95Schließlich ist noch zu bedenken, dass das Grundstück des Antragstellers im bauplanungsrechtlichen Außenbereich liegt, in welchem typischer Weise nicht nur landwirtschaftliche Betriebe wie der des Antragstellers, sondern eben auch Windenergieanlagen ihren Platz finden.
96Der Antragsteller kann ferner nicht mit Erfolg rügen, dass der Artenschutz nicht genügend Berücksichtigung gefunden habe. Eine mögliche Beeinträchtigung artenschutzrechtlicher Belange würde den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzen, weil artenschutzrechtliche Regelungen dem Nachbarn einer Windenergieanlage kein subjektiv-öffentliches Abwehrrecht vermitteln.
97Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Januar 2008 - 8 A 1319/06 -,Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl) 2008, 395 = juris Rdnr. 42.
98Nach alledem verletzt die Genehmigung des Antragsgegners vom 27. August 2015 den Antragsteller aller Voraussicht nach nicht in seinen Rechten.
99Vor diesem Hintergrund fällt die Interessenabwägung zum Nachteil des Antragstellers aus. Leitend dafür ist der Befund, dass die Genehmigung ‑ wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt ‑ mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht gegen Nachbarrechte des Antragstellers verstößt. Des Weiteren gibt den Ausschlag, dass auch im Übrigen die privaten wirtschaftlichen Interessen an der Ausnutzung der Genehmigung das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegen. Die Beigeladene hat ein nachvollziehbares wirtschaftliches Interesse an der möglichst sofortigen Ausnutzbarkeit der Genehmigung. Neben der Erwägung, dass Einnahmen ‑ hier in Form der Einspeisevergütung bzw. Marktprämie nach den §§ 49, 34 EEG ‑ nur im laufenden Betrieb zu erzielen sind, tritt hinsichtlich der finanziellen Förderung der Windenergie hinzu, dass diese degressiv ausgestaltet ist und somit eine spätere Inbetriebnahme eine dauerhaft schlechtere Erlössituation herbeiführt.
100Ob darüber hinaus ein besonderes öffentliches Interesse an der Errichtung gerade dieser Windenergieanlagen zur Förderung des Ausbaus der erneuerbaren Energien nach § 1 Abs. 1, 2 Satz 2 EEG besteht, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen,
101Vgl. OVG NRW, u.a. Beschlüsse vom 6. Mai 2016 - 8 B 866/15 -, jurisRn. 43, und vom 18. Dezember 2015 - 8 B 400/15 -, juris Rn. 37 ff.
102Der Antrag ist mithin vollumfänglich abzulehnen.
103Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
104Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig, weil sie einen Antrag gestellt und sich damit einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
105Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG. Dabei orientiert sich das Gericht bei der Bewertung des Interesses des Antragstellers an dem vorliegenden Verfahren an Nr. 19.2 i.V.m. Nr. 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 18. Juli 2013 und berücksichtigt, dass in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wegen des lediglich vorläufigen Charakters der begehrten Entscheidung der Streitwert regelmäßig auf die Hälfte des für das Hauptsacheverfahren anzusetzenden Streitwerts (hier 15.000,- EUR) zu beziffern ist.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Arnsberg Beschluss, 04. Okt. 2016 - 8 L 1257/16
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Arnsberg Beschluss, 04. Okt. 2016 - 8 L 1257/16 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).
(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde
- 1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen, - 2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.
(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.
(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.
Für die örtliche Zuständigkeit gilt folgendes:
- 1.
In Streitigkeiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, ist nur das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Vermögen oder der Ort liegt. - 2.
Bei Anfechtungsklagen gegen den Verwaltungsakt einer Bundesbehörde oder einer bundesunmittelbaren Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Bundesbehörde, die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung ihren Sitz hat, vorbehaltlich der Nummern 1 und 4. Dies gilt auch bei Verpflichtungsklagen in den Fällen des Satzes 1. In Streitigkeiten nach dem Asylgesetz ist jedoch das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Ausländer nach dem Asylgesetz seinen Aufenthalt zu nehmen hat; ist eine örtliche Zuständigkeit danach nicht gegeben, bestimmt sie sich nach Nummer 3. Soweit ein Land, in dem der Ausländer seinen Aufenthalt zu nehmen hat, von der Möglichkeit nach § 83 Absatz 3 des Asylgesetzes Gebrauch gemacht hat, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, das nach dem Landesrecht für Streitigkeiten nach dem Asylgesetz betreffend den Herkunftsstaat des Ausländers zuständig ist. Für Klagen gegen den Bund auf Gebieten, die in die Zuständigkeit der diplomatischen und konsularischen Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland fallen, auf dem Gebiet der Visumangelegenheiten auch, wenn diese in die Zuständigkeit des Bundesamts für Auswärtige Angelegenheiten fallen, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Bundesregierung ihren Sitz hat. - 3.
Bei allen anderen Anfechtungsklagen vorbehaltlich der Nummern 1 und 4 ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Verwaltungsakt erlassen wurde. Ist er von einer Behörde, deren Zuständigkeit sich auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke erstreckt, oder von einer gemeinsamen Behörde mehrerer oder aller Länder erlassen, so ist das Verwaltungsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Beschwerte seinen Sitz oder Wohnsitz hat. Fehlt ein solcher innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde, so bestimmt sich die Zuständigkeit nach Nummer 5. Bei Anfechtungsklagen gegen Verwaltungsakte einer von den Ländern mit der Vergabe von Studienplätzen beauftragten Behörde ist jedoch das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Behörde ihren Sitz hat. Dies gilt auch bei Verpflichtungsklagen in den Fällen der Sätze 1, 2 und 4. - 4.
Für alle Klagen aus einem gegenwärtigen oder früheren Beamten-, Richter-, Wehrpflicht-, Wehrdienst- oder Zivildienstverhältnis und für Streitigkeiten, die sich auf die Entstehung eines solchen Verhältnisses beziehen, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Kläger oder Beklagte seinen dienstlichen Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Wohnsitz hat. Hat der Kläger oder Beklagte keinen dienstlichen Wohnsitz oder keinen Wohnsitz innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen hat, so ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk diese Behörde ihren Sitz hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für Klagen nach § 79 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen entsprechend. - 5.
In allen anderen Fällen ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Sitz, Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Aufenthalt hat oder seinen letzten Wohnsitz oder Aufenthalt hatte.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Beteiligte sind
- 1.
Antragsteller und Antragsgegner, - 2.
diejenigen, an die die Behörde den Verwaltungsakt richten will oder gerichtet hat, - 3.
diejenigen, mit denen die Behörde einen öffentlich-rechtlichen Vertrag schließen will oder geschlossen hat, - 4.
diejenigen, die nach Absatz 2 von der Behörde zu dem Verfahren hinzugezogen worden sind.
(2) Die Behörde kann von Amts wegen oder auf Antrag diejenigen, deren rechtliche Interessen durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden können, als Beteiligte hinzuziehen. Hat der Ausgang des Verfahrens rechtsgestaltende Wirkung für einen Dritten, so ist dieser auf Antrag als Beteiligter zu dem Verfahren hinzuzuziehen; soweit er der Behörde bekannt ist, hat diese ihn von der Einleitung des Verfahrens zu benachrichtigen.
(3) Wer anzuhören ist, ohne dass die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, wird dadurch nicht Beteiligter.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; - 2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; - 3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; - 4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.
(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung
- 1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, - 2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und - 3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.
(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,-- € festgesetzt.
1
G r ü n d e:
2Der gemäß §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthafte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 6 K 969/16 geführten Klage gegen die der Beigeladenen vom Antragsgegner erteilte Genehmigung vom 16. März 2016 (Az.: 60.14-G-01-09/14 WEA-Rewö) zur Errichtung und zum Betrieb von vier Windenergieanlagen (WEA 02, WEA 07, WEA 08 und WEA 09) vom Typ Enercon E 115 mit einer Nennleistung von 3 MW, einer Nabenhöhe von 149,00 m und einem Rotordurchmesser von 115,71 m auf den Grundstücken in der Gemeinde E. , Gemarkung L. , Flur , Flurstück , und Gemarkung C. , Flur , Flurstücke und , wiederherzustellen,
4ist zulässig, aber unbegründet.
5Der Antragsteller ist insbesondere antragsbefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog). Er kann geltend machen, durch den der Beigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid des Antragsgegners vom 16. März 2016 in eigenen Rechten aus § 5 Abs. 1 Satz 1 BImSchG verletzt zu sein. Nach dieser Vorschrift sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Diese Bestimmung ist für die Nachbarn drittschützend. Als Nachbarn einer immissionsschutzrechtlich genehmigten Anlage sind alle Personen, die sich auf Dauer im Einwirkungsbereich der Anlage aufhalten, oder Eigentümer von Grundstücken im Einwirkungsbereich der Anlage anzusehen.
6Vgl. OVG NRW, u.a. Urteil vom 25. Februar 2015 - 8 A 959/10 -, juris Rn. 85 f.
7Das im Eigentum des Antragstellers stehende Grundstück Gemarkung I. , Flur , Flurstück (O. ), das Verwaltungssitz des „Forstbetriebs G.“ ist und vom Antragsteller für diesen Zweck gewerblich genutzt wird, liegt im Einwirkungsbereich unzweifelhaft jedenfalls der WEA 07, deren Standort sich in einer Entfernung von ca. 588 m zum Grundstück befindet. Angesichts dessen kann der Antragsteller hier jedenfalls geltend machen, durch den Betrieb der WEA 07 möglicherweise schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Lärm und Schattenwurf ausgesetzt und durch die angegriffene Genehmigung des emittierenden Vorhabens daher in eigenen Rechten verletzt zu sein. Auch eine Verletzung des ebenfalls nachbarschützenden Rücksichtnahmegebots ist angesichts des Abstands von weniger als der dreifachen Anlagenhöhe nicht von vornherein ausgeschlossen.
8Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2015 - 8 B 959/10 -, juris Rn. 80 ff., 86.
9Damit gehört der Antragsteller insoweit auch zur betroffenen Öffentlichkeit i.S.d. Art. 11 Abs. 1 UVP-Richtlinie 2011/92/EU bzw. § 2 Abs. 6 UVPG. An der Antragsbefugnis des Antragstellers bestehen vor diesem Hintergrund keine durchgreifenden Zweifel. Ob vorliegend tatsächlich eine Verletzung nachbarschützender Normen festzustellen ist, ist dem gegenüber eine Frage der Begründetheit des eingelegten Rechtsbehelfs.
10Angesichts der hier festzustellenden Möglichkeit einer Verletzung subjektiver Rechte des Antragstellers kann im Übrigen auch offenbleiben, ob sein Vorbringen, die erforderliche allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit sei fehlerhaft erfolgt, die Antragsbefugnis auch selbstständig zu begründen vermag, weil sich im Anwendungsbereich des § 4 UmwRG hinsichtlich der Verfahrensfehler des § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 (i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1) UmwRG die betroffene Öffentlichkeit unabhängig von der Verletzung in eigenen materiellen Rechten auf einen absoluten Verfahrensfehler berufen kann,
11so OVG NRW, Beschlüsse vom 18. Dezember 2015 - 8 B 400/15 -, juris Rn. 16 ff., 30, und vom 23. Juli 2014 - 8 B 356/14 -, juris Rn. 17 ff.; ebenso VG Aachen, Beschluss vom 20. Januar 2016 - 3 K 2445/12 -, juris Rn. 15 ff., 36 m.w.N.,
12oder ob auch insoweit eine subjektive Betroffenheit i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO zu fordern ist,
13so u.a. Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, Sonstiges Umweltrecht (Bundesrecht), § 4 UmwRG Rn. 45 ff.; OVG Hamburg, Beschluss vom 11. März 2016 - 2 Bs 33/16 -, juris Rn. 7; vgl. auch EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 - juris Rn. 32 und 92.
14Der mithin zulässige Antrag ist jedoch nicht begründet.
15Die mit Bescheid vom 21. Juni 2016 erfolgte Anordnung der sofortigen Vollziehung des Genehmigungsbescheides vom 16. März 2016 ist zunächst in formaler Hinsicht nicht zu beanstanden.
16Namentlich entspricht sie den Anforderungen der §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, wonach das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO schriftlich zu begründen ist.
17Die schriftliche Begründung muss in nachvollziehbarer Weise die Erwägungen erkennen lassen, die die Behörde zur Anordnung der sofortigen Vollziehung veranlasst haben. Die Behörde ist verpflichtet, abgestellt auf den konkreten Fall das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung sowie die Ermessenserwägungen, die sie zur Anordnung der sofortigen Vollziehung bewogen haben, schlüssig und substanziiert darzulegen. Formelhafte und pauschale Begründungen oder Wendungen, mit denen lediglich der Gesetzestext wiederholt wird, reichen nicht aus.
18Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 8. Mai 2007 - 8 B 2477/06 -, juris Rn. 43 und 45; VG Aachen, Beschluss vom 11. Januar 2010 - 6 L 319/09 -, juris Rn. 8 und 10; Puttler, in: Sodan/Ziekow, Kommentar zur VwGO, 2. Auflage 2006, § 80 Rn. 97 m.w.N.
19In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind. Die Abwägung, ob das Aussetzungsinteresse des Antragstellers die gegenläufigen Vollziehungsinteressen der Beigeladenen überwiegt, ist vielmehr Teil der eigenständigen gerichtlichen Interessenabwägung.
20Vgl. VG Aachen, u.a. Beschluss vom 11. Januar 2010 - 6 L 319/09 -, juris Rn. 12.
21Diesen Anforderungen hat der Antragsgegner bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt.
22Er hat mit Blick auf den vorliegenden Einzelfall zur Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs ausgeführt, das überwiegende private Interesse der Beigeladenen folge aus den erheblichen finanziellen Nachteilen, die ihr entstünden, wenn und solange sie von der Genehmigung keinen Gebrauch machen und die Anlage infolge eines verzögerten Baubeginns erst verspätet in Betrieb nehmen könne. Überdies spreche das öffentliche Interesse an der Erzeugung regenerativer Energie für eine sofortige Vollziehung der Genehmigung.
23Damit hat der Antragsgegner schlüssig und nachvollziehbar zu erkennen gegeben, aufgrund welcher konkreten Überlegungen er gerade im vorliegenden Fall ein überwiegendes privates Interesse bzw. zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung als gegeben ansieht. Dies genügt, wie dargelegt, den Begründungserfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
24Die in materieller Hinsicht vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Ungunsten des Antragstellers aus.
25Maßgebliches Kriterium innerhalb der im Rahmen des §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung sind regelmäßig die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig und wird der Antragsteller hierdurch in eigenen, gerade seinem Schutz dienenden Rechtsnormen verletzt, weshalb er im Hauptsacheverfahren voraussichtlich einen Aufhebungsanspruch erfolgreich wird durchsetzen können, überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse. Stellt der Verwaltungsakt sich dem gegenüber als offensichtlich rechtmäßig dar, weshalb der von dem belasteten Beteiligten eingelegte Rechtsbehelf mit erheblicher Wahrscheinlichkeit in der Hauptsache erfolglos bleiben wird, überwiegt in der Regel das Vollzugsinteresse. Darüber hinausgehende Rechtsverletzungen verschaffen dem anfechtenden Dritten keine im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigende Rechtsposition, weil ihm ein allgemeiner Gesetzesvollziehungsanspruch nicht zukommt.
26Nach § 4a Abs. 3 UmwRG ist § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO im Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen oder wiederherstellen kann, wenn im Rahmen einer Gesamtabwägung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen.
27Der Vorschrift des § 4a Abs. 3 UmwRG ist nicht eindeutig zu entnehmen, welcher Wahrscheinlichkeitsgrad für das Vorliegen "ernstlicher Zweifel" als Prüfungsmaßstab konkret anzuwenden ist. § 4a Abs. 3 UmwRG macht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, ob die aufschiebende Wirkung angeordnet oder wiederhergestellt wird, von einer Gesamtabwägung abhängig; die erheblichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind lediglich Bestandteil dieser notwendigen Gesamtabwägung. Dabei kommt es nicht auf einen bestimmten, für alle Fälle gleichen Wahrscheinlichkeitsgrad der rechtlichen Bedenken an. Vielmehr kann hier auch ein schwächerer Grad der rechtlichen Bedenken etwa ergänzt oder verstärkt werden durch den Umstand, dass besonders gravierende, möglicherweise nicht reversible Folgen drohen, wenn das Vorhaben vor Unanfechtbarkeit der Genehmigung verwirklicht wird. Insoweit gilt, dass der Sofortvollzug umso eher auszusetzen ist, je berechtigter und gewichtiger die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung sind. Ist ein voraussichtlicher Erfolg in der Hauptsache offensichtlich, wird sich ein privates oder öffentliches Vollzugsinteresse nur ausnahmsweise durchsetzen können. Ausgehend von diesen Grundsätzen kommt eine Aussetzung des Sofortvollzuges nicht stets erst dann in Betracht, wenn das Verwaltungsgericht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgeht, dass die Klage in der Hauptsache begründet ist. Vielmehr können im Rahmen einer Gesamtabwägung begründete Zweifel ausreichen, die die Rechtmäßigkeit der behördlichen Entscheidung in Frage stellen. Insbesondere bei komplexen und komplizierten Verfahren können sich offene Erfolgsaussichten auch ohne detaillierte Prüfungen ergeben.
28Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18. Dezember 2015 - 8 B 400/15 -, juris Rn. 3 ff., vom 23. Juli 2014 - 8 B 356/14-, juris Rn. 62 ff, und vom 24. Juni 2015 - 8 B 315/15-, juris Rn. 14; Seibert, NVwZ 2013, S. 1040, 1046 ff.
29Bei Anwendung dieses Maßstabs bestehen bei summarischer Betrachtung im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Genehmigung vom 16. März 2016. Nach derzeitigem Sachstand ist vielmehr davon auszugehen, dass sie Rechte des Antragstellers offensichtlich nicht verletzt.
30Der Genehmigungsbescheid ist zunächst formell rechtmäßig.
31Insbesondere liegen entgegen der Annahme des Antragstellers in Bezug auf die Durchführung einer erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung bzw. Vorprüfung zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit beachtliche Verfahrensfehler i.S.d. UmwRG ebenso wenig vor wie hinsichtlich der geltend gemachten fehlerhaften Öffentlichkeitsbeteiligung.
32Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG kann ein Kläger die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG verlangen, wenn eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist; gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG gilt § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG auch dann, wenn eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls nicht dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG genügt. Zudem kann die Aufhebung einer Zulassungsentscheidung begehrt werden, wenn eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung i.S.v. § 9 UVPG oder i.S.d. § 10 BImSchG weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG), und wenn ein anderer, nicht geheilter und nach seiner Art und Schwere vergleichbarer Verfahrensfehler vorliegt und der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen wurde, wobei zur Beteiligung am Entscheidungsprozess auch der Zugang zu den Unterlagen gehört, die zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG). Diese Regelungen gelten nach § 4 Abs. 3 Satz 1 UmwRG auch für Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO, wobei § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG in diesen Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass die Aufhebung einer Entscheidung nur verlangt werden kann, wenn der Verfahrensfehler dem Beteiligten die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat (§ 4 Abs. 3 Satz 2 UmwRG).
33Ausgehend hiervon ist ein beachtlicher Verfahrensfehler nicht festzustellen.
34Bei dem streitgegenständlichen Vorhaben handelt es sich um ein Vorhaben i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG, für das eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen kann. Hierunter fallen nicht nur die Vorhaben, für die bereits kraft Gesetzes eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist (§§ 3b, 3e Abs. 1 Nr. 1 UVPG), sondern auch die Vorhaben, für die eine allgemeine (§§ 3c Satz 1, 3e Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 UVPG) oder eine standortgebundene (§ 3c Satz 2 UVPG) Vorprüfung des Einzelfalls durchzuführen ist. Beide Arten der Vorprüfung dienen gerade der Untersuchung, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Für das streitgegenständliche Vorhaben ist gemäß § 3c Satz 1 UVPG i.V.m. Nr. 1.6.2 Spalte 2 der Anlage 1 zum UVPG (als Teil einer Windfarm mit 6 bis weniger als 20 Windkraftanlagen in einer Gesamthöhe von jeweils mehr als 50 Metern) eine allgemeine Vorprüfung durchzuführen. Ob dies gemäß § 3c Satz 1 UVPG i.V.m. Nr. 17.2.2 Spalte 2 der Anlage 1 zum UVPG auch wegen des durch den Landesbetrieb Wald und Holz mit Schreiben vom 24. Juni 2015 auf insgesamt 6,5 ha bezifferten Umfangs der erforderlichen Rodung von Wald (Inanspruchnahme von 5 ha bis weniger als 10 ha Wald) gilt, oder ob mit Blick darauf, dass durch das Vorhaben dauerhaft nur 3 ha Wald in Anspruch genommen werden, während 3,5 ha Wald unmittelbar nach Abschluss der Bauarbeiten in der nächsten Pflanzperiode wieder als Waldfläche herzurichten sind und daher in diesem Umfang nicht zum Zwecke der Umwandlung in eine andere Nutzungsart gerodet werden, eine standortbezogene Vorprüfung ausreichen könnte (Inanspruchnahme von 1 ha bis weniger als 5 ha Wald), kann daher hier dahinstehen.
35Vorliegend ist dem Antragsteller zwar darin zuzustimmen, dass es bei der durchgeführten allgemeinen Vorprüfung zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens zu Abweichungen von den gesetzlichen Anforderungen an die Durchführung der allgemeinen Vorprüfung gekommen ist. So fehlt es dem Akteninhalt nach insbesondere an der nach § 3a Satz 2 UVPG erforderlichen Bekanntgabe des Ergebnisses der Vorprüfung, vorliegend namentlich der getroffenen Feststellung, dass es keiner UVP bedarf. Dies führt aber hier ebenso wenig zu einem beachtlichen Verfahrensfehler i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b, Satz 2 UmwRG wie die in materieller Hinsicht gegen die durchgeführte Vorprüfung seitens des Antragstellers erhobenen Einwände. Diesen muss die Kammer nicht näher nachgehen. Denn vorliegend gewinnt an Bedeutung, dass der Antragsgegner bei seiner Vorprüfung zwar zu dem Ergebnis gekommen ist, dass eine UVP nicht durchgeführt werden muss, dass die Beigeladene aber gleichwohl, mithin freiwillig, eine Umweltverträglichkeitsstudie vorgelegt hat, die der Antragsgegner im Rahmen einer UVP geprüft und bewertet hat. Nach Sinn und Zweck der Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b, Satz 2 UmwRG soll die betroffene Öffentlichkeit eine Vorprüfung der UVP-Pflichtigkeit (nur) dann mit den im Gesetz geregelten Fehlerfolgen einer gerichtlichen Kontrolle unterziehen können, wenn nach dem Ergebnis der Vorprüfung eine UVP-Pflichtigkeit verneint worden ist und es deshalb gerade nicht zu einer eingehenden Prüfung der Umweltauswirkungen des Vorhabens gekommen ist. Nur dann besteht ein rechtlich schutzwürdiges Bedürfnis, die Vorprüfung auf mögliche formelle und materielle Fehler hin zu überprüfen. Wird eine UVP aber tatsächlich durchgeführt, sei es in Verkennung der UVP-Pflichtigkeit oder - wie hier - auf freiwilliger Basis, wird diese selbst Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle. Die Durchführung einer UVP „überholt“ damit gewissermaßen die erfolgte (oder auch unterbliebene) Vorprüfung, auf deren Rechtmäßigkeit es dann nicht mehr ankommt. Denn die Prüfung der Umweltauswirkungen des Vorhabens durch die behördliche UVP ist in diesem Fall einer gerichtlichen Kontrolle unterworfen, weshalb die betroffene Öffentlichkeit hinsichtlich etwaiger Fehler der Vorprüfung, die sich im Ergebnis nicht ausgewirkt haben, nicht schutzwürdig ist.
36Vgl. Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, Sonstiges Umweltrecht (Bundesrecht), § 4 UmwRG Rn. 16; vgl. auch die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des UmwRG, BT-Drs. 16/2495, S. 14 (Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis).
37Die hier durchgeführte UVP genügt in verfahrensrechtlicher wie auch in materieller Hinsicht im Ergebnis den Anforderungen der §§ 5 ff. UVPG, 1 ff. der 9. BImSchV.
38In verfahrensrechtlicher Hinsicht mag zwar der Einwand des Antragstellers berechtigt sein, dass es nach §§ 10 Abs. 1 Satz 4 der 9. BImSchV, 9 Abs. 1b UVPG im Rahmen der Beteiligung der Öffentlichkeit einer Auslegung der Genehmigungsunterlagen auch in der Gemeinde I. bedurft hätte. Denn es spricht dem Akteninhalt nach Einiges dafür, dass diese und auch die im Einwirkungsbereich des Vorhabens auf dem Gemeindegebiet Hellenthals ansässigen Nachbarn, wie etwa auch der Antragsteller, zur betroffenen Öffentlichkeit i.S.d. UmwRG bzw. UVPG zählen.
39Gleichwohl fehlt es nicht i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG vollständig an der erforderlichen Öffentlichkeitsbeteiligung. Es handelt sich bei dem möglichen Fehler, der die Frage der Auslegung von Unterlagen betrifft, vielmehr (allenfalls) um einen anderen Verfahrensfehler i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG. Selbst wenn man insoweit unterstellte, dass es sich hierbei um einen nicht geheilten und nach seiner Art und Schwere mit den Verfahrensfehlern des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 UmwRG (vollständiges Fehlen einer erforderlichen UVP oder einer erforderlichen Vorprüfung; vollständiges Fehlen einer Öffentlichkeitsbeteiligung) vergleichbaren Fehler handelte, führte dieser nach § 4 Abs. 3 Satz 2 UmwRG vorliegend nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Genehmigungsbescheides, wenn der Verfahrensfehler dem Antragsteller die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hätte.
40Dies lässt sich vorliegend aber angesichts der tatsächlichen Beteiligung des Antragstellers im Genehmigungsverfahren nicht feststellen. Dieser hat vielmehr im Verfahren Einwendungen betreffend Schall- und Schattenwurfimmissionen erhoben und auch die optische Bedrängung durch die genehmigten Windenergieanlagen moniert. Die Einwendungen des Antragstellers haben im Verfahren auch Berücksichtigung gefunden und zur Ergänzung des Schallgutachtens durch ergänzende Stellungnahme des Ingenieurbüros T&H Ingenieure GmbH vom 10. Dezember 2015 (Festlegung und Bewertung des Grundstücks des Antragstellers als zusätzlicher Immissionsort IO 16) geführt. Auch wurde das Grundstück des Antragstellers im Rahmen der vom Büro D. F. GmbH unter dem 12. Dezember 2014 vorgelegten "Darstellung und Beurteilung der optischen Wirkung von neun Windenergieanlagen am Standort E. " als Beurteilungspunkt BP01 betrachtet. Dafür, dass der Antragsteller durch die fehlende Auslegung in der Gemeinde I1. in seinem Beteiligungsrecht verletzt worden sein könnte, ist vor diesem Hintergrund nichts ersichtlich.
41Weitere formelle Fehler der UVP hat der Antragsteller nicht gerügt. Sie sind auch bei der von Amts wegen vorzunehmenden Überprüfung nicht erkennbar.
42In materieller Hinsicht hat der Antragsgegner auf der Grundlage der gutachterlichen Untersuchung des Büros für Ökologie & Landschaftsplanung G. vom 20. Oktober 2014 zunächst eine Ermittlung und Beschreibung der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen des Vorhabens auf Menschen einschließlich der menschlichen Gesundheit, Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, Kultur- und sonstige Sachgüter, sowie die Wechselwirkung zwischen den vorgenannten Schutzgütern einschließlich der Maßnahmen, mit denen erhebliche nachteilige Auswirkungen des Vorhabens auf die betrachteten Schutzgüter vermieden, vermindert oder ausgeglichen werden, sowie der Ersatzmaßnahmen bei nicht ausgleichbaren aber vorrangigen Eingriffen in Natur und Landschaft vorgenommen (vgl. §§ 1a der 9. BImSchV, 2 Abs. 1 UVPG). Diese Umweltauswirkungen hat er sodann auf der Grundlage einer zusammenfassenden Darstellung (vgl. S. 50 ff. des Genehmigungsbescheides) bewertet und bei seiner Genehmigungsentscheidung berücksichtigt (vgl. § 20 Abs. 1a und 1b der 9. BImSchV, §§ 11 und 12 UVPG). Diese Prüfung ist im Ergebnis im Rahmen der vorliegend allein möglichen und auch nur gebotenen summarischen gerichtlichen Überprüfung nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat sich intensiv mit den Auswirkungen des Vorhabens auf die relevanten Schutzgüter auseinandergesetzt und mit Blick auf die Schutzgüter Mensch und Boden sowie Tiere und Pflanzen als Ergebnis der erkannten Umweltauswirkungen umfangreiche Nebenbestimmungen im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge festgesetzt. Insbesondere ist entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht verkannt worden, dass das genehmigte Vorhaben in Wechselwirkung zu den Bestandsanlagen (3 WEA nordöstlich der Ortslage Berk und 1 WEA westlich der Ortslage Schnorrenberg) steht. Die Auswirkungen der Bestandsanlagen sind vielmehr bei der aus Sicht des Antragstellers relevanten Bewertung der Auswirkungen von Schall und Schattenwurf sowie der optischen Wirkung der streitgegenständlichen Vorhaben auf das Schutzgut „Mensch“ im Rahmen der erstellten Fachgutachten jeweils als Vorbelastung berücksichtigt und bewertet worden. Einer darüber hinausgehenden (terminologischen) Qualifizierung der Bestandsanlagen und des Vorhabens als (gemeinsamer) „Windpark“ i.S.d. Nr. 1.6 der Anlage 1 zum UVPG bedurfte es dem Akteninhalt nach nicht. Dass eine solche Qualifizierung zu einem anderen Ergebnis im Rahmen der Bewertung der Umweltauswirkungen geführt hätte, ist nicht ersichtlich.
43Da weitere materielle Fehler der UVP weder ersichtlich noch vom Antragsteller aufgezeigt sind, ist ein Verfahrensfehler in Form einer fehlerhaften UVP nicht festzustellen.
44Die mithin formell rechtmäßige Genehmigung ist auch materiell rechtmäßig.
45Rechtsgrundlage für die angefochtene Genehmigung zur Errichtung der Windenergieanlage ist § 6 BImSchG. Danach ist die erforderliche Genehmigung zu erteilen, wenn
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1. sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und
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2. andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.
In Betracht kommt vorliegend unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Verletzung von Nachbarrechten allenfalls ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG.
51Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Diese Bestimmung ist für Nachbarn drittschützend.
52Vgl. OVG NRW, Urteile vom 25. Februar 2015 - 8 A 959/10 -, juris Rn. 85, und vom 9. Dezember 2009 - 8 D 6/08.AK -, juris Rn. 62.
53Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind nach § 3 Abs. 2 BImSchG auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.
54Die Erfüllung der Grundpflichten des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ist "sichergestellt", wenn schädliche Umwelteinwirkungen, Nachteile oder Belästigungen mit hinreichender, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sind. Davon kann ausgegangen werden, wenn den Antragsunterlagen bei Anlegung praktischer Maßstäbe ohne verbleibenden ernstlichen Zweifel entnommen werden kann, dass der Betreiber die Pflichten erfüllen wird. Die Erfüllung der Pflichten muss für den Zeitpunkt der Inbetriebnahme sowie für die Dauer des Betriebs sichergestellt sein. Zweifel gehen grundsätzlich zu Lasten des Antragstellers. Ob und inwieweit dies der Fall ist, hängt vom Grad der Wahrscheinlichkeit schädlicher Umwelteinwirkungen sowie Art und Nachhaltigkeit der Zweifel ab. Unsicherheiten werden zum Teil über die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeitsprognose aufgefangen. Wie weit sich daher Zweifel zu Lasten des Antragstellers auswirken, hängt auch vom Grad der Wahrscheinlichkeit ab. Letztendlich lassen sich Unsicherheiten nicht selten durch geeignete Nebenbestimmungen kompensieren.
55Vgl. Jarass, BImSchG, 10. Auflage 2013, § 6 Rn. 11 f.; Enders, in: Giesberts/Reinhardt, Beck´scher Onlinekommentar, Umweltrecht, § 6 BImSchG Rn. 8; OVG NRW, Beschluss vom 4. Juni 2013 - 8 A 318/11 -, S. 4 f. des amtlichen Umdrucks.
56Von Windenergieanlagen ausgehende schädliche Umwelteinwirkungen können insbesondere in Form von Lärmimmissionen und Schattenwurf auftreten. Derartige schädliche und zum Nachteil des Antragstellers wirkende Umwelteinwirkungen sind hier nicht festzustellen.
57Dies gilt zunächst mit Blick auf die vom Antragsteller vorgebrachten unzumutbaren Beeinträchtigungen durch den von den Windenergieanlagen, insbesondere der WEA 07, ausgehenden Lärm.
58Zur Beurteilung, ob insoweit ein Verstoß gegen die Anforderungen des BImSchG vorliegt, kann die 6. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum BImSchG (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm -) herangezogen werden. Der TA Lärm kommt, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu.
59Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. August 2007 - 4 C 2.07 -, juris Rn. 12; Jarass, BImSchG, 10. Auflage 2013, § 48 Rn. 42 ff.
60Die Immissionsrichtwerte für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden richten sich nach Nr. 6.1 der TA Lärm, die nach Baugebietstypen und nach Tages- und Nachtzeit differenziert. Die Art der in Nr. 6.1 der TA Lärm bezeichneten Gebiete und Einrichtungen ergibt sich gemäß Nr. 6.6 Satz 1 der TA Lärm aus den Festlegungen in den Bebauungsplänen. Sonstige in Bebauungsplänen festgesetzte Flächen für Gebiete und Einrichtungen, für die keine Festsetzungen bestehen, sind gemäß Nr. 6.6 Satz 2 der TA Lärm nach Nr. 6.1 der TA Lärm entsprechend der Schutzbedürftigkeit zu beurteilen.
61Daran gemessen beträgt der maßgebliche Immissionsrichtwert für das Grundstück des Antragstellers nach Auffassung des Gerichts 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts.
62Da sich das Grundstück des Antragstellers nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans befindet, erfolgt die Zuordnung des Immissionsorts entsprechend der Schutzbedürftigkeit nach Nr. 6.6 Satz 2 der TA Lärm. Die Kammer hält im Ergebnis für das Grundstück des Antragstellers das Schutzniveau eines Kern-, Dorf- und Mischgebietes gemäß Nr. 6.1 c) der TA Lärm mit einem Immissionsrichtwert von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts für erforderlich, aber auch ausreichend. Eine Zuerkennung des Schutzniveaus lediglich eines Gewerbegebietes nach Nr. 6.1 b) der TA Lärm mit einem Immissionsrichtwert von 50 dB(A) nachts, wie sie der Antragsgegner zunächst im Genehmigungsverfahren und nunmehr auch in seiner Antragserwiderung lediglich zugebilligt hat, hält die Kammer nicht für gerechtfertigt. Denn für das Forstbetriebsgebäude des Antragstellers ist durch Baugenehmigung vom 8. Januar 2001 eine Nutzung der im 1. Obergeschoss liegenden beiden Schlafräume genehmigt worden. Es ist daher entgegen der Annahme des Antragsgegners nicht etwa von einer rechtswidrigen Nutzung des Gebäudes zur Nachtzeit auszugehen. Dass es sich bei der Nutzung des Forstbetriebsgebäudes um eine gewerbliche Nutzung handelt, steht einer Zuerkennung des üblicherweise für eine Wohnnutzung im Außenbereich zuzuerkennenden Schutzniveaus eines Mischgebietes,
63Vgl. OVG NRW, u.a. Beschluss vom 27. Juli 2015 - 8 B 390/15 -, juris Rn. 6,
64ebenso wenig entgegen wie eine nur gelegentliche Nutzung zur Nachtzeit. Die vorgenommene Zuordnung steht im Übrigen im Einklang damit, dass der Antragsgegner selbst in der Nebenbestimmung 3.3 für das Grundstück des Antragstellers einen Immissionsrichtwert von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts als Schutzniveau festgeschrieben hat.
65Gemäß Nr. 3.2.1 Abs. 1 der TA Lärm ist der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche vorbehaltlich der Regelungen in Nr. 3.2.1 Abs. 2 bis 5 der TA Lärm sichergestellt, wenn die Gesamtbelastung am maßgeblichen Immissionsort die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 der TA Lärm nicht überschreitet. Die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen setzt gemäß Nr. 3.2.1 Abs. 6 Satz 1 der TA Lärm in der Regel eine Prognose der Geräuschimmissionen der zu beurteilenden Anlage und - sofern im Einwirkungsbereich der Anlage andere Anlagengeräusche auftreten - die Bestimmung der Vorbelastung sowie der Gesamtbelastung nach Nr. A.1.2 des Anhangs der TA Lärm voraus. Die Bestimmung der Vorbelastung kann im Hinblick auf Absatz 2 entfallen, wenn die Geräuschimmissionen der Anlage die Immissionsrichtwerte nach Nummer 6 um mindestens 6 dB(A) unterschreiten (Nr. 3.2.1 Abs. 6 Satz 2 der TA Lärm).
66Hiervon ausgehend ist vorliegend nicht mit schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Lärm zu rechnen.
67Die Beigeladene hat mit ihrem Antrag zunächst ein schalltechnisches Gutachten der T&H Ingenieure GmbH vom 9. September 2014 vorgelegt, das mit Schreiben des Ingenieurbüros vom 10. Dezember 2015 um eine Betrachtung des nachträglich festgesetzten Immissionsortes IO 16 ergänzt worden ist. Bei dem IO 16 handelt es sich um das Grundstück des Antragstellers. Die Prognose kommt zu dem Ergebnis, dass die zulässigen Schallpegel an dem für das Grundstück des Antragstellers festgesetzten Immissionsort im Tag- und im Nachtbetrieb sicher eingehalten werden.
68Wie sich insbesondere aus § 4 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4a Abs. 2 Nr. 1 der 9. BImSchV ergibt, geht der Normgeber von der grundsätzlichen Verwertbarkeit einer vom Betreiber vorgelegten Immissionsprognose aus; verwertbar ist die Prognose, wenn sie unter Beachtung der einschlägigen technischen Regelwerke fachgerecht und nachvollziehbar erstellt wurde und für fachkundige Dritte überzeugend ist.
69Vgl. OVG NRW, u.a. Beschluss vom 22. Mai 2006 - 8 B 2122/05 -, juris Rn. 23; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 4. Mai 2010 - 3 B 77/10 -, juris Rn. 21.
70Diesen Anforderungen wird die vorgelegte Prognose gerecht. Sie ist auf der Grundlage der TA Lärm erstellt worden, nachvollziehbar und plausibel. In der Prognose wurde an dem auf dem Grundstück des Antragstellers festgesetzten IO 16 nach Durchführung einer Ausbreitungsrechnung ein Teilbeurteilungspegel von 41,7 dB(A) und unter Berücksichtigung einer Vorbelastung durch die Bestandsanlagen und eines Sicherheitszuschlages für den "oberen Vertrauensbereich" eine Gesamtbelastung von 45,0 dB(A) tags und nachts berechnet.
71Damit ist der für den IO 16 zugrunde gelegte und auch vorliegend maßgebliche zulässige Richtwert für Dorf- und Mischgebiete von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts eingehalten.
72Die vom Antragsteller diesem Ergebnis gegenüber erhobenen Einwände greifen nicht durch.
73Es entspricht zunächst der fachlichen Praxis, dass bei der Prognose von zu erwartenden Immissionen die Vorbelastung ebenso wie die von der zu genehmigenden Anlage zu erwartenden Schallemissionen nicht einzeln an den bzw. bezogen auf die jeweiligen Anlagen gemessen werden, sondern der an einer Anlage baugleichen Typs ein- oder mehrmals gemesseneSchallleistungspegel unter Ansetzung von Unsicherheiten (Sicherheitszuschlägen) für die Referenzmessung sowie die Serienstreuung als Vorbelastungs- bzw. Zusatzbelastungswert je vorhandener Anlage in die Berechnung einfließt oder, wenn es an Referenzmessungen fehlt, auf den regelmäßig höheren garantierten Schallleistungspegel des Herstellers zurückgegriffen und mit einem etwaige Unsicherheiten berücksichtigenden Zuschlag beaufschlagt wird. Insoweit hat das Schallgutachten zwar mangels Referenzmessung des genehmigten Anlagentyps zunächst für den Schallleistungspegel den Herstellerwert von 106,0 dB(A) zuzüglich eines oberen Vertrauensbereiches von 2,5 dB(A) zugrunde gelegt. Nachdem ein Messbericht für den leistungsoptimierten Betrieb einer Anlage vom Typ Enercon E-115 mit 3 MW erstellt worden war, hat das Sachverständigenbüro die Schallprognose den neuen Werten angepasst und die neue Berechnung in einer 1. ergänzenden Stellungnahme vom 27. Oktober 2014 dargestellt. Unter Berücksichtigung des Messberichts ergab sich ein Schallleistungspegel von 104,6 dB(A) zuzüglich eines oberen Vertrauensbereiches von 2,5 dB(A), so dass nach Auffassung der Gutachter von einem aktualisierten Schallleistungspegel von 107,1 dB(A) auszugehen war. Diesen aktualisierten Schallleistungspegel hat das Sachverständigenbüro konsequenterweise auch der 2. ergänzenden Stellungnahme vom 10. Dezember 2015 und damit auch der Begutachtung der Schallimmissionen am IO 16 zugrunde gelegt. Dies ist fachlich richtig und nicht zu beanstanden.
74Dass in der Nebenbestimmung 3.2 festgeschrieben ist, dass die Anlagen mit einem Schallleistungspegel von nicht mehr als 108,5 dB(A) betrieben werden dürfen, steht zwar nicht im Einklang mit der von den Gutachtern vorgenommenen und den Berechnungen zugrunde gelegten Reduzierung des Schallleistungspegels auf 107,1 dB(A). Die Schallimmissionen der Anlagen dürfen jedoch, wie in der Nebenbestimmung Nr. 3.3 ausdrücklich festgeschrieben, am IO 16 eine Gesamtbelastung von 45 dB(A) nachts nicht überschreiten. Diese Festsetzung des Schutzniveaus ist für die Frage, ob es zu schädlichen Umwelteinwirkungen zu Lasten des Antragstellers kommt, entscheidend. Nur dann, wenn - etwa aus einer Schallimmissionsprognose folgend - Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der festgesetzte Immissionsrichtwert nicht sicher eingehalten werden kann, ist die Festlegung eines solchen Immissionsrichtwertes im Ergebnis nicht zielführend und zum Schutz des betroffenen Nachbarn unzureichend. Vorliegend ist aber dem inzwischen erstellten Messbericht zu entnehmen, dass bei einer Anlage des Typs Enercon E-115 mit 3 MW von einem Schallleistungspegel von 104,6 dB(A) auszugehen ist. Damit ist es unwahrscheinlich, dass die genehmigte Anlage dieses Typs gleichwohl den in der Nebenbestimmung Nr. 3.2 festgesetzten maximalen Schallleistungspegel von 106,00 dB(A) (zuzüglich eines Sicherheitszuschlages von 2,5 dB(A)) tatsächlich überhaupt erreichen kann. Sollten die genehmigten Anlagen im späteren Betrieb entgegen der Annahme in den beiden ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen zum Schallschutz die aktualisierten Schallleistungspegel tatsächlich übertreffen und sollte es trotz der Berücksichtigung eines Sicherheitszuschlags für den oberen Vertrauensbereich von 2,5 dB(A) deshalb zu einer Überschreitung des für den IO 16 festgesetzten Immissionsrichtwertes kommen, wird der Antragsgegner hierauf durch nachträgliche Anordnungen (z.B. für einen leistungsreduzierten Betrieb der WEA 07) reagieren müssen. Dass es zu einer Richtwertüberschreitung kommen wird, ist nach jetziger Erkenntnislage aber nicht zu erwarten.
75Das Ergebnis der Schallimmissionsprognose wird entgegen der Annahme des Antragstellers auch nicht durch den "Schalltechnischen Bericht der erweiterten Hauptuntersuchung" vom 11. November 2014 über ein vom LANUV NRW in Auftrag gegebenes Forschungsvorhaben "zur messtechnischen Ermittlung der Ausbreitungsbedingungen für die Geräusche von hohen Windenergieanlagen zur Nachtzeit und zum Vergleich der Messergebnisse mit Ausbreitungsberechnungen nach DIN ISO 9613-2" (Uppenkamp-Bericht) in Frage gestellt. Der Forschungsbericht kommt zwar zu dem Ergebnis, dass die - auch hier im Schallgutachten vorgenommene - Anwendung des sog. alternativen Verfahrens nach DIN ISO 9613-2 für die Beurteilung der Geräusche von hohen Windenergieanlagen infolge einer Überschätzung der Bodendämpfung zu Abweichungen von den Messdaten der Forschungsreihe führe. Die Anwendung des alternativen Verfahrens funktioniere aber jedenfalls im Nahbereich von < 500 m sowohl im Mitwind- als auch im Gegenwindbereich gut, die Messdaten auf der einen Seite und die Ergebnisse der Ausbreitungsrechnungen auf der anderen Seite drifteten erst mit zunehmendem Abstand auseinander. Der aktuell anzusetzende Sicherheitszuschlag von 1,9 dB decke die beschriebenen Abweichungen im Nahbereich aber ab (vgl. Bl. 62 und 63 des Forschungsberichts).
76Der Standort der genehmigten WEA 07 liegt hier in einem Abstand von ca. 588 m zum IO 16 und befindet sich damit zwar nicht mehr im Nahbereich < 500 m. Dem Uppenkamp-Bericht zufolge hat die Untersuchung aber auch gezeigt, dass die Ergebnisse für den Mitwindbereich bis 550 m sowie für den Gegenwindbereich bis 800 m durch den (üblichen) Sicherheitszuschlag von 1,9 dB(A) abgedeckt werden. Das Grundstück des Antragstellers befindet sich mit Blick auf die in der Eifel vorherrschende Windrichtung aus Südwest nicht im Mitwindbereich, so dass angesichts des vorliegend angesetzten Sicherheitszuschlags von sogar 2,5 dB(A) und angesichts dessen, dass der Nahbereich i.S.d. Uppenkamp-Berichts ohnehin nur geringfügig überschritten ist, im Ergebnis davon ausgegangen werden kann, dass die Anwendung des alternativen Verfahrens bei der Prognose der Schallimmissionen in Bezug auf den IO 16 noch zu zutreffenden Ergebnissen führt und auch unter Berücksichtigung dieser Unsicherheit das Auftreten schädlicher Lärmimmissionen ausgeschlossen werden kann.
77Vor diesem Hintergrund bedarf - zumal im gerichtlichen Eilverfahren - keiner Klärung, ob die Bindungswirkung der TA Lärm bzw. der von ihr in Bezug genommenen DIN ISO 9613-2 für die Ermittlung von Schallimmissionen bei Windkraftanlagen entfallen ist, weil die in ihr enthaltene sachverständige Aussage durch neue Erkenntnisse in Wissenschaft und Technik überholt wäre.
78Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. Juli 2015 - 8 B 390/15 -, juris Rn. 25.
79Das Schallgutachten, das im Übrigen auch vom LANUV NRW überprüft und ausweislich dessen Schreibens vom 18. Februar 2015 für nachvollziehbar und plausibel gehalten worden ist, ist daher nach allen Betrachtungen "auf der sicheren Seite“ und im Ergebnis nicht zu beanstanden.
80Auch schädliche Umwelteinwirkungen in Form von periodischem Schattenwurf sind nicht zu erwarten.
81Nach der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts gilt eine Belästigung durch den Schattenwurf von Windkraftanlagen in der Regel dann nicht als schädliche Umwelteinwirkung i.S.d. § 3 Abs. 1 und 2 BImSchG, wenn die nach einer „worst-case“-Berechnung maximal mögliche Beschattungsdauer am jeweiligen Einwirkungsort nicht mehr als 30 Stunden im Jahr - entsprechend einer realen, d.h. im langjährigen Mittel für hiesige Standorte zu erwartenden Einwirkungsdauer von maximal 8 Stunden im Jahr - und darüber hinaus nicht mehr als 30 Minuten pro Tag beträgt. Zwar gibt es für den von Windkraftanlagen verursachten Schattenwurf keine feste, wissenschaftlich abgesicherte Grenze, deren Überschreitung stets die Annahme einer schädlichen Umwelteinwirkung und damit einer Verletzung von Rechten der Nachbarn nach sich ziehen müsste. Dem wird jedoch dadurch Rechnung getragen, dass die vorstehend wiedergegebenen Immissionsrichtwerte nicht nach Art eines Rechtssatzes anzuwenden sind. Vielmehr sind auch hinsichtlich des Schattenwurfs von Windkraftanlagen - wie allgemein bei der Frage nach dem Vorliegen schädlicher Umwelteinwirkungen - die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer wertenden Betrachtung zu würdigen.
82Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Mai 2016 - 8 B 866/15 -, juris Rn. 35, vom 19. September 2012 - 8 A 339/12 -, juris Rn. 10 und vom 23. Januar 2008 - 8 B 237/07 -, juris Rn. 61.
83Die Beigeladene hat mit ihrem Antrag ein Schattenwurfgutachten der T&H Ingenieure GmbH vom 9. September 2014 vorgelegt. Die Prognose kommt unter Berücksichtigung einer Vorbelastung durch 4 Bestandsanlagen zu dem Ergebnis, dass an einigen der gewählten Immissionsorte die Orientierungswerte von 30 Stunden pro Jahr sowie 30 Minuten pro Tag überschritten werden, darunter die dem Grundstück des Antragsteller am nächsten gelegen IO 13 (O. ) und IO 14 (O. ). Nach den Angaben der Gutachter kann durch eine Abschaltautomatik aber sichergestellt werden, dass die reale Beschattungsdauer von 8 h/Jahr an keinem Immissionsort überschritten werde.
84Zu dieser Schattenwurfanalyse hat das LANUV NRW unter dem 10. Februar 2015 eine Plausibilitätsprüfung vorgelegt und zusammenfassend festgestellt, dass das - sachgerechte - Prognoseverfahren zu einem plausiblen Ergebnis führe. Es handele sich insgesamt um eine eher konservative Prognose, weil in der vorliegenden Situation u.a. abschirmende Effekte durch umfangreichen Bewuchs und die Kontrastminderung des Schattens im Halbschatten und aufgrund atmosphärischer Trübung bei größeren Abständen zu einer Verringerung der real wahrnehmbaren Einwirkungsmöglichkeiten führten.
85Das Grundstück des Antragstellers ist im Schattenwurfgutachten - offenbar wegen seiner gewerblichen Nutzung - zwar (bislang) nicht als Immissionsort betrachtet worden, so dass eine Beurteilung der Schattenwurfimmissionen dort nur über einen repräsentativen benachbarten Immissionsort erfolgen kann. Insoweit kann vorliegend davon ausgegangen werden, dass die maximal zulässige Beschattungsdauer nicht nur an den gewählten benachbarten Immissionsorten IO 13 und IO 14, sondern auch am Grundstück des Antragstellers überschritten werden. Durch eine Abschaltautomatik kann jedoch sichergestellt werden, dass an keinem Immissionsaufpunkt einschließlich des Grundstücks des Antragstellers die zulässigen Höchstwerte überschritten werden. Dies entspricht regelmäßiger fachlicher Praxis, ist technisch möglich und wird auch vom Antragsteller in der Sache nicht in Abrede gestellt.
86Dass der Antragsgegner die Einrichtung einer Abschaltautomatik nicht als eigenständige Nebenbestimmung ausdrücklich in den Genehmigungsbescheid aufgenommen hat, bleibt im Ergebnis unschädlich. Denn durch die zum Gegenstand der Genehmigung gemachten Antragsunterlagen, zu denen u.a. auch das Schattenwurfgutachten mit der getroffenen Feststellung gehört, dass an einigen Immissionsorten die Überschreitung der zulässigen Höchstwerte allein mittels Einrichtung einer Abschaltautomatik vermieden werden kann, sowie die Nebenbestimmungen Nrn. 3.9 bis 3.14, die sich im Einzelnen mit der Abschaltautomatik befassen, ist im Ergebnis hinreichend bestimmt festgelegt, dass die genehmigten Windenergieanlagen nur mit einer Abschaltautomatik genehmigungskonform betrieben werden können. So bestimmt die Nebenbestimmung Nr. 3.9 auch ausdrücklich, dass durch die Abschalteinrichtungen sicherzustellen ist, dass an jedem Immissionsaufpunkt eine Schattenwurfdauer von 30 min/Tag und 8 Stunden pro Jahr in Summe aller im Gebiet vorhandenen Windenergieanlagen nicht überschritten wird (Wohnhäuser einschließlich intensiv genutzter Außenbereiche oder Arbeitsbereiche in gewerblichen Betrieben). Hierdurch wird im Übrigen ausdrücklich auch die Vorbelastung durch die Bestandsanlagen berücksichtigt. Die Beigeladene wird daher, worauf das LANUV NRW in seinem Schreiben vom 10. Februar 2015 bereits allgemein hingewiesen hat, das Grundstück des Antragstellers als weiteren benachbarten Einwirkort und möglichen Immissionsaufpunkt, der bislang nur über einen repräsentativen benachbarten Immissionspunkt in der Prognose berücksichtigt worden ist, bei der Festlegung von zeitweiligen Abschaltzeiten in die Abschaltprogrammierung einzubeziehen haben. Dass die Beigeladene nunmehr das Grundstück des Antragstellers auch als Immissionsaufpunkt anerkannt hat, folgt überdies aus dem Umstand, dass es ausweislich der im Verfahren vorgelegten ergänzenden Stellungnahme der T&H Ingenieure GmbH vom 14. Juli 2016 nunmehr als IO 16 in die Berechnung einbezogen worden ist. Letztlich ist dem Schutzbedürfnis des Antragstellers dadurch Rechnung getragen, dass nach der Regelungswirkung der Genehmigung auch an seinem Grundstück die maximal zulässigen Höchstwerte für periodischen Schattenwurf nicht überschritten werden dürfen. Dass dies auch durch die Einrichtung einer Abschaltautomatik technisch nicht möglich sein könnte, ist nicht erkennbar.
87Schädliche Umwelteinwirkungen oder sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen im Sinne der §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG gehen von dem Vorhaben auf das Grundstück des Antragstellers nach alledem nicht aus.
88Der Antragsteller kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine Verletzung anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG berufen, insbesondere nicht auf eine Verletzung des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme.
89Das in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB verankerte drittschützende Gebot der Rücksichtnahme soll einen angemessenen Interessenausgleich zwischen benachbarten Grundstückseigentümern gewähren. Die dabei vorzunehmende Abwägung hat sich daran zu orientieren, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahmeverpflichteten andererseits jeweils nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Rücksichtnahme-begünstigten ist, desto mehr Rücksichtnahme kann verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, um so weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Berechtigte Belange muss er nicht zurückstellen, um gleichwertige fremde Belange zu schonen.
90Vgl. grundlegend: BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1977 - 4 C 22/75 -, juris Rn. 22; OVG NRW, Urteil vom 9. Dezember 2009 - 8 D 6/08.AK -, juris Rn. 426.
91Eine unzumutbare Beeinträchtigung der Belange des Antragstellers ist aber auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erkennbar.
92Unzumutbare Immissionen gehen - wie oben ausgeführt - von der genehmigten Windenergieanlage für den Antragsteller nicht aus. Ebenso kann nicht vom Vorliegen einer so genannten optisch bedrängenden Wirkung der geplanten Windenergieanlagen auf das Grundstück des Antragstellers ausgegangen werden.
93Nach der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts, der die Kammer folgt, erfordert die Prüfung, ob von einer Windkraftanlage eine optisch bedrängende Wirkung ausgeht, stets eine Würdigung aller Einzelfallumstände, wobei sich für die Ergebnisse der Einzelfallprüfungen grobe Anhaltswerte prognostizieren lassen:
94-
95
Beträgt der Abstand zwischen einem Wohnhaus und einer Windkraftanlage mindestens das Dreifache der Gesamthöhe (Nabenhöhe + 1/2 Rotordurchmesser) der geplanten Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu dem Ergebnis kommen, dass von dieser Anlage keine optisch bedrängende Wirkung zu Lasten der Wohnnutzung ausgeht. Bei einem solchen Abstand treten die Baukörperwirkung und die Rotorbewegung der Anlage so weit in den Hintergrund, dass ihr in der Regel keine beherrschende Dominanz und keine optisch bedrängende Wirkung gegenüber der Wohnbebauung zukommt.
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Ist der Abstand geringer als das Zweifache der Gesamthöhe der Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu einer dominanten und optisch bedrängenden Wirkung der Anlage gelangen. Ein Wohnhaus wird bei einem solchen Abstand in der Regel optisch von der Anlage überlagert und vereinnahmt. Auch tritt die Anlage in einem solchen Fall durch den verkürzten Abstand und den damit vergrößerten Betrachtungswinkel derart unausweichlich in das Sichtfeld, dass die Wohnnutzung überwiegend in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird.
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Beträgt der Abstand zwischen dem Wohnhaus und der Windkraftanlage das Zwei- bis Dreifache der Gesamthöhe der Anlage, bedarf es regelmäßig einer besonders intensiven Prüfung des Einzelfalls.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Mai 2016 - 8 B 866/15 -, juris Rn. 27, vom 27. Juli 2015 - 8 B 390/15 -, juris Rn. 27 ff., vom 24. Juni 2010 - 8 A 2764/09 -, juris Rn. 42 ff., und Urteil vom 9. August 2006 - 8 A 3726/05 -, juris Rn. 73 ff., jeweils m.w.N.
101Im Rahmen der Einzelfallwürdigung sind insbesondere die Kriterien Höhe und Standort der Windenergieanlage, Größe des Rotordurchmessers, Blickwinkel, Hauptwindrichtung, (Außenbereichs-)Lage des Grundstücks, Lage der Aufenthaltsräume und deren Fenster im Verhältnis zur Anlage sowie Bestehen von Ausweichmöglichkeiten von Bedeutung. Ferner ist zu berücksichtigen, ob auf dem Grundstück eine hinreichende optische Abschirmung zur Windenergieanlage besteht oder in zumutbarer Weise hergestellt werden kann. Auch reicht es für sich gesehen nicht aus, dass die Windenergieanlagen von den Wohnräumen aus überhaupt wahrnehmbar sind, um von einer optisch bedrängenden Wirkung zu sprechen. Das Gebot der Rücksichtnahme vermittelt dem Nachbarn keinen Anspruch auf ein von technischen Bauwerken freie Sicht. Die optisch bedrängende Wirkung einer Windenergieanlage entfällt daher nicht erst dann, wenn die Sicht auf die Windenergieanlage durch Abschirm- oder Ausweichmaßnahmen völlig gehindert wird. Ausreichend ist vielmehr, dass die Anlage in ihrer Wirkung durch eine vorhandene Abschirmung abgemildert wird oder dass eine solche Abschirmung in zumutbarer Weise hergestellt werden kann. Dies gilt insbesondere für Außenbereichsgrundstücke. Denn in diesen Fällen sind dem Betroffenen wegen des verminderten Schutzanspruchs eher Maßnahmen zuzumuten, durch die er den Wirkungen der Windenergieanlage ausweicht oder sich vor ihnen schützt.
102Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Mai 2016 - 8 B 866/15 -, juris Rn. 27, vom 27. Juli 2015 - 8 B 390/15 -, juris Rn. 29 ff., und vom 8. Juli 2014 - 8 B 1230/13 -, juris Rn. 7 ff., 20 ff.
103Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist vorliegend nicht von einer optisch bedrängenden Wirkung der geplanten Windenergieanlagen auf das Forstbetriebsgebäude des Antragstellers auszugehen. Der Abstand zwischen dem Wohnhaus (IO 16) und der WEA 07 beträgt dem Akteninhalt nach ca. 588 m. Ausgehend von einer Gesamthöhe der Windenergieanlage (Nabenhöhe + halber Rotordurchmesser) von 206,86 m ergibt sich als Abstand zwischen der geplanten Windenergieanlage WEA 07 und dem Forstbetriebsgebäude des Antragstellers damit etwa das 2,84-fache der Gesamthöhe der Anlage. Alle anderen Anlagen liegen außerhalb des Abstandes der dreifachen Anlagenhöhe.
104Da der Abstand zur WEA 07 damit das Dreifache der Gesamthöhe der Anlage unterschreitet, hat der Antragsgegner unter Berücksichtigung der von der Beigeladenen vorgelegten "Darstellung und Beurteilung der optischen Wirkung von neun Windenergieanlagen am Standort E. " der D. F. GmbH vom 12. Dezember 2014, in der das Grundstück des Antragstellers als Beurteilungspunkt BP01 betrachtet und bewertet worden ist, eine eingehende Einzelfallbewertung vorgenommen. In dieser durfte er zunächst maßgeblich berücksichtigen, dass das Grundstück des Antragstellers gewerblich und das auch nicht arbeitstäglich und gerade nicht dauerhaft zu Wohnzwecken genutzt wird. Ebenfalls ist in der vorzunehmenden Einzelfallbewertung zu berücksichtigen, dass sich das Grundstück selbst ausweislich der vorliegenden Planunterlagen und Lichtbilder im Wald befindet und von dichtem Bewuchs umgeben ist. Hierdurch ergibt sich bereits eine Abschirmung der Sichtbarkeit der Anlage, die der Antragsgegner hier zutreffend berücksichtigt hat. Überdies wird die optische Wirkung der Anlage dadurch abgemildert, dass aufgrund der in der Eifel vorherrschenden Hauptwindrichtung aus Südwest die Rotorflügel der Anlage vom Grundstück des Antragstellers aus weitgehend nicht in einem Winkel von 90°, sondern eher seitlich zu sehen sein werden, wodurch die "gebäudegleiche" Wirkung der Fläche, die der Rotor bestreicht,
105vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. August 2006 - 8 A 3726/05 -, juris Rn. 76 und 83,
106deutlich verkleinert sichtbar sein wird. Zudem werden die Rotorflügel der Anlage vor allem aus den Räumen im 1. Obergeschoss sichtbar sein, wo sich jedoch vor allem die Schlafräume und nicht die der genehmigten gewerblichen Nutzung hauptsächlich unterfallenden gewerblichen Räume (Besprechungsraum, Verwaltungsraum) befinden. Die Nutzung des Gebäudes wird daher zur Tageszeit, zu der die Windenergieanlagen in erster Linie sichtbar sein werden, vor allem im Erdgeschoss stattfinden. Von dort ist die WEA 07 aber, wie die Sichtbarkeitsanalyse der D. F. GmbH mit Visualisierung der WEA 07 zeigt, aufgrund des dichten Bewuchses der unmittelbaren Umgebung kaum erkennbar.
107Dass die vorhandenen Bestandsanlagen die optische Wirkung der WEA 07 verstärken oder der Windpark als solcher trotz der von den übrigen Anlagen eingehaltenen Abstandsempfehlungen eine optische Dominanz der Anlagen erzeugt, die vom Antragsteller, der sein im Außenbereich liegendes Grundstück gewerblich und nicht dauerhaft zu Wohnzwecken nutzt, nicht mehr hinzunehmen ist, ist nach dem Akteninhalt nicht festzustellen.
108Nach alledem verletzt die Genehmigung des Antragsgegners vom 16. März 2016 den Antragsteller aller Voraussicht nicht in seinen Rechten.
109Vor diesem Hintergrund fällt die Interessenabwägung zum Nachteil des Antragstellers aus. Leitend dafür ist der Befund, dass die Genehmigung - wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt - mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht gegen Nachbarrechte des Antragstellers verstößt. Des Weiteren gibt den Ausschlag, dass auch im Übrigen die privaten wirtschaftlichen Interessen an der Ausnutzung der Genehmigung das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegen. Die Beigeladene hat ein nachvollziehbares wirtschaftliches Interesse an der möglichst sofortigen Ausnutzbarkeit der Genehmigung. Neben der Erwägung, dass Einnahmen - hier in Form der Einspeisevergütung bzw. Marktprämie nach den §§ 49, 34 EEG - nur im laufenden Betrieb zu erzielen sind, tritt hinsichtlich der finanziellen Förderung der Windenergie hinzu, dass diese degressiv ausgestaltet ist und somit eine spätere Inbetriebnahme eine dauerhaft schlechtere Erlössituation herbeiführt.
110Ob darüber hinaus ein besonderes öffentliches Interesse an der Errichtung gerade dieser Windenergieanlagen zur Förderung des Ausbaus der erneuerbaren Energien nach § 1 Abs. 1, 2 Satz 2 EEG besteht, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.
111Vgl. OVG NRW, u.a. Beschlüsse vom 6. Mai 2016 - 8 B 866/15 -, juris Rn. 43, und vom 18. Dezember 2015 - 8 B 400/15 -, juris Rn. 37 ff.
112Der Antrag ist mithin vollumfänglich abzulehnen.
113Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
114Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig, weil sie einen Antrag gestellt und sich damit einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
115Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG. Dabei orientiert sich das Gericht bei der Bewertung des Interesses des Antragstellers an dem vorliegenden Verfahren an Nr. 19.2 i.V.m. Nr. 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 18. Juli 2013 und berücksichtigt, dass in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wegen des lediglich vorläufigen Charakters der begehrten Entscheidung der Streitwert regelmäßig auf die Hälfte des für das Hauptsacheverfahren anzusetzenden Streitwerts (hier 15.000,-- €) zu beziffern ist.
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 19. März 2010 geändert.
Der immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbescheid der Bezirksregierung Münster vom 5. Juli 2006 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 27. September 2006 und vom 13. November 2013, des Teilverzichts der Beigeladenen vom 26. Juni 2007 sowie des Widerspruchsbescheids vom 3. Februar 2009 wird aufgehoben, soweit er die Windenergieanlagen WEA 5 und 6 betrifft.
Die Kosten des Verfahrens erster Instanz einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Kläger zur Hälfte, der Beklagte und die Beigeladene jeweils zu einem Viertel. Die Kosten des Verfahrens zweiter Instanz tragen der Beklagte und die Beigeladene je zur Hälfte mit Ausnahme ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten, die sie jeweils selbst tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Kläger wenden sich gegen eine der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur „wesentlichen Änderung von sieben Windkraftanlagen in der Windfarm T. “, soweit diese die Anlagen WEA 5 und 6 betrifft.
3Die Klägerin zu 1. ist Eigentümerin des Anwesens B. in T. , Gemarkung B1. , Flur , Flurstücke und . Das Grundstück liegt im bauplanungsrechtlichen Außenbereich am Südrand des im Gebietsentwicklungsplan für den Regierungsbezirk N. (Teilabschnitt N1. , Teil 3: Eignungsbereiche für erneuerbare Energien/Windkraft, bekannt gemacht am 12. November 1998, GV.NRW. S. 606) dargestellten Windenergieeignungsbereichs WAF 11 und südlich der im Flächennutzungsplan der Stadt T. ausgewiesenen Windkraftkonzentrationszone. Es ist mit einem Wohnhaus bebaut, das die Kläger selbst bewohnen, sowie Nebenanlagen, die im Wesentlichen der Pferdezucht und Pensionspferdehaltung der Kläger dienen.
4In den Jahren 2003 und 2004 erteilte der Landrat des Kreises Warendorf verschiedenen Bauherren Baugenehmigungen für die Errichtung von Windkraftanlagen an den Standorten, auf die sich die streitbefangene immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung bezieht. Unter anderem wurden am 28. Januar 2003 zwei Windkraftanlagen mit 85 m Nabenhöhe, 70 m Rotordurchmesser und 1.800 kW Nennleistung (Typ Enercon E 66/18.70) auf den Grundstücken Gemarkung B1. Flur , Flurstück und Flur , Flurstück baurechtlich genehmigt. Dabei handelt es sich nach der Zählung des späteren immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheids vom 5. Juli 2006, die auch im Folgenden verwendet wird, um die Standorte der WEA 5 und 6 (in der vom Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Gesamtübersicht: WEA lfd. Nr. 4 und 5). Diese Standorte liegen - ebenso wie die Standorte der weiteren mit der streitbefangenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung genehmigten Windkraftanlagen WEA 1 bis 4 und 7 - innerhalb des im o. g. Gebietsentwicklungsplan dargestellten Windeignungsbereichs WAF 11 und der - damit teilweise deckungsgleichen - im Flächennutzungsplan der Stadt T. (in der Fassung der 14. Änderung, rechtswirksam seit 22. März 2002) ausgewiesenen Konzentrationszone für Windenergie „B. /B2. “.
5Der Erteilung der Baugenehmigungen war für die Windkraftanlagen an den Standorten WEA 5, 6 und 8 eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls vorausgegangen. Sie kam zu dem Ergebnis, dass es einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht bedürfe. Für die an den Standorten WEA 1, 2 und 3 baugenehmigten Windkraftanlagen liegt eine im November 2003 erstellte allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls des Ing.-Büros d. vor. Diese kommt - unter Berücksichtigung der weiteren zu diesem Zeitpunkt genehmigten bzw. beantragten Windkraftanlagen, also auch der (damaligen) WEA 5, 6 und 8 - zu dem Ergebnis, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung entbehrlich sei.
6Die Baugenehmigungen galten ab dem 1. Juli 2005 als immissionsschutzrechtliche Genehmigungen fort (§ 67 Abs. 9 Satz 1 BImSchG). Die davon erfassten Anlagen wurden jedoch nie errichtet.
7Unter dem 25. Juli 2005 zeigte die Beigeladene als neue Vorhabenträgerin der Bezirksregierung gemäß § 15 BImSchG eine Änderung der sieben genehmigten Windkraftanlagen an, wonach nunmehr der technisch optimierte Anlagentyp E-70 E 4 errichtet werden solle. Auf Betreiben des Staatlichen Umweltamts N. wurde der Beigeladenen mitgeteilt, dass es sich bei der Umplanung um eine wesentliche Änderung handele, die gemäß § 16 BImSchG genehmigungsbedürftig sei.
8Unter dem 21. Dezember 2005 beantragte die Beigeladene die Erteilung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen gemäß § 16 BImSchG zur Änderung der Beschaffenheit der Windkraftanlagen WEA 1 bis 7 (lfd. Nr. 4 bis 10) an den Standorten, für die zuvor Baugenehmigungen für vergleichbar dimensionierte Anlagen erteilt worden waren, welche zwischenzeitlich kraft Gesetzes als immissionsschutzrechtliche Genehmigungen fortgalten. An die Stelle des bisher genehmigten Anlagentyps Enercon E-66/18.70 sollte nunmehr jeweils der Anlagentyp Enercon E-70 E 4, Nennleistung 2.000 kW, treten. In der Windkraftkonzentrationszone waren zu diesem Zeitpunkt bereits etliche Windkraftanlagen beantragt, z.T. auch genehmigt und errichtet (WEA lfd. Nr. 1, 12 bis 18 und 21).
9Im Rahmen einer als „standortbezogen“ bezeichneten Vorprüfung (vgl. § 3c UVPG) gelangte der Beklagte - trotz Bedenken der Anlieger einschließlich der Kläger - im Anschluss an die entsprechende Prüfung der Baugenehmigungsbehörde aus dem Jahr 2003 zu der Auffassung, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erforderlich sei. Mit der geringfügigen technischen Optimierung der Windkraftanlagen, deren Standorte unverändert blieben, seien keine relevanten Umweltauswirkungen verbunden. Die Entscheidung wurde am 26. Juni 2006 bekannt gemacht.
10Durch Bescheid vom 5. Juli 2006 erteilte der Beklagte der Beigeladenen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung unter Auflagen. Die von dieser Genehmigung erfassten WEA 1 bis 3 haben bei einer Nabenhöhe von 98,20 m und einem Rotordurchmesser von 71 m eine Gesamthöhe von 133,70 m. Die WEA 4 bis 7 haben bei einer Nabenhöhe von 85 m und einem Rotordurchmesser von 71 m eine Gesamthöhe von 120,50 m. Die dem Wohnhaus der Kläger nächstgelegene WEA 6 soll in einem Abstand von 352 m (197 m zur Grundstücksgrenze), die WEA 5 in einem Abstand von 624 m (472 m zur Grundstücksgrenze) errichtet werden.
11Gegen diese Genehmigung erhoben die Kläger Widerspruch. Sie legten ein von ihnen in Auftrag gegebenes „Vogelkundliches Gutachten für den Windkraft Eignungsbereich T. “ des Diplom-Landschaftsökologen H. vor und machten geltend, es bedürfe einer Umweltverträglichkeitsprüfung.
12Mit Schreiben vom 27. September 2006 ordnete die Bezirksregierung die sofortige Vollziehung des Genehmigungsbescheides an. Mit Änderungsbescheid vom gleichen Tag berichtigte sie redaktionelle Fehler des Bescheids vom 5. Juli 2006.
13Das Verwaltungsgericht gab dem Antrag der Kläger auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs hinsichtlich der WEA 6 insbesondere wegen einer möglichen optisch bedrängenden Wirkung dieser Anlage statt; im Übrigen lehnte es den Antrag ab (10 L 889/06). Auf die Beschwerde der Beigeladenen lehnte der Senat den Antrag mit Beschluss vom 25. Juli 2007 insgesamt ab (8 B 259/07). Mit Schreiben vom 26. Juni 2007 hatte die Beigeladene nach gerichtlichem Hinweis darauf, dass die Nichtberücksichtigung der Vorbelastung durch andere Windkraftanlagen bei der Ermittlung der Gesamtbelastung nicht unproblematisch sei, auf die Genehmigung des Nachtbetriebs der WEA 6 in der Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr verzichtet.
14Die Windkraftanlagen WEA 1 bis 4 und 7 wurden sodann errichtet und im Juli 2008 in Betrieb genommen.
15Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 2009, zugestellt am 6. Februar 2009, wies der Beklagte - nach Durchführung einer Ortsbesichtigung - den Widerspruch der Kläger zurück.
16Die Kläger haben am 5. März 2009 Anfechtungsklage erhoben, die sie kurz darauf unter Rücknahme der Klage im Übrigen auf die Windkraftanlagen WEA 5 und 6 beschränkt haben.
17Sie haben geltend gemacht, die Genehmigung sei unter Verletzung der Verfahrensvorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung zustande gekommen, weil eine Umweltverträglichkeitsprüfung und damit die Durchführung eines förmlichen Genehmigungsverfahrens nach § 10 BImSchG rechtswidrig unterblieben seien. Aufgrund des vom Beklagten durchgeführten Screening-Verfahrens habe nicht ermessensfehlerfrei davon ausgegangen werden können, dass das Vorhaben keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen haben könne. Die im Jahr 2003 durchgeführte Vorprüfung sei unzureichend. Die Voraussetzungen, unter denen eine Vorprüfung schon vor Antrag auf Zulassung des jeweiligen Vorhabens erfolgen könne, lägen nicht vor. Zudem habe es sich lediglich um eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls gehandelt. Bei sieben genehmigten Anlagen wäre demgegenüber eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls erforderlich gewesen. Aufgrund des räumlichen Zusammenhangs mit der Anlage des Herrn M. und sechs weiteren Anlagen der Q. GmbH seien insgesamt sogar 14 Windkraftanlagen bei der Vorprüfung in den Blick zu nehmen. Das Gebiet sei inzwischen im Hinblick auf das unverwechselbare Landschaftsbild mit seinen gebietsprägenden Riegelhecken und die natürliche Schutzfunktion des Biotops für die dort lebenden Wildtiere in die Förderkulisse des Kreiskulturlandschaftsprogramms aufgenommen worden. Es sei damit als - besonders schutzwürdiges - Biosphären-Reservat gemäß § 25 BNatSchG einzuordnen. Nach dem vogelkundlichen Gutachten vom 7. September 2006 handele es sich um ein Brut‑, Rast- und Rückzugsgebiet für zahlreiche gefährdete Vogelarten wie Rohrweihe, Kiebitz, Steinkautz, Wespenbussard und Rotmilan. Das Vorhaben entfalte auch eine erhebliche Barrierewirkung für Zugvögel. Den Verfahrensvorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung komme drittschützende Wirkung zu. Die Kläger gehörten zu der geschützten betroffenen Öffentlichkeit, weil ihnen Nachteile von einigem Gewicht drohten. Sie betätigten sich im professionellen Reitsport und unterrichteten eine internationale Klientel an Reitschülern mit hohen Ansprüchen. Windkraftanlagen in den beabsichtigten Entfernungen von 150-200 m zu der Rennbahn der Kläger seien geeignet, die Reiter und Hochleistungspferde abzulenken und zu stören. Die Anlagen verstießen schließlich gegen das Gebot der Rücksichtnahme, weil sie optisch bedrängend wirkten. Vom Wohnhaus der Kläger aus liege nur noch in einer Himmelsrichtung keine Windenergieanlage im Blickfeld.
18Die Kläger haben beantragt,
19den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 5. Juli 2006 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 27. September 2006 und des Teilverzichts der Beigeladenen vom 26. Juni 2007 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 3. Februar 2009 aufzuheben, soweit die Windenergieanlagen 5 und 6 betroffen sind, welche dem Anwesen der Kläger am nächsten gelegen sind.
20Der Beklagte und die Beigeladene haben beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Der Beklagte hat geltend gemacht, eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei nicht erforderlich gewesen. Die im Jahr 2006 genehmigten Änderungen der bestandskräftig baugenehmigten Windkraftanlagen seien mit Bezug auf die Umweltauswirkungen geringfügig gewesen. Ungeachtet dessen ergebe sich auch unter Geltung des Umweltrechtsbehelfsgesetzes allein aus dem Unterbleiben einer erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung keine Klagebefugnis. Erforderlich sei eine materiell-rechtliche Rechtsverletzung des Nachbarn, an der es hier fehle.
23Das Verwaltungsgericht hat die Klage, soweit sie aufrecht erhalten worden ist, durch Urteil vom 19. März 2010 abgewiesen.
24Gegen das Urteil haben die Kläger die vom Senat zugelassene Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens hat der Beklagte eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls nachträglich durchgeführt und am 30. August 2013 vorgelegt. Diese untersucht u. a. im Rahmen einer Artenschutzprüfung eine mögliche Gefährdung von Vögeln und Fledermäusen und kommt zu dem Ergebnis, dass eine eingehendere Betrachtung erheblicher Umwelteinwirkungen im Wege einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erforderlich sei. Um die Einhaltung der artenschutzrechtlichen Anforderungen sicherzustellen, seien jedoch nachträglich Nebenbestimmungen in die Zulassung aufzunehmen.
25Mit Änderungsbescheid vom 13. November 2013 ist der Genehmigungsbescheid entsprechend dem Ergebnis der allgemeinen Vorprüfung gemäß § 12 BImSchG mit zusätzlichen Nebenbestimmungen versehen worden. Danach ist zum Schutz der örtlichen Population der Rohrweihe im Rahmen des Risikomanagements mindestens 2 Jahre vor Inbetriebnahme der WEA 5 und 6 (lfd. Nr. 4 und 5) südwestlich des Windparks T. in mindestens 1000 Meter Entfernung von der nächstgelegenen Windkraftanlage ein näher umschriebenes Ablenkungshabitat anzulegen (IV. 7. 1.). Nach Errichtung und Inbetriebnahme der WEA 5 und 6 ist im Bereich aller Windkraftanlagen der Beigeladenen in der Brut- und Zugzeit von Anfang März bis Ende Oktober ein fünfjähriges Monitoring (Bruterfolg, Schlagopfersuche, Annahme des Ablenkungshabitats) für die Rohrweihe durchzuführen. Sollte dieses ein erhöhtes Kollisionsrisiko ergeben, sind entsprechende Abschaltzeiten in der Brut- oder Zugzeit oder in bestimmten Stadien der Bewirtschaftung der umliegenden Felder festzulegen, wenn nicht der Schutz der Rohrweihe durch anderweitige Maßnahmen sichergestellt werden kann (IV. 7. 2.). Zum Schutz des Kiebitz’ ist vor Errichtung der WEA 5 und 6 für jedes der 6 festgestellten Brutpaare eine mindestens 1,5 ha große Extensivgrünlandfläche mit einer mindestens 0,3 ha großen Blänke anzulegen (IV. 7. 3.). Die Errichtung der WEA 5 und 6 sowie alle vorbereitenden Maßnahmen vor Ort sind nur außerhalb der Brutzeit vom 15. März bis 15. Juni erlaubt (IV. 7. 4.). Zum Schutz von Fledermäusen ist nach Errichtung und Inbetriebnahme der WEA 5 und 6 im Bereich aller Windkraftanlagen der Beigeladenen in der Zeit von Anfang April bis Ende Oktober ein dreijähriges akustisches Monitoring durchzuführen. In der Folge sind – sofern aufgrund der Ergebnisse erforderlich – geeignete Maßnahmen (Abschaltalgorithmen) zur Verminderung des Kollisionsrisikos zu treffen (IV. 7. 5.).
26Am 15. November 2013 sind die Nachholung und das Ergebnis der allgemeinen Vorprüfung im Amtsblatt für den Regierungsbezirk N. , in der örtlichen Presse und auf der Internetseite der Bezirksregierung N. bekannt gemacht worden.
27Zur Begründung der Berufung haben die Kläger zunächst auf ihr Zulassungsvorbringen und den Zulassungsbeschluss des Senats Bezug genommen. Sie könnten gemäß § 4 Abs. 1 UmwRG die Aufhebung der angefochtenen Genehmigung verlangen, weil der Beklagte - auch der Sache nach - keine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls, sondern lediglich eine standortbezogene Vorprüfung vorgenommen habe. Das Umweltrechtsbehelfsgesetz sei in zeitlicher Hinsicht anwendbar. Ein Artikel aus der Welt am Sonntag belege das Bedürfnis, gerade auch Anliegern als betroffener Öffentlichkeit einen eigenen Aufhebungsanspruch gegen Genehmigungen zuzubilligen.
28Ergänzend tragen die Kläger vor: Die UVP-Vorprüfung sei nicht wirksam nachgeholt worden. Der mit dem Verfahrenserfordernis verfolgte Zweck könne im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr erreicht werden, wenn das angefochtene Vorhaben vor Nachholung des Verfahrensschritts bereits ganz oder teilweise ausgeführt und es hierdurch zu Umweltauswirkungen der Art gekommen sei, dass es nun nichts mehr zu schützen gebe. Es müsse ermittelt werden und noch ermittelbar sein, ob das Projekt vor Erteilung der Genehmigung einer Umweltverträglichkeitsprüfung hätte unterzogen werden müssen. Nach Errichtung von Windkraftanlagen und Aufnahme ihres Betriebs könne jedoch nicht mehr festgestellt werden, ob dies bereits zu einem Wegzug windenergieempfindlicher, planungsrelevanter Vogelarten geführt habe. Zentrales Anliegen der UVP-Richtlinie sei die frühzeitige Teilhabe und Information der betroffenen Öffentlichkeit. Eine unbegrenzte Nachholungsmöglichkeit öffne einer Umgehung Tür und Tor.
29Jedenfalls entspreche auch die nachgeholte UVP-Vorprüfung nicht den Vorgaben des § 3c UVPG. Sie stelle fehlerhaft nicht auf den Zustand vor Errichtung aller sieben genehmigten Windkraftanlagen ab, sondern auf den jetzigen Zustand. Die deutliche Prägung des Gebiets von Anlagen zur Windenergienutzung, von der die Vorprüfung ausgehe, sei erst durch die aufgrund des streitgegenständlichen Genehmigungsbescheids errichteten Anlagen entstanden. Die Aufnahme des betroffenen Gebiets in das Kreiskulturlandschaftsprogramm des Kreises X. sei nicht berücksichtigt worden. Gleiches gelte für das vogelkundliche Gutachten des Sachverständigen H. , das über das Arteninventar zum - maßgeblichen - Zeitpunkt vor Ausführung des Vorhabens Aufschluss gebe. Es habe 26 Brutpaare Kiebitze nachgewiesen, damit habe sich der gesamte Bestand inzwischen um ¾ reduziert. Der Bestand an Rohrweihen sei vermutlich bereits zum Zeitpunkt der damaligen Begutachtung durch Tötungen infolge Kollisionen dezimiert gewesen. Die Bezirksregierung habe selbst einen so gravierenden Eingriff in die Avifauna festgestellt, dass zu dessen Vermeidung die Genehmigung nachträglich mit umfangreichen Auflagen zum Vogelschutz habe versehen werden müssen. Unter derartigen Umständen seien die Auswirkungen eines Vorhabens nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch als erheblich einzustufen, soweit nicht bereits im Antrag des Vorhabenträgers Vermeidungs- oder Verminderungsmaßnahmen enthalten seien, die nachteilige Umweltauswirkungen offensichtlich ausschlössen.
30Die Kläger beantragen,
31unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts N. den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid der Bezirksregierung N. vom 5. Juli 2006 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 27. September 2006 und vom 13. November 2013, des Teilverzichts der Beigeladenen vom 26. Juni 2007 sowie des Widerspruchsbescheids vom 3. Februar 2009 aufzuheben, soweit er die Windenergieanlagen WEA 5 und 6 betrifft.
32Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
33die Berufung zurückzuweisen.
34Der Beklagte macht geltend, die streitbefangenen Windkraftanlagen befänden sich in ausgewiesenen Windkraftkonzentrationszonen, bei deren Festsetzung bereits naturschutzfachliche Belange berücksichtigt worden seien. Im Rahmen der vorausgegangenen Baugenehmigungsverfahren seien standortbezogene Prüfungen des Einzelfalls durchgeführt worden. Dabei seien deutlich mehr als nur standortbezogene Kriterien untersucht worden.
35Jedenfalls sei die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls wirksam nachgeholt worden. Das Umweltrechtsbehelfsgesetz sehe die Nachholbarkeit ausdrücklich vor. Von einer bewussten Umgehung der verfahrensrechtlichen Anforderungen könne nicht die Rede sein. Die beiden streitbefangenen Anlagen seien noch nicht errichtet. Wirkungen von bestandskräftig genehmigten Anlagen könnten an der grundsätzlichen Möglichkeit von Nachbetrachtungen der Auswirkungen noch nicht umgesetzter Anlagenzulassungen nichts ändern. Die Nachholung sei auch rechtzeitig erfolgt. § 4 Abs. 1 Satz 3 UmwRG verweise auf § 45 Abs. 2 VwVfG des Bundes, der die Heilung von Verfahrensfehlern bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zulasse.
36Eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei zutreffend für entbehrlich gehalten worden. Die streitbefangenen Windkraftanlagen lägen keineswegs in einem Biosphärenreservat gemäß § 25 BNatSchG. Der fragliche Bereich in T. unterliege keiner Schutzgebietskategorie. Bei dem Kreiskulturlandschaftsprogramm XY handele sich um ein reines Förderprogramm, ein Instrument des Vertragsnaturschutzes auf freiwilliger Basis, das auf die Genehmigungsfähigkeit von Windkraftanlagen keinen Einfluss habe.
37Der Nachbetrachtung sei zutreffend die aktuelle Erkenntnislage zugrunde gelegt worden. Da die beiden Anlagen noch nicht errichtet seien, würde eine Nachbetrachtung ohne Berücksichtigung der aktuell verfügbaren Erkenntnisse über den Zustand des Standortes die Prüfung unzulässig verkürzen. Etwaige artenschutzrechtliche Defizite, die einer Genehmigungserteilung im Juli 2006 entgegengestanden hätten, nunmehr aber weggefallen seien, könnten eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Genehmigung betreffend die WEA 5 und 6 nicht begründen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Entscheidung über die Anfechtungsklage sei hier wie sonst der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Damit sei auch die Kritik an der Nichtberücksichtigung des Gutachtens des Sachverständigen H. aus dem Jahr 2006 unberechtigt. Mit dem d. -Gutachten, das eine ausführliche Art-für-Art Betrachtung nach heutigen Standards enthalte, hätten der Bezirksregierung zeitnähere Daten (betreffend Avifauna, Fledermäuse) zur Verfügung gestanden.
38Ungeachtet dessen treffe die Behauptung nicht zu, dass es aufgrund der Errichtung der weiteren Anlagen nun nichts mehr zu schützen gebe. Vielmehr habe die Anzahl der vorhandenen Vogelarten offenbar zugenommen. Nach den Ergebnissen der vorliegenden avifaunistischen Gutachten sei auszuschließen, dass die Realisierung von Windenergieanlagen zwischen dem Datum der angefochtenen Zulassung (5. Juli 2006) und dem 30. August 2013 als Datum der Nachbetrachtung Wirkungen gezeitigt habe, die zu einem stark veränderten bzw. ausgedünnten Zustand der vorhandenen Fauna geführt hätte. Der starke Rückgang der Kiebitzpopulationen belege nichts Gegenteiliges. Der Rückgang des Brutvogelbestandes beim Kiebitz sei nicht Folge seiner Windenergieempfindlichkeit, sondern gehe auf eine immer intensiver durchgeführte Landbewirtschaftung zurück. Die geänderte Genehmigung sehe nach den naturschutzrechtlichen Vorgaben ausreichende Vorkehrungen gegen eine Beeinträchtigung der Kiebitzpopulationen durch die Errichtung und den Betrieb der beiden streitgegenständlichen Windenergieanlagen vor.
39Im Übrigen sei zweifelhaft, ob ein bloßes Individualinteresse an der Aufhebung einer Genehmigung ausreichen könne, um jedweden Mangel im Rahmen einer Prüfung auf Umweltverträglichkeit geltend zu machen. Auf Mängel der Artenschutzbetrachtung könnten sich die Kläger (auch) in diesem Zusammenhang keinesfalls umfassend berufen; allenfalls wesentliche Fehler könnten rügefähig sein.
40Die Beigeladene ist der Auffassung, das Umweltrechtsbehelfsgesetz sei bereits in zeitlicher Hinsicht nicht anwendbar. Unabhängig davon könnten die Kläger aus § 4 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 UmwRG keinen selbstständigen Aufhebungsanspruch herleiten. Dabei handele es sich um eine reine Fehlerfolgenregelung, mit der eine Subjektivierung von UVP-Fehlern nicht einhergehe. Die standortbezogene Vorprüfung durch den Kreis X. sei ausreichend. Es handele sich im Vergleich zum Baugenehmigungsverfahren nur um einen Änderungsantrag und damit weiterhin um dasselbe Verfahren.
41Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Bezirksregierung N. und des Kreises X. Bezug genommen.
42E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
43Die Berufung der Kläger hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Den Klägern steht ein Anspruch auf Aufhebung des angefochtenen Genehmigungsbescheids zu.
44I. Die Klage ist zulässig, insbesondere sind die Kläger klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO). Sie können geltend machen, durch den der Beigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid der Bezirksregierung N. vom 5. Juli 2006 in der Fassung ihrer Änderungsbescheide vom 27. September 2006 und vom 13. November 2013, des Teilverzichts der Beigeladenen vom 26. Juni 2007 sowie des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung N. vom 3. Februar 2009 (im Folgenden: Genehmigungsbescheid vom 5. Juli 2006), soweit er die Windkraftanlagen (WEA) 5 und 6 betrifft, in ihren Rechten verletzt zu sein.
451. Die Kläger können geltend machen, die durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit genüge nicht dem Maßstab von § 3a Satz 4 UVPG, weil sie nicht den Vorgaben von § 3c UVPG entsprochen habe und das Ergebnis nicht nachvollziehbar sei. Dieses Rügerecht ergibt sich aus § 4 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 und 2 UmwRG, der im Lichte des - individualschützende Verfahrensrechte verleihenden - Unionsrechts auszulegen ist.
46Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz - einschließlich der Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG - findet auf den angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid Anwendung (a). Die Kläger können sich in Anwendung der genannten Vorschriften auf eine fehlerhafte Durchführung der Vorprüfung des Einzelfalls auch unabhängig von einer möglichen Verletzung materieller subjektiver Rechte berufen (b).
47a) Der sachliche Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes ist eröffnet, weil infolge der von §§ 3e Abs. 1 Nr. 2, 3 c Satz 1 UVPG angeordneten allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls für den angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a UmwRG bestehen kann (siehe näher unten zu II. 1.).
48Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz ist auch in zeitlicher Hinsicht anwendbar. Es gilt nach § 5 Abs. 1 UmwRG für Verfahren nach § 1 Abs. 1 Satz 1, die nach dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden sind oder hätten eingeleitet werden müssen. Unerheblich ist, dass diese Vorschrift gegen die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten verstößt, soweit sie Verfahren von der Anwendbarkeit des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes ausschließt, die vor dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden sind, in denen aber erst nach diesem Zeitpunkt eine Genehmigung erteilt wurde.
49Vgl. EuGH, Urteil Altrip vom 7. November 2013, C-72/12, EU:C:2013:712, NVwZ 2014, 49, juris Rn. 21-31; vgl. auch das von der Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland am 21. März 2014 eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren, C-137/14, ABl. C 159/16, juris.
50Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 UmwRG sind bereits unabhängig von dieser unionsrechtlich gebotenen Erweiterung erfüllt. Der Antrag auf Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ist unter dem 21. Dezember 2005 - und damit nach dem Stichtag - gestellt worden. Entgegen der Ansicht des Beigeladenen handelt es sich bei diesem Genehmigungsverfahren um ein gegenüber den vorangegangenen Baugenehmigungsverfahren eigenständiges Verfahren, weil ersteres andere Anlagen und damit ein anderes Vorhaben zum Gegenstand hat.
51Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. Juli 2007 ‑ 8 B 259/07 -, Abdruck S. 6.
52§ 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG, wonach die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens auch verlangt werden kann, wenn eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht dem Maßstab von § 3a Satz 4 UVPG genügt, ist hier anwendbar, obwohl die Regelung erst durch das Gesetz zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 mit Wirkung vom 29. Januar 2013 - und damit nach Erhebung der Klage - in das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz eingefügt worden ist (BGBl. I, S. 95). Denn die geänderten Vorschriften des Gesetzes gelten nach § 5 Abs. 4 Satz 1 UmwRG auch für Rechtsbehelfe nach § 2, die am 12. Mai 2011 anhängig waren oder nach diesem Tag eingeleitet worden sind und die am 29. Januar 2013 noch nicht rechtskräftig abgeschlossen worden sind. Zwar handelt es sich hier nicht um den Rechtsbehelf einer anerkannten Vereinigung nach § 2 Abs. 1 UmwRG; der Gesetzgeber knüpft in § 5 Abs. 4 Satz 1 UmwRG aber an allgemeine Grundsätze des intertemporalen Prozessrechts an, die gleichfalls eine Anwendung von § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG fordern. Zudem wird durch die neu geschaffene Vorschrift, die gemäß § 4 Abs. 3 UmwRG auch für Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 VwGO und damit für die Kläger entsprechend gilt, lediglich die schon bisher geltende Rechtslage klargestellt.
53Vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 2013 ‑ 4 A 1.13 -, BVerwGE 148, 353, juris Rn. 33 f. und 40; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30. Oktober 2014 - 10 S 3450/11 -, juris Rn. 58; BT‑Drs. 17/10957, S. 17 f.
54b) Die Kläger können sich auf eine fehlerhafte Durchführung der Vorprüfung des Einzelfalls auch unabhängig von einer Betroffenheit in eigenen materiellen Rechten berufen. § 4 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 und 2 UmwRG räumt ihnen ein selbstständig durchsetzbares, absolutes Verfahrensrecht ein. Der Senat folgt nicht der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die genannten Regelungen ausschließlich die Begründetheit des Rechtsbehelfs betreffen, der Kreis der nach bisherigem nationalen Recht Klagebefugten aber nicht erweitert wird.
55So BVerwG, Urteile vom 20. Dezember 2011 ‑ 9 A 30.10 -, DVBl. 2012, 501, juris Rn. 20; vom 2. Oktober 2013 - 9 A 23.12 -, NVwZ 2014, 367, juris Rn. 21 ff.; und vom 17. Dezember 2013 ‑ 4 A 1.13 -, ZNER 2014, 205, juris Rn. 41; Beschluss vom 27. Juni 2013 - 4 B 37.12 -, BauR 2013, 2014, juris Rn. 9 ff.; ebenso OVG NRW, Urteil vom 14. Oktober 2013 ‑ 20 D 7/09.AK -, DVBl. 2014, 185, juris Rn. 33; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 11. April 2014 - 5 S 534/13 -, NVwZ-RR 2014, 634, juris Rn. 41 ff., und vom 30. Oktober 2014 - 10 S 3450/11 -, juris Rn. 40; anders bereits OVG NRW, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 8 B 356/14 -, NWVBl. 2014, 472, juris Rn. 19 ff.; ähnlich VG Aachen, Beschluss vom 28. November 2014 - 3 L 224/13 -, juris Rn. 10 ff.
56Die UVP-Richtlinie und Art. 9 Abs. 2 der Aarhus-Konvention gebieten eine Auslegung des nationalen Rechts, die die durch die Richtlinie verliehenen Verfahrensrechte als individualschützend anerkennt und ihre prozessuale Durchsetzbarkeit gewährleistet. Im Lichte dieser Regelungen sind der betroffenen Öffentlichkeit nach § 2 Abs. 6 UVPG hinsichtlich der Verletzung von Verfahrenserfordernissen der Umweltverträglichkeitsprüfung einschließlich der in § 4 Abs. 1 UmwRG bezeichneten Verfahrensregelungen Rügerechte zuzuerkennen.
57Vgl. zum unionsrechtlichen Umfang des Rügerechts: EuGH, Urteil Altrip vom 7. November 2013, C-72/12, EU:C:2013:712, NVwZ 2014, 49, juris Rn. 36, 38 und 47.
58Gefordert ist ein weiter und effektiver Zugang zu einer gerichtlichen Überprüfung von Zulassungsentscheidungen UVP-pflichtiger Vorhaben. Dieser wird allein durch die Erweiterung des Prüfprogramms des § 113 VwGO auf das Vorliegen ‑ objektiv-rechtlich verstandener - UVP-Verfahrensfehler, von der die Gegenmeinung ausgeht, nicht hinreichend gewährleistet. Dies wird insbesondere dann deutlich, wenn Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die nicht nach § 2 Abs. 1 UmwRG klageberechtigt sind, ohne eine mögliche Verletzung (auch) in eigenen materiellen Rechten Fehler der Umweltverträglichkeitsprüfung geltend machen. In diesen Fällen würde eine Aufhebung der Zulassungsentscheidung nach § 4 Abs. 1 und Abs. 3 UmwRG oder § 46 VwVfG regelmäßig unabhängig davon ausscheiden, ob der Verfahrensfehler tatsächlich vorliegt. Die allein in Betracht kommenden Rechtsbehelfe nach der Verwaltungsgerichtsordnung würden bereits auf der Zulässigkeitsebene mangels Klagebefugnis scheitern.
59Vgl. zu § 46 VwVfG Sachs, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 46 Rn. 28; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Auflage 2013, § 46 Rn. 8, 18.
60Ein weiter und effektiver Zugang zu Gerichten setzt indes voraus, dass die Verfahrensfehler der Umweltverträglichkeitsprüfung auch selbstständig gerügt werden können. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Gerichtshof) folgt aus der UVP-Richtline ein eigenständiges Recht „des betroffenen Einzelnen“ auf Bewertung der Umweltauswirkungen des fraglichen Projekts durch die zuständigen Stellen und auf Anhörung dazu.
61Vgl. EuGH, Urteil Leth vom 14. März 2013, C‑420/11, EU:C:2013:166, NVwZ 2013, 565, juris Rn. 32; ferner EuGH, Urteil Wells vom 7. Januar 2004, C-201/02, EU:C:2004:12, NVwZ 2004, 593, juris Rn. 56 ff.
62Da die Richtlinie u. a. zur Festlegung von Verfahrensgarantien dient, die insbesondere eine bessere Information und eine Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung öffentlicher und privater Projekte mit unter Umständen erheblichen Umweltauswirkungen ermöglichen sollen, kommt der Überprüfung der Einhaltung der Verfahrensregeln in diesem Bereich besondere Bedeutung zu. Die betroffene Öffentlichkeit muss daher, im Einklang mit dem Ziel, ihr einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren, zur Stützung eines Rechtsbehelfs, mit dem die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen im Sinne der Richtlinie angefochten wird, grundsätzlich jeden Verfahrensfehler geltend machen können.
63Vgl. EuGH, Urteil Altrip vom 7. November 2013, C‑72/12, EU:C:2013:712, NVwZ 2014, 49, juris Rn. 48.
64Es ist dabei zwar grundsätzlich Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung, die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die den Schutz der „dem Einzelnen“ aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Die Mitgliedstaaten sind allerdings für den wirksamen Schutz dieser Rechte in jedem Einzelfall verantwortlich.
65Vgl. EuGH, Urteil Slowakischer Braunbär vom 8. März 2011, C-240/09, EU:C:2011:125, NVwZ 2011, 673, juris Rn. 47.
66Diesen Anforderungen ist nur dann hinreichend Rechnung getragen, wenn Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit als „betroffenen Einzelnen“ im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs bei wesentlichen Fehlern der Umweltverträglichkeitsprüfung sowohl ein (absoluter oder relativer) Aufhebungsanspruch auf der Ebene der Begründetheit als auch - systematisch vorrangig - auf der Ebene der Zulässigkeit eine entsprechende Klagebefugnis zusteht.
67vgl. Held, NVwZ 2012, 461, 463; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 45 Rn. 118, 125 und § 46 Rn. 29; ferner Seibert, NVwZ, 2013, 1040, 1045, Steinbeiß-Winkelmann, NJW 2010, 1233, 1235; zum Gebot unionsfreundlicher Auslegung nationaler Normen auch: EuGH, Urteil Slowakischer Braunbär vom 8. März 2011, C-240/09, EU:C:2011:125, NVwZ 2011, 673, juris Rn. 50; Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 42 Rn. 400.
68Die Verfahrensvorschriften der UVP-Richtlinie sind damit bei unionsrechtskonformer Auslegung Schutznormen im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO. Derartige individualschützende Verfahrensrechte sind zwar im deutschen Verwaltungsrecht die Ausnahme, sie sind diesem aber nicht gänzlich fremd. Ihre Anerkennung im vorliegenden Zusammenhang bewirkt daher nur eine Erweiterung, die sich ohne größeren Bruch in das System des subjektiven Rechtsschutzes einfügen lässt.
69Vgl. etwa Ziekow, NuR 2014, 229, 234; Greim, Rechtsschutz bei Verfahrensfehlern im Umweltrecht, 2013, S. 33 ff., 157 ff.; Gärditz, VwGO, 2013, § 42 Rn. 68 - 70.
70Die von der Gegenauffassung vorgenommene Entkoppelung von Zulässigkeits- und Begründetheitsprüfung im Rahmen der Drittanfechtungsklage stellt demgegenüber einen deutlicheren Eingriff in das deutsche Rechtsschutzsystem dar.
71So auch Greim, Rechtsschutz bei Verfahrensfehlern im Umweltrecht, 2013, S. 143; Seibert, NVwZ 2013, 1040, 1045; S. a. Appel, NVwZ 2010, 473, 476.
72Dass die unionsrechtliche Forderung nach einem weiten Zugang der „betroffenen Einzelnen“ zu den Gerichten grundsätzlich die Zuerkennung eines diesen Zugang ermöglichenden Rügerechts verlangt, wird - ungeachtet ihrer Reichweite im Übrigen - auch in der neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Klagerechten von Umweltverbänden außerhalb des Anwendungsbereichs der Verbandsklage anerkannt.
73Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 ‑ 7 C 21/12 -, NVwZ 2013, 64, juris Rn. 48; hierzu Bunge, ZUR 2014, 3 ff. sowie NuR 2014, 305.
74An diesen unionsrechtlichen Befund hat der Gesetzgeber bei der Kodifizierung des § 4 UmwRG angeknüpft.
75Vgl. Begründung zum Entwurf über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35 EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz) vom 4. September 2006, BT-Drs. 16/2495, insbesondere Seiten 7 f., 11 f. und 13 f.
76Die Begründung nimmt ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs Bezug, wonach der Einzelne sich auf Bestimmungen der UVP-Richtlinie berufen können müsse.
77Vgl. Urteil Wells vom 7. Januar 2004, C-201/02, EU:C:2004:12, NVwZ 2004, 593 ff., juris; vgl. auch Urteile Leth vom 14. März 2013, C-420/11, EU:C:2013:166, NVwZ 2013, 565, juris Rn. 32 und Altrip vom 7. November 2013, C-72/12, EU:C.2013:712, NVwZ 2014, 49, juris Rn. 48, hierzu auch: Siegel, NJW 2014, 973, sowie Greim, NuR 2014, 81 ff.; Bunge, NuR 2014, 305; auch Urteil Edwards und Pallikarapoulos vom 11. April 2013, C‑260/11, EU:C:2013:221, NVwZ 2013, 855, juris Rn. 32.
78Es heißt dort, Art. 10 a der geänderten UVP-Richtlinie fordere, dass die Überprüfung der verfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeit einer Zulassungsentscheidung für ein UVP-pflichtiges Vorhabenbeantragt werden könne. Diesen Anforderungen stehe jedoch derzeit die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entgegen, wonach das Recht der Umweltverträglichkeitsprüfung aufgrund seiner Einstufung als Verfahrensrecht keine selbstständig durchsetzbaren Rechtspositionen vermittelte. Nach bisheriger Rechtslage könnten die Verfahrensregelungen der Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen Drittschutz nur begründen, wenn die konkrete Möglichkeit bestehe, dass die angegriffene Entscheidung ohne den Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre. Die Regelung des § 4 Abs. 1 UmwRG erfolge (auch) vor diesem Hintergrund (Hervorhebungen durch den Senat). Diese Ausführungen haben einen sinnvollen Kontext nur im Zusammenhang mit einer selbstständig durchsetzbaren, subjektiven Rechtsposition, die eine Klagebefugnis vermitteln kann.
79Für die ab dem 29. Januar 2013 geltende, hier bereits anwendbare (s.o.) Fassung des § 4 Abs. 1 UmwRG wird mit dem Hinweis auf das „subjektiv-öffentliche Rügerecht“ nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UmwRG unmissverständlich klargestellt, dass jedenfalls die in § 4 Abs. 1 UmwRG aufgeführten UVP-Verfahrenserfordernisse rügefähig sein sollen.
80Vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 17/10957, S. 17; dazu auch Sauer, ZUR 2014, 195, 200; a. A. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11. April 2014 - 5 S 534/13 -, NVwZ-RR 2014, 634, juris Rn. 45.
81Die Befürchtung, dass es bei einer derartigen Subjektivierung von Verfahrensrechten zu versteckten Popularklagen kommen könne,
82vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 ‑ 9 A 30.10 -, NVwZ 2012, 573, juris Rn. 20 ff.,
83ist unbegründet. § 4 Abs. 3 UmwRG regelt zwar nicht, welche der von der von der Vorschrift begünstigten „Beteiligten“ nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO klagebefugt sein sollen. Da die Vorschrift der Umsetzung von Unionsrecht dient, muss sie allerdings in dessen Lichte ausgelegt werden. Nach der UVP-Richtlinie ist nicht jedermann an der Umweltverträglichkeitsprüfung zu beteiligen, sondern die „betroffene Öffentlichkeit“. Diese wurde durch Art. 3 Nr. 1 der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 (ABl. L 156, S. 17) erstmals definiert als „die von umweltbezogenen Entscheidungsverfahren (…) betroffene oder wahrscheinlich betroffene Öffentlichkeit oder die Öffentlichkeit mit einem Interesse daran (…)“. In Umsetzung dieser Vorgaben bestimmt § 2 Abs. 6 Satz 2 UVPG, dass natürliche und juristische Personen „betroffene Öffentlichkeit“ sind, wenn sie durch die - ein UVP-pflichtiges Vorhaben betreffende - Zulassungsentscheidung in ihren Belangen „berührt“ werden. Betroffenheit in diesem Sinne wird grundsätzlich durch einen räumlichen Bezug zum Wirkungsbereich der Immissionen bestimmt sein. Bei Berücksichtigung dieser faktischen Komponente setzt die Zulässigkeit der Klage zumindest voraus, dass der Kläger durch die Entscheidung tatsächlich in seinen Interessen beeinträchtigt wird.
84Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 ‑ 7 C 21/12 -, NVwZ 201, 64, juris Rn. 45; Generalanwältin Kokott, Schlussanträge Grubervom 13. November 2014 - C-570/13 -, EU:C:2014:2374, juris Rn. 35 ff. („Nachbarn“); Seibert, NVwZ 2013, 1040, 1045, m. w. N.; enger Greim, Rechtsschutz bei Verfahrensfehlern im Umweltrecht, 2013, S. 217 ff.
85Einer näheren Konkretisierung und Eingrenzung bedarf es anlässlich des vorliegenden Falles nicht. Die Kläger gehören in jedem Fall zur klagebefugten „betroffenen Öffentlichkeit“ im Sinne von § 2 Abs. 6 Satz 2 UVPG. Die angefochtene Genehmigung zweier Windkraftanlagen, in deren Einwirkungsbereich ihr Grundstück mit der darauf stattfindenden Wohnnutzung und beruflichen Betätigung liegt, berührt zweifellos ihre Belange (vgl. näher unter 2., wonach sogar das engere Kriterium einer Betroffenheit in materiellen subjektiven Rechten erfüllt ist).
862. Unabhängig von dem Vorstehenden können die Kläger geltend machen, durch die angefochtene Genehmigung in eigenen materiellen Rechten verletzt zu sein. Anknüpfungspunkt für eine derartige Rechtsverletzung ist § 5 Abs. 1 Satz 1 BImSchG, wonach genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben sind, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Diese Bestimmung ist für die Nachbarn drittschützend.
87Als Nachbarn einer immissionsschutzrechtlich genehmigten Anlage sind alle Personen, die sich auf Dauer im Einwirkungsbereich der Anlage aufhalten, oder Eigentümer von Grundstücken im Einwirkungsbereich der Anlage anzusehen. Das von den Klägern bewohnte Grundstück B. liegt im Einwirkungsbereich der beiden streitbefangenen, 120,50 m hohen Windkraftanlagen. Jedenfalls für die WEA 5 ist angesichts der Abstands von etwas weniger als der dreifachen Anlagenhöhe zum Wohnhaus der Kläger eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme nicht von vornherein ausgeschlossen. Auch die WEA 6 befindet sich mit einem Abstand von 624 m zum Wohnhaus der Kläger bzw. 472 m zur Grundstücksgrenze - auch angesichts des kumulierenden Effekts mit den weiteren in der Nähe befindlichen Windkraftanlagen - noch nicht in einer derartigen Entfernung, dass von einer Prüfung der Einhaltung der maßgeblichen Lärmgrenzwerte und Zumutbarkeit der optischen Wirkung auf das Grundstück der Kläger von vornherein abgesehen werden könnte. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sie dieses nicht nur selbst bewohnen, sondern darüber hinaus auf den den WEA 5 und 6 zugewandten Flächen Pferdehaltung und -zucht sowie professionellen Reitunterricht betreiben.
88II. Die Anfechtungsklage gegen den Genehmigungsbescheid vom 5. Juli 2006, soweit er die Windkraftanlagen WEA 5 und 6 betrifft, ist auch begründet.
89Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei einer auf Aufhebung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gerichteten Anfechtungsklage der Zeitpunkt der Genehmigungserteilung.
90Vgl. zur baurechtlichen Nachbarklage OVG NRW, Urteil vom 28. November 2007 - 8 A 2325/06 -, NWVBl. 2008, 228, juris Rn. 47 ff.; a. A. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 7. August 2014 - 10 S 1853/13 -, NVwZ-RR 2015, 18, juris Rn. 6; Urteil vom 14. Mai 2012 - 10 S 2693/09 -, VBlBW 2012, 431, juris Rn. 60 ff.
91Spätere Änderungen zu Lasten des Betreibers haben außer Betracht zu bleiben. Nachträgliche Änderungen zu seinen Gunsten sind dagegen zu berücksichtigen.
92Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. April 1998 - 4 B 40.98 -, NVwZ 1998, 1179, juris Rn. 3.
93Diese Grundsätze schließen es nicht aus, im Rahmen einer solchen Drittanfechtungsklage nachträglich gewonnene Erkenntnisse zu berücksichtigen. Denn hierbei handelt es sich nicht um nachträgliche Veränderungen der Sachlage, die zu Lasten des Bauherrn grundsätzlich nicht berücksichtigt werden dürfen, sondern lediglich um spätere Erkenntnisse hinsichtlich der ursprünglichen Sachlage.
94Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Juni 2010 ‑ 8 A 340/09 -, ZNER 2010, 514, juris Rn. 18.
95Der Genehmigungsbescheid vom 5. Juli 2006 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er leidet an einem Verfahrensfehler, der zur Aufhebung der Genehmigung führt, soweit diese noch angefochten ist.
96Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG unter anderem verlangt werden, wenn eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt und nicht nachgeholt worden ist. Dies gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG auch dann, wenn eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht dem Maßstab von § 3a Satz 4 UVPG genügt. Die Voraussetzungen dieser Regelung, die nach § 4 Abs. 3 UmwRG auch für Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 VwGO - und damit für die Kläger - gilt, liegen hier vor.
97Das Vorhaben unterliegt gemäß § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG, § 1 Abs. 3 der 9. BImSchV dem Erfordernis einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls im Sinne von § 3c Satz 1 und 3 UVPG (dazu 1.). Die vor Erteilung der Genehmigung durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit genügt nicht dem Maßstab von § 3a Satz 4 UVPG (dazu 2.). Der Verfahrensfehler ist nicht durch die im Berufungsverfahren nachgeholte allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls geheilt worden (dazu 3.). Er begründet für die Kläger einen Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Genehmigung betreffend die WEA 5 und 6 und verletzt sie auch in ihren Rechten (4.).
981. Das Vorhaben - die Änderung bzw. Erweiterung einer bestehenden Windfarm durch Errichtung und Betrieb von sieben Windenergieanlagen des Anlagentyps Enercon E-70 E4, Rotordurchmesser 71 m, Nennleistung 2.000 kW - unterliegt gemäß § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG dem Erfordernis einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls im Sinne von § 3c Satz 1 und 3 UVPG. Nach § 3e Abs. 1 UVPG besteht die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung auch für die Änderung oder Erweiterung eines Vorhabens, für das als solches bereits eine UVP-Pflicht besteht, wenn 1. in der Anlage 1 für Vorhaben der Spalte 1 angegebene Größen- oder Leistungswerte durch die Änderung oder Erweiterung selbst erreicht oder überschritten werden oder 2. eine Vorprüfung des Einzelfalls im Sinne des § 3c Satz 1 und 3 ergibt, dass die Änderung oder Erweiterung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann; in die Vorprüfung sind auch frühere Änderungen oder Erweiterungen des UVP-pflichtigen Vorhabens einzubeziehen, für die nach der jeweils geltenden Fassung dieses Gesetzes keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist. Die Vorprüfungspflicht folgt auch aus § 1 Abs. 3 1. Halbsatz 2. Alt. der 9. BImSchV, der im Lichte des § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG auszulegen ist.
99Vgl. Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, Stand: August 2014, § 3e UVPG, Rn. 3, der weitergehend von einer Spezialität des § 1 Abs. 3 der 9. BImSchV ausgeht, dagegen VG Osnabrück, Beschluss vom 21. Dezember 2011 ‑ 2 B 16.11 -, NuR 2012, 362, juris Rn. 57; siehe auch BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2013 - 7 C 36.11 -, BVerwGE 148, 155, juris Rn. 30, 31; OVG NRW, Urteil vom 3. Dezember 2008 - 8 C 22.07.AK -, juris Rn. 66.
100Vorliegend handelt es sich um die Änderung eines bestehenden UVP-pflichtigen Vorhabens, für die nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG die Verpflichtung zur Durchführung einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls besteht. Die sieben mit Bescheid vom 24. Oktober 2005 genehmigten Windenergieanlagen der HelveticWind T. GmbH (bzw. zum Genehmigungszeitpunkt: Q. GmbH) im östlichen Bereich der Windvorrangzone und die sieben genehmigten, aber nicht errichteten Vorgängeranlagen an den Standorten, auf die sich die angefochtene Änderungsgenehmigung bezieht, sowie die im Mai 1999 baugenehmigte WEA lfd. Nr. 1 (L. ) und die Ende Januar 2003 baugenehmigte WEA lfd. Nr. 3 bildeten zusammen eine Windfarm (a), die als bestehendes UVP-pflichtiges Vorhaben im Sinne des § 3e UVPG anzusehen ist (b). Gegenstand des angefochtenen Genehmigungsbescheids ist eine Änderung dieser Windfarm (c), die dem Erfordernis der allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls unterliegt (d).
101a) Die 16 genannten Windkraftanlagen bilden als sogenannte Windfarm das Ausgangsvorhaben im Sinne des § 3e UVPG.
102Eine Windfarm im Sinne der Nr. 1.6 der Anlage 1 zum UVPG ist dadurch gekennzeichnet, dass sie aus mindestens drei Windenergieanlagen besteht, die ‑ unabhängig von der Zahl der Betreiber - einander räumlich so zugeordnet sind, dass sich ihre Einwirkungsbereiche überschneiden oder wenigstens berühren. Entscheidend für das Vorhandensein einer Windfarm ist der räumliche Zusammenhang der einzelnen Anlagen. Sind die Anlagen so weit voneinander entfernt, dass sich die maßgeblichen Auswirkungen nicht summieren, so behält jede für sich den Charakter einer Einzelanlage. Verbindliche gesetzliche Bewertungsvorgaben etwa in der Form standardisierter Maßstäbe oder Rechenverfahren hinsichtlich der räumlichen Zuordnung von Windenergieanlagen, die eine Windfarm bilden, gibt es nicht. Welche Bewertungskriterien heranzuziehen sind, hängt vielmehr von den tatsächlichen Gegebenheiten im Einzelfall ab, deren Feststellung und Würdigung dem Tatrichter obliegt. Aufgrund besonderer tatsächlicher Umstände kann daher eine von typisierenden Bewertungsvorgaben - wie etwa dem Abstellen auf eine Entfernung von weniger als dem 10-fachen des Rotordurchmessers, auf die Anlagenhöhe oder auf den geometrischen Schwerpunkt der von den Anlagen umrissenen Fläche - losgelöste Einzelfallbeurteilung anhand der konkreten Auswirkungen auf die Schutzgüter des UVP- und Immissionsschutzrechts angebracht sein.
103Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2004 - 4 C 9.03 -, BVerwGE 121, 182, juris Rn. 33, sowie Beschluss vom 8. Mai 2007 - 4 B 11.07 -, BRS 71 Nr. 101 (2007), juris Rn. 7; OVG NRW, Urteil vom 13. März 2006 - 7 A 3415/04 -, juris Rn. 41 ff., Beschluss vom 23. Juli 2014 - 8 B 356/14 -, juris Rn. 12; Bay.VGH, Urteil vom 12. Januar 2007 - 1 B 05.3387 u. a. -, NVwZ 2007, 1213, juris Rn. 23.
104Ein solcher Zusammenhang ist zwischen den Windkraftanlagen WEA 1, 2 und 3 und WEA 4, 5, 6 und 7 jeweils untereinander schon aufgrund der geringen Abstände der Anlagen innerhalb der beiden Gruppen gegeben. Der Abstand zu den jeweils benachbarten Anlagen beträgt insoweit in allen Fällen weniger als 350 m. Der für die Annahme einer Windfarm erforderliche räumliche Zusammenhang liegt aber auch zwischen den beiden Gruppierungen und darüber hinaus mit den weiteren in der genehmigten Windkraftanlagen der I. T. GmbH (WEA lfd. Nr. 12-18) und des Betreibers L. (WEA lfd. Nr. 1) vor. Zwar ist der kürzeste Abstand zwischen der westlichen und der - zahlenmäßig größeren - östlichen Anlagengruppe mit etwa einem Kilometer (WEA 6 zur WEA 3) größer als das 10-fache des Rotordurchmessers von hier 710 m.
105Dieser Abstand ist jedoch nicht von vornherein so groß, dass nicht besondere tatsächliche Umstände unter Einbeziehung der konkreten Umweltauswirkungen der Anlagen auf der Grundlage einer von diesem typisierenden Merkmal losgelösten Einzelfallbeurteilung die Einschätzung rechtfertigen könnten, es handele sich ungeachtet dieses Abstands um eine Windfarm. Solche besonderen Umstände liegen hier vor.
106Alle genannten Windkraftanlagen befinden sich innerhalb derselben bauplanungsrechtlich ausgewiesenen Windkraftkonzentrationszone. Der geometrische Schwerpunkt liegt in etwa in der Mitte der einzelnen Anlagengruppen. Die Genehmigungsverfahrensakten enthalten hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass sich die maßgeblichen Auswirkungen aller Anlagen summieren. Dies ist vor allem hinsichtlich der Lärmimmissionen der Fall und ergibt sich insoweit aus den Nachberechnungen zur Schallimmissionsprognose vom 10. April 2006 und 4. Januar 2007. Diese betreffen zwar bereits die WEA 1 bis 7 als Nachfolgemodelle der zuvor baugenehmigten Anlagen. Für die Frage, welche Windkraftanlagen eine Windfarm bilden, macht dies aber angesichts der unveränderten Standorte keinen Unterschied. Mehrere der maßgeblichen Immissionspunkte befinden sich gerade zwischen den beiden Anlagengruppen; die Gesamtbelastung setzt sich dort aus den Immissionen aller Anlagen zusammen. Dementsprechend ist auch der Beklagte im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren davon ausgegangen, dass alle in der Windvorrangfläche befindlichen Anlagen eine Windfarm bilden (vgl. Genehmigungsbescheid S. 26; ebenso nachgeholte allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls vom 30. August 2013, S. 1). Bereits im Genehmigungsbescheid vom 20. April 2005, S. 30, betreffend einen Teil der ‑ östlich gelegenen - Windenergieanlagen der Q. GmbH sind diese im Verhältnis u. a. zu den baugenehmigten Vorgängern der WEA 1 bis 7 als eine einheitliche Windfarm betrachtet worden. Darin ist etwa bei den hinsichtlich der WEA lfd. Nr. 15 getroffenen Regelungen zum Ausschluss eines Schattenwurfs auch das Wohnhaus der Kläger als Immissionsort einbezogen worden.
107b) Die aus (zumindest) den genannten 16 Windkraftanlagen bestehende Windfarm ist ein UVP-pflichtiges Vorhaben im Sinne des § 3e UVPG. Entscheidend ist, ob das bereits bestehende Vorhaben einer UVP-Pflicht unterliegt. Demgegenüber kommt es nicht darauf an, ob es tatsächlich einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen wurde.
108Vgl. Nds. OVG, Urteil vom 1. Juni 2010 - 12 LB 31/07 -, DVBl. 2010, 1039, juris Rn. 37; Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, Stand: 1. August 2014, § 3e UVPG, Rn. 9 ff.
109Die UVP-Pflicht liegt dabei nicht nur dann vor, wenn es sich bei dem Ausgangsvorhaben um ein „X-Vorhaben“ nach Spalte 1 der Anlage 1 handelt. Sie kann sich vielmehr auch daraus ergeben, dass bei einem vorprüfungsbedürftigen Grundvorhaben eine Einzelfallprüfung mit positivem Ergebnis durchgeführt worden ist. An diese Feststellung der UVP-Pflicht kann wieder angeknüpft werden, wenn das Grundvorhaben später geändert oder erweitert werden soll.
110Vgl. Sangenstedt, a. a. O., § 3e UVPG, Rn. 10.
111So liegt der Fall hier. Im Genehmigungsverfahren der sieben im östlichen Bereich der Vorrangzone gelegenen Windkraftanlagen der damaligen Betreibergesellschaft Q. GmbH (genehmigt durch Bescheide vom 20. April bzw. 24. Oktober 2005) ist nach Durchführung einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls eine Umweltverträglichkeitsprüfung für erforderlich gehalten und durchgeführt worden. Bei dieser sind zehn weitere, seinerzeit genehmigte Anlagen als Vorbelastung berücksichtigt worden, darunter jedenfalls auch die an den Standorten WEA 1 bis 8 baugenehmigten Windkraftanlagen. Im Genehmigungsbescheid vom 24. Oktober 2005 (S. 33) wird hierzu ausgeführt, aufgrund der möglichen Einwirkung auf benachbarte Waldflächen und schützenswerte Bereiche, insbesondere auch Brutgelege für Vögel, sowie der durch die nunmehr insgesamt 17 Windenergieanlagen in der Windvorrangfläche angewachsene Zahl der Windenergieanlagen sei eine Umweltverträglichkeitsprüfung geboten gewesen.
112c) Das mit dem angefochtenen Bescheid genehmigte Vorhaben ist eine Änderung (bzw. Erweiterung) einer UVP-pflichtigen Windfarm im Sinne von § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG.
113Isoliert betrachtet stellt sich das Vorhaben, anstelle der zuvor genehmigten sieben Windenergieanlagen vom Typ Enercon E 66/18.70 (Rotordurchmesser 70 m, Nennleistung 1800 kW) nunmehr jeweils einen anderen, leistungsoptimierten Anlagentyp (Enercon E 70 E-4, Rotordurchmesser 71 m, 2000 kW) zu errichten, allerdings nicht als Änderung, sondern als Neuerrichtung dar. Der Ersatz von alten Windenergieanlagen durch leistungsstärkere neuere Anlagen richtet sich nach denselben rechtlichen Regeln wie die Neuerrichtung von Anlagen. Denn mit der Beseitigung einer alten Anlage erlischt deren Bestandsschutz.
114Vgl. Gatz, Windenergieanlagen in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis, 1. Aufl. 2009, Rn. 466; OVG Lüneburg, Beschluss vom 24. Juli 2013 ‑ 12 ME 37/13 -, NuR 2013, 894, juris Rn. 14; siehe auch BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2007 - 4 C 9.06 -, BVerwGE 130, 83, juris Rn. 32.
115Nichts anderes kann gelten, wenn die zunächst genehmigten Anlagen - wie hier - nie errichtet worden sind. In beiden Fällen geht es um die Errichtung eines neuen und anders gearteten, von der bisherigen Genehmigung nicht umfassten Anlagetyps, der regelmäßig nur als Ganzes unter Verzicht auf die Realisierung der zuvor genehmigten Anlagen - und nicht im Wege einer Änderung derselben - errichtet werden kann. Das schließt nicht aus, dass auf eine für das nicht realisierte Vorhaben durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung oder -vorprüfung im neuen Genehmigungsverfahren zurückgegriffen werden kann.
116Um ein Änderungsvorhaben im Sinne des § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG handelt es sich hier deshalb, weil auch bei einem Hinwegdenken der zu ersetzenden baugenehmigten Windenergieanlagen noch eine Windfarm vorhanden ist, zu der sieben weitere Windenergieanlagen hinzutreten. Dies gilt ungeachtet dessen, dass eine derartige - hier sogar betreiberübergreifende - Erweiterung einer Windfarm immissionsschutzrechtlich keinen Fall der Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG darstellt. Denn die 4. BImSchV knüpft seit der zum 1. Juli 2005 in Kraft getretenen Neufassung nur noch an die einzelne Windenergieanlage und - anders als das UVP-Gesetz - nicht mehr an das Vorliegen einer Windfarm an.
117Vgl. näher Wustlich, NVwZ 2005, 996 ff.; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. IV, Stand: 1. August 2014, § 1 4. BImSchV, Rn. 26; anders zur früheren Rechtslage BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 2004 - 4 C 3.04 -, BVerwGE 122, 117, juris Rn. 23.
118d) Nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG besteht für diese Änderung (in Form der Erweiterung) eine UVP-Pflicht, wenn eine (allgemeine) Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c Satz 1 und 3 UVPG ergibt, dass die Änderung bzw. Erweiterung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann. Da es sich hierbei um eine Rechtsfolgeverweisung handelt, ist die im Rahmen von § 3c Satz 1 und 2 i. V. m. Anlage 1 Spalte 2 getroffene Differenzierung nach Schwellenwerten für die A- und S‑Vorhaben in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls ist somit unabhängig davon durchzuführen, ob die betreffenden Änderungen oder Erweiterungen die Prüfwerte für ein entsprechendes A‑Vorhaben erreichen.
119Vgl. Dienes, in: Hoppe/Beckmann (Hrsg.), UVPG, 4. Aufl. 2012, § 3e UVPG, Rn. 11; Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. IV, Stand: August 2014, § 3e UVPG, Rn. 22; a. A. Kutscheidt/Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. IV, Stand: 1. August 2014, § 1 9. BImSchV, Rn. 12.
1202. Die vor Erteilung der Genehmigung durchgeführte Vorprüfung genügt den rechtlichen Anforderungen an die erforderliche allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls (§§ 3e Abs. 1 Nr. 2, 3c Satz 1 und 3 UVPG) nicht.
121Die aufgrund der Vorprüfung getroffene behördliche Beurteilung der UVP-Pflichtigkeit unterliegt gemäß § 3a Satz 4 UVPG nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Die Einschätzung, eine Umweltverträglichkeitsprüfung solle unterbleiben, ist im gerichtlichen Verfahren betreffend die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens nur daraufhin zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben des § 3c UVPG durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist. Die gerichtliche Prüfung erstreckt sich auf die Frage, ob die Behörde den Rechtsbegriff der Erheblichkeit zutreffend ausgelegt hat.
122Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2013 ‑ 4 A 1.13 -, BVerwGE 148, 353, juris Rn. 32.
123Anknüpfend an diese der zuständigen Behörde in § 3a Satz 4 UVPG eingeräumte Beurteilungsermächtigung stellt § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG klar, dass die behördliche Entscheidung im gerichtlichen Verfahren unter anderem daraufhin zu überprüfen ist, ob der Sachverhalt vollständig und zutreffend erfasst und ob das anzuwendende Recht verkannt wurde. Der Anwendung von § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG steht nicht entgegen, dass die Vorschrift nach Art. 13 Abs. 3 des Gesetzes zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl. I S. 95) erst am 29. Januar 2013 und damit nach Klageerhebung in Kraft getreten ist (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 1 UmwRG, dazu näher oben unter I. 1. a).
124Gemessen daran ist die vor Erlass des angefochtenen Genehmigungsbescheides durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls nicht entsprechend den Vorgaben des § 3c UVPG durchgeführt worden und das Ergebnis deshalb nicht nachvollziehbar. Die Genehmigungsbehörde hat bei der Durchführung der Vorprüfung das anzuwendende Recht verkannt, indem sie Gegenstand und Reichweite der gemäß §§ 3e Abs. 1 Nr. 2, 3c Satz 1 und 3 UVPG durchzuführenden allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls unzutreffend bestimmt hat (a). Darüber hinaus sind naheliegende Umweltauswirkungen in der Vorprüfung nicht ermittelt und betrachtet worden (b).
125a) Gegenstand dieser Vorprüfung ist die Frage, welche nachteiligen Umweltauswirkungen mit der Erweiterung verbunden sind. Denn nach dem Halbsatz 1 des § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG ist die Vorprüfung des Einzelfalls im Sinne von § 3c Satz 1 und 3 UVPG (nur) auf die Feststellung ausgerichtet, ob (gerade) die Änderung oder Erweiterung eines Vorhabens, für das als solches bereits eine UVP-Pflicht besteht, erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann.
126Vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. Dezember 2008 ‑ 8 D 22/07.AK -, juris Rn. 93 f.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2013 - 7 C 36.11 -, BVerwGE 148, 155, juris Rn. 30 ff. (zu § 3e Abs. 1 Nr. 1 UVPG).
127Darüber hinaus sind frühere Änderungen oder Erweiterungen des UVP-pflichtigen Vorhabens in die Vorprüfung einzubeziehen, für die nach der jeweils geltenden Fassung des UVP-Gesetzes keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist (§ 3e Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz UVPG).
128Vgl. näher OVG NRW, Urteil vom 14. Oktober 2013 - 20 D 7/09.AK -, DVBl. 2014, 185, juris Rn. 146 ff.
129Die nach der Änderung oder Erweiterung fortbestehenden Umweltauswirkungen des Grundvorhabens sind nicht Gegenstand der UVP-Vorprüfung; sie sind vielmehr bei der Vorprüfung hinsichtlich des Änderungs- bzw. Erweiterungsvorhabens (lediglich) als Vorbelastung zu berücksichtigen. Eine Empfehlung der Umweltausschüsse von Bundestag und Bundesrat, § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG ausdrücklich dahin zu ergänzen, dass bei der Vorprüfung des Weiteren auch das bestehende Vorhaben aufgrund der Änderung oder Erweiterung selbstständig in den Blick zu nehmen ist,
130vgl. BR-Drs. 674/1/00 vom 12. Dezember 2000, Nr. 30, S. 26 f., BT-Drs. 14/5750, S. 8, 128,
131ist im weiteren Gesetzgebungsverfahren am Widerstand des Bundesrats gescheitert.
132Vgl. BR-Drs. 286/01 (Beschluss), Ziff. 3, Satz 1; Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, Stand: 1. August 2014, § 3e UVPG, Rn. 6.
133Es ist danach erforderlich, das Zusammenwirken der Umweltauswirkungen des Änderungsvorhabens mit Vorbelastungen aus anderen am Standort vorhandenen Quellen zu untersuchen, zu denen auch das Grundvorhaben selbst gehört. Dabei können ggf. Erkenntnisse aus der für das Grundvorhaben durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung erneut verwertet werden.
134Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, Stand: 1. August 2014, § 3e UVPG, Rn. 23 ff., 16 ff.; BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2014 - 9 A 1.13 -, UPR 2014, 444, juris Rn. 22.
135Diesen Anforderungen genügt die vor Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung durchgeführte Vorprüfung nicht.
136Die Vorprüfung ist im Vermerk vom 5. Juni 2006 schon nicht als allgemeine, sondern (lediglich) als „Standortbezogene/Anlagenbezogene Vorprüfung des Einzelfalles nach § 3c Abs. 1 Satz 2 UVPG“ bezeichnet. Darin wird im Wesentlichen auf die im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens von der unteren Landschaftsbehörde des Kreises X. durchgeführte „standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c Abs. 1 Satz 2 UVPG“ für die sieben Windenergieanlagen vom Typ Enercon E 66 18.70 Bezug genommen. Sodann wird im Wege einer Differenzbetrachtung festgestellt, dass die Errichtung und der Betrieb der technisch geringfügig optimierten Anlagen vom Typ Enercon E-70 E4 nicht dazu beitragen würden, erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen zu verursachen. Die baurechtlich genehmigten Standorte blieben unverändert, und mit der technischen Optimierung der Windenergieanlagen sei eine relevante Erhöhung der Lärmimmissionen oder von Beeinträchtigungen der Pflanzen, Tiere und Schutzgebiete vor Ort nicht verbunden. Auch im Baugenehmigungsverfahren der Vorläufer der beiden streitbefangenen Windkraftanlagen ist keine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls, sondern nur eine standortbezogene Vorprüfung vorgenommen worden (Vermerk vom 5. Dezember 2002 sowie planungsrechtliche Prüfung vom 15. Januar 2003). Ob dem Beklagten darin zu folgen ist, in der Sache sei nach denselben Kriterien geprüft worden, die bei einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls in den Blick zu nehmen seien, kann wegen Vorliegens weiterer Mängel dahinstehen.
137Gegenstand der im Baugenehmigungsverfahren vorgenommenen standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls waren entgegen den rechtlichen Anforderungen nicht alle sieben in den Jahren 2003 und 2004 baugenehmigten Windenergieanlagen, sondern - soweit die Vorgänger der streitbefangenen Anlagen WEA 5 und 6 betroffen sind - nur die drei Anlagen WEA 5, 6 und 8. Einbezogen in die Betrachtung wurden zwar die beiden Anlagen, die seinerzeit bereits an den beiden Standorten WEA 4 und 7 genehmigt waren (und zeitgleich durch neue Baugenehmigungsanträge „überplant“ wurden, vgl. Vermerk vom 5. Dezember 2002, S. 2). Das gilt jedoch nicht für die Anlagen an den Standorten WEA 1, 2 und 3. Insoweit ist die Baugenehmigungsbehörde ausdrücklich davon ausgegangen, ein unmittelbarer räumlicher Zusammenhang mit der aus den WEA 1, 2, und 3 bestehenden Dreiergruppe könne nicht angenommen werden (vgl. den im Baugenehmigungsverfahren der Vorgängeranlage zur WEA 6 gefertigten Vermerk Planungsrechtliche Prüfung - Stand: 15. Januar 2003 -, S. 3). Demgegenüber bedurfte es jedenfalls im hier zu betrachtenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, in dem über die Genehmigung von sieben leistungsoptimierten Anlagen an den gleichen Standorten zu entscheiden war, einer auf diese sieben Anlagen in ihrer Gesamtheit bezogenen UVP-Vorprüfung.
138Jedenfalls konnte die für die Windenergieanlagen WEA 5, 6 und 8 im Baugenehmigungsverfahren durchgeführte standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls den rechtlichen Anforderungen der im späteren immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren gemäß §§ 3e Abs. 1 Nr. 2, 3c Satz 1 und 3 UVPG vorzunehmenden allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls deshalb nicht genügen, weil zum damaligen Zeitpunkt die sieben Windenergieanlagen der I. T. GmbH (WEA 12-18, vorheriger Betreiber: Q. GmbH) noch nicht beantragt waren und - seinerzeit zu Recht - bei der Prüfung der Umweltauswirkungen der baurechtlich beantragten Windkraftanlagen nicht als Vorbelastung berücksichtigt worden sind (vgl. Vermerk vom 5. Dezember 2002, S. 3, dort wohl bezeichnet als Planvorhaben der Fa. V. ). Dies war im hier zu betrachtenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren jedoch erforderlich.
139Dagegen kann die Beigeladene nicht mit Erfolg geltend machen, dass ihre Windkraftanlagen als erste beantragt gewesen seien und deshalb keine Vorbelastung berücksichtigt werden müssen. Dieser Einwand verkennt, dass hier ein neuer, auf andere, leistungsoptimierte Anlagen bezogener Antrag zur Beurteilung steht, der später gestellt worden ist als die Genehmigungsanträge der Q. GmbH (jetzt: I. T. GmbH).
140b) Überdies erweist sich die Vorprüfung als unvollständig, weil sich dem Vermerk vom 5. Dezember 2002 nicht entnehmen lässt, dass Ermittlungen und Bewertungen zu den Auswirkungen des Vorhabens auf die Avifauna angestellt worden sind. Die naturschutzrechtlichen Betrachtungen erschöpfen sich in einer Bestandsaufnahme von - im direkten Einwirkungsbereich der Konzentrationszone nicht vorgefundenen - Landschafts- und Naturschutzgebieten, sonst schützenswerten Landschaftsbestandteilen, einer Bezugnahme auf die bei der Aufstellung des Gebietsentwicklungsplans und der Änderung des Flächennutzungsplans durchgeführten Abwägungen sowie allgemein gehaltenen Überlegungen zur Beeinträchtigung des Naturhaushalts. Des Weiteren wird auf - nicht im Verwaltungsvorgang befindliche - Stellungnahmen der unteren Landschaftsbehörde und weiterer beteiligter Stellen Bezug genommen.
141Nähere Ermittlungen und Betrachtungen zum Vorhandensein windkraftsensibler Vogel- und Fledermausarten im Umkreis des Vorhabens und zu den zu erwartenden Auswirkungen auf diese sind nicht angestellt worden. Dies war indes erforderlich, um die Frage, ob das Vorhaben erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann (§§ 3e Abs. 1 Nr. 2, 3c Satz 1 UVPG), insgesamt nachvollziehbar beantworten zu können. Bei der Vorprüfung sind die in der Anlage 2 zum UVPG aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen. Dabei ergeben sich die Gegenstände der zu prüfenden Auswirkungen allerdings nicht aus dieser Anlage, sondern aus § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG. Danach umfasst die Umweltverträglichkeitsprüfung die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Vorhabens unter anderem auch auf Tiere. Dementsprechend hätte es auch diesbezüglich einer überschlägigen Prüfung bedurft, ob die Erweiterung der Windfarm um sieben Windenergieanlagen erhebliche nachteilige Auswirkungen haben kann. Die Prüfung auf die Auswirkungen auf die Avifauna zu erstrecken, dürfte bei der Planung von Windkraftanlagen schon generell erforderlich sein. Im vorliegenden Fall belegt jedenfalls die nachgeholte allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls vom 30. August 2013, dass erhebliche nachteilige Auswirkungen des Vorhabens auf Vögel und Fledermäuse durchaus nahe lagen und deshalb in die Vorprüfung einbezogen werden mussten.
142Dieses Erfordernis kann auch nicht mit dem Argument bezweifelt werden, das materielle Recht habe im Zeitpunkt der Vorprüfung noch keine artenschutzrechtlichen Anforderungen enthalten, die bei der Zulassung von Windkraftanlagen zu berücksichtigen gewesen wären. Soweit die Feststellung in der nachgeholten Allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls vom 30. August 2013, S. 2, wonach zum Zeitpunkt der Antragstellung im Dezember 2005 aufgrund der nationalen Gesetzeslage noch keine Notwendigkeit einer „formellen Artenschutzprüfung“ bestanden habe, in diese Richtung zu verstehen sein sollte, wäre dem nicht zu folgen. Die Neuregelung der Materie durch das Erste Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I, S. 2873) hat zwar in Anpassung an europarechtliche Vorgaben zu Verschärfungen geführt. Das ändert aber nichts daran, dass bereits zuvor artenschutzrechtliche Anforderungen, insbesondere Zugriffsverbote, bei der Zulassung von Vorhaben zu berücksichtigen waren.
143Vgl. etwa OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. November 2005 - OVG 2 S 115.05 -, ZUR 2006, 210, juris Rn. 7 f.; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 16. März 2006 - 1 A 10884/05 -, ZUR 2006, 379, juris Rn. 38 ff.
1443. Die erforderliche allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls ist durch die vom Beklagten während des Berufungsverfahrens durchgeführte Vorprüfung vom 30. August 2013 nicht mit heilender Wirkung nachgeholt worden.
145a) Eine Heilung des Verfahrensfehlers ist unter Geltung des nordrhein-westfälischen Verwaltungsverfahrensgesetzes im Berufungsverfahren nicht mehr möglich. Im Einzelnen:
146Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG kann die Aufhebung einer Genehmigungsentscheidung, wenn eine erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht durchgeführt worden ist, nur verlangt werden, wenn diese nicht nachgeholt worden ist. § 45 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) und andere entsprechende Rechtsvorschriften bleiben unberührt (§ 4 Abs. 1 Satz 3 UmwRG). Nach allgemeiner Auffassung ist § 45 VwVfG bzw. die entsprechende Regelung des Landesrechts auf andere, in Abs. 1 der Vorschrift nicht genannte Verfahrensfehler entsprechend anwendbar. Das gilt insbesondere auch für die UVP-Vorprüfung.
147Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. August 2008 - 4 C 11.07 -, BVerwGE 131, 352, juris Rn. 24.
148Hiervon geht § 4 Abs. 1 Satz 3 1. Halbsatz UmwRG aus.
149Da § 4 Abs. 1 UmwRG die Heilungsvorschriften lediglich voraussetzt, regelt er nicht deren Anwendungsbereich oder deren Voraussetzungen.
150Vgl. Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, Stand: 1. August 2014, § 4 UmwRG Rn. 17; Ziekow, NVwZ 2007, 259, 265; Kment, NVwZ 2007, 274, 277; siehe auch BVerwG, Urteil vom 20. August 2008 - 4 C 11.07 -, BVerwGE 131, 352, juris Rn. 25; ähnlich zu § 4 Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz UmwRG OVG NRW, Urteil vom 12. Juni 2012 - 8 D 38/08.AK -, NuR 2012, 722, juris Rn. 329.
151Er enthält auch keine statische, sondern eine dynamische Verweisung.
152Hiervon ausgehend bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sich die zeitliche Grenze einer Heilung zu Unrecht unterbliebener (oder nicht dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG genügender) UVP-Vorprüfungen in Anwendung von § 4 Abs. 1 Satz 3 1. Halbsatz UmwRG auch dann nach § 45 Abs. 2 VwVfG (Bund) bestimmen soll, wenn auf das betreffende Verwaltungsverfahren das Verwaltungsverfahrensgesetz eines Landes Anwendung findet.
153Anders noch OVG NRW, Urteil vom 9. Dezember 2009 - 8 D 12/08.AK -, DVBl. 2010, 719, juris Rn. 104.
154Die Regelung lässt neben § 45 Abs. 2 VwVfG ausdrücklich „andere entsprechende Rechtsvorschriften“ unberührt. Die Formulierung „andere entsprechende Rechtsvorschriften“ erfasst auch die jeweiligen Parallelvorschriften der Landesverwaltungsverfahrensgesetze. Dass der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung in erster Linie bundesrechtliche Vorschriften des Planfeststellungsrechts wie § 17 Abs. 6c Satz 2 des Fernstraßengesetzes a. F. oder § 19 Abs. 4 des Bundeswasserstraßengesetzes a. F. (vgl. nunmehr etwa: § 17e Abs. 6 Satz 2 FStrG, § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG) im Blick hatte,
155vgl. BT-Drs. 16/2495, S. 14,
156ändert daran nichts, zumal letztere ausdrücklich nur beispielhaft genannt sind. Ein Wille des Gesetzgebers, die Heilung von UVP-Verfahrensfehlern im Unterschied zu sonstigen Verfahrensfehlern bundeseinheitlich zu regeln, lässt sich der Begründung weder ausdrücklich entnehmen noch hätte er im Gesetzestext hinreichend Ausdruck gefunden.
157Entgegen der Auffassung des Beklagten ist nicht anzunehmen, dass ein Hinweis in der Gesetzesbegründung zu § 4 UmwRG auf die Anwendbarkeit des jeweils einschlägigen Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes oder der Länder unbedingt zu erwarten gewesen wäre, wenn der Nennung des § 45 Abs. 2 VwVfG keine Bedeutung im Sinne einer materiell-rechtlichen Vorgabe hätte zukommen sollen. Die Begründung des Gesetzgebers zu § 22 UVPG, auf die der Beklagte verweist, stützt diese Annahme nicht. Nach § 22 UVPG „gelten“ für die Durchführung des Planfeststellungsverfahrens „die §§ 72 bis 78 des Verwaltungsverfahrensgesetzes“. Wenn der Gesetzgeber sogar diese scheinbar eindeutig die Geltung der Regelungen des Bundes anordnende Vorschrift dahin verstanden wissen will, sie verweise „entsprechend dem jeweiligen Anwendungsbereich (vgl. § 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes) auf die maßgeblichen Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes oder der Länder“,
158vgl. BT-Drs. 14/4599, S. 104,
159spricht dies eher dafür, dass für § 4 Abs. 1 Satz 3 1. Halbsatz UmwRG Gleiches gilt. Die letztgenannte Regelung erfasst bereits dem Wortlaut nach („§ 45 Abs. 2 VwVfG und andere entsprechende Rechtsvorschriften“) die Parallelnormen der Länder. Insoweit bedurfte es keiner Klarstellung. Bei diesem Befund ist vielmehr davon auszugehen, dass ein gewollter Ausschluss der Anwendbarkeit landesrechtlicher Parallelvorschriften in der Entwurfsbegründung ausdrücklich klargestellt worden wäre.
160Auch das Gebot unionsrechtskonformer Auslegung zwingt nicht zu einem Verständnis als bundeseinheitlicher Regelung. Das ergibt sich etwa aus dem Urteil Wells des EuGH, auf das der Beklagte - mit gegenteiliger Schlussfolgerung - hingewiesen hat. Danach sind die zuständigen Behörden verpflichtet, alle allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu ergreifen, um dem Unterlassen einer erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung abzuhelfen. Es unterfällt jedoch (in den Grenzen des Äquivalenz- und Effektivitätsprinzips) der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten, in welcher Weise sie dies tun. In diesem Rahmen ist es Sache des nationalen Gerichts festzustellen, ob nach nationalem Recht die Möglichkeit besteht, eine bereits erteilte Genehmigung zurückzunehmen oder auszusetzen, um dieses Projekt (nachträglich) einer Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß den Anforderungen der Richtlinie 85/337 zu unterziehen.
161Vgl. EuGH, Urteil Wells vom 7. Januar 2004, C‑201/02, EU:C:2004:12, NVwZ 2004, 593, juris Rn. 62 ff.; siehe auch Urteil vom 3. Juli 2008, C‑215/06, EU:C:2008:380, NuR 2008, 562 , juris Rn. 57 ff.
162Eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die Heilung eines wegen einer zu Unrecht unterbliebenen Umweltverträglichkeitsprüfung rechtswidrigen Genehmigungsbescheids bis zum spätestmöglichen Zeitpunkt zuzulassen, lässt sich dem Unionsrecht danach nicht entnehmen. Denn auch die Aufhebung der Genehmigung im gerichtlichen Verfahren mit der Folge, dass für das Vorhaben ein vollständig neues Genehmigungsverfahren durchzuführen ist, ist eine taugliche Maßnahme, dem Unterlassen einer erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung abzuhelfen. Steht das Unionsrecht damit aber unterschiedlichen nationalen Regelungen der Heilungsmöglichkeiten nicht entgegen, müssen diese Regelungen auch innerhalb eines Mitgliedstaats nicht notwendig einheitlich ausfallen.
163Nach alledem findet hier § 45 Abs. 2 VwVfG keine Anwendung, da für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden des Landes, auch soweit sie Bundesrecht ausführen, das Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen gilt (vgl. § 1 Abs. 3 VwVfG, § 1 Abs. 1 VwVfG NRW). Der einschlägige § 45 Abs. 2 VwVfG NRW lässt eine Heilung von Verfahrensfehlern nur bis zum Abschluss der ersten Instanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu. Die erst während des Berufungsverfahrens nachgeholte allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls konnte den Verfahrensfehler daher nicht mehr heilen.
164b) Ungeachtet dessen genügt auch die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls vom 30. August 2013 nicht dem Maßstab von § 3a Satz 4 UVPG (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG).
165aa) Allerdings ist die Möglichkeit der Nachholung einer UVP-Vorprüfung nach den genannten Vorschriften mit den europarechtlichen Vorgaben grundsätzlich vereinbar. Insbesondere liegt darin keine - unionsrechtlich problematische - Legalisierung von Projekten, die einer Umweltverträglichkeitsprüfung hätten unterzogen werden müssen. Das gilt jedenfalls, wenn die nachgeholte UVP-Vorprüfung zu dem Ergebnis kommt, dass es einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht bedurfte. Das Unionsrecht steht nationalen Rechtsvorschriften, die unter bestimmten Umständen die Legalisierung unionsrechtswidriger Vorgänge oder Handlungen zulassen, nicht grundsätzlich entgegen. Voraussetzung ist lediglich, dass eine solche Möglichkeit den Betroffenen keine Gelegenheit bietet, das Unionsrecht zu umgehen oder es nicht anzuwenden.
166Vgl. näher BVerwG, Urteil vom 20. August 2008 ‑ 4 C 11.07 -, BVerwGE 131, 352, juris Rn. 27 ff.; EuGH, Urteil vom 3. Juli 2008, C-215/06, EU:C:2008:380, juris Rn. 57.
167Der Heilungsmöglichkeit durch Nachholung einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls dürfte nicht die Auffassung der Kläger entgegenstehen, der mit dem Verfahrenserfordernis verfolgte Zweck könne vorliegend im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr erreicht werden, weil das Vorhaben - durch Errichtung von fünf der genehmigten sieben Windkraftanlagen - schon teilweise verwirklicht worden sei. Mit der Errichtung der allein streitbefangenen Windenergieanlagen WEA 5 und 6 ist noch nicht begonnen worden. Für diese kann eine UVP-Vorprüfung grundsätzlich - stünde vorliegend nicht § 45 Abs. 2 VwVfG NRW entgegen - nachgeholt werden.
168Der Senat kann offen lassen, auf welchen Zeitpunkt die Behörde ihre überschlägige Prüfung, ob das Vorhaben erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann (§ 3c UVPG), zu beziehen hat, wenn die Vorprüfung nach Erteilung der Genehmigung nachgeholt wird. Das betrifft auch die Frage, inwieweit die Kläger eine etwaige Verschlechterung ihrer Rechtsposition durch eine zwischenzeitliche Gebietsveränderung aufgrund Errichtung eines Teils der genehmigten Windkraftanlagen hinnehmen müssen.
169bb) Der Beklagte hat die UVP-Vorprüfung vom 30. August 2013 nicht entsprechend den Vorgaben von § 3c Satz 1 und 3 UVPG durchgeführt und damit das anzuwendende Recht im Sinne von § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG verkannt. Das Ergebnis der allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls, wonach das Vorhaben unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 zum UVPG aufgeführten Kriterien keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen haben kann, ist bezogen auf die Avifauna nicht nachvollziehbar. Dies folgt vorliegend daraus, dass der Beklagte es infolge der nachgeholten allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls für erforderlich gehalten hat, den Genehmigungsbescheid nachträglich durch mehrere, den Vorhabenträger insgesamt nicht unwesentlich einschränkende Nebenbestimmungen i. S. v. § 12 Abs. 1 BImSchG zu ergänzen. Zugleich ist hinsichtlich der zu erwartenden nachteiligen Auswirkungen auf die Avifauna weiterer Klärungsbedarf verblieben.
170Der Beklagte hat den Rechtsbegriff der Erheblichkeit nachteiliger Umweltauswirkungen nicht zutreffend bestimmt. Nach § 3c Satz 1 UVPG ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge nach § 12 UVPG zu berücksichtigen wären. Der Maßstab für die Erheblichkeit nachteiliger Umweltauswirkungen ist dem materiellen Zulassungsrecht zu entnehmen. Nach § 12 UVPG zu berücksichtigen sind erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen nicht erst dann, wenn die Umweltauswirkungen so gewichtig sind, dass sie nach Einschätzung der Behörde zu einer Versagung der Zulassung führen können, weil materielle Genehmigungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind.
171Vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2007 ‑ 4 C 9.06 -, BVerwGE 130, 83, juris Rn. 34, vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 -, BVerwGE 148, 353, juris Rn. 37, und vom 25. Juni 2014 - 9 A 1.13 -, UPR 2014, 444, juris Rn. 21; Bay. VGH, Beschluss vom 17. November 2014 - 22 ZB 14.1035 -, juris Rn. 17; siehe auch OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 2. April 2014 - 1 B 10249/14 -, DVBl. 2014, 940, juris Rn. 19.
172Führt die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls dazu, dass der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach Auffassung der Behörde wesentliche umweltbezogene Nebenbestimmungen im Sinne von § 12 Abs. 1 BImSchG beigefügt werden müssen, kann dies ein Indiz dafür sein, dass das Vorhaben erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann. Die Notwendigkeit, diese nach § 12 UVPG zu berücksichtigen, findet dann in diesen Nebenbestimmungen Ausdruck. Denn die Genehmigung kann nur unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden werden, soweit dies erforderlich ist, um die Erfüllung der in § 6 BImSchG genannten Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen (§ 12 Abs. 1 BImSchG). Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen, die bereits vom Träger des Vorhabens vorgesehen sind und die nachteiligen Umweltauswirkungen offensichtlich ausschließen, können demgegenüber eine Umweltverträglichkeitsprüfung entbehrlich machen (§ 3e Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 3c Satz 3 UVPG).
173Das (absehbare) Erfordernis umweltschützender Nebenbestimmungen muss allerdings nicht zwangsläufig zur Annahme erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen führen. Vielmehr bedarf es einer Gewichtung der betroffenen Umweltbelange unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 zum UVPG aufgeführten vorhaben- und standortbezogenen Kriterien. Zudem ist zu berücksichtigen, inwieweit auf der Grundlage der im Vorprüfungsstadium zur Verfügung stehenden Unterlagen bereits geklärt ist und feststeht, dass eine Nebenbestimmung zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen geeignet und ausreichend ist.
174Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2014 - 9 A 1.13 -, UPR 2014, 444, juris Rn. 21-23, zu einem Planfeststellungsbeschluss; weitergehend Urteil vom 13. Dezember 2007 - 4 C 9.06 -, BVerwGE 130, 83, juris Rn. 34 f., siehe aber nunmehr auch Urteil vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 -, BVerwGE 148, 353, juris Rn. 39.
175Die Behörde darf nicht bereits im Rahmen der Vorprüfung mit einer der Umweltverträglichkeitsprüfung vergleichbaren Prüftiefe „durchermitteln“ und damit unzulässigerweise die eigentliche Umweltverträglichkeitsprüfung unter Missachtung der für diese obligatorischen Öffentlichkeitsbeteiligung vorwegnehmen; sie ist vielmehr auf eine überschlägige Vorausschau beschränkt. Andererseits darf sich die Vorprüfung nicht in einer oberflächlichen Abschätzung spekulativen Charakters erschöpfen, sondern muss auf der Grundlage geeigneter und ausreichender Informationen erfolgen.
176BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2014 - 9 A 1.13 -, UPR 2014, 444, juris Rn. 18 m. w. N.
177Dies zugrunde gelegt durften erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen des Vorhabens in artenschutzrechtlicher Hinsicht nicht ohne vertiefte Untersuchung im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung ausgeschlossen werden.
178Im Genehmigungsverfahren war eine Ermittlung und Prüfung, welche Auswirkungen die Errichtung und der Betrieb von sieben Windenenergieanlagen auf die Avifauna haben werden, gänzlich unterblieben. Die nunmehr als Folge der „Vorprüfung“ nachträglich getroffenen Nebenbestimmungen verdeutlichen jedenfalls in ihrer Gesamtheit, dass der Beklagte der Sache nach selbst von der Möglichkeit erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen durch die beiden streitbefangenen Windkraftanlagen ausgeht. Er hat der Beigeladenen mit der Anlegung eines Ablenkungshabitats für die Rohrweihe zwei Jahre vor Inbetriebnahme der beiden Anlagen, Monitorings zum - ggf. nachträglichen - Schutz der Rohrweihe und von Fledermäusen sowie der Anlegung von sechs mindestens 1,5 ha großen Extensivgrünlandflächen mit Blänke für Brutpaare des Kiebitz‘ aufwändige zusätzliche Maßnahmen auferlegt, die von der Beigeladenen selbst nicht vorgesehen waren (§ 3c Satz 3 UVPG) und der Beseitigung sonst vorliegender Genehmigungshindernisse dienen sollten.
179Zugleich ist auf der Grundlage der herangezogenen Gutachten und Kartierungen nicht sicher, dass ein Verstoß gegen die artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG dadurch hinreichend ausgeschlossen wird. So soll in Bezug auf die Fledermäuse erst ein nach der Errichtung und Inbetriebnahme der Windkraftanlagen durchzuführendes, dreijähriges akustisches Monitoring erweisen, ob ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko besteht. Während dieser drei Jahre sind keinerlei Schutzmaßnahmen vorgesehen. Ein derartiges Monitoring kann angeordnet werden, um nicht behebbaren naturschutzrechtlichen Erkenntnislücken oder Unsicherheiten Rechnung zu tragen, sofern ggf. wirksame Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Es stellt hingegen kein zulässiges Mittel dar, um behördliche Ermittlungsdefizite und Bewertungsmängel zu kompensieren; dies umso weniger, wenn offen bleibt, mit welchen Mitteln nachträglich zu Tage tretenden Gefahren begegnet werden soll.
180Vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Juli 2011 - 9 A 12.10 -, BVerwGE 140, 149, juris Rn. 105; vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 -, BVerwGE 134, 308, juris Rn. 91; OVG NRW, Beschluss vom 6. November 2012 - 8 B 441/12 -, NuR 2012, 870, juris Rn. 43.
181Solche Ermittlungsdefizite liegen hier aber vor, solange das Vorkommen von Fledermäusen für den näheren Umkreis der streitbefangenen Windkraftanlagen nicht untersucht worden ist. Die Bezugnahme auf das im Genehmigungsverfahren der Windkraftanlage WEA lfd. Nr. 22 angefertigte „Fachgutachten Fledermäuse“ vom 17. November 2010 ist insoweit unzureichend. Der dort in den Blick genommene Untersuchungsraum beschränkt sich auf einen Radius von 500 m um die WEA lfd. Nr. 22, von der die streitbefangenen Anlagen mindestens einen Kilometer entfernt liegen.
182Ähnliches gilt hinsichtlich der Ermittlung der Auswirkungen des streitigen Vorhabens auf Kiebitz und Rohrweihe. Das der Vorprüfung zugrunde gelegte avifaunistische Fachgutachten vom 17. November 2010 - angefertigt im Genehmigungsverfahren der WEA lfd. Nr. 22 - untersucht insbesondere die Brutvogelbestände bzw. Revierzentren von Kiebitz und Rohrweihe in einem Umkreis von 1000 bzw. 2000 m um den Standort der WEA lfd. Nr. 22. Die dort ermittelten Zahlen - namentlich die Anzahl der Brutpaare des Kiebitz - wurden in die hier zu beurteilende Vorprüfung und die hieraus resultierenden Nebenbestimmungen übernommen, obwohl sich das hier in den Blick zu nehmende Gebiet (1000 bis 2000 m um die südwestlich liegenden Standorte der WEA 5 und 6) mit dem untersuchten nicht einmal zur Hälfte überschneidet.
183In Bezug auf die Rohrweihe geht der Beklagte insoweit davon aus, dass sich auch durch das zwei Jahre vor Inbetriebnahme der beiden Windkraftanlagen anzulegende Ablenkungshabitat ein signifikant erhöhtes Kollisionsrisiko nicht sicher ausschließen lässt. Auch hier schreibt eine weitere Nebenbestimmung (Nr. IV.7.2) nunmehr ein Monitoring vor, ohne dass dem eine vertiefte Umweltuntersuchung vorausgegangen wäre.
1844. Der Verfahrensfehler verletzt die Kläger nach dem - unter I. näher begründeten - Ansatz des Senats im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in ihren Rechten. Denn die Verpflichtung zu einer - zumindest - dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG genügenden Vorprüfung ist auch den Interessen der Kläger als von der Genehmigung Betroffenen zu dienen bestimmt. Das abweichende Verständnis des § 4 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 UmwRG nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts führt an dieser Stelle zu keinem anderen Ergebnis. Danach liegt lediglich ein objektiv-rechtlicher Rechtsfehler vor. Dieser begründet jedoch ebenfalls einen Aufhebungsanspruch, weil § 4 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 UmwRG dies ausdrücklich anordnet und damit die Voraussetzung einer subjektiven Rechtsverletzung in § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verdrängt. Nach der einen wie der anderen Auffassung ergibt sich aus § 4 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 UmwRG zudem, dass die Aufhebung der Zulassungsentscheidung unabhängig davon beansprucht werden kann, ob der Verfahrensfehler die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat. § 46 VwVfG NRW findet keine Anwendung.
185Vgl. BT-Drs. 16/2495, S. 14; BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 - 9 A 30.10 -, DVBl. 2012, 501, juris Rn. 21; Ziekow, NuR 2014, 229, 231.
186Die Kostenentscheidung beruht unter Einbeziehung des rechtskräftig gewordenen Teils der Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 155 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
187Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
188Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
(1) Schutzgüter im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
Menschen, insbesondere die menschliche Gesundheit, - 2.
Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt, - 3.
Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, - 4.
kulturelles Erbe und sonstige Sachgüter sowie - 5.
die Wechselwirkung zwischen den vorgenannten Schutzgütern.
(2) Umweltauswirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind unmittelbare und mittelbare Auswirkungen eines Vorhabens oder der Durchführung eines Plans oder Programms auf die Schutzgüter. Dies schließt auch solche Auswirkungen des Vorhabens ein, die aufgrund von dessen Anfälligkeit für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, soweit diese schweren Unfälle oder Katastrophen für das Vorhaben relevant sind.
(3) Grenzüberschreitende Umweltauswirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Umweltauswirkungen eines Vorhabens in einem anderen Staat.
(4) Vorhaben im Sinne dieses Gesetzes sind nach Maßgabe der Anlage 1
- 1.
bei Neuvorhaben - a)
die Errichtung und der Betrieb einer technischen Anlage, - b)
der Bau einer sonstigen Anlage, - c)
die Durchführung einer sonstigen in Natur und Landschaft eingreifenden Maßnahme,
- 2.
bei Änderungsvorhaben - a)
die Änderung, einschließlich der Erweiterung, der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs einer technischen Anlage, - b)
die Änderung, einschließlich der Erweiterung, der Lage oder der Beschaffenheit einer sonstigen Anlage, - c)
die Änderung, einschließlich der Erweiterung, der Durchführung einer sonstigen in Natur und Landschaft eingreifenden Maßnahme.
(5) Windfarm im Sinne dieses Gesetzes sind drei oder mehr Windkraftanlagen, deren Einwirkungsbereich sich überschneidet und die in einem funktionalen Zusammenhang stehen, unabhängig davon, ob sie von einem oder mehreren Vorhabenträgern errichtet und betrieben werden. Ein funktionaler Zusammenhang wird insbesondere angenommen, wenn sich die Windkraftanlagen in derselben Konzentrationszone oder in einem Gebiet nach § 7 Absatz 3 des Raumordnungsgesetzes befinden.
(6) Zulassungsentscheidungen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
die Bewilligung, die Erlaubnis, die Genehmigung, der Planfeststellungsbeschluss und sonstige behördliche Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben, die in einem Verwaltungsverfahren getroffen werden, einschließlich des Vorbescheids, der Teilgenehmigung und anderer Teilzulassungen, mit Ausnahme von Anzeigeverfahren, - 2.
Linienbestimmungen und andere Entscheidungen in vorgelagerten Verfahren nach den §§ 47 und 49, - 3.
Beschlüsse nach § 10 des Baugesetzbuchs über die Aufstellung, Änderung oder Ergänzung von Bebauungsplänen, durch die die Zulässigkeit von bestimmten Vorhaben im Sinne der Anlage 1 begründet werden soll, sowie Beschlüsse nach § 10 des Baugesetzbuchs über Bebauungspläne, die Planfeststellungsbeschlüsse für Vorhaben im Sinne der Anlage 1 ersetzen.
(7) Pläne und Programme im Sinne dieses Gesetzes sind nur solche bundesrechtlich oder durch Rechtsakte der Europäischen Union vorgesehenen Pläne und Programme, die
- 1.
von einer Behörde ausgearbeitet und angenommen werden, - 2.
von einer Behörde zur Annahme durch eine Regierung oder im Wege eines Gesetzgebungsverfahrens ausgearbeitet werden oder - 3.
von einem Dritten zur Annahme durch eine Behörde ausgearbeitet werden.
(8) Öffentlichkeit im Sinne dieses Gesetzes sind einzelne oder mehrere natürliche oder juristische Personen sowie deren Vereinigungen.
(9) Betroffene Öffentlichkeit im Sinne dieses Gesetzes ist jede Person, deren Belange durch eine Zulassungsentscheidung oder einen Plan oder ein Programm berührt werden; hierzu gehören auch Vereinigungen, deren satzungsmäßiger Aufgabenbereich durch eine Zulassungsentscheidung oder einen Plan oder ein Programm berührt wird, darunter auch Vereinigungen zur Förderung des Umweltschutzes.
(10) Umweltprüfungen im Sinne dieses Gesetzes sind Umweltverträglichkeitsprüfungen und Strategische Umweltprüfungen.
(11) Einwirkungsbereich im Sinne dieses Gesetzes ist das geographische Gebiet, in dem Umweltauswirkungen auftreten, die für die Zulassung eines Vorhabens relevant sind.
(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde
- 1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen, - 2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.
(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.
(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde
- 1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen, - 2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.
(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.
(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b kann verlangt werden, wenn
- 1.
eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, nach der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder nach entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften - a)
erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder - b)
erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit
- 2.
eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 18 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder im Sinne von § 10 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist oder - 3.
ein anderer Verfahrensfehler vorliegt, der - a)
nicht geheilt worden ist, - b)
nach seiner Art und Schwere mit den in den Nummern 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar ist und - c)
der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat; zur Beteiligung am Entscheidungsprozess gehört auch der Zugang zu den Unterlagen, die zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind.
(1a) Für Verfahrensfehler, die nicht unter Absatz 1 fallen, gilt § 46 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Lässt sich durch das Gericht nicht aufklären, ob ein Verfahrensfehler nach Satz 1 die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat, wird eine Beeinflussung vermutet.
(1b) Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften führt nur dann zur Aufhebung der Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b oder 5, wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. Unberührt bleiben
- 1.
§ 45 Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sowie - 2.
§ 75 Absatz 1a des Verwaltungsverfahrensgesetzes und andere entsprechende Rechtsvorschriften zur Planerhaltung.
(2) Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Beschlüsse im Sinne des § 2 Absatz 6 Nummer 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung sind, gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 1b die §§ 214 und 215 und die diesbezüglichen Überleitungsvorschriften des Baugesetzbuchs sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(3) Die Absätze 1 bis 2 gelten für Rechtsbehelfe von
- 1.
Personen gemäß § 61 Nummer 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und Vereinigungen gemäß § 61 Nummer 2 der Verwaltungsgerichtsordnung sowie - 2.
Vereinigungen, die die Anforderungen des § 3 Absatz 1 oder des § 2 Absatz 2 erfüllen.
(4) Für Rechtsbehelfe von Vereinigungen nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 gegen Entscheidungen nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 sind die Absätze 1 bis 2 entsprechend anzuwenden. Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Raumordnungspläne nach dem Raumordnungsgesetz sind, gelten abweichend von Satz 1 die §§ 11 und 27 Absatz 2 des Raumordnungsgesetzes sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(5) Für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, 5 und 6 gelten bei Verfahrensfehlern die jeweiligen fachrechtlichen Regelungen sowie die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes.
(1) Dieses Gesetz ist anzuwenden auf Rechtsbehelfe gegen folgende Entscheidungen:
- 1.
Zulassungsentscheidungen im Sinne von § 2 Absatz 6 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung über die Zulässigkeit von Vorhaben, für die nach - a)
dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, - b)
der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder - c)
landesrechtlichen Vorschriften
- 2.
Genehmigungen für Anlagen, die in Spalte c des Anhangs 1 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen mit dem Buchstaben G gekennzeichnet sind, gegen Entscheidungen nach § 17 Absatz 1a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, gegen Erlaubnisse nach § 8 Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes für Gewässerbenutzungen, die mit einem Vorhaben im Sinne der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) verbunden sind, sowie gegen Planfeststellungsbeschlüsse für Deponien nach § 35 Absatz 2 des Kreislaufwirtschaftgesetzes; - 2a.
Genehmigungen für Anlagen nach § 23b Absatz 1 Satz 1 oder § 19 Absatz 4 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder Zulassungen für Betriebspläne nach § 57d Absatz 1 des Bundesberggesetzes; - 2b.
Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben, die benachbarte Schutzobjekte im Sinne des § 3 Absatz 5d des Bundes-Immissionsschutzgesetzes darstellen und die innerhalb des angemessenen Sicherheitsabstands zu einem Betriebsbereich nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes verwirklicht werden sollen und einer Zulassung nach landesrechtlichen Vorschriften bedürfen; - 3.
Entscheidungen nach dem Umweltschadensgesetz; - 4.
Entscheidungen über die Annahme von Plänen und Programmen im Sinne von § 2 Absatz 7 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung und im Sinne der entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften, für die nach - a)
Anlage 5 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder - b)
landesrechtlichen Vorschriften
- 5.
Verwaltungsakte oder öffentlich-rechtliche Verträge, durch die andere als in den Nummern 1 bis 2b genannte Vorhaben unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union zugelassen werden, und - 6.
Verwaltungsakte über Überwachungs- oder Aufsichtsmaßnahmen zur Umsetzung oder Durchführung von Entscheidungen nach den Nummern 1 bis 5, die der Einhaltung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union dienen.
- 1.
§ 44a der Verwaltungsgerichtsordnung, - 2.
§ 17 Absatz 3 Satz 3 bis 5 und § 19 Absatz 2 Satz 5 bis 7 des Standortauswahlgesetzes sowie - 3.
§ 15 Absatz 3 Satz 2 des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes Übertragungsnetz, § 17a Absatz 5 Satz 1 des Energiewirtschaftsgesetzes, § 6 Absatz 9 Satz 1 des Windenergie-auf-See-Gesetzes, § 47 Absatz 4 und § 49 Absatz 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung und andere entsprechende Rechtsvorschriften.
(2) Dieses Gesetz gilt auch im Bereich der ausschließlichen Wirtschaftszone oder des Festlandsockels im Rahmen der Vorgaben des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 (BGBl. 1994 II S. 1799, 1995 II S. 602).
(3) Soweit in Planfeststellungsverfahren, die Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 oder 5 unterfallen, Rechtsbehelfe nach diesem Gesetz eröffnet sind, wird § 64 Absatz 1 des Bundesnaturschutzgesetzes nicht angewendet.
(4) Umweltbezogene Rechtsvorschriften im Sinne dieses Gesetzes sind Bestimmungen, die sich zum Schutz von Mensch und Umwelt auf
- 1.
den Zustand von Umweltbestandteilen im Sinne von § 2 Absatz 3 Nummer 1 des Umweltinformationsgesetzes oder - 2.
Faktoren im Sinne von § 2 Absatz 3 Nummer 2 des Umweltinformationsgesetzes
(1) Die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b kann verlangt werden, wenn
- 1.
eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, nach der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder nach entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften - a)
erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder - b)
erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit
- 2.
eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 18 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder im Sinne von § 10 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist oder - 3.
ein anderer Verfahrensfehler vorliegt, der - a)
nicht geheilt worden ist, - b)
nach seiner Art und Schwere mit den in den Nummern 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar ist und - c)
der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat; zur Beteiligung am Entscheidungsprozess gehört auch der Zugang zu den Unterlagen, die zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind.
(1a) Für Verfahrensfehler, die nicht unter Absatz 1 fallen, gilt § 46 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Lässt sich durch das Gericht nicht aufklären, ob ein Verfahrensfehler nach Satz 1 die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat, wird eine Beeinflussung vermutet.
(1b) Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften führt nur dann zur Aufhebung der Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b oder 5, wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. Unberührt bleiben
- 1.
§ 45 Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sowie - 2.
§ 75 Absatz 1a des Verwaltungsverfahrensgesetzes und andere entsprechende Rechtsvorschriften zur Planerhaltung.
(2) Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Beschlüsse im Sinne des § 2 Absatz 6 Nummer 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung sind, gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 1b die §§ 214 und 215 und die diesbezüglichen Überleitungsvorschriften des Baugesetzbuchs sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(3) Die Absätze 1 bis 2 gelten für Rechtsbehelfe von
- 1.
Personen gemäß § 61 Nummer 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und Vereinigungen gemäß § 61 Nummer 2 der Verwaltungsgerichtsordnung sowie - 2.
Vereinigungen, die die Anforderungen des § 3 Absatz 1 oder des § 2 Absatz 2 erfüllen.
(4) Für Rechtsbehelfe von Vereinigungen nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 gegen Entscheidungen nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 sind die Absätze 1 bis 2 entsprechend anzuwenden. Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Raumordnungspläne nach dem Raumordnungsgesetz sind, gelten abweichend von Satz 1 die §§ 11 und 27 Absatz 2 des Raumordnungsgesetzes sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(5) Für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, 5 und 6 gelten bei Verfahrensfehlern die jeweiligen fachrechtlichen Regelungen sowie die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes.
(1) Wird ein Vorhaben geändert, für das eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist, so besteht für das Änderungsvorhaben die UVP-Pflicht, wenn
- 1.
allein die Änderung die Größen- oder Leistungswerte für eine unbedingte UVP-Pflicht gemäß § 6 erreicht oder überschreitet oder - 2.
die allgemeine Vorprüfung ergibt, dass die Änderung zusätzliche erhebliche nachteilige oder andere erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen hervorrufen kann.
(2) Wird ein Vorhaben geändert, für das keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist, so besteht für das Änderungsvorhaben die UVP-Pflicht, wenn das geänderte Vorhaben
- 1.
den Größen- oder Leistungswert für die unbedingte UVP-Pflicht gemäß § 6 erstmals erreicht oder überschreitet oder - 2.
einen in Anlage 1 angegebenen Prüfwert für die Vorprüfung erstmals oder erneut erreicht oder überschreitet und eine Vorprüfung ergibt, dass die Änderung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen hervorrufen kann.
(3) Wird ein Vorhaben geändert, für das keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist, so wird für das Änderungsvorhaben eine Vorprüfung durchgeführt, wenn für das Vorhaben nach Anlage 1
- 1.
eine UVP-Pflicht besteht und dafür keine Größen- oder Leistungswerte vorgeschrieben sind oder - 2.
eine Vorprüfung, aber keine Prüfwerte vorgeschrieben sind.
(4) Für die Vorprüfung bei Änderungsvorhaben gilt § 7 entsprechend.
(5) Der in den jeweiligen Anwendungsbereich der Richtlinien 85/337/EWG und 97/11/EG fallende, aber vor Ablauf der jeweiligen Umsetzungsfristen erreichte Bestand bleibt hinsichtlich des Erreichens oder Überschreitens der Größen- oder Leistungswerte und der Prüfwerte unberücksichtigt.
(1) Die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b kann verlangt werden, wenn
- 1.
eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, nach der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder nach entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften - a)
erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder - b)
erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit
- 2.
eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 18 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder im Sinne von § 10 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist oder - 3.
ein anderer Verfahrensfehler vorliegt, der - a)
nicht geheilt worden ist, - b)
nach seiner Art und Schwere mit den in den Nummern 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar ist und - c)
der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat; zur Beteiligung am Entscheidungsprozess gehört auch der Zugang zu den Unterlagen, die zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind.
(1a) Für Verfahrensfehler, die nicht unter Absatz 1 fallen, gilt § 46 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Lässt sich durch das Gericht nicht aufklären, ob ein Verfahrensfehler nach Satz 1 die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat, wird eine Beeinflussung vermutet.
(1b) Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften führt nur dann zur Aufhebung der Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b oder 5, wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. Unberührt bleiben
- 1.
§ 45 Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sowie - 2.
§ 75 Absatz 1a des Verwaltungsverfahrensgesetzes und andere entsprechende Rechtsvorschriften zur Planerhaltung.
(2) Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Beschlüsse im Sinne des § 2 Absatz 6 Nummer 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung sind, gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 1b die §§ 214 und 215 und die diesbezüglichen Überleitungsvorschriften des Baugesetzbuchs sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(3) Die Absätze 1 bis 2 gelten für Rechtsbehelfe von
- 1.
Personen gemäß § 61 Nummer 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und Vereinigungen gemäß § 61 Nummer 2 der Verwaltungsgerichtsordnung sowie - 2.
Vereinigungen, die die Anforderungen des § 3 Absatz 1 oder des § 2 Absatz 2 erfüllen.
(4) Für Rechtsbehelfe von Vereinigungen nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 gegen Entscheidungen nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 sind die Absätze 1 bis 2 entsprechend anzuwenden. Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Raumordnungspläne nach dem Raumordnungsgesetz sind, gelten abweichend von Satz 1 die §§ 11 und 27 Absatz 2 des Raumordnungsgesetzes sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(5) Für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, 5 und 6 gelten bei Verfahrensfehlern die jeweiligen fachrechtlichen Regelungen sowie die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes.
Fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, sind
- 1.
natürliche und juristische Personen, - 2.
Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann, - 3.
Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt.
(1) Die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b kann verlangt werden, wenn
- 1.
eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, nach der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder nach entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften - a)
erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder - b)
erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit
- 2.
eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 18 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder im Sinne von § 10 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist oder - 3.
ein anderer Verfahrensfehler vorliegt, der - a)
nicht geheilt worden ist, - b)
nach seiner Art und Schwere mit den in den Nummern 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar ist und - c)
der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat; zur Beteiligung am Entscheidungsprozess gehört auch der Zugang zu den Unterlagen, die zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind.
(1a) Für Verfahrensfehler, die nicht unter Absatz 1 fallen, gilt § 46 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Lässt sich durch das Gericht nicht aufklären, ob ein Verfahrensfehler nach Satz 1 die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat, wird eine Beeinflussung vermutet.
(1b) Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften führt nur dann zur Aufhebung der Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b oder 5, wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. Unberührt bleiben
- 1.
§ 45 Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sowie - 2.
§ 75 Absatz 1a des Verwaltungsverfahrensgesetzes und andere entsprechende Rechtsvorschriften zur Planerhaltung.
(2) Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Beschlüsse im Sinne des § 2 Absatz 6 Nummer 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung sind, gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 1b die §§ 214 und 215 und die diesbezüglichen Überleitungsvorschriften des Baugesetzbuchs sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(3) Die Absätze 1 bis 2 gelten für Rechtsbehelfe von
- 1.
Personen gemäß § 61 Nummer 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und Vereinigungen gemäß § 61 Nummer 2 der Verwaltungsgerichtsordnung sowie - 2.
Vereinigungen, die die Anforderungen des § 3 Absatz 1 oder des § 2 Absatz 2 erfüllen.
(4) Für Rechtsbehelfe von Vereinigungen nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 gegen Entscheidungen nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 sind die Absätze 1 bis 2 entsprechend anzuwenden. Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Raumordnungspläne nach dem Raumordnungsgesetz sind, gelten abweichend von Satz 1 die §§ 11 und 27 Absatz 2 des Raumordnungsgesetzes sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(5) Für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, 5 und 6 gelten bei Verfahrensfehlern die jeweiligen fachrechtlichen Regelungen sowie die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes.
(1) Dieses Gesetz ist anzuwenden auf Rechtsbehelfe gegen folgende Entscheidungen:
- 1.
Zulassungsentscheidungen im Sinne von § 2 Absatz 6 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung über die Zulässigkeit von Vorhaben, für die nach - a)
dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, - b)
der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder - c)
landesrechtlichen Vorschriften
- 2.
Genehmigungen für Anlagen, die in Spalte c des Anhangs 1 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen mit dem Buchstaben G gekennzeichnet sind, gegen Entscheidungen nach § 17 Absatz 1a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, gegen Erlaubnisse nach § 8 Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes für Gewässerbenutzungen, die mit einem Vorhaben im Sinne der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) verbunden sind, sowie gegen Planfeststellungsbeschlüsse für Deponien nach § 35 Absatz 2 des Kreislaufwirtschaftgesetzes; - 2a.
Genehmigungen für Anlagen nach § 23b Absatz 1 Satz 1 oder § 19 Absatz 4 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder Zulassungen für Betriebspläne nach § 57d Absatz 1 des Bundesberggesetzes; - 2b.
Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben, die benachbarte Schutzobjekte im Sinne des § 3 Absatz 5d des Bundes-Immissionsschutzgesetzes darstellen und die innerhalb des angemessenen Sicherheitsabstands zu einem Betriebsbereich nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes verwirklicht werden sollen und einer Zulassung nach landesrechtlichen Vorschriften bedürfen; - 3.
Entscheidungen nach dem Umweltschadensgesetz; - 4.
Entscheidungen über die Annahme von Plänen und Programmen im Sinne von § 2 Absatz 7 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung und im Sinne der entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften, für die nach - a)
Anlage 5 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder - b)
landesrechtlichen Vorschriften
- 5.
Verwaltungsakte oder öffentlich-rechtliche Verträge, durch die andere als in den Nummern 1 bis 2b genannte Vorhaben unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union zugelassen werden, und - 6.
Verwaltungsakte über Überwachungs- oder Aufsichtsmaßnahmen zur Umsetzung oder Durchführung von Entscheidungen nach den Nummern 1 bis 5, die der Einhaltung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union dienen.
- 1.
§ 44a der Verwaltungsgerichtsordnung, - 2.
§ 17 Absatz 3 Satz 3 bis 5 und § 19 Absatz 2 Satz 5 bis 7 des Standortauswahlgesetzes sowie - 3.
§ 15 Absatz 3 Satz 2 des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes Übertragungsnetz, § 17a Absatz 5 Satz 1 des Energiewirtschaftsgesetzes, § 6 Absatz 9 Satz 1 des Windenergie-auf-See-Gesetzes, § 47 Absatz 4 und § 49 Absatz 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung und andere entsprechende Rechtsvorschriften.
(2) Dieses Gesetz gilt auch im Bereich der ausschließlichen Wirtschaftszone oder des Festlandsockels im Rahmen der Vorgaben des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 (BGBl. 1994 II S. 1799, 1995 II S. 602).
(3) Soweit in Planfeststellungsverfahren, die Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 oder 5 unterfallen, Rechtsbehelfe nach diesem Gesetz eröffnet sind, wird § 64 Absatz 1 des Bundesnaturschutzgesetzes nicht angewendet.
(4) Umweltbezogene Rechtsvorschriften im Sinne dieses Gesetzes sind Bestimmungen, die sich zum Schutz von Mensch und Umwelt auf
- 1.
den Zustand von Umweltbestandteilen im Sinne von § 2 Absatz 3 Nummer 1 des Umweltinformationsgesetzes oder - 2.
Faktoren im Sinne von § 2 Absatz 3 Nummer 2 des Umweltinformationsgesetzes
(1) Die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b kann verlangt werden, wenn
- 1.
eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, nach der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder nach entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften - a)
erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder - b)
erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit
- 2.
eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 18 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder im Sinne von § 10 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist oder - 3.
ein anderer Verfahrensfehler vorliegt, der - a)
nicht geheilt worden ist, - b)
nach seiner Art und Schwere mit den in den Nummern 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar ist und - c)
der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat; zur Beteiligung am Entscheidungsprozess gehört auch der Zugang zu den Unterlagen, die zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind.
(1a) Für Verfahrensfehler, die nicht unter Absatz 1 fallen, gilt § 46 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Lässt sich durch das Gericht nicht aufklären, ob ein Verfahrensfehler nach Satz 1 die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat, wird eine Beeinflussung vermutet.
(1b) Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften führt nur dann zur Aufhebung der Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b oder 5, wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. Unberührt bleiben
- 1.
§ 45 Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sowie - 2.
§ 75 Absatz 1a des Verwaltungsverfahrensgesetzes und andere entsprechende Rechtsvorschriften zur Planerhaltung.
(2) Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Beschlüsse im Sinne des § 2 Absatz 6 Nummer 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung sind, gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 1b die §§ 214 und 215 und die diesbezüglichen Überleitungsvorschriften des Baugesetzbuchs sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(3) Die Absätze 1 bis 2 gelten für Rechtsbehelfe von
- 1.
Personen gemäß § 61 Nummer 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und Vereinigungen gemäß § 61 Nummer 2 der Verwaltungsgerichtsordnung sowie - 2.
Vereinigungen, die die Anforderungen des § 3 Absatz 1 oder des § 2 Absatz 2 erfüllen.
(4) Für Rechtsbehelfe von Vereinigungen nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 gegen Entscheidungen nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 sind die Absätze 1 bis 2 entsprechend anzuwenden. Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Raumordnungspläne nach dem Raumordnungsgesetz sind, gelten abweichend von Satz 1 die §§ 11 und 27 Absatz 2 des Raumordnungsgesetzes sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.
(5) Für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, 5 und 6 gelten bei Verfahrensfehlern die jeweiligen fachrechtlichen Regelungen sowie die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes.
(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn
- 1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird; - 2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird; - 3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird; - 4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird; - 5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.
(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.
(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.
(1) Es ist verboten,
- 1.
wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören, - 2.
wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert, - 3.
Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören, - 4.
wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören
(2) Es ist ferner verboten,
- 1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten (Besitzverbote), - 2.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b und c - a)
zu verkaufen, zu kaufen, zum Verkauf oder Kauf anzubieten, zum Verkauf vorrätig zu halten oder zu befördern, zu tauschen oder entgeltlich zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen, - b)
zu kommerziellen Zwecken zu erwerben, zur Schau zu stellen oder auf andere Weise zu verwenden
(3) Die Besitz- und Vermarktungsverbote gelten auch für Waren im Sinne des Anhangs der Richtlinie 83/129/EWG, die entgegen den Artikeln 1 und 3 dieser Richtlinie nach dem 30. September 1983 in die Gemeinschaft gelangt sind.
(4) Entspricht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung und die Verwertung der dabei gewonnenen Erzeugnisse den in § 5 Absatz 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis, verstößt sie nicht gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote. Sind in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Arten, europäische Vogelarten oder solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, betroffen, gilt dies nur, soweit sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert. Soweit dies nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen, insbesondere durch Maßnahmen des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche Vereinbarungen oder gezielte Aufklärung sichergestellt ist, ordnet die zuständige Behörde gegenüber den verursachenden Land-, Forst- oder Fischwirten die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben an. Befugnisse nach Landesrecht zur Anordnung oder zum Erlass entsprechender Vorgaben durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung bleiben unberührt.
(5) Für nach § 15 Absatz 1 unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassen oder von einer Behörde durchgeführt werden, sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen
- 1.
das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann, - 2.
das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unvermeidbar sind, - 3.
das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.
(6) Die Zugriffs- und Besitzverbote gelten nicht für Handlungen zur Vorbereitung gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen, die von fachkundigen Personen unter größtmöglicher Schonung der untersuchten Exemplare und der übrigen Tier- und Pflanzenwelt im notwendigen Umfang vorgenommen werden. Die Anzahl der verletzten oder getöteten Exemplare von europäischen Vogelarten und Arten der in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten ist von der fachkundigen Person der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde jährlich mitzuteilen.
(1) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn
- 1.
sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und - 2.
andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.
(2) Bei Anlagen, die unterschiedlichen Betriebsweisen dienen oder in denen unterschiedliche Stoffe eingesetzt werden (Mehrzweck- oder Vielstoffanlagen), ist die Genehmigung auf Antrag auf die unterschiedlichen Betriebsweisen und Stoffe zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 1 für alle erfassten Betriebsweisen und Stoffe erfüllt sind.
(3) Eine beantragte Änderungsgenehmigung darf auch dann nicht versagt werden, wenn zwar nach ihrer Durchführung nicht alle Immissionswerte einer Verwaltungsvorschrift nach § 48 oder einer Rechtsverordnung nach § 48a eingehalten werden, wenn aber
- 1.
der Immissionsbeitrag der Anlage unter Beachtung des § 17 Absatz 3a Satz 3 durch das Vorhaben deutlich und über das durch nachträgliche Anordnungen nach § 17 Absatz 1 durchsetzbare Maß reduziert wird, - 2.
weitere Maßnahmen zur Luftreinhaltung, insbesondere Maßnahmen, die über den Stand der Technik bei neu zu errichtenden Anlagen hinausgehen, durchgeführt werden, - 3.
der Antragsteller darüber hinaus einen Immissionsmanagementplan zur Verringerung seines Verursacheranteils vorlegt, um eine spätere Einhaltung der Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 1 zu erreichen, und - 4.
die konkreten Umstände einen Widerruf der Genehmigung nicht erfordern.
(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; - 2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; - 3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; - 4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.
(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung
- 1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, - 2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und - 3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.
(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 19. März 2010 geändert.
Der immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbescheid der Bezirksregierung Münster vom 5. Juli 2006 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 27. September 2006 und vom 13. November 2013, des Teilverzichts der Beigeladenen vom 26. Juni 2007 sowie des Widerspruchsbescheids vom 3. Februar 2009 wird aufgehoben, soweit er die Windenergieanlagen WEA 5 und 6 betrifft.
Die Kosten des Verfahrens erster Instanz einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Kläger zur Hälfte, der Beklagte und die Beigeladene jeweils zu einem Viertel. Die Kosten des Verfahrens zweiter Instanz tragen der Beklagte und die Beigeladene je zur Hälfte mit Ausnahme ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten, die sie jeweils selbst tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Kläger wenden sich gegen eine der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur „wesentlichen Änderung von sieben Windkraftanlagen in der Windfarm T. “, soweit diese die Anlagen WEA 5 und 6 betrifft.
3Die Klägerin zu 1. ist Eigentümerin des Anwesens B. in T. , Gemarkung B1. , Flur , Flurstücke und . Das Grundstück liegt im bauplanungsrechtlichen Außenbereich am Südrand des im Gebietsentwicklungsplan für den Regierungsbezirk N. (Teilabschnitt N1. , Teil 3: Eignungsbereiche für erneuerbare Energien/Windkraft, bekannt gemacht am 12. November 1998, GV.NRW. S. 606) dargestellten Windenergieeignungsbereichs WAF 11 und südlich der im Flächennutzungsplan der Stadt T. ausgewiesenen Windkraftkonzentrationszone. Es ist mit einem Wohnhaus bebaut, das die Kläger selbst bewohnen, sowie Nebenanlagen, die im Wesentlichen der Pferdezucht und Pensionspferdehaltung der Kläger dienen.
4In den Jahren 2003 und 2004 erteilte der Landrat des Kreises Warendorf verschiedenen Bauherren Baugenehmigungen für die Errichtung von Windkraftanlagen an den Standorten, auf die sich die streitbefangene immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung bezieht. Unter anderem wurden am 28. Januar 2003 zwei Windkraftanlagen mit 85 m Nabenhöhe, 70 m Rotordurchmesser und 1.800 kW Nennleistung (Typ Enercon E 66/18.70) auf den Grundstücken Gemarkung B1. Flur , Flurstück und Flur , Flurstück baurechtlich genehmigt. Dabei handelt es sich nach der Zählung des späteren immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheids vom 5. Juli 2006, die auch im Folgenden verwendet wird, um die Standorte der WEA 5 und 6 (in der vom Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Gesamtübersicht: WEA lfd. Nr. 4 und 5). Diese Standorte liegen - ebenso wie die Standorte der weiteren mit der streitbefangenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung genehmigten Windkraftanlagen WEA 1 bis 4 und 7 - innerhalb des im o. g. Gebietsentwicklungsplan dargestellten Windeignungsbereichs WAF 11 und der - damit teilweise deckungsgleichen - im Flächennutzungsplan der Stadt T. (in der Fassung der 14. Änderung, rechtswirksam seit 22. März 2002) ausgewiesenen Konzentrationszone für Windenergie „B. /B2. “.
5Der Erteilung der Baugenehmigungen war für die Windkraftanlagen an den Standorten WEA 5, 6 und 8 eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls vorausgegangen. Sie kam zu dem Ergebnis, dass es einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht bedürfe. Für die an den Standorten WEA 1, 2 und 3 baugenehmigten Windkraftanlagen liegt eine im November 2003 erstellte allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls des Ing.-Büros d. vor. Diese kommt - unter Berücksichtigung der weiteren zu diesem Zeitpunkt genehmigten bzw. beantragten Windkraftanlagen, also auch der (damaligen) WEA 5, 6 und 8 - zu dem Ergebnis, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung entbehrlich sei.
6Die Baugenehmigungen galten ab dem 1. Juli 2005 als immissionsschutzrechtliche Genehmigungen fort (§ 67 Abs. 9 Satz 1 BImSchG). Die davon erfassten Anlagen wurden jedoch nie errichtet.
7Unter dem 25. Juli 2005 zeigte die Beigeladene als neue Vorhabenträgerin der Bezirksregierung gemäß § 15 BImSchG eine Änderung der sieben genehmigten Windkraftanlagen an, wonach nunmehr der technisch optimierte Anlagentyp E-70 E 4 errichtet werden solle. Auf Betreiben des Staatlichen Umweltamts N. wurde der Beigeladenen mitgeteilt, dass es sich bei der Umplanung um eine wesentliche Änderung handele, die gemäß § 16 BImSchG genehmigungsbedürftig sei.
8Unter dem 21. Dezember 2005 beantragte die Beigeladene die Erteilung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen gemäß § 16 BImSchG zur Änderung der Beschaffenheit der Windkraftanlagen WEA 1 bis 7 (lfd. Nr. 4 bis 10) an den Standorten, für die zuvor Baugenehmigungen für vergleichbar dimensionierte Anlagen erteilt worden waren, welche zwischenzeitlich kraft Gesetzes als immissionsschutzrechtliche Genehmigungen fortgalten. An die Stelle des bisher genehmigten Anlagentyps Enercon E-66/18.70 sollte nunmehr jeweils der Anlagentyp Enercon E-70 E 4, Nennleistung 2.000 kW, treten. In der Windkraftkonzentrationszone waren zu diesem Zeitpunkt bereits etliche Windkraftanlagen beantragt, z.T. auch genehmigt und errichtet (WEA lfd. Nr. 1, 12 bis 18 und 21).
9Im Rahmen einer als „standortbezogen“ bezeichneten Vorprüfung (vgl. § 3c UVPG) gelangte der Beklagte - trotz Bedenken der Anlieger einschließlich der Kläger - im Anschluss an die entsprechende Prüfung der Baugenehmigungsbehörde aus dem Jahr 2003 zu der Auffassung, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erforderlich sei. Mit der geringfügigen technischen Optimierung der Windkraftanlagen, deren Standorte unverändert blieben, seien keine relevanten Umweltauswirkungen verbunden. Die Entscheidung wurde am 26. Juni 2006 bekannt gemacht.
10Durch Bescheid vom 5. Juli 2006 erteilte der Beklagte der Beigeladenen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung unter Auflagen. Die von dieser Genehmigung erfassten WEA 1 bis 3 haben bei einer Nabenhöhe von 98,20 m und einem Rotordurchmesser von 71 m eine Gesamthöhe von 133,70 m. Die WEA 4 bis 7 haben bei einer Nabenhöhe von 85 m und einem Rotordurchmesser von 71 m eine Gesamthöhe von 120,50 m. Die dem Wohnhaus der Kläger nächstgelegene WEA 6 soll in einem Abstand von 352 m (197 m zur Grundstücksgrenze), die WEA 5 in einem Abstand von 624 m (472 m zur Grundstücksgrenze) errichtet werden.
11Gegen diese Genehmigung erhoben die Kläger Widerspruch. Sie legten ein von ihnen in Auftrag gegebenes „Vogelkundliches Gutachten für den Windkraft Eignungsbereich T. “ des Diplom-Landschaftsökologen H. vor und machten geltend, es bedürfe einer Umweltverträglichkeitsprüfung.
12Mit Schreiben vom 27. September 2006 ordnete die Bezirksregierung die sofortige Vollziehung des Genehmigungsbescheides an. Mit Änderungsbescheid vom gleichen Tag berichtigte sie redaktionelle Fehler des Bescheids vom 5. Juli 2006.
13Das Verwaltungsgericht gab dem Antrag der Kläger auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs hinsichtlich der WEA 6 insbesondere wegen einer möglichen optisch bedrängenden Wirkung dieser Anlage statt; im Übrigen lehnte es den Antrag ab (10 L 889/06). Auf die Beschwerde der Beigeladenen lehnte der Senat den Antrag mit Beschluss vom 25. Juli 2007 insgesamt ab (8 B 259/07). Mit Schreiben vom 26. Juni 2007 hatte die Beigeladene nach gerichtlichem Hinweis darauf, dass die Nichtberücksichtigung der Vorbelastung durch andere Windkraftanlagen bei der Ermittlung der Gesamtbelastung nicht unproblematisch sei, auf die Genehmigung des Nachtbetriebs der WEA 6 in der Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr verzichtet.
14Die Windkraftanlagen WEA 1 bis 4 und 7 wurden sodann errichtet und im Juli 2008 in Betrieb genommen.
15Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 2009, zugestellt am 6. Februar 2009, wies der Beklagte - nach Durchführung einer Ortsbesichtigung - den Widerspruch der Kläger zurück.
16Die Kläger haben am 5. März 2009 Anfechtungsklage erhoben, die sie kurz darauf unter Rücknahme der Klage im Übrigen auf die Windkraftanlagen WEA 5 und 6 beschränkt haben.
17Sie haben geltend gemacht, die Genehmigung sei unter Verletzung der Verfahrensvorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung zustande gekommen, weil eine Umweltverträglichkeitsprüfung und damit die Durchführung eines förmlichen Genehmigungsverfahrens nach § 10 BImSchG rechtswidrig unterblieben seien. Aufgrund des vom Beklagten durchgeführten Screening-Verfahrens habe nicht ermessensfehlerfrei davon ausgegangen werden können, dass das Vorhaben keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen haben könne. Die im Jahr 2003 durchgeführte Vorprüfung sei unzureichend. Die Voraussetzungen, unter denen eine Vorprüfung schon vor Antrag auf Zulassung des jeweiligen Vorhabens erfolgen könne, lägen nicht vor. Zudem habe es sich lediglich um eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls gehandelt. Bei sieben genehmigten Anlagen wäre demgegenüber eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls erforderlich gewesen. Aufgrund des räumlichen Zusammenhangs mit der Anlage des Herrn M. und sechs weiteren Anlagen der Q. GmbH seien insgesamt sogar 14 Windkraftanlagen bei der Vorprüfung in den Blick zu nehmen. Das Gebiet sei inzwischen im Hinblick auf das unverwechselbare Landschaftsbild mit seinen gebietsprägenden Riegelhecken und die natürliche Schutzfunktion des Biotops für die dort lebenden Wildtiere in die Förderkulisse des Kreiskulturlandschaftsprogramms aufgenommen worden. Es sei damit als - besonders schutzwürdiges - Biosphären-Reservat gemäß § 25 BNatSchG einzuordnen. Nach dem vogelkundlichen Gutachten vom 7. September 2006 handele es sich um ein Brut‑, Rast- und Rückzugsgebiet für zahlreiche gefährdete Vogelarten wie Rohrweihe, Kiebitz, Steinkautz, Wespenbussard und Rotmilan. Das Vorhaben entfalte auch eine erhebliche Barrierewirkung für Zugvögel. Den Verfahrensvorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung komme drittschützende Wirkung zu. Die Kläger gehörten zu der geschützten betroffenen Öffentlichkeit, weil ihnen Nachteile von einigem Gewicht drohten. Sie betätigten sich im professionellen Reitsport und unterrichteten eine internationale Klientel an Reitschülern mit hohen Ansprüchen. Windkraftanlagen in den beabsichtigten Entfernungen von 150-200 m zu der Rennbahn der Kläger seien geeignet, die Reiter und Hochleistungspferde abzulenken und zu stören. Die Anlagen verstießen schließlich gegen das Gebot der Rücksichtnahme, weil sie optisch bedrängend wirkten. Vom Wohnhaus der Kläger aus liege nur noch in einer Himmelsrichtung keine Windenergieanlage im Blickfeld.
18Die Kläger haben beantragt,
19den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 5. Juli 2006 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 27. September 2006 und des Teilverzichts der Beigeladenen vom 26. Juni 2007 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 3. Februar 2009 aufzuheben, soweit die Windenergieanlagen 5 und 6 betroffen sind, welche dem Anwesen der Kläger am nächsten gelegen sind.
20Der Beklagte und die Beigeladene haben beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Der Beklagte hat geltend gemacht, eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei nicht erforderlich gewesen. Die im Jahr 2006 genehmigten Änderungen der bestandskräftig baugenehmigten Windkraftanlagen seien mit Bezug auf die Umweltauswirkungen geringfügig gewesen. Ungeachtet dessen ergebe sich auch unter Geltung des Umweltrechtsbehelfsgesetzes allein aus dem Unterbleiben einer erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung keine Klagebefugnis. Erforderlich sei eine materiell-rechtliche Rechtsverletzung des Nachbarn, an der es hier fehle.
23Das Verwaltungsgericht hat die Klage, soweit sie aufrecht erhalten worden ist, durch Urteil vom 19. März 2010 abgewiesen.
24Gegen das Urteil haben die Kläger die vom Senat zugelassene Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens hat der Beklagte eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls nachträglich durchgeführt und am 30. August 2013 vorgelegt. Diese untersucht u. a. im Rahmen einer Artenschutzprüfung eine mögliche Gefährdung von Vögeln und Fledermäusen und kommt zu dem Ergebnis, dass eine eingehendere Betrachtung erheblicher Umwelteinwirkungen im Wege einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erforderlich sei. Um die Einhaltung der artenschutzrechtlichen Anforderungen sicherzustellen, seien jedoch nachträglich Nebenbestimmungen in die Zulassung aufzunehmen.
25Mit Änderungsbescheid vom 13. November 2013 ist der Genehmigungsbescheid entsprechend dem Ergebnis der allgemeinen Vorprüfung gemäß § 12 BImSchG mit zusätzlichen Nebenbestimmungen versehen worden. Danach ist zum Schutz der örtlichen Population der Rohrweihe im Rahmen des Risikomanagements mindestens 2 Jahre vor Inbetriebnahme der WEA 5 und 6 (lfd. Nr. 4 und 5) südwestlich des Windparks T. in mindestens 1000 Meter Entfernung von der nächstgelegenen Windkraftanlage ein näher umschriebenes Ablenkungshabitat anzulegen (IV. 7. 1.). Nach Errichtung und Inbetriebnahme der WEA 5 und 6 ist im Bereich aller Windkraftanlagen der Beigeladenen in der Brut- und Zugzeit von Anfang März bis Ende Oktober ein fünfjähriges Monitoring (Bruterfolg, Schlagopfersuche, Annahme des Ablenkungshabitats) für die Rohrweihe durchzuführen. Sollte dieses ein erhöhtes Kollisionsrisiko ergeben, sind entsprechende Abschaltzeiten in der Brut- oder Zugzeit oder in bestimmten Stadien der Bewirtschaftung der umliegenden Felder festzulegen, wenn nicht der Schutz der Rohrweihe durch anderweitige Maßnahmen sichergestellt werden kann (IV. 7. 2.). Zum Schutz des Kiebitz’ ist vor Errichtung der WEA 5 und 6 für jedes der 6 festgestellten Brutpaare eine mindestens 1,5 ha große Extensivgrünlandfläche mit einer mindestens 0,3 ha großen Blänke anzulegen (IV. 7. 3.). Die Errichtung der WEA 5 und 6 sowie alle vorbereitenden Maßnahmen vor Ort sind nur außerhalb der Brutzeit vom 15. März bis 15. Juni erlaubt (IV. 7. 4.). Zum Schutz von Fledermäusen ist nach Errichtung und Inbetriebnahme der WEA 5 und 6 im Bereich aller Windkraftanlagen der Beigeladenen in der Zeit von Anfang April bis Ende Oktober ein dreijähriges akustisches Monitoring durchzuführen. In der Folge sind – sofern aufgrund der Ergebnisse erforderlich – geeignete Maßnahmen (Abschaltalgorithmen) zur Verminderung des Kollisionsrisikos zu treffen (IV. 7. 5.).
26Am 15. November 2013 sind die Nachholung und das Ergebnis der allgemeinen Vorprüfung im Amtsblatt für den Regierungsbezirk N. , in der örtlichen Presse und auf der Internetseite der Bezirksregierung N. bekannt gemacht worden.
27Zur Begründung der Berufung haben die Kläger zunächst auf ihr Zulassungsvorbringen und den Zulassungsbeschluss des Senats Bezug genommen. Sie könnten gemäß § 4 Abs. 1 UmwRG die Aufhebung der angefochtenen Genehmigung verlangen, weil der Beklagte - auch der Sache nach - keine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls, sondern lediglich eine standortbezogene Vorprüfung vorgenommen habe. Das Umweltrechtsbehelfsgesetz sei in zeitlicher Hinsicht anwendbar. Ein Artikel aus der Welt am Sonntag belege das Bedürfnis, gerade auch Anliegern als betroffener Öffentlichkeit einen eigenen Aufhebungsanspruch gegen Genehmigungen zuzubilligen.
28Ergänzend tragen die Kläger vor: Die UVP-Vorprüfung sei nicht wirksam nachgeholt worden. Der mit dem Verfahrenserfordernis verfolgte Zweck könne im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr erreicht werden, wenn das angefochtene Vorhaben vor Nachholung des Verfahrensschritts bereits ganz oder teilweise ausgeführt und es hierdurch zu Umweltauswirkungen der Art gekommen sei, dass es nun nichts mehr zu schützen gebe. Es müsse ermittelt werden und noch ermittelbar sein, ob das Projekt vor Erteilung der Genehmigung einer Umweltverträglichkeitsprüfung hätte unterzogen werden müssen. Nach Errichtung von Windkraftanlagen und Aufnahme ihres Betriebs könne jedoch nicht mehr festgestellt werden, ob dies bereits zu einem Wegzug windenergieempfindlicher, planungsrelevanter Vogelarten geführt habe. Zentrales Anliegen der UVP-Richtlinie sei die frühzeitige Teilhabe und Information der betroffenen Öffentlichkeit. Eine unbegrenzte Nachholungsmöglichkeit öffne einer Umgehung Tür und Tor.
29Jedenfalls entspreche auch die nachgeholte UVP-Vorprüfung nicht den Vorgaben des § 3c UVPG. Sie stelle fehlerhaft nicht auf den Zustand vor Errichtung aller sieben genehmigten Windkraftanlagen ab, sondern auf den jetzigen Zustand. Die deutliche Prägung des Gebiets von Anlagen zur Windenergienutzung, von der die Vorprüfung ausgehe, sei erst durch die aufgrund des streitgegenständlichen Genehmigungsbescheids errichteten Anlagen entstanden. Die Aufnahme des betroffenen Gebiets in das Kreiskulturlandschaftsprogramm des Kreises X. sei nicht berücksichtigt worden. Gleiches gelte für das vogelkundliche Gutachten des Sachverständigen H. , das über das Arteninventar zum - maßgeblichen - Zeitpunkt vor Ausführung des Vorhabens Aufschluss gebe. Es habe 26 Brutpaare Kiebitze nachgewiesen, damit habe sich der gesamte Bestand inzwischen um ¾ reduziert. Der Bestand an Rohrweihen sei vermutlich bereits zum Zeitpunkt der damaligen Begutachtung durch Tötungen infolge Kollisionen dezimiert gewesen. Die Bezirksregierung habe selbst einen so gravierenden Eingriff in die Avifauna festgestellt, dass zu dessen Vermeidung die Genehmigung nachträglich mit umfangreichen Auflagen zum Vogelschutz habe versehen werden müssen. Unter derartigen Umständen seien die Auswirkungen eines Vorhabens nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch als erheblich einzustufen, soweit nicht bereits im Antrag des Vorhabenträgers Vermeidungs- oder Verminderungsmaßnahmen enthalten seien, die nachteilige Umweltauswirkungen offensichtlich ausschlössen.
30Die Kläger beantragen,
31unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts N. den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid der Bezirksregierung N. vom 5. Juli 2006 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 27. September 2006 und vom 13. November 2013, des Teilverzichts der Beigeladenen vom 26. Juni 2007 sowie des Widerspruchsbescheids vom 3. Februar 2009 aufzuheben, soweit er die Windenergieanlagen WEA 5 und 6 betrifft.
32Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
33die Berufung zurückzuweisen.
34Der Beklagte macht geltend, die streitbefangenen Windkraftanlagen befänden sich in ausgewiesenen Windkraftkonzentrationszonen, bei deren Festsetzung bereits naturschutzfachliche Belange berücksichtigt worden seien. Im Rahmen der vorausgegangenen Baugenehmigungsverfahren seien standortbezogene Prüfungen des Einzelfalls durchgeführt worden. Dabei seien deutlich mehr als nur standortbezogene Kriterien untersucht worden.
35Jedenfalls sei die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls wirksam nachgeholt worden. Das Umweltrechtsbehelfsgesetz sehe die Nachholbarkeit ausdrücklich vor. Von einer bewussten Umgehung der verfahrensrechtlichen Anforderungen könne nicht die Rede sein. Die beiden streitbefangenen Anlagen seien noch nicht errichtet. Wirkungen von bestandskräftig genehmigten Anlagen könnten an der grundsätzlichen Möglichkeit von Nachbetrachtungen der Auswirkungen noch nicht umgesetzter Anlagenzulassungen nichts ändern. Die Nachholung sei auch rechtzeitig erfolgt. § 4 Abs. 1 Satz 3 UmwRG verweise auf § 45 Abs. 2 VwVfG des Bundes, der die Heilung von Verfahrensfehlern bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zulasse.
36Eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei zutreffend für entbehrlich gehalten worden. Die streitbefangenen Windkraftanlagen lägen keineswegs in einem Biosphärenreservat gemäß § 25 BNatSchG. Der fragliche Bereich in T. unterliege keiner Schutzgebietskategorie. Bei dem Kreiskulturlandschaftsprogramm XY handele sich um ein reines Förderprogramm, ein Instrument des Vertragsnaturschutzes auf freiwilliger Basis, das auf die Genehmigungsfähigkeit von Windkraftanlagen keinen Einfluss habe.
37Der Nachbetrachtung sei zutreffend die aktuelle Erkenntnislage zugrunde gelegt worden. Da die beiden Anlagen noch nicht errichtet seien, würde eine Nachbetrachtung ohne Berücksichtigung der aktuell verfügbaren Erkenntnisse über den Zustand des Standortes die Prüfung unzulässig verkürzen. Etwaige artenschutzrechtliche Defizite, die einer Genehmigungserteilung im Juli 2006 entgegengestanden hätten, nunmehr aber weggefallen seien, könnten eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Genehmigung betreffend die WEA 5 und 6 nicht begründen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Entscheidung über die Anfechtungsklage sei hier wie sonst der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Damit sei auch die Kritik an der Nichtberücksichtigung des Gutachtens des Sachverständigen H. aus dem Jahr 2006 unberechtigt. Mit dem d. -Gutachten, das eine ausführliche Art-für-Art Betrachtung nach heutigen Standards enthalte, hätten der Bezirksregierung zeitnähere Daten (betreffend Avifauna, Fledermäuse) zur Verfügung gestanden.
38Ungeachtet dessen treffe die Behauptung nicht zu, dass es aufgrund der Errichtung der weiteren Anlagen nun nichts mehr zu schützen gebe. Vielmehr habe die Anzahl der vorhandenen Vogelarten offenbar zugenommen. Nach den Ergebnissen der vorliegenden avifaunistischen Gutachten sei auszuschließen, dass die Realisierung von Windenergieanlagen zwischen dem Datum der angefochtenen Zulassung (5. Juli 2006) und dem 30. August 2013 als Datum der Nachbetrachtung Wirkungen gezeitigt habe, die zu einem stark veränderten bzw. ausgedünnten Zustand der vorhandenen Fauna geführt hätte. Der starke Rückgang der Kiebitzpopulationen belege nichts Gegenteiliges. Der Rückgang des Brutvogelbestandes beim Kiebitz sei nicht Folge seiner Windenergieempfindlichkeit, sondern gehe auf eine immer intensiver durchgeführte Landbewirtschaftung zurück. Die geänderte Genehmigung sehe nach den naturschutzrechtlichen Vorgaben ausreichende Vorkehrungen gegen eine Beeinträchtigung der Kiebitzpopulationen durch die Errichtung und den Betrieb der beiden streitgegenständlichen Windenergieanlagen vor.
39Im Übrigen sei zweifelhaft, ob ein bloßes Individualinteresse an der Aufhebung einer Genehmigung ausreichen könne, um jedweden Mangel im Rahmen einer Prüfung auf Umweltverträglichkeit geltend zu machen. Auf Mängel der Artenschutzbetrachtung könnten sich die Kläger (auch) in diesem Zusammenhang keinesfalls umfassend berufen; allenfalls wesentliche Fehler könnten rügefähig sein.
40Die Beigeladene ist der Auffassung, das Umweltrechtsbehelfsgesetz sei bereits in zeitlicher Hinsicht nicht anwendbar. Unabhängig davon könnten die Kläger aus § 4 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 UmwRG keinen selbstständigen Aufhebungsanspruch herleiten. Dabei handele es sich um eine reine Fehlerfolgenregelung, mit der eine Subjektivierung von UVP-Fehlern nicht einhergehe. Die standortbezogene Vorprüfung durch den Kreis X. sei ausreichend. Es handele sich im Vergleich zum Baugenehmigungsverfahren nur um einen Änderungsantrag und damit weiterhin um dasselbe Verfahren.
41Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Bezirksregierung N. und des Kreises X. Bezug genommen.
42E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
43Die Berufung der Kläger hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Den Klägern steht ein Anspruch auf Aufhebung des angefochtenen Genehmigungsbescheids zu.
44I. Die Klage ist zulässig, insbesondere sind die Kläger klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO). Sie können geltend machen, durch den der Beigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid der Bezirksregierung N. vom 5. Juli 2006 in der Fassung ihrer Änderungsbescheide vom 27. September 2006 und vom 13. November 2013, des Teilverzichts der Beigeladenen vom 26. Juni 2007 sowie des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung N. vom 3. Februar 2009 (im Folgenden: Genehmigungsbescheid vom 5. Juli 2006), soweit er die Windkraftanlagen (WEA) 5 und 6 betrifft, in ihren Rechten verletzt zu sein.
451. Die Kläger können geltend machen, die durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit genüge nicht dem Maßstab von § 3a Satz 4 UVPG, weil sie nicht den Vorgaben von § 3c UVPG entsprochen habe und das Ergebnis nicht nachvollziehbar sei. Dieses Rügerecht ergibt sich aus § 4 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 und 2 UmwRG, der im Lichte des - individualschützende Verfahrensrechte verleihenden - Unionsrechts auszulegen ist.
46Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz - einschließlich der Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG - findet auf den angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid Anwendung (a). Die Kläger können sich in Anwendung der genannten Vorschriften auf eine fehlerhafte Durchführung der Vorprüfung des Einzelfalls auch unabhängig von einer möglichen Verletzung materieller subjektiver Rechte berufen (b).
47a) Der sachliche Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes ist eröffnet, weil infolge der von §§ 3e Abs. 1 Nr. 2, 3 c Satz 1 UVPG angeordneten allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls für den angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a UmwRG bestehen kann (siehe näher unten zu II. 1.).
48Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz ist auch in zeitlicher Hinsicht anwendbar. Es gilt nach § 5 Abs. 1 UmwRG für Verfahren nach § 1 Abs. 1 Satz 1, die nach dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden sind oder hätten eingeleitet werden müssen. Unerheblich ist, dass diese Vorschrift gegen die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten verstößt, soweit sie Verfahren von der Anwendbarkeit des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes ausschließt, die vor dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden sind, in denen aber erst nach diesem Zeitpunkt eine Genehmigung erteilt wurde.
49Vgl. EuGH, Urteil Altrip vom 7. November 2013, C-72/12, EU:C:2013:712, NVwZ 2014, 49, juris Rn. 21-31; vgl. auch das von der Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland am 21. März 2014 eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren, C-137/14, ABl. C 159/16, juris.
50Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 UmwRG sind bereits unabhängig von dieser unionsrechtlich gebotenen Erweiterung erfüllt. Der Antrag auf Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ist unter dem 21. Dezember 2005 - und damit nach dem Stichtag - gestellt worden. Entgegen der Ansicht des Beigeladenen handelt es sich bei diesem Genehmigungsverfahren um ein gegenüber den vorangegangenen Baugenehmigungsverfahren eigenständiges Verfahren, weil ersteres andere Anlagen und damit ein anderes Vorhaben zum Gegenstand hat.
51Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. Juli 2007 ‑ 8 B 259/07 -, Abdruck S. 6.
52§ 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG, wonach die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens auch verlangt werden kann, wenn eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht dem Maßstab von § 3a Satz 4 UVPG genügt, ist hier anwendbar, obwohl die Regelung erst durch das Gesetz zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 mit Wirkung vom 29. Januar 2013 - und damit nach Erhebung der Klage - in das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz eingefügt worden ist (BGBl. I, S. 95). Denn die geänderten Vorschriften des Gesetzes gelten nach § 5 Abs. 4 Satz 1 UmwRG auch für Rechtsbehelfe nach § 2, die am 12. Mai 2011 anhängig waren oder nach diesem Tag eingeleitet worden sind und die am 29. Januar 2013 noch nicht rechtskräftig abgeschlossen worden sind. Zwar handelt es sich hier nicht um den Rechtsbehelf einer anerkannten Vereinigung nach § 2 Abs. 1 UmwRG; der Gesetzgeber knüpft in § 5 Abs. 4 Satz 1 UmwRG aber an allgemeine Grundsätze des intertemporalen Prozessrechts an, die gleichfalls eine Anwendung von § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG fordern. Zudem wird durch die neu geschaffene Vorschrift, die gemäß § 4 Abs. 3 UmwRG auch für Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 VwGO und damit für die Kläger entsprechend gilt, lediglich die schon bisher geltende Rechtslage klargestellt.
53Vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 2013 ‑ 4 A 1.13 -, BVerwGE 148, 353, juris Rn. 33 f. und 40; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30. Oktober 2014 - 10 S 3450/11 -, juris Rn. 58; BT‑Drs. 17/10957, S. 17 f.
54b) Die Kläger können sich auf eine fehlerhafte Durchführung der Vorprüfung des Einzelfalls auch unabhängig von einer Betroffenheit in eigenen materiellen Rechten berufen. § 4 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 und 2 UmwRG räumt ihnen ein selbstständig durchsetzbares, absolutes Verfahrensrecht ein. Der Senat folgt nicht der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die genannten Regelungen ausschließlich die Begründetheit des Rechtsbehelfs betreffen, der Kreis der nach bisherigem nationalen Recht Klagebefugten aber nicht erweitert wird.
55So BVerwG, Urteile vom 20. Dezember 2011 ‑ 9 A 30.10 -, DVBl. 2012, 501, juris Rn. 20; vom 2. Oktober 2013 - 9 A 23.12 -, NVwZ 2014, 367, juris Rn. 21 ff.; und vom 17. Dezember 2013 ‑ 4 A 1.13 -, ZNER 2014, 205, juris Rn. 41; Beschluss vom 27. Juni 2013 - 4 B 37.12 -, BauR 2013, 2014, juris Rn. 9 ff.; ebenso OVG NRW, Urteil vom 14. Oktober 2013 ‑ 20 D 7/09.AK -, DVBl. 2014, 185, juris Rn. 33; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 11. April 2014 - 5 S 534/13 -, NVwZ-RR 2014, 634, juris Rn. 41 ff., und vom 30. Oktober 2014 - 10 S 3450/11 -, juris Rn. 40; anders bereits OVG NRW, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 8 B 356/14 -, NWVBl. 2014, 472, juris Rn. 19 ff.; ähnlich VG Aachen, Beschluss vom 28. November 2014 - 3 L 224/13 -, juris Rn. 10 ff.
56Die UVP-Richtlinie und Art. 9 Abs. 2 der Aarhus-Konvention gebieten eine Auslegung des nationalen Rechts, die die durch die Richtlinie verliehenen Verfahrensrechte als individualschützend anerkennt und ihre prozessuale Durchsetzbarkeit gewährleistet. Im Lichte dieser Regelungen sind der betroffenen Öffentlichkeit nach § 2 Abs. 6 UVPG hinsichtlich der Verletzung von Verfahrenserfordernissen der Umweltverträglichkeitsprüfung einschließlich der in § 4 Abs. 1 UmwRG bezeichneten Verfahrensregelungen Rügerechte zuzuerkennen.
57Vgl. zum unionsrechtlichen Umfang des Rügerechts: EuGH, Urteil Altrip vom 7. November 2013, C-72/12, EU:C:2013:712, NVwZ 2014, 49, juris Rn. 36, 38 und 47.
58Gefordert ist ein weiter und effektiver Zugang zu einer gerichtlichen Überprüfung von Zulassungsentscheidungen UVP-pflichtiger Vorhaben. Dieser wird allein durch die Erweiterung des Prüfprogramms des § 113 VwGO auf das Vorliegen ‑ objektiv-rechtlich verstandener - UVP-Verfahrensfehler, von der die Gegenmeinung ausgeht, nicht hinreichend gewährleistet. Dies wird insbesondere dann deutlich, wenn Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die nicht nach § 2 Abs. 1 UmwRG klageberechtigt sind, ohne eine mögliche Verletzung (auch) in eigenen materiellen Rechten Fehler der Umweltverträglichkeitsprüfung geltend machen. In diesen Fällen würde eine Aufhebung der Zulassungsentscheidung nach § 4 Abs. 1 und Abs. 3 UmwRG oder § 46 VwVfG regelmäßig unabhängig davon ausscheiden, ob der Verfahrensfehler tatsächlich vorliegt. Die allein in Betracht kommenden Rechtsbehelfe nach der Verwaltungsgerichtsordnung würden bereits auf der Zulässigkeitsebene mangels Klagebefugnis scheitern.
59Vgl. zu § 46 VwVfG Sachs, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 46 Rn. 28; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Auflage 2013, § 46 Rn. 8, 18.
60Ein weiter und effektiver Zugang zu Gerichten setzt indes voraus, dass die Verfahrensfehler der Umweltverträglichkeitsprüfung auch selbstständig gerügt werden können. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Gerichtshof) folgt aus der UVP-Richtline ein eigenständiges Recht „des betroffenen Einzelnen“ auf Bewertung der Umweltauswirkungen des fraglichen Projekts durch die zuständigen Stellen und auf Anhörung dazu.
61Vgl. EuGH, Urteil Leth vom 14. März 2013, C‑420/11, EU:C:2013:166, NVwZ 2013, 565, juris Rn. 32; ferner EuGH, Urteil Wells vom 7. Januar 2004, C-201/02, EU:C:2004:12, NVwZ 2004, 593, juris Rn. 56 ff.
62Da die Richtlinie u. a. zur Festlegung von Verfahrensgarantien dient, die insbesondere eine bessere Information und eine Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung öffentlicher und privater Projekte mit unter Umständen erheblichen Umweltauswirkungen ermöglichen sollen, kommt der Überprüfung der Einhaltung der Verfahrensregeln in diesem Bereich besondere Bedeutung zu. Die betroffene Öffentlichkeit muss daher, im Einklang mit dem Ziel, ihr einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren, zur Stützung eines Rechtsbehelfs, mit dem die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen im Sinne der Richtlinie angefochten wird, grundsätzlich jeden Verfahrensfehler geltend machen können.
63Vgl. EuGH, Urteil Altrip vom 7. November 2013, C‑72/12, EU:C:2013:712, NVwZ 2014, 49, juris Rn. 48.
64Es ist dabei zwar grundsätzlich Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung, die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die den Schutz der „dem Einzelnen“ aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Die Mitgliedstaaten sind allerdings für den wirksamen Schutz dieser Rechte in jedem Einzelfall verantwortlich.
65Vgl. EuGH, Urteil Slowakischer Braunbär vom 8. März 2011, C-240/09, EU:C:2011:125, NVwZ 2011, 673, juris Rn. 47.
66Diesen Anforderungen ist nur dann hinreichend Rechnung getragen, wenn Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit als „betroffenen Einzelnen“ im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs bei wesentlichen Fehlern der Umweltverträglichkeitsprüfung sowohl ein (absoluter oder relativer) Aufhebungsanspruch auf der Ebene der Begründetheit als auch - systematisch vorrangig - auf der Ebene der Zulässigkeit eine entsprechende Klagebefugnis zusteht.
67vgl. Held, NVwZ 2012, 461, 463; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 45 Rn. 118, 125 und § 46 Rn. 29; ferner Seibert, NVwZ, 2013, 1040, 1045, Steinbeiß-Winkelmann, NJW 2010, 1233, 1235; zum Gebot unionsfreundlicher Auslegung nationaler Normen auch: EuGH, Urteil Slowakischer Braunbär vom 8. März 2011, C-240/09, EU:C:2011:125, NVwZ 2011, 673, juris Rn. 50; Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 42 Rn. 400.
68Die Verfahrensvorschriften der UVP-Richtlinie sind damit bei unionsrechtskonformer Auslegung Schutznormen im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO. Derartige individualschützende Verfahrensrechte sind zwar im deutschen Verwaltungsrecht die Ausnahme, sie sind diesem aber nicht gänzlich fremd. Ihre Anerkennung im vorliegenden Zusammenhang bewirkt daher nur eine Erweiterung, die sich ohne größeren Bruch in das System des subjektiven Rechtsschutzes einfügen lässt.
69Vgl. etwa Ziekow, NuR 2014, 229, 234; Greim, Rechtsschutz bei Verfahrensfehlern im Umweltrecht, 2013, S. 33 ff., 157 ff.; Gärditz, VwGO, 2013, § 42 Rn. 68 - 70.
70Die von der Gegenauffassung vorgenommene Entkoppelung von Zulässigkeits- und Begründetheitsprüfung im Rahmen der Drittanfechtungsklage stellt demgegenüber einen deutlicheren Eingriff in das deutsche Rechtsschutzsystem dar.
71So auch Greim, Rechtsschutz bei Verfahrensfehlern im Umweltrecht, 2013, S. 143; Seibert, NVwZ 2013, 1040, 1045; S. a. Appel, NVwZ 2010, 473, 476.
72Dass die unionsrechtliche Forderung nach einem weiten Zugang der „betroffenen Einzelnen“ zu den Gerichten grundsätzlich die Zuerkennung eines diesen Zugang ermöglichenden Rügerechts verlangt, wird - ungeachtet ihrer Reichweite im Übrigen - auch in der neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Klagerechten von Umweltverbänden außerhalb des Anwendungsbereichs der Verbandsklage anerkannt.
73Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 ‑ 7 C 21/12 -, NVwZ 2013, 64, juris Rn. 48; hierzu Bunge, ZUR 2014, 3 ff. sowie NuR 2014, 305.
74An diesen unionsrechtlichen Befund hat der Gesetzgeber bei der Kodifizierung des § 4 UmwRG angeknüpft.
75Vgl. Begründung zum Entwurf über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35 EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz) vom 4. September 2006, BT-Drs. 16/2495, insbesondere Seiten 7 f., 11 f. und 13 f.
76Die Begründung nimmt ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs Bezug, wonach der Einzelne sich auf Bestimmungen der UVP-Richtlinie berufen können müsse.
77Vgl. Urteil Wells vom 7. Januar 2004, C-201/02, EU:C:2004:12, NVwZ 2004, 593 ff., juris; vgl. auch Urteile Leth vom 14. März 2013, C-420/11, EU:C:2013:166, NVwZ 2013, 565, juris Rn. 32 und Altrip vom 7. November 2013, C-72/12, EU:C.2013:712, NVwZ 2014, 49, juris Rn. 48, hierzu auch: Siegel, NJW 2014, 973, sowie Greim, NuR 2014, 81 ff.; Bunge, NuR 2014, 305; auch Urteil Edwards und Pallikarapoulos vom 11. April 2013, C‑260/11, EU:C:2013:221, NVwZ 2013, 855, juris Rn. 32.
78Es heißt dort, Art. 10 a der geänderten UVP-Richtlinie fordere, dass die Überprüfung der verfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeit einer Zulassungsentscheidung für ein UVP-pflichtiges Vorhabenbeantragt werden könne. Diesen Anforderungen stehe jedoch derzeit die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entgegen, wonach das Recht der Umweltverträglichkeitsprüfung aufgrund seiner Einstufung als Verfahrensrecht keine selbstständig durchsetzbaren Rechtspositionen vermittelte. Nach bisheriger Rechtslage könnten die Verfahrensregelungen der Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen Drittschutz nur begründen, wenn die konkrete Möglichkeit bestehe, dass die angegriffene Entscheidung ohne den Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre. Die Regelung des § 4 Abs. 1 UmwRG erfolge (auch) vor diesem Hintergrund (Hervorhebungen durch den Senat). Diese Ausführungen haben einen sinnvollen Kontext nur im Zusammenhang mit einer selbstständig durchsetzbaren, subjektiven Rechtsposition, die eine Klagebefugnis vermitteln kann.
79Für die ab dem 29. Januar 2013 geltende, hier bereits anwendbare (s.o.) Fassung des § 4 Abs. 1 UmwRG wird mit dem Hinweis auf das „subjektiv-öffentliche Rügerecht“ nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UmwRG unmissverständlich klargestellt, dass jedenfalls die in § 4 Abs. 1 UmwRG aufgeführten UVP-Verfahrenserfordernisse rügefähig sein sollen.
80Vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 17/10957, S. 17; dazu auch Sauer, ZUR 2014, 195, 200; a. A. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11. April 2014 - 5 S 534/13 -, NVwZ-RR 2014, 634, juris Rn. 45.
81Die Befürchtung, dass es bei einer derartigen Subjektivierung von Verfahrensrechten zu versteckten Popularklagen kommen könne,
82vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 ‑ 9 A 30.10 -, NVwZ 2012, 573, juris Rn. 20 ff.,
83ist unbegründet. § 4 Abs. 3 UmwRG regelt zwar nicht, welche der von der von der Vorschrift begünstigten „Beteiligten“ nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO klagebefugt sein sollen. Da die Vorschrift der Umsetzung von Unionsrecht dient, muss sie allerdings in dessen Lichte ausgelegt werden. Nach der UVP-Richtlinie ist nicht jedermann an der Umweltverträglichkeitsprüfung zu beteiligen, sondern die „betroffene Öffentlichkeit“. Diese wurde durch Art. 3 Nr. 1 der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 (ABl. L 156, S. 17) erstmals definiert als „die von umweltbezogenen Entscheidungsverfahren (…) betroffene oder wahrscheinlich betroffene Öffentlichkeit oder die Öffentlichkeit mit einem Interesse daran (…)“. In Umsetzung dieser Vorgaben bestimmt § 2 Abs. 6 Satz 2 UVPG, dass natürliche und juristische Personen „betroffene Öffentlichkeit“ sind, wenn sie durch die - ein UVP-pflichtiges Vorhaben betreffende - Zulassungsentscheidung in ihren Belangen „berührt“ werden. Betroffenheit in diesem Sinne wird grundsätzlich durch einen räumlichen Bezug zum Wirkungsbereich der Immissionen bestimmt sein. Bei Berücksichtigung dieser faktischen Komponente setzt die Zulässigkeit der Klage zumindest voraus, dass der Kläger durch die Entscheidung tatsächlich in seinen Interessen beeinträchtigt wird.
84Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 ‑ 7 C 21/12 -, NVwZ 201, 64, juris Rn. 45; Generalanwältin Kokott, Schlussanträge Grubervom 13. November 2014 - C-570/13 -, EU:C:2014:2374, juris Rn. 35 ff. („Nachbarn“); Seibert, NVwZ 2013, 1040, 1045, m. w. N.; enger Greim, Rechtsschutz bei Verfahrensfehlern im Umweltrecht, 2013, S. 217 ff.
85Einer näheren Konkretisierung und Eingrenzung bedarf es anlässlich des vorliegenden Falles nicht. Die Kläger gehören in jedem Fall zur klagebefugten „betroffenen Öffentlichkeit“ im Sinne von § 2 Abs. 6 Satz 2 UVPG. Die angefochtene Genehmigung zweier Windkraftanlagen, in deren Einwirkungsbereich ihr Grundstück mit der darauf stattfindenden Wohnnutzung und beruflichen Betätigung liegt, berührt zweifellos ihre Belange (vgl. näher unter 2., wonach sogar das engere Kriterium einer Betroffenheit in materiellen subjektiven Rechten erfüllt ist).
862. Unabhängig von dem Vorstehenden können die Kläger geltend machen, durch die angefochtene Genehmigung in eigenen materiellen Rechten verletzt zu sein. Anknüpfungspunkt für eine derartige Rechtsverletzung ist § 5 Abs. 1 Satz 1 BImSchG, wonach genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben sind, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Diese Bestimmung ist für die Nachbarn drittschützend.
87Als Nachbarn einer immissionsschutzrechtlich genehmigten Anlage sind alle Personen, die sich auf Dauer im Einwirkungsbereich der Anlage aufhalten, oder Eigentümer von Grundstücken im Einwirkungsbereich der Anlage anzusehen. Das von den Klägern bewohnte Grundstück B. liegt im Einwirkungsbereich der beiden streitbefangenen, 120,50 m hohen Windkraftanlagen. Jedenfalls für die WEA 5 ist angesichts der Abstands von etwas weniger als der dreifachen Anlagenhöhe zum Wohnhaus der Kläger eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme nicht von vornherein ausgeschlossen. Auch die WEA 6 befindet sich mit einem Abstand von 624 m zum Wohnhaus der Kläger bzw. 472 m zur Grundstücksgrenze - auch angesichts des kumulierenden Effekts mit den weiteren in der Nähe befindlichen Windkraftanlagen - noch nicht in einer derartigen Entfernung, dass von einer Prüfung der Einhaltung der maßgeblichen Lärmgrenzwerte und Zumutbarkeit der optischen Wirkung auf das Grundstück der Kläger von vornherein abgesehen werden könnte. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sie dieses nicht nur selbst bewohnen, sondern darüber hinaus auf den den WEA 5 und 6 zugewandten Flächen Pferdehaltung und -zucht sowie professionellen Reitunterricht betreiben.
88II. Die Anfechtungsklage gegen den Genehmigungsbescheid vom 5. Juli 2006, soweit er die Windkraftanlagen WEA 5 und 6 betrifft, ist auch begründet.
89Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei einer auf Aufhebung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gerichteten Anfechtungsklage der Zeitpunkt der Genehmigungserteilung.
90Vgl. zur baurechtlichen Nachbarklage OVG NRW, Urteil vom 28. November 2007 - 8 A 2325/06 -, NWVBl. 2008, 228, juris Rn. 47 ff.; a. A. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 7. August 2014 - 10 S 1853/13 -, NVwZ-RR 2015, 18, juris Rn. 6; Urteil vom 14. Mai 2012 - 10 S 2693/09 -, VBlBW 2012, 431, juris Rn. 60 ff.
91Spätere Änderungen zu Lasten des Betreibers haben außer Betracht zu bleiben. Nachträgliche Änderungen zu seinen Gunsten sind dagegen zu berücksichtigen.
92Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. April 1998 - 4 B 40.98 -, NVwZ 1998, 1179, juris Rn. 3.
93Diese Grundsätze schließen es nicht aus, im Rahmen einer solchen Drittanfechtungsklage nachträglich gewonnene Erkenntnisse zu berücksichtigen. Denn hierbei handelt es sich nicht um nachträgliche Veränderungen der Sachlage, die zu Lasten des Bauherrn grundsätzlich nicht berücksichtigt werden dürfen, sondern lediglich um spätere Erkenntnisse hinsichtlich der ursprünglichen Sachlage.
94Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Juni 2010 ‑ 8 A 340/09 -, ZNER 2010, 514, juris Rn. 18.
95Der Genehmigungsbescheid vom 5. Juli 2006 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er leidet an einem Verfahrensfehler, der zur Aufhebung der Genehmigung führt, soweit diese noch angefochten ist.
96Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG unter anderem verlangt werden, wenn eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt und nicht nachgeholt worden ist. Dies gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG auch dann, wenn eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht dem Maßstab von § 3a Satz 4 UVPG genügt. Die Voraussetzungen dieser Regelung, die nach § 4 Abs. 3 UmwRG auch für Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 VwGO - und damit für die Kläger - gilt, liegen hier vor.
97Das Vorhaben unterliegt gemäß § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG, § 1 Abs. 3 der 9. BImSchV dem Erfordernis einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls im Sinne von § 3c Satz 1 und 3 UVPG (dazu 1.). Die vor Erteilung der Genehmigung durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit genügt nicht dem Maßstab von § 3a Satz 4 UVPG (dazu 2.). Der Verfahrensfehler ist nicht durch die im Berufungsverfahren nachgeholte allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls geheilt worden (dazu 3.). Er begründet für die Kläger einen Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Genehmigung betreffend die WEA 5 und 6 und verletzt sie auch in ihren Rechten (4.).
981. Das Vorhaben - die Änderung bzw. Erweiterung einer bestehenden Windfarm durch Errichtung und Betrieb von sieben Windenergieanlagen des Anlagentyps Enercon E-70 E4, Rotordurchmesser 71 m, Nennleistung 2.000 kW - unterliegt gemäß § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG dem Erfordernis einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls im Sinne von § 3c Satz 1 und 3 UVPG. Nach § 3e Abs. 1 UVPG besteht die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung auch für die Änderung oder Erweiterung eines Vorhabens, für das als solches bereits eine UVP-Pflicht besteht, wenn 1. in der Anlage 1 für Vorhaben der Spalte 1 angegebene Größen- oder Leistungswerte durch die Änderung oder Erweiterung selbst erreicht oder überschritten werden oder 2. eine Vorprüfung des Einzelfalls im Sinne des § 3c Satz 1 und 3 ergibt, dass die Änderung oder Erweiterung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann; in die Vorprüfung sind auch frühere Änderungen oder Erweiterungen des UVP-pflichtigen Vorhabens einzubeziehen, für die nach der jeweils geltenden Fassung dieses Gesetzes keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist. Die Vorprüfungspflicht folgt auch aus § 1 Abs. 3 1. Halbsatz 2. Alt. der 9. BImSchV, der im Lichte des § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG auszulegen ist.
99Vgl. Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, Stand: August 2014, § 3e UVPG, Rn. 3, der weitergehend von einer Spezialität des § 1 Abs. 3 der 9. BImSchV ausgeht, dagegen VG Osnabrück, Beschluss vom 21. Dezember 2011 ‑ 2 B 16.11 -, NuR 2012, 362, juris Rn. 57; siehe auch BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2013 - 7 C 36.11 -, BVerwGE 148, 155, juris Rn. 30, 31; OVG NRW, Urteil vom 3. Dezember 2008 - 8 C 22.07.AK -, juris Rn. 66.
100Vorliegend handelt es sich um die Änderung eines bestehenden UVP-pflichtigen Vorhabens, für die nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG die Verpflichtung zur Durchführung einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls besteht. Die sieben mit Bescheid vom 24. Oktober 2005 genehmigten Windenergieanlagen der HelveticWind T. GmbH (bzw. zum Genehmigungszeitpunkt: Q. GmbH) im östlichen Bereich der Windvorrangzone und die sieben genehmigten, aber nicht errichteten Vorgängeranlagen an den Standorten, auf die sich die angefochtene Änderungsgenehmigung bezieht, sowie die im Mai 1999 baugenehmigte WEA lfd. Nr. 1 (L. ) und die Ende Januar 2003 baugenehmigte WEA lfd. Nr. 3 bildeten zusammen eine Windfarm (a), die als bestehendes UVP-pflichtiges Vorhaben im Sinne des § 3e UVPG anzusehen ist (b). Gegenstand des angefochtenen Genehmigungsbescheids ist eine Änderung dieser Windfarm (c), die dem Erfordernis der allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls unterliegt (d).
101a) Die 16 genannten Windkraftanlagen bilden als sogenannte Windfarm das Ausgangsvorhaben im Sinne des § 3e UVPG.
102Eine Windfarm im Sinne der Nr. 1.6 der Anlage 1 zum UVPG ist dadurch gekennzeichnet, dass sie aus mindestens drei Windenergieanlagen besteht, die ‑ unabhängig von der Zahl der Betreiber - einander räumlich so zugeordnet sind, dass sich ihre Einwirkungsbereiche überschneiden oder wenigstens berühren. Entscheidend für das Vorhandensein einer Windfarm ist der räumliche Zusammenhang der einzelnen Anlagen. Sind die Anlagen so weit voneinander entfernt, dass sich die maßgeblichen Auswirkungen nicht summieren, so behält jede für sich den Charakter einer Einzelanlage. Verbindliche gesetzliche Bewertungsvorgaben etwa in der Form standardisierter Maßstäbe oder Rechenverfahren hinsichtlich der räumlichen Zuordnung von Windenergieanlagen, die eine Windfarm bilden, gibt es nicht. Welche Bewertungskriterien heranzuziehen sind, hängt vielmehr von den tatsächlichen Gegebenheiten im Einzelfall ab, deren Feststellung und Würdigung dem Tatrichter obliegt. Aufgrund besonderer tatsächlicher Umstände kann daher eine von typisierenden Bewertungsvorgaben - wie etwa dem Abstellen auf eine Entfernung von weniger als dem 10-fachen des Rotordurchmessers, auf die Anlagenhöhe oder auf den geometrischen Schwerpunkt der von den Anlagen umrissenen Fläche - losgelöste Einzelfallbeurteilung anhand der konkreten Auswirkungen auf die Schutzgüter des UVP- und Immissionsschutzrechts angebracht sein.
103Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2004 - 4 C 9.03 -, BVerwGE 121, 182, juris Rn. 33, sowie Beschluss vom 8. Mai 2007 - 4 B 11.07 -, BRS 71 Nr. 101 (2007), juris Rn. 7; OVG NRW, Urteil vom 13. März 2006 - 7 A 3415/04 -, juris Rn. 41 ff., Beschluss vom 23. Juli 2014 - 8 B 356/14 -, juris Rn. 12; Bay.VGH, Urteil vom 12. Januar 2007 - 1 B 05.3387 u. a. -, NVwZ 2007, 1213, juris Rn. 23.
104Ein solcher Zusammenhang ist zwischen den Windkraftanlagen WEA 1, 2 und 3 und WEA 4, 5, 6 und 7 jeweils untereinander schon aufgrund der geringen Abstände der Anlagen innerhalb der beiden Gruppen gegeben. Der Abstand zu den jeweils benachbarten Anlagen beträgt insoweit in allen Fällen weniger als 350 m. Der für die Annahme einer Windfarm erforderliche räumliche Zusammenhang liegt aber auch zwischen den beiden Gruppierungen und darüber hinaus mit den weiteren in der genehmigten Windkraftanlagen der I. T. GmbH (WEA lfd. Nr. 12-18) und des Betreibers L. (WEA lfd. Nr. 1) vor. Zwar ist der kürzeste Abstand zwischen der westlichen und der - zahlenmäßig größeren - östlichen Anlagengruppe mit etwa einem Kilometer (WEA 6 zur WEA 3) größer als das 10-fache des Rotordurchmessers von hier 710 m.
105Dieser Abstand ist jedoch nicht von vornherein so groß, dass nicht besondere tatsächliche Umstände unter Einbeziehung der konkreten Umweltauswirkungen der Anlagen auf der Grundlage einer von diesem typisierenden Merkmal losgelösten Einzelfallbeurteilung die Einschätzung rechtfertigen könnten, es handele sich ungeachtet dieses Abstands um eine Windfarm. Solche besonderen Umstände liegen hier vor.
106Alle genannten Windkraftanlagen befinden sich innerhalb derselben bauplanungsrechtlich ausgewiesenen Windkraftkonzentrationszone. Der geometrische Schwerpunkt liegt in etwa in der Mitte der einzelnen Anlagengruppen. Die Genehmigungsverfahrensakten enthalten hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass sich die maßgeblichen Auswirkungen aller Anlagen summieren. Dies ist vor allem hinsichtlich der Lärmimmissionen der Fall und ergibt sich insoweit aus den Nachberechnungen zur Schallimmissionsprognose vom 10. April 2006 und 4. Januar 2007. Diese betreffen zwar bereits die WEA 1 bis 7 als Nachfolgemodelle der zuvor baugenehmigten Anlagen. Für die Frage, welche Windkraftanlagen eine Windfarm bilden, macht dies aber angesichts der unveränderten Standorte keinen Unterschied. Mehrere der maßgeblichen Immissionspunkte befinden sich gerade zwischen den beiden Anlagengruppen; die Gesamtbelastung setzt sich dort aus den Immissionen aller Anlagen zusammen. Dementsprechend ist auch der Beklagte im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren davon ausgegangen, dass alle in der Windvorrangfläche befindlichen Anlagen eine Windfarm bilden (vgl. Genehmigungsbescheid S. 26; ebenso nachgeholte allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls vom 30. August 2013, S. 1). Bereits im Genehmigungsbescheid vom 20. April 2005, S. 30, betreffend einen Teil der ‑ östlich gelegenen - Windenergieanlagen der Q. GmbH sind diese im Verhältnis u. a. zu den baugenehmigten Vorgängern der WEA 1 bis 7 als eine einheitliche Windfarm betrachtet worden. Darin ist etwa bei den hinsichtlich der WEA lfd. Nr. 15 getroffenen Regelungen zum Ausschluss eines Schattenwurfs auch das Wohnhaus der Kläger als Immissionsort einbezogen worden.
107b) Die aus (zumindest) den genannten 16 Windkraftanlagen bestehende Windfarm ist ein UVP-pflichtiges Vorhaben im Sinne des § 3e UVPG. Entscheidend ist, ob das bereits bestehende Vorhaben einer UVP-Pflicht unterliegt. Demgegenüber kommt es nicht darauf an, ob es tatsächlich einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen wurde.
108Vgl. Nds. OVG, Urteil vom 1. Juni 2010 - 12 LB 31/07 -, DVBl. 2010, 1039, juris Rn. 37; Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, Stand: 1. August 2014, § 3e UVPG, Rn. 9 ff.
109Die UVP-Pflicht liegt dabei nicht nur dann vor, wenn es sich bei dem Ausgangsvorhaben um ein „X-Vorhaben“ nach Spalte 1 der Anlage 1 handelt. Sie kann sich vielmehr auch daraus ergeben, dass bei einem vorprüfungsbedürftigen Grundvorhaben eine Einzelfallprüfung mit positivem Ergebnis durchgeführt worden ist. An diese Feststellung der UVP-Pflicht kann wieder angeknüpft werden, wenn das Grundvorhaben später geändert oder erweitert werden soll.
110Vgl. Sangenstedt, a. a. O., § 3e UVPG, Rn. 10.
111So liegt der Fall hier. Im Genehmigungsverfahren der sieben im östlichen Bereich der Vorrangzone gelegenen Windkraftanlagen der damaligen Betreibergesellschaft Q. GmbH (genehmigt durch Bescheide vom 20. April bzw. 24. Oktober 2005) ist nach Durchführung einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls eine Umweltverträglichkeitsprüfung für erforderlich gehalten und durchgeführt worden. Bei dieser sind zehn weitere, seinerzeit genehmigte Anlagen als Vorbelastung berücksichtigt worden, darunter jedenfalls auch die an den Standorten WEA 1 bis 8 baugenehmigten Windkraftanlagen. Im Genehmigungsbescheid vom 24. Oktober 2005 (S. 33) wird hierzu ausgeführt, aufgrund der möglichen Einwirkung auf benachbarte Waldflächen und schützenswerte Bereiche, insbesondere auch Brutgelege für Vögel, sowie der durch die nunmehr insgesamt 17 Windenergieanlagen in der Windvorrangfläche angewachsene Zahl der Windenergieanlagen sei eine Umweltverträglichkeitsprüfung geboten gewesen.
112c) Das mit dem angefochtenen Bescheid genehmigte Vorhaben ist eine Änderung (bzw. Erweiterung) einer UVP-pflichtigen Windfarm im Sinne von § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG.
113Isoliert betrachtet stellt sich das Vorhaben, anstelle der zuvor genehmigten sieben Windenergieanlagen vom Typ Enercon E 66/18.70 (Rotordurchmesser 70 m, Nennleistung 1800 kW) nunmehr jeweils einen anderen, leistungsoptimierten Anlagentyp (Enercon E 70 E-4, Rotordurchmesser 71 m, 2000 kW) zu errichten, allerdings nicht als Änderung, sondern als Neuerrichtung dar. Der Ersatz von alten Windenergieanlagen durch leistungsstärkere neuere Anlagen richtet sich nach denselben rechtlichen Regeln wie die Neuerrichtung von Anlagen. Denn mit der Beseitigung einer alten Anlage erlischt deren Bestandsschutz.
114Vgl. Gatz, Windenergieanlagen in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis, 1. Aufl. 2009, Rn. 466; OVG Lüneburg, Beschluss vom 24. Juli 2013 ‑ 12 ME 37/13 -, NuR 2013, 894, juris Rn. 14; siehe auch BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2007 - 4 C 9.06 -, BVerwGE 130, 83, juris Rn. 32.
115Nichts anderes kann gelten, wenn die zunächst genehmigten Anlagen - wie hier - nie errichtet worden sind. In beiden Fällen geht es um die Errichtung eines neuen und anders gearteten, von der bisherigen Genehmigung nicht umfassten Anlagetyps, der regelmäßig nur als Ganzes unter Verzicht auf die Realisierung der zuvor genehmigten Anlagen - und nicht im Wege einer Änderung derselben - errichtet werden kann. Das schließt nicht aus, dass auf eine für das nicht realisierte Vorhaben durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung oder -vorprüfung im neuen Genehmigungsverfahren zurückgegriffen werden kann.
116Um ein Änderungsvorhaben im Sinne des § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG handelt es sich hier deshalb, weil auch bei einem Hinwegdenken der zu ersetzenden baugenehmigten Windenergieanlagen noch eine Windfarm vorhanden ist, zu der sieben weitere Windenergieanlagen hinzutreten. Dies gilt ungeachtet dessen, dass eine derartige - hier sogar betreiberübergreifende - Erweiterung einer Windfarm immissionsschutzrechtlich keinen Fall der Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG darstellt. Denn die 4. BImSchV knüpft seit der zum 1. Juli 2005 in Kraft getretenen Neufassung nur noch an die einzelne Windenergieanlage und - anders als das UVP-Gesetz - nicht mehr an das Vorliegen einer Windfarm an.
117Vgl. näher Wustlich, NVwZ 2005, 996 ff.; Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. IV, Stand: 1. August 2014, § 1 4. BImSchV, Rn. 26; anders zur früheren Rechtslage BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 2004 - 4 C 3.04 -, BVerwGE 122, 117, juris Rn. 23.
118d) Nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG besteht für diese Änderung (in Form der Erweiterung) eine UVP-Pflicht, wenn eine (allgemeine) Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c Satz 1 und 3 UVPG ergibt, dass die Änderung bzw. Erweiterung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann. Da es sich hierbei um eine Rechtsfolgeverweisung handelt, ist die im Rahmen von § 3c Satz 1 und 2 i. V. m. Anlage 1 Spalte 2 getroffene Differenzierung nach Schwellenwerten für die A- und S‑Vorhaben in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls ist somit unabhängig davon durchzuführen, ob die betreffenden Änderungen oder Erweiterungen die Prüfwerte für ein entsprechendes A‑Vorhaben erreichen.
119Vgl. Dienes, in: Hoppe/Beckmann (Hrsg.), UVPG, 4. Aufl. 2012, § 3e UVPG, Rn. 11; Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. IV, Stand: August 2014, § 3e UVPG, Rn. 22; a. A. Kutscheidt/Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. IV, Stand: 1. August 2014, § 1 9. BImSchV, Rn. 12.
1202. Die vor Erteilung der Genehmigung durchgeführte Vorprüfung genügt den rechtlichen Anforderungen an die erforderliche allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls (§§ 3e Abs. 1 Nr. 2, 3c Satz 1 und 3 UVPG) nicht.
121Die aufgrund der Vorprüfung getroffene behördliche Beurteilung der UVP-Pflichtigkeit unterliegt gemäß § 3a Satz 4 UVPG nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Die Einschätzung, eine Umweltverträglichkeitsprüfung solle unterbleiben, ist im gerichtlichen Verfahren betreffend die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens nur daraufhin zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben des § 3c UVPG durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist. Die gerichtliche Prüfung erstreckt sich auf die Frage, ob die Behörde den Rechtsbegriff der Erheblichkeit zutreffend ausgelegt hat.
122Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2013 ‑ 4 A 1.13 -, BVerwGE 148, 353, juris Rn. 32.
123Anknüpfend an diese der zuständigen Behörde in § 3a Satz 4 UVPG eingeräumte Beurteilungsermächtigung stellt § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG klar, dass die behördliche Entscheidung im gerichtlichen Verfahren unter anderem daraufhin zu überprüfen ist, ob der Sachverhalt vollständig und zutreffend erfasst und ob das anzuwendende Recht verkannt wurde. Der Anwendung von § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG steht nicht entgegen, dass die Vorschrift nach Art. 13 Abs. 3 des Gesetzes zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl. I S. 95) erst am 29. Januar 2013 und damit nach Klageerhebung in Kraft getreten ist (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 1 UmwRG, dazu näher oben unter I. 1. a).
124Gemessen daran ist die vor Erlass des angefochtenen Genehmigungsbescheides durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls nicht entsprechend den Vorgaben des § 3c UVPG durchgeführt worden und das Ergebnis deshalb nicht nachvollziehbar. Die Genehmigungsbehörde hat bei der Durchführung der Vorprüfung das anzuwendende Recht verkannt, indem sie Gegenstand und Reichweite der gemäß §§ 3e Abs. 1 Nr. 2, 3c Satz 1 und 3 UVPG durchzuführenden allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls unzutreffend bestimmt hat (a). Darüber hinaus sind naheliegende Umweltauswirkungen in der Vorprüfung nicht ermittelt und betrachtet worden (b).
125a) Gegenstand dieser Vorprüfung ist die Frage, welche nachteiligen Umweltauswirkungen mit der Erweiterung verbunden sind. Denn nach dem Halbsatz 1 des § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG ist die Vorprüfung des Einzelfalls im Sinne von § 3c Satz 1 und 3 UVPG (nur) auf die Feststellung ausgerichtet, ob (gerade) die Änderung oder Erweiterung eines Vorhabens, für das als solches bereits eine UVP-Pflicht besteht, erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann.
126Vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. Dezember 2008 ‑ 8 D 22/07.AK -, juris Rn. 93 f.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2013 - 7 C 36.11 -, BVerwGE 148, 155, juris Rn. 30 ff. (zu § 3e Abs. 1 Nr. 1 UVPG).
127Darüber hinaus sind frühere Änderungen oder Erweiterungen des UVP-pflichtigen Vorhabens in die Vorprüfung einzubeziehen, für die nach der jeweils geltenden Fassung des UVP-Gesetzes keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist (§ 3e Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz UVPG).
128Vgl. näher OVG NRW, Urteil vom 14. Oktober 2013 - 20 D 7/09.AK -, DVBl. 2014, 185, juris Rn. 146 ff.
129Die nach der Änderung oder Erweiterung fortbestehenden Umweltauswirkungen des Grundvorhabens sind nicht Gegenstand der UVP-Vorprüfung; sie sind vielmehr bei der Vorprüfung hinsichtlich des Änderungs- bzw. Erweiterungsvorhabens (lediglich) als Vorbelastung zu berücksichtigen. Eine Empfehlung der Umweltausschüsse von Bundestag und Bundesrat, § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG ausdrücklich dahin zu ergänzen, dass bei der Vorprüfung des Weiteren auch das bestehende Vorhaben aufgrund der Änderung oder Erweiterung selbstständig in den Blick zu nehmen ist,
130vgl. BR-Drs. 674/1/00 vom 12. Dezember 2000, Nr. 30, S. 26 f., BT-Drs. 14/5750, S. 8, 128,
131ist im weiteren Gesetzgebungsverfahren am Widerstand des Bundesrats gescheitert.
132Vgl. BR-Drs. 286/01 (Beschluss), Ziff. 3, Satz 1; Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, Stand: 1. August 2014, § 3e UVPG, Rn. 6.
133Es ist danach erforderlich, das Zusammenwirken der Umweltauswirkungen des Änderungsvorhabens mit Vorbelastungen aus anderen am Standort vorhandenen Quellen zu untersuchen, zu denen auch das Grundvorhaben selbst gehört. Dabei können ggf. Erkenntnisse aus der für das Grundvorhaben durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung erneut verwertet werden.
134Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, Stand: 1. August 2014, § 3e UVPG, Rn. 23 ff., 16 ff.; BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2014 - 9 A 1.13 -, UPR 2014, 444, juris Rn. 22.
135Diesen Anforderungen genügt die vor Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung durchgeführte Vorprüfung nicht.
136Die Vorprüfung ist im Vermerk vom 5. Juni 2006 schon nicht als allgemeine, sondern (lediglich) als „Standortbezogene/Anlagenbezogene Vorprüfung des Einzelfalles nach § 3c Abs. 1 Satz 2 UVPG“ bezeichnet. Darin wird im Wesentlichen auf die im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens von der unteren Landschaftsbehörde des Kreises X. durchgeführte „standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c Abs. 1 Satz 2 UVPG“ für die sieben Windenergieanlagen vom Typ Enercon E 66 18.70 Bezug genommen. Sodann wird im Wege einer Differenzbetrachtung festgestellt, dass die Errichtung und der Betrieb der technisch geringfügig optimierten Anlagen vom Typ Enercon E-70 E4 nicht dazu beitragen würden, erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen zu verursachen. Die baurechtlich genehmigten Standorte blieben unverändert, und mit der technischen Optimierung der Windenergieanlagen sei eine relevante Erhöhung der Lärmimmissionen oder von Beeinträchtigungen der Pflanzen, Tiere und Schutzgebiete vor Ort nicht verbunden. Auch im Baugenehmigungsverfahren der Vorläufer der beiden streitbefangenen Windkraftanlagen ist keine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls, sondern nur eine standortbezogene Vorprüfung vorgenommen worden (Vermerk vom 5. Dezember 2002 sowie planungsrechtliche Prüfung vom 15. Januar 2003). Ob dem Beklagten darin zu folgen ist, in der Sache sei nach denselben Kriterien geprüft worden, die bei einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls in den Blick zu nehmen seien, kann wegen Vorliegens weiterer Mängel dahinstehen.
137Gegenstand der im Baugenehmigungsverfahren vorgenommenen standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls waren entgegen den rechtlichen Anforderungen nicht alle sieben in den Jahren 2003 und 2004 baugenehmigten Windenergieanlagen, sondern - soweit die Vorgänger der streitbefangenen Anlagen WEA 5 und 6 betroffen sind - nur die drei Anlagen WEA 5, 6 und 8. Einbezogen in die Betrachtung wurden zwar die beiden Anlagen, die seinerzeit bereits an den beiden Standorten WEA 4 und 7 genehmigt waren (und zeitgleich durch neue Baugenehmigungsanträge „überplant“ wurden, vgl. Vermerk vom 5. Dezember 2002, S. 2). Das gilt jedoch nicht für die Anlagen an den Standorten WEA 1, 2 und 3. Insoweit ist die Baugenehmigungsbehörde ausdrücklich davon ausgegangen, ein unmittelbarer räumlicher Zusammenhang mit der aus den WEA 1, 2, und 3 bestehenden Dreiergruppe könne nicht angenommen werden (vgl. den im Baugenehmigungsverfahren der Vorgängeranlage zur WEA 6 gefertigten Vermerk Planungsrechtliche Prüfung - Stand: 15. Januar 2003 -, S. 3). Demgegenüber bedurfte es jedenfalls im hier zu betrachtenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, in dem über die Genehmigung von sieben leistungsoptimierten Anlagen an den gleichen Standorten zu entscheiden war, einer auf diese sieben Anlagen in ihrer Gesamtheit bezogenen UVP-Vorprüfung.
138Jedenfalls konnte die für die Windenergieanlagen WEA 5, 6 und 8 im Baugenehmigungsverfahren durchgeführte standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls den rechtlichen Anforderungen der im späteren immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren gemäß §§ 3e Abs. 1 Nr. 2, 3c Satz 1 und 3 UVPG vorzunehmenden allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls deshalb nicht genügen, weil zum damaligen Zeitpunkt die sieben Windenergieanlagen der I. T. GmbH (WEA 12-18, vorheriger Betreiber: Q. GmbH) noch nicht beantragt waren und - seinerzeit zu Recht - bei der Prüfung der Umweltauswirkungen der baurechtlich beantragten Windkraftanlagen nicht als Vorbelastung berücksichtigt worden sind (vgl. Vermerk vom 5. Dezember 2002, S. 3, dort wohl bezeichnet als Planvorhaben der Fa. V. ). Dies war im hier zu betrachtenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren jedoch erforderlich.
139Dagegen kann die Beigeladene nicht mit Erfolg geltend machen, dass ihre Windkraftanlagen als erste beantragt gewesen seien und deshalb keine Vorbelastung berücksichtigt werden müssen. Dieser Einwand verkennt, dass hier ein neuer, auf andere, leistungsoptimierte Anlagen bezogener Antrag zur Beurteilung steht, der später gestellt worden ist als die Genehmigungsanträge der Q. GmbH (jetzt: I. T. GmbH).
140b) Überdies erweist sich die Vorprüfung als unvollständig, weil sich dem Vermerk vom 5. Dezember 2002 nicht entnehmen lässt, dass Ermittlungen und Bewertungen zu den Auswirkungen des Vorhabens auf die Avifauna angestellt worden sind. Die naturschutzrechtlichen Betrachtungen erschöpfen sich in einer Bestandsaufnahme von - im direkten Einwirkungsbereich der Konzentrationszone nicht vorgefundenen - Landschafts- und Naturschutzgebieten, sonst schützenswerten Landschaftsbestandteilen, einer Bezugnahme auf die bei der Aufstellung des Gebietsentwicklungsplans und der Änderung des Flächennutzungsplans durchgeführten Abwägungen sowie allgemein gehaltenen Überlegungen zur Beeinträchtigung des Naturhaushalts. Des Weiteren wird auf - nicht im Verwaltungsvorgang befindliche - Stellungnahmen der unteren Landschaftsbehörde und weiterer beteiligter Stellen Bezug genommen.
141Nähere Ermittlungen und Betrachtungen zum Vorhandensein windkraftsensibler Vogel- und Fledermausarten im Umkreis des Vorhabens und zu den zu erwartenden Auswirkungen auf diese sind nicht angestellt worden. Dies war indes erforderlich, um die Frage, ob das Vorhaben erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann (§§ 3e Abs. 1 Nr. 2, 3c Satz 1 UVPG), insgesamt nachvollziehbar beantworten zu können. Bei der Vorprüfung sind die in der Anlage 2 zum UVPG aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen. Dabei ergeben sich die Gegenstände der zu prüfenden Auswirkungen allerdings nicht aus dieser Anlage, sondern aus § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG. Danach umfasst die Umweltverträglichkeitsprüfung die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Vorhabens unter anderem auch auf Tiere. Dementsprechend hätte es auch diesbezüglich einer überschlägigen Prüfung bedurft, ob die Erweiterung der Windfarm um sieben Windenergieanlagen erhebliche nachteilige Auswirkungen haben kann. Die Prüfung auf die Auswirkungen auf die Avifauna zu erstrecken, dürfte bei der Planung von Windkraftanlagen schon generell erforderlich sein. Im vorliegenden Fall belegt jedenfalls die nachgeholte allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls vom 30. August 2013, dass erhebliche nachteilige Auswirkungen des Vorhabens auf Vögel und Fledermäuse durchaus nahe lagen und deshalb in die Vorprüfung einbezogen werden mussten.
142Dieses Erfordernis kann auch nicht mit dem Argument bezweifelt werden, das materielle Recht habe im Zeitpunkt der Vorprüfung noch keine artenschutzrechtlichen Anforderungen enthalten, die bei der Zulassung von Windkraftanlagen zu berücksichtigen gewesen wären. Soweit die Feststellung in der nachgeholten Allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls vom 30. August 2013, S. 2, wonach zum Zeitpunkt der Antragstellung im Dezember 2005 aufgrund der nationalen Gesetzeslage noch keine Notwendigkeit einer „formellen Artenschutzprüfung“ bestanden habe, in diese Richtung zu verstehen sein sollte, wäre dem nicht zu folgen. Die Neuregelung der Materie durch das Erste Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I, S. 2873) hat zwar in Anpassung an europarechtliche Vorgaben zu Verschärfungen geführt. Das ändert aber nichts daran, dass bereits zuvor artenschutzrechtliche Anforderungen, insbesondere Zugriffsverbote, bei der Zulassung von Vorhaben zu berücksichtigen waren.
143Vgl. etwa OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. November 2005 - OVG 2 S 115.05 -, ZUR 2006, 210, juris Rn. 7 f.; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 16. März 2006 - 1 A 10884/05 -, ZUR 2006, 379, juris Rn. 38 ff.
1443. Die erforderliche allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls ist durch die vom Beklagten während des Berufungsverfahrens durchgeführte Vorprüfung vom 30. August 2013 nicht mit heilender Wirkung nachgeholt worden.
145a) Eine Heilung des Verfahrensfehlers ist unter Geltung des nordrhein-westfälischen Verwaltungsverfahrensgesetzes im Berufungsverfahren nicht mehr möglich. Im Einzelnen:
146Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG kann die Aufhebung einer Genehmigungsentscheidung, wenn eine erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht durchgeführt worden ist, nur verlangt werden, wenn diese nicht nachgeholt worden ist. § 45 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) und andere entsprechende Rechtsvorschriften bleiben unberührt (§ 4 Abs. 1 Satz 3 UmwRG). Nach allgemeiner Auffassung ist § 45 VwVfG bzw. die entsprechende Regelung des Landesrechts auf andere, in Abs. 1 der Vorschrift nicht genannte Verfahrensfehler entsprechend anwendbar. Das gilt insbesondere auch für die UVP-Vorprüfung.
147Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. August 2008 - 4 C 11.07 -, BVerwGE 131, 352, juris Rn. 24.
148Hiervon geht § 4 Abs. 1 Satz 3 1. Halbsatz UmwRG aus.
149Da § 4 Abs. 1 UmwRG die Heilungsvorschriften lediglich voraussetzt, regelt er nicht deren Anwendungsbereich oder deren Voraussetzungen.
150Vgl. Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, Stand: 1. August 2014, § 4 UmwRG Rn. 17; Ziekow, NVwZ 2007, 259, 265; Kment, NVwZ 2007, 274, 277; siehe auch BVerwG, Urteil vom 20. August 2008 - 4 C 11.07 -, BVerwGE 131, 352, juris Rn. 25; ähnlich zu § 4 Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz UmwRG OVG NRW, Urteil vom 12. Juni 2012 - 8 D 38/08.AK -, NuR 2012, 722, juris Rn. 329.
151Er enthält auch keine statische, sondern eine dynamische Verweisung.
152Hiervon ausgehend bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sich die zeitliche Grenze einer Heilung zu Unrecht unterbliebener (oder nicht dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG genügender) UVP-Vorprüfungen in Anwendung von § 4 Abs. 1 Satz 3 1. Halbsatz UmwRG auch dann nach § 45 Abs. 2 VwVfG (Bund) bestimmen soll, wenn auf das betreffende Verwaltungsverfahren das Verwaltungsverfahrensgesetz eines Landes Anwendung findet.
153Anders noch OVG NRW, Urteil vom 9. Dezember 2009 - 8 D 12/08.AK -, DVBl. 2010, 719, juris Rn. 104.
154Die Regelung lässt neben § 45 Abs. 2 VwVfG ausdrücklich „andere entsprechende Rechtsvorschriften“ unberührt. Die Formulierung „andere entsprechende Rechtsvorschriften“ erfasst auch die jeweiligen Parallelvorschriften der Landesverwaltungsverfahrensgesetze. Dass der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung in erster Linie bundesrechtliche Vorschriften des Planfeststellungsrechts wie § 17 Abs. 6c Satz 2 des Fernstraßengesetzes a. F. oder § 19 Abs. 4 des Bundeswasserstraßengesetzes a. F. (vgl. nunmehr etwa: § 17e Abs. 6 Satz 2 FStrG, § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG) im Blick hatte,
155vgl. BT-Drs. 16/2495, S. 14,
156ändert daran nichts, zumal letztere ausdrücklich nur beispielhaft genannt sind. Ein Wille des Gesetzgebers, die Heilung von UVP-Verfahrensfehlern im Unterschied zu sonstigen Verfahrensfehlern bundeseinheitlich zu regeln, lässt sich der Begründung weder ausdrücklich entnehmen noch hätte er im Gesetzestext hinreichend Ausdruck gefunden.
157Entgegen der Auffassung des Beklagten ist nicht anzunehmen, dass ein Hinweis in der Gesetzesbegründung zu § 4 UmwRG auf die Anwendbarkeit des jeweils einschlägigen Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes oder der Länder unbedingt zu erwarten gewesen wäre, wenn der Nennung des § 45 Abs. 2 VwVfG keine Bedeutung im Sinne einer materiell-rechtlichen Vorgabe hätte zukommen sollen. Die Begründung des Gesetzgebers zu § 22 UVPG, auf die der Beklagte verweist, stützt diese Annahme nicht. Nach § 22 UVPG „gelten“ für die Durchführung des Planfeststellungsverfahrens „die §§ 72 bis 78 des Verwaltungsverfahrensgesetzes“. Wenn der Gesetzgeber sogar diese scheinbar eindeutig die Geltung der Regelungen des Bundes anordnende Vorschrift dahin verstanden wissen will, sie verweise „entsprechend dem jeweiligen Anwendungsbereich (vgl. § 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes) auf die maßgeblichen Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes oder der Länder“,
158vgl. BT-Drs. 14/4599, S. 104,
159spricht dies eher dafür, dass für § 4 Abs. 1 Satz 3 1. Halbsatz UmwRG Gleiches gilt. Die letztgenannte Regelung erfasst bereits dem Wortlaut nach („§ 45 Abs. 2 VwVfG und andere entsprechende Rechtsvorschriften“) die Parallelnormen der Länder. Insoweit bedurfte es keiner Klarstellung. Bei diesem Befund ist vielmehr davon auszugehen, dass ein gewollter Ausschluss der Anwendbarkeit landesrechtlicher Parallelvorschriften in der Entwurfsbegründung ausdrücklich klargestellt worden wäre.
160Auch das Gebot unionsrechtskonformer Auslegung zwingt nicht zu einem Verständnis als bundeseinheitlicher Regelung. Das ergibt sich etwa aus dem Urteil Wells des EuGH, auf das der Beklagte - mit gegenteiliger Schlussfolgerung - hingewiesen hat. Danach sind die zuständigen Behörden verpflichtet, alle allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu ergreifen, um dem Unterlassen einer erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung abzuhelfen. Es unterfällt jedoch (in den Grenzen des Äquivalenz- und Effektivitätsprinzips) der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten, in welcher Weise sie dies tun. In diesem Rahmen ist es Sache des nationalen Gerichts festzustellen, ob nach nationalem Recht die Möglichkeit besteht, eine bereits erteilte Genehmigung zurückzunehmen oder auszusetzen, um dieses Projekt (nachträglich) einer Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß den Anforderungen der Richtlinie 85/337 zu unterziehen.
161Vgl. EuGH, Urteil Wells vom 7. Januar 2004, C‑201/02, EU:C:2004:12, NVwZ 2004, 593, juris Rn. 62 ff.; siehe auch Urteil vom 3. Juli 2008, C‑215/06, EU:C:2008:380, NuR 2008, 562 , juris Rn. 57 ff.
162Eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die Heilung eines wegen einer zu Unrecht unterbliebenen Umweltverträglichkeitsprüfung rechtswidrigen Genehmigungsbescheids bis zum spätestmöglichen Zeitpunkt zuzulassen, lässt sich dem Unionsrecht danach nicht entnehmen. Denn auch die Aufhebung der Genehmigung im gerichtlichen Verfahren mit der Folge, dass für das Vorhaben ein vollständig neues Genehmigungsverfahren durchzuführen ist, ist eine taugliche Maßnahme, dem Unterlassen einer erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung abzuhelfen. Steht das Unionsrecht damit aber unterschiedlichen nationalen Regelungen der Heilungsmöglichkeiten nicht entgegen, müssen diese Regelungen auch innerhalb eines Mitgliedstaats nicht notwendig einheitlich ausfallen.
163Nach alledem findet hier § 45 Abs. 2 VwVfG keine Anwendung, da für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden des Landes, auch soweit sie Bundesrecht ausführen, das Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen gilt (vgl. § 1 Abs. 3 VwVfG, § 1 Abs. 1 VwVfG NRW). Der einschlägige § 45 Abs. 2 VwVfG NRW lässt eine Heilung von Verfahrensfehlern nur bis zum Abschluss der ersten Instanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu. Die erst während des Berufungsverfahrens nachgeholte allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls konnte den Verfahrensfehler daher nicht mehr heilen.
164b) Ungeachtet dessen genügt auch die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls vom 30. August 2013 nicht dem Maßstab von § 3a Satz 4 UVPG (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG).
165aa) Allerdings ist die Möglichkeit der Nachholung einer UVP-Vorprüfung nach den genannten Vorschriften mit den europarechtlichen Vorgaben grundsätzlich vereinbar. Insbesondere liegt darin keine - unionsrechtlich problematische - Legalisierung von Projekten, die einer Umweltverträglichkeitsprüfung hätten unterzogen werden müssen. Das gilt jedenfalls, wenn die nachgeholte UVP-Vorprüfung zu dem Ergebnis kommt, dass es einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht bedurfte. Das Unionsrecht steht nationalen Rechtsvorschriften, die unter bestimmten Umständen die Legalisierung unionsrechtswidriger Vorgänge oder Handlungen zulassen, nicht grundsätzlich entgegen. Voraussetzung ist lediglich, dass eine solche Möglichkeit den Betroffenen keine Gelegenheit bietet, das Unionsrecht zu umgehen oder es nicht anzuwenden.
166Vgl. näher BVerwG, Urteil vom 20. August 2008 ‑ 4 C 11.07 -, BVerwGE 131, 352, juris Rn. 27 ff.; EuGH, Urteil vom 3. Juli 2008, C-215/06, EU:C:2008:380, juris Rn. 57.
167Der Heilungsmöglichkeit durch Nachholung einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls dürfte nicht die Auffassung der Kläger entgegenstehen, der mit dem Verfahrenserfordernis verfolgte Zweck könne vorliegend im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr erreicht werden, weil das Vorhaben - durch Errichtung von fünf der genehmigten sieben Windkraftanlagen - schon teilweise verwirklicht worden sei. Mit der Errichtung der allein streitbefangenen Windenergieanlagen WEA 5 und 6 ist noch nicht begonnen worden. Für diese kann eine UVP-Vorprüfung grundsätzlich - stünde vorliegend nicht § 45 Abs. 2 VwVfG NRW entgegen - nachgeholt werden.
168Der Senat kann offen lassen, auf welchen Zeitpunkt die Behörde ihre überschlägige Prüfung, ob das Vorhaben erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann (§ 3c UVPG), zu beziehen hat, wenn die Vorprüfung nach Erteilung der Genehmigung nachgeholt wird. Das betrifft auch die Frage, inwieweit die Kläger eine etwaige Verschlechterung ihrer Rechtsposition durch eine zwischenzeitliche Gebietsveränderung aufgrund Errichtung eines Teils der genehmigten Windkraftanlagen hinnehmen müssen.
169bb) Der Beklagte hat die UVP-Vorprüfung vom 30. August 2013 nicht entsprechend den Vorgaben von § 3c Satz 1 und 3 UVPG durchgeführt und damit das anzuwendende Recht im Sinne von § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG verkannt. Das Ergebnis der allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls, wonach das Vorhaben unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 zum UVPG aufgeführten Kriterien keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen haben kann, ist bezogen auf die Avifauna nicht nachvollziehbar. Dies folgt vorliegend daraus, dass der Beklagte es infolge der nachgeholten allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls für erforderlich gehalten hat, den Genehmigungsbescheid nachträglich durch mehrere, den Vorhabenträger insgesamt nicht unwesentlich einschränkende Nebenbestimmungen i. S. v. § 12 Abs. 1 BImSchG zu ergänzen. Zugleich ist hinsichtlich der zu erwartenden nachteiligen Auswirkungen auf die Avifauna weiterer Klärungsbedarf verblieben.
170Der Beklagte hat den Rechtsbegriff der Erheblichkeit nachteiliger Umweltauswirkungen nicht zutreffend bestimmt. Nach § 3c Satz 1 UVPG ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge nach § 12 UVPG zu berücksichtigen wären. Der Maßstab für die Erheblichkeit nachteiliger Umweltauswirkungen ist dem materiellen Zulassungsrecht zu entnehmen. Nach § 12 UVPG zu berücksichtigen sind erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen nicht erst dann, wenn die Umweltauswirkungen so gewichtig sind, dass sie nach Einschätzung der Behörde zu einer Versagung der Zulassung führen können, weil materielle Genehmigungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind.
171Vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2007 ‑ 4 C 9.06 -, BVerwGE 130, 83, juris Rn. 34, vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 -, BVerwGE 148, 353, juris Rn. 37, und vom 25. Juni 2014 - 9 A 1.13 -, UPR 2014, 444, juris Rn. 21; Bay. VGH, Beschluss vom 17. November 2014 - 22 ZB 14.1035 -, juris Rn. 17; siehe auch OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 2. April 2014 - 1 B 10249/14 -, DVBl. 2014, 940, juris Rn. 19.
172Führt die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls dazu, dass der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach Auffassung der Behörde wesentliche umweltbezogene Nebenbestimmungen im Sinne von § 12 Abs. 1 BImSchG beigefügt werden müssen, kann dies ein Indiz dafür sein, dass das Vorhaben erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann. Die Notwendigkeit, diese nach § 12 UVPG zu berücksichtigen, findet dann in diesen Nebenbestimmungen Ausdruck. Denn die Genehmigung kann nur unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden werden, soweit dies erforderlich ist, um die Erfüllung der in § 6 BImSchG genannten Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen (§ 12 Abs. 1 BImSchG). Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen, die bereits vom Träger des Vorhabens vorgesehen sind und die nachteiligen Umweltauswirkungen offensichtlich ausschließen, können demgegenüber eine Umweltverträglichkeitsprüfung entbehrlich machen (§ 3e Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 3c Satz 3 UVPG).
173Das (absehbare) Erfordernis umweltschützender Nebenbestimmungen muss allerdings nicht zwangsläufig zur Annahme erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen führen. Vielmehr bedarf es einer Gewichtung der betroffenen Umweltbelange unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 zum UVPG aufgeführten vorhaben- und standortbezogenen Kriterien. Zudem ist zu berücksichtigen, inwieweit auf der Grundlage der im Vorprüfungsstadium zur Verfügung stehenden Unterlagen bereits geklärt ist und feststeht, dass eine Nebenbestimmung zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen geeignet und ausreichend ist.
174Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2014 - 9 A 1.13 -, UPR 2014, 444, juris Rn. 21-23, zu einem Planfeststellungsbeschluss; weitergehend Urteil vom 13. Dezember 2007 - 4 C 9.06 -, BVerwGE 130, 83, juris Rn. 34 f., siehe aber nunmehr auch Urteil vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 -, BVerwGE 148, 353, juris Rn. 39.
175Die Behörde darf nicht bereits im Rahmen der Vorprüfung mit einer der Umweltverträglichkeitsprüfung vergleichbaren Prüftiefe „durchermitteln“ und damit unzulässigerweise die eigentliche Umweltverträglichkeitsprüfung unter Missachtung der für diese obligatorischen Öffentlichkeitsbeteiligung vorwegnehmen; sie ist vielmehr auf eine überschlägige Vorausschau beschränkt. Andererseits darf sich die Vorprüfung nicht in einer oberflächlichen Abschätzung spekulativen Charakters erschöpfen, sondern muss auf der Grundlage geeigneter und ausreichender Informationen erfolgen.
176BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2014 - 9 A 1.13 -, UPR 2014, 444, juris Rn. 18 m. w. N.
177Dies zugrunde gelegt durften erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen des Vorhabens in artenschutzrechtlicher Hinsicht nicht ohne vertiefte Untersuchung im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung ausgeschlossen werden.
178Im Genehmigungsverfahren war eine Ermittlung und Prüfung, welche Auswirkungen die Errichtung und der Betrieb von sieben Windenenergieanlagen auf die Avifauna haben werden, gänzlich unterblieben. Die nunmehr als Folge der „Vorprüfung“ nachträglich getroffenen Nebenbestimmungen verdeutlichen jedenfalls in ihrer Gesamtheit, dass der Beklagte der Sache nach selbst von der Möglichkeit erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen durch die beiden streitbefangenen Windkraftanlagen ausgeht. Er hat der Beigeladenen mit der Anlegung eines Ablenkungshabitats für die Rohrweihe zwei Jahre vor Inbetriebnahme der beiden Anlagen, Monitorings zum - ggf. nachträglichen - Schutz der Rohrweihe und von Fledermäusen sowie der Anlegung von sechs mindestens 1,5 ha großen Extensivgrünlandflächen mit Blänke für Brutpaare des Kiebitz‘ aufwändige zusätzliche Maßnahmen auferlegt, die von der Beigeladenen selbst nicht vorgesehen waren (§ 3c Satz 3 UVPG) und der Beseitigung sonst vorliegender Genehmigungshindernisse dienen sollten.
179Zugleich ist auf der Grundlage der herangezogenen Gutachten und Kartierungen nicht sicher, dass ein Verstoß gegen die artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG dadurch hinreichend ausgeschlossen wird. So soll in Bezug auf die Fledermäuse erst ein nach der Errichtung und Inbetriebnahme der Windkraftanlagen durchzuführendes, dreijähriges akustisches Monitoring erweisen, ob ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko besteht. Während dieser drei Jahre sind keinerlei Schutzmaßnahmen vorgesehen. Ein derartiges Monitoring kann angeordnet werden, um nicht behebbaren naturschutzrechtlichen Erkenntnislücken oder Unsicherheiten Rechnung zu tragen, sofern ggf. wirksame Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Es stellt hingegen kein zulässiges Mittel dar, um behördliche Ermittlungsdefizite und Bewertungsmängel zu kompensieren; dies umso weniger, wenn offen bleibt, mit welchen Mitteln nachträglich zu Tage tretenden Gefahren begegnet werden soll.
180Vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Juli 2011 - 9 A 12.10 -, BVerwGE 140, 149, juris Rn. 105; vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 -, BVerwGE 134, 308, juris Rn. 91; OVG NRW, Beschluss vom 6. November 2012 - 8 B 441/12 -, NuR 2012, 870, juris Rn. 43.
181Solche Ermittlungsdefizite liegen hier aber vor, solange das Vorkommen von Fledermäusen für den näheren Umkreis der streitbefangenen Windkraftanlagen nicht untersucht worden ist. Die Bezugnahme auf das im Genehmigungsverfahren der Windkraftanlage WEA lfd. Nr. 22 angefertigte „Fachgutachten Fledermäuse“ vom 17. November 2010 ist insoweit unzureichend. Der dort in den Blick genommene Untersuchungsraum beschränkt sich auf einen Radius von 500 m um die WEA lfd. Nr. 22, von der die streitbefangenen Anlagen mindestens einen Kilometer entfernt liegen.
182Ähnliches gilt hinsichtlich der Ermittlung der Auswirkungen des streitigen Vorhabens auf Kiebitz und Rohrweihe. Das der Vorprüfung zugrunde gelegte avifaunistische Fachgutachten vom 17. November 2010 - angefertigt im Genehmigungsverfahren der WEA lfd. Nr. 22 - untersucht insbesondere die Brutvogelbestände bzw. Revierzentren von Kiebitz und Rohrweihe in einem Umkreis von 1000 bzw. 2000 m um den Standort der WEA lfd. Nr. 22. Die dort ermittelten Zahlen - namentlich die Anzahl der Brutpaare des Kiebitz - wurden in die hier zu beurteilende Vorprüfung und die hieraus resultierenden Nebenbestimmungen übernommen, obwohl sich das hier in den Blick zu nehmende Gebiet (1000 bis 2000 m um die südwestlich liegenden Standorte der WEA 5 und 6) mit dem untersuchten nicht einmal zur Hälfte überschneidet.
183In Bezug auf die Rohrweihe geht der Beklagte insoweit davon aus, dass sich auch durch das zwei Jahre vor Inbetriebnahme der beiden Windkraftanlagen anzulegende Ablenkungshabitat ein signifikant erhöhtes Kollisionsrisiko nicht sicher ausschließen lässt. Auch hier schreibt eine weitere Nebenbestimmung (Nr. IV.7.2) nunmehr ein Monitoring vor, ohne dass dem eine vertiefte Umweltuntersuchung vorausgegangen wäre.
1844. Der Verfahrensfehler verletzt die Kläger nach dem - unter I. näher begründeten - Ansatz des Senats im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in ihren Rechten. Denn die Verpflichtung zu einer - zumindest - dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG genügenden Vorprüfung ist auch den Interessen der Kläger als von der Genehmigung Betroffenen zu dienen bestimmt. Das abweichende Verständnis des § 4 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 UmwRG nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts führt an dieser Stelle zu keinem anderen Ergebnis. Danach liegt lediglich ein objektiv-rechtlicher Rechtsfehler vor. Dieser begründet jedoch ebenfalls einen Aufhebungsanspruch, weil § 4 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 UmwRG dies ausdrücklich anordnet und damit die Voraussetzung einer subjektiven Rechtsverletzung in § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verdrängt. Nach der einen wie der anderen Auffassung ergibt sich aus § 4 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 UmwRG zudem, dass die Aufhebung der Zulassungsentscheidung unabhängig davon beansprucht werden kann, ob der Verfahrensfehler die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat. § 46 VwVfG NRW findet keine Anwendung.
185Vgl. BT-Drs. 16/2495, S. 14; BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 - 9 A 30.10 -, DVBl. 2012, 501, juris Rn. 21; Ziekow, NuR 2014, 229, 231.
186Die Kostenentscheidung beruht unter Einbeziehung des rechtskräftig gewordenen Teils der Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 155 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
187Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
188Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.
(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.
(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.
(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.
(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, - 2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und - 3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.
(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.
(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.
(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.
(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.
(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.
(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.
(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:
- 1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit, - 2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte, - 3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen, - 4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie - 5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.
(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.
(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.
(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.
(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.
(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.
(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien
(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.
(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; - 2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; - 3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; - 4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.
(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung
- 1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, - 2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und - 3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.
(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.
(1) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn
- 1.
sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und - 2.
andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.
(2) Bei Anlagen, die unterschiedlichen Betriebsweisen dienen oder in denen unterschiedliche Stoffe eingesetzt werden (Mehrzweck- oder Vielstoffanlagen), ist die Genehmigung auf Antrag auf die unterschiedlichen Betriebsweisen und Stoffe zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 1 für alle erfassten Betriebsweisen und Stoffe erfüllt sind.
(3) Eine beantragte Änderungsgenehmigung darf auch dann nicht versagt werden, wenn zwar nach ihrer Durchführung nicht alle Immissionswerte einer Verwaltungsvorschrift nach § 48 oder einer Rechtsverordnung nach § 48a eingehalten werden, wenn aber
- 1.
der Immissionsbeitrag der Anlage unter Beachtung des § 17 Absatz 3a Satz 3 durch das Vorhaben deutlich und über das durch nachträgliche Anordnungen nach § 17 Absatz 1 durchsetzbare Maß reduziert wird, - 2.
weitere Maßnahmen zur Luftreinhaltung, insbesondere Maßnahmen, die über den Stand der Technik bei neu zu errichtenden Anlagen hinausgehen, durchgeführt werden, - 3.
der Antragsteller darüber hinaus einen Immissionsmanagementplan zur Verringerung seines Verursacheranteils vorlegt, um eine spätere Einhaltung der Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 1 zu erreichen, und - 4.
die konkreten Umstände einen Widerruf der Genehmigung nicht erfordern.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.
Auf die Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Minden vom 17. August 2015 mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen trägt der Antragsteller. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,- Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Der Antragsteller ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Gemarkung E. , Flur , Flurstück in Q. (postalische Anschrift: W. 50 in 33100 Q. ). Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des rechtskräftigen Bebauungsplans „D 104 C. “ der Stadt Q. , den der Rat der Stadt Q. am 10. Dezember 1987 als Satzung beschlossen hat. Der Bebauungsplan setzt für das Grundstück des Antragstellers ein Allgemeines Wohngebiet (WA) fest. Die Beigeladene beantragte die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage (Typ Enercon E-92) mit einer Nabenhöhe von 138,38 Metern, einem Rotordurchmesser von 92 Metern (Gesamthöhe 184,38 Meter) und einer Nennleistung von 2.350 kW auf dem Grundstück Gemarkung E. , Flur , Flurstück. Der Standort der geplanten - und noch nicht errichteten - Windenergieanlage liegt in südwestlicher Richtung etwa 1.500 Meter von dem Wohnhaus des Antragstellers entfernt.
4Unter dem 15. Januar 2015 zog der Antragsgegner den Antragsteller zum Genehmigungsverfahren hinzu. Mit Bescheid vom 4. Februar 2015 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen die beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung unter Beifügung verschiedener Nebenbestimmungen. Der Antragsteller erhob gegen die Genehmigung am 6. März 2015 Klage vor dem Verwaltungsgericht. Auf den Antrag der Beigeladenen ordnete der Antragsgegner unter dem 18. März 2015 die sofortige Vollziehung der Genehmigung an.
5Der Antragsteller hat am 29. April 2015 Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung der Klage mit Beschluss vom 17. August 2015 insoweit wiederhergestellt, als sie sich auf den Betrieb der Windenergieanlage bezieht. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Hinsichtlich des Betriebs der Anlage gehe die Interessenabwägung zu Lasten der Beigeladenen aus. Die Genehmigung vom 4. Februar 2015 stelle sich im Rahmen der gebotenen summarischen Überprüfung in Bezug auf subjektive Rechte des Antragstellers nicht in jeder Hinsicht als rechtmäßig dar. Auf der Grundlage des von der Beigeladenen im Genehmigungsverfahren vorgelegten schalltechnischen Gutachtens könne nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller durch die genehmigte Anlage schädlichen Umwelteinwirkungen i. S. d. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ausgesetzt werde. Das Gutachten liege nicht „auf der sicheren Seite“, weil seine Aussagekraft durch eine vom LANUV NRW in Auftrag gegebene Untersuchung des Sachverständigenbüros V. & Partner vom 11. November 2014, die sich zur Anwendung des so genannten „alternativen Verfahrens“ nach DIN ISO 9613-2 bei hohen Windenergieanlagen verhält, in Frage gestellt werde. Das schalltechnische Gutachten berechne für die Immissionspunkte IP K, IP O und IP P, zwischen denen das Grundstück des Antragstellers liege, eine Gesamtbelastung von 41,2 dB(A), 39,4 dB(A) bzw. 39,1 dB(A). Es sei davon auszugehen, dass sowohl der Berechnung der Vorbelastung als auch der Zusatzbelastung Bodendämpfungswerte von Agr > 0 zugrundelägen. Daher könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Wohngrundstück des Antragstellers Lärmimmissionen über dem zulässigen Richtwert von 40 dB(A) bzw. - nach Maßgabe von Nr. 3.2.1 Abs. 3 TA Lärm - 41 dB(A) ausgesetzt sein werde.
6Hinsichtlich der Errichtung der Anlage gehe die Interessenabwägung demgegenüber zu Lasten des Antragstellers aus. Etwaige Verstöße gegen den Flächennutzungsplan (Höhenbegrenzung; „Windindustrialisierung“ des Ortsteils E. ) könne der Antragsteller nicht rügen, weil der Flächennutzungsplan keine nachbarschützende Rechte vermittle. Auch verstoße die Anlage nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Angesichts des Abstands zwischen dem Grundstück des Antragstellers und der Anlage sei eine optisch bedrängende Wirkung nicht gegeben. Der Antragsteller sei auch keinen schädlichen Umweltauswirkungen durch Infraschall ausgesetzt. Schließlich bestehe kein Aufhebungsanspruch des Antragstellers nach dem Umweltrechtsbehelfsgesetz. Die hier erforderliche allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit sei durchgeführt worden und nach Maßgabe von § 3a Satz 4 UVPG nicht zu beanstanden.
7Gegen den Beschluss haben der Antragsteller am 31. August 2015, der Antragsgegner am 1. September 2015 und die Beigeladene am 2. September 2015 Beschwerde eingelegt. Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage auch in Bezug auf die Errichtung der genehmigten Windenergieanlage. Der Antragsgegner und die Beigeladene wollen erreichen, dass der Antrag insgesamt abgelehnt wird.
8II.
9Die Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen haben Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner im Verfahren 11 K 693/15 (VG Minden) erhobenen Klage gegen die der Beigeladenen erteilte Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windkraftanlage Typ Enercon E-92 mit einer Nabenhöhe von 138,38 Metern, einem Rotordurchmesser von 92 Metern (Gesamthöhe 184,38 Meter) und einer Nennleistung von 2.350 kW auf dem Grundstück Gemarkung E. , Flur , Flurstück, hinsichtlich des Betriebs der Anlage zu Unrecht stattgegeben. Die hiergegen fristgerecht vorgebrachten Gründe, auf deren Überprüfung das Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellen die Annahmen des Verwaltungsgerichts zwar nicht mit Blick auf die Zulässigkeit des vorläufigen Rechtsschutzantrags des Antragstellers (dazu 1.), wohl aber mit Blick auf dessen Begründetheit durchgreifend in Frage (dazu 2.).
10Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung im Übrigen zu Recht abgelehnt. Die hiergegen fristgerecht vorgebrachten Gründe stellen die Annahme des Verwaltungsgerichts, die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung sei - von der Lärmproblematik abgesehen - voraussichtlich rechtmäßig, nicht durchgreifend in Frage (dazu 3.).
11Die im Verfahren nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung führt daher insgesamt zu dem Ergebnis, dass dem Interesse der Beigeladenen an einer Ausnutzung der ihr erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung der Vorrang gegenüber dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs zukommt (dazu 4.).
121. Gegen die Zulässigkeit des Antrags bestehen entgegen der Auffassung des Antragsgegners keine Bedenken; insbesondere fehlt es nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die erhobene Klage nicht deshalb unzulässig sein dürfte, weil der Antragsteller in der Klageschrift vom 6. März 2015 das „Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch den Kreis Q. , Umweltamt“ als Beklagten bezeichnet hat. Der vom Antragsgegner hierzu zitierte Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. September 2015 (4 CN 2.15) steht dem nicht entgegen.
13Auch eine Parteibezeichnung im Sinne des § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Auslegung zugänglich, sofern sie - wie hier - uneindeutig und damit grundsätzlich auslegungsfähig ist. Dabei ist auf den objektiven Empfängerhorizont abzustellen.
14Vgl. nur Aulehner, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 82 Rn. 8 m.w.N.
15Danach ist auch aus Sicht des Senats nicht zweifelhaft, dass die Klage von Anfang an gegen den Antragsgegner und nicht gegen das Land Nordrhein-Westfalen gerichtet war. Der Klage war der angefochtene Genehmigungsbescheid des Antragsgegners beigefügt. Die Nennung des Landes Nordrhein-Westfalen stellt nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ersichtlich ein Versehen des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers dar. Sein Schriftsatz vom 17. März 2015 steht dieser Bewertung nicht entgegen. Der Antragsteller hat darin ausdrücklich bestätigt, dass sich die Klage gegen den Antragsgegner richtet und die Rubrumsberichtigung mithin zu Recht erfolgt ist. Dass er weiterhin irrtümlich annahm, der Kreis werde als untere staatliche Verwaltungsbehörde tätig, ändert daran nichts.
162. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 4. Februar 2015 subjektive Rechte des Antragstellers verletze, weil auf der Grundlage des von der Beigeladenen im Genehmigungsverfahren vorgelegten schalltechnischen Gutachtens nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden könne, dass der Antragsteller durch die genehmigte Anlage schädlichen Umwelteinwirkungen i. S. d. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ausgesetzt werde. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts liegt die Immissionsprognose auf der Grundlage des schalltechnischen Gutachtens der X GmbH & Co. KG vom 10. Oktober 2014 (Beiakte Heft 5, Register 9, im Verfahren 8 B 1016/15) unter Berücksichtigung der ergänzenden Stellungnahmen der J. GmbH vom 17. September und 8. Oktober 2015 (vgl. Bl. 369 bis 376 der Gerichtsakte) bei der hier nur möglichen summarischen Prüfung „auf der sicheren Seite“ (dazu a). Ihre Aussagekraft wird durch die vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV NRW) in Auftrag gegebene Untersuchung des Sachverständigenbüros V. & Partner vom 11. November 2014 (im Folgenden: „V1. -Studie 2014“), die sich zur Anwendung des so genannten „alternativen Verfahrens“ nach DIN ISO 9613-2 bei hohen Windenergieanlagen verhält, nicht durchgreifend in Frage gestellt (dazu b).
17a) Auf der Grundlage der schalltechnischen Untersuchungen der X GmbH & Co. KG sowie der ergänzenden Stellungnahmen der J. GmbH vom 17. September und 8. Oktober 2015 bestehen keine im vorliegenden Eilverfahren beachtlichen Anhaltspunkte dafür, dass der für das Wohngrundstück des Antragstellers maßgebliche Immissionsrichtwert von 55 dB(A) tags und 40 dB(A) nachts dort durch den Betrieb der streitgegenständlichen Windenergieanlage überschritten wird.
18Einer näheren Betrachtung bedarf dies lediglich für die Nachtzeit, da für die Tagzeit angesichts des um 15 dB(A) höheren Immissionsrichtwerts Überschreitungen auch unter Berücksichtigung des dann zugrunde zu legenden Betriebs mit einer uneingeschränkten Leistung von 2.350 kW auszuschließen sein dürften, wenn die Immissionswerte nachts eingehalten werden.
19Dabei dürfte allerdings davon auszugehen sein, dass das Wohnhaus des Antragstellers in dem - zu erweiternden - Einwirkungsbereich der Windenergieanlage liegt, obwohl die dort zu erwartende Zusatzbelastung durch diese Anlage mehr als 10 dB(A) unter dem maßgeblichen Immissionsrichtwert liegt (vgl. Nr. 2.2 TA Lärm). Bei einer - wie hier - sehr großen Anzahl einwirkender Anlagen bzw. relevanter Vorbelastung kann es auch außerhalb des durch Nr. 2.2 TA Lärm schematisch umschriebenen Einwirkungsbereichs zu einer Pegelerhöhung und Überschreitung des Immissionsrichtwertes durch die Gesamtbelastung um mehr als 1 dB und damit zu einer schädlichen Umwelteinwirkung kommen. Dem dürfte - in gesetzeskonformer Anwendung der TA Lärm - durch die Zugrundelegung eines erweiterten Einwirkungsbereichs Rechnung zu tragen sein.
20Vgl. dazu etwa Feldhaus/Tegeder, in: Feldhaus (Hrsg.), Bundesimmissionsschutzrecht, Bd. 4, § 6 BImSchVwV (TA Lärm) , Rn. 21; Agatz, Windenergie-Handbuch, 12. Ausgabe 2015, S. 79.
21Das schalltechnische Gutachten ist auf der Grundlage der TA Lärm sowie des „alternativen Verfahrens“ nach DIN ISO 9613-2 (vgl. Nr. A.2.3.4 des Anhangs zur TA Lärm) erstellt worden. Es enthält - unter anderem - Berechnungen für den Immissionspunkt (IP) O WA, die einen gewissen Anhalt für die am - ursprünglich nicht gesondert betrachteten - Wohngrundstück des Antragstellers zu erwartenden Schallimmissionen bieten können. Der als Fläche dargestellte Immissionspunkt IP O WA befindet sich wie das Wohngrundstück des Antragstellers im Ortsteil E. und deckt in etwa den nördlichen Teil des Geltungsbereichs des Bebauungsplans „D 111 Auf der Heide“ der Stadt Q. ab. Der kürzeste Abstand des IP O WA zur streitbefangenen Windenergieanlage beträgt ausweislich des schalltechnischen Gutachtens 1.649 Meter (vgl. Seite 17 des Gutachtens, Beiakte Heft 5, Register 9, im Verfahren 8 B 1016/15). Den Abstand zwischen der streitbefangenen Windenergieanlage und dem Wohnhaus des Antragstellers gibt dieser selbst mit knapp 1.505 Metern an (vgl. Anlage 5 zum Schriftsatz vom 6. Oktober 2015, Bl. 351 der Gerichtsakte). Tatsächlich beträgt der Abstand mindestens 1.517 Meter, wie eine Messung anhand von www.tim-online.nrw.de und der in den Antragsunterlagen enthaltenen Gauß-Krüger-Koordinaten ergibt. Für den IP O WA berechnet das schalltechnische Gutachten eine Gesamtbelastung von 39,4 dB(A). Die Gesamtbelastung liegt damit 0,6 dB(A) unter dem für die Nacht maßgeblichen Immissionsrichtwert. Für das Grundstück des Antragstellers, welches etwa 130 Meter näher zur streitbefangenen Anlage gelegen ist, mag die Gesamtbelastung etwas höher liegen. Eine relevante Überschreitung des maßgeblichen Immissionsrichtwertes dürfte dennoch auszuschließen sein.
22In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 17. September 2015 berechnet die IEL GmbH für den hier konkret maßgeblichen Immissionsort, das Wohnhaus des Antragstellers, eine Gesamtbelastung von 38,7 dB(A). Dadurch wird die voraussichtliche Einhaltung der Immissionsrichtwerte nunmehr mit einer im vorliegenden summarischen Verfahren hinreichenden Sicherheit bestätigt.
23b) Die vom LANUV NRW in Auftrag gegebene Untersuchung des Sachverständigenbüros V1. & Partner vom 11. November 2014 (im Folgenden: „V1. -Studie 2014“), auf die der Antragsteller sich beruft, begründet an dieser Prognose keine durchgreifenden Zweifel. Dieser Bericht kommt zwar zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass das - auch hier angewandte - alternative Verfahren nach DIN ISO 9613-2 bei der Beurteilung der Geräusche von hohen Windenergieanlagen infolge einer Überschätzung der Bodendämpfung zu Abweichungen von den im Rahmen des Forschungsvorhabens gemessenen Werten führt. Aufgrund des bisher erreichten Erkenntnisstands ist jedoch - zumal im gerichtlichen Eilverfahren - nicht davon auszugehen, dass das genannte Verfahren durch neue gesicherte Erkenntnisse überholt wäre und nach dem „alternativen Verfahren“ erstellte Schallimmissionsprognosen nicht mehr verwertbar wären. Ungeachtet dessen dürften jedenfalls die von der IEL GmbH unter dem 17. September 2015 hilfsweise berechneten Immissionswerte für das Wohnhaus des Antragstellers hinreichend auf der sicheren Seite liegen.
24Der TA Lärm kommt, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu.
25BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 - 4 C 8/11 - BVerwGE 145, 145 ff. = juris Rn. 18.
26Die Bindungswirkung der TA Lärm einschließlich der über Ziffer A.2.3.4 des Anhangs zur TA Lärm anzuwendenden DIN ISO 9613-2 entfällt nur dann, wenn die in der TA Lärm enthaltenen Aussagen durch Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik überholt sind und sie deshalb den gesetzlichen Anforderungen nicht mehr gerecht werden.
27Vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. März 1996 - 7 B 164/95 - UPR 1996, 306 = juris Rn. 19.
28Davon ist auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse der „V1. -Studie 2014“ nicht auszugehen.
29So auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 23. Februar 2016 - 3 S 2225/15 - juris Rn. 66; Bay. VGH, Beschlüsse vom 10. August 2015 - 22 ZB 15.1113 - BauR 2015, 1823 = juris Rn. 12 f., und vom 18. Februar 2016 - 22 ZB 15.2412 -, juris Rn. 26 ff., 57; insoweit noch offen lassend: OVG NRW, Beschluss vom 27. Juli 2015 - 8 B 390/15 - BauR 2015, 1817 = juris Rn. 25.
30Zwar hält der Senat die Kernaussagen der „V1. -Studie 2014“ für plausibel. Denn die mathematischen Modelle für die Ermittlung der Bodendämpfung Agr wurden anhand von Schallquellen erstellt, die sich in maximal 30 Metern Höhe befinden. Es leuchtet ein, dass sich die Bodendämpfung bei höheren Schallquellen einerseits und bei weiter entfernt liegenden Immissionspunkten andererseits möglicherweise anders auswirkt. In diesem Zusammenhang enthält die „V1. -Studie 2014“ die Aussage, dass die Bodendämpfung Agr bei hohen Schallquellen wahrscheinlich überschätzt werde. Die Aussage, dass die Bodendämpfung stets bei sämtlichen auf einen Immissionspunkt einwirkenden Windenergieanlagen mit Agr = 0 anzusetzen wäre, wird in dieser Studie nicht getroffen; sie lässt sich aus ihr auch nicht ableiten. Die Frage, welche konkreten Änderungen bei der Schallausbreitungsrechnung nach der TA Lärm in Verbindung mit der DIN ISO 9613-2 möglicherweise notwendig sind, ist derzeit noch offen bzw. Gegenstand wissenschaftlicher Diskussionen. Die „V1. -Studie 2014“ zeigt also einen bestimmten Forschungsbedarf auf. Einen Erkenntnisfortschritt, der die Bindungswirkung der TA Lärm sowie der DIN ISO 9613-2 im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung entfallen ließe, stellt sie nicht dar.
31Jedenfalls im gerichtlichen Eilverfahren ist daher weiter davon auszugehen, dass eine Schallprognose dann „auf der sicheren Seite“ liegt, wenn sie - wie hier - entsprechend dem Regelwerk der TA Lärm sowie der in Bezug genommenen DIN ISO 9613-2 erstellt worden ist. Der Beschluss des Senats vom 27. Juli 2015 (8 B 390/15)
32- BauR 2015, 1817 = juris Rn. 24 -
33steht dem nicht entgegen. Dort war auf Veranlassung der zum gerichtlichen Eilverfahren beigeladenen Anlagenbetreiberin eine ergänzende Schallprognose eingeholt worden, bei der im Rahmen der Schallausbreitungsberechnung nach Maßgabe des „alternativen Verfahrens“ der DIN ISO 9613-2 die Bodendämpfung Agr durchweg mit „Null“ angesetzt wurde. Das Ergebnis war, dass auch in diesem Fall die maßgeblichen Immissionsrichtwerte am Wohnhaus des dortigen Antragstellers nicht überschritten wurden. In diesem Zusammenhang hat der Senat ausgeführt, dass eine Prognose nach dem alternativen Berechnungsverfahren jedenfalls dann auf der sicheren Seite liege, wenn eine - den Beurteilungspegel senkende - Bodendämpfung in der Berechnung ganz unberücksichtigt bleibe. Da es sich mathematisch stets zugunsten der Immissionspunkte auswirkt, wenn die Bodendämpfung Agr bei der Schallausbreitungsberechnung unberücksichtigt bleibt, versteht sich die vom Senat getroffene Aussage von selbst. Sie war jedoch nicht mit der Feststellung verbunden, dass eine Schallprognose nur dann auf der sicheren Seite liege, wenn die Bodendämpfung vollumfänglich unberücksichtigt bleibt.
34Vor dem Hintergrund der noch nicht abgeschlossenen wissenschaftlichen Diskussionen bestehen derzeit keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die von der IEL GmbH mit ergänzender Stellungnahme vom 17. September 2015 berechneten bzw. mitgeteilten worst-case-Werte für das Wohnhaus des Antragstellers nicht hinreichend auf der sicheren Seite lägen. Die IEL GmbH hat dabei die Bodendämpfung Agr für alle südwestlich der Ortschaft E. liegenden Windkraftanlagen auf Null korrigiert.
35Die Gutachter gehen dabei davon aus, dass ein pauschaler Ansatz mit Agr = 0 für die Schallausbreitungswege aller - rund 100 - auf das Grundstück des Antragstellers einwirkenden Windenergieanlagen nicht sachgerecht wäre. Es spricht auf der Basis des aktuellen Erkenntnisstandes viel für die Annahme der Gutachter, dass dies auch angesichts weiterer, sich summierender konservativer Annahmen der Berechnung eine Überkompensation eines möglicherweise in der Schallausbreitungsrechnung nach dem „alternativen Verfahren“ enthaltenen „Fehlers“ für hohe, weit entfernte Schallquellen darstellen würde. So führt der Umstand, dass sich die die Ortschaft E. umrandenden Windenergieanlagen bzw. Windparks auf mehrere Himmelsrichtungen (Süden, Westen, Norden) verteilen, dazu, dass nicht alle Anlagen gleichzeitig auf eine Gebäudefront einwirken können. Ebenso wenig kann die stets in alle Richtungen unterstellte Bedingung von Mitwind in der Realität gleichzeitig auf alle Windkraftanlagen zutreffen. Überdies entspricht es den bisherigen vorläufigen Überlegungen, dass Modifikationen bei der Berücksichtigung der Bodendämpfungswerte voraussichtlich mit einer - hier soweit ersichtlich nicht vorgenommenen - Abschmelzung des bisher berücksichtigten Sicherheitszuschlags für die Unsicherheit des Prognosemodells einhergehen würden.
36Vgl. näher Agatz, Windenergie-Handbuch, 12. Ausgabe 2015, S. 70 m. w. N.
37Eine tendenzielle Überschätzung der Sicherheitszuschläge kommt im vorliegenden Fall zusätzlich deshalb in Betracht, weil bei großen Windparks mit zahlreichen Windenergieanlagen die Standardabweichung des gesamten Parks kleiner ist als die Standardabweichung der einzelnen Windenergieanlage.
38Vgl. Agatz, a. a. O., S. 73 f.
39Schließlich haben die Gutachter darauf hingewiesen, dass der Untersuchungsstandort im Rahmen der „V1. -Studie 2014“ von einer bestimmten Topografie und Vegetation (ebene Fläche; überwiegend landwirtschaftlich genutzte Flächen etc.) geprägt gewesen sei. Für die Umgebung der Ortschaft E. sei demgegenüber bewegtes und zum Teil bewaldetes Gelände prägend. Die Ergebnisse der „V1. -Studie 2014“ dürften daher auf die hier gegebene Situation nicht ohne Weiteres zu übertragen sein.
40Ausgehend von diesen Überlegungen bestehen derzeit keine erheblichen Zweifel daran, dass jedenfalls die unter dem 17. September 2015 vorgelegte Berechnung der IEL GmbH, die bei den im Rahmen der Vorbelastung zu berücksichtigenden südwestlich der Ortschaft E. gelegenen Windenergieanlagen eine Bodendämpfung unberücksichtigt lässt, auf der sicheren Seite liegt. Dies gilt jedenfalls vorbehaltlich der im Hauptsacheverfahren vorzulegenden und zu überprüfenden Eingangsgrößen dieser Berechnung. Danach ergibt sich für das Grundstück des Antragstellers eine Gesamtbelastung von LATges = 38,7 dB(A). Darüber hinaus wird nach den Berechnungen der Gutachter der - gemäß Nr. 3.2.1 Abs. 3 TA Lärm auf 41 dB(A) erhöhte - Immissionsrichtwert nachts am Grundstück des Antragstellers sogar selbst dann nicht überschritten, wenn bei der Ermittlung der Gesamtbelastung die Immissionsbeiträge aller - rund 100 - auf das Grundstück des Antragstellers einwirkenden Windenergieanlagen und nicht lediglich - wie vom Antragsgegner für richtig gehalten - die Anlagen mit einem Immissionsbeitrag von weniger als 15 dB unterhalb des maßgeblichen Immissionsrichtwertes berücksichtigt werden. Ob ein solcher genereller „Abschneidewert“ sachgerecht ist und auch dann den rechtlichen Vorgaben entspricht, wenn er im Einzelfall dazu führt, dass eine Vielzahl von Anlagen bei der Ermittlung des Beurteilungspegels unberücksichtigt bleibt, obwohl diese zusammen die Gesamtbelastung um mehr als 1 dB(A) erhöhen würden, braucht der Senat im vorliegenden Eilverfahren nicht zu entscheiden.
41Die vom Antragsteller vorgelegten Messprotokolle sind nicht geeignet, das vorstehende Ergebnis in Zweifel zu ziehen. Es ist nicht hinreichend erkennbar, dass diese die formalen Anforderungen erfüllen, die Ziffer A.3.5 des Anhangs zur TA Lärm an Messberichte stellt, dass die verwendeten Messgeräte den in Ziffer A.3.2 des Anhangs zur TA Lärm enthaltenen Anforderungen entsprechen und dass das Messverfahren und die Auswertung nach Maßgabe der Ziffer A.3.3 des Anhangs zur TA Lärm erfolgt ist. Insbesondere ist nicht hinreichend ersichtlich, dass die gemessenen Pegel nicht in erheblicher Weise durch Windgeräusche oder ähnliche Störgeräusche mitverursacht worden sind.
423. Die angefochtene Genehmigung verletzt bei summarischer Prüfung auch ansonsten keine subjektiven Rechte des Antragstellers. Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass dem Antragsteller ein nachbarliches Abwehrrecht gegen das Bauvorhaben der Beigeladenen voraussichtlich nicht zusteht, soweit die Errichtung der Windenergieanlage betroffen ist. Gleiches gilt auch für den Betrieb der Windenergieanlage, nachdem hinsichtlich der Lärmproblematik bestehende Bedenken oben unter 2. entkräftet werden konnten. Von der Anlage geht keine optisch bedrängende Wirkung aus (dazu a). Auch steht dem Antragsteller ein Aufhebungsanspruch nach dem Umweltrechtsbehelfsgesetz nicht zu (dazu b). Andere Gründe sind vom Antragsteller nicht innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist (dazu c) bzw. nicht substantiiert (dazu d) vorgebracht worden.
43a) Von der streitbefangenen Anlage geht keine optisch bedrängende Wirkung aus, die im Hinblick auf die Wohnnutzung des Antragstellers einen Verstoß gegen das allgemeine, im Bauplanungsrecht verankerte Gebot der Rücksichtnahme darstellt.
44Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats hat sich die Einzelfallabwägung, ob eine Windenergieanlage bedrängend auf die Umgebung wirkt, in einem ersten Schritt an der Gesamthöhe (Nabenhöhe zuzüglich der Hälfte des Rotordurchmessers; hier: 184,38 Meter) der Anlage zu orientieren. Darüber hinaus sind die örtlichen Verhältnisse in die Einzelfallbewertung einzustellen. So ist u.a. die Lage bestimmter Räumlichkeiten und deren Fenster sowie von Terrassen u. ä. zur Windkraftanlage von Bedeutung. Zu berücksichtigen ist auch, ob von dem Wohngrundstück aus eine hinreichende Abschirmung zur Anlage besteht oder in zumutbarer Weise hergestellt werden kann. Relevant ist im Weiteren der Blickwinkel auf die Anlage, da es für die Erheblichkeit der optischen Beeinträchtigung einen Unterschied macht, ob die Anlage in der Hauptblickrichtung eines Wohnhauses liegt oder sich seitwärts von dieser befindet. Auch die Hauptwindrichtung kann von Bedeutung sein. Denn von der mit der Windrichtung wechselnden Stellung des Rotors hängt es ab, wie häufig in welcher Größe die vom Rotor bestrichene Fläche von einem Wohnhaus aus wahrgenommen wird. Zu berücksichtigen ist im Weiteren die topographische Situation. So kann etwa von einer auf einem Hügel gelegenen Windkraftanlage eine andere Wirkung als von einer auf tiefer liegendem Gelände errichteten Anlage ausgehen. Auch können Waldgebiete oder Gebäude einen zumindest partiellen Sichtschutz bieten. Einfluss auf das Maß der optischen Beeinträchtigung können auch schon vorhandene Windkraftanlagen haben. Denn einer Einzelanlage kann in diesem Zusammenhang je nach der Situation im Einzelfall ein stärkeres Gewicht zukommen als einer Anlage, die sich in eine schon vorhandene (optische) Vorbelastung einfügt und deshalb keine besondere zusätzliche Belastung für die Wohnnutzung darstellt. Je nach Fallkonstellation kann aber auch erst die hinzutretende Anlage in der Zusammenschau mit den bereits vorhandenen Anlagen zu einer unzumutbaren optisch bedrängenden Wirkung führen. Unter Berücksichtigung insbesondere der vorstehenden Kriterien lassen sich für die Ergebnisse der Einzelfallprüfungen grobe Anhaltswerte prognostizieren: Beträgt der Abstand zwischen einem Wohnhaus und einer Windkraftanlage mindestens das Dreifache der Gesamthöhe der geplanten Anlage (hier: 3 x 184,38 = 553,14 Meter), dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu dem Ergebnis kommen, dass von dieser Anlage keine optisch bedrängende Wirkung zu Lasten der Wohnnutzung ausgeht. Bei einem solchen Abstand treten die Baukörperwirkung und die Rotorbewegung der Anlage so weit in den Hintergrund, dass ihr in der Regel keine beherrschende Dominanz und keine optisch bedrängende Wirkung gegenüber der Wohnbebauung zukommt. Ist der Abstand geringer als das Zweifache der Gesamthöhe der Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu einer dominanten und optisch bedrängenden Wirkung der Anlage gelangen. Ein Wohnhaus wird bei einem solchen Abstand in der Regel optisch von der Anlage überlagert und vereinnahmt. Auch tritt die Anlage in einem solchen Fall durch den verkürzten Abstand und den damit vergrößerten Betrachtungswinkel derart unausweichlich in das Sichtfeld, dass die Wohnnutzung überwiegend in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird. Beträgt der Abstand zwischen dem Wohnhaus und der Windkraftanlage das Zwei- bis Dreifache der Gesamthöhe der Anlage, bedarf es regelmäßig einer besonders intensiven Prüfung des Einzelfalls.
45OVG NRW, Urteil vom 9. August 2006 - 8 A 3726/05 -, BRS 70 Nr. 175 (2006) = juris Rn. 51 ff., 81, 91 ff., jeweils m. w. N.
46Diesem groben Raster liegt die Überlegung zu Grunde, dass die optisch bedrängende Wirkung einer Windenergieanlage mit zunehmendem Abstand regelmäßig abnimmt. Anders ausgedrückt: Je größer der Abstand zwischen einer Windenergieanlage und einem Wohnhaus ist, desto mehr treten die Kriterien, die für die optisch bedrängende Wirkung einer Windenergieanlage verantwortlich sein können, im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallbetrachtung in den Hintergrund.
47Nach diesen Grundsätzen geht der Senat ebenso wie das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall davon aus, dass von der streitbefangenen Anlage keine optisch bedrängende Wirkung ausgeht, die einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme darstellen würde. Die vom Antragsteller mit der Beschwerde vorgebrachten Gründe führen nicht zu einer anderen Bewertung. Der Senat verkennt dabei nicht, dass das Wohngrundstück des Antragstellers in Blickrichtung der streitbefangenen Anlage durch bereits vorhandene Windenergieanlagen nicht unerheblich vorbelastet ist. Auch verkennt der Senat nicht, dass die streitbefangene Anlage die bereits vorhandenen Anlagen in der Höhe zum Teil deutlich überragt. Da die streitbefangene Anlage zudem einen geringeren Abstand zum Wohnhaus des Antragstellers aufweist als die in derselben Blickrichtung bereits vorhandenen Anlagen, kann im vorliegenden Fall auch nicht davon gesprochen werden, dass die Anlage keine zusätzliche Belastung für die Wohnnutzung des Antragstellers darstellt, weil sie sich in eine schon vorhandene (optische) Vorbelastung einfügen würde. Der Senat geht daher davon aus, dass die streitbefangene Anlage eine eigenständige und zusätzliche optische Belastung für das Wohngrundstück des Antragstellers darstellt. Gleichwohl teilt er die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Grenze des Zumutbaren im vorliegenden Fall nicht überschritten und eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme daher nicht gegeben ist. Dabei spielt die Entfernung der Anlage zum Wohnhaus des Antragstellers eine ganz wesentliche Rolle. Der Abstand beträgt hier 1.517 Meter und entspricht damit etwa dem 8,2-fachen der Gesamthöhe der Anlage. Der über www.tim-online.nrw.de einzusehenden topografischen Landkarte kann zudem entnommen werden, dass das am Hang gelegene Grundstück des Antragstellers zwischen 240 und 245 Meter ü. NN. und der Anlagenstandort etwa 255 Meter ü. NN. gelegen ist, so dass ein - rechtlich möglicherweise relevanter - Höhenunterschied bei der Abstandsberechnung hier nicht weiter ins Gewicht fällt. Ist nach der oben dargestellten Rechtsprechung schon bei einem Abstand zwischen Windenergieanlage und Wohnhaus, der dem Dreifachen der Gesamthöhe der Anlage entspricht, regelmäßig davon auszugehen, dass von der Anlage keine optisch bedrängende Wirkung zu Lasten der Wohnnutzung ausgeht, weil bei einem solchen Abstand die Baukörperwirkung und die Rotorbewegung der Anlage so weit in den Hintergrund treten, dass der Anlage insgesamt in der Regel keine beherrschende Dominanz und keine optisch bedrängende Wirkung gegenüber der Wohnbebauung mehr zukommt, so gilt dies mit zunehmendem Abstand umso mehr. Entspricht der Abstand zwischen Windenergieanlage und Wohnbebauung - wie hier - etwa dem 8,2-fachen der Gesamthöhe der Anlage, so mag die streitbefangene Anlage - auch zusammen mit den bereits vorhandenen Anlagen - zwar eine (optische) Belastung für das Wohngrundstück des Antragstellers bedeuten. Die Baukörperwirkung und die Rotorbewegung der Anlage treten bei einem solchen Abstand jedoch so deutlich in den Hintergrund, dass der Anlage eine beherrschende Dominanz praktisch nicht mehr zukommen kann. Daher kommt es auch auf eine bestehende oder noch herzustellende Abschirmung zur Anlage, etwa durch Wälder, Anpflanzungen oder Gardinen, hier nicht entscheidend an. Auch der freie und ungehinderte Blick auf die mehr als 1.517 Meter entfernte Windenergieanlage ist - auch unter Berücksichtigung der im Blickfeld bereits vorhandenen Anlagen - rechtlich nicht unzumutbar. Daran würde sich selbst dann nichts ändern, wenn – wie der Antragsteller meint – die in den Verfahren 8 B 1015/15 und 8 B 1017/15 streitbefangene später genehmigte Windenergieanlage Enercon E 101 bei Erteilung der hier angefochtenen Genehmigung hätte berücksichtigt werden müssen.
48b) Das Verwaltungsgericht ist der Ansicht, dass dem Antragsteller kein Aufhebungsanspruch nach § 4 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 UmwRG zustehe, weil die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung nicht unter Verstoß gegen Vorschriften des UVPG ergangen sein dürfte. Die hier gemäß § 3e Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 3c Satz 1 und 3 UVPG und Nr. 1.6.2 der Anlage 1 zum UVPG erforderliche allgemeine Vorprüfung sei durchgeführt worden und halte einer gerichtlichen Nachprüfung nach Maßgabe von § 3a Satz 4 UVPG stand. Diese Annahme wird durch das Beschwerdevorbringen nicht durchgreifend in Frage gestellt.
49Der Antragsteller beanstandet im Wesentlichen eine unzureichende Prüfung des Artenschutzes. Der Sachverhalt sei insoweit nicht hinreichend ermittelt. Nicht sämtliche vorhandene geschützte Arten seien erfasst worden. Auch seien die Mindestanforderungen an die Beobachtungsdauer nicht beachtet worden. Der Antragsgegner reduziere die Artenschutzproblematik unzulässig auf die Zwergfledermaus. Die Problematik der Zugvögel bleibe unbeachtet. Wesentliche Rotmilan-Vorkommen blieben sogar gänzlich unerwähnt.
50Die vorgenannten Rügen greifen nicht durch. Der Entscheidung des Antragsgegners, dass die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erforderlich sei, beruht ausweislich des Ergebnisvermerks (vgl. Bl. 112 f. der Beiakte Heft 4 im Verfahren 8 B 1016/15) unter anderem auf der internen Stellungnahme des Umweltamtes des Antragsgegners vom 18. Dezember 2014 (vgl. Bl. 93 ff. der Beiakte Heft 4 im Verfahren 8 B 1016/15). Diese interne Stellungnahme wiederum bezieht sich auf zwei artenschutzrechtliche Fachbeiträge und eine Artenschutzprüfung, nämlich auf den im Rahmen der 107. Änderung des Flächennutzungsplans der Stadt Q. erstellten Artenschutzfachbeitrag der NZO-GmbH von August 2009 (abrufbar im Internet über die Homepage der Stadt Q. ), die im Rahmen der 121. Änderung des Flächennutzungsplans der Stadt Q. erstellte Artenschutzprüfung des Ingenieur-Büros (abrufbar im Internet über die Homepage „Dahler Windinitiative Q. “ - http://dawipaderborn.bplaced.net/) sowie den im Rahmen der 125. Änderung des Flächennutzungsplans der Stadt Q. erstellten Artenschutzfachbeitrag der NZO-GmbH von November 2014 (abrufbar im Internet über die Homepage der Stadt Q. ). Für den Standort der hier streitbefangenen Anlage, der in der Konzentrationszone 4 („J. Weg“) liegt, enthält der zuletzt genannte Artenschutzfachbeitrag auf Seite 178 folgende Kurzbewertung:
51„Die Fläche wurde mit der 107. Änderung des FNP als Konzentrationszone ausgewiesen. Sowohl 2009 als auch 2014 wurde kein Brutrevier WEA-empfindlicher Greifvögel innerhalb der Konzentrationszone oder im nahen Umfeld kartiert. Bei der Raumnutzungsanalyse 2014 der angrenzenden Potentialfläche 8 konnte beobachtet werden, dass die Konzentrationszone von Rotmilanen als allgemeines Nahrungsstreifgebiet genutzt wird. Bei der Brutvogelkartierung 2009 gab es einen Brutverdacht für ein Kiebitzpaar. Eine Brut konnte aber letztlich nicht bestätigt werden. Maßnahmen zur Habitatoptimierung sind nicht erforderlich. Es wurden 2012 keine WEA-empfindlichen Fledermausarten nachgewiesen (LOSKE 2012).“
52Bereits im Jahr 2009 anlässlich der Ausweisung der Konzentrationszone 4 waren die Auswirkungen von bis zu 100 Meter hohen Windenergieanlagen u. a. auf Zug- bzw. Brut- und Gastvögel einschließlich des Rotmilans durch den Artenschutzfachbeitrag der NZO-GmbH von August 2009 umfangreich untersucht und eine Erfüllung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände (bei Beachtung bestimmter Schutzmaßnahmen) verneint worden. Vor diesem Hintergrund stellt es für sich genommen kein Ermittlungsdefizit dar, dass sich die im Rahmen der - letztlich nicht realisierten - 121. Änderung des Flächennutzungsplans der Stadt Q. , die eine Aufhebung der Höhenbeschränkung vorsah, erstellte Artenschutzprüfung des Dr. M. im Wesentlichen mit der Frage befasste, ob sich durch die geplante Höhenfreigabe für Brut- und Gast- und Zugvögel ein erhöhtes Konfliktpotential ergebe. Diese Frage hat der Gutachter verneint, da eine Erhöhung der Anlagen - vor allem bei Greifvögeln - eher zu einer Reduzierung des Kollisionsrisikos führe. Hinsichtlich der Zugvögel wurde zusätzlich angeführt, dass sich aus den beobachteten Zugwegen über das Untersuchungsgebiet keine Hinweise auf Zugkorridore regionaler oder überregionaler Bedeutung hätten ableiten lassen. Warum gleichwohl weitergehende Untersuchungen erforderlich sein sollten, legt die Beschwerde nicht substantiiert dar. Der Hinweis des Antragstellers auf Rotmilan-Beobachtungen am J. Weg genügt dazu nicht. Das gilt selbst ungeachtet der Tatsache, dass sich der von ihm vorgelegte Kartenausschnitt aus dem NZO-Gutachten 2014 nicht auf die hier in Rede stehende Fläche, sondern auf die angrenzenden Potentialflächen 6/7 bezieht. Auch die vom Antragsteller lediglich pauschal und damit nur unsubstantiiert vorgebrachten methodischen Mängel vermag der Senat nach Durchsicht der Artenschutzfachbeiträge nicht nachzuvollziehen.
53c) Soweit das Verwaltungsgericht die teilweise Ablehnung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz darauf stützt, dass negative Auswirkungen durch Infraschall aufgrund des Abstands zwischen dem Wohnhaus des Antragstellers und der Anlage auszuschließen seien, greift die Beschwerde ebenfalls nicht durch. Die vom Antragsteller hiergegen vorgebrachten Gründe sind vom Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nicht zu prüfen, weil der Antragsteller diese erst mit Schriftsatz 6. Oktober 2015 und damit nicht innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgebracht hat. Davon abgesehen würde er mit seinem Vortrag aber auch nicht durchdringen. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass in Bezug auf Infraschall jedenfalls bei Abständen von mehr als 500 Metern - und erst recht bei einem Abstand wie hier von 1.517 Metern - zwischen Windenergieanlage und Wohnhaus die Schwelle zur schädlichen Umwelteinwirkungen nicht erreicht wird.
54Vgl. hierzu auch Ziffer 5.2.1.1 des aktuellen Windenergie-Erlasses NRW vom 4. November 2015
55(https://www.google.de/url?url=https://www.umwelt.nrw.de/fileadmin/redaktion/PDFs/klima/windenergieerlass.pdf) sowie das vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen herausgegebene „Faktenpapier“ zu Windenergieanlagen und Infraschall vom 16. Dezember 2015
56(https://www.umwelt.nrw.de/fileadmin/redaktion/PDFs/klima/windenergieanlagen_infraschall_faktenpapier.pdf).
57d) Mit der Rüge, die genehmigte Windenergieanlage sei planungsrechtlich unzulässig, weil sie die Höhenbegrenzung des geltenden Flächennutzungsplans nicht einhalte, kann der Antragsteller ebenfalls nicht durchdringen. Es kann dahinstehen, ob sie fristgerecht geltend gemacht worden ist, da es insoweit jedenfalls an einer hinreichenden Substantiierung der Beschwerdebegründung fehlt. Der Antragsteller setzt sich entgegen dem Gebot des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht mit der Begründung der angefochtenen Entscheidung auseinander, wonach den Darstellungen des Flächennutzungsplans grundsätzlich keine nachbarschützende Funktion zukomme.
584. Ist somit bei summarischer Prüfung ein Unterliegen des Antragstellers in der Hauptsache wahrscheinlicher als ein Obsiegen, überwiegt insgesamt das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung des Genehmigungsbescheids. Die Vergütung für die Stromeinspeisung unterliegt nach § 29 EEG 2014 ab dem 1. Januar 2016 einer quartalsweisen Degression. Die Beigeladene hat daher ein legitimes wirtschaftliches Interesse an einer Inbetriebnahme der geplanten Windenergieanlagen zum frühestmöglichen Zeitpunkt.
59Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind in beiden Instanzen erstattungsfähig, weil sie jeweils einen eigenen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
60Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Der Senat orientiert sich dabei an den Ziffern 19.2 und 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Der danach im Hauptsacheverfahren je Windkraftanlage festzusetzende Streitwert von 15.000,- EUR ist im Hinblick auf die Vorläufigkeit der erstrebten Regelung in Anlehnung an Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs auf die Hälfte zu reduzieren.
61Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.
(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.
(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.
(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.
(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, - 2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und - 3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.
(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.
(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.
(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.
(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.
(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.
(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.
(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:
- 1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit, - 2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte, - 3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen, - 4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie - 5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.
(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.
(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.
(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.
(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.
(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.
(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien
(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.
(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es
- 1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt, - 2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient, - 3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient, - 4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind, - 5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient, - 6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb, - b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt, - c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und - d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
- 7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität, - 8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient - a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder - b)
auf einer Fläche längs von - aa)
Autobahnen oder - bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
- 9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2, - b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und - c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.
(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.
(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben
- 1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht, - 2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht, - 3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird, - 4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert, - 5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet, - 6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet, - 7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder - 8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:
- 1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz, - b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt, - c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück, - d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden, - e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs, - f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und - g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
- 2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden, - b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf, - c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und - d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
- 3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle, - 4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient, - 5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden, - b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und - c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
- 6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.
(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Minden vom 25. September 2013 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,- Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde mit dem Antrag,
3unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Minden vom 25. September 2013 - 11 L 545/13 - die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 18. Juli 2013 gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Antragsgegners vom 14. Juni 2013 wiederherzustellen,
4hat keinen Erfolg.
5Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat nach Maßgabe des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt die ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifend in Frage.
6Das Verwaltungsgericht hat den auf §§ 80 Abs. 5 und 80a Abs. 3 VwGO gestützten Antrag des Antragstellers mit der Begründung abgelehnt, dass die angefochtene Genehmigung nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoße, die dem Schutz des Antragstellers zu dienen bestimmt seien. Sie verletze insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt einer optisch bedrängenden Wirkung nicht das Gebot der Rücksichtnahme. Das Vorbringen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren gibt keine Veranlassung, hiervon abweichend die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.
7Bei Zugrundelegung der ständigen Rechtsprechung des Senats (1.) ist im vorliegenden Fall nicht von einer optisch bedrängenden Wirkung der geplanten Anlage auszugehen (2.).
81. Nach der Rechtsprechung des Senats erfordert die Prüfung, ob von einer Windenergieanlage eine optisch bedrängende Wirkung ausgeht, stets eine Würdigung aller Einzelfallumstände. Das Ergebnis dieser Einzelfallprüfung lässt sich dabei anhand folgender Anhaltswerte grob prognostizieren.
9Beträgt der Abstand zwischen einem Wohnhaus und einer Windkraftanlage mindestens das Dreifache der Gesamthöhe (Nabenhöhe + ½ Rotordurchmesser) der geplanten Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu dem Ergebnis kommen, dass von dieser Anlage keine optisch bedrängende Wirkung zu Lasten der Wohnnutzung ausgeht. Bei einem solchen Abstand treten die Baukörperwirkung und die Rotorbewegung der Anlage so weit in den Hintergrund, dass ihr in der Regel keine beherrschende Dominanz und keine optisch bedrängende Wirkung gegenüber der Wohnbebauung zukommt.
10Ist der Abstand geringer als das Zweifache der Gesamthöhe der Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu einer dominanten und optisch bedrängenden Wirkung der Anlage gelangen. Ein Wohnhaus wird bei einem solchen Abstand in der Regel optisch von der Anlage überlagert und vereinnahmt. Auch tritt die Anlage in einem solchen Fall durch den verkürzten Abstand und den damit vergrößerten Betrachtungswinkel derart unausweichlich in das Sichtfeld, dass die Wohnnutzung überwiegend in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird.
11Beträgt der Abstand zwischen dem Wohnhaus und der Windkraftanlage - wie hier - das Zwei- bis Dreifache der Gesamthöhe der Anlage, bedarf es regelmäßig einer besonders intensiven Prüfung des Einzelfalls.
12Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. August 2006 - 8 A 3726/05 -, BauR 2007, 74 = juris Rn. 65 ff., bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 11. Dezember 2006 ‑ 4 B 72.06 -, RdL 2007, 63 = juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 22. März 2007 - 8 B 2283/06 -, BauR 2007, 1014 = juris Rn. 5 ff., vom 24. Juni 2010 - 8 A 2764/09 -, BauR 2011, 252 = juris Rn. 41 ff. und vom 9. Oktober 2013 - 8 A 876/13 -, n.v., S. 3 ff. des Entscheidungsabdrucks; vgl. auch Bay. VGH, Urteil vom 29. Mai 2009 ‑ 22 B 08.1785 -, ZUR 2009, 497 = juris Rn. 16 ff. und Beschluss vom 30. April 2014 - 22 ZB 14.680 -, juris Rn. 20; HessVGH, Beschluss vom 26. September 2013 - 9 B 1674/13 -, BImSchG-Rspr § 5 Nr 131= juris Rn. 11ff.
132. Dies zugrundegelegt ist im vorliegenden Fall bei summarischer Prüfung nicht von einer optisch bedrängenden Wirkung der geplanten Windenergieanlage zulasten des Antragstellers auszugehen.
14Das Verwaltungsgericht hat die Einzelfallprüfung auf der Grundlage der im Rahmen der Sichtbildanalyse der s. GmbH & Co. KG erstellten Lichtbilder sowie des Inhalts der in Teilen vorgelegten Bauakten vorgenommen. Einer Visualisierung der geplanten Anlage aus Sicht des Wohnhauses oder einer Aufnahme aus Richtung des Wohnhaus zum Anlagenstandort habe es nicht bedurft; die vorliegenden Erkenntnisse hätten ausgereicht, eine mögliche optische Beeinträchtigung durch die Anlage zu beurteilen. Zu Gunsten des Antragstellers sei zu berücksichtigen gewesen, dass sich der Abstand zwischen Anlage und Wohnhaus eher dem Zweifachen als dem Dreifachen der Gesamthöhe der Anlagen nähert. Ferner solle die Anlage auf freiem Feld errichtet werden und sei nicht durch Wald abgeschirmt. Sie könne zudem auch aufgrund ihres im Verhältnis zur Höhe des Mastes großen Rotordurchmessers durchaus als störend empfunden werden. Die Störwirkungen seien jedoch nicht derart optisch bedrängend, dass das Gebot der Rücksichtnahme verletzt werde. Keines der Fenster des Wohnhauses befinde sich frontal zu der in nordöstlicher Richtung geplanten Windenergieanlage. Eine seitliche Sichtbeziehung sei lediglich zur Nord- und Ostseite des Gebäudes gegeben. Ungeachtet der Frage, ob die insoweit betroffenen Räume vollumfänglich als dauerhafte Aufenthaltsräume von Menschen dienten, sei es dem Antragsteller zumutbar, z.B. durch den Einsatz blickdichter Gardinen eine Abschirmungswirkung zu erzielen oder auch Aufenthaltsräume zu verlagern. Auf der Nordseite des Hauses stünden zudem stark verzweigte Bäume, die ebenfalls Sichtschutz böten. Für das Erdgeschoss bewirke an der Ostseite insbesondere die vorhandene Doppelgarage eine Abschirmung. Soweit auf dem Grundstück ehemals vorhandene weitere Bäume und Gehölze im Frühjahr 2013 entfernt worden seien, könne der Antragsteller darauf verwiesen werden, sichtschützende Neuanpflanzungen durchzuführen. Der im 1. Obergeschoss befindliche Balkon könne durch einfache bauliche Maßnahmen vor der geplanten Windenergieanlage abgeschirmt werden.
15a) Das Verwaltungsgericht hat zunächst zu Recht eine besonders eingehende Einzelfallprüfung durchgeführt. Die Anlage weist eine Nabenhöhe von 93 m, einen Rotordurchmesser von 114 m und damit eine Gesamthöhe von 150 m auf. Der Standort der streitbefangenen Windenergieanlage liegt etwa 370 m vom Wohnhaus des Antragstellers entfernt. Der Abstand zum Wohnhaus des Antragstellers beträgt damit mehr als Zweifache, aber weniger als das Dreifache der Gesamthöhe der Anlage.
16b) Die Einzelfallwürdigung des Verwaltungsgerichts beruht - anders als der Antragsteller meint - auf einer ausreichenden Erkenntnisgrundlage. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die maßgeblichen Gesamtumstände des Einzelfalls anhand der im Genehmigungsverfahren vorgelegten Unterlagen bewertet werden können. Einer Visualisierung der geplanten Windenergieanlage oder einer Sichtachsenanalyse bedurfte es nicht.
17Im Rahmen der Einzelfallwürdigung sind insbesondere die Kriterien Höhe und Standort der Windenergieanlage, Größe des Rotordurchmessers, Blickwinkel, Hauptwindrichtung, (Außenbereichs)Lage des Grundstücks, Lage der Aufenthaltsräume und deren Fenster im Verhältnis zur Anlage sowie Bestehen von Ausweichmöglichkeit von Bedeutung. Ferner ist zu berücksichtigen, ob auf dem Grundstück eine hinreichende Abschirmung zur Windenergieanlage besteht oder in zumutbarer Weise hergestellt werden kann.
18Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17. Januar 2007 ‑ 8 A 2042/06 -, juris Rn. 13, vom 23. Juni 2010 - 8 A 340/09 -, ZNER 2010, 514 = juris Rn. 55 und vom 22. Dezember 2011 - 8 B 669/ 11 -, juris Rn. 30.
19Eine Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls anhand dieser Kriterien ist auf der Grundlage der im Genehmigungsverfahren vorgelegten Planungsunterlagen, der angefertigten Lichtbilder, des Ergebnisses der Sichtbildanalyse und der Baupläne möglich. Diesen Unterlagen ist nicht nur die Größe der Anlage auch im Verhältnis zur Größe des Wohnhauses des Antragstellers, das konkrete Erscheinungsbild der Anlage, deren Umfeld und deren Lage, sondern auch die - die Ausrichtung der Rotoren maßgeblich beeinflussende - Hauptwindrichtung zu entnehmen. Auch der Zuschnitt, die Bebauung und der Bewuchs des - im Außenbereich gelegenen - Grundstücks sind ebenso hinreichend deutlich auszumachen wie die Ausrichtung der Zimmer und der Fenster des Wohnhauses. Zwar sind weder die konkrete Nutzung der Zimmer in der Erdgeschosswohnung noch der konkrete Zuschnitt der Wohnung im Obergeschoss durch Lichtbilder oder anderweit belegt worden; der Senat legt insoweit jedoch - ungeachtet der von der Beigeladenen geäußerten Zweifel - zugunsten des Antragstellers dessen Angaben zugrunde.
20c) Die Rüge des Antragstellers, die Windenergieanlage habe schon deshalb eine optisch bedrängende Wirkung, weil keine Bebauung oder Bepflanzung vorhanden sei, die den Blick von den Wohnräumen und dem Garten des Grundstücks hindern könnte, greift nicht durch.
21Um von einer optisch bedrängenden Wirkung zu sprechen, reicht es für sich gesehen nicht aus, dass die Windenergieanlage von den Wohnräumen aus überhaupt wahrnehmbar ist. Das Gebot der Rücksichtnahme vermittelt dem Nachbarn keinen Anspruch auf eine von technischen Bauwerken freie Sicht.
22Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17. Januar 2007 ‑ 8 A 2042/06 -, ZNER 2007, 79 = juris Rn. 18, vom 23. Juni 2010 - 8 A 340/09 -, ZNER 2010, 514 = juris Rn. 62, vom 22. Dezember 2011 - 8 B 669/11 -, juris Rn. 33 und vom 19. September 2012 - 8 A 339/12 -, juris Rn. 31.
23Die optisch bedrängende Wirkung einer Windenergieanlage entfällt daher nicht erst dann, wenn die Sicht auf die Windenergieanlage durch Abschirm- oder Ausweichmaßnahmen völlig gehindert wird. Ausreichend ist vielmehr, dass die Anlage in ihrer Wirkung durch eine vorhandende Abschirmung abgemildert wird oder dass eine solche Abschirmung in zumutbarer Weise hergestellt werden kann. Dies gilt insbesondere im Außenbereich, wo dem Betroffenen wegen des verminderten Schutzanspruchs eher Maßnahmen zumutbar sind, durch die er den Wirkungen der Windenergieanlage ausweicht oder sich vor ihnen schützt.
24Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 22. Dezember 2011 - 8 B 669/11 -, juris Rn. 30 und 32, und vom 9. Oktober 2013 - 8 B 876/13 -, n.v., S. 6 des Entscheidungsabdrucks.
25d) Der Antragsteller dringt auch mit dem Vorbringen nicht durch, weder werde die optische Wirkung der - das Wohnhaus aufgrund ihrer Nähe und Bauart dominierenden - Windenergieanlage durch vorhandene Bebauung oder einen vorhandenenBewuchs des Grundstücks gemildert noch sei insbesondere den Mietern der Obergeschosswohnung ein Ausweichen zumutbar; auch architektonische Selbsthilfemaßnahmen seien weder ihm noch den Mietern zumutbar. Entgegen der Annahme des Antragstellers ist die optische Wirkung der Windenergieanlage auf das Grundstück und das Wohnhaus des Antragstellers aufgrund des Anlagenstandortes sowie der Ausrichtung der betroffenen Wohnräume nicht derart dominant, dass bei summarischer Prüfung eine gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßende bedrängende Wirkung vorläge. Sie wird zudem durch verschiedene Umstände gemildert.
26Es ist offensichtlich, dass die frei stehende Windenergieanlage mit einer Gesamthöhe von 150 m und einem Rotordurchmesser von 114 m eine spürbare optische Wirkung auf das etwa 370 m entfernte Grundstück und das Wohnhaus ausübt. Die der Sichtbildanalyse beigefügte Fotomontage vermittelt insoweit einen aussagekräftigen Eindruck der Dimension der Anlage - insbesondere des Rotors - im Verhältnis zu den umliegenden Wohngrundstücken. Dass eine Verzwergung des Wohnhauses bzw. Grundstücks des Antragstellers eintritt oder eine beherrschende Dominanz der Windenergieanlage vorliegt, der die Bewohner des Grundstücks sich nicht entziehen könnten, kann indes nicht festgestellt werden.
27Der Standort der geplanten Windenergieanlage ist nordöstlich des Wohnhauses des Anwesens des Antragstellers. Die Anlage liegt damit auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Rotor wegen der Hauptwindrichtung Südwest häufig in voller Breite aus Richtung des Grundstücks zu sehen sein dürfte, nicht frontal, sondern seitlich zu den Hauptblickrichtungen von dem Grundstück und aus dem Wohnhaus, deren Breitseiten in Richtung Norden und Süden und deren Längsseiten in Richtung Osten und Westen ausgerichtet sind. Die Windenergieanlage ist aus den Fenstern und Räumen des Wohnhauses, die in Richtung Süden und Westen zeigen, daher nicht zu sehen. An der Ost- und der Nordseite tritt sie dagegen - seitlich - ins Sichtfeld. Hinsichtlich des an der Ostseite des Wohnhauses befindlichen Dachfensters scheidet eine optisch bedrängende Wirkung allerdings schon deshalb aus, weil es sich um das Badezimmerfenster und damit nicht um das Fenster eines Schlaf- oder Wohnraums handelt. Dasselbe gilt für die im Erdgeschoss befindliche Glastür und das daneben liegende Fenster, die den Blick aus der „Ankleide“ in den Garten Richtung Osten freigeben. Ungeachtet dessen wird die Windenergieanlage hier durch die an die Nordseite des Hauses in Richtung Osten angebaute Doppelgarage sowie die beiden in der nordöstlichen Ecke des Grundstücks stehenden Nebengebäude zumindest in weiten Teilen verdeckt oder jedenfalls optisch in den Hintergrund gerückt. Die Doppelgarage und die Nebengebäude bieten darüber hinaus auch eine weitgehende Abschirmung der in Richtung Süden und Osten gerichteten, überdachten Terrasse hinter der Garagenrückwand. Von dem Bereich des (Nutz)Gartens, der nicht schon durch diese Nebengebäude abgeschirmt ist, wird die Anlage durch die an der Ostseite des Grundstücks bereits vorhandenen Bäume und die Hecke optisch abgerückt. Dieser optische Effekt kann durch eine Verdichtung des an der Ostseite des Grundstücks bereits vorhandenen Baumbewuchses und/oder eine Erhöhung der Hecke noch verstärkt werden. Diese Bäume sind nach dem Vortrag des Antragstellers auch noch vorhanden. Der Antragsteller hat zwar erklärt, er habe zwei Apfelbäume in der Nähe des Gartenhauses gefällt. Dabei dürfte es sich um die auf den im Genehmigungsverfahren vorgelegten Lichtbildern an der Nordseite des Grundstücks in der Nähe des Gartenhauses zu erkennenden Bäume gehandelt haben. Für diese Annahme spricht auch das von der Beigeladenen im Beschwerdeverfahren vorgelegte Lichtbild der Baumstümpfe. Dass dem Antragsteller Anpflanzungen finanziell unzumutbar wären, ist nicht zu erkennen. Anders als er meint, bedarf es auch nicht der Anschaffung teurer großer Bäume, um dem auf dem Dach der Doppelgarage befindlichen Balkon einen gewissen Sichtschutz zu bieten. Der durch die Windenergieanlage optisch am stärksten beeinträchtigte Balkon und die aus dem Wohnzimmer der Obergeschosswohnung auf den Balkon führende Glastür der Gaube können durch andere bauliche Maßnahmen als durch die Anpflanzung von Bäumen optisch von der Windenergieanlage abgeschirmt werden. In Betracht kommt insoweit etwa der Einbau eines Sichtschutzsegels, von Sichtschutzwänden oder - wie dies offenbar bereits geschehen ist - die Aufstellung eines kleinen Gartenhauses auf dem Balkon.
28Aus den Fenstern der Erdgeschoss- und der Obergeschosswohnung an der Nordseite des Hauses ist die Windenergieanlage ebenfalls sichtbar. Sie steht jedoch auch hier nicht in der Hauptblickrichtung, sondern ist seitlich versetzt. Dass die an der Nordostecke des Grundstücks befindlichen, dem Haus in Richtung Norden vorgelagerten Nebengebäude die Windenergieanlage bei einem seitlichen Blick aus den Fenstern der Erdgeschosswohnung zumindest optisch in den Hintergrund treten lassen, liegt zwar nahe, kann jedoch letztlich dahinstehen. Es ist nämlich selbst in Anbetracht der erheblichen von den Rotoren umstrichenen Fläche von 10.207 m², nicht zu erkennen, dass der Rotor vom überwiegenden Teil des jeweils betroffenen Wohnraums wahrnehmbar ist und damit eine beherrschende oder bedrängende Wirkung hat. Insoweit ist zudem die Abschirmung durch die beiden an der Nordseite des Grundstücks stehenden, das Haus überragenden Bäume zu berücksichtigen. Diese Bäume dienen, auch wenn sie nicht direkt auf der Sichtachse zur Windenergieanlage stehen, mit ihren geräumigen Kronen zumindest als optischer Puffer. Im Übrigen kann dem Antragsteller zugemutet werden, auch die nördliche Grundstücksgrenze (wieder) mit Bäumen und einer Hecke zu bepflanzen. Nach alledem kann offen bleiben, ob der Antragsteller darauf verwiesen werden könnte, „blickdichte“ Gardinen anzubringen oder die Wohnräume zu verlegen.
29Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 und 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind aus Gründen der Billigkeit erstattungsfähig, weil sie sich mit der Antragstellung dem sich aus § 154 Abs. 3 VwGO ergebenden Kostenrisiko ausgesetzt hat.
30Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und orientiert sich am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Der danach im Hauptsacheverfahren auf 15.000,- Euro festzusetzende Streitwert ist mit Blick auf die Vorläufigkeit des vorliegenden Verfahrens auf die Hälfte zu reduzieren.
31Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 und 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 9. März 2015 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,00 € festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.
3Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat nach Maßgabe des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Unbegründetheit des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz nicht durchgreifend in Frage.
4Mit der angegriffenen Entscheidung hat das Verwaltungsgericht den auf §§ 80 Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 VwGO gestützten Antrag im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, dass der angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbescheid vom 4. April 2014 in der Fassung der Änderungsgenehmigungen vom 15. Januar 2015 und vom 25. Februar 2015 im Einklang mit den immissionsschutzrechtlichen Regelungen, soweit sie den Antragsteller schützen, ergangen sei. Das Vorbringen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren gibt keine Veranlassung, abweichend von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen.
5I. Aus dem Vorbringen der Beschwerde ergibt sich nicht, dass von dem genehmigten Nachtbetrieb der streitbefangenen Windkraftanlage vom Typ Enercon E-82 E2 (Nabenhöhe 108,38 m, Rotordurchmesser 82,00 m) unzumutbare akustische Beeinträchtigungen für den Antragsteller ausgehen.
61. Die Einwände des Antragstellers stellen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die nach dem alternativen Berechnungsverfahren der DIN ISO 9613-2 durchgeführte Immissionsprognose inhaltlich plausibel ist und „auf der sicheren Seite“ liegt, nicht durchgreifend in Frage. Der Antragsteller beanstandet im Wesentlichen, dass das Verwaltungsgericht bei der Ermittlung der Emissionswerte der drei als Vorbelastung im Sinne von Nr. 2.4 TA Lärm zu berücksichtigenden Windkraftanlagen das Ansetzen eines Sicherheitszuschlags für nicht erforderlich erachtet habe. Zudem begründeten aktuelle Erkenntnisse grundsätzliche Zweifel an der Berechnung des Geräuschausbreitungsverhaltens von hohen Windenergieanlagen nach DIN ISO 9613-2. Mit diesem Vorbringen zieht er die Prognose, an dem von ihm bewohnten Hausgrundstück I.---weg in T. (IP 06) werde ein Beurteilungspegel von ‑ nachts - 46 dB(A) mit hinreichender Sicherheit nicht überschritten, im Ergebnis jedoch nicht in Zweifel.
7Das Verwaltungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass ein Immissionswert von 46 dB(A) hier die maßgebliche Grenze darstellt. Bewohnern des Außenbereichs sind von Windenergieanlagen ausgehende Lärmpegel von 60 dB(A) tagsüber und 45 dB(A) nachts in Anlehnung an die für Mischgebiete nach der TA-Lärm 1998 festgelegten Grenzwerte zuzumuten.
8Ständige Rechtsprechung, vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. Oktober 2005 - 8 B 110/05 - , juris, Rn. 25 f. m. w. N.
9Nach Nr. 3.2.1 Abs. 3 TA Lärm soll für die zu beurteilende Anlage die Genehmigung wegen einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte nach Nummer 6 aufgrund der Vorbelastung auch dann nicht versagt werden, wenn dauerhaft sichergestellt ist, dass diese Überschreitung nicht mehr als 1 dB(A) beträgt. Ausgehend davon ist im vorliegenden Fall eine Überschreitung des insoweit maßgeblichen Immissionsrichtwerts von 45 dB(A) um bis zu 1 dB(A) zulässig, weil dieser Richtwert am IP 06 unstreitig aufgrund der Vorbelastung durch drei vorhandene Windkraftanlagen überschritten wird.
10Nach den vom Beigeladenen vorgelegten ergänzenden Berechnungen der Firma s. vom 29. Januar 2015 (Bl. 199 d. A.) und 6. Mai 2015 (Bl. 337 d. A.) wird am IP 06 ein Beurteilungspegel von 46 dB(A) auch dann sicher eingehalten, wenn die jeweils durch Dreifachvermessungen ermittelten durchschnittlichen Schallleistungspegel der vorhandenen WKA 1 und 3 jeweils mit einem Sicherheitszuschlag von 2 dB(A) beaufschlagt werden. Namentlich die im Beschwerdeverfahren vorgenommene Berechnung vom 6. Mai 2015 legt die sichere Einhaltung des hier maßgeblichen Grenzwerts in einer Weise dar, die durch das Beschwerdevorbringen nicht durchgreifend in Frage gestellt wird.
11Darin wird für die Ermittlung der Zusatzbelastung durch die streitbefangene Windkraftanlage zu Recht nunmehr ausschließlich auf den aktuell genehmigten (Nacht‑)Betrieb in der Fassung der Änderungsgenehmigung vom 15. Januar 2015 abgestellt, wonach die Zusatzemissionsbelastung durch die streitgegenständliche Windkraftanlage infolge der nunmehr vorgesehenen Anbringung geräuschmindernder Hinterkantenkämme an den Rotorblättern trotz gleichzeitiger Erhöhung der Leistung zur Nachtzeit von 1.000 kW auf 1.600 kW nunmehr nur noch bei 97,2 dB(A) zuzüglich Sicherheitszuschlag liegt. Die in der Beschwerde erwähnte „Punktlandung“ auf den Wert von 46 dB(A) nach der - der ursprünglichen Genehmigung zugrunde liegenden - Berechnung im Gutachten vom 31. August 2012 ist daher schon aus diesem Grund überholt. Die Bemessung des Sicherheitszuschlags bzw. „oberen Vertrauensbereichs“ für diese Anlage mit zuletzt nur noch insgesamt 2,0 dB(A) hat der Gutachter damit begründet, dass nach einer mittlerweile vorliegenden Dreifachvermessung einer baugleichen Anlage im Volllastbetrieb eine nur geringe Serienstreuung anzunehmen sei. Diesen plausiblen Darlegungen, die auch durch eine auszugsweise Vorlage des Messberichts untermauert worden sind, ist der Antragsteller nicht entgegengetreten.
12Die gegen die Ermittlung der Vorbelastung erhobenen Einwände greifen nicht durch. Die Rüge, die WKA 2 (Anlagentyp VESTAS V52-850 kW) sei zu Unrecht unter Verzicht auf einen Sicherheitszuschlag im Sinne des „oberen Vertrauensbereichs“ nur mit dem nach der Genehmigung zulässigen Schallpegel von 104 dB(A) in die Vorbelastung einberechnet worden, stellt die Schallimmissionsprognose gemäß den ergänzenden Berechnungen der s. GmbH & Co KG nicht ernsthaft in Frage. Der Antragsteller geht selbst davon aus, dass nach der Baugenehmigung der genannten Anlage ein Schallleistungspegel von 104 dB(A) nicht überschritten werden darf. Dieser Emissionswert liegt dem Nachtrags-Schallgutachten des Planungsbüros T1. vom 30. Mai 2001 zugrunde, das Bestandteil der Nachtrags-Baugenehmigung vom 12. Juni 2001 geworden ist.
13Es entspricht der Rechtsprechung, die Vorbelastung nur mit den Auswirkungen ihres rechtmäßigen Betriebs - also den in ihrer Genehmigung gegebenenfalls festgelegten Schallleistungspegeln - in die Ermittlung der Gesamtbelastung einzustellen. Wird der in der Genehmigung festgelegte Schallleistungspegel tatsächlich überschritten, weil sich z.B. eine nicht eingerechnete Serienstreuung realisiert, geht dies nicht zu Lasten eines nachfolgenden Antragstellers. Derartigen Überschreitungen ist vielmehr im Rahmen von Überwachungsmaßnahmen bzw. nachträglichen Anordnungen zu begegnen.
14Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27. August 2009 ‑ 8 B 797/09 -, Beschlussabdruck S. 7, und vom 17. Mai 2002 - 7 B 665/02 -, NVwZ 2002, 1133, juris, Rn. 9; OVG Nds., Beschluss vom 16. Juli 2012 ‑ 12 LA 105/11 -, ZNER 2012, 441, juris, Rn. 14; Agatz, Windenergie-Handbuch, 9. Ausgabe 2012, S. 42 f.
15Soweit danach bei der Bestimmung der Vorbelastung durch bereits vorhandene Windkraftanlagen auf die Addition eines Sicherheitszuschlags verzichtet werden kann, betrifft dies allerdings nur die emissionsseitigen Unsicherheiten des sogenannten „oberen Vertrauensbereichs“, also die Messunsicherheit sowie die Serienstreuung. Eine Immissionsprognose, die „auf der sicheren Seite liegt“, hat darüber hinaus die Unsicherheit des Prognosemodells zu berücksichtigen, worauf die Beschwerde zu Recht hinweist. Dafür ist nach der DIN ISO 9613-2 allein regelmäßig ein Sicherheitszuschlag von 1,9 dB zu veranschlagen (σProgn 1,5 dB x 1,28 = 1,9 dB). Die dort angegebene Standardabweichung des Prognosemodells von 1,5 dB ist mit einem Faktor von 1,28 zu multiplizieren, weil der nach der TA Lärm ermittelte Beurteilungspegel den Richtwert unter Berücksichtigung der Unsicherheiten mit einer Wahrscheinlichkeit von 90% einhalten muss.
16Vgl. Erlass für die Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen und Hinweise für die Zielsetzung und Anwendung (Windenergie-Erlass) vom 11. Juli 2011, MBl. NRW. 2011, S. 321, Nr. 5.2.1.1; Agatz, Windenergie-Handbuch, 9. Ausgabe 2012, S. 46; Uppenkamp und Partner, Schalltechnischer Bericht der erweiterten Hauptuntersuchung zur messtechnischen Ermittlung der Ausbreitungsbedingungen für die Geräusche von hohen Windenergieanlagen zur Nachtzeit und Vergleich der Messergebnisse mit Ausbreitungsrechnungen nach DIN ISO 9613-2 vom 11. November 2014, S. 7, 11 und 41.
17Ein Verzicht auf eine Beaufschlagung - sei es des Schallleistungspegels der jeweiligen Vorbelastungsanlage, sei es des errechneten Immissionswerts - mit dem in der DIN ISO 9613-2 angegebenen Sicherheitszuschlag für die Unsicherheit des Prognosemodells kann mit den obigen Überlegungen daher nicht ohne weiteres gerechtfertigt werden.
18Im Streitfall spricht jedoch bei der hier nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung viel für die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der im Baugenehmigungsverfahren der WKA 2 zugrunde gelegte, vom ehemaligen Staatlichen Umweltamt Duisburg vorgegebene Schallleistungspegel von 104 dB(A) bereits einen Sicherheitszuschlag enthalten hat, der die Unsicherheit des Prognosemodells mit abdeckt. So lag bei Erstellung des Schallgutachtens (1. Nachtrag) vom 30. Mai 2001, dem die Vorgabe eines zugrunde zu legenden Schallleistungspegels von 104 dB(A) durch das Staatliche Umweltamt Duisburg vorausgegangen war, für den Anlagetyp Vestas V52-850 kW, Nabenhöhe 43,9 m, bereits ein Messbericht vom 27. November 2000 vor, anhand dessen ein maximaler Schallleistungspegel auch für die hier relevante Nabenhöhe von 74 m bestimmt werden konnte. Dieser war gemäß Schreiben der Windtest L. -X. -L1. GmbH vom 10. Januar 2001 mit 101,5 dB(A) errechnet worden (vgl. Anlage zum Schallgutachten des Planungsbüros T1. vom 22. November 2001 sowie S. 23 des Schallgutachtens). Es liegt nahe, dass diese in der Baugenehmigungsakte zur WKA 1 (Enercon E 40/6.44) befindlichen Unterlagen auch dem Staatlichen Umweltamt Duisburg bekannt waren, als es im Baugenehmigungsverfahren der WKA 2 verlangte, der dortigen Schallimmissionsprognose einen Schallleistungspegel von 104 dB(A) zugrunde zu legen. Das Schreiben vom 22. Mai 2001 an das Bauordnungsamt des Kreises X1. , mit dem das Staatliche Umweltamt forderte, im Gutachten nicht von einem Schallpegel von 101,5 dB(A), sondern von einem „Emissionsgesamtpegel von 104,0 dB(A)“ auszugehen, erklärt sich dann gerade durch die Beaufschlagung mit einem - alle Unsicherheiten abdeckenden - Sicherheitszuschlag.
19Dass das Planungsbüro T1. im Schallgutachten (1. Nachtrag) vom 30. Mai 2001 betreffend die WKA 2 gleichwohl die prognostizierten Beurteilungspegel, die sich nach Hinzurechnung der Vorbelastung durch die WKA 1 insgesamt ergaben, nochmals durch eine „obere Vertrauensbereichsgrenze“ von 3,2 dB(A) beaufschlagt hat, steht dieser Sichtweise nicht entgegen. Es belegt nur, dass die Schallgutachter in dem damaligen Genehmigungsverfahren letztlich doppelte und damit überhöhte Sicherheiten zugrunde gelegt haben. Davon dürfte im Übrigen auch bereits die Baugenehmigungsbehörde ausgegangen sein, da sie die Windkraftanlage genehmigt hat, obwohl sich nach der Schallimmissionsprognose unter Berücksichtigung der erwähnten (überobligatorischen) „oberen Vertrauensbereichsgrenze“ am Wohnhaus des Antragstellers („Immissionsort E. “) ein Wert von 47,0 dB(A) ergeben hätte.
20Ein hinreichender „Puffer“ für die Unsicherheiten des Prognosemodells bleibt schließlich selbst dann, wenn mit dem Verwaltungsgericht auf die spätere Vermessung der Windkraftanlage vom 17. Juni 2004 abgestellt wird (vgl. S. 22, Baugenehmigungsakte des Kreises X1. betreffend die WKA 2, Beiakte 6). Danach verursacht die Anlage einen maximalen Lärmpegel von 102,1 dB(A).
21Die Notwendigkeit eines weiteren Sicherheitszuschlags ergibt sich auch nicht aus der Vermutung des Antragstellers, die Windkraftanlage sei im Laufe der letzten zehn Jahre aufgrund von Abnutzungserscheinungen lauter geworden. Ausgehend von den dargelegten Grundsätzen ist für Alterungsprozesse an bestehenden Windkraftanlagen kein Zuschlag vorzunehmen, da eine hierdurch bedingte Überschreitung des festgelegten Schallleistungspegels nicht genehmigungskonform wäre.
22Die Beschwerdebegründung zeigt nicht auf, dass die beiden weiteren vorhandenen Windkraftanlagen (Enercon E 40/6.44 - WKA 1 - und Enercon E 58 - WKA 3 -), deren durchschnittliche Schallleistungspegel inzwischen jeweils durch Dreifachvermessungen baugleicher Anlagen ermittelt worden sind, jeweils mit einem Sicherheitszuschlag von mehr als 2 dB(A) beaufschlagt werden müssten. Aus den von der Beigeladenen vorgelegten ergänzenden Berechnungen der Firma s. ergibt sich, dass der am Wohnhaus des Antragstellers ermittelte Beurteilungspegel weniger als 46 dB(A) beträgt, wenn von den - jeweils dreifach - gemessenen Durchschnitts-Schallwerten der beiden Vorbelastungs-Anlagen ausgegangen wird und diese jeweils mit einem Sicherheitszuschlag von 2 dB(A) beaufschlagt werden. Dem pauschalen Einwand des Antragstellers, üblicherweise sei von einem Zuschlag im Sinne des oberen Vertrauensbereichs von 2,5 dB(A) auszugehen, ist die Firma s. mit einer detaillierten Berechnung und Erläuterung des bei den hier in Rede stehenden, bereits dreifach vermessenen Windkraftanlagen erforderlichen „oberen Vertrauensbereichs“ entgegengetreten. Aus dieser ergibt sich, dass angesichts der geringen Serienstreuung, die die Vermessungen der beiden Anlagen ergeben haben, den Unsicherheiten der Messung, Serienstreuung und Prognose mit einem Sicherheitszuschlag von rund 2 dB(A) insgesamt Rechnung getragen ist.
232. Auch die Rüge, nach aktuellen Erkenntnissen liefere eine Berechnung der Schalllimmissionen nach der DIN ISO 9613-2, wie sie hier erfolgt sei, bei hohen Windenergieanlagen keine zufrieden stellenden Ergebnisse, verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg.
24Der Antragsteller beruft sich damit auf die oben zitierte, vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV NRW) in Auftrag gegebene Untersuchung zur messtechnischen Ermittlung der Ausbreitungsbedingungen für die Geräusche von hohen Windenergieanlagen zur Nachtzeit und Vergleich der Messergebnisse mit Ausbreitungsrechnungen nach DIN ISO 9613-2 (Firma Uppenkamp und Partner, Schalltechnischer Bericht der erweiterten Hauptuntersuchung) vom 11. November 2014. Dieser Bericht kommt zwar zu dem Ergebnis, dass das - auch hier angewandte - sogenannte alternative Verfahren nach DIN ISO 9613‑2 bei der Beurteilung der Geräusche von hohen Windenergieanlagen infolge einer Überschätzung der Bodendämpfung zu Abweichungen von den im Rahmen des Forschungsvorhabens gemessenen Werten führt. Die Berechnung nach dem alternativen Verfahren funktioniere aber zumindest im Nahbereich bis 500 m sowohl im Mitwind- als auch im Gegenwindbereich gut; die Messdaten auf der einen Seite und die Ergebnisse der Ausbreitungsrechnungen auf der anderen Seite drifteten erst mit zunehmendem Abstand auseinander. Im Nahbereich decke der aktuell anzusetzende Sicherheitszuschlag von 1,9 dB die Abweichungen ab.
25Bei summarischer Prüfung ist nicht zu erkennen, dass sich der in der Untersuchung zutage getretene Mangel des bisher praktizierten Berechnungsverfahrens am Wohnhaus des Antragstellers entscheidungserheblich ausgewirkt hat. Die teilweise fehlerhaften Ergebnisse der Ausbreitungsrechnungen nach dem alternativen Verfahren sind ausweislich der Untersuchung im Wesentlichen auf eine Überschätzung des Bodendämpfungswertes (Agr) zurückzuführen, die sich vor allem bei weiter entfernten Anlagen auswirkt. Danach liegt eine Prognose nach dem alternativen Berechnungsverfahren jedenfalls dann auf der sicheren Seite, wenn eine - den Beurteilungspegel senkende - Bodendämpfung in der Berechnung ganz unberücksichtigt bleibt, mithin mit Agr = 0 veranschlagt wird. Hiervon ausgehend hat die s. GmbH & Co KG auf Veranlassung der Beigeladenen die Berechnung der Gesamtbelastung alternativ auch in der Weise vorgenommen, dass hinsichtlich der beiden mehr als 500 m vom Wohnhaus des Antragstellers entfernten Windkraftanlagen WKA 1 und 3 keine Bodendämpfung berücksichtigt worden ist. Sie hat mitgeteilt, dass sich auch danach am maximal belasteten Immissionspunkt I.---weg (IP 06) kein Beurteilungspegel von mehr als 46 dB(A) ergebe. Auch wenn diese Berechnung nicht im Detail vorgelegt wurde, genügt diese Angabe jedenfalls im Rahmen der hier nur erforderlichen summarischen Prüfung für die Annahme, dass der Immissionsrichtwert von 45 dB(A) dauerhaft um nicht mehr als 1 dB(A) überschritten wird. Weitere Änderungen der Berechnung waren nicht erforderlich, weil der Bodendämpfungswert für die streitbefangene Windkraftanlage ohnehin bei 0,0 lag und die WKA 2 nur einen Bodendämpfungswert von 0,72 aufweist, der angesichts der geringen Entfernung von 356 m zum Immissionspunkt IP 06 nach den Ergebnissen der Uppenkamp-Untersuchung von dem berücksichtigten Sicherheitszuschlag (s.o.) abgedeckt ist.
26Vor diesem Hintergrund bedarf - zumal im gerichtlichen Eilverfahren - keiner Klärung, ob die Bindungswirkung der TA Lärm bzw. der von ihr in Bezug genommenen DIN ISO 9613-2 für die Ermittlung von Schallimmissionen bei Windkraftanlagen entfallen ist, weil die in ihr enthaltene sachverständige Aussage durch neue Erkenntnisse in Wissenschaft und Technik überholt wäre.
27Vgl. VG Minden, Urteil vom 11. März 2015 - 11 K 3061/13 -, juris, Rn. 95 ff.; siehe auch VG Aachen, Beschluss vom 23. März 2015 - 6 L 76/15 -, juris, Rn. 72 (nicht rechtskräftig).
28II. Ohne Erfolg rügt der Antragsteller, von der im Abstand von nur 343 m zu dem von ihm bewohnten Hausgrundstück genehmigten Windkraftanlage gehe eine optisch bedrängende Wirkung aus. Das Verwaltungsgericht hat die Frage einer optischen Bedrängung nicht näher behandelt, weil es der Auffassung war, dass sich der Antragsteller als Mieter dieses Hausgrundstücks auf eine optisch erdrückende Wirkung nicht berufen könne. Der Schutz vor einer optisch bedrängenden Wirkung sei nicht dem Immissionsschutzrecht zuzuordnen, welches jedwede Person schütze, die eine persönliche oder sachliche Bindung im Einwirkungsbereich der emittierenden Anlage aufweise. Er werde vielmehr aus dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme hergeleitet, welches nur zugunsten des dinglich Berechtigten - namentlich des Grundstückseigentümers - Drittschutz entfalte.
29Der Senat kann offen lassen, ob der dagegen erhobene Einwand der Beschwerde durchgreift, die optische Bedrängung durch eine Windkraftanlage falle wenn nicht schon unter den Begriff der schädlichen Umwelteinwirkung, so doch zumindest unter die zweite Alternative des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG (sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen). Auch wenn man dies zugunsten der Beschwerde unterstellt und mithin davon ausgeht, dass sich auch der Antragsteller als Mieter auf eine derartige optische Bedrängung berufen kann, liegt eine solche jedenfalls nicht vor.
301. Nach der Rechtsprechung des Senats erfordert die Prüfung, ob von einer Windenergieanlage eine optisch bedrängende Wirkung ausgeht, stets eine Würdigung aller Einzelfallumstände. Das Ergebnis dieser Einzelfallprüfung lässt sich dabei anhand folgender Anhaltswerte grob prognostizieren.
31Beträgt der Abstand zwischen einem Wohnhaus und einer Windkraftanlage mindestens das Dreifache der Gesamthöhe (Nabenhöhe + ½ Rotordurchmesser) der geplanten Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu dem Ergebnis kommen, dass von dieser Anlage keine optisch bedrängende Wirkung zu Lasten der Wohnnutzung ausgeht. Bei einem solchen Abstand treten die Baukörperwirkung und die Rotorbewegung der Anlage so weit in den Hintergrund, dass ihr in der Regel keine beherrschende Dominanz und keine optisch bedrängende Wirkung gegenüber der Wohnbebauung zukommt.
32Ist der Abstand geringer als das Zweifache der Gesamthöhe der Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu einer dominanten und optisch bedrängenden Wirkung der Anlage gelangen. Ein Wohnhaus wird bei einem solchen Abstand in der Regel optisch von der Anlage überlagert und vereinnahmt. Auch tritt die Anlage in einem solchen Fall durch den verkürzten Abstand und den damit vergrößerten Betrachtungswinkel derart unausweichlich in das Sichtfeld, dass die Wohnnutzung überwiegend in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird.
33Beträgt der Abstand zwischen dem Wohnhaus und der Windkraftanlage - wie hier - das Zwei- bis Dreifache der Gesamthöhe der Anlage, bedarf es regelmäßig einer besonders intensiven Prüfung des Einzelfalls.
34Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. August 2006 - 8 A 3726/05 -, BauR 2007, 74 = juris Rn. 65 ff., bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 11. Dezember 2006 ‑ 4 B 72.06 -, RdL 2007, 63 = juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 22. März 2007 - 8 B 2283/06 -, BauR 2007, 1014, juris, Rn. 5 ff., vom 24. Juni 2010 - 8 A 2764/09 -, BauR 2011, 252, juris, Rn. 41 ff. und vom 9. Oktober 2013 - 8 A 876/13 -, n.v., S. 3 ff. des Entscheidungsabdrucks; vgl. auch Bay. VGH, Urteil vom 29. Mai 2009 ‑ 22 B 08.1785 -, ZUR 2009, 497, juris, Rn. 16 ff. und Beschluss vom 30. April 2014 - 22 ZB 14.680 -, juris, Rn. 20; Hess. VGH, Beschluss vom 26. September 2013 - 9 B 1674/13 -, BImSchG-Rspr § 5 Nr 131= juris, Rn. 11 ff.
352. Dies zugrundegelegt ist im vorliegenden Fall auch unter Berücksichtigung des erstinstanzlichen Vorbringens des Antragstellers nicht von einer optisch bedrängenden Wirkung der geplanten Windenergieanlage zu seinen Lasten auszugehen.
36Der Antragsgegner hat zunächst zu Recht eine besonders eingehende Einzelfallprüfung durchgeführt. Die Anlage weist eine Nabenhöhe von 108,40 m, einen Rotordurchmesser von 82,00 m und damit eine Gesamtbauhöhe von 149,40 m auf. Der Standort der streitbefangenen Windenergieanlage liegt etwa 343 m von dem vom Antragsteller bewohnten Haus entfernt. Der Abstand zum Wohnhaus beträgt damit in etwa das 2,3-fache der Gesamthöhe der Anlage.
37Im Rahmen der Einzelfallwürdigung sind insbesondere die Kriterien Höhe und Standort der Windenergieanlage, Größe des Rotordurchmessers, Blickwinkel, Hauptwindrichtung, (Außenbereichs-)Lage des Grundstücks, Lage der Aufenthaltsräume und deren Fenster im Verhältnis zur Anlage sowie Bestehen von Ausweichmöglichkeiten von Bedeutung. Ferner ist zu berücksichtigen, ob auf dem Grundstück eine hinreichende optische Abschirmung zur Windenergieanlage besteht oder in zumutbarer Weise hergestellt werden kann.
38Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17. Januar 2007 ‑ 8 A 2042/06 -, juris, Rn. 13, vom 23. Juni 2010 ‑ 8 A 340/09 -, ZNER 2010, 514, juris, Rn. 55 und vom 22. Dezember 2011 - 8 B 669/11 -, juris, Rn. 30.
39Dabei kann auch eine Vorbelastung zu Lasten des Antragstellers ins Gewicht fallen. Nach der Senatsrechtsprechung können schon vorhandene Windkraftanlagen Einfluss auf das Maß der optischen Beeinträchtigung haben. Denn einer Einzelanlage kann in diesem Zusammenhang je nach der Situation im Einzelfall ein stärkeres Gewicht zukommen als einer Anlage, die sich in eine schon vorhandene (optische) Vorbelastung einfügt und deshalb keine besondere zusätzliche Belastung für die Wohnnutzung darstellt. Je nach Fallkonstellation kann aber auch erst die hinzutretende oder ersetzende Anlage in der Zusammenschau mit den bereits vorhandenen Anlagen oder für sich genommen zu einer unzumutbaren optischen Bedrängung führen.
40Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2011 - 8 A 372/09 -, juris, Rn. 54 m. w. N.
41Ob die drei weiteren, vorhandenen Windkraftanlagen das Maß an Rücksichtnahme, das der Antragsteller beanspruchen kann, vermindern, kann im vorliegenden Fall offen bleiben.
42Die Annahme des Antragsgegners, dass es auch im Hinblick auf die am stärksten betroffenen Räumlichkeiten an der Ostseite des im Außenbereich gelegenen Hauses an einer optisch bedrängenden Wirkung fehle, ist unabhängig davon nicht zu beanstanden. Soweit die überarbeitete und ergänzte Sichtbeziehungsstudie der Firma s. vom 5. Februar 2014 in Verbindung mit der Kurzfassung einer Sichtbeziehungsuntersuchung vom 25. Juni 2013 über das Ausmaß der optischen Beeinträchtigung durch die Anlage noch kein hinreichendes Bild vermitteln, lässt sich dieses jedenfalls aus den nach Errichtung der Anlage vom Verwaltungsgericht beim Ortstermin gefertigten Lichtbildern gewinnen. Danach wirkt sich die neue Anlage aufgrund der optischen Abschirmung durch bereits vorhandenen Baumbewuchs trotz ihrer Größe und Lage nicht derart dominant aus, dass von einer optisch bedrängenden Wirkung die Rede sein kann. Das gilt umso mehr, als die Beigeladene nach Nr. 2.9 des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheids vom 4. April 2014 verpflichtet ist, zur Vermeidung einer unmittelbaren Einsichtnahme auf die Windkraftanlage in einem Abstand von ca. 10 m vom Wintergarten der Liegenschaft I.---weg entfernt in östlicher Richtung eine zweireihige, immergrüne Hecke in ausreichender Höhe (ca. 4-5 m) anzulegen. Die Zweifel des Antragstellers an der Berechtigung der Beigeladenen zur Erfüllung dieser Verpflichtung sind mit der zwischenzeitlich durchgeführten Pflanzung entsprechend hoher Nadelbäume an der bezeichneten Stelle hinfällig geworden. Die Beigeladene hat darüber hinaus bestätigt, die Pflanzung sei auf der Grundlage einer Vereinbarung mit dem Eigentümer des Anwesens I.---weg auf dessen Grundeigentum erfolgt.
43Eine optisch bedrängende Wirkung liegt im Übrigen nicht bereits dann vor, wenn die Windenergieanlage von Teilen des Hauses aus überhaupt wahrnehmbar ist. Das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme vermittelt dem Nachbarn keinen Anspruch auf eine von technischen Bauwerken freie Sicht.
44Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17. Januar 2007 ‑ 8 A 2042/06 - ZNER 2007, 79, juris, Rn. 18, vom 23. Juni 2010 - 8 A 340/09 -, ZNER 2010, 514, juris, Rn. 62, vom 22. Dezember 2011 - 8 B 669/11 -, juris, Rn. 33 und vom 19. September 2012 - 8 A 339/12 -, juris, Rn. 31.
45Nichts anderes würde im Rahmen von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG gelten.
46Die Anlage liegt zwar im Wesentlichen frontal zur östlichen (genauer: ost-nordöstlichen) Traufseite des Wohnhauses. Auch dürfte der Rotor der Anlage im Hinblick auf die vorherrschende Windrichtung aus Südwesten aus der Richtung des Wohnhauses häufig in vollem Umfang zu sehen sein. Im Erdgeschoss verhindern jedoch die architektonische Gestaltung sowie der vorhandene Baumbewuchs eine unzumutbare Beeinträchtigung der zur Windkraftanlage ausgerichteten Räumlichkeiten.
47Der Wintergarten weist nur zum Teil Klarglasscheiben auf, durch die überhaupt eine deutliche Sicht nach draußen möglich ist. Die Vermutung des Antragstellers, der sich drehende Rotor wirke durch die getrübten Scheiben möglicherweise noch bedrohlicher, erscheint wenig plausibel. Inwieweit man ihn seit Errichtung der Sichtschutzhecke vom Wintergarten aus überhaupt noch erkennen kann, muss nicht im Einzelnen geklärt werden. Durch die vier kleinen, klarverglasten Fenster an der Sitzecke war die Windkraftanlage schon zuvor bis auf einen - durch Baumzweige teilweise verdeckten - Teil der Nabe, der durch das links oben befindliche Fenster erscheint, kaum zu sehen. Blickt man aus dem großen Doppelfenster am nordöstlichen Ende des Wintergartens auf die Anlage, wird diese je nach genauer Position des Betrachters überwiegend oder jedenfalls zum Teil durch den Stamm bzw. durch die Krone des krumm gewachsenen Baumes vor dem Fenster verdeckt, der den Blick zudem ‑ selbst in unbelaubtem Zustand - von der Windkraftanlage ablenkt. Nicht fotografisch dokumentiert ist der Blick von der im anderen Teil des Raumes an den vier kleinen Fenstern befindlichen Sitzgruppe durch das große Doppelfenster. Die vorhandenen Fotos sprechen aber dafür, dass die Windkraftanlage durch die nahe Bepflanzung hinter der Hecke des Hauses auch insoweit teilweise verdeckt sein bzw. optisch „abgerückt“ wird. Hinzu kommt nunmehr die von der Beigeladenen errichtete Sichtschutzhecke.
48Das Wohnzimmer weist zwei Fenster auf, von denen eines - das auf der Südseite gelegene - von vornherein keinen Blick auf die streitbefangene Windkraftanlage ermöglicht. Das nach Osten (bzw. genauer: Ost-Nordost) gerichtete Doppelfenster ist zwar zur Anlage hin gerichtet. Durch den linken Teil dieses Fensters ist die Windkraftanlage aber ebenfalls nicht zu sehen, weil der Wintergartenanbau den Blick auf die Anlage verdeckt. Im Übrigen - d. h. auch bei der rechten Seite des Fensters - verhindert die von dem Antragsteller selbst gewählte und in Erdgeschosszimmern weithin übliche lichtdurchlässige Gardine sehr weitgehend, dass die Anlage wahrgenommen werden kann. Nur von einer speziellen Sitzposition direkt an der Fensterbank des rechten Fensterflügels war die Windkraftanlage - jedenfalls vor Errichtung der Sichtschutzhecke - unter der Gardine zu sehen. Die optisch beeinträchtigende Wirkung der Anlage auf das Wohn- und Esszimmer ist daher nach den vorstehenden Ausführungen begrenzt.
49Auch unter Berücksichtigung der drei östlich ausgerichteten, schrägen Fenster im Dachgeschoss des Hauses (Flur, Bad und Küche) liegt noch keine optisch bedrängende Wirkung vor. Der gesamte Rotor war durch diese Fenster - schon vor Errichtung der Sichtschutzhecke - im Wesentlichen nur von fensternahen Standpunkten aus zu sehen. Soweit dies der Fall war, wurde aber der untere Teil der Nabe bereits durch den vorhandenen Baumbewuchs teilweise verdeckt und die Anlage durch die - auf den Fotos teilweise unbelaubten - nahen Bäume jedenfalls optisch etwas in den Hintergrund gerückt. Bei belaubtem Zustand der Bäume - und erst recht unter Berücksichtigung der Sichtschutzhecke - wird dieser Effekt noch deutlicher ausfallen. Hinsichtlich dieser Räumlichkeiten bleibt es im Übrigen dem Antragsteller unbenommen, etwaige noch störende Sichtbeziehungen zu der Anlage durch helle und tageslichtdurchlässige Gardinen abzumildern, die die Fenster nur teilweise und nur soweit notwendig verdecken.
50Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17. Januar 2007 ‑ 8 A 2042/06 - ZNER 2007, 79, juris, Rn. 18, vom 23. Juni 2010 - 8 A 340/09 -, ZNER 2010, 514, juris, Rn. 62, vom 22. Dezember 2011 - 8 B 669/11 -, juris, Rn. 33 und vom 19. September 2012 - 8 A 339/12 -, juris, Rn. 31.
51Dass das Haus an der Ostseite besonders schutzwürdige Außenflächen aufwiese, die wie etwa ein Terrassenbereich dem dauernden Aufenthalt der Bewohner dienten, ist vom Antragsteller weder geltend gemacht noch auf den Fotos ersichtlich. Bei der Zufahrt auf das Grundstück verstellen zudem mehrere hohe Nadelbäume die Sicht auf die Windkraftanlage fast vollständig; hinzu kommen nunmehr die Nadelgehölze der Sichtschutzhecke.
52Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind aus Gründen der Billigkeit erstattungsfähig, weil sie sich mit der Antragstellung dem sich aus § 154 Abs. 3 VwGO ergebenden Kostenrisiko ausgesetzt hat.
53Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und orientiert sich am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Der danach im Hauptsacheverfahren auf 15.000,- € festzusetzende Streitwert ist mit Blick auf die Vorläufigkeit des vorliegenden Verfahrens auf die Hälfte zu reduzieren.
54Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 und 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Minden vom 25. September 2013 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,- Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde mit dem Antrag,
3unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Minden vom 25. September 2013 - 11 L 545/13 - die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 18. Juli 2013 gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Antragsgegners vom 14. Juni 2013 wiederherzustellen,
4hat keinen Erfolg.
5Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat nach Maßgabe des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt die ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifend in Frage.
6Das Verwaltungsgericht hat den auf §§ 80 Abs. 5 und 80a Abs. 3 VwGO gestützten Antrag des Antragstellers mit der Begründung abgelehnt, dass die angefochtene Genehmigung nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoße, die dem Schutz des Antragstellers zu dienen bestimmt seien. Sie verletze insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt einer optisch bedrängenden Wirkung nicht das Gebot der Rücksichtnahme. Das Vorbringen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren gibt keine Veranlassung, hiervon abweichend die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.
7Bei Zugrundelegung der ständigen Rechtsprechung des Senats (1.) ist im vorliegenden Fall nicht von einer optisch bedrängenden Wirkung der geplanten Anlage auszugehen (2.).
81. Nach der Rechtsprechung des Senats erfordert die Prüfung, ob von einer Windenergieanlage eine optisch bedrängende Wirkung ausgeht, stets eine Würdigung aller Einzelfallumstände. Das Ergebnis dieser Einzelfallprüfung lässt sich dabei anhand folgender Anhaltswerte grob prognostizieren.
9Beträgt der Abstand zwischen einem Wohnhaus und einer Windkraftanlage mindestens das Dreifache der Gesamthöhe (Nabenhöhe + ½ Rotordurchmesser) der geplanten Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu dem Ergebnis kommen, dass von dieser Anlage keine optisch bedrängende Wirkung zu Lasten der Wohnnutzung ausgeht. Bei einem solchen Abstand treten die Baukörperwirkung und die Rotorbewegung der Anlage so weit in den Hintergrund, dass ihr in der Regel keine beherrschende Dominanz und keine optisch bedrängende Wirkung gegenüber der Wohnbebauung zukommt.
10Ist der Abstand geringer als das Zweifache der Gesamthöhe der Anlage, dürfte die Einzelfallprüfung überwiegend zu einer dominanten und optisch bedrängenden Wirkung der Anlage gelangen. Ein Wohnhaus wird bei einem solchen Abstand in der Regel optisch von der Anlage überlagert und vereinnahmt. Auch tritt die Anlage in einem solchen Fall durch den verkürzten Abstand und den damit vergrößerten Betrachtungswinkel derart unausweichlich in das Sichtfeld, dass die Wohnnutzung überwiegend in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird.
11Beträgt der Abstand zwischen dem Wohnhaus und der Windkraftanlage - wie hier - das Zwei- bis Dreifache der Gesamthöhe der Anlage, bedarf es regelmäßig einer besonders intensiven Prüfung des Einzelfalls.
12Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. August 2006 - 8 A 3726/05 -, BauR 2007, 74 = juris Rn. 65 ff., bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 11. Dezember 2006 ‑ 4 B 72.06 -, RdL 2007, 63 = juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 22. März 2007 - 8 B 2283/06 -, BauR 2007, 1014 = juris Rn. 5 ff., vom 24. Juni 2010 - 8 A 2764/09 -, BauR 2011, 252 = juris Rn. 41 ff. und vom 9. Oktober 2013 - 8 A 876/13 -, n.v., S. 3 ff. des Entscheidungsabdrucks; vgl. auch Bay. VGH, Urteil vom 29. Mai 2009 ‑ 22 B 08.1785 -, ZUR 2009, 497 = juris Rn. 16 ff. und Beschluss vom 30. April 2014 - 22 ZB 14.680 -, juris Rn. 20; HessVGH, Beschluss vom 26. September 2013 - 9 B 1674/13 -, BImSchG-Rspr § 5 Nr 131= juris Rn. 11ff.
132. Dies zugrundegelegt ist im vorliegenden Fall bei summarischer Prüfung nicht von einer optisch bedrängenden Wirkung der geplanten Windenergieanlage zulasten des Antragstellers auszugehen.
14Das Verwaltungsgericht hat die Einzelfallprüfung auf der Grundlage der im Rahmen der Sichtbildanalyse der s. GmbH & Co. KG erstellten Lichtbilder sowie des Inhalts der in Teilen vorgelegten Bauakten vorgenommen. Einer Visualisierung der geplanten Anlage aus Sicht des Wohnhauses oder einer Aufnahme aus Richtung des Wohnhaus zum Anlagenstandort habe es nicht bedurft; die vorliegenden Erkenntnisse hätten ausgereicht, eine mögliche optische Beeinträchtigung durch die Anlage zu beurteilen. Zu Gunsten des Antragstellers sei zu berücksichtigen gewesen, dass sich der Abstand zwischen Anlage und Wohnhaus eher dem Zweifachen als dem Dreifachen der Gesamthöhe der Anlagen nähert. Ferner solle die Anlage auf freiem Feld errichtet werden und sei nicht durch Wald abgeschirmt. Sie könne zudem auch aufgrund ihres im Verhältnis zur Höhe des Mastes großen Rotordurchmessers durchaus als störend empfunden werden. Die Störwirkungen seien jedoch nicht derart optisch bedrängend, dass das Gebot der Rücksichtnahme verletzt werde. Keines der Fenster des Wohnhauses befinde sich frontal zu der in nordöstlicher Richtung geplanten Windenergieanlage. Eine seitliche Sichtbeziehung sei lediglich zur Nord- und Ostseite des Gebäudes gegeben. Ungeachtet der Frage, ob die insoweit betroffenen Räume vollumfänglich als dauerhafte Aufenthaltsräume von Menschen dienten, sei es dem Antragsteller zumutbar, z.B. durch den Einsatz blickdichter Gardinen eine Abschirmungswirkung zu erzielen oder auch Aufenthaltsräume zu verlagern. Auf der Nordseite des Hauses stünden zudem stark verzweigte Bäume, die ebenfalls Sichtschutz böten. Für das Erdgeschoss bewirke an der Ostseite insbesondere die vorhandene Doppelgarage eine Abschirmung. Soweit auf dem Grundstück ehemals vorhandene weitere Bäume und Gehölze im Frühjahr 2013 entfernt worden seien, könne der Antragsteller darauf verwiesen werden, sichtschützende Neuanpflanzungen durchzuführen. Der im 1. Obergeschoss befindliche Balkon könne durch einfache bauliche Maßnahmen vor der geplanten Windenergieanlage abgeschirmt werden.
15a) Das Verwaltungsgericht hat zunächst zu Recht eine besonders eingehende Einzelfallprüfung durchgeführt. Die Anlage weist eine Nabenhöhe von 93 m, einen Rotordurchmesser von 114 m und damit eine Gesamthöhe von 150 m auf. Der Standort der streitbefangenen Windenergieanlage liegt etwa 370 m vom Wohnhaus des Antragstellers entfernt. Der Abstand zum Wohnhaus des Antragstellers beträgt damit mehr als Zweifache, aber weniger als das Dreifache der Gesamthöhe der Anlage.
16b) Die Einzelfallwürdigung des Verwaltungsgerichts beruht - anders als der Antragsteller meint - auf einer ausreichenden Erkenntnisgrundlage. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die maßgeblichen Gesamtumstände des Einzelfalls anhand der im Genehmigungsverfahren vorgelegten Unterlagen bewertet werden können. Einer Visualisierung der geplanten Windenergieanlage oder einer Sichtachsenanalyse bedurfte es nicht.
17Im Rahmen der Einzelfallwürdigung sind insbesondere die Kriterien Höhe und Standort der Windenergieanlage, Größe des Rotordurchmessers, Blickwinkel, Hauptwindrichtung, (Außenbereichs)Lage des Grundstücks, Lage der Aufenthaltsräume und deren Fenster im Verhältnis zur Anlage sowie Bestehen von Ausweichmöglichkeit von Bedeutung. Ferner ist zu berücksichtigen, ob auf dem Grundstück eine hinreichende Abschirmung zur Windenergieanlage besteht oder in zumutbarer Weise hergestellt werden kann.
18Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17. Januar 2007 ‑ 8 A 2042/06 -, juris Rn. 13, vom 23. Juni 2010 - 8 A 340/09 -, ZNER 2010, 514 = juris Rn. 55 und vom 22. Dezember 2011 - 8 B 669/ 11 -, juris Rn. 30.
19Eine Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls anhand dieser Kriterien ist auf der Grundlage der im Genehmigungsverfahren vorgelegten Planungsunterlagen, der angefertigten Lichtbilder, des Ergebnisses der Sichtbildanalyse und der Baupläne möglich. Diesen Unterlagen ist nicht nur die Größe der Anlage auch im Verhältnis zur Größe des Wohnhauses des Antragstellers, das konkrete Erscheinungsbild der Anlage, deren Umfeld und deren Lage, sondern auch die - die Ausrichtung der Rotoren maßgeblich beeinflussende - Hauptwindrichtung zu entnehmen. Auch der Zuschnitt, die Bebauung und der Bewuchs des - im Außenbereich gelegenen - Grundstücks sind ebenso hinreichend deutlich auszumachen wie die Ausrichtung der Zimmer und der Fenster des Wohnhauses. Zwar sind weder die konkrete Nutzung der Zimmer in der Erdgeschosswohnung noch der konkrete Zuschnitt der Wohnung im Obergeschoss durch Lichtbilder oder anderweit belegt worden; der Senat legt insoweit jedoch - ungeachtet der von der Beigeladenen geäußerten Zweifel - zugunsten des Antragstellers dessen Angaben zugrunde.
20c) Die Rüge des Antragstellers, die Windenergieanlage habe schon deshalb eine optisch bedrängende Wirkung, weil keine Bebauung oder Bepflanzung vorhanden sei, die den Blick von den Wohnräumen und dem Garten des Grundstücks hindern könnte, greift nicht durch.
21Um von einer optisch bedrängenden Wirkung zu sprechen, reicht es für sich gesehen nicht aus, dass die Windenergieanlage von den Wohnräumen aus überhaupt wahrnehmbar ist. Das Gebot der Rücksichtnahme vermittelt dem Nachbarn keinen Anspruch auf eine von technischen Bauwerken freie Sicht.
22Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17. Januar 2007 ‑ 8 A 2042/06 -, ZNER 2007, 79 = juris Rn. 18, vom 23. Juni 2010 - 8 A 340/09 -, ZNER 2010, 514 = juris Rn. 62, vom 22. Dezember 2011 - 8 B 669/11 -, juris Rn. 33 und vom 19. September 2012 - 8 A 339/12 -, juris Rn. 31.
23Die optisch bedrängende Wirkung einer Windenergieanlage entfällt daher nicht erst dann, wenn die Sicht auf die Windenergieanlage durch Abschirm- oder Ausweichmaßnahmen völlig gehindert wird. Ausreichend ist vielmehr, dass die Anlage in ihrer Wirkung durch eine vorhandende Abschirmung abgemildert wird oder dass eine solche Abschirmung in zumutbarer Weise hergestellt werden kann. Dies gilt insbesondere im Außenbereich, wo dem Betroffenen wegen des verminderten Schutzanspruchs eher Maßnahmen zumutbar sind, durch die er den Wirkungen der Windenergieanlage ausweicht oder sich vor ihnen schützt.
24Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 22. Dezember 2011 - 8 B 669/11 -, juris Rn. 30 und 32, und vom 9. Oktober 2013 - 8 B 876/13 -, n.v., S. 6 des Entscheidungsabdrucks.
25d) Der Antragsteller dringt auch mit dem Vorbringen nicht durch, weder werde die optische Wirkung der - das Wohnhaus aufgrund ihrer Nähe und Bauart dominierenden - Windenergieanlage durch vorhandene Bebauung oder einen vorhandenenBewuchs des Grundstücks gemildert noch sei insbesondere den Mietern der Obergeschosswohnung ein Ausweichen zumutbar; auch architektonische Selbsthilfemaßnahmen seien weder ihm noch den Mietern zumutbar. Entgegen der Annahme des Antragstellers ist die optische Wirkung der Windenergieanlage auf das Grundstück und das Wohnhaus des Antragstellers aufgrund des Anlagenstandortes sowie der Ausrichtung der betroffenen Wohnräume nicht derart dominant, dass bei summarischer Prüfung eine gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßende bedrängende Wirkung vorläge. Sie wird zudem durch verschiedene Umstände gemildert.
26Es ist offensichtlich, dass die frei stehende Windenergieanlage mit einer Gesamthöhe von 150 m und einem Rotordurchmesser von 114 m eine spürbare optische Wirkung auf das etwa 370 m entfernte Grundstück und das Wohnhaus ausübt. Die der Sichtbildanalyse beigefügte Fotomontage vermittelt insoweit einen aussagekräftigen Eindruck der Dimension der Anlage - insbesondere des Rotors - im Verhältnis zu den umliegenden Wohngrundstücken. Dass eine Verzwergung des Wohnhauses bzw. Grundstücks des Antragstellers eintritt oder eine beherrschende Dominanz der Windenergieanlage vorliegt, der die Bewohner des Grundstücks sich nicht entziehen könnten, kann indes nicht festgestellt werden.
27Der Standort der geplanten Windenergieanlage ist nordöstlich des Wohnhauses des Anwesens des Antragstellers. Die Anlage liegt damit auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Rotor wegen der Hauptwindrichtung Südwest häufig in voller Breite aus Richtung des Grundstücks zu sehen sein dürfte, nicht frontal, sondern seitlich zu den Hauptblickrichtungen von dem Grundstück und aus dem Wohnhaus, deren Breitseiten in Richtung Norden und Süden und deren Längsseiten in Richtung Osten und Westen ausgerichtet sind. Die Windenergieanlage ist aus den Fenstern und Räumen des Wohnhauses, die in Richtung Süden und Westen zeigen, daher nicht zu sehen. An der Ost- und der Nordseite tritt sie dagegen - seitlich - ins Sichtfeld. Hinsichtlich des an der Ostseite des Wohnhauses befindlichen Dachfensters scheidet eine optisch bedrängende Wirkung allerdings schon deshalb aus, weil es sich um das Badezimmerfenster und damit nicht um das Fenster eines Schlaf- oder Wohnraums handelt. Dasselbe gilt für die im Erdgeschoss befindliche Glastür und das daneben liegende Fenster, die den Blick aus der „Ankleide“ in den Garten Richtung Osten freigeben. Ungeachtet dessen wird die Windenergieanlage hier durch die an die Nordseite des Hauses in Richtung Osten angebaute Doppelgarage sowie die beiden in der nordöstlichen Ecke des Grundstücks stehenden Nebengebäude zumindest in weiten Teilen verdeckt oder jedenfalls optisch in den Hintergrund gerückt. Die Doppelgarage und die Nebengebäude bieten darüber hinaus auch eine weitgehende Abschirmung der in Richtung Süden und Osten gerichteten, überdachten Terrasse hinter der Garagenrückwand. Von dem Bereich des (Nutz)Gartens, der nicht schon durch diese Nebengebäude abgeschirmt ist, wird die Anlage durch die an der Ostseite des Grundstücks bereits vorhandenen Bäume und die Hecke optisch abgerückt. Dieser optische Effekt kann durch eine Verdichtung des an der Ostseite des Grundstücks bereits vorhandenen Baumbewuchses und/oder eine Erhöhung der Hecke noch verstärkt werden. Diese Bäume sind nach dem Vortrag des Antragstellers auch noch vorhanden. Der Antragsteller hat zwar erklärt, er habe zwei Apfelbäume in der Nähe des Gartenhauses gefällt. Dabei dürfte es sich um die auf den im Genehmigungsverfahren vorgelegten Lichtbildern an der Nordseite des Grundstücks in der Nähe des Gartenhauses zu erkennenden Bäume gehandelt haben. Für diese Annahme spricht auch das von der Beigeladenen im Beschwerdeverfahren vorgelegte Lichtbild der Baumstümpfe. Dass dem Antragsteller Anpflanzungen finanziell unzumutbar wären, ist nicht zu erkennen. Anders als er meint, bedarf es auch nicht der Anschaffung teurer großer Bäume, um dem auf dem Dach der Doppelgarage befindlichen Balkon einen gewissen Sichtschutz zu bieten. Der durch die Windenergieanlage optisch am stärksten beeinträchtigte Balkon und die aus dem Wohnzimmer der Obergeschosswohnung auf den Balkon führende Glastür der Gaube können durch andere bauliche Maßnahmen als durch die Anpflanzung von Bäumen optisch von der Windenergieanlage abgeschirmt werden. In Betracht kommt insoweit etwa der Einbau eines Sichtschutzsegels, von Sichtschutzwänden oder - wie dies offenbar bereits geschehen ist - die Aufstellung eines kleinen Gartenhauses auf dem Balkon.
28Aus den Fenstern der Erdgeschoss- und der Obergeschosswohnung an der Nordseite des Hauses ist die Windenergieanlage ebenfalls sichtbar. Sie steht jedoch auch hier nicht in der Hauptblickrichtung, sondern ist seitlich versetzt. Dass die an der Nordostecke des Grundstücks befindlichen, dem Haus in Richtung Norden vorgelagerten Nebengebäude die Windenergieanlage bei einem seitlichen Blick aus den Fenstern der Erdgeschosswohnung zumindest optisch in den Hintergrund treten lassen, liegt zwar nahe, kann jedoch letztlich dahinstehen. Es ist nämlich selbst in Anbetracht der erheblichen von den Rotoren umstrichenen Fläche von 10.207 m², nicht zu erkennen, dass der Rotor vom überwiegenden Teil des jeweils betroffenen Wohnraums wahrnehmbar ist und damit eine beherrschende oder bedrängende Wirkung hat. Insoweit ist zudem die Abschirmung durch die beiden an der Nordseite des Grundstücks stehenden, das Haus überragenden Bäume zu berücksichtigen. Diese Bäume dienen, auch wenn sie nicht direkt auf der Sichtachse zur Windenergieanlage stehen, mit ihren geräumigen Kronen zumindest als optischer Puffer. Im Übrigen kann dem Antragsteller zugemutet werden, auch die nördliche Grundstücksgrenze (wieder) mit Bäumen und einer Hecke zu bepflanzen. Nach alledem kann offen bleiben, ob der Antragsteller darauf verwiesen werden könnte, „blickdichte“ Gardinen anzubringen oder die Wohnräume zu verlegen.
29Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 und 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind aus Gründen der Billigkeit erstattungsfähig, weil sie sich mit der Antragstellung dem sich aus § 154 Abs. 3 VwGO ergebenden Kostenrisiko ausgesetzt hat.
30Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und orientiert sich am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Der danach im Hauptsacheverfahren auf 15.000,- Euro festzusetzende Streitwert ist mit Blick auf die Vorläufigkeit des vorliegenden Verfahrens auf die Hälfte zu reduzieren.
31Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 und 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 5. März 2015 geändert.
Die aufschiebende Wirkung der bei dem Verwaltungsgericht Köln erhobenen Klage 13 K 4121/14 wird wiederhergestellt.
Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen tragen der Antragsgegner und die Beigeladene jeweils zur Hälfte mit der Maßgabe, dass zwischen ihnen ein Ausgleich ihrer außergerichtlichen Kosten nicht stattfindet.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 30.000,- Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg. Sie führt zur Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts.
3Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den der Beigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid vom 30. Juni 2014 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 1. Oktober 2014 zur Errichtung und zum Betrieb von vier Windkraftanlagen vom Typ Enercon E-48 auf den Grundstücken Gemeinde T. , Gemarkung P. , Flur , Flurstücke und wiederherzustellen, ist begründet.
4Nach § 4a Abs. 3 UmwRG ist § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO im Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen oder wiederherstellen kann, wenn im Rahmen einer Gesamtabwägung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen.
5Der Vorschrift des § 4a Abs. 3 UmwRG ist nicht eindeutig zu entnehmen, welcher Wahrscheinlichkeitsgrad für das Vorliegen "ernstlicher Zweifel" als Prüfungsmaßstab konkret anzuwenden ist. § 4a Abs. 3 UmwRG macht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, ob die aufschiebende Wirkung angeordnet oder wiederhergestellt wird, von einer Gesamtabwägung abhängig; die erheblichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind lediglich Bestandteil dieser notwendigen Gesamtabwägung. Dabei kommt es nicht auf einen bestimmten, für alle Fälle gleichen Wahrscheinlichkeitsgrad der rechtlichen Bedenken an. Vielmehr kann hier auch ein schwächerer Grad der rechtlichen Bedenken etwa ergänzt oder verstärkt werden durch den Umstand, dass besonders gravierende, möglicherweise nicht reversible Folgen drohen, wenn das Vorhaben vor Unanfechtbarkeit der Genehmigung verwirklicht wird. Insoweit gilt, dass der Sofortvollzug umso eher auszusetzen ist, je berechtigter und gewichtiger die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung sind. Ist ein voraussichtlicher Erfolg in der Hauptsache offensichtlich, wird sich ein privates oder öffentliches Vollzugsinteresse nur ausnahmsweise durchsetzen können. Ausgehend von diesen Grundsätzen kommt eine Aussetzung des Sofortvollzuges nicht stets erst dann in Betracht, wenn das Verwaltungsgericht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgeht, dass die Klage in der Hauptsache begründet ist. Vielmehr können im Rahmen einer Gesamtabwägung begründete Zweifel ausreichen, die die Rechtmäßigkeit der behördlichen Entscheidung in Frage stellen. Insbesondere bei komplexen und komplizierten Verfahren können sich offene Erfolgsaussichten auch ohne detaillierte Prüfungen ergeben.
6Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 23. Juli 2014 - 8 B 356/14 -, DVBl. 2014, 1415 = juris Rn. 62 ff, und vom 24. Juni 2015 - 8 B 315/15 -, juris Rn. 14; vgl. weiterhin BVerwG, Beschlüsse vom 15. April 2013 ‑ 9 VR 1/13 -, juris Rn. 2, und vom 13. Juni 2013 ‑ 9 VR 3/13 -, NVwZ 2013, 101 = juris Rn. 4; Seibert, NVwZ 2013, 1040, 1046 ff.
7Auf dieser Grundlage fällt die Gesamtabwägung nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand zu Lasten des Antragsgegners aus. Bei summarischer Prüfung sind die Erfolgsaussichten der in der Hauptsache erhobenen Klage als offen zu bezeichnen (dazu I.). Bei einer über die Erfolgsaussichten der Hauptsache hinaus erfolgenden Abwägung der Interessen der Antragstellerin und der Beigeladenen haben letztere vorläufig zurückzustehen (dazu II.).
8I. Die Erfolgsaussichten der in der Hauptsache erhobenen Klage sind - jedenfalls hinsichtlich des auf Aufhebung der erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zielenden Antrags - nach derzeitigem Sach- und Streitstand als offen zu bezeichnen. Ob die Antragstellerin und Klägerin gemäß § 42 Abs. 2 VwGO insoweit klagebefugt ist, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden.
9Vgl. zur mangelnden Voraussagbarkeit der Erfolgsaussichten der Hauptsache BVerwG, Beschluss vom 14. April 2005 - 4 VR 1005/04 -, BVerwGE 123, 241 = juris Rn. 10 f.
10Jedenfalls soweit sich die Antragstellerin darauf beruft, die durchgeführte standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit genüge nicht dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG, weil sie nicht den Vorgaben von § 3c UVPG entsprochen habe und das Ergebnis nicht nachvollziehbar sei, bedarf es einer abschließenden Prüfung im Hauptsacheverfahren, ob ihr unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats ein subjektiv-öffentliches Recht zustehen kann.
11Ein solches Rügerecht ergibt sich dem Grunde nach aus § 4 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 und 2 UmwRG, der im Lichte des - individualschützende Verfahrensrechte verleihenden - Unionsrechts auszulegen ist. Der sachliche und zeitliche Anwendungsbereich des UmwRG ist eröffnet (dazu 1.). Im vorliegenden Fall besteht die konkrete Möglichkeit, dass die in § 4 Abs. 1 UmwRG genannten UVP-Verfahrenserfordernisse verletzt worden sind; dem steht die Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 25. Oktober 2012 in dem Verfahren VG Köln 13 K 4740/09 nicht entgegen (dazu 2.). § 4 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 und 2 UmwRG räumt den Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit ein selbstständig durchsetzbares, absolutes Verfahrensrecht ein (dazu 3.). Unter welchen Voraussetzungen dies auch für Gemeinden als Teil der mittelbaren, zum Teil mit Selbstverwaltungsrechten ausgestatteten Staatsverwaltung gilt, muss im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes offen bleiben (dazu 4.).
121. Der Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes ist eröffnet. In sachlicher Hinsicht kann infolge der von § 3c Satz 2 i.V. m. Anlage 1 Nr. 1.6.3 UVPG angeordneten standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls für den angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) UmwRG bestehen. Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz ist auch in zeitlicher Hinsicht anwendbar. Es gilt nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UmwRG in der Fassung vom 20. November 2015 (BGBl. I, 2069) für Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1, die nach dem 25. Juni 2005 ergangen sind oder hätten ergehen müssen. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 UmwRG ist davon abweichend § 4a UmwRG auf solche Rechtsbehelfe anzuwenden, die nach dem 28. Januar 2013 erhoben worden sind. Beides ist vorliegend angesichts des am 30. Juni 2014 erteilten Genehmigungsbescheids der Fall.
132. Im vorliegenden Fall besteht die hinreichend konkrete Möglichkeit, dass die in § 4 Abs. 1 UmwRG genannten UVP-Verfahrenserfordernisse verletzt sind (dazu II. 1.).
14Dem steht das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 25. Oktober 2012 in dem Verfahren 13 K 4740/09 nicht entgegen. Zwar hat das Verwaltungsgericht den Antragsgegner gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO verpflichtet, über den Antrag der Beigeladenen unter Beachtung der Rechtsauffassung neu zu bescheiden. Die Bindungswirkung eines Bescheidungsurteils reicht aber jedenfalls nicht über das Vorliegen solcher Anspruchsvoraussetzungen hinaus, deren Vorliegen das Gericht in seiner Entscheidung ausdrücklich bejaht hat.
15Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juni 1968 - V C 085.67 ‑, DVBl. 1970, 281, und Beschluss vom 22. April 1987 - 7 B 76.87 -, Buchholz 310 § 121 Nr. 54 = juris Rn. 6; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25. Oktober 2000 ‑ 11 S 43/00 -, juris Rn. 39; Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 1. März 2015, § 121 Rn. 85; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 113 Rn. 212.
16Ausführungen zur Frage der rechtmäßigen Durchführung der UVP-Vorprüfung enthält das Urteil des Verwaltungsgerichts nicht.
173. Die Verfahrensvorschriften der UVP-Richtlinie 2011/92/EU sind bei unionsrechtskonformer Auslegung Schutznormen im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO. § 4 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 und 2 UmwRG räumt den Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit ein selbstständig durchsetzbares, absolutes Verfahrensrecht ein.
18Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2015 ‑ 8 A 959/10 -, ZNER 2015, 177 = juris Rn. 51 ff. m. w. N., sowie Beschluss vom 24. Juni 2015 ‑ 8 B 315/15 -, juris Rn. 6; vgl. ebenfalls OVG NRW, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 8 B 356/14 -, DVBl. 2014, 1415 = juris Rn. 17.
19Die UVP-Richtlinie und Art. 9 Abs. 2 der Aarhus-Konvention gebieten eine Auslegung des nationalen Rechts, die die durch die Richtlinie verliehenen Verfahrensrechte als individualschützend anerkennt und ihre prozessuale Durchsetzbarkeit gewährleistet. Im Lichte dieser Regelungen sind der betroffenen Öffentlichkeit nach § 2 Abs. 6 UVPG hinsichtlich der Verletzung von Verfahrenserfordernissen der Umweltverträglichkeitsprüfung einschließlich der in § 4 Abs. 1 UmwRG bezeichneten Verfahrensregelungen Rügerechte zuzuerkennen.
20Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2015 ‑ 8 A 959/10 -, ZNER 2015, 177 = juris Rn. 55; zum unionsrechtlichen Umfang des Rügerechts vgl. EuGH, Urteil Altrip vom 7. November 2013 - C-72/12 -, NVwZ 2014, 49 = juris Rn. 36, 38 und 47.
21Gefordert ist dabei ein weiter und effektiver Zugang zu einer gerichtlichen Überprüfung von Zulassungsentscheidungen UVP-pflichtiger Vorhaben. Ein solcher Zugang zu den Gerichten setzt indes voraus, dass die Verfahrensfehler der Umweltverträglichkeitsprüfung auch selbstständig gerügt werden können. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs folgt aus der UVP-Richtline ein eigenständiges Recht "des betroffenen Einzelnen" auf Bewertung der Umweltauswirkungen des fraglichen Projekts durch die zuständigen Stellen und auf Anhörung dazu.
22Vgl. EuGH, Urteil Leth vom 14. März 2013 ‑ C‑420/11 -, NVwZ 2013, 565 = juris Rn. 32; ferner EuGH, Urteil Wells vom 7. Januar 2004 - C-201/02 -, NVwZ 2004, 593 = juris Rn. 56 ff.
23Da die Richtlinie u. a. zur Festlegung von Verfahrensgarantien dient, die insbesondere eine bessere Information und eine Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung öffentlicher und privater Projekte mit unter Umständen erheblichen Umweltauswirkungen ermöglichen sollen, kommt der Überprüfung der Einhaltung der Verfahrensregeln in diesem Bereich besondere Bedeutung zu. Die betroffene Öffentlichkeit i. S. d Art. 11 Abs. 1 UVP-Richtlinie bzw. § 2 Abs. 6 UVPG muss daher, im Einklang mit dem Ziel, ihr einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren, zur Stützung eines Rechtsbehelfs, mit dem die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen im Sinne der Richtlinie angefochten wird, grundsätzlich jeden Verfahrensfehler geltend machen können.
24Vgl. EuGH, Urteil Altrip vom 7. November 2013 ‑ C‑72/12 -, NVwZ 2014, 49 = juris Rn. 48.
254. Unter welchen Voraussetzungen zur betroffenen Öffentlichkeit im vorgenannten Sinne auch die Gemeinden als Teil der mittelbaren, zum Teil mit Selbstverwaltungsrechten ausgestatteten Staatsverwaltung gehören, muss der abschließenden Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
26Zur Problematik vgl. Kment, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Auflage 2012, § 4 UmwRG Rn. 22; Ogorek, NVwZ 2010, 401, 404; Fellenberg, NVwZ 2015, 1721, 1723; vgl. auch (zur „Öffentlichkeit“ im Rahmen der Umweltinformations-RL) BVerwG, Urteil vom 21. Februar 2008 - 4 C 13/07 -, BVerwGE 130, 223 = juris Rn. 23, 30f.; VG Freiburg, Urteil vom 31. Juli 2010 - 2 K 192/08 -, juris Rn. 264, offengelassen im Berufungsverfahren durch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 23. September 2013 - 3 S 284/11 ‑, juris Rn. 52,
27Nach § 4 Abs. 3 UmwRG gelten dessen Absätze 1 und 2 auch für die Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO. Die Antragstellerin ist als Gemeinde eine juristische Person des öffentlichen Rechts und als solche nach § 61 Nr. 1 VwGO beteiligtenfähig.
28Vgl. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 61 Rn. 6; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 61 Rn. 22; Krausnik, in: Gärditz, VwGO, § 61 Rn. 13; Bier, in: Schoch/Schneider/ders., VwGO, Stand: 1. März 2015, § 61 Rn. 4.
29Die Bezugnahme auf § 61 Nr. 1 VwGO in § 4 Abs. 3 UmwRG eröffnet damit auch Gemeinden als Teil der betroffenen Öffentlichkeit grundsätzlich ein Rügerecht hinsichtlich UVP-bezogener Fehler.
30Vgl. insoweit nur: BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1/13 -, BVerwGE 148, 353 = juris Rn. 41; OVG S.-A., Urteil vom 2. April 2012 - 2 L 193/09 -, juris Rn. 66; Nds. OVG, Urteil vom 8. Mai 2012 ‑ 12 KS 5/10 -, OVGE 55, 339 = NVwZ-RR 2012, 836 = juris Rn. 22; vgl. zu Gemeinden als Teil der betroffenen Öffentlichkeit auch die Schlussanträge des Generalanwalts Pedro Cruz Villalón im Verfahren Altrip ‑ C‑72/12 - vom 20. Juni 2013, juris Rn. 81; ferner Fellenberg, NVwZ 2015, 1721, 1723.
31Wie der Senat in seiner Rechtsprechung ausgeführt hat, können sich Kläger auf die fehlerhafte Durchführung der Vorprüfung unabhängig von der Verletzung in eigenen materiellen Rechten berufen. Dies dient der prozessualen Durchsetzung der durch die UVP-Richtlinie begründeten Verfahrensrechte und damit letztlich der Sicherung einer zutreffenden Entscheidung in der Sache. Eine Begrenzung des Rügerechts der Gemeinden auf Fälle einer materiell-rechtlichen Beeinträchtigung könnte daher den nach der UVP-Richtlinie und Art. 9 Abs. 2 der Aarhus-Konvention zu ermöglichenden weiten und effektiven Zugang zu den Gerichten insoweit beeinträchtigen. Darüber hinaus gilt es, ein Auseinanderfallen des Prüfungsumfangs in Zulässigkeit und Begründetheit zu vermeiden.
32Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2015 ‑ 8 A 959/10 -, ZNER 2015, 177 = juris Rn. 69.
33Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Gemeinden generell oder je nach dem Funktionskreis, in dem sie handeln, zur betroffenen Öffentlichkeit gehören. Ihnen dürfte nur insoweit ein Rügerecht zustehen, als sie in ihrem Selbstverwaltungskreis, in Sonderheit in ihren Planungsinteressen berührt werden, ohne dass jedoch eine Verletzung ihrer materiellen Selbstverwaltungsrechte Voraussetzung wäre. Dafür spricht, dass die Gemeinden Teil des Staatsaufbaus sind und nur im Umfang des ihnen gewährten Selbstverwaltungsrechts diesem gegenüber verselbstständigt sind. Insoweit erkennt Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EUV zwar die regionale und lokale Selbstverwaltung an; was hierunter zu verstehen ist und welche Rechte der lokalen Ebene zustehen, richtet sich aber nach den Verfassungsordnungen der Mitgliedsstaaten, hier also insbesondere nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG.
34Vgl. hierzu nur Puttler, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Auflage 2011, Art. 4 EUV Rn. 19 f.
35Hiervon ausgehend dürfte die Antragstellerin in der vorliegenden Fallkonstellation zur betroffenen Öffentlichkeit gehören.
36II. Bei einer Abwägung der Interessen der Antragstellerin, der Beigeladenen und dem öffentlichen Vollzugsinteresse über die Erfolgsaussichten der Hauptsache hinaus hat das Vollzugsinteresse vorläufig zurückzustehen.
37Das private Vollzugsinteresse der Beigeladenen und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung des angefochtenen Genehmigungsbescheides treten hinter das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin zurück. Eine gesetzliche Regelung vergleichbar § 212a BauGB, die bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen als gesetzgeberische Grundentscheidung zu berücksichtigen ist, besteht für die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht.
38Die Beigeladene hat ein nachvollziehbares wirtschaftliches Interesse an der möglichst sofortigen Ausnutzbarkeit der Genehmigung. Neben der Erwägung, dass Einnahmen - hier in Form der Einspeisevergütung bzw. Marktprämie nach den §§ 49, 34 EEG - nur im laufenden Betrieb zu erzielen sind, tritt hinsichtlich der finanziellen Förderung der Windenergie hinzu, dass diese (gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b) EEG 2009 bzw. § 29 Abs. 2 EEG 2014) degressiv ausgestaltet ist und somit eine spätere Inbetriebnahme eine dauerhaft schlechtere Erlössituation herbeiführt. Ob darüber hinaus ein besonderes öffentliches Interesse an der Errichtung gerade dieser Windenergieanlagen zur Förderung des Ausbaus der erneuerbaren Energien nach § 1 Abs. 1, 2 Satz 2 EEG besteht,
39zweifelnd insoweit VG Koblenz, Beschluss vom 18. Oktober 2013 - 4 L 951/13.KO -, juris Rn. 21 f.,
40kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Auch wenn man ein solches - trotz der erheblichen Überschreitung des Ausbaukorridors nach §§ 3 Nr. 1, 29 Abs. 3 Nr. 5 EEG 2014 für den Zeitraum November 2014 bis Oktober 2015 um mehr als 800 MW - annimmt,
41vgl. zum Netto-Zubau in dem angegebenen Zeitraum die Veröffentlichung der Bundesnetzagentur unter http://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Sachgebiete/Energie/Unternehmen_Institutionen/ErneuerbareEnergien/Anlagenregister/VOeFF _Anlagenregister/EE_Foerderung_Wind_Biomasse_04_2016.xls,
42sind öffentliches und privates Vollzugsinteresse im vorliegenden Einzelfall weniger gewichtig als das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Sie werden dadurch entwertet, dass die durchgeführte standortbezogene UVP-Vorprüfung bei summarischer Prüfung voraussichtlich nicht dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG i. V. m. § 4a Abs. 2 UmwRG genügt (dazu 1.). Die Vorprüfung bzw. UVP haben vor Genehmigungserteilung zu erfolgen, um ihre Zielsetzung erreichen zu können. Zwar kann im Einzelfall eine Nachholung in Betracht kommen; vor erfolgter Nachholung darf das Vorhaben aber nicht durchgeführt werden (dazu 2.).
431. Die durchgeführte standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP- Pflichtigkeit des Vorhabens dürfte dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG i.V.m. § 4a Abs. 2 UmwRG nicht entsprechen. Das Ergebnis der Vorprüfung, wie es sich aufgrund der vom Antragsgegner gegebenen, maßgeblichen Begründung des Prüfergebnisses darstellt,
44vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 - 9 A 31.10 -, BVerwGE 141, 282 = juris Rn. 29; OVG NRW, Beschlüsse vom 23. Juli 2014 - 8 B 356/14 -, juris Rn. 68, und vom 24. Juni 2015 - 8 B 315/15 -, Rn. 40; Nds. OVG, Beschluss vom 29. August 2013 ‑ 4 ME 76/13 -, ZUR 2013, 683 = juris Rn. 31,
45ist nach dem derzeitigen Erkenntnisstand nicht nachvollziehbar, weil der Sachverhalt nicht vollständig und zutreffend erfasst worden sein dürfte, vgl. § 4 a Abs. 2 Nr. 1 UmwRG. Die im Jahr 2005 durchgeführte Vorprüfung berücksichtigt das in dem Bereich vorhandene Schwerpunktvorkommen der Grauammer (dazu a) nicht. Der Mangel ist auch nicht durch eine spätere Vorprüfung beseitigt worden (dazu b).
46a) Ausweislich der (undatierten, wohl im November 2005 erstellten) Dokumentation der Vorprüfung ist der Antragsgegner zu dem Ergebnis gekommen, dass Vorsorge gegen das Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen getroffen worden sei und bei bestimmungsgemäßer Errichtung und bestimmungsgemäßem Betrieb der Anlagen sonstige Gefahren nicht hervorgerufen werden könnten; auf die Durchführung einer UVP könne daher verzichtet werden. Dabei hat der Antragsgegner hinsichtlich „Reichtum, Qualität und Regenerationsfähigkeit von Wasser, Boden, Natur und Landschaft des Gebietes (Qualitätskriterien)“ ausgeführt, hochwertige Biotope oder Artenvorkommen seien im Einwirkungsbereich nicht bekannt.
47Diese Vorprüfung hat den Sachverhalt in Bezug auf das UVP-Schutzgut „Tiere“ i. S. d. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UVPG nicht vollständig und zutreffend erfasst. In der Zülpich-Jülicher Börde, in der sich auch der geplante Anlagenstandort befindet, liegt nach den Angaben des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV NRW) das derzeit letzte Schwerpunktvorkommen der Grauammer in Nordrhein-Westfalen. Der Erhaltungszustand der Grauammer in Nordrhein-Westfalen wird vom LANUV NRW als schlecht beschrieben; die Art gilt in NRW als vom Aussterben bedroht. Der Gesamtbestand wird landesweit auf unter 150 Brutpaare geschätzt.
48Vgl. hierzu die Fachinformation „Geschützte Arten in Nordrhein-Westfalen“: www.naturschutzinformationen-nrw.de/artenschutz/de/arten/gruppe/voegel/-kurzbeschreibung/102939.
49Diese Angabe des Vorkommens deckt sich mit den vor Ort durchgeführten gutachterlichen Erhebungen. Ausweislich des von der Antragstellerin eingeholten avifaunistischen Gutachtens des Büros für Ökologie und Landschaftsplanung I. G. wurde die Grauammer in der Zeit von März bis Juni 2009 an zehn Stellen im Untersuchungsgebiet singend beobachtet. Eine Erfassung der Grauammer durch die f. Umweltgutachten Dr. C. & G1. GbR im April und Mai 2013 ergab bis zu sieben Brutreviere, wobei zwei außerhalb des Untersuchungsraums von 500 m um die Anlagenstandorte lagen. Ein solcher Untersuchungsraum entspricht den Empfehlungen für den Untersuchungsraum im NRW-Leitfaden für die Umsetzung des Arten- und Habitatschutzes bei der WEA-Planung vom 12. November 2013. Der S. -T1. -Kreis hat dem Antragsgegner mit Schreiben vom 11. März 2014 mitgeteilt, dass in den Jahren 2009, 2010 und 2012 Brutvorkommen der Grauammer im Bereich der Abzweigung K 21/B 56 und damit nur 250 m nördlich der geplanten Anlagen nachgewiesen worden seien. Der Gutachter G. hat bei Begehungen zwischen Mai und Juli 2014 vier Brutreviere nördlich bzw. westlich der Anlagenstandorte kartiert, von denen jedenfalls eines im Abstand von weniger als 500 m zu den Anlagenstandorten liegt.
50Die Grauammer gilt als kollisionsgefährdete Vogelart, wobei Anflüge sowohl an den Mast wie auch an den Rotor erfolgen. Insoweit verweist das LANUV NRW in seiner Stellungnahme an den Antragsgegner vom 20. Oktober 2009 auf die im Verhältnis zur Populationsgröße und zu Fundzahlen bei anderen Singvögeln hohe Anzahl an Totfunden. Hinsichtlich der Lage sei davon auszugehen, dass sich die Brutreviere aufgrund von Änderungen in der Fruchtartenverteilung auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen von Jahr zu Jahr verschieben. Eine Kartierung der Reviere, nach der ein ausreichender Abstand von mehr als 500 m zu den Windenergieanlagen in einem Jahr eingehalten wird, so das LANUV NRW in einer E-Mail vom 30. September 2013, lasse daher keinen zwingenden Schluss auf die Lage in späteren Jahren zu.
51Vor diesem Hintergrund hätte sich die Vorprüfung des Antragsgegners auch mit den Gefahren für das - 2005 der Behörde noch nicht bekannte - Grauammervorkommen erstrecken müssen. Insoweit liegt auch kein Fall des § 3c Satz 3 UVPG vor, in dem der Sachverhalt, wäre er zutreffend ermittelt worden, jedenfalls im Ergebnis offensichtlich nicht zu einer Rechtsgutbeeinträchtigung führen kann. Schon angesichts des nicht verbindlich festgelegten Inhalts des artenschutzrechtlichen Kompensationskonzepts (vgl. die Nebenbestimmung C8 des Genehmigungsbescheids vom 30. Juni 2014) kann dessen Wirksamkeit nicht abschließend beurteilt werden.
52b) Die fehlerhafte UVP-Vorprüfung ist durch den Antragsgegner auch nicht nachgeholt worden. Ausweislich der Ausführungen unter Ziffer 4.2.2 des Genehmigungsbescheids vom 30. Juni 2014 hat der Antragsgegner auf eine Wiederholung der Vorprüfung verzichtet. Anhaltspunkte für eine entscheidungserhebliche Änderung des zugrundeliegenden Sachverhalts lägen nicht vor. Selbst wenn man - entgegen den ausdrücklichen Ausführungen des Antragsgegners - davon ausginge, dass dieser der Sache nach unter Ziffer 4.2.4.5 des Genehmigungsbescheids unter der Überschrift „Artenschutz“ Ausführungen auch zur Vorprüfung hat machen wollen, hätte der Antragsgegner auch hierbei wohl einen unzutreffenden Sachverhalt zu Grunde gelegt. Er ist insoweit davon ausgegangen, dass die Grauammer-Reviere außerhalb eines 500 m-Radius um die Anlagenstandorte liegen. Dies ist angesichts der Kartierung aus dem Jahr 2014 offenbar nicht der Fall.
532. Die Vorprüfung und die UVP haben grundsätzlich vor der Genehmigungserteilung zu erfolgen, da nur so die mit ihnen verfolgte Zielsetzung vollumfänglich erreicht werden kann. Zwar besteht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 und 3 UmwRG i. V. m. § 45 Abs. 2 VwVfG NRW,
54vgl. zur Anwendbarkeit der letztgenannten Vorschrift OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2015 - 8 A 959/10 -, ZNER 2015, 177 = juris Rn. 163,
55die Möglichkeit, die allgemeine Vorprüfung im Einzelfall noch bis zum Abschluss der ersten Instanz im Hauptsacheverfahren nachzuholen. Insoweit ist aber schon offen, ob eine erneute standortbezogene Vorprüfung zu dem Ergebnis kommt, es bedürfe keiner Umweltverträglichkeitsprüfung.
56Darüber hinaus sind die Vorgaben des Unionsrechts zu berücksichtigen. Zwar ist die Möglichkeit der Nachholung einer UVP-Vorprüfung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 3 UmwRG i. V. m. § 45 Abs. 2 VwVfG NRW mit Unionsrecht grundsätzlich vereinbar. Insbesondere liegt in der Nachholung keine Legalisierung von Projekten, die einer Umweltverträglichkeitsprüfung hätten unterzogen werden müssen. Das gilt jedenfalls, wenn die nachgeholte UVP-Vorprüfung zu dem Ergebnis kommt, dass es einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht bedurfte. Das Unionsrecht steht nationalen Rechtsvorschriften, die unter bestimmten Umständen die Legalisierung unionsrechtswidriger Vorgänge oder Handlungen zulassen, nicht grundsätzlich entgegen.
57Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2015 - 8 A 959/10 -, ZNER 2015, 177 = juris Rn. 165, und Beschluss vom 24. Juni 2015 - 8 B 315/15 -, juris Rn. 65; vgl. weiterhin BVerwG, Urteil vom 20. August 2008 - 4 C 11.07 -, BVerwGE 131, 352 = juris Rn. 27 ff.; EuGH, Urteil vom 3. Juli 2008 - C-215/06 -, juris Rn. 57.
58Allerdings ist zu berücksichtigen, dass im Anwendungsbereich der Richtlinie ein Vorhaben ohne - ggf. nachgeholte - Durchführung einer UVP bzw. Vorprüfung nach Unionsrecht nicht durchgeführt werden darf. Der Gerichtshof hat insoweit entschieden, dass Art. 2 Abs. 1 der geänderten Richtlinie 85/337/EWG nur so verstanden werden könne, dass ein Antragsteller, für dessen Vorhaben die Umweltverträglichkeitsprüfung, sofern sie erforderlich ist, nicht zuvor durchgeführt worden ist, die Arbeiten an dem fraglichen Projekt nicht beginnen kann, ohne gegen die Anforderungen der Richtlinie zu verstoßen. Dies gelte auch für Projekte, die unter Anhang II dieser Richtlinie zu fassen und gemäß Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie nur dann einer Verträglichkeitsprüfung zu unterziehen seien, wenn der von dem Mitgliedstaat festgelegte Schwellenwert überschritten und/oder aufgrund einer Einzelfalluntersuchung mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen sei.
59Vgl. EuGH, Urteil vom 3. Juli 2008 - C-215/06 -, juris Rn. 51 ff.
60Nichts anderes gilt für den nunmehr anwendbaren Art. 4 Abs. 2 i. V. m. Anlage II der Richtlinie 2011/92/EU.
61Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. Juni 2015 - 8 B 315/15 -, juris Rn. 69.
62Aufgrund des unionsrechtlichen Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, die rechtswidrigen Folgen eines Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht zu beheben. Es ist daher Aufgabe der zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten alle erforderlichen allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu treffen, damit die Projekte im Hinblick darauf überprüft werden, ob bei ihnen erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt zu besorgen sind, und damit sie bejahendenfalls auf diese Auswirkungen hin untersucht werden. In diesem Zusammenhang ist es Sache der nationalen Gerichte festzustellen, ob nach nationalem Recht die Möglichkeit besteht, eine bereits erteilte Genehmigung zurückzunehmen oder jedenfalls auszusetzen, um dieses Projekt einer Prüfung gemäß den Anforderungen der UVP-Richtlinie zu unterziehen.
63Vgl. EuGH, Urteil vom 7. Januar 2004 - C-201/02 -, juris Rn. 65 ff.
64Ist wie im vorliegenden Fall die erforderliche Vorprüfung nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden und können somit die zu erwartenden Auswirkungen auf die Schutzgüter nicht hinreichend sicher beurteilt werden, hat das Gericht den Widerspruch dieses Zustands zum Unionsrecht zu berücksichtigen.
65Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. Juni 2015 - 8 B 315/15 -, juris Rn. 72; vgl. auch OVG S.-A., Beschluss vom 17. September 2008 - 2 M 146/08 -, NVwZ 2009, 340 = juris Rn. 16 f.
66Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kostentragungspflicht der Beigeladenen, die in beiden Rechtszügen eigene Anträge gestellt hat, ergibt sich aus § 154 Abs. 3, 1. Halbsatz VwGO.
67Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Senat orientiert sich dabei an den Ziffern 19.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Der danach im Hauptsacheverfahren anzusetzende Streitwert von 60.000,- € ist im Hinblick auf die Vorläufigkeit der erstrebten Regelung in Anlehnung an Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs auf die Hälfte zu reduzieren.
68Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 und 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.
(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.
(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.