Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 11. Dez. 2018 - 1 Ws 266/17

ECLI:ECLI:DE:POLGZWE:2018:1211.1WS266.17.00
bei uns veröffentlicht am11.12.2018

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Untergebrachten wird der Beschluss der Großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 10. Juli 2017 aufgehoben.

2. Die mit Urteil des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 14. Mai 2014 angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wird für erledigt erklärt.

3. Es wird festgestellt, dass die Freiheitsstrafe aus dem vorbezeichneten Urteil durch Anrechnung der Maßregel vollständig vollstreckt ist.

4. Der Untergebrachte ist in dieser Sache unverzüglich aus dem Maßregelvollzug zu entlassen.

5. Mit der Entlassung aus dem Maßregelvollzug tritt Führungsaufsicht ein, deren Dauer fünf Jahre beträgt.

6. Der Untergebrachte wird für die Dauer der Führungsaufsicht der Leitung und Aufsicht des für ihn zuständigen hauptamtlichen Bewährungshelfers unterstellt.

7. Ihm werden für die Dauer der Führungsaufsicht folgende strafbewehrten Weisungen erteilt:

a. Er darf seinen Wohn- oder Aufenthaltsort nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle für länger als eine Woche verlassen (strafbewehrte Weisung nach § 68b Abs. 1 Nr. 1 StGB).

b. Er darf sich an folgenden Orten, die Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht aufhalten:

Spielplätze, Schwimmbäder, Schulen, Kindergärten, Kinderhorte, Kinder- oder Jugendheime, Jugendtagesstätten, Jugendtreffs und andere Freizeiteinrichtungen, die Kindern und/oder Jugendlichen dienen, einschließlich der jeweils dazu gehörenden Außengelände, Räume, in denen sich Kinder und/oder Jugendliche unter 16 Jahren ohne Begleitung ihrer Erziehungsberechtigten befinden, Sport- oder Veranstaltungsgelände bei Veranstaltungen mit Kinder-  oder Jugendmannschaften, unbegleitete Kinoveranstaltungen bis 20 Uhr, Kinder- und Spielwarenabteilungen, ausgewiesene Kinderveranstaltungen oder Kinderfeste bis zu einem Umkreis von 100 m (strafbewehrte Weisung nach § 68b Abs. 1 Nr. 2 StGB).

c. Er darf zu Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren keinen Kontakt aufnehmen, sei es persönlich, schriftlich oder mittels Inanspruchnahme elektronischer, technischer oder sonstiger Medien und Kommunikationseinrichtungen einschließlich Internet (insbesondere nicht über soziale Netzwerke wie z.B. Facebook oder Internetforen, Chat-Rooms, E-Mail) und Telefondienstleistungen (z.B. Telefonate oder SMS) oder mit ihnen verkehren außer in Begleitung und unter der Aufsicht eines Erziehungsberechtigten (strafbewehrte Weisung nach § 68b Abs. 1 Nr. 3 StGB).

d. Er hat einmal im Monat die Sprechstunde seines Bewährungshelfers aufzusuchen sowie nach Aufforderung unverzüglich persönlich zu erscheinen (strafbewehrte Weisung nach § 68b Abs. 1 Nr. 7 StGB).

e. Er hat binnen einer Woche nach seiner Entlassung seinen Wohnsitz der Führungsaufsichtsstelle mitzuteilen. Jeden Wechsel seines Wohnsitzes oder ständigen Aufenthaltsorts hat er unverzüglich der Führungsaufsichtsstelle anzuzeigen (strafbewehrte Weisung nach § 68b Abs. 1 Nr. 8 StGB).

f. Er hat sich 14-tägig bei der Forensisch-Psychiatrischen Ambulanz des Pfalzklinikums Klingenmünster vorzustellen (strafbewehrte Weisung nach § 68b Abs. 1 Nr. 11 StGB).

Es wird darauf hingewiesen, dass es sich bei den Weisungen Ziff. 7 a) bis f) um Weisungen handelt, die strafbewehrt sind. Im Fall einer Zuwiderhandlung kann eine Bestrafung nach § 145a StGB (Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht) mit einer Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe erfolgen.

8. Dem Untergebrachten werden für die Dauer der Führungsaufsicht folgende (nicht strafbewehrten) weiteren Weisungen erteilt:

a. Er hat die tagesstrukturierende Beschäftigung (Arbeitstherapie) fortzuführen. Einen Wechsel der Beschäftigung darf er nur in Absprache mit der Forensisch-Psychiatrischen Ambulanz vornehmen.

b. Er hat die psychotherapeutische Behandlung und Betreuung durch die Forensisch-Psychiatrische Ambulanz des Pfalzklinikums im Hinblick auf die in dem unter Ziff. 2 genannten Urteil festgestellte Tat fortzuführen; dies schließt Alkohol- und Suchtmittelkontrollen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind, sowie Hausbesuche durch die behandelnden Personen ein.

9. Mit der Belehrung über die Bedeutung der Führungsaufsicht und die Folgen eines Verstoßes gegen Auflagen und Weisungen wird die Unterbringungsleiterin der Forensischen Klinik im Pfalzklinikum Klingenmünster beauftragt.

10. Es wird festgestellt, dass ein Entschädigungsanspruch des Untergebrachten nach dem Gesetz über die Entschädigung von Strafverfolgungsmaßnahmen nicht besteht.

11. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die darin dem Untergebrachten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.

Gründe

I.

1

Mit Urteil vom 14. Mai 2014 hat die 4. Große Strafkammer (Jugendkammer II) des Landgerichts Landau in der Pfalz den Beschwerdeführer des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern schuldig gesprochen und ihn zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Daneben hat das Landgericht seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) angeordnet. Nach den Feststellungen der Strafkammer berührte der bereits mehrfach wegen Missbrauchshandlungen an Kindern vorbestrafte Beschwerdeführer am 1. September 2012 ein fünfjähriges Mädchen unter der Kleidung am Bauchnabel. Ein weiteres, damals sieben Jahre altes Mädchen fasste er zweimal mit festem Griff über der Bekleidung am Genital an; hinsichtlich der weiteren Feststellungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des vorbezeichneten Urteils Bezug genommen.

2

Der Beschwerdeführer ist seit dem 14. Mai 2014 gem. § 126a StPO vorläufig und seit Rechtskraft des Urteils am 6. Juni 2014 gemäß § 63 StGB in der Forensischen Klinik des Pfalzklinikums Klingenmünster (nachfolgend: Klinik) untergebracht. Die Große Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz hat mit Beschlüssen vom 9. Juni 2015 und vom 6. Juni 2016 jeweils die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers angeordnet. Auf die sofortige Beschwerde des Untergebrachten hat der Senat nach Einholung eines externen kriminalprognostisch-psychiatrischen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. P. die Fortdauerentscheidung vom 6. Juni 2016 aufgehoben und die Sache zur weiteren Sachaufklärung und neuen Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückgegeben. Das Landgericht hat am 23. Juni 2017 den Sachverständigen Prof. Dr. P. in Anwesenheit des Untergebrachten, seines Verteidigers sowie Vertretern der Klinik mündlich angehört. Mit Beschluss vom 10. Juli 2017 hat die Große Strafvollstreckungskammer (erneut) die Fortdauer der Unterbringung angeordnet und bestimmt, dass die nächste Überprüfung gemäß § 67e StGB spätestens bis 22. Juni 2018 stattfinden solle. Die Entscheidung ist dem Verteidiger des Untergebrachten am 18. Juli 2017 zugestellt worden. Dieser hat mit Schriftsatz vom 25. Juli 2017, beim Landgericht eingegangen am selben Tag, sofortige Beschwerde gegen die Fortdauerentscheidung vom 10. Juli 2017 eingelegt und das Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 5. September 2017 näher begründet. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.

3

Der Senat hat mit Beschluss vom 17. Oktober 2017 eine ergänzende Stellungnahme des im Anlassverfahren tätig gewesenen Sachverständigen Prof. Dr. H. eingeholt, die dieser unter dem 18. Februar 2018 dem Senat vorgelegt hat. Mit Beschluss vom 20. März 2018 hat der Senat den Sachverständigen Prof. Dr. P. aufgefordert, zu den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H. schriftlich Stellung zu nehmen. Nach Eingang der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. P. hat der Senat ein forensisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, Forensische Psychiatrie (DGPPN) Prof. Dr. R. eingeholt. Der Senat hat das unter dem 17. September 2018 erstellte Gutachten den Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis gegeben; der Untergebrachte, sein Verteidiger und die Generalstaatsanwaltschaft haben auf eine mündliche Anhörung des Sachverständigen verzichtet.

4

Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die vorgenannten Entscheidungen sowie auf das Protokoll des Anhörungstermins vom 23. Juni 2017 (Bl. 250 ff. d.A.) Bezug genommen.

II.

5

Die nach §§ 304, 463 Abs. 1, Abs. 3, 454 StPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Untergebrachten ist begründet, weil die Anordnungsvoraussetzungen des § 63 StGB nicht vorliegen. Dies bedingt die Erledigung der Maßregel und, aufgrund vollständiger Anrechnung der Unterbringungszeit auf die daneben verhängte Freiheitsstrafe, die Freilassung des Beschwerdeführers.

6

Der Untergebrachte, sein Verteidiger und die Generalstaatsanwaltschaft haben auf eine mündliche Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. R. verzichtet. Der Senat kann daher entscheiden, ohne diesen mündlich angehört zu haben (§ 454 Abs. 2 S. 4 i.V.m. § 463 Abs. 3 S. 3 StPO). Eine weitere Sachaufklärung war durch eine Anhörung dieses Sachverständigen (oder die erneute Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. P.) nicht zu erwarten.

1.

7

§ 67d Abs. 6 S. 1 1. Alt. StGB bestimmt, dass die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus für erledigt zu erklären ist, wenn feststeht, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen. Die Regelung erfasst nicht nur diejenigen Fälle, in denen im Laufe der Unterbringung die Unterbringungsvoraussetzungen in Fortfall geraten sind – etwa aufgrund vollständiger Ausheilung des Defektzustandes – sondern auch Fälle sogenannter Fehleinweisungen, sofern die Unterbringung auf einer fehlerhaften Tatsachengrundlage und nicht (ausschließlich) auf einer fehlerhaften Rechtsanwendung des Tatgerichts beruht (OLG Frankfurt, Beschluss vom 03.06.2005 – 3 Ws 298 - 299/05, juris Rn. 15; OLG Rostock, Beschluss vom 08.02.2007 – I Ws 438/06, juris Rn. 5; Thüringer OLG, Beschluss vom 10.09.2010 – 1 Ws 164/10, juris Rn. 14; OLG Braunschweig, Beschluss vom 11.04.2017 – 1 Ws 66/17, juris Rn. 22; Veh in MünchKomm-StGB, 3. Aufl., § 67d Rn. 30 m.w.N.; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit: BVerfG, Beschluss vom 19.10.2006 - 2 BvR 1486/06, NStZ-RR 2007, 29). Dies kann namentlich in Betracht kommen, wenn sich im Vollstreckungsverfahren zweifelsfrei ergibt, dass der psychische Zustand des Untergebrachten und dessen Auswirkungen auf die Tatbegehung von dem erkennenden Strafgericht falsch eingeschätzt worden waren, wobei Zweifel zu Lasten des Untergebrachten gehen (vgl. Senat, Beschluss vom 23.04.2018 – 1 Ws 328/16, juris Rn. 18; Thüringer OLG, Beschluss vom 10.09.2010 – 1 Ws 164/10, NStZ-RR 2011, 61; Hans. OLG Bremen, Beschluss vom 24.09.2010 – Ws 90/10, juris Rn. 25; OLG Braunschweig, Beschluss vom 29.06.2015 – 1 Ws 133/15, juris Rn. 12). Die Maßregel ist in diesen Fällen für erledigt zu erklären, wenn entweder der im Anlassurteil festgestellte Defektzustand i. S. d. §§ 20, 21 StGB nicht (mehr) besteht oder, wenn die für eine Anordnung nach § 63 StGB erforderliche Gefährlichkeit nicht mehr gegeben ist (OLG Braunschweig, Beschluss vom 11.04.2017 – 1 Ws 66/17, juris Rn. 21; Rissing-van Saan/Peglau, LK-StGB, 12. Aufl. § 67d Rn. 50). Hierzu reicht es nach der vom Senat vertretenen Auffassung allerdings nicht aus, wenn bei ansonsten unveränderter Tatsachenbasis lediglich die diagnostische Bezeichnung des Zustandes durch den im Vollstreckungsverfahren hinzugezogenen Sachverständigen eine Änderung gegenüber dem Erkenntnisverfahren erfahren hat, die Beschreibung des Zustandes selbst hingegen unverändert geblieben ist. Entscheidend ist vielmehr, ob sich der Ausprägungsgrad der Störung und der Einfluss der dadurch bedingten psychopathologischen Verhaltensmuster auf die psychische Funktionsfähigkeit des Verurteilten im Vollstreckungsverfahren abweichend von den Feststellungen im Einweisungsurteil darstellen (Senat, Beschluss vom 23.04.2018 – 1 Ws 328/16, juris Rn. 18 m.w.N.). Dies ist insbesondere der Fall, wenn die psychopathologischen Auswirkungen des Zustandes anders eingeschätzt werden, als noch im Zeitpunkt der Anlassverurteilung. Denn bei der Beschreibung von Art, Ausmaß und Wirkungen eines psychopathologischen Zustandsbildes handelt es sich um Tatsachenfragen, die nicht von der Rechtskraft der Anlassentscheidung erfasst sind. Nimmt das Gericht im Erkenntnisverfahren auf Grund einer - auch gegenüber neueren Erkenntnissen im Vollstreckungsverfahren - hinsichtlich Art, Umfang und Auswirkungen einer psychischen Störung zutreffend erfassten Tatsachengrundlage einen Zustand im Sinne von §§ 20, 21 StGB an, so handelt es sich demgegenüber unabhängig von der medizinischen Bezeichnung dieses Zustandes um eine Rechtsfrage, die mit Blick auf die Rechtskraft des Urteils im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich nicht abweichend beurteilt werden darf (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 22.10.2002 - 2 Ws 572/02, NStZ 2003, 222, 223). Lassen sich in der Beschreibung des psychopathologischen Zustandes des Untergebrachten keine signifikanten Unterschiede zwischen dem Erscheinungsbild zur Zeit der Verurteilung und dem der im Vollstreckungsverfahren erfolgten Begutachtung feststellen und konnte und musste demnach mit alle sich daraus ergebenden Fragestellungen für die Beurteilung der Voraussetzungen der Unterbringung bereits die Strafkammer im Erkenntnisverfahren auseinander setzen, dürfen die von ihr daraus gezogenen rechtlichen Schlussfolgerungen im Rahmen der Prüfung einer Erledigterklärung der Unterbringung nicht durch eine eigene Bewertung des Strafvollstreckungsgerichts ersetzt werden (Hans. OLG Bremen, Beschluss vom 24.09.2010, Ws 90/10, juris Rn. 27).

2.

8

Der Senat ist aufgrund der sachverständigen Beratung durch die Sachverständigen Prof. Dr. P. und Prof. Dr. R., an deren fachlicher Qualifikation kein Zweifel besteht, zu der Überzeugung gelangt, dass die psychopathologischen Voraussetzungen des § 63 StGB für die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht mehr vorliegen und auch zum Zeitpunkt der Anlassverurteilung nicht wissenschaftlich begründbar vorgelegen haben. Entgegen den vom erkennenden Gericht getroffenen Feststellungen und Wertungen, welche die Strafvollstreckungskammer ihrer Fortdauerentscheidung zugrunde gelegt hat, ist für den Zeitpunkt der Tatbegehung ein die Steuerungsfähigkeit des Untergebrachten in erheblicher Weise beeinträchtigendes Zusammenwirken zwischen dissozialen Persönlichkeitsanteilen des Untergebrachten mit seinen pädophilen Verhaltensweisen in Bezug auf die Begehung von Sexualdelikten zum Nachteil von Kindern nicht begründbar. Diese, vom Ausgangsurteil abweichende Bewertung des psychopathologischen Zustandes des Untergebrachten und der Quantifizierung des Störungsbildes bedingt - entgegen der im angefochtenen Beschluss dargestellten Rechtsauffassung - eine Änderung in den tatsächlichen Grundlagen der Unterbringung, was nach den oben dargestellten Grundsätzen einen Eingriff in die Rechtskraft der Anlassverurteilung erlaubt und unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten sogar geboten erscheint.

9

a) Nach den auf die Darlegungen des psychiatrischen Sachverständigen Dr. M. gestützten Feststellungen des erkennenden Gerichts im Ausgangsverfahren waren bei dem Untergebrachten Einschränkungen im Bereich der Empathiefähigkeit festzustellen; dieser habe Schwierigkeiten aufgezeigt, Impulse aufzuschieben oder durch ein differenziertes Wertesystem aufzufangen. Beim Untergebrachten habe, so die erkennende Strafkammer, „eine dissoziale Persönlichkeitsstruktur nach ICD-10“ bestanden, die geprägt gewesen sei durch andauernde verantwortungslose Haltung, Missachtung sozialer Regeln und Verpflichtungen, ein vermindertes Schuldbewusstsein sowie eine Beeinträchtigung, aus negativen Erfahrungen, insbesondere Bestrafung, zu lernen. Diese Auswirkungen würden für sich betrachtet jedoch nicht ein solches Ausmaß annehmen, dass sich die Persönlichkeitsstörung unter das Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit subsumieren ließe. Das Tatgericht hat, gestützt auf die Ausführungen des Diplom-Psychologen und Fachpsychologen für Rechtspsychologie Prof. Dr. H., ferner die Feststellung getroffen, dass der Angeklagte daneben an einer Störung der Sexualpräferenz im Sinne einer (Kern-)Pädophilie (ICD-10: F65.4) leide. Dieses Störungsbild zeichne sich durch eine letztlich ausschließlich auf Kinder beiderlei Geschlechts bezogenen sexuelle Präferenz aus, was bereits zu einer Vielzahl von Verurteilungen wegen Sexualdelikten zum Nachteil von Kindern geführt habe. Eine ausgereifte Partnerschaft zu erwachsenen Personen habe es im Leben des im Zeitpunkt der Verurteilung 62-jährigen Untergebrachten zu keinem Zeitpunkt gegeben. Selbst unter dem Einfluss von Bewährungs- bzw. Führungsaufsichtsweisungen, die u.a. regelmäßigen Ansprachen durch die für ihn zuständige Beamtin im Rahmen des sog. VISIR-Programms vorgesehen hatten, habe der Untergebrachte fortwährend Kontakt zu Kindern gesucht. Die Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit hat die erkennende Strafkammer letztlich auf ein Zusammenspiel der Pädophilie mit den bei dem Untergebrachten festzustellenden dissozialen Persönlichkeitszügen gestützt. Letztere hätten einen „konstellativen Faktor“ dargestellt, durch den die Pädophilie die Chance bekommen habe, umgesetzt zu werden (UA S. 20). Auf dieser Grundlage hat das Landgericht - unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. März 2004 (Az.: 4 StR 563/03) - eine nachhaltige Störung bejaht, bei der „der Täter bei Begehung der Taten aus einem starken, mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus handelt“.

10

Dem schriftlichen Gutachten des im Anlassverfahren gehörten Sachverständigen Prof. Dr. H. ist darüber hinaus zu entnehmen, dass nach der Empfehlung dieses Sachverständigen die Diagnose einer dissozialen Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und schizoiden Zügen (ICD-10: F60.2) im Zeitpunkt seiner Untersuchung (16. Mai 2013) zu bejahen gewesen sei, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auch im Zeitpunkt der Tatbegehung vorgelegen habe. Die Auswirkungen der Störung insbesondere hinsichtlich der Rigidität der Denkmuster, des eingeschränkten Verhaltensspielraums, der fehlenden Ressourcen für eine adäquate Bedürfnisbefriedigung, der mangelnden Beziehungsgestaltung und Interaktionsfähigkeit sowie der emotionalen Beeinträchtigung seien mit denen einer krankhaften seelischen Störung vergleichbar, weshalb er insoweit die Einordnung unter das rechtliche Eingangsmerkmal einer schweren anderen seelischen Störung i. S. d. § 20 StGB empfohlen hat. Der Symptomcharakter des Störungsbildes ergebe sich aus einem Zusammenwirken mit der daneben bestehenden Paraphilie, wobei die Persönlichkeitsstörung als konstellativer Faktor angesehen werden könne, der im Sinne einer Komorbidität die Annahme einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit bedinge.

11

b) Auch die Strafvollstreckungskammer hat in der angefochtenen Entscheidung das Vorliegen einer dissozialen Persönlichkeitsstörung (ICD10: F60.2) bejaht. Demgegenüber steht für den Senat auf der Grundlage der überzeugenden und jedenfalls im Ergebnis übereinstimmenden Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. R. und Prof. Dr. P. sowie der im Vollstreckungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse fest, dass die bei dem Untergebrachten vorhandenen psychopathologischen Auffälligkeiten entgegen der (von den vorgenannten Sachverständigen ausführlich gewürdigten) Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. H. bereits nicht die Diagnose einer dissozialen bzw. antisozialen Persönlichkeitsstörung begründen können.

12

aa) Der Sachverständige Prof. Dr. R. hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 17. September 2018 ausgeführt, dass die beim Untergebrachten festzustellen Persönlichkeitszüge nicht einen Ausprägungsgrad haben, der aus medizinischer Sicht die Diagnose einer dissozialen Persönlichkeitsstörung nach den Katalogen der ICD-10 und/oder der DSM-IV/DSM-5 rechtfertigen könne. Nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen setzen beide Systeme für eine solche Diagnose voraus, dass dissoziale Verhaltensweise in der Regel bereits in der Kindheit, spätestens aber in der Jugend in Erscheinung treten. Dies ist hier nicht der Fall. Insoweit sind bei dem Untergebrachten zwar aus dem Strafregister seit seiner Jugend deliktische Verhaltensweisen bekannt. Bis zu seiner im Alter von 27 Jahren erfolgten erstmaligen Inhaftierung erfolgte die Entwicklung des Untergebrachten und seine soziale Einbindung jedoch weitgehend unauffällig und sozialregelkonform, was untypisch ist für dissoziale Persönlichkeiten. Ist damit bereits höchst fraglich, ob für die Zeit der Adoleszenz und im jungen Erwachsenenalter des Untergebrachten die allgemeinen Voraussetzungen für die Annahme einer Persönlichkeitsstörung nach den diagnostischen Leitlinien erfüllt sind, spiegelt das beobachtete Verhalten des Untergebrachten im Rahmen des Vollzugs der Maßregel die allgemeinen diagnostischen Leitlinien nicht wider. Ein konstantes abnormes Verhaltensmuster mit deutlich subjektivem Leiden und Einschränkungen in der beruflichen und sozialen Leistungsfähigkeit wird vom Untergebrachten nicht gezeigt. Beobachtungen im Sinne von andauernden affektiven Auffälligkeiten, Störungen der Impulskontrolle, Antriebsstörungen und/oder auffälligen Denken und Wahrnehmen wurden von Seiten der Klinik nicht getroffen. Damit sind bereits die allgemeinen Kriterien für die Annahme einer Persönlichkeitsstörung nicht erfüllt. Dass einige der besonderen Kriterien, aus denen die Dissozialität früher typologisch herausgearbeitet wurden, demgegenüber diagnostisch nachweisbar sind (wenn auch nicht in unmittelbarer Verdichtung aller Kriterien zu einem Zeitpunkt) kann die Annahme einer im Rahmen der Schuldfähigkeitsbetrachtung relevanten Persönlichkeitsstörung daher nach den plausiblen Ausführungen des Sachverständigen nicht rechtfertigen.

13

bb) Auch der Sachverständige Prof. Dr. P. vermochte die Diagnose einer dissozialen bzw. antisozialen Persönlichkeitsstörung nach den hierfür einschlägigen diagnostischen Leitlinien nicht zu stellen. Einleuchtend hat dieser Sachverständige in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass der Untergebrachte, der neben einem im Jahr 1978 begangenem Tötungsdelikt bereits wegen einer Vielzahl weiterer Straftaten abgeurteilt und inhaftiert gewesen war, in den Jahren 1979 – im Verfahren wegen des Tötungsdelikts – und im Jahr 1990 – in einem Verfahren wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs eines Kindes – von forensisch erfahrenen Psychiatern begutachtet worden ist. Beide Gutachter (Dr. M. und Prof. Dr. K.) haben das Vorliegen einer das Eingangsmerkmal einer schweren anderen seelischen Abartigkeit (§ 20 StGB) zuordenbaren tiefgreifenden Persönlichkeitsstörung anhand der im Zeitpunkt ihrer Begutachtung geltenden Leitlinien diskutiert und trotz der von ihnen beschriebenen psychischen Auffälligkeiten jeweils verneint. Mit Blick darauf, dass Persönlichkeitsstörungen definitionsgemäß in aller Regel bereits in der früheren Adoleszenz auftreten und im Erwachsenenalter stabil weiterbestehen, erscheint es auch deshalb fernliegend, eine solche Diagnose erstmals im Alter von 62 Jahren zu stellen.

14

cc) Die in den schriftlichen Gründen des Einweisungsurteils wiedergegebene und von der Strafkammer geteilte Einschätzung des Sachverständigen Dr. M., wonach der Untergebrachte Schwierigkeiten aufzeige, Impulse aufzuschieben und durch ein differenziertes Wertesystem aufzufangen (UA S. 18) wird durch die von der Klinik getätigten Beobachtungen widerlegt. Diese hat auf Anfrage des Senats unter dem 10. August 2016 mitgeteilt, dass sich der Untergebrachte im Stationsalltag relativ gut integriert habe und es zu keinen besonderen Auffälligkeiten in der Interaktion mit oft schwierigen Mitpatienten gekommen sei. Er erhalte positive Rückmeldungen im Bereich der Arbeitstherapie und sei in allen Bereichen (Ausführungen, Sport, Arbeit, Stationsdienste etc.) voll absprachefähig. Insbesondere der Umstand, dass er es ausgehalten habe, über Monate hinweg ohne Probleme ein Zimmer mit einem als sehr schwierig bekannten Mitpatienten zu teilen, spreche dafür, dass seine Steuerungsfähigkeit trotz dissozialer Persönlichkeitsanteile relativ gut erhalten sei. Vereinzelte Regelverstöße des Untergebrachten stehen dieser Einschätzung nicht entgegen.

15

dd) Soweit der Sachverständige Prof. Dr. H. auch unter Berücksichtigung des Unterbringungsverlaufs und des externen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. P. vom 19. April 2017 demgegenüber an seiner im Anlassverfahren abgegebenen psychopathologischen Beurteilung von Art, Schweregrad und Auswirkungen des psychischen Zustandes des Untergebrachten festgehalten hat, folgt dem der Senat nicht. Denn der Sachverständige Prof. Dr. H. hat, worauf der Sachverständige Prof. Dr. R. zutreffend hingewiesen hat, zwar die speziellen Kriterien einer Dissozialität zutreffend typologisch herausgearbeitet. Dass darüber hinaus auch die von der ICD-10 vorgegebenen allgemeinen Voraussetzungen einer Persönlichkeitsstörung erfüllt sind, hat er nach den schlüssigen Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. R. demgegenüber aber nicht überzeugend begründet. Diese betreffen die überdauernd und nicht lediglich für einzelne Lebensphasen festzustellenden (vgl. a. Boetticher et.al., NStZ 2005, 57, 60) Kriterien einer deutlichen Unausgeglichenheit in Affektivität, Antrieb, Impulskontrolle, Wahrnehmen, Denken und in den sozialen Beziehungen. Ferner bedarf es der Feststellung eines tiefgreifend abnormen Verhaltensmusters, das in einer Vielzahl persönlicher und sozialer Situationen als eindeutig unpassend empfunden wird. Daneben wird regelmäßig erwartet, dass die Störung zu einem deutlichen subjektiven Leiden führt und in den meisten Fällen mit Einschränkungen der beruflichen und sozialen Leistungsfähigkeit einhergeht. Bereits die weitgehend intakte Eingebundenheit des Untergebrachten in ein familiäres und berufliches Umfeld bis zu seiner ersten Inhaftierung ist mit diesen Anforderungen kaum vereinbar. Jedenfalls aber das in der Klinik im Verlaufe der mehrjährigen Unterbringung beobachtete Verhalten des Untergebrachten kann nach der Bewertung des Sachverständigen Prof. Dr. R., die derjenigen der Klinik entspricht, nicht als ein konstantes abnormes Verhaltensmuster mit deutlich subjektiven Leiden und Einschränkungen in der beruflichen und sozialen Leistungsfähigkeit verstanden werden. Soweit das in der Klinik gezeigte anpasste Verhalten vom Sachverständigen Prof. Dr. H. als Fähigkeit gedeutet wird, im Sinne einer nur vorgetäuschten Angepasstheit zu täuschen („Mimikry“) und zu manipulieren, ergeben sich für die Richtigkeit dieser Annahme keine greifbaren Anhaltspunkte.

16

c) Der Senat schließt auf der Grundlage der von ihm eingeholten Sachverständigengutachten aus, dass der Untergebrachte im Zeitpunkt der Tatbegehung aus einem „mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang“ (S. 19 des Urteils vom 14.05.2014) heraus gehandelt hat. Die – von allen im Verfahren beigezogenen Sachverständigen gestellte – Diagnose einer Pädophilie des Untergebrachten rechtfertigt weder für sich, noch im Zusammenwirken mit den dissozialen Anteilen seiner Persönlichkeit die Annahme einer relevanten Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Untergebrachten im Hinblick auf die Begehung von Sexualstraftaten zum Nachteil von Kindern.

17

aa) Die Klinik hat bereits in ihrer Stellungnahme vom 10. August 2016 unter Mitteilung der im Rahmen der Unterbringung gezeigten, mit der Diagnose einer dissozialen Persönlichkeitsstörung nicht in Einklang stehenden Verhaltensweisen des Untergebrachten die Auffassung vertreten, dass die bei dem Untergebrachten festzustellenden Störungsbilder unabhängig voneinander zu betrachten sind. Die im Ausgangsurteil zugrunde gelegte Annahme einer Korrelation der dissozialen Persönlichkeit mit der sexuellen Orientierung erscheine aus forensischer Sicht nicht nachvollziehbar. Weder isoliert noch im Zusammenwirken ergebe sich aus diesen psychopathologischen Auffälligkeiten ein starker, mehr oder weniger unwiderstehlicher Zwang im Hinblick auf die Begehung von Sexualstraftaten zum Nachteil von Kindern im Sinne des Eingangsmerkmals einer schweren anderen seelischen Abartigkeit. Gegen die Annahme, dass der Untergebrachte Schwierigkeiten hat, sich im Hinblick auf seine pädophilen Neigungen zu steuern, spricht nach Ansicht der Klinik zudem, dass er – anders als bei anderen in der Unterbringung befindlichen Pädophilen häufig beobachtbar – kein gesteigertes Interesse an jung aussehenden Mitpatienten entwickelt habe.

18

bb) Diese, auf einer Längsschnittbetrachtung fußende Einschätzung der Klinik wird von dem Sachverständigen Prof. Dr. P. geteilt. Der Sachverständige hat ausgeschlossen, dass die dissozialen Verhaltensweisen des Untergebrachten für die Anlasstat in dem Sinne ausschlaggebend gewesen waren, dass sie es ihm in erheblicher Weise erschwerten, die Kontrolle über sein Handeln zu behalten. Dem tritt auch der Sachverständige Prof. Dr. R. bei, der ergänzend darauf hingewiesen hat, dass weder im Rahmen der Tatbegehung noch in den dokumentierten Beschreibungen der vom Untergebrachten seit 1988 begangenen Delikten mit pädophilem Hintergrund dissoziale Verhaltensweisen wenigstens teilweise manifestationsfördernd gewirkt haben. Belastbare Anhaltspunkte für die von der Strafkammer maßgeblich zugrunde gelegte These, dass der Untergebrachte bei Begehung der dem Einweisungsurteil zugrundeliegenden Tat durch seine dissozialen Wesenszüge in relevanter Weise daran gehindert gewesen war, den aus seiner Pädophilie entspringenden Tatanreizen Widerstand entgegen zu setzen, lassen sich nach der Einschätzung beider Sachverständiger nicht finden. Im Gegenteil könne, so der Sachverständige Prof. Dr. R., auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung der pädophilen Neigungen des Untergebrachten und seiner damit in Zusammenhang stehender Taten die dissoziale Symptomatik weder für die aktuelle Ausdeutung des Anlassdelikts noch für die komorbide Situation Pädophilie plus Dissozialität noch für die Prognose zukünftiger Sexualstraftaten eine relevante Bedeutung erlangen. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an.

19

cc) Die – von sämtlichen im Verfahren beigezogenen Sachverständigen diagnostizierte – Pädophilie ist, wovon auch die erkennende Strafkammer ausgegangen war, auch nicht isoliert betrachtet geeignet, Anordnung und Fortdauer der Maßregel zu begründen. Der Senat kann auf der Grundlage der Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. P. und Prof. Dr. R. ausschließen, dass die Paraphilie in rechtlich relevanter Weise die Steuerungsfähigkeit des Untergebrachten beeinträchtigt. Weder ist eine relevante Progression der paraphilen Symptomatik im Lebenslängsschnitt feststellbar, noch nimmt sie eine dominierende, sein Handeln weitgehend ausfüllende Position im Leben des Untergebrachten ein. Anhaltspunkte für die Annahme, dass die sexuellen Neigungen die Persönlichkeit des Untergebrachten so tiefgreifend verändert haben, dass er zur Bekämpfung der aus ihr resultierenden Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufzubringen im Stande ist (zu diesen Anforderungen: BGH, Urteil vom 15.03.2016 – 1 StR 526/15, juris Rn. 14 m.w.N.), sind auch in einer Gesamtschau nicht ersichtlich. Die – zwischen den Sachverständigen unterschiedlich beantwortete - Frage, ob die Paraphilie als eine schon immer vorhanden gewesene Kernpädophilie imponiert oder eher als eine im späteren Lebensverlauf erworbene sekundäre pädophile Thematik verstanden werden muss, ist nach den nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. R. bei dieser Bewertung nicht von Relevanz.

20

Der Senat verkennt nicht, dass im Hinblick auf die beim Untergebrachten festzustellende Paraphilie eine erhebliche Rückfallgefahr jedenfalls in Bezug auf die Begehung von Sexualstraftaten zum Nachteil von Kindern besteht. Dies rechtfertigt es jedoch nicht, die Unterbringung trotz Fehlens ihrer materiellen Voraussetzungen weiter fortzusetzen.

3.

21

Die im Urteil des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 14. Mai 2014 verhängte Freiheitsstrafe von drei Jahren ist durch Anrechnung der vollzogenen Maßregel vollständig vollstreckt. § 67 Abs. 4 StGB sieht zwar lediglich eine Anrechnung bis zum 2/3-Zeitpunkt vor. Der Senat schließt sich aber der im vordringen befindlichen obergerichtlichen Rechtsprechung an (KG Berlin, Beschluss vom 27.01.2015 – 2 Ws 3/15, juris Rn. 29; OLG Hamm, Beschluss vom 18.07.2017 – 4 Ws 305/16, juris Rn. 24 m.w.N.), nach der in entsprechender Anwendung von § 51 Abs. 1 S. 1 StGB eine vollständige Anrechnung auf eine im selben Urteil verhängte Strafe zu erfolgen hat, wenn - wie hier - die Unterbringung für erledigt erklärt wird, weil sie auf einer retrospektiv unrichtigen Einschätzung des psychopathologischen Zustandes beruhte.

4.

22

Mit der Entlassung des Untergebrachten aus dem Maßregelvollzug tritt Führungsaufsicht ein.

23

Zwar kommt Führungsaufsicht auf der Grundlage von § 67e Abs. 6 S. 4 StGB nach der in der Rechtsprechung herrschenden und vom Senat geteilten Auffassung in Fällen der Erledigung wegen anfänglicher Fehleinweisung nicht in Betracht (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 16.01.2017 – 20 Ws 173/16, juris Rn. 28; OLG Braunschweig, Beschluss vom 11.04.2017 – 1 Ws 66/17, juris Rn. 25; OLG Hamm, Beschluss vom 18.07.2017 – 4 Ws 305/16, juris Rn. 26 jew. m.w.N.). Der Eintritt von Führungsaufsicht folgt jedoch aus § 68f Abs. 1 i.V.m. §§ 181b, 176 StGB (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 18.07.2017 – 4 Ws 305/16, juris Rn. 26; aA.: OLG Rostock, Beschluss vom 16.01.2017 – 20 Ws 173/16). Der Untergebrachte hat aufgrund der erfolgten Anrechnung eine Freiheitsstrafe von drei Jahren vollständig verbüßt.

24

Die Führungsaufsicht kann nicht entfallen (§ 68f Abs. 2 StGB). Denn es ist nicht zu erwarten, dass der Untergebrachte auch ohne Führungsaufsicht keine Straftaten begehen wird. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. R. zur Legalprognose werden von dem Untergebrachten auf der Grundlage der in der Klinik geleisteten therapeutischen Arbeit mittlerweile zwar gewisse Einsichten hinsichtlich seiner Paraphilie eingestanden. Die therapeutische Bearbeitung ist bislang jedoch nicht über die Benennung der Problematik hinausgegangen und bedarf einer Fortsetzung insbesondere in Bezug auf daraus zu entwickelnde Verhaltensalternativen. Ferner erscheinen die soziale Situation sowie die Ausgestaltung des Alltags des Untergebrachten ungeklärt, woraus sich zusätzliche Risiken ergeben.

25

Im Hinblick auf den erheblichen Behandlungsbedarf hat der Senat die gesetzlich vorgesehene Dauer der Führungsaufsicht von fünf Jahren nicht abgekürzt und ihm gem. § 68a Abs. 1 StGB einen Bewährungshelfer bestellt. Die dem Untergebrachten erteilten Weisungen entsprechen den von Seiten der Sachverständigen Prof. Dr. P. und Prof. Dr. R. sowie der Klinik empfohlenen risikomindernden Maßnahmen.

5.

26

Der Untergebrachte hat im Hinblick auf den Vollzug der Maßregel keinen Anspruch auf Entschädigung nach dem StrEG. Die Erledigung einer Maßregel der Sicherung und Besserung bewirkt weder einen Fortfall noch eine Milderung einer strafrechtlichen Verurteilung i.S.v. § 1 StrEG, noch ist mit ihr in sonstiger Weise eine Durchbrechung der Rechtskraft der sie anordnenden Entscheidung verbunden. Eine analoge Anwendung der Bestimmungen der §§ 1 und 2 StrEG scheidet aufgrund des abschließenden Charakters dieser Normen aus (OLG Celle, Beschluss vom 14.02.2012 – 2 Ws 32/12, juris Rn. 13). Ein etwaiger Anspruch nach Art. 5 Abs. 5 EMRK wäre im Zivilrechtsweg geltend zu machen (OLG München, Beschluss vom 05.07.1995 - 1 Ws 289/95, NStZ-RR 1996, 125; OLG Hamm, Beschluss vom 18.07.2017 – 4 Ws 305/16, juris Rn. 34).

III.

27

Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung von § 467 StPO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 11. Dez. 2018 - 1 Ws 266/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 11. Dez. 2018 - 1 Ws 266/17

Referenzen - Gesetze

Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 11. Dez. 2018 - 1 Ws 266/17 zitiert 20 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafprozeßordnung - StPO | § 467 Kosten und notwendige Auslagen bei Freispruch, Nichteröffnung und Einstellung


(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zu

Strafprozeßordnung - StPO | § 304 Zulässigkeit


(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig,

Strafgesetzbuch - StGB | § 67 Reihenfolge der Vollstreckung


(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen. (2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vol

Strafgesetzbuch - StGB | § 176 Sexueller Missbrauch von Kindern


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer 1. sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,2. ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer d

Strafgesetzbuch - StGB | § 51 Anrechnung


(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann

Strafgesetzbuch - StGB | § 68b Weisungen


(1) Das Gericht kann die verurteilte Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit anweisen, 1. den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle zu verlassen,2. sich nicht an

Strafprozeßordnung - StPO | § 463 Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung


(1) Die Vorschriften über die Strafvollstreckung gelten für die Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung sinngemäß, soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) § 453 gilt auch für die nach den §§ 68a bis 68d des Strafgesetzbuches zu tr

Strafgesetzbuch - StGB | § 67e Überprüfung


(1) Das Gericht kann jederzeit prüfen, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist. Es muß dies vor Ablauf bestimmter Fristen prüfen. (2) Die Fristen betragen bei der Unterbringung in

Strafprozeßordnung - StPO | § 126a Einstweilige Unterbringung


(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 des Strafgesetzbuches) begangen hat und daß seine Unterbringung in einem psychiatrisc

Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen - StrEG | § 2 Entschädigung für andere Strafverfolgungsmaßnahmen


(1) Wer durch den Vollzug der Untersuchungshaft oder einer anderen Strafverfolgungsmaßnahme einen Schaden erlitten hat, wird aus der Staatskasse entschädigt, soweit er freigesprochen oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird oder soweit das Geric

Strafgesetzbuch - StGB | § 68f Führungsaufsicht bei Nichtaussetzung des Strafrestes


(1) Ist eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen vorsätzlicher Straftaten oder eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen Straftaten der in § 181b genannten Art vollständig

Strafgesetzbuch - StGB | § 68a Aufsichtsstelle, Bewährungshilfe, forensische Ambulanz


(1) Die verurteilte Person untersteht einer Aufsichtsstelle; das Gericht bestellt ihr für die Dauer der Führungsaufsicht eine Bewährungshelferin oder einen Bewährungshelfer. (2) Die Bewährungshelferin oder der Bewährungshelfer und die Aufsichtsst

Strafgesetzbuch - StGB | § 145a Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht


Wer während der Führungsaufsicht gegen eine bestimmte Weisung der in § 68b Abs. 1 bezeichneten Art verstößt und dadurch den Zweck der Maßregel gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die Tat wird nur auf A

Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen - StrEG | § 1 Entschädigung für Urteilsfolgen


(1) Wer durch eine strafgerichtliche Verurteilung einen Schaden erlitten hat, wird aus der Staatskasse entschädigt, soweit die Verurteilung im Wiederaufnahmeverfahren oder sonst, nachdem sie rechtskräftig geworden ist, in einem Strafverfahren fortfäl

Strafgesetzbuch - StGB | § 181b Führungsaufsicht


In den Fällen der §§ 174 bis 174c, 176 bis 180, 181a, 182 und 184b kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 11. Dez. 2018 - 1 Ws 266/17 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 11. Dez. 2018 - 1 Ws 266/17 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 10. März 2004 - 4 StR 563/03

bei uns veröffentlicht am 10.03.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 StR 563/03 vom 10. März 2004 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. März 2004, an der teilgeno

Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 23. Apr. 2018 - 1 Ws 328/16

bei uns veröffentlicht am 23.04.2018

Diese Entscheidung wird zitiert Tenor 1. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 25. Oktober 2016 aufgehoben. 2. Die durch das Urteil

Bundesgerichtshof Urteil, 15. März 2016 - 1 StR 526/15

bei uns veröffentlicht am 15.03.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 526/15 vom 15. März 2016 in der Strafsache gegen wegen Besitzverschaffens kinderpornographischer Schriften u.a. ECLI:DE:BGH:2016:150316U1STR526.15.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat

Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 08. Feb. 2007 - I Ws 438/06

bei uns veröffentlicht am 08.02.2007

Tenor Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO) als unbegründet verworfen. Gründe I. 1 Das gem. § 463 Abs. 3 StPO i. V. m. § 454 Abs. 3 Satz 1 StPO statthafte, binnen der Frist aus § 311 Abs. 2

Referenzen

(1) Das Gericht kann die verurteilte Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit anweisen,

1.
den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle zu verlassen,
2.
sich nicht an bestimmten Orten aufzuhalten, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können,
3.
zu der verletzten Person oder bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen,
4.
bestimmte Tätigkeiten nicht auszuüben, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,
5.
bestimmte Gegenstände, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen,
6.
Kraftfahrzeuge oder bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen oder von anderen Fahrzeugen nicht zu halten oder zu führen, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,
7.
sich zu bestimmten Zeiten bei der Aufsichtsstelle, einer bestimmten Dienststelle oder der Bewährungshelferin oder dem Bewährungshelfer zu melden,
8.
jeden Wechsel der Wohnung oder des Arbeitsplatzes unverzüglich der Aufsichtsstelle zu melden,
9.
sich im Fall der Erwerbslosigkeit bei der zuständigen Agentur für Arbeit oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle zu melden,
10.
keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Konsum solcher Mittel zur Begehung weiterer Straftaten beitragen wird, und sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind,
11.
sich zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Abständen bei einer Ärztin oder einem Arzt, einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten oder einer forensischen Ambulanz vorzustellen oder
12.
die für eine elektronische Überwachung ihres Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen.
Das Gericht hat in seiner Weisung das verbotene oder verlangte Verhalten genau zu bestimmen. Eine Weisung nach Satz 1 Nummer 12 ist, unbeschadet des Satzes 5, nur zulässig, wenn
1.
die Führungsaufsicht auf Grund der vollständigen Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens drei Jahren oder auf Grund einer erledigten Maßregel eingetreten ist,
2.
die Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe oder die Unterbringung wegen einer oder mehrerer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art verhängt oder angeordnet wurde,
3.
die Gefahr besteht, dass die verurteilte Person weitere Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art begehen wird, und
4.
die Weisung erforderlich erscheint, um die verurteilte Person durch die Möglichkeit der Datenverwendung nach § 463a Absatz 4 Satz 2 der Strafprozessordnung, insbesondere durch die Überwachung der Erfüllung einer nach Satz 1 Nummer 1 oder 2 auferlegten Weisung, von der Begehung weiterer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art abzuhalten.
Die Voraussetzungen von Satz 3 Nummer 1 in Verbindung mit Nummer 2 liegen unabhängig davon vor, ob die dort genannte Führungsaufsicht nach § 68e Absatz 1 Satz 1 beendet ist. Abweichend von Satz 3 Nummer 1 genügt eine Freiheits- oder Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, wenn diese wegen einer oder mehrerer Straftaten verhängt worden ist, die unter den Ersten oder Siebenten Abschnitt des Besonderen Teils fallen; zu den in Satz 3 Nummer 2 bis 4 genannten Straftaten gehört auch eine Straftat nach § 129a Absatz 5 Satz 2, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1.

(2) Das Gericht kann der verurteilten Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit weitere Weisungen erteilen, insbesondere solche, die sich auf Ausbildung, Arbeit, Freizeit, die Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder die Erfüllung von Unterhaltspflichten beziehen. Das Gericht kann die verurteilte Person insbesondere anweisen, sich psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen (Therapieweisung). Die Betreuung und Behandlung kann durch eine forensische Ambulanz erfolgen. § 56c Abs. 3 gilt entsprechend, auch für die Weisung, sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die mit körperlichen Eingriffen verbunden sind.

(3) Bei den Weisungen dürfen an die Lebensführung der verurteilten Person keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

(4) Wenn mit Eintritt der Führungsaufsicht eine bereits bestehende Führungsaufsicht nach § 68e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 endet, muss das Gericht auch die Weisungen in seine Entscheidung einbeziehen, die im Rahmen der früheren Führungsaufsicht erteilt worden sind.

(5) Soweit die Betreuung der verurteilten Person in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 11 oder ihre Behandlung in den Fällen des Absatzes 2 nicht durch eine forensische Ambulanz erfolgt, gilt § 68a Abs. 8 entsprechend.

Wer während der Führungsaufsicht gegen eine bestimmte Weisung der in § 68b Abs. 1 bezeichneten Art verstößt und dadurch den Zweck der Maßregel gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die Tat wird nur auf Antrag der Aufsichtsstelle (§ 68a) verfolgt.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 des Strafgesetzbuches) begangen hat und daß seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet werden wird, so kann das Gericht durch Unterbringungsbefehl die einstweilige Unterbringung in einer dieser Anstalten anordnen, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert.

(2) Für die einstweilige Unterbringung gelten die §§ 114 bis 115a, 116 Abs. 3 und 4, §§ 117 bis 119a, 123, 125 und 126 entsprechend. Die §§ 121, 122 gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass das Oberlandesgericht prüft, ob die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung weiterhin vorliegen.

(3) Der Unterbringungsbefehl ist aufzuheben, wenn die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung nicht mehr vorliegen oder wenn das Gericht im Urteil die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt nicht anordnet. Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung nicht aufgehalten werden. § 120 Abs. 3 gilt entsprechend.

(4) Hat der Untergebrachte einen gesetzlichen Vertreter oder einen Bevollmächtigten im Sinne des § 1831 Absatz 5 und des § 1820 Absatz 2 Nummer 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches, so sind Entscheidungen nach Absatz 1 bis 3 auch diesem bekannt zu geben.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Das Gericht kann jederzeit prüfen, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist. Es muß dies vor Ablauf bestimmter Fristen prüfen.

(2) Die Fristen betragen bei der Unterbringung
in einer Entziehungsanstalt sechs Monate,
in einem psychiatrischen Krankenhaus ein Jahr,
in der Sicherungsverwahrung ein Jahr, nach dem Vollzug von zehn Jahren der Unterbringung neun Monate.

(3) Das Gericht kann die Fristen kürzen. Es kann im Rahmen der gesetzlichen Prüfungsfristen auch Fristen festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag auf Prüfung unzulässig ist.

(4) Die Fristen laufen vom Beginn der Unterbringung an. Lehnt das Gericht die Aussetzung oder Erledigungserklärung ab, so beginnen die Fristen mit der Entscheidung von neuem.

(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.

(2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben.

(3) Gegen Entscheidungen über Kosten oder notwendige Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. Dasselbe gilt für Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte; in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist jedoch die Beschwerde zulässig gegen Beschlüsse und Verfügungen, welche

1.
die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 oder § 101a Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen,
2.
die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen,
3.
die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (§ 231a) anordnen oder die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung aussprechen,
4.
die Akteneinsicht betreffen oder
5.
den Widerruf der Strafaussetzung, den Widerruf des Straferlasses und die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 453 Abs. 2 Satz 3), die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung des Widerrufs (§ 453c), die Aussetzung des Strafrestes und deren Widerruf (§ 454 Abs. 3 und 4), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 372 Satz 1) oder die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung nach den §§ 435, 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 und § 439 betreffen;
§ 138d Abs. 6 bleibt unberührt.

(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts (§ 169 Abs. 1) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.

(1) Die Vorschriften über die Strafvollstreckung gelten für die Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung sinngemäß, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) § 453 gilt auch für die nach den §§ 68a bis 68d des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen.

(3) § 454 Abs. 1, 3 und 4 gilt auch für die nach § 67c Abs. 1, § 67d Abs. 2 und 3, § 67e Abs. 3, den §§ 68e, 68f Abs. 2 und § 72 Abs. 3 des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen. In den Fällen des § 68e des Strafgesetzbuches bedarf es einer mündlichen Anhörung des Verurteilten nicht. § 454 Abs. 2 findet in den Fällen des § 67d Absatz 2 und 3 und des § 72 Absatz 3 des Strafgesetzbuches unabhängig von den dort genannten Straftaten sowie bei Prüfung der Voraussetzungen des § 67c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuches auch unabhängig davon, ob das Gericht eine Aussetzung erwägt, entsprechende Anwendung, soweit das Gericht über die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden hat; im Übrigen findet § 454 Abs. 2 bei den dort genannten Straftaten Anwendung. Zur Vorbereitung der Entscheidung nach § 67d Abs. 3 des Strafgesetzbuches sowie der nachfolgenden Entscheidungen nach § 67d Abs. 2 des Strafgesetzbuches hat das Gericht das Gutachten eines Sachverständigen namentlich zu der Frage einzuholen, ob von dem Verurteilten weiterhin erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind. Ist die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden, bestellt das Gericht dem Verurteilten, der keinen Verteidiger hat, rechtzeitig vor einer Entscheidung nach § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches einen Verteidiger.

(4) Im Rahmen der Überprüfung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 des Strafgesetzbuches) nach § 67e des Strafgesetzbuches ist eine gutachterliche Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung einzuholen, in der der Verurteilte untergebracht ist. Das Gericht soll nach jeweils drei Jahren, ab einer Dauer der Unterbringung von sechs Jahren nach jeweils zwei Jahren vollzogener Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus das Gutachten eines Sachverständigen einholen. Der Sachverständige darf weder im Rahmen des Vollzugs der Unterbringung mit der Behandlung der untergebrachten Person befasst gewesen sein noch in dem psychiatrischen Krankenhaus arbeiten, in dem sich die untergebrachte Person befindet, noch soll er das letzte Gutachten bei einer vorangegangenen Überprüfung erstellt haben. Der Sachverständige, der für das erste Gutachten im Rahmen einer Überprüfung der Unterbringung herangezogen wird, soll auch nicht das Gutachten in dem Verfahren erstellt haben, in dem die Unterbringung oder deren späterer Vollzug angeordnet worden ist. Mit der Begutachtung sollen nur ärztliche oder psychologische Sachverständige beauftragt werden, die über forensisch-psychiatrische Sachkunde und Erfahrung verfügen. Dem Sachverständigen ist Einsicht in die Patientendaten des Krankenhauses über die untergebrachte Person zu gewähren. § 454 Abs. 2 gilt entsprechend. Der untergebrachten Person, die keinen Verteidiger hat, bestellt das Gericht für die Überprüfung der Unterbringung, bei der nach Satz 2 das Gutachten eines Sachverständigen eingeholt werden soll, einen Verteidiger.

(5) § 455 Abs. 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet ist. Ist die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden und verfällt der Verurteilte in Geisteskrankheit, so kann die Vollstreckung der Maßregel aufgeschoben werden. § 456 ist nicht anzuwenden, wenn die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung angeordnet ist.

(6) § 462 gilt auch für die nach § 67 Absatz 3, 5 Satz 2 und Absatz 6, den §§ 67a und 67c Abs. 2, § 67d Abs. 5 und 6, den §§ 67g, 67h und 69a Abs. 7 sowie den §§ 70a und 70b des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen. In den Fällen des § 67d Absatz 6 des Strafgesetzbuches ist der Verurteilte mündlich zu hören. Das Gericht erklärt die Anordnung von Maßnahmen nach § 67h Abs. 1 Satz 1 und 2 des Strafgesetzbuchs für sofort vollziehbar, wenn erhebliche rechtswidrige Taten des Verurteilten drohen.

(7) Für die Anwendung des § 462a Abs. 1 steht die Führungsaufsicht in den Fällen des § 67c Abs. 1, des § 67d Abs. 2 bis 6 und des § 68f des Strafgesetzbuches der Aussetzung eines Strafrestes gleich.

(8) Wird die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollstreckt, bestellt das Gericht dem Verurteilten, der keinen Verteidiger hat, für die Verfahren über die auf dem Gebiet der Vollstreckung zu treffenden gerichtlichen Entscheidungen einen Verteidiger. Die Bestellung hat rechtzeitig vor der ersten gerichtlichen Entscheidung zu erfolgen und gilt auch für jedes weitere Verfahren, solange die Bestellung nicht aufgehoben wird.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Die Vorschriften über die Strafvollstreckung gelten für die Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung sinngemäß, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) § 453 gilt auch für die nach den §§ 68a bis 68d des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen.

(3) § 454 Abs. 1, 3 und 4 gilt auch für die nach § 67c Abs. 1, § 67d Abs. 2 und 3, § 67e Abs. 3, den §§ 68e, 68f Abs. 2 und § 72 Abs. 3 des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen. In den Fällen des § 68e des Strafgesetzbuches bedarf es einer mündlichen Anhörung des Verurteilten nicht. § 454 Abs. 2 findet in den Fällen des § 67d Absatz 2 und 3 und des § 72 Absatz 3 des Strafgesetzbuches unabhängig von den dort genannten Straftaten sowie bei Prüfung der Voraussetzungen des § 67c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuches auch unabhängig davon, ob das Gericht eine Aussetzung erwägt, entsprechende Anwendung, soweit das Gericht über die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden hat; im Übrigen findet § 454 Abs. 2 bei den dort genannten Straftaten Anwendung. Zur Vorbereitung der Entscheidung nach § 67d Abs. 3 des Strafgesetzbuches sowie der nachfolgenden Entscheidungen nach § 67d Abs. 2 des Strafgesetzbuches hat das Gericht das Gutachten eines Sachverständigen namentlich zu der Frage einzuholen, ob von dem Verurteilten weiterhin erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind. Ist die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden, bestellt das Gericht dem Verurteilten, der keinen Verteidiger hat, rechtzeitig vor einer Entscheidung nach § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches einen Verteidiger.

(4) Im Rahmen der Überprüfung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 des Strafgesetzbuches) nach § 67e des Strafgesetzbuches ist eine gutachterliche Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung einzuholen, in der der Verurteilte untergebracht ist. Das Gericht soll nach jeweils drei Jahren, ab einer Dauer der Unterbringung von sechs Jahren nach jeweils zwei Jahren vollzogener Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus das Gutachten eines Sachverständigen einholen. Der Sachverständige darf weder im Rahmen des Vollzugs der Unterbringung mit der Behandlung der untergebrachten Person befasst gewesen sein noch in dem psychiatrischen Krankenhaus arbeiten, in dem sich die untergebrachte Person befindet, noch soll er das letzte Gutachten bei einer vorangegangenen Überprüfung erstellt haben. Der Sachverständige, der für das erste Gutachten im Rahmen einer Überprüfung der Unterbringung herangezogen wird, soll auch nicht das Gutachten in dem Verfahren erstellt haben, in dem die Unterbringung oder deren späterer Vollzug angeordnet worden ist. Mit der Begutachtung sollen nur ärztliche oder psychologische Sachverständige beauftragt werden, die über forensisch-psychiatrische Sachkunde und Erfahrung verfügen. Dem Sachverständigen ist Einsicht in die Patientendaten des Krankenhauses über die untergebrachte Person zu gewähren. § 454 Abs. 2 gilt entsprechend. Der untergebrachten Person, die keinen Verteidiger hat, bestellt das Gericht für die Überprüfung der Unterbringung, bei der nach Satz 2 das Gutachten eines Sachverständigen eingeholt werden soll, einen Verteidiger.

(5) § 455 Abs. 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet ist. Ist die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden und verfällt der Verurteilte in Geisteskrankheit, so kann die Vollstreckung der Maßregel aufgeschoben werden. § 456 ist nicht anzuwenden, wenn die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung angeordnet ist.

(6) § 462 gilt auch für die nach § 67 Absatz 3, 5 Satz 2 und Absatz 6, den §§ 67a und 67c Abs. 2, § 67d Abs. 5 und 6, den §§ 67g, 67h und 69a Abs. 7 sowie den §§ 70a und 70b des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen. In den Fällen des § 67d Absatz 6 des Strafgesetzbuches ist der Verurteilte mündlich zu hören. Das Gericht erklärt die Anordnung von Maßnahmen nach § 67h Abs. 1 Satz 1 und 2 des Strafgesetzbuchs für sofort vollziehbar, wenn erhebliche rechtswidrige Taten des Verurteilten drohen.

(7) Für die Anwendung des § 462a Abs. 1 steht die Führungsaufsicht in den Fällen des § 67c Abs. 1, des § 67d Abs. 2 bis 6 und des § 68f des Strafgesetzbuches der Aussetzung eines Strafrestes gleich.

(8) Wird die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollstreckt, bestellt das Gericht dem Verurteilten, der keinen Verteidiger hat, für die Verfahren über die auf dem Gebiet der Vollstreckung zu treffenden gerichtlichen Entscheidungen einen Verteidiger. Die Bestellung hat rechtzeitig vor der ersten gerichtlichen Entscheidung zu erfolgen und gilt auch für jedes weitere Verfahren, solange die Bestellung nicht aufgehoben wird.

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO) als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

1

Das gem. § 463 Abs. 3 StPO i. V. m. § 454 Abs. 3 Satz 1 StPO statthafte, binnen der Frist aus § 311 Abs. 2 StPO angebrachte und damit zulässige Rechtsmittel erweist sich aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen landgerichtlichen Beschlusses und den ebenfalls zutreffenden Erwägungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 22.12.2006, die dem Untergebrachten und seinem Verteidiger bekannt gemacht worden ist, als unbegründet. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.

2

Insbesondere hat die Große Strafvollstreckungskammer zu Recht darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen für eine Erledigung der Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67 d Abs. 6 Satz 1 StGB nicht vorliegen.

3

1. Nach der gesetzlichen Neuregelung des § 67 d Abs. 6 StGB ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus für erledigt zu erklären, wenn feststeht, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre. Diese mit dem Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 28.07.2004 (BGBl I S. 1838) mit Wirkung zum 29.07.2004 in Kraft getretene Vorschrift ist - mangels anders lautender Übergangsvorschriften - ab Inkrafttreten auch für "Altfälle" wie den vorliegenden ohne Weiteres anzuwenden.

4

Ausweislich der Entwurfsbegründung (vgl. BT-Drucksache 15/2887 S. 10/14) übernimmt die Regelung dabei lediglich den von den Strafvollstreckungsgerichten bereits zuvor im Wege der Rechtsfortbildung und - im Wesentlichen - in analoger Anwendung des § 67 c Abs. 2 Satz 5 StGB entwickelten Rechtssatz, wonach bei nachträglichem Wegfall oder später festgestelltem anfänglichem Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 63 StGB die Unterbringung erledigt und nicht weiter vollstreckt werden darf. Grundsätzlich will die gesetzliche Neuregelung nach der gesetzgeberischen Intention (vgl. BT-Drucksache 15/2887, S. 21) damit auch die Fälle der sogenannten Fehleinweisung erfassen und den Vorschriften über die Erledigung unterstellen (vgl. dazu OLG Frankfurt NStZ-RR 2005, 140; Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl. § 67 d Rdz. 8; MK-Veh, StGB, § 67 d Rdz. 24, 26, 30 m. w. N.).

5

Nach der nunmehr in Gesetzesform vorliegenden, auf nahezu einhelliger früherer Rechtsprechung der Obergerichte und den überwiegenden Literaturstimmen beruhenden Rechtslage ist die Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67 d Abs. 6 StGB für erledigt zu erklären, wennmit Sicherheit feststeht , dass der Verurteilte nicht oder nicht mehr an einem Zustand leidet, der durch die in § 20 StGB genannten seelischen Störungen oder Abartigkeiten gekennzeichnet ist. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Voraussetzungen der Unterbringung von Anfang an nicht vorgelegen haben oder diese später weggefallen sind, weil sich etwa herausgestellt hat, dass der Verurteilte von seinem Leiden geheilt ist. Entscheidend ist allein, ob sich später im Vollstreckungsverfahren zweifelsfrei ergeben hat, dass die Voraussetzungen der Unterbringung entweder von vornherein nicht vorgelegen haben oder aber nachträglich weggefallen sind, da in beiden Fällen der Zweck der Unterbringung erreicht oder nicht - mehr - erreichbar ist (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2002, 58 m.w.N.; NStZ 2003, 222). Nur im Falle des zweifelsfreien Wegfalls oder Nichtvorliegens der Unterbringungsvoraussetzungen ist zudem die Durchbrechung der grundsätzlich eingetretenen Rechtskraft einer Unterbringungsentscheidung durch (bloße) Erledigungserklärung und nicht etwa im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens angezeigt. (ständige Rspr. des Senats, vgl. Beschluss vom 08.06.2006 - I Ws 131/06).

6

Diese Rechtsanwendung - die nunmehr in Gestalt des § 67 d Abs. 6 StGB in Gesetzesform vorliegt - hat vom Grundsatz her die ausdrückliche Billigung auch des Bundesverfassungsgerichts (NStZ 1995, 174 m. w. N.) gefunden.

7

2. Die danach zu fordernde zweifelsfreie Sicherheit , dass der Verurteilte nicht oder nicht mehr an einem Zustand leidet, der durch die in § 20 StGB genannten seelischen Störungen oder Abartigkeiten gekennzeichnet ist, besteht vorliegend nicht. Sie ergibt sich - jedenfalls mit der zu verlangenden Zweifelsfreiheit - nicht aus dem von der Großen Strafvollstreckungskammer eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dr. med. R. vom 18.09.2006.

8

a) Zwar kommt der Sachverständige Dr. R. in seinem schriftlichen Gutachten, welches er in der Anhörung vor der Strafvollstreckungskammer am 20.10.2006 mündlich erläutert hat, zu dem - zusammengefassten - Ergebnis, bei dem Untergebrachten liege seines Erachtens keine Persönlichkeitsstörung von Krankheitswert vor, weswegen eine ausreichende medizinische Indikation einer Unterbringung nach § 63 StGB zu verneinen sei.

9

b) Das Gutachten des Sachverständigen Dr. R. vermag indes nicht zu überzeugen.

10

So erschließt sich dem Senat beispielsweise nicht, inwiefern die "nunmehr dritte Version der Einweisungstat", die der Untergebrachte im Rahmen der Exploration durch den Sachverständigen entworfen hat und die "mit einer erheblichen Intelligenzminderung völlig unvereinbar" sei, weil sie "eine (fast) in sich schlüssige und ihn entlastende Variante des Vortat- und Tatzeitraums der Einweisungstat" darstelle (Gutachten Bl. 38), auf ein gegenüber den vorgutachterlichen Erkenntnissen, die nicht zuletzt auch auf anerkannten Intelligenztesterhebungen beruhten, abweichend erhöhtes Intelligenzniveau schließen lassen könnte. Denn die "(fast) in sich schlüssige und ihn entlastende Variante" der Einweisungstat besteht ausweislich des Gutachtens nunmehr darin, dass der Untergebrachte vorgebracht hat, er habe sich in Wahrheit nicht einer zuvor von ihm beobachteten weiblichen Joggerin genähert, sondern sein "Erzfeind" G., für den er die junge Joggerin zunächst gehalten habe, habe "Prügel bekommen" sollen. Das sei ihm aber erst aufgefallen, als er sie verfolgt und sie - am Boden liegend - zu schreien angefangen habe. Um dies zu verhindern, und nachdem er bemerkt habe, dass es sich nicht um Gruse handele, habe er sie bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt.

11

Diese - nach Ansicht des Sachverständigen "(fast) in sich schlüssige und ihn entlastende Variante des Vortat- und Tatzeitraums" - erachtet der Senat im Gegensatz zum Sachverständigen nicht für in sich schlüssig und entlastend, sondern für geradezu abstrus, unschlüssig und unglaubhaft. Die nunmehrige Sachdarstellung spricht - jedenfalls prima vista - eher nicht für die vom Gutachter angenommene erhöhte Intelligenz des Untergebrachten, sondern allenfalls dafür, dass der Untergebrachte bislang auch nicht ansatzweise erfolgreich an einer Tataufarbeitung gearbeitet hat. Überdies unterlässt der Sachverständige die sich aufdrängende Überprüfung der Tragfähigkeit seiner Schlussfolgerung durch einen wertenden Vergleich mit dem im vollstreckten Urteil und dem im sechsjährigen Vollzug belegten Befund (Debilität) Dieser Befund stützt sich auf im Urteil klar festgestellte Anknüpfungstatsachen, wissenschaftlich anerkannte testpsychologische Untersuchungsmethoden (u. a. HAWIE) und sechsjährige Beobachtung des Untergebrachten.

12

Auch soweit der Sachverständige seine Einschätzung, es lägen beim Untergebrachten keine gravierenden Persönlichkeitsstörungen von Krankheitswert vor, u. a. darauf stützt, dass er über "beträchtliche Ressourcen in der Beziehungsgestaltung" (insbesondere auch zu weiblichen Personen) verfüge (Gutachten Bl. 49, 50), vermag der Senat dies nicht nachzuvollziehen. Die im Gutachten (Bl. 20, 41) mitgeteilten, auch vom Sachverständigen als sehr wechselhaft angesehenen vagen Auskünfte des Untergebrachten zu seinen "Beziehungen" zu anderen, insbesondere zum weiblichen Geschlecht, lassen - auch und gerade im Lichte der gravierenden Sexualstraftaten aus dem Jahre 1992 sowie auch im Lichte der Anlasstat aus dem Jahre 1999 - bezogen auf die Gesamtpersönlichkeit des Untergebrachten viel eher auf ganz erhebliche Defizite in diesem Bereich schließen. Auch das Verhältnis zu seiner Mutter erscheint insgesamt eher ambivalent; hier erschließen sich aus dem Gutachten nämlich nicht nur fürsorgliche Komponenten (Bl. 24: er wird seine Mutter "nicht im Stich lassen"), sondern auch Umstände von Machtausübung (Bl. 25: "Zuhause (dagegen) da kann ich bestimmen"), die bei diesem Probanden als problematisch anzusehen sind. In diesem Zusammenhang erachtet der Senat auch für bedeutsam, dass bei dem Untergebrachten (bei dessen Exploration der Gutachter "wegen der nach Aktenlage raschen und nachhaltigen Kränkbarkeit des Probanden - nur selten Widerspruch anmeldete und auf Kritik völlig verzichtete", Bl. 31 des Gutachtens) nach Aussage des Gutachtens zwar nur "einmalig eine unkontrollierte emotionale Reaktion mäßiger Ausprägung" zu beobachten gewesen sei, habe als der Untergebrachte über eine weibliche (sic.) Pflegekraft berichtet, "die ihn - nach seiner Wahrnehmung - nicht nur ablehnt, sondern die auch für seine zunächst mit Ohnmacht hingenommene Sanktion verantwortlich war". Auch dieser Umstand ist nach Auffassung des Senats nicht geeignet, fehlende Schwierigkeiten in der Beziehungsgestaltung zu anderen, wie vom Gutachter angenommen, zu belegen, sondern spricht eher für erhebliche Probleme des Untergebrachten im Umgang mit Frauen.

13

Soweit der Sachverständige dem Untergebrachten eine normgerechte Auseinandersetzungsfähigkeit (er verfüge u. a. "über ihn befriedigende nicht aggressive Strategien zur Interessenrealisation, ... sodass er auf intensiv aggressive Strategien zur Interessenrealisation nicht angewiesen war", Gutachten Bl. 50) bescheinigt, vermag der Senat auch diese Einschätzung nicht hinreichend nachzuvollziehen. Denn der Untergebrachte selbst schildert im Rahmen seiner Exploration ausführlich seine Schwierigkeiten mit einem Mitpatienten namens G., in deren Verlaufe es "ein paar Handgreiflichkeiten" gegeben und er, der Untergebrachte, G. auch einmal "eine gedrückt" habe, da dieser ihn "provoziert" habe.

14

3. Danach ist das Gutachten des Sachverständigen Dr. R. keineswegs geeignet, die Unterbringung des Beschwerdeführers als "Fehleinweisung" zu klassifizieren. Das Gegenteil ist eher der Fall.

15

Nach alledem ist die seit dem 06.01.2001 andauernde Unterbringung des Verurteilten im Maßregelvollzug weiter zu vollziehen. Die Maßregel war weder nach § 67 d Abs. 6 StGB für erledigt zu erklären, noch kam die Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung gem. § 67 d Abs. 2 StGB in Frage, da nicht zu erwarten ist, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzuges keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird.

16

Angesichts der - auch vom Sachverständigen Dr. R. hervorgehobenen - ganz erheblichen Gefährlichkeit des Untergebrachten ist der weitere Vollzug der Maßregel auch nicht unverhältnismäßig.

III.

17

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

IV.

18

Diese Entscheidung des Senats ist nicht weiter anfechtbar, § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO.

Diese Entscheidung wird zitiert ausblendenDiese Entscheidung wird zitiert


Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 25. Oktober 2016 aufgehoben.

2. Die durch das Urteil der 1. Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts Kaiserslautern vom 25. Mai 2004 angeordnete Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus wird für erledigt erklärt.

3. Der nach Anrechnung der Zeit der Unterbringung verbleibende Rest der im vorgenannten Urteil verhängten Gesamtfreiheitsstrafe wird nach Vollstreckung von 2/3 der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt.

4. Der Untergebrachte ist aus dem Vollzug der Maßregel zu entlassen und in die zuständige Justizvollzugsanstalt zu überstellen.

5. Die Dauer der kraft Gesetzes mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung eintretenden Führungsaufsicht (§ 67d Abs. 5 S. 2 StGB) beträgt fünf Jahre. Für die Zeit der Führungsaufsicht wird der Verurteilte der Aufsicht und Leitung eines hauptamtlichen Bewährungshelfers unterstellt (§ 68a Abs. 1 Halbs. 2 StGB).

6. Der Verurteilte hat Weisungen und Ladungen, die von Seiten der Führungsaufsichtsstelle ergehen, Folge zu leisten.

7. Dem Verurteilten werden folgende Weisungen, soweit er sich in Freiheit befindet, erteilt:

a. Er hat nach Entlassung aus der Strafhaft seine Wohnanschrift unverzüglich der Führungsaufsichtsstelle mitzuteilen sowie jeden Wechsel des Wohnsitzes und/oder des Arbeitsplatzes der Führungsaufsichtsstelle binnen drei Tagen anzuzeigen (strafbewehrte Weisung nach § 68b Abs. 1 Nr. 8 StGB).

b. Er hat spätestens bis zum dritten Werktag nach der Entlassung aus der Strafhaft mit der Bewährungshilfe Kontakt aufzunehmen und sich mindestens einmal monatlich, jeweils in der ersten Woche des Monats, bei seinem Bewährungshelfer/seiner Bewährungshelferin zu melden (strafbewehrte Weisung nach § 68b Abs. 1 Nr. 7 StGB).

8. Die weitere Ausgestaltung der Führungsaufsicht bleibt der nach § 462a Abs. 1 StPO zuständigen Strafvollstreckungskammer vorbehalten.

9. Die Belehrung des Verurteilten über die Bedeutung der Führungsaufsicht und die Folgen eines Weisungsverstoßes wird der Leiterin der Unterbringungseinrichtung übertragen. Die Belehrung hat sich auch darauf zu erstrecken, dass es sich bei den Weisungen gemäß § 68b Abs. 1 StGB um solche Weisungen handelt, die gemäß § 145a StGB strafbewehrt sind.

10. Das weitergehende Rechtsmittel des Verurteilten wird verworfen.

11. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels, allerdings wird die Gerichtsgebühr um 2/3 ermäßigt; in diesem Umfang trägt die Landeskasse auch die im Beschwerderechtszug angefallenen notwendigen Auslagen des Verurteilten.

Gründe

1

Die 1. Strafkammer - Große Jugendkammer - des Landgerichts Kaiserslautern hat den Beschwerdeführer mit Urteil vom 25. Mai 2004 des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in elf Fällen sowie des sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen schuldig gesprochen und gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verhängt. Daneben hat sie die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Maßregel wurde vom 20. Oktober 2004 bis zum 16. Juli 2015 und wird - aufgrund Anordnung einer Krisenintervention gem. § 67h StGB und Widerruf der Bewährungsaussetzung - erneut seit dem 29. Juli 2015 in der Forensischen Klinik des Pfalzklinikums Klingenmünster vollstreckt.

2

Die Große Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz hat mit Beschluss vom 25. Oktober 2016 erneut die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers angeordnet. Gegen diese, seinem Verteidiger am 10. November 2016 zugestellte Entscheidung wendet sich der Verurteilte mit seiner am 11. November 2016 beim Landgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde.

3

Das in verfahrensrechtlicher Sicht unbedenkliche Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; soweit es auf eine unmittelbare Entlassung des Verurteilten in Freiheit gerichtet ist, ist es indes nicht begründet.

I.

1.

4

a) Nach den im Anlassverfahren getroffenen Feststellungen fühlte sich der Verurteilte bereits ab dem Alter von ca. zehn Jahren sexuell zu jüngeren bzw. gleichaltrigen Jungen hingezogen. An dieser Präferenz hatte sich, auch was das Alter der Kinder betrifft, bis zum Zeitpunkt der Verurteilung nichts geändert. Erste sexualbezogene Kontakte zu unter 14 Jahre alten Jungen nahm der Verurteilte im Alter von ca. 13 Jahren auf. Auch im weiteren Lebensverlauf nahmen homo- oder heterosexuelle Beziehungen zu jeweils gleichaltrigen oder älteren Partnern in der sexuellen Ausrichtung des Verurteilten keinen wesentlichen Raum ein. Im Alter von ca. 20 Jahren verstärkte sich vielmehr der Drang, Beziehungen zu präpubertären Knaben aufzubauen und in diesem Rahmen nicht nur eine vermeintlich gleichberechtigte Partnerschaft zu erfahren, sondern darin auch sexuelle Wünsche und Begierden auszuleben.

5

b) Im Oktober des Jahres 2002 lernte der Verurteilte den damals 11-jährigen Sonderschüler S. H. über ein 15 bzw. 16 Jahre altes Bruderpaar kennen. Der Verurteilte unternahm mit S. H. und den beiden Jugendlichen zahlreiche Freizeitaktivitäten. Wiederholt kam es in der Wohnung des Verurteilten auch zu gegenseitigen sexuellen Handlungen, die sowohl manuellen, als auch oralen und analen Verkehr umfassten. Im Laufe der Zeit nahm die Häufigkeit der Besuche des Kindes bei dem Verurteilten zu, teilweise verbrachte es gesamte Wochenenden in dessen Wohnung. Erst als ihm seine Eltern im Januar 2003 den Umgang mit dem Verurteilten verboten, brach S. H. den Kontakt ab. Der Verurteilte reagierte auf die erzwungene Trennung mit depressiven Verstimmungen und übermäßigem Alkoholkonsum. Vom 18. Januar 2003 bis 18. Februar 2003 unterzog er sich deshalb einer stationären Behandlung im Pfalzklinikum, wo er gegenüber den dortigen Behandlern seine pädophilen Neigungen offenbarte. Nach der Entlassung suchte und fand der Verurteilte den erneuten Kontakt zu S. H. Obwohl er mittlerweile von der Polizei wegen des Verdachts des Kindesmissbrauchs vernommen worden war, gestaltete der Verurteilte die Beziehung zu dem Kind in gleicher Weise wie zuvor. Es kam zu weiteren sexuellen Handlungen zum Nachteil des S. H., wobei der Verurteilte teilweise noch einen gleichaltrigen Schulfreund des Kindes mit einbezog.

6

c) Die durch die Sachverständige Dr. S. sachverständig beratene Strafkammer ist davon ausgegangen, dass die Schuldfähigkeit des Verurteilten bei Begehung dieser Taten aufgrund einer sog. Kernpädophilie erheblich eingeschränkt gewesen war. Diese sei nicht allein durch das verfestigte Bestreben des Verurteilten gekennzeichnet, sexuelle Befriedigung durch Intimverkehr mit kindlichen Partnern zu erlangen. Ihm sei es vielmehr auch darum gegangen, in die kindliche Erlebniswelt "einzutauchen". Könne er aufgrund fehlender Möglichkeiten diese Bedürfnisse nicht stillen, reagiere er mit depressiven Verstimmungszuständen. Diese Persönlichkeitsstörung in Form einer sexuellen Deviation stelle in juristischer Hinsicht eine andere seelische Abartigkeit dar, die den Grad einer krankhaften seelischen Störung erreicht habe. Dass es dem Verurteilten erheblich schwerer falle, seinen Impulsen zu widerstehen, werde eindrücklich durch den Umstand belegt, dass er trotz Kenntnis des gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahrens seine sexuelle Ausrichtung weiterhin mit S. H. und letztlich auch mit dessen Schulfreund ausgelebt habe. Dieser Einschätzung stehe das mit dem Anbahnen entsprechender Kontakte verbundene Planungsvermögen und koordinierte Vorgehen nicht entgegen. Zu verweisen sei auf die in zeitlicher Hinsicht langfristige Übung und Gewöhnung des Verurteilten entgegen seiner vorhandenen Unrechtseinsicht zu handeln und hierfür in rationalisierender Weise entschuldigende Erklärungsmodelle zur Rechtfertigung seiner Verhaltensweisen zu finden. Angesichts dessen, dass es dem Verurteilten ohnehin vergleichsweise schwerer falle, seinen Impulsen zu widerstehen, zeige sein ambivalentes Verhältnis zu seinen Handlungen, dass es ihm nicht gelungen sei, rationale Kontrollmechanismen aufzubauen, um eine zukünftige Wiederholung des gezeigten Verhaltens zu verhindern. In Folge dessen sei mit gleich gelagerten und damit erheblichen Straftaten des Verurteilten zu rechnen.

7

d) Das im Anlassverfahren erstattete schriftliche Gutachten der Sachverständigen Dr. S. vom 7. November 2003 (dort S. 38 f.) enthält zur psychiatrischen Einschätzung folgende Ausführungen:

8

"Insbesondere ist deutlich geworden, dass der Angeklagte sich in der kindlichen Erlebniswelt wohlfühlt, Kinder als ebenbürtig erlebt und dabei selber den Eindruck eines unreifen und auf seine egozentrische Bedürfnisbefriedigung fixierten jungen Mannes vermittelt. (..) Die pädosexuellen Neigungen sind seit sehr langer Zeit bei dem Probanden bekannt und haben früh dazu geführt, dass er mit dem Gesetz in Konflikt kam und dass er psychische Auffälligkeiten in Form von depressiven Verstimmungszuständen und Auffälligkeiten in der Impulskontrolle, wie bei den Brandstiftungsdelikten, und in Form eines Konflikttrinkens zeigte. Insofern ist aus psychiatrischer Sicht diese Erkrankung unter das Eingangsmerkmal der §§ 20, 21 StGB einer anderen schweren seelischen Abartigkeit zu subsumieren. Aus psychiatrischer Sicht liegen keine anderen Erkrankungen vor, durch die eines der anderen Eingangsmerkmale als erfüllt anzusehen wäre. (...) Im Hinblick auf die Steuerungsfähigkeit ergibt sich folgende Einschätzung: Sicherlich wird man einerseits annehmen können, dass das Herstellen der Kontakte zu den Kindern auch ein gewisses Planungsvermögen erfordert. Andererseits wird deutlich, dass man es hier mit einem devianten Verhalten zu tun hat, das bereits präpubertär bestand und sich in den letzten Jahren fixiert hat. Herr X selber erlebte sich als ohnmächtig gegenüber seinen pädophilen Neigungen, und hat mehrfach bekundet, dass er diese wie eine "Sucht" erlebt und bei sexuellen Kontakten mit Kindern "über Konsequenzen nicht mehr nachgedacht" hat. (..) Zu berücksichtigen ist insgesamt, dass bei Herrn X ein erhebliches Maß an Impulsivität vorliegt (...). Man wird davon ausgehen können, dass es ihm schwerer als der Durchschnittsbevölkerung fällt, seinen Impulsen zu widerstehen. Die Sachverständigen haben hier den Eindruck gewonnen, dass der Proband nicht in der Lage war, genügend Hemmungen aufzubauen, die ihn an der Ausübung seiner sexuellen Neigung hinderte."

2.

9

Die Große Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz hat nach Einholung und unter Verwertung eines externen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. K. (vom 18. Mai 2015) mit Beschluss vom 1. Juli 2015 die Maßregel zur Bewährung ausgesetzt und dem Verurteilten Führungsaufsichtsweisungen erteilt. Unter anderem wurde dem Verurteilten untersagt, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen, der über das im Alltag übliche Maß hinausgeht, sowie mit ihnen zu verkehren, insbesondere Minderjährige persönlich anzusprechen oder mit ihnen über soziale Netzwerke zu kommunizieren. Nach der Entlassung aus dem Maßregelvollzug am 20. Juli 2015 nahm der Verurteilte zunächst Wohnung bei seiner Mutter. Bereits am 25. Juli 2015 bot der Verurteilte im Stadtbereich von Kaiserslautern einem 12-jährigen Jungen Geld an, wenn dieser ihn in seine Wohnung begleiten und sich von ihm fotografieren lassen würde. Noch am selben Tag sprach der Verurteilte einen 14-jährigen Jungen an und bot diesem ebenfalls Geld, wenn er mit zu ihm nach Hause komme. Der Verurteilte hat im Rahmen eines am 22. September 2015 durchgeführten Anhörungstermins gegenüber der Strafvollstreckungskammer die beiden Vorfälle eingeräumt und erklärt, er habe seine "Erfolgsaussichten ausloten" wollen. Am 28. Juli 2015 wurde der Verurteilte aufgrund eines Sicherungsunterbringungsbefehls der Strafvollstreckungskammer erneut in das Pfalzklinikum verbracht. Dort wird die Maßregel seitdem - zunächst auf Grundlage von § 67h Abs. 1 StGB und anschließend nach Widerruf der Bewährungsaussetzung - erneut ununterbrochen vollstreckt.

10

Am 25. Oktober 2016 hat die Große Strafvollstreckungskammer den Verurteilten durch den beauftragen Richter angehört und am selben Tag die Fortdauer seiner Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Zur Begründung hat sie u.a. ausgeführt, es sei auch in Zukunft mit ähnlichen Verhaltensweisen zu rechnen, wie sie der Verurteilte im Juli 2015 gezeigt habe. Bei einer Entlassung in Freiheit sei davon auszugehen, dass seine emotionalen Bedürfnisse früher oder später wieder Oberhand gewönnen und rationale Aspekte immer weniger handlungsleitend würden. Es seien deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit erneute einschlägige Taten zu erwarten. Für eine Rückfallgefahr spreche das Vorliegen einer fixierten sexuellen Devianz, sexuelle Seriendelikte, falsche Selbsteinschätzung bezüglich Risikosituationen, die Unfähigkeit, angemessene stabile Partnerschaften einzugehen und ein früher Beginn der sexuellen Entwicklung.

11

Der Senat hat mit Beschluss vom 15. März 2017 ein schriftliches forensisch-psychiatrischen Sachverständigengutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie, Schwerpunkt Forensische Psychiatrie, Prof. Dr. S. eingeholt. Am 28. März 2018 hat der Senat den Sachverständigen mündlich angehört; auf den Vermerk des Senatsvorsitzenden vom 28. März 2018 wird Bezug genommen.

II.

12

Die Voraussetzungen des § 63 StGB für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus liegen nicht mehr vor, weshalb die Maßregel gemäß § 67d Abs. 6 S. 1 StGB für erledigt zu erklären ist.

1.

13

Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus als Maßregel der Besserung und Sicherung (§ 63 StGB) ist nach § 67d Abs. 6 S. 1 1. Alt. StGB für erledigt zu erklären, wenn im Vollstreckungsverfahren die Feststellung getroffen werden kann, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen. Die Erledigung setzt daher voraus, dass sich nach Beginn der Unterbringungsvollstreckung herausstellt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen ihrer Anordnung entweder von Anfang an nicht bestanden haben oder nachträglich weggefallen sind (OLG Braunschweig, Beschluss vom 11.04.2017 - 1 Ws 66/17, juris Rn. 21; Rissing-van Saan/Peglau in LK-StGB, 12. Aufl., § 67d Rn. 49). Dies kann darauf beruhen, dass der Defektzustand, auf Grund dessen die Unterbringung angeordnet worden ist, überhaupt nicht vorgelegen hat oder (jedenfalls) im Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr besteht, oder dass die von § 63 StGB vorausgesetzte Gefährlichkeit des Untergebrachten nicht (mehr) besteht. Eine Erledigung wegen Fehlens der materiellen Unterbringungsvoraussetzungen hat jedoch nur zu erfolgen, wenn mit Sicherheit festgestellt werden kann, dass der im Anlassurteil zugrunde gelegte Zustand oder die hieraus gefolgerte Gefährlichkeit von Anfang an nicht bestanden haben oder jedenfalls im Überprüfungszeitpunkt nicht mehr bestehen. Ist dies dagegen lediglich zweifelhaft, kommt eine Erledigung nicht in Betracht (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 08.02.2007 - I Ws 438/06, juris Rn. 5; OLG Braunschweig, Beschluss vom 29.06.2015 - 1 Ws 133/15, juris Rn. 12 sowie nachfolgend: BVerfG, Kammerbeschluss vom 16.08.2017 - 2 BvR 1496/15, juris). Gleiches gilt, wenn im Unterbringungsverlauf lediglich eine graduelle Besserung des Zustandes mit der Folge entsprechend geringerer Gefährlichkeit eingetreten ist, der die Maßregelanordnung rechtfertigende Zustand dem Grunde nach aber fortbesteht (Senat, Beschluss vom 28. Juli 2010, 1 Ws 195/10, juris Rn. 6; Veh in MünchKomm-StGB, 2. Aufl., § 67d Rn. 27). In diesem Zusammenhang spielt es keine Rolle, ob der Zustand nach geänderter Wertung noch von einer Art und Dauer ist, dass er die Anordnung der Maßregel rechtfertigen kann bzw. gerechtfertigt hätte (Rissing-van Saan/Peglau aaO. § 67d Rn. 53). Auch eine Fehleinweisung, die allein auf Rechtsfehlern des Tatgerichts, nicht aber (zugleich) auf einer fehlerhaften Tatsachengrundlage fußt, kann nach der - jedenfalls überwiegenden - obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. die Nachweise bei Rissing-van Saan/Peglau aaO. § 67d Rn. 56 Fn. 97 sowie Veh aaO. § 67d Rn. 30 Rn. 145, dort auch zur Gegenansicht; s.a. EuGH, Urteil vom 16.05.2013 - 20084/07, NJW 2014, 369 sowie BVerfG, Beschluss vom 19.10.2006 - 2 BvR 1486/06, NStZ-RR 2007, 29, 30) eine Erledigung nach § 67d Abs. 6 StGB nicht tragen. Das Vollstreckungsgericht darf eine unveränderte Tatsachengrundlage nicht neu bewerten und so zu der Annahme gelangen, dass ein Defektzustand im Sinne der §§ 20, 21 StGB oder eine die Unterbringung rechtfertigende Gefährlichkeit nie bestanden haben (Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 10.09.2010 - 1 Ws 164/10, juris Rn. 14; OLG Braunschweig, Beschluss vom 11.04.2017 - 1 Ws 66/17, juris Rn. 22). Denn bei der rechtlichen Zuordnung der tatsächlichen Feststellungen zu den Merkmalen der §§ 20, 21 StGB handelt es sich um einen juristischen Subsumtionsvorgang, der der Rechtskraft fähig ist (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 20.11.2014 - 2 BvR 2774/12, juris Rn. 41 f. und vom 16.08.2017 - 2 BvR 1496/15, juris Rn. 25). Eine nachträgliche Korrektur solcher, auf rein rechtlichem Gebiet liegender Fehler im Anlassurteil erlaubt die Vorschrift bei im Wesentlichen unverändert gebliebener Tatsachengrundlage daher nicht.

2.

14

Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für eine Fortdauer der Maßregel nicht vor. Denn es steht unter Berücksichtigung der überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. S. und Prof. Dr. K. sowie den Äußerungen der Unterbringungseinrichtung fest, dass der von der Strafkammer des Landgerichts Kaiserslautern der Unterbringungsanordnung tragend zugrunde gelegte Defektzustand nicht mehr besteht.

15

a) Zwar haben sämtliche der im Verfahren hinzugezogenen forensisch-psychiatrischen Sachverständigen einhellig hervorgehoben, dass an der im Anlassurteil festgestellten Diagnose einer Pädophilie (ICD-10: F65.4) mit homosexueller Ausrichtung und stabiler Präferenz für Jungen in der Pubertät festzuhalten ist (vgl. die schriftlichen Gutachten Dr. S. vom 31.07.2006, S. 54, Dr. L. vom 05.02.2010, S. 44 sowie Prof. Dr. K. vom 18.05.2015, S. 65 ff.). Diese hat auch gegenüber dem Umstand bestand, dass der Verurteilte - jedenfalls nach seinen Angaben - sporadische Beziehungen zu jüngeren, wenn auch erwachsenen Männern unterhalten und weibliche Prostituierte aufgesucht hat. Denn dass präpubertäre Jungen im Vordergrund seiner sexuellen Ausrichtung stehen, wird nach den schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. sowohl durch die Eigenschilderungen des Verurteilten, als auch den Rückfall in alte Verhaltensweisen nur wenige Tage nach der Bewährungsentlassung belegt.

16

b) Die Strafkammer des Landgerichts Kaiserslautern hat in ihrem Urteil vom 25. April 2004 die Steuerungsfähigkeit des Verurteilten jedoch nicht (allein) wegen dessen sexueller Disposition und Fixierung auf präpubertäre Knaben für erheblich eingeschränkt gehalten. Den Gründen des Urteils und - dies noch in stärkerem Maße - den hierbei verwerteten Ausführungen der Sachverständigen Dr. S. im schriftlichen Gutachten vom 7. November 2003 ist vielmehr zu entnehmen, dass die Strafkammer die Annahme einer Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens maßgeblich auf die im Tatzeitpunkt vorhandenen unreifen Persönlichkeitszüge des Verurteilten sowie dessen herabgesetzte Fähigkeit zur Impulskontrolle gestützt hat. Der Sachverständige Prof. Dr. S. hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 21. Januar 2018 in überzeugender Weise erläutert, dass diese im Anlassurteil tragend herangezogenen Einschränkungen im Persönlichkeitsgefüge des Verurteilten in Bezug auf Reife und Impulskontrolle heute nicht mehr feststellbar sind. Auch im Übrigen ergäben sich aus der gegenwärtigen Analyse über die bei dem Verurteilten gegebene, recht tief eingeschliffene, dauerhafte und als ich-synton empfundene Pädophilie hinaus keine wesentlichen Deformierungen des Persönlichkeitsgefüges, welche die Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit i.S.v. §§ 20, 21 StGB tragen könnten. An dieser Auffassung hat der Sachverständigen auch im Rahmen seiner mündlichen Anhörung festgehalten.

17

c) Diesen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. schließt sich der Senat an. Sie beinhalten nicht lediglich eine geänderte diagnostische Bewertung derjenigen Anknüpfungstatsachen, die bereits dem Anlassurteil zugrunde gelegen haben.

18

aa) Ob bei ansonsten unveränderter Tatsachengrundlage eine gegenüber dem im Anlassverfahren erstatteten Gutachten geänderte diagnostische Bewertung der damals zugrunde gelegten Anknüpfungstatsachen für sich genommen bereits eine Erledigung rechtfertigen kann, erscheint - soweit ersichtlich - in der obergerichtlichen Rechtsprechung zwar nicht abschließend geklärt (verneinend: Hanseatisches OLG Bremen, Beschluss vom 24.09.2010 - Ws 90/10; inzident bejahend: OLG Rostock, Beschluss vom 16.01.2017 - 20 Ws 173/16, juris Rn. 27; OLG Hamm, Beschluss vom 18.07.2017 - 4 Ws 305/16, juris Rn. 12 sowie ähnlich: Thüringer OLG, Beschluss vom 10.09.2010 - 1 Ws 164/10, juris Rn. 15 und OLG Braunschweig, Beschluss vom 11.04.2017 - 1 Ws 66/17, juris Rn. 22). Der Senat neigt insoweit der Auffassung zu, dass es nicht darauf ankommt, ob die im Anlassurteil zugrunde gelegte diagnostische Bewertung zutreffend ist. Denn die diagnostische Einschätzung allein kann niemals Grundlage für die Beurteilung sein, ob die Schuldfähigkeit des Täters in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt gewesen war. Entscheidend sind vielmehr der Ausprägungsgrad der Störung und der Einfluss der dadurch bedingten psychopathologischen Verhaltensmuster auf die psychische Funktionsfähigkeit des Verurteilten bei Tatbegehung (st. Rspr. vgl. BGH, Beschluss vom 29.05.2012 - 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306; Urteil vom 25.03.2015 − 2 StR 409/14, NStZ 2015, 688). Nimmt das Gericht im Erkenntnisverfahren auf Grund einer - auch gegenüber neueren Erkenntnissen im Vollstreckungsverfahren - hinsichtlich Art und Umfang der Auswirkungen zutreffend erfassten Tatsachengrundlage einen Zustand im Sinne von §§ 20, 21 StGB an, so handelt es sich hierbei um eine Rechtsfrage, die im Vollstreckungsverfahren nicht abweichend beurteilt werden kann (Hanseatisches OLG Bremen aaO. Rn. 25; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 22.10.2002 - 2 Ws 572/02, NStZ 2003, 222, 223). Die Frage kann letztlich aber dahinstehen. Denn das Zustandsbild des Verurteilten hat gegenüber dem Zeitpunkt der Anlasstaten signifikante Änderungen erfahren. Der Sachverständige Prof. Dr. S. hat seine gegenüber der im Anlassverfahren gehörten Sachverständigen abweichende forensisch-psychiatrische Beurteilung maßgeblich auf die im langjährigen Unterbringungsverlauf gezeigte Entwicklung des Verurteilten und die von der Maßregelvollzugseinrichtung in diesem Zusammenhang erhobenen Befunde gestützt.

19

bb) Der Senat hat seiner Entscheidung die im Ausgangsurteil getroffene Wertung zugrunde zu legen, dass es dem Verurteilten im Zeitpunkt der Anlasstaten "erheblich schwerer" fiel, seinen Impulsen zu widerstehen. Diese ist, in Verbund mit dem von der Sachverständigen Dr. S. im Gutachten vom 7. November 2003 beschriebenen Eindruck eines unreifen und egozentrisch fixierten Persönlichkeitsgefüges - aus der damaligen Perspektive -, auch durchaus nachvollziehbar und jedenfalls nicht mit Sicherheit widerlegbar. Auch der Sachverständige Prof. Dr. S. hat mit Blick auf die Sachbeschädigungs- und Brandlegungsdelikte der späteren Jugendzeit des Verurteilten, die zum Zeitpunkt der Taten erst vergleichsweise kurz zurücklagen, das im Anlassurteil zugrunde gelegte Störungsbild für zwar nicht überzeugend begründet, dennoch aber - aus der damaligen Perspektive heraus - für jedenfalls nicht "deutlich fehlerhaft" gehalten.

20

cc) Der Sachverständige hat unter sorgfältiger Auswertung der im Rahmen des langjährigen Unterbringungsverlaufs gefertigten Stellungnahmen der Maßregelvollzugseinrichtung aber auch zutreffend darauf hingewiesen, dass sich im Rahmen des mittlerweile über 13 Jahre dauernden Vollzugs bei dem Verurteilten keine Hinweise auf den Fortbestand einer relevanten Störung der Impulskontrolle in Bezug auf sexuelle Verhaltensweisen ergeben haben. Weder im Rahmen klinischer Beobachtungen noch bei den jeweils ausführlichen Erhebungen der mit dem Verurteilten befasst gewesenen externen Gutachter sind Auffälligkeiten zu Tage getreten, die die Annahme einer für die Schuldfähigkeit relevanten Persönlichkeitsstörung noch länger begründen können. Insbesondere ist der Verurteilte - trotz erkennbarer Schwierigkeiten im sozialen Umgang mit Dritten - befähigt, soziale Normen zu erkennen und einzuhalten. Anhaltspunkte für eine generelle Einschränkung der Impulskontrolle haben sich im Unterbringungsverlauf nicht gezeigt. Auch im Rahmen der sexuellen Kontakte, die der Verurteilte zu jüngeren Mitpatienten unterhalten hat, sind keine impulsiven bzw. ungesteuerten sexuellen Verhaltensweisen berichtet oder beobachtet worden (vgl. u.a. die Stellungnahme der Unterbringungseinrichtung vom 22.08.2006, Bl. 138 ff. d.A.). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem - allerdings auffälligen - Umstand, dass der Verurteilte nur wenige Tage nach seiner Bewährungsentlassung den Versuch unternommen hat, ein Kind in seine Wohnung zu locken. Sein diesbezügliches Verhalten war geprägt von einem planvollen, gesteuerten und zielgerichteten Vorgehen. Der Verurteilte war durchaus in der Lage, die Ablehnung des ersten von ihm angesprochenen Kindes zu akzeptieren und zuzuwarten, bis sich ihm eine günstigere Gelegenheit bot. Hinweise darauf, dass er bei diesen Handlungen einschießende Impulse nicht in ausreichendem Maß hat steuern können, lassen sich diesem Verhalten nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. nicht entnehmen. Diese Einschätzung korreliert mit den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. K. (Gutachten vom 18.05.2015, S. 69 ff.), der mit Blick auf das kontrollierte und zielgerichtet-manipulativ gefärbte Vorgehen des Verurteilten im Rahmen des Tatgeschehens abweichend von der Bewertung der Sachverständigen Dr. S. bereits für den Tatzeitpunkt eine Störung der Fähigkeit zur Impulskontrolle ausgeschlossen hat. Vor diesem Hintergrund bedurfte es der Einholung eines neurobiologischen Sachverständigengutachtens, wie vom Verurteilten in seiner Eingabe vom 28. November 2017 beantragt, nicht.

21

Soweit im Anlassurteil depressive Verstimmungszustände des Verurteilten beschrieben sind, ist im Verlauf der Unterbringung deutlich geworden, dass diesen nicht eine besondere emotionale Labilität zugrunde gelegen hat. Nachdem im Rahmen des Unterbringungsverlaufs solche Gemütszustände bei dem Verurteilten nicht mehr beobachtet werden konnten, sind sie aus heutiger Sicht als lediglich reaktive, rein situativ veranlasste Stimmungszustände zu bewerten, die nunmehr keinen Einfluss auf die Fähigkeit zur Selbstregulation des Verurteilten haben. Bereits der Sachverständige Dr. S. hat nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass den vom Verurteilten geäußerten depressiv-anmutenden Gedanken ebenso wie den im späteren Freiheitsentzug gezeigten Agieren mit Suizidalität eine demonstrative Komponente beiwohnte (Gutachten vom 31.07.2006, S. 64). Bei dem Verurteilten ist damit im Laufe der Unterbringung mittlerweile ein Zustand eingetreten, der ihn gegenüber der im Anlassurteil beschriebenen Psychopathologie deutlich reifer, gefestigter, zielstrebiger und leistungsorientierter erscheinen lässt.

22

cc) Das damit einzig noch verbleibende Störungsbild einer Paraphilie rechtfertigt nicht die rechtliche Einordnung als schwere andere seelische Abartigkeit i.S.v. §§ 20, 21 StGB.

23

(a) Ob eine sexuelle Devianz - hier in Form einer Pädophilie - einen Ausprägungsgrad erreicht, der dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit zugeordnet werden kann und dann regelmäßig eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nahelegt (dazu BGH, Urteil vom 25.03.2015 - 2 StR 409/14, NStZ 2015, 688), ist aufgrund einer Gesamtschau der Täterpersönlichkeit und seiner Taten zu beurteilen (BGH, Urteil vom 26.05.2010 - 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; ebenso bereits BGH, Beschluss vom 10.10.2000 - 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244). Dabei kommt es darauf an, ob die sexuellen Neigungen die Persönlichkeit des Täters so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufzubringen vermag (BGH, Urteil vom 15.03.2016 - 1 StR 526/15, juris Rn. 14; Beschluss vom 12.12.2017 - 2 StR 414/17, juris Rn. 2; OLG Braunschweig, Beschluss vom 29.06.2015 - 1 Ws 133/15, juris Rn. 14; OLG Hamm, Beschluss vom 04.04.2016 - III-4 Ws 69/16, juris Rn. 26). Daher ist nicht jedes abweichende Sexualverhalten, selbst wenn es zwangsläufig nur unter Verletzung strafrechtlich geschützter Rechtsgüter umgesetzt werden kann, ohne Weiteres gleichzusetzen mit einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB. Es ist vielmehr abzugrenzen von einer lediglich gestörten sexuellen Entwicklung, die als allgemeine Störung der Persönlichkeit, des Sexualverhaltens oder der Anpassung nicht den Schweregrad einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 21 StGB erreicht. Hingegen kann die Steuerungsfähigkeit etwa dann beeinträchtigt sein, wenn abweichende Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz, durch Ausbau des Raffinements und durch gedankliche Einengung auf diese Praktiken auszeichnen (BGH, Beschluss vom 06. Juli 2010 - 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304, 305; vgl. a. Boetticher/Nedopil/Saß NStZ 2005, 57, 61).

24

(b) Solche, im Ausprägungsgrad mit den Folgen psychischer Krankheit vergleichbare massive Störungen im Persönlichkeitsgefüge, hat der Sachverständige mit überzeugenden Gründen verneint. Weder ist noch war eine zunehmende Beherrschung des Erlebens durch eine progrediente Zunahme und "Überflutung" aufgrund dranghaft erlebter paraphiler Impulse mit einem Ausbleiben der Satisfaktion zu erkennen, noch fehlt es dem Verurteilten an anderen Formen der soziosexuellen Befriedigung. Der Alltag des Verurteilten war und ist nicht auf die Erfüllung der devianten Sexualität fixiert. Er war vor der Inhaftierung in der Lage, eine Ausbildung erfolgreich zu beenden und einer Berufstätigkeit nachzugehen. Auch im Vollzug war der Verurteilte nicht in auffallender Weise auf die Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse eingeengt. Er war vielmehr in der Lage, im Vollzug die mittlere Reife und das Abitur zu erlangen sowie ein zeitintensives Fernstudium aufzunehmen. Jenseits des Umgangs mit devianten Phantasien zeigt der Verurteilte damit eine durchaus adäquate und in großen Teilen realistische Zukunftsplanung. Dass bei dem Verurteilten eine krankheitswertige Deformierung der Persönlichkeitsstruktur besteht, kann der Senat daher in Übereinstimmung mit den Ausführungen der externen Sachverständigen und der Maßregelvollzugseinrichtung ausschließen.

III.

1.

25

Mit der Entlassung des Verurteilten aus dem Vollzug der Unterbringung tritt von Gesetz wegen (§ 67d Abs. 6 S. 4 StGB) Führungsaufsicht ein. Die Anordnung ihres Nichteintritts kam nicht in Betracht. Denn es ist nicht zu erwarten, dass der Betroffene auch ohne Führungsaufsicht keine Straftaten begehen wird (hierzu unten III.3). Es handelt sich auch nicht um einen Fall der "von Anfang an" gegebenen Fehleinweisung, bei der die gesetzliche Führungsaufsicht nach § 67d Abs. 6 Satz 4 StGB nicht eintritt (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 10.09.2010 - 1 Ws 164/10, juris Rn. 23 mwN.; OLG Braunschweig, Beschluss vom 11.04.2017 - 1 Ws 66/17, juris Rn. 25). Denn das der im Anlassurteil beschriebene Defektzustand von Anfang an nicht bestanden hat, steht - wie oben dargestellt - nicht sicher fest.

2.

26

Die Zeit des Vollzugs der Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist gem. § 67 Abs. 4 StGB auf die Freiheitsstrafe anzurechnen, bis 2/3 der Strafe infolge der Anrechnung erledigt ist. Eine darüber hinausreichende Anrechnung kommt nicht in Betracht.

27

Zwar wird verbreitet vertreten, dass die Zeit der Maßregelunterbrechung analog § 51 Abs. 1 S. 1 StGB vollständig auf eine im selben Erkenntnis verhängte Strafe anzurechnen ist, wenn die Erledigung wegen einer anfänglichen Fehleinweisung erklärt worden ist (KG Berlin, Beschluss vom 27.01.2015 - 2 Ws 3/15, juris Rn. 28; s.a. Maier in MünchKomm-StGB, 3. Aufl., § 67 Rn. 124 sowie Fischer, StGB, 65. Aufl., § 67d Rn. 24a). Dies gilt jedoch nicht in Fällen, in denen die Maßregel aus anderen Gründen, etwa wegen Unverhältnismäßigkeit ihres weiteren Vollzugs (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.12.2013 - III-2 Ws 576-577/13, juris Rn. 17) oder wegen Wegfalls ihrer Voraussetzungen (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 16.05.2017 - 1 Ws 68/17, juris) ihre Erledigung gefunden hat. Letzteres ist hier der Fall. Denn der Erledigung liegt nicht die Feststellung zu Grunde, dass die Anordnungsvoraussetzungen im Zeitpunkt des Anlassurteils nicht vorgelegen hätten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Anordnungsvoraussetzungen im Laufe der Unterbringungszeit - naheliegend aufgrund Nachreifung - nachträglich in Wegfall geraten sind.

28

Soweit der Beschwerdeführer eine vollständige Anrechnung einfordert und dabei auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. März 2012 (2 BvR 2258/09, juris Rn. 65 ff. = BVerfGE 130, 372) Bezug nimmt, geht dieser Hinweis fehl. Das Bundesverfassungsgericht hat in der zu § 67 Abs. 4 StGB in der bis 31. Juli 2016 geltenden Fassung ergangenen Entscheidung festgestellt, dass diese Vorschrift insoweit verfassungswidrig war, als sie generell eine Anrechnung der Unterbringungszeit auf verfahrensfremde Strafhaft auch in Härtefällen nicht ermöglichte. Dass die Vorschrift eine Anrechnung grundsätzlich nur bis zum 2/3-Zeitpunkt erlaubte, hat das Bundesverfassungsgericht hingegen ausdrücklich nicht beanstandet (BVerfG aaO. Rn. 63). Auch der Gesetzgeber hat bei der Neufassung der Vorschrift durch das Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des StGB und zur Änderung anderer Vorschriften vom 8. Juli 2016 (BGBl. I 1610) keinen Anlass gesehen, entsprechende Ausnahmen von der nur teilweisen Anrechnung der Unterbringungszeit einzuführen (BT-Drs. 18/7244, S. 27).

3.

29

Die Vollstreckung des nach Anrechnung verbleibenden Strafrests der Gesamtfreiheitsstrafe kann nicht zur Bewährung ausgesetzt werden.

30

a) Nach § 57 Abs. 1 StGB setzt das Gericht die Vollstreckung einer Restfreiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn es unter Abwägung der Persönlichkeit der verurteilten Person, ihres Vorlebens, der Umstände ihrer Tat, des Gewichts des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, des Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und der Wirkungen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind, dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann. Bei dieser wertenden Entscheidung kommt in Fällen eines bereits langandauernden Vollzugs dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besondere Bedeutung zu (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.12.2013 - III-2 Ws 576-577/13, juris Rn. 21). Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss vom 22.06.2012 - 2 BvR 22/12, juris Rn. 17 ff. = NStZ-RR 2012, 384) ist bei lang andauernden Unterbringungen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch im Rahmen der Prüfung der Aussetzung des Strafrests zur Bewährung gem. § 57 Abs. 1 StGB zu berücksichtigen. Im Rahmen einer "integrativen Betrachtung" hat der Tatrichter nicht nur bei der Frage, ob die Maßregel mit Blick auf deren Dauer für erledigt zu erklären ist, sondern auch bei der Prüfung der Aussetzungsvoraussetzungen von Unterbringung und Freiheitsstrafe eine wertende Entscheidung unter Gesamtwürdigung der vom Täter ausgehenden Gefahren und der (bisherigen) Dauer des Freiheitsentzugs vorzunehmen. In Fällen langandauernden Freiheitsentzuges kann unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit die negative Legalprognose allein die Ablehnung einer Bewährungsaussetzung nicht rechtfertigen. Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus mit Blick auf ihre bisherige Dauer erledigt, ist eine Strafrestaussetzung aber keineswegs obligatorisch (OLG Düsseldorf aaO. Rn. 22). Das Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des Untergebrachten und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor zu erwartenden erheblichen Rechtsgutsverletzungen verlangt vielmehr nach einem gerechten und vertretbaren Ausgleich. Bei dieser Abwägung der widerstreitenden Interessen hängt das erforderliche Maß an Gewissheit für künftig straffreies Verhalten einerseits wesentlich vom Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts ab. Diese Gewissheit wird andererseits durch die Dauer der Unterbringung wieder dahin relativiert, dass bei einem bereits langdauernden Freiheitsentzug etwaige Zweifel an einer günstigen Kriminalprognose leichter überwunden und Risiken in Kauf genommen werden müssen, um damit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der gebotenen Weise Rechnung zu tragen (OLG Braunschweig, Beschluss vom 16.05.2017 - 1 Ws 68/17, juris Rn. 34).

31

b) Die Prognose des Verurteilten ist negativ. Der Senat sieht keine realistische Chance, dass der Verurteilte bei Entlassung in Freiheit keine erheblichen Straftaten mehr begehen wird.

32

Aus den Berichten der Maßregelvollzugseinrichtung ergeben sich keine Hinweise darauf, dass im Rahmen des mehrjährigen Vollzugs ein erfolgsversprechender therapeutischer Prozess in Gang gesetzt worden wäre. Der Verurteilte hat zu keinem Zeitpunkt eine hinreichend stabile Motivation entwickelt, an problematischen eigenen Verhaltensweisen zu arbeiten. Durch die nur wenige Tage nach der Bewährungsentlassung gezeigten Weisungsverstöße (Ansprechen eines männlichen Kindes sowie eines Jugendlichen) hat er zudem nachdrücklich bewiesen, dass er nicht willens ist, sich an Kontaktverbote in Bezug auf Kinder und Jugendliche zu halten, und dazu neigt, pseudo-rationale Erklärungsmodelle für sein deliktrelevantes Verhalten zu suchen. Diese erachtet er als "schicksalhafte" Ereignisse und negiert Anteile eigener Verantwortlichkeit. Auch die mit der erneuten Inhaftierung verbundenen Einschränkungen haben dem Verurteilten nach den Ausführungen des behandelnden Therapeuten Dr. A. (Anhörung vom 14.12.2015, Bl. 1312 d.A.) nicht im Sinne eines "heilsamen Schocks" zu tieferer Einsicht in ein Behandlungserfordernis gebracht. An dieser, die Erfordernisse therapeutischer Einflussnahmen ablehnenden Grundhaltung des Verurteilten hat sich auch im weiteren Unterbringungsverlauf nichts geändert. Der Verurteilte hat sich lediglich dazu bereitgefunden, das Medikament Sertralin einzunehmen, dessen triebdämpfende (Neben-)Wirkung von Seiten der Maßregelvollzugseinrichtung aber als nicht ausreichend erachtet wird. Die Leiterin der Unterbringungseinrichtung hat im Rahmen der mündlichen Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. S. am 28. März 2018 bestätigt, dass der Verurteilte seine gegenüber einer therapeutischen Bearbeitung ablehnende Haltung bis zuletzt nicht aufgegeben hat. Dass es dem Verurteilten an einer tieferen Einsicht und Bereitschaft mangelt, sich mit seinen deliktsrelevanten Persönlichkeitsanteilen auseinanderzusetzen, zeigt sich ferner darin, dass er in einem an das Landgericht Kaiserslautern gerichteten Schreiben vom 5. Februar 2016 (Bl. 1358 d.A.) sein im Anlassverfahren erklärtes Geständnis teilweise widerrufen und dem damaligen Tatopfer eine Falschbeschuldigung unterstellt hat. Ferner hat er in der von ihm persönlich verfassten Beschwerdebegründung vom 24. November 2016 ausgeführt, er halte sexuelle Handlungen mit Kindern und Jugendlichen nur bedingt für verwerflich; gegen die ihm auferlegten Bewährungsweisungen habe er "aus einer substanziierten und vertretbaren inneren Haltung heraus" verstoßen. Diese Ausführungen sind zwar ersichtlich von dem Bestreben motiviert, hierdurch die in dem angefochtenen Beschluss getroffene Annahme weiterhin beeinträchtigter Steuerungsfähigkeit entkräften zu wollen. Sie zeigen jedoch eindrücklich, dass der Verurteilte weiterhin nicht bereit ist, sich ernsthaft mit dem bei ihm vorhandenen Störungsbild auseinanderzusetzen und dazu neigt, Äußerungen zu seiner inneren Haltung vordergründig in manipulativer und zweckgerichteter Weise vorzubringen. Gleiches gilt für das Bemühen des Verurteilten, die mit dem sexuellen Missbrauch verbundenen Folgen für die Tatopfer gänzlich in Abrede zu stellen oder zumindest zu relativieren (vgl. die Eingaben des Verurteilten vom 9. Juni 2017, mit denen er die Einholung von "psychotraumatischen Sachverständigengutachten" bezüglich der Geschädigten H. und H. beantragt hat). Der Verurteilte hat nach wie vor nicht verinnerlicht, dass Sexualstraftaten zum Nachteil von Kindern - auch ohne Gewaltanwendung - regelmäßig und typischerweise eine schwerwiegende Beeinträchtigung von deren sexueller Entwicklung besorgen lassen (vgl. BT-Drs. 18/7244, S. 34 m.w.N.) und es nicht darauf ankommt, ob solche Folgen im Einzelfall tatsächlich auch eingetreten sind. Prognostisch ungünstig fällt ferner ins Gewicht, dass - worauf bereits die Strafvollstreckungskammer zutreffend hingewiesen hat - zahlreiche allgemein risikoerhöhende Umstände vorhanden sind, wie das Vorliegen einer fixierten sexuellen Devianz, eine falsche Selbsteinschätzung in Bezug auf Risikosituationen, die Begehung sexueller Seriendelikte und die Unfähigkeit, angemessene stabile Partnerschaften einzugehen, wie auch der frühe Beginn sexueller Devianz.

33

c) Der Senat schließt sich daher der überzeugend begründeten Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. S. an, die in Einklang steht mit den Empfehlungen der Unterbringungseinrichtung, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Verurteilte in Freiheit innerhalb weniger Wochen im Rahmen seiner ausgeprägten pädophilen Neigungen in gleichartige Verhaltensweisen zurückfallen wird, wie sie der Anlassverurteilung zugrunde lagen. Im Ergebnis der gebotenen Abwägung der bisherigen Dauer des Freiheitsentzugs von ca. 14 Jahren mit dem Umstand, dass ein Rückfall in hohem Maße wahrscheinlich ist sowie dem hohen Gewicht der dabei bedrohten Rechtsgütern, der ungestörten sexuellen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, überwiegen die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit an einer Vollstreckung (auch) der restlichen Freiheitsstrafe. Mildere Maßnahmen in Form von Führungsaufsichtsweisungen reichen auch unter Beachtung der bisherigen Dauer des Freiheitsentzugs nicht aus. Der Verurteilte hat im Rahmen der Bewährungsphase eindrücklich gezeigt, dass er nicht gewillt ist, sich an Kontaktverbote oder andere geeignete Weisungen zu halten.

4.

34

Die Vollstreckung der Reststrafe hat in der Justizvollzugsanstalt zu erfolgen. Zwar ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten, ob in Fällen der Erledigung der Maßregel eine (ggfs. entsprechende) Anwendung von § 67 Abs. 5 StGB erfolgen kann. Der Senat schließt sich aber der Rechtsansicht des OLG Koblenz (Beschluss vom 09.03.2015 - 1 Ws 91/15, juris Rn. 5 f.; s.a. OLG Braunschweig, Beschluss vom 16.05.2017 - 1 Ws 68/17, juris Rn. 16 ff., jew. auch zum Meinungsstand) sowie des OLG Celle (Beschluss vom 10.05.2017 - 3 Ws 240/17, juris Rn. 4) an, dass jedenfalls in der hier vorliegenden Konstellation einer wegen Wegfalls der tatsächlichen Anordnungsvoraussetzungen erfolgenden Erledigung eine Fortsetzung des "Vollzugs der Maßregel" nicht in Betracht kommt. Im Übrigen würden es auch Umstände, die in der Person des Verurteilten liegen, angezeigt erscheinen lassen, dass die Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafe im Strafvollzug erfolgt. Mit Blick auf die seit Jahren verfestigte ablehnende Haltung des Verurteilten gegenüber therapeutischen Bemühungen wäre durch eine Weiterbehandlung im Maßregelvollzug eine Besserung der Legalprognose nicht zu erwarten. Der Umstand, dass der Verurteilte die Vorzüge des Maßregelvollzugs im Hinblick auf das von ihm aufgenommene Fernstudium nicht verlieren möchte, ist in diesem Zusammenhang nicht von entscheidender Relevanz. Auch im Strafvollzug kann den Anforderungen der Berufsausbildung des Verurteilten angemessen Rechnung getragen werden.

IV.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 4 S. 1 StPO. Im Hinblick auf den Teilerfolg des Rechtsmittels wäre es unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten des Beschwerdeverfahrens zu belasten.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Diese Entscheidung wird zitiert ausblendenDiese Entscheidung wird zitiert


Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 25. Oktober 2016 aufgehoben.

2. Die durch das Urteil der 1. Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts Kaiserslautern vom 25. Mai 2004 angeordnete Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus wird für erledigt erklärt.

3. Der nach Anrechnung der Zeit der Unterbringung verbleibende Rest der im vorgenannten Urteil verhängten Gesamtfreiheitsstrafe wird nach Vollstreckung von 2/3 der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt.

4. Der Untergebrachte ist aus dem Vollzug der Maßregel zu entlassen und in die zuständige Justizvollzugsanstalt zu überstellen.

5. Die Dauer der kraft Gesetzes mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung eintretenden Führungsaufsicht (§ 67d Abs. 5 S. 2 StGB) beträgt fünf Jahre. Für die Zeit der Führungsaufsicht wird der Verurteilte der Aufsicht und Leitung eines hauptamtlichen Bewährungshelfers unterstellt (§ 68a Abs. 1 Halbs. 2 StGB).

6. Der Verurteilte hat Weisungen und Ladungen, die von Seiten der Führungsaufsichtsstelle ergehen, Folge zu leisten.

7. Dem Verurteilten werden folgende Weisungen, soweit er sich in Freiheit befindet, erteilt:

a. Er hat nach Entlassung aus der Strafhaft seine Wohnanschrift unverzüglich der Führungsaufsichtsstelle mitzuteilen sowie jeden Wechsel des Wohnsitzes und/oder des Arbeitsplatzes der Führungsaufsichtsstelle binnen drei Tagen anzuzeigen (strafbewehrte Weisung nach § 68b Abs. 1 Nr. 8 StGB).

b. Er hat spätestens bis zum dritten Werktag nach der Entlassung aus der Strafhaft mit der Bewährungshilfe Kontakt aufzunehmen und sich mindestens einmal monatlich, jeweils in der ersten Woche des Monats, bei seinem Bewährungshelfer/seiner Bewährungshelferin zu melden (strafbewehrte Weisung nach § 68b Abs. 1 Nr. 7 StGB).

8. Die weitere Ausgestaltung der Führungsaufsicht bleibt der nach § 462a Abs. 1 StPO zuständigen Strafvollstreckungskammer vorbehalten.

9. Die Belehrung des Verurteilten über die Bedeutung der Führungsaufsicht und die Folgen eines Weisungsverstoßes wird der Leiterin der Unterbringungseinrichtung übertragen. Die Belehrung hat sich auch darauf zu erstrecken, dass es sich bei den Weisungen gemäß § 68b Abs. 1 StGB um solche Weisungen handelt, die gemäß § 145a StGB strafbewehrt sind.

10. Das weitergehende Rechtsmittel des Verurteilten wird verworfen.

11. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels, allerdings wird die Gerichtsgebühr um 2/3 ermäßigt; in diesem Umfang trägt die Landeskasse auch die im Beschwerderechtszug angefallenen notwendigen Auslagen des Verurteilten.

Gründe

1

Die 1. Strafkammer - Große Jugendkammer - des Landgerichts Kaiserslautern hat den Beschwerdeführer mit Urteil vom 25. Mai 2004 des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in elf Fällen sowie des sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen schuldig gesprochen und gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verhängt. Daneben hat sie die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Maßregel wurde vom 20. Oktober 2004 bis zum 16. Juli 2015 und wird - aufgrund Anordnung einer Krisenintervention gem. § 67h StGB und Widerruf der Bewährungsaussetzung - erneut seit dem 29. Juli 2015 in der Forensischen Klinik des Pfalzklinikums Klingenmünster vollstreckt.

2

Die Große Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz hat mit Beschluss vom 25. Oktober 2016 erneut die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers angeordnet. Gegen diese, seinem Verteidiger am 10. November 2016 zugestellte Entscheidung wendet sich der Verurteilte mit seiner am 11. November 2016 beim Landgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde.

3

Das in verfahrensrechtlicher Sicht unbedenkliche Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; soweit es auf eine unmittelbare Entlassung des Verurteilten in Freiheit gerichtet ist, ist es indes nicht begründet.

I.

1.

4

a) Nach den im Anlassverfahren getroffenen Feststellungen fühlte sich der Verurteilte bereits ab dem Alter von ca. zehn Jahren sexuell zu jüngeren bzw. gleichaltrigen Jungen hingezogen. An dieser Präferenz hatte sich, auch was das Alter der Kinder betrifft, bis zum Zeitpunkt der Verurteilung nichts geändert. Erste sexualbezogene Kontakte zu unter 14 Jahre alten Jungen nahm der Verurteilte im Alter von ca. 13 Jahren auf. Auch im weiteren Lebensverlauf nahmen homo- oder heterosexuelle Beziehungen zu jeweils gleichaltrigen oder älteren Partnern in der sexuellen Ausrichtung des Verurteilten keinen wesentlichen Raum ein. Im Alter von ca. 20 Jahren verstärkte sich vielmehr der Drang, Beziehungen zu präpubertären Knaben aufzubauen und in diesem Rahmen nicht nur eine vermeintlich gleichberechtigte Partnerschaft zu erfahren, sondern darin auch sexuelle Wünsche und Begierden auszuleben.

5

b) Im Oktober des Jahres 2002 lernte der Verurteilte den damals 11-jährigen Sonderschüler S. H. über ein 15 bzw. 16 Jahre altes Bruderpaar kennen. Der Verurteilte unternahm mit S. H. und den beiden Jugendlichen zahlreiche Freizeitaktivitäten. Wiederholt kam es in der Wohnung des Verurteilten auch zu gegenseitigen sexuellen Handlungen, die sowohl manuellen, als auch oralen und analen Verkehr umfassten. Im Laufe der Zeit nahm die Häufigkeit der Besuche des Kindes bei dem Verurteilten zu, teilweise verbrachte es gesamte Wochenenden in dessen Wohnung. Erst als ihm seine Eltern im Januar 2003 den Umgang mit dem Verurteilten verboten, brach S. H. den Kontakt ab. Der Verurteilte reagierte auf die erzwungene Trennung mit depressiven Verstimmungen und übermäßigem Alkoholkonsum. Vom 18. Januar 2003 bis 18. Februar 2003 unterzog er sich deshalb einer stationären Behandlung im Pfalzklinikum, wo er gegenüber den dortigen Behandlern seine pädophilen Neigungen offenbarte. Nach der Entlassung suchte und fand der Verurteilte den erneuten Kontakt zu S. H. Obwohl er mittlerweile von der Polizei wegen des Verdachts des Kindesmissbrauchs vernommen worden war, gestaltete der Verurteilte die Beziehung zu dem Kind in gleicher Weise wie zuvor. Es kam zu weiteren sexuellen Handlungen zum Nachteil des S. H., wobei der Verurteilte teilweise noch einen gleichaltrigen Schulfreund des Kindes mit einbezog.

6

c) Die durch die Sachverständige Dr. S. sachverständig beratene Strafkammer ist davon ausgegangen, dass die Schuldfähigkeit des Verurteilten bei Begehung dieser Taten aufgrund einer sog. Kernpädophilie erheblich eingeschränkt gewesen war. Diese sei nicht allein durch das verfestigte Bestreben des Verurteilten gekennzeichnet, sexuelle Befriedigung durch Intimverkehr mit kindlichen Partnern zu erlangen. Ihm sei es vielmehr auch darum gegangen, in die kindliche Erlebniswelt "einzutauchen". Könne er aufgrund fehlender Möglichkeiten diese Bedürfnisse nicht stillen, reagiere er mit depressiven Verstimmungszuständen. Diese Persönlichkeitsstörung in Form einer sexuellen Deviation stelle in juristischer Hinsicht eine andere seelische Abartigkeit dar, die den Grad einer krankhaften seelischen Störung erreicht habe. Dass es dem Verurteilten erheblich schwerer falle, seinen Impulsen zu widerstehen, werde eindrücklich durch den Umstand belegt, dass er trotz Kenntnis des gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahrens seine sexuelle Ausrichtung weiterhin mit S. H. und letztlich auch mit dessen Schulfreund ausgelebt habe. Dieser Einschätzung stehe das mit dem Anbahnen entsprechender Kontakte verbundene Planungsvermögen und koordinierte Vorgehen nicht entgegen. Zu verweisen sei auf die in zeitlicher Hinsicht langfristige Übung und Gewöhnung des Verurteilten entgegen seiner vorhandenen Unrechtseinsicht zu handeln und hierfür in rationalisierender Weise entschuldigende Erklärungsmodelle zur Rechtfertigung seiner Verhaltensweisen zu finden. Angesichts dessen, dass es dem Verurteilten ohnehin vergleichsweise schwerer falle, seinen Impulsen zu widerstehen, zeige sein ambivalentes Verhältnis zu seinen Handlungen, dass es ihm nicht gelungen sei, rationale Kontrollmechanismen aufzubauen, um eine zukünftige Wiederholung des gezeigten Verhaltens zu verhindern. In Folge dessen sei mit gleich gelagerten und damit erheblichen Straftaten des Verurteilten zu rechnen.

7

d) Das im Anlassverfahren erstattete schriftliche Gutachten der Sachverständigen Dr. S. vom 7. November 2003 (dort S. 38 f.) enthält zur psychiatrischen Einschätzung folgende Ausführungen:

8

"Insbesondere ist deutlich geworden, dass der Angeklagte sich in der kindlichen Erlebniswelt wohlfühlt, Kinder als ebenbürtig erlebt und dabei selber den Eindruck eines unreifen und auf seine egozentrische Bedürfnisbefriedigung fixierten jungen Mannes vermittelt. (..) Die pädosexuellen Neigungen sind seit sehr langer Zeit bei dem Probanden bekannt und haben früh dazu geführt, dass er mit dem Gesetz in Konflikt kam und dass er psychische Auffälligkeiten in Form von depressiven Verstimmungszuständen und Auffälligkeiten in der Impulskontrolle, wie bei den Brandstiftungsdelikten, und in Form eines Konflikttrinkens zeigte. Insofern ist aus psychiatrischer Sicht diese Erkrankung unter das Eingangsmerkmal der §§ 20, 21 StGB einer anderen schweren seelischen Abartigkeit zu subsumieren. Aus psychiatrischer Sicht liegen keine anderen Erkrankungen vor, durch die eines der anderen Eingangsmerkmale als erfüllt anzusehen wäre. (...) Im Hinblick auf die Steuerungsfähigkeit ergibt sich folgende Einschätzung: Sicherlich wird man einerseits annehmen können, dass das Herstellen der Kontakte zu den Kindern auch ein gewisses Planungsvermögen erfordert. Andererseits wird deutlich, dass man es hier mit einem devianten Verhalten zu tun hat, das bereits präpubertär bestand und sich in den letzten Jahren fixiert hat. Herr X selber erlebte sich als ohnmächtig gegenüber seinen pädophilen Neigungen, und hat mehrfach bekundet, dass er diese wie eine "Sucht" erlebt und bei sexuellen Kontakten mit Kindern "über Konsequenzen nicht mehr nachgedacht" hat. (..) Zu berücksichtigen ist insgesamt, dass bei Herrn X ein erhebliches Maß an Impulsivität vorliegt (...). Man wird davon ausgehen können, dass es ihm schwerer als der Durchschnittsbevölkerung fällt, seinen Impulsen zu widerstehen. Die Sachverständigen haben hier den Eindruck gewonnen, dass der Proband nicht in der Lage war, genügend Hemmungen aufzubauen, die ihn an der Ausübung seiner sexuellen Neigung hinderte."

2.

9

Die Große Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz hat nach Einholung und unter Verwertung eines externen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. K. (vom 18. Mai 2015) mit Beschluss vom 1. Juli 2015 die Maßregel zur Bewährung ausgesetzt und dem Verurteilten Führungsaufsichtsweisungen erteilt. Unter anderem wurde dem Verurteilten untersagt, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen, der über das im Alltag übliche Maß hinausgeht, sowie mit ihnen zu verkehren, insbesondere Minderjährige persönlich anzusprechen oder mit ihnen über soziale Netzwerke zu kommunizieren. Nach der Entlassung aus dem Maßregelvollzug am 20. Juli 2015 nahm der Verurteilte zunächst Wohnung bei seiner Mutter. Bereits am 25. Juli 2015 bot der Verurteilte im Stadtbereich von Kaiserslautern einem 12-jährigen Jungen Geld an, wenn dieser ihn in seine Wohnung begleiten und sich von ihm fotografieren lassen würde. Noch am selben Tag sprach der Verurteilte einen 14-jährigen Jungen an und bot diesem ebenfalls Geld, wenn er mit zu ihm nach Hause komme. Der Verurteilte hat im Rahmen eines am 22. September 2015 durchgeführten Anhörungstermins gegenüber der Strafvollstreckungskammer die beiden Vorfälle eingeräumt und erklärt, er habe seine "Erfolgsaussichten ausloten" wollen. Am 28. Juli 2015 wurde der Verurteilte aufgrund eines Sicherungsunterbringungsbefehls der Strafvollstreckungskammer erneut in das Pfalzklinikum verbracht. Dort wird die Maßregel seitdem - zunächst auf Grundlage von § 67h Abs. 1 StGB und anschließend nach Widerruf der Bewährungsaussetzung - erneut ununterbrochen vollstreckt.

10

Am 25. Oktober 2016 hat die Große Strafvollstreckungskammer den Verurteilten durch den beauftragen Richter angehört und am selben Tag die Fortdauer seiner Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Zur Begründung hat sie u.a. ausgeführt, es sei auch in Zukunft mit ähnlichen Verhaltensweisen zu rechnen, wie sie der Verurteilte im Juli 2015 gezeigt habe. Bei einer Entlassung in Freiheit sei davon auszugehen, dass seine emotionalen Bedürfnisse früher oder später wieder Oberhand gewönnen und rationale Aspekte immer weniger handlungsleitend würden. Es seien deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit erneute einschlägige Taten zu erwarten. Für eine Rückfallgefahr spreche das Vorliegen einer fixierten sexuellen Devianz, sexuelle Seriendelikte, falsche Selbsteinschätzung bezüglich Risikosituationen, die Unfähigkeit, angemessene stabile Partnerschaften einzugehen und ein früher Beginn der sexuellen Entwicklung.

11

Der Senat hat mit Beschluss vom 15. März 2017 ein schriftliches forensisch-psychiatrischen Sachverständigengutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie, Schwerpunkt Forensische Psychiatrie, Prof. Dr. S. eingeholt. Am 28. März 2018 hat der Senat den Sachverständigen mündlich angehört; auf den Vermerk des Senatsvorsitzenden vom 28. März 2018 wird Bezug genommen.

II.

12

Die Voraussetzungen des § 63 StGB für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus liegen nicht mehr vor, weshalb die Maßregel gemäß § 67d Abs. 6 S. 1 StGB für erledigt zu erklären ist.

1.

13

Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus als Maßregel der Besserung und Sicherung (§ 63 StGB) ist nach § 67d Abs. 6 S. 1 1. Alt. StGB für erledigt zu erklären, wenn im Vollstreckungsverfahren die Feststellung getroffen werden kann, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen. Die Erledigung setzt daher voraus, dass sich nach Beginn der Unterbringungsvollstreckung herausstellt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen ihrer Anordnung entweder von Anfang an nicht bestanden haben oder nachträglich weggefallen sind (OLG Braunschweig, Beschluss vom 11.04.2017 - 1 Ws 66/17, juris Rn. 21; Rissing-van Saan/Peglau in LK-StGB, 12. Aufl., § 67d Rn. 49). Dies kann darauf beruhen, dass der Defektzustand, auf Grund dessen die Unterbringung angeordnet worden ist, überhaupt nicht vorgelegen hat oder (jedenfalls) im Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr besteht, oder dass die von § 63 StGB vorausgesetzte Gefährlichkeit des Untergebrachten nicht (mehr) besteht. Eine Erledigung wegen Fehlens der materiellen Unterbringungsvoraussetzungen hat jedoch nur zu erfolgen, wenn mit Sicherheit festgestellt werden kann, dass der im Anlassurteil zugrunde gelegte Zustand oder die hieraus gefolgerte Gefährlichkeit von Anfang an nicht bestanden haben oder jedenfalls im Überprüfungszeitpunkt nicht mehr bestehen. Ist dies dagegen lediglich zweifelhaft, kommt eine Erledigung nicht in Betracht (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 08.02.2007 - I Ws 438/06, juris Rn. 5; OLG Braunschweig, Beschluss vom 29.06.2015 - 1 Ws 133/15, juris Rn. 12 sowie nachfolgend: BVerfG, Kammerbeschluss vom 16.08.2017 - 2 BvR 1496/15, juris). Gleiches gilt, wenn im Unterbringungsverlauf lediglich eine graduelle Besserung des Zustandes mit der Folge entsprechend geringerer Gefährlichkeit eingetreten ist, der die Maßregelanordnung rechtfertigende Zustand dem Grunde nach aber fortbesteht (Senat, Beschluss vom 28. Juli 2010, 1 Ws 195/10, juris Rn. 6; Veh in MünchKomm-StGB, 2. Aufl., § 67d Rn. 27). In diesem Zusammenhang spielt es keine Rolle, ob der Zustand nach geänderter Wertung noch von einer Art und Dauer ist, dass er die Anordnung der Maßregel rechtfertigen kann bzw. gerechtfertigt hätte (Rissing-van Saan/Peglau aaO. § 67d Rn. 53). Auch eine Fehleinweisung, die allein auf Rechtsfehlern des Tatgerichts, nicht aber (zugleich) auf einer fehlerhaften Tatsachengrundlage fußt, kann nach der - jedenfalls überwiegenden - obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. die Nachweise bei Rissing-van Saan/Peglau aaO. § 67d Rn. 56 Fn. 97 sowie Veh aaO. § 67d Rn. 30 Rn. 145, dort auch zur Gegenansicht; s.a. EuGH, Urteil vom 16.05.2013 - 20084/07, NJW 2014, 369 sowie BVerfG, Beschluss vom 19.10.2006 - 2 BvR 1486/06, NStZ-RR 2007, 29, 30) eine Erledigung nach § 67d Abs. 6 StGB nicht tragen. Das Vollstreckungsgericht darf eine unveränderte Tatsachengrundlage nicht neu bewerten und so zu der Annahme gelangen, dass ein Defektzustand im Sinne der §§ 20, 21 StGB oder eine die Unterbringung rechtfertigende Gefährlichkeit nie bestanden haben (Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 10.09.2010 - 1 Ws 164/10, juris Rn. 14; OLG Braunschweig, Beschluss vom 11.04.2017 - 1 Ws 66/17, juris Rn. 22). Denn bei der rechtlichen Zuordnung der tatsächlichen Feststellungen zu den Merkmalen der §§ 20, 21 StGB handelt es sich um einen juristischen Subsumtionsvorgang, der der Rechtskraft fähig ist (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 20.11.2014 - 2 BvR 2774/12, juris Rn. 41 f. und vom 16.08.2017 - 2 BvR 1496/15, juris Rn. 25). Eine nachträgliche Korrektur solcher, auf rein rechtlichem Gebiet liegender Fehler im Anlassurteil erlaubt die Vorschrift bei im Wesentlichen unverändert gebliebener Tatsachengrundlage daher nicht.

2.

14

Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für eine Fortdauer der Maßregel nicht vor. Denn es steht unter Berücksichtigung der überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. S. und Prof. Dr. K. sowie den Äußerungen der Unterbringungseinrichtung fest, dass der von der Strafkammer des Landgerichts Kaiserslautern der Unterbringungsanordnung tragend zugrunde gelegte Defektzustand nicht mehr besteht.

15

a) Zwar haben sämtliche der im Verfahren hinzugezogenen forensisch-psychiatrischen Sachverständigen einhellig hervorgehoben, dass an der im Anlassurteil festgestellten Diagnose einer Pädophilie (ICD-10: F65.4) mit homosexueller Ausrichtung und stabiler Präferenz für Jungen in der Pubertät festzuhalten ist (vgl. die schriftlichen Gutachten Dr. S. vom 31.07.2006, S. 54, Dr. L. vom 05.02.2010, S. 44 sowie Prof. Dr. K. vom 18.05.2015, S. 65 ff.). Diese hat auch gegenüber dem Umstand bestand, dass der Verurteilte - jedenfalls nach seinen Angaben - sporadische Beziehungen zu jüngeren, wenn auch erwachsenen Männern unterhalten und weibliche Prostituierte aufgesucht hat. Denn dass präpubertäre Jungen im Vordergrund seiner sexuellen Ausrichtung stehen, wird nach den schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. sowohl durch die Eigenschilderungen des Verurteilten, als auch den Rückfall in alte Verhaltensweisen nur wenige Tage nach der Bewährungsentlassung belegt.

16

b) Die Strafkammer des Landgerichts Kaiserslautern hat in ihrem Urteil vom 25. April 2004 die Steuerungsfähigkeit des Verurteilten jedoch nicht (allein) wegen dessen sexueller Disposition und Fixierung auf präpubertäre Knaben für erheblich eingeschränkt gehalten. Den Gründen des Urteils und - dies noch in stärkerem Maße - den hierbei verwerteten Ausführungen der Sachverständigen Dr. S. im schriftlichen Gutachten vom 7. November 2003 ist vielmehr zu entnehmen, dass die Strafkammer die Annahme einer Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens maßgeblich auf die im Tatzeitpunkt vorhandenen unreifen Persönlichkeitszüge des Verurteilten sowie dessen herabgesetzte Fähigkeit zur Impulskontrolle gestützt hat. Der Sachverständige Prof. Dr. S. hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 21. Januar 2018 in überzeugender Weise erläutert, dass diese im Anlassurteil tragend herangezogenen Einschränkungen im Persönlichkeitsgefüge des Verurteilten in Bezug auf Reife und Impulskontrolle heute nicht mehr feststellbar sind. Auch im Übrigen ergäben sich aus der gegenwärtigen Analyse über die bei dem Verurteilten gegebene, recht tief eingeschliffene, dauerhafte und als ich-synton empfundene Pädophilie hinaus keine wesentlichen Deformierungen des Persönlichkeitsgefüges, welche die Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit i.S.v. §§ 20, 21 StGB tragen könnten. An dieser Auffassung hat der Sachverständigen auch im Rahmen seiner mündlichen Anhörung festgehalten.

17

c) Diesen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. schließt sich der Senat an. Sie beinhalten nicht lediglich eine geänderte diagnostische Bewertung derjenigen Anknüpfungstatsachen, die bereits dem Anlassurteil zugrunde gelegen haben.

18

aa) Ob bei ansonsten unveränderter Tatsachengrundlage eine gegenüber dem im Anlassverfahren erstatteten Gutachten geänderte diagnostische Bewertung der damals zugrunde gelegten Anknüpfungstatsachen für sich genommen bereits eine Erledigung rechtfertigen kann, erscheint - soweit ersichtlich - in der obergerichtlichen Rechtsprechung zwar nicht abschließend geklärt (verneinend: Hanseatisches OLG Bremen, Beschluss vom 24.09.2010 - Ws 90/10; inzident bejahend: OLG Rostock, Beschluss vom 16.01.2017 - 20 Ws 173/16, juris Rn. 27; OLG Hamm, Beschluss vom 18.07.2017 - 4 Ws 305/16, juris Rn. 12 sowie ähnlich: Thüringer OLG, Beschluss vom 10.09.2010 - 1 Ws 164/10, juris Rn. 15 und OLG Braunschweig, Beschluss vom 11.04.2017 - 1 Ws 66/17, juris Rn. 22). Der Senat neigt insoweit der Auffassung zu, dass es nicht darauf ankommt, ob die im Anlassurteil zugrunde gelegte diagnostische Bewertung zutreffend ist. Denn die diagnostische Einschätzung allein kann niemals Grundlage für die Beurteilung sein, ob die Schuldfähigkeit des Täters in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt gewesen war. Entscheidend sind vielmehr der Ausprägungsgrad der Störung und der Einfluss der dadurch bedingten psychopathologischen Verhaltensmuster auf die psychische Funktionsfähigkeit des Verurteilten bei Tatbegehung (st. Rspr. vgl. BGH, Beschluss vom 29.05.2012 - 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306; Urteil vom 25.03.2015 − 2 StR 409/14, NStZ 2015, 688). Nimmt das Gericht im Erkenntnisverfahren auf Grund einer - auch gegenüber neueren Erkenntnissen im Vollstreckungsverfahren - hinsichtlich Art und Umfang der Auswirkungen zutreffend erfassten Tatsachengrundlage einen Zustand im Sinne von §§ 20, 21 StGB an, so handelt es sich hierbei um eine Rechtsfrage, die im Vollstreckungsverfahren nicht abweichend beurteilt werden kann (Hanseatisches OLG Bremen aaO. Rn. 25; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 22.10.2002 - 2 Ws 572/02, NStZ 2003, 222, 223). Die Frage kann letztlich aber dahinstehen. Denn das Zustandsbild des Verurteilten hat gegenüber dem Zeitpunkt der Anlasstaten signifikante Änderungen erfahren. Der Sachverständige Prof. Dr. S. hat seine gegenüber der im Anlassverfahren gehörten Sachverständigen abweichende forensisch-psychiatrische Beurteilung maßgeblich auf die im langjährigen Unterbringungsverlauf gezeigte Entwicklung des Verurteilten und die von der Maßregelvollzugseinrichtung in diesem Zusammenhang erhobenen Befunde gestützt.

19

bb) Der Senat hat seiner Entscheidung die im Ausgangsurteil getroffene Wertung zugrunde zu legen, dass es dem Verurteilten im Zeitpunkt der Anlasstaten "erheblich schwerer" fiel, seinen Impulsen zu widerstehen. Diese ist, in Verbund mit dem von der Sachverständigen Dr. S. im Gutachten vom 7. November 2003 beschriebenen Eindruck eines unreifen und egozentrisch fixierten Persönlichkeitsgefüges - aus der damaligen Perspektive -, auch durchaus nachvollziehbar und jedenfalls nicht mit Sicherheit widerlegbar. Auch der Sachverständige Prof. Dr. S. hat mit Blick auf die Sachbeschädigungs- und Brandlegungsdelikte der späteren Jugendzeit des Verurteilten, die zum Zeitpunkt der Taten erst vergleichsweise kurz zurücklagen, das im Anlassurteil zugrunde gelegte Störungsbild für zwar nicht überzeugend begründet, dennoch aber - aus der damaligen Perspektive heraus - für jedenfalls nicht "deutlich fehlerhaft" gehalten.

20

cc) Der Sachverständige hat unter sorgfältiger Auswertung der im Rahmen des langjährigen Unterbringungsverlaufs gefertigten Stellungnahmen der Maßregelvollzugseinrichtung aber auch zutreffend darauf hingewiesen, dass sich im Rahmen des mittlerweile über 13 Jahre dauernden Vollzugs bei dem Verurteilten keine Hinweise auf den Fortbestand einer relevanten Störung der Impulskontrolle in Bezug auf sexuelle Verhaltensweisen ergeben haben. Weder im Rahmen klinischer Beobachtungen noch bei den jeweils ausführlichen Erhebungen der mit dem Verurteilten befasst gewesenen externen Gutachter sind Auffälligkeiten zu Tage getreten, die die Annahme einer für die Schuldfähigkeit relevanten Persönlichkeitsstörung noch länger begründen können. Insbesondere ist der Verurteilte - trotz erkennbarer Schwierigkeiten im sozialen Umgang mit Dritten - befähigt, soziale Normen zu erkennen und einzuhalten. Anhaltspunkte für eine generelle Einschränkung der Impulskontrolle haben sich im Unterbringungsverlauf nicht gezeigt. Auch im Rahmen der sexuellen Kontakte, die der Verurteilte zu jüngeren Mitpatienten unterhalten hat, sind keine impulsiven bzw. ungesteuerten sexuellen Verhaltensweisen berichtet oder beobachtet worden (vgl. u.a. die Stellungnahme der Unterbringungseinrichtung vom 22.08.2006, Bl. 138 ff. d.A.). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem - allerdings auffälligen - Umstand, dass der Verurteilte nur wenige Tage nach seiner Bewährungsentlassung den Versuch unternommen hat, ein Kind in seine Wohnung zu locken. Sein diesbezügliches Verhalten war geprägt von einem planvollen, gesteuerten und zielgerichteten Vorgehen. Der Verurteilte war durchaus in der Lage, die Ablehnung des ersten von ihm angesprochenen Kindes zu akzeptieren und zuzuwarten, bis sich ihm eine günstigere Gelegenheit bot. Hinweise darauf, dass er bei diesen Handlungen einschießende Impulse nicht in ausreichendem Maß hat steuern können, lassen sich diesem Verhalten nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. nicht entnehmen. Diese Einschätzung korreliert mit den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. K. (Gutachten vom 18.05.2015, S. 69 ff.), der mit Blick auf das kontrollierte und zielgerichtet-manipulativ gefärbte Vorgehen des Verurteilten im Rahmen des Tatgeschehens abweichend von der Bewertung der Sachverständigen Dr. S. bereits für den Tatzeitpunkt eine Störung der Fähigkeit zur Impulskontrolle ausgeschlossen hat. Vor diesem Hintergrund bedurfte es der Einholung eines neurobiologischen Sachverständigengutachtens, wie vom Verurteilten in seiner Eingabe vom 28. November 2017 beantragt, nicht.

21

Soweit im Anlassurteil depressive Verstimmungszustände des Verurteilten beschrieben sind, ist im Verlauf der Unterbringung deutlich geworden, dass diesen nicht eine besondere emotionale Labilität zugrunde gelegen hat. Nachdem im Rahmen des Unterbringungsverlaufs solche Gemütszustände bei dem Verurteilten nicht mehr beobachtet werden konnten, sind sie aus heutiger Sicht als lediglich reaktive, rein situativ veranlasste Stimmungszustände zu bewerten, die nunmehr keinen Einfluss auf die Fähigkeit zur Selbstregulation des Verurteilten haben. Bereits der Sachverständige Dr. S. hat nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass den vom Verurteilten geäußerten depressiv-anmutenden Gedanken ebenso wie den im späteren Freiheitsentzug gezeigten Agieren mit Suizidalität eine demonstrative Komponente beiwohnte (Gutachten vom 31.07.2006, S. 64). Bei dem Verurteilten ist damit im Laufe der Unterbringung mittlerweile ein Zustand eingetreten, der ihn gegenüber der im Anlassurteil beschriebenen Psychopathologie deutlich reifer, gefestigter, zielstrebiger und leistungsorientierter erscheinen lässt.

22

cc) Das damit einzig noch verbleibende Störungsbild einer Paraphilie rechtfertigt nicht die rechtliche Einordnung als schwere andere seelische Abartigkeit i.S.v. §§ 20, 21 StGB.

23

(a) Ob eine sexuelle Devianz - hier in Form einer Pädophilie - einen Ausprägungsgrad erreicht, der dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit zugeordnet werden kann und dann regelmäßig eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nahelegt (dazu BGH, Urteil vom 25.03.2015 - 2 StR 409/14, NStZ 2015, 688), ist aufgrund einer Gesamtschau der Täterpersönlichkeit und seiner Taten zu beurteilen (BGH, Urteil vom 26.05.2010 - 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; ebenso bereits BGH, Beschluss vom 10.10.2000 - 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244). Dabei kommt es darauf an, ob die sexuellen Neigungen die Persönlichkeit des Täters so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufzubringen vermag (BGH, Urteil vom 15.03.2016 - 1 StR 526/15, juris Rn. 14; Beschluss vom 12.12.2017 - 2 StR 414/17, juris Rn. 2; OLG Braunschweig, Beschluss vom 29.06.2015 - 1 Ws 133/15, juris Rn. 14; OLG Hamm, Beschluss vom 04.04.2016 - III-4 Ws 69/16, juris Rn. 26). Daher ist nicht jedes abweichende Sexualverhalten, selbst wenn es zwangsläufig nur unter Verletzung strafrechtlich geschützter Rechtsgüter umgesetzt werden kann, ohne Weiteres gleichzusetzen mit einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB. Es ist vielmehr abzugrenzen von einer lediglich gestörten sexuellen Entwicklung, die als allgemeine Störung der Persönlichkeit, des Sexualverhaltens oder der Anpassung nicht den Schweregrad einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 21 StGB erreicht. Hingegen kann die Steuerungsfähigkeit etwa dann beeinträchtigt sein, wenn abweichende Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz, durch Ausbau des Raffinements und durch gedankliche Einengung auf diese Praktiken auszeichnen (BGH, Beschluss vom 06. Juli 2010 - 4 StR 283/10, NStZ-RR 2010, 304, 305; vgl. a. Boetticher/Nedopil/Saß NStZ 2005, 57, 61).

24

(b) Solche, im Ausprägungsgrad mit den Folgen psychischer Krankheit vergleichbare massive Störungen im Persönlichkeitsgefüge, hat der Sachverständige mit überzeugenden Gründen verneint. Weder ist noch war eine zunehmende Beherrschung des Erlebens durch eine progrediente Zunahme und "Überflutung" aufgrund dranghaft erlebter paraphiler Impulse mit einem Ausbleiben der Satisfaktion zu erkennen, noch fehlt es dem Verurteilten an anderen Formen der soziosexuellen Befriedigung. Der Alltag des Verurteilten war und ist nicht auf die Erfüllung der devianten Sexualität fixiert. Er war vor der Inhaftierung in der Lage, eine Ausbildung erfolgreich zu beenden und einer Berufstätigkeit nachzugehen. Auch im Vollzug war der Verurteilte nicht in auffallender Weise auf die Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse eingeengt. Er war vielmehr in der Lage, im Vollzug die mittlere Reife und das Abitur zu erlangen sowie ein zeitintensives Fernstudium aufzunehmen. Jenseits des Umgangs mit devianten Phantasien zeigt der Verurteilte damit eine durchaus adäquate und in großen Teilen realistische Zukunftsplanung. Dass bei dem Verurteilten eine krankheitswertige Deformierung der Persönlichkeitsstruktur besteht, kann der Senat daher in Übereinstimmung mit den Ausführungen der externen Sachverständigen und der Maßregelvollzugseinrichtung ausschließen.

III.

1.

25

Mit der Entlassung des Verurteilten aus dem Vollzug der Unterbringung tritt von Gesetz wegen (§ 67d Abs. 6 S. 4 StGB) Führungsaufsicht ein. Die Anordnung ihres Nichteintritts kam nicht in Betracht. Denn es ist nicht zu erwarten, dass der Betroffene auch ohne Führungsaufsicht keine Straftaten begehen wird (hierzu unten III.3). Es handelt sich auch nicht um einen Fall der "von Anfang an" gegebenen Fehleinweisung, bei der die gesetzliche Führungsaufsicht nach § 67d Abs. 6 Satz 4 StGB nicht eintritt (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 10.09.2010 - 1 Ws 164/10, juris Rn. 23 mwN.; OLG Braunschweig, Beschluss vom 11.04.2017 - 1 Ws 66/17, juris Rn. 25). Denn das der im Anlassurteil beschriebene Defektzustand von Anfang an nicht bestanden hat, steht - wie oben dargestellt - nicht sicher fest.

2.

26

Die Zeit des Vollzugs der Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist gem. § 67 Abs. 4 StGB auf die Freiheitsstrafe anzurechnen, bis 2/3 der Strafe infolge der Anrechnung erledigt ist. Eine darüber hinausreichende Anrechnung kommt nicht in Betracht.

27

Zwar wird verbreitet vertreten, dass die Zeit der Maßregelunterbrechung analog § 51 Abs. 1 S. 1 StGB vollständig auf eine im selben Erkenntnis verhängte Strafe anzurechnen ist, wenn die Erledigung wegen einer anfänglichen Fehleinweisung erklärt worden ist (KG Berlin, Beschluss vom 27.01.2015 - 2 Ws 3/15, juris Rn. 28; s.a. Maier in MünchKomm-StGB, 3. Aufl., § 67 Rn. 124 sowie Fischer, StGB, 65. Aufl., § 67d Rn. 24a). Dies gilt jedoch nicht in Fällen, in denen die Maßregel aus anderen Gründen, etwa wegen Unverhältnismäßigkeit ihres weiteren Vollzugs (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.12.2013 - III-2 Ws 576-577/13, juris Rn. 17) oder wegen Wegfalls ihrer Voraussetzungen (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 16.05.2017 - 1 Ws 68/17, juris) ihre Erledigung gefunden hat. Letzteres ist hier der Fall. Denn der Erledigung liegt nicht die Feststellung zu Grunde, dass die Anordnungsvoraussetzungen im Zeitpunkt des Anlassurteils nicht vorgelegen hätten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Anordnungsvoraussetzungen im Laufe der Unterbringungszeit - naheliegend aufgrund Nachreifung - nachträglich in Wegfall geraten sind.

28

Soweit der Beschwerdeführer eine vollständige Anrechnung einfordert und dabei auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. März 2012 (2 BvR 2258/09, juris Rn. 65 ff. = BVerfGE 130, 372) Bezug nimmt, geht dieser Hinweis fehl. Das Bundesverfassungsgericht hat in der zu § 67 Abs. 4 StGB in der bis 31. Juli 2016 geltenden Fassung ergangenen Entscheidung festgestellt, dass diese Vorschrift insoweit verfassungswidrig war, als sie generell eine Anrechnung der Unterbringungszeit auf verfahrensfremde Strafhaft auch in Härtefällen nicht ermöglichte. Dass die Vorschrift eine Anrechnung grundsätzlich nur bis zum 2/3-Zeitpunkt erlaubte, hat das Bundesverfassungsgericht hingegen ausdrücklich nicht beanstandet (BVerfG aaO. Rn. 63). Auch der Gesetzgeber hat bei der Neufassung der Vorschrift durch das Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des StGB und zur Änderung anderer Vorschriften vom 8. Juli 2016 (BGBl. I 1610) keinen Anlass gesehen, entsprechende Ausnahmen von der nur teilweisen Anrechnung der Unterbringungszeit einzuführen (BT-Drs. 18/7244, S. 27).

3.

29

Die Vollstreckung des nach Anrechnung verbleibenden Strafrests der Gesamtfreiheitsstrafe kann nicht zur Bewährung ausgesetzt werden.

30

a) Nach § 57 Abs. 1 StGB setzt das Gericht die Vollstreckung einer Restfreiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn es unter Abwägung der Persönlichkeit der verurteilten Person, ihres Vorlebens, der Umstände ihrer Tat, des Gewichts des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, des Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und der Wirkungen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind, dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann. Bei dieser wertenden Entscheidung kommt in Fällen eines bereits langandauernden Vollzugs dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besondere Bedeutung zu (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.12.2013 - III-2 Ws 576-577/13, juris Rn. 21). Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss vom 22.06.2012 - 2 BvR 22/12, juris Rn. 17 ff. = NStZ-RR 2012, 384) ist bei lang andauernden Unterbringungen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch im Rahmen der Prüfung der Aussetzung des Strafrests zur Bewährung gem. § 57 Abs. 1 StGB zu berücksichtigen. Im Rahmen einer "integrativen Betrachtung" hat der Tatrichter nicht nur bei der Frage, ob die Maßregel mit Blick auf deren Dauer für erledigt zu erklären ist, sondern auch bei der Prüfung der Aussetzungsvoraussetzungen von Unterbringung und Freiheitsstrafe eine wertende Entscheidung unter Gesamtwürdigung der vom Täter ausgehenden Gefahren und der (bisherigen) Dauer des Freiheitsentzugs vorzunehmen. In Fällen langandauernden Freiheitsentzuges kann unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit die negative Legalprognose allein die Ablehnung einer Bewährungsaussetzung nicht rechtfertigen. Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus mit Blick auf ihre bisherige Dauer erledigt, ist eine Strafrestaussetzung aber keineswegs obligatorisch (OLG Düsseldorf aaO. Rn. 22). Das Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des Untergebrachten und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor zu erwartenden erheblichen Rechtsgutsverletzungen verlangt vielmehr nach einem gerechten und vertretbaren Ausgleich. Bei dieser Abwägung der widerstreitenden Interessen hängt das erforderliche Maß an Gewissheit für künftig straffreies Verhalten einerseits wesentlich vom Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts ab. Diese Gewissheit wird andererseits durch die Dauer der Unterbringung wieder dahin relativiert, dass bei einem bereits langdauernden Freiheitsentzug etwaige Zweifel an einer günstigen Kriminalprognose leichter überwunden und Risiken in Kauf genommen werden müssen, um damit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der gebotenen Weise Rechnung zu tragen (OLG Braunschweig, Beschluss vom 16.05.2017 - 1 Ws 68/17, juris Rn. 34).

31

b) Die Prognose des Verurteilten ist negativ. Der Senat sieht keine realistische Chance, dass der Verurteilte bei Entlassung in Freiheit keine erheblichen Straftaten mehr begehen wird.

32

Aus den Berichten der Maßregelvollzugseinrichtung ergeben sich keine Hinweise darauf, dass im Rahmen des mehrjährigen Vollzugs ein erfolgsversprechender therapeutischer Prozess in Gang gesetzt worden wäre. Der Verurteilte hat zu keinem Zeitpunkt eine hinreichend stabile Motivation entwickelt, an problematischen eigenen Verhaltensweisen zu arbeiten. Durch die nur wenige Tage nach der Bewährungsentlassung gezeigten Weisungsverstöße (Ansprechen eines männlichen Kindes sowie eines Jugendlichen) hat er zudem nachdrücklich bewiesen, dass er nicht willens ist, sich an Kontaktverbote in Bezug auf Kinder und Jugendliche zu halten, und dazu neigt, pseudo-rationale Erklärungsmodelle für sein deliktrelevantes Verhalten zu suchen. Diese erachtet er als "schicksalhafte" Ereignisse und negiert Anteile eigener Verantwortlichkeit. Auch die mit der erneuten Inhaftierung verbundenen Einschränkungen haben dem Verurteilten nach den Ausführungen des behandelnden Therapeuten Dr. A. (Anhörung vom 14.12.2015, Bl. 1312 d.A.) nicht im Sinne eines "heilsamen Schocks" zu tieferer Einsicht in ein Behandlungserfordernis gebracht. An dieser, die Erfordernisse therapeutischer Einflussnahmen ablehnenden Grundhaltung des Verurteilten hat sich auch im weiteren Unterbringungsverlauf nichts geändert. Der Verurteilte hat sich lediglich dazu bereitgefunden, das Medikament Sertralin einzunehmen, dessen triebdämpfende (Neben-)Wirkung von Seiten der Maßregelvollzugseinrichtung aber als nicht ausreichend erachtet wird. Die Leiterin der Unterbringungseinrichtung hat im Rahmen der mündlichen Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. S. am 28. März 2018 bestätigt, dass der Verurteilte seine gegenüber einer therapeutischen Bearbeitung ablehnende Haltung bis zuletzt nicht aufgegeben hat. Dass es dem Verurteilten an einer tieferen Einsicht und Bereitschaft mangelt, sich mit seinen deliktsrelevanten Persönlichkeitsanteilen auseinanderzusetzen, zeigt sich ferner darin, dass er in einem an das Landgericht Kaiserslautern gerichteten Schreiben vom 5. Februar 2016 (Bl. 1358 d.A.) sein im Anlassverfahren erklärtes Geständnis teilweise widerrufen und dem damaligen Tatopfer eine Falschbeschuldigung unterstellt hat. Ferner hat er in der von ihm persönlich verfassten Beschwerdebegründung vom 24. November 2016 ausgeführt, er halte sexuelle Handlungen mit Kindern und Jugendlichen nur bedingt für verwerflich; gegen die ihm auferlegten Bewährungsweisungen habe er "aus einer substanziierten und vertretbaren inneren Haltung heraus" verstoßen. Diese Ausführungen sind zwar ersichtlich von dem Bestreben motiviert, hierdurch die in dem angefochtenen Beschluss getroffene Annahme weiterhin beeinträchtigter Steuerungsfähigkeit entkräften zu wollen. Sie zeigen jedoch eindrücklich, dass der Verurteilte weiterhin nicht bereit ist, sich ernsthaft mit dem bei ihm vorhandenen Störungsbild auseinanderzusetzen und dazu neigt, Äußerungen zu seiner inneren Haltung vordergründig in manipulativer und zweckgerichteter Weise vorzubringen. Gleiches gilt für das Bemühen des Verurteilten, die mit dem sexuellen Missbrauch verbundenen Folgen für die Tatopfer gänzlich in Abrede zu stellen oder zumindest zu relativieren (vgl. die Eingaben des Verurteilten vom 9. Juni 2017, mit denen er die Einholung von "psychotraumatischen Sachverständigengutachten" bezüglich der Geschädigten H. und H. beantragt hat). Der Verurteilte hat nach wie vor nicht verinnerlicht, dass Sexualstraftaten zum Nachteil von Kindern - auch ohne Gewaltanwendung - regelmäßig und typischerweise eine schwerwiegende Beeinträchtigung von deren sexueller Entwicklung besorgen lassen (vgl. BT-Drs. 18/7244, S. 34 m.w.N.) und es nicht darauf ankommt, ob solche Folgen im Einzelfall tatsächlich auch eingetreten sind. Prognostisch ungünstig fällt ferner ins Gewicht, dass - worauf bereits die Strafvollstreckungskammer zutreffend hingewiesen hat - zahlreiche allgemein risikoerhöhende Umstände vorhanden sind, wie das Vorliegen einer fixierten sexuellen Devianz, eine falsche Selbsteinschätzung in Bezug auf Risikosituationen, die Begehung sexueller Seriendelikte und die Unfähigkeit, angemessene stabile Partnerschaften einzugehen, wie auch der frühe Beginn sexueller Devianz.

33

c) Der Senat schließt sich daher der überzeugend begründeten Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. S. an, die in Einklang steht mit den Empfehlungen der Unterbringungseinrichtung, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Verurteilte in Freiheit innerhalb weniger Wochen im Rahmen seiner ausgeprägten pädophilen Neigungen in gleichartige Verhaltensweisen zurückfallen wird, wie sie der Anlassverurteilung zugrunde lagen. Im Ergebnis der gebotenen Abwägung der bisherigen Dauer des Freiheitsentzugs von ca. 14 Jahren mit dem Umstand, dass ein Rückfall in hohem Maße wahrscheinlich ist sowie dem hohen Gewicht der dabei bedrohten Rechtsgütern, der ungestörten sexuellen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, überwiegen die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit an einer Vollstreckung (auch) der restlichen Freiheitsstrafe. Mildere Maßnahmen in Form von Führungsaufsichtsweisungen reichen auch unter Beachtung der bisherigen Dauer des Freiheitsentzugs nicht aus. Der Verurteilte hat im Rahmen der Bewährungsphase eindrücklich gezeigt, dass er nicht gewillt ist, sich an Kontaktverbote oder andere geeignete Weisungen zu halten.

4.

34

Die Vollstreckung der Reststrafe hat in der Justizvollzugsanstalt zu erfolgen. Zwar ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten, ob in Fällen der Erledigung der Maßregel eine (ggfs. entsprechende) Anwendung von § 67 Abs. 5 StGB erfolgen kann. Der Senat schließt sich aber der Rechtsansicht des OLG Koblenz (Beschluss vom 09.03.2015 - 1 Ws 91/15, juris Rn. 5 f.; s.a. OLG Braunschweig, Beschluss vom 16.05.2017 - 1 Ws 68/17, juris Rn. 16 ff., jew. auch zum Meinungsstand) sowie des OLG Celle (Beschluss vom 10.05.2017 - 3 Ws 240/17, juris Rn. 4) an, dass jedenfalls in der hier vorliegenden Konstellation einer wegen Wegfalls der tatsächlichen Anordnungsvoraussetzungen erfolgenden Erledigung eine Fortsetzung des "Vollzugs der Maßregel" nicht in Betracht kommt. Im Übrigen würden es auch Umstände, die in der Person des Verurteilten liegen, angezeigt erscheinen lassen, dass die Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafe im Strafvollzug erfolgt. Mit Blick auf die seit Jahren verfestigte ablehnende Haltung des Verurteilten gegenüber therapeutischen Bemühungen wäre durch eine Weiterbehandlung im Maßregelvollzug eine Besserung der Legalprognose nicht zu erwarten. Der Umstand, dass der Verurteilte die Vorzüge des Maßregelvollzugs im Hinblick auf das von ihm aufgenommene Fernstudium nicht verlieren möchte, ist in diesem Zusammenhang nicht von entscheidender Relevanz. Auch im Strafvollzug kann den Anforderungen der Berufsausbildung des Verurteilten angemessen Rechnung getragen werden.

IV.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 4 S. 1 StPO. Im Hinblick auf den Teilerfolg des Rechtsmittels wäre es unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten des Beschwerdeverfahrens zu belasten.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 563/03
vom
10. März 2004
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. März
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dessau vom 5. September 2003 im Maß- regelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern in drei Fällen und wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in drei weiteren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Im übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen. Der Angeklagte wendet sich, soweit er verurteilt worden ist, mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision gegen dieses Urteil. Er beanstandet in erster Linie die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.
Die Nachprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler aufgedeckt. Die Revision führt jedoch zur Aufhebung des Maßregelausspruchs.
Nach den Feststellungen hielten sich im Tatzeitraum zwischen Sommer 2001 und Juli 2002 die 13jährige Cindy B. (Fall II. 1.), die 12jährige S. F. (Fall II. 2.) und die 10jährige Mandy Sch. (Fälle II. 3. a bis d) aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen oder freundschaftlicher Bindungen der Familien häufiger im Haushalt des Angeklagten auf. Cindy B. , die Schwester der Ehefrau des Angeklagten, begleitete ihn überdies im Sommer 2002 auf einer beruflich bedingten Lkw-Fahrt nach Spanien. Bei Aufenthalten der Mädchen in der Wohnung des Angeklagten bzw. anläßlich der Fahrt nach Spanien nahm der damals 40jährige Angeklagte an den Kindern verschiedene sexuelle Handlungen vor. Mit Cindy B. , die sich in den Angeklagten verliebt hatte, führte er einvernehmlich den Geschlechtsverkehr durch.
Das Landgericht hat - dem Sachverständigen folgend - die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet, weil dieser die Taten im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit infolge einer "dissozialen Persönlichkeitsstörung" in Verbindung mit einer "ausgesprägten Pädophilie" begangen habe. Aufgrund dieses Zustandes, insbesondere der in einer "jahrelange(n) Entwicklung herausgebildete (n) Pädophilie" (UA 36) sei ohne eine entsprechende Behandlung die Gefahr weiterer gleichgelagerter sexueller Übergriffe zum Nachteil von Kindern gegeben.
Die Ausführungen des Landgerichts zur - für eine Anordnung nach § 63 StGB positiv festzustellenden - verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten infolge einer schweren anderen seelischen Abartigkeit begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Wird ein so schwerwiegender Eingriff, wie ihn die zeitlich nicht befristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus darstellt, auf die Diagnose "schwere andere seelische Abartigkeit" gestützt, muß aufgrund einer Gesamtschau von Täterpersönlichkeit und Taten feststehen, daß die Störung den Täter so nachhaltig in seiner Persönlichkeit geprägt hat, daß er im Zeitpunkt der Begehung der Taten aus einem starken, mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt hat. Steht, wie hier, für die Beurteilung der Schuldfähigkeit eine von der Norm abweichende sexuelle Präferenz im Vordergrund , muß diese den Täter im Wesen seiner Persönlichkeit so verändert haben , daß er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufbringt (vgl. BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 33, 37 und § 63 Zustand 23). Daher ist nicht jedes abweichende Sexualverhalten, auch nicht eine Devianz in Form einer Pädophilie (zum Begriff: Internationale Klassifikation psychischer Störungen ICD-10 F 65.4; Venzlaff/Foerster, psychiatrische Begutachtung 3. Aufl., S. 254 f.), die zwangsläufig nur unter Verletzung strafrechtlich geschützter Rechtsgüter verwirklicht werden kann, ohne weiteres gleichzusetzen mit einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB. Vielmehr kann auch nur eine gestörte sexuelle Entwicklung vorliegen, die als allgemeine Störung der Persönlichkeit, des Sexualverhaltens oder der Anpassung nicht den Schweregrad einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 21 StGB erreicht. Hingegen kann die Steuerungsfähigkeit etwa dann beeinträchtigt sein, wenn abweichende Sexualpraktiken zu einer
eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz, durch Ausbau des Raffinements und durch gedankliche Einengung auf diese Praktiken auszeichnen (vgl. Nedopil , Forensische Psychiatrie 2. Aufl., S. 168).
Den dargelegten Anforderungen an die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten wird das angefochtene Urteil nicht in jeder Hinsicht gerecht. Nach den Urteilsfeststellungen hatte der Angeklagte - nicht ausschließbar auch während des Tatzeitraums - auch Sexualkontakte mit erwachsenen Frauen. Er lebte mindestens bis Mitte des Jahres 2001 mit seiner zweiten Ehefrau, die er 1999 kennengelernt und im Mai 2000 geheiratet hatte, und dem im März 2001 geborenen gemeinsamen Sohn zusammen. Der Angeklagte hat ferner mehrere nichteheliche Kinder von verschiedenen Partnerinnen. Im Jahr 2001 war die erwachsene Zeugin U. für kurze Zeit seine Lebensgefährtin. Dieses Sexualverhalten hätte zu einer Erörterung gedrängt, weshalb der Angeklagte im Tatzeitraum nur erheblich eingeschränkt in der Lage gewesen sein soll, seinen pädophilen Neigungen zu widerstehen und weshalb eine Einengung auf ein deviantes Sexualverhalten, mithin eine schuldrelevante süchtige Entwicklung (vgl. BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 37 und § 63 Zustand 23; Nedopil aaO, S. 168) vorgelegen hat.
Zwar deutet die Formulierung, die Sexualpartnerinnen des Angeklagten "seien immer jünger geworden, es habe sich schließlich um Mädchen im pubertären und vorpubertären Alter gehandelt" (UA 30) darauf hin, daß er sich auch schon vor dem Tatzeitraum Kindern sexuell zugewandt hatte. In Anbetracht seiner Sexualkontakte zu erwachsenen Frauen ist jedoch mit dieser Erwägung allein die Annahme des Landgerichts, beim Angeklagten habe eine "in
einer jahrelange(n) Entwicklung herausgebildete Pädophilie" (UA 36), mithin eine stabile und deshalb schuldrelevante deviante Sexualentwicklung (vgl. Nedopil aaO S. 168) vorgelegen, nicht hinreichend dargetan.
Die aufgezeigten Darlegungsmängel führen zur Aufhebung des Maßregelausspruchs. Über diesen ist deshalb umfassend neu zu befinden. Der Senat hebt auch die "zugehörigen" Feststellungen auf. Dazu zählen auch die der Schuldfähigkeitsbeurteilung zugrunde liegenden Feststellungen. Sollte der neue Tatrichter zum Schweregrad und zur Verfestigung der sexuellen Devianz des Angeklagten weiter gehende Feststellungen treffen können, wird die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus allerdings naheliegen; dies gilt insbesondere dann, wenn konkrete Anhaltspunkte für ein Zusammenwirken von Aggressivität und sexueller Devianz - gegebenenfalls auch außerhalb des hier anhängigen Verfahrens - gegeben sein sollten.
Der aufgezeigte Rechtsfehler bei der Schuldfähigkeitsbeurteilung läßt den Schuld- und Strafausspruch des angefochtenen Urteils unberührt. Denn
eine vollständige Aufhebung der Schuldfähigkeit scheidet hier von vorneherein aus; durch die Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB ist der Angeklagte bei der Strafzumessung nicht beschwert.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

14
Ob die sexuelle Devianz in Form einer Pädophilie einen Ausprägungsgrad erreicht, der dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit zugeordnet werden kann und dann regelmäßig eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nahelegt (dazu BGH, Urteil vom 25. März 2015 – 2 StR 409/14, NStZ 2015, 688), ist aufgrund einer Gesamtschau der Täterpersönlichkeit und seiner Taten zu beurteilen (BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; ebenso bereits BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244). Dabei kommt es darauf an, ob die sexuellen Neigungen die Persönlichkeit des Täters so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufzubringen vermag (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 2010 – 2 StR 48/10, RuP 2010, 226 f.; siehe auch BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2000 – 1 StR 420/00, NStZ 2001, 243, 244 sowie Rosenau/Schreiber in Venzlaff/Foerster/Dreßing/Habermeyer, Psychiatrische Begutachtung, 6. Aufl., S. 106).

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.

(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.

(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.

(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.

(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

(1) Das Gericht kann jederzeit prüfen, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist. Es muß dies vor Ablauf bestimmter Fristen prüfen.

(2) Die Fristen betragen bei der Unterbringung
in einer Entziehungsanstalt sechs Monate,
in einem psychiatrischen Krankenhaus ein Jahr,
in der Sicherungsverwahrung ein Jahr, nach dem Vollzug von zehn Jahren der Unterbringung neun Monate.

(3) Das Gericht kann die Fristen kürzen. Es kann im Rahmen der gesetzlichen Prüfungsfristen auch Fristen festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag auf Prüfung unzulässig ist.

(4) Die Fristen laufen vom Beginn der Unterbringung an. Lehnt das Gericht die Aussetzung oder Erledigungserklärung ab, so beginnen die Fristen mit der Entscheidung von neuem.

In den Fällen der §§ 174 bis 174c, 176 bis 180, 181a, 182 und 184b kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

(1) Ist eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen vorsätzlicher Straftaten oder eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen Straftaten der in § 181b genannten Art vollständig vollstreckt worden, tritt mit der Entlassung der verurteilten Person aus dem Strafvollzug Führungsaufsicht ein. Dies gilt nicht, wenn im Anschluss an die Strafverbüßung eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung vollzogen wird.

(2) Ist zu erwarten, dass die verurteilte Person auch ohne die Führungsaufsicht keine Straftaten mehr begehen wird, ordnet das Gericht an, dass die Maßregel entfällt.

(1) Die verurteilte Person untersteht einer Aufsichtsstelle; das Gericht bestellt ihr für die Dauer der Führungsaufsicht eine Bewährungshelferin oder einen Bewährungshelfer.

(2) Die Bewährungshelferin oder der Bewährungshelfer und die Aufsichtsstelle stehen im Einvernehmen miteinander der verurteilten Person helfend und betreuend zur Seite.

(3) Die Aufsichtsstelle überwacht im Einvernehmen mit dem Gericht und mit Unterstützung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers das Verhalten der verurteilten Person und die Erfüllung der Weisungen.

(4) Besteht zwischen der Aufsichtsstelle und der Bewährungshelferin oder dem Bewährungshelfer in Fragen, welche die Hilfe für die verurteilte Person und ihre Betreuung berühren, kein Einvernehmen, entscheidet das Gericht.

(5) Das Gericht kann der Aufsichtsstelle und der Bewährungshelferin oder dem Bewährungshelfer für ihre Tätigkeit Anweisungen erteilen.

(6) Vor Stellung eines Antrags nach § 145a Satz 2 hört die Aufsichtsstelle die Bewährungshelferin oder den Bewährungshelfer; Absatz 4 ist nicht anzuwenden.

(7) Wird eine Weisung nach § 68b Abs. 2 Satz 2 und 3 erteilt, steht im Einvernehmen mit den in Absatz 2 Genannten auch die forensische Ambulanz der verurteilten Person helfend und betreuend zur Seite. Im Übrigen gelten die Absätze 3 und 6, soweit sie die Stellung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers betreffen, auch für die forensische Ambulanz.

(8) Die in Absatz 1 Genannten und die in § 203 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 6 genannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der forensischen Ambulanz haben fremde Geheimnisse, die ihnen im Rahmen des durch § 203 geschützten Verhältnisses anvertraut oder sonst bekannt geworden sind, einander zu offenbaren, soweit dies notwendig ist, um der verurteilten Person zu helfen, nicht wieder straffällig zu werden. Darüber hinaus haben die in § 203 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 6 genannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der forensischen Ambulanz solche Geheimnisse gegenüber der Aufsichtsstelle und dem Gericht zu offenbaren, soweit aus ihrer Sicht

1.
dies notwendig ist, um zu überwachen, ob die verurteilte Person einer Vorstellungsweisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 nachkommt oder im Rahmen einer Weisung nach § 68b Abs. 2 Satz 2 und 3 an einer Behandlung teilnimmt,
2.
das Verhalten oder der Zustand der verurteilten Person Maßnahmen nach § 67g, § 67h oder § 68c Abs. 2 oder Abs. 3 erforderlich erscheinen lässt oder
3.
dies zur Abwehr einer erheblichen gegenwärtigen Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung Dritter erforderlich ist.
In den Fällen der Sätze 1 und 2 Nr. 2 und 3 dürfen Tatsachen im Sinne von § 203 Abs. 1, die von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der forensischen Ambulanz offenbart wurden, nur zu den dort genannten Zwecken verwendet werden.

(1) Wer durch eine strafgerichtliche Verurteilung einen Schaden erlitten hat, wird aus der Staatskasse entschädigt, soweit die Verurteilung im Wiederaufnahmeverfahren oder sonst, nachdem sie rechtskräftig geworden ist, in einem Strafverfahren fortfällt oder gemildert wird.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn ohne Verurteilung eine Maßregel der Besserung und Sicherung oder eine Nebenfolge angeordnet worden ist.

(1) Wer durch den Vollzug der Untersuchungshaft oder einer anderen Strafverfolgungsmaßnahme einen Schaden erlitten hat, wird aus der Staatskasse entschädigt, soweit er freigesprochen oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird oder soweit das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn ablehnt.

(2) Andere Strafverfolgungsmaßnahmen sind

1.
die einstweilige Unterbringung und die Unterbringung zur Beobachtung nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung und des Jugendgerichtsgesetzes,
2.
die vorläufige Festnahme nach § 127 Abs. 2 der Strafprozeßordnung,
3.
Maßnahmen des Richters, der den Vollzug des Haftbefehls aussetzt (§ 116 der Strafprozeßordnung),
4.
die Sicherstellung, die Beschlagnahme, der Vermögensarrest nach § 111e der Strafprozeßordnung und die Durchsuchung, soweit die Entschädigung nicht in anderen Gesetzen geregelt ist,
5.
die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis,
6.
das vorläufige Berufsverbot.

(3) Als Strafverfolgungsmaßnahmen im Sinne dieser Vorschrift gelten die Auslieferungshaft, die vorläufige Auslieferungshaft, die Sicherstellung, die Beschlagnahme und die Durchsuchung, die im Ausland auf Ersuchen einer deutschen Behörde angeordnet worden sind.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.