Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 25. Feb. 2016 - 4 M 222/15
Gericht
Gründe
I.
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Der Antragsteller begehrt vom Antragsgegner die Unterlassung von Äußerungen.
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1. Der Antragsteller ist Bürgermeister der Stadt C. und als solcher gewählter Vertreter der Stadt C. in der Verbandsversammlung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes WAZV. Der Antragsgegner ist Mitglied des Stadtrates der Stadt C. und dort Vorsitzender der CDU-Fraktion.
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Der Antragsgegner nahm ein angebliches Fehlverhalten des Antragstellers im Zuge der Vertragsbeendigung zwischen dem WAZV und dem Trinkwasserdienstleister HWS zum Anlass, dem Antragsteller und in Kopie den übrigen Mitgliedern des Stadtrates von C-Stadt am (...) 2015 eine E-Mail zu senden. Unter dem Betreff „Lüge des BM/Forderung zum Rücktritt“ wirft der Antragsgegner dem Antragsteller darin vor, er habe ein Schreiben des Landesverwaltungsamtes, das die Kündigung des Vertrages mit der HWS angeblich zwingend vorschreibe und auf das der Antragsteller sich insofern berufe, trotz mehrfacher Aufforderung nicht vorgelegt. Niemand kenne ein solches Schreiben. Es habe auch kein zwingender Grund vorgelegen, den Vertrag mit der HWS zu kündigen. Ohne Zweifel seien die deutlichen Mehrbelastungen der Bürger ursächlich auf die leichtfertige Kündigung des Vertrages mit der HWS zurückzuführen. Sodann heißt es in der E-Mail wie folgt:
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„Nachdem Sie diese eklatante Fehlentscheidung durch ihre Haltung in der Verbandsversammlung mit zu verantworten haben, versuchen Sie nun, sich durch eine Lüge zu rechtfertigen, indem Sie uns einen Sachverhalt vorgaukeln, den es nicht gibt.
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Vor allem die Bürger der Stadt, aber auch die Mitglieder des Stadtrates der Stadt C. müssen davon ausgehen, dass ihr Bürgermeister die Wahrheit sagt.
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Keiner hat es nötig, laufend von Ihnen belogen zu werden.
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Das haben Sie offensichtlich nicht erkannt.
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Ungeachtet der zahllosen konkreten Vorwürfe gegen Sie, halte ich allein die oben genannte Tatsache für ausreichend, ihren Rücktritt zu fordern.
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Machen Sie den Platz des Bürgermeisters der Stadt C. frei!
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Geben Sie der Stadt C. und den dort lebenden Menschen endlich die Chance auf einen ehrlichen und bürgerorientierten Bürgermeister.“
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Mit an den Antragsgegner – und in Kopie an die Mitglieder des Stadtrates von C-Stadt – gerichtetem Schreiben vom (...) 2015 verwahrte sich der Antragsteller gegen den Vorwurf der Lüge und forderte den Antragsgegner zur Rücknahme dieses Vorwurfs gegenüber sämtlichen Adressaten der E-Mail vom (...) 2015 auf. Des Weiteren forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, sich für den Inhalt der E-Mail zu entschuldigen. In dem Schreiben führt der Antragsteller aus, Grundlage des Beschlusses der Verbandsversammlung zur Kündigung des Betriebsüberlassungsvertrages sei ein Schreiben des Rechtsanwaltes (...) gewesen, dessen Rechtsansicht in einem Schreiben des Landesverwaltungsamtes bestätigt werde. Die genannten Schreiben waren dem Schreiben des Antragstellers beigefügt.
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Daraufhin schrieb der Antragsgegner dem Antragsteller – in Kopie den übrigen Stadtratsmitgliedern – am (…) 2015 eine weitere E-Mail, in der er eine Entschuldigung ablehnte. Zur Begründung führte er aus, dem endlich vorgelegten Schreiben des Landesverwaltungsamtes sei die vom Antragsteller behauptete Aussage, das Landesverwaltungsamt habe zwingend vorgeschrieben, dass der Vertrag mit der HWS zu kündigen sei, nicht zu entnehmen. Dem Antragsteller sei lediglich zuzugestehen, dass es überhaupt ein Schreiben des Landesverwaltungsamtes gebe, dagegen nicht der vom Antragsteller behauptete Inhalts dieses Schreibens. Die aufgetretene Irritation sei eindeutig vom Antragsteller verursacht worden. Hätte er das Schreiben des Landesverwaltungsamtes unverzüglich vorgelegt, wäre alles vermeidbar gewesen. Weiterhin heißt es in der E-Mail wie folgt:
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„Nach dem Motto‚ wer einmal lügt dem glaubt man nicht‘ musste man wegen ihrer Verweigerung exakter Informationen auch in diesem Fall davon ausgehen, dass ein Schreiben des LVwA gar nicht existiert. Dass Sie in anderen Fällen nachweislich gelogen haben (z. B. Stundenzahl des Herrn H. bei der EnergyC-Stadt, Abwasserkostenvereinbarung mit der Brauerei C-Stadt) ist ja bekannt.
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Jeder Stadtrat kann sich nun ein eigenes Bild vom Sachverhalt machen, nachdem die Fakten endlich auf dem Tisch liegen. Aus diesen Gründen sehe ich keine Veranlassung mich bei Ihnen zu entschuldigen. Im Übrigen halte ich ausdrücklich an meiner Auffassung fest, dass es das Beste für die Stadt wäre, wenn Sie den Platz des Bürgermeisters der Stadt C. endlich frei machen würden.“
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Die in den E-Mails geäußerten Ansichten des Antragsgegners gelangten auch an die Presse. Unter der Überschrift „Bürgermeister zum Rücktritt aufgefordert“ berichtete die (...) Zeitung am 22. Juni 2015 über die Vorwürfe des Antragsgegners sowie über die Reaktion des Antragstellers.
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2. Am 29. Juni 2015 hat der Antragsteller Amtsgericht Halle um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Er sehe sich durch die Behauptungen des Antragsgegners
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a) der Antragsteller versuche, sein Abstimmungsverhalten in der Verbandsversammlung durch eine Lüge zu rechtfertigen, indem er einen Sachverhalt vorgaukele, den es nicht gebe sowie
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b) der Antragsteller habe in anderen Fällen nachweislich gelogen, z. B. Stundenzahl des Herrn H. bei der EnergyC-Stadt sowie der Abwasserkostenvereinbarung mit der Brauerei C-Stadt, und dass dies bekannt sei,
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in seiner Ehre verletzt. Auch werde er in seinem beruflichen Ansehen als Bürgermeister und damit als Repräsentant der Stadt C. empfindlich beeinträchtigt. Auf die Meinungsfreiheit könne der Antragsgegner sich nicht berufen. Der Vorwurf, der Antragsteller sei ein Lügner, sei eine unwahre Tatsachenbehauptung, die nicht von der Meinungsfreiheit geschützt sei. Es bestehe auch eine erhebliche Wiederholungsgefahr und ein Eilbedürfnis.
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Mit Schreiben vom 7. Juli 2015 ist der Antragsgegner dem begehrten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung entgegengetreten. Eine Wiederholungsgefahr sei nicht glaubhaft gemacht. Die angegriffenen Aussagen seien von der Meinungsfreiheit gedeckt. Im Rahmen der politischen Auseinandersetzung müsse es gestattet sein, auf Fehlverhalten des Antragstellers hinzuweisen und jedenfalls die anderen Mitglieder des Stadtrates darüber aufzuklären. Es handele sich um Tatsachenbehauptungen, die nachweislich wahr seien. Hiervor schütze das allgemeine Persönlichkeitsrecht den Antragsteller nicht.
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Mit Beschluss vom 8. Juli 2015 hat das Amtsgericht Halle den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt das Verfahren zuständigkeitshalber an das Verwaltungsgericht Halle verwiesen.
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3. Mit Disziplinarverfügung vom 26. November 2015 hat das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt den Antragsteller vorläufig seines Dienstes als Bürgermeister der Stadt C. und aller Ämter, die damit in Verbindung stehen, enthoben. Die Verfügung ist nicht bestandskräftig.
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4. Mit Beschluss vom 30. November 2015 hat das Verwaltungsgericht den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, es bei Vermeidung eines vom Gericht im Falle der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, vorläufig zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß die in der Antragsschrift vom 23. Juni 2015 beanstandeten Behauptungen aufzustellen oder zu verbreiten. Neben einem Anordnungsgrund habe der Antragsteller auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Dem Antragsteller stehe ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Unterlassung der genannten Äußerungen zu. Hierbei handele es sich um Tatsachenbehauptungen, die einer Beweisführung zugänglich seien. Die Tatsachenbehauptungen seien auch geeignet, das Ansehen des Antragstellers – sowohl in seiner Eigenschaft als Amtsträger als auch als Privatperson – in den Augen anderer herabzusetzen und damit in sein Recht auf Ehre einzugreifen. Bei summarischer Prüfung könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Behauptungen des Antragsgegners erwiesener Maßen zuträfen. Die Beweislast trage der Antragsgegner.
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5. Am 18. Dezember 2015 hat der Antragsgegner gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Beschwerde eingelegt. Zur Begründung macht er geltend, aufgrund der vorläufigen Dienstenthebung sei der Antragsteller nicht (mehr) aktivlegitimiert. Überdies habe das Verwaltungsgericht den Sachverhalt fehlerhaft einseitig zu Gunsten des Antragstellers gewertet und bestimmte Aspekte, die für die Darstellung des Antragsgegners sprächen, vollständig verkannt. Die gebotene Abwägung der gegenseitigen Interessen fehle völlig.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Beschluss des Verwaltungsgerichts Halle - 6. Kammer - vom 30. November 2015 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
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Der Antragsteller beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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6. Er verteidigt die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts.
II.
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Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte (§ 147 Abs. 1 VwGO) und begründete (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) sowie den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechende Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu Unrecht vorläufig untersagt, wörtlich oder sinngemäß die Behauptungen aufzustellen und/oder zu verbreiten,
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a) der Antragsteller versuche, sein Abstimmungsverhalten in der Verbandsversammlung durch eine Lüge zu rechtfertigen, indem er einen Sachverhalt vorgaukele, den es nicht gebe sowie
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b) der Antragsteller habe in anderen Fällen nachweislich gelogen, z. B. bzgl. der Stundenzahl des Herrn H. bei der EnergyC-Stadt sowie der Abwasserkostenvereinbarung mit der Brauerei C-Stadt, und dass dies bekannt sei.
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Der Antragsteller hat, wie der Antragsgegner mit der Beschwerde hinreichend darlegt, insoweit keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
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1. Der geltend gemachte öffentlich-rechtliche Anspruch auf Unterlassung der Wiederholung und Verbreitung der beanstandeten Äußerungen setzt voraus, dass diese rechtswidrig in subjektive Rechte des Antragstellers eingreifen und die konkrete Gefahr ihrer Wiederholung droht. Fehlt es – wie hier – an einer spezialgesetzlichen Grundlage, leitet sich der Unterlassungsanspruch aus einer grundrechtlich geschützten Position des Betroffenen ab. Die Grundrechte schützen vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, auch solchen durch schlichtes Verwaltungshandeln. Der Betroffene kann daher, wenn ihm eine derartige Rechtsverletzung droht, gestützt auf das jeweilige Grundrecht Unterlassung verlangen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. November 2014 – 3 C 27/13 –, NVwZ-RR 2015, S. 425 <425> m.w.N.).
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a) Vorliegend kommt zugunsten des Antragstellers das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht in Betracht, das vor ehrverletzenden Äußerungen schützt (vgl. BVerfGE 54, 148 <153 f.>; 93, 266 <290>; 97, 125 <147>). Das Verwaltungsgericht führt zu Recht aus, dass der in den beanstandeten Äußerungen des Antragsgegners enthaltene Vorwurf der „Lüge“ geeignet ist, den Antragsteller sowohl in seiner Eigenschaft als Amtsträger und als auch als Privatperson in den Augen Dritter herabzuwürdigen und dadurch in sein Recht auf Ehre einzugreifen. Schon wegen der Ansehensbeeinträchtigung des Antragstellers (auch) als Privatperson kann dessen – vorläufige – Dienstenthebung den Unterlassungsanspruch gegen den Antragsgegner nicht entfallen lassen.
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b) Allerdings verstößt nicht jede ehrherabsetzende Äußerung gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen. Insoweit ist stets zu berücksichtigen, dass die angegriffene Äußerung dem Schutz der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG unterfallen kann und deshalb eine Abwägung zwischen den betroffenen Rechtspositionen geboten ist.
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Vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit umfasst sind zum einen Meinungen, das heißt durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägte Äußerungen. Sie fallen stets in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, ohne dass es dabei darauf ankäme, ob sie sich als wahr oder unwahr erweisen, ob sie begründet oder grundlos, emotional oder rational sind, oder ob sie als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt werden (vgl. BVerfGE 90, 241 <247>; 124, 300 <320>). Sie verlieren diesen Schutz auch dann nicht, wenn sie scharf und überzogen geäußert werden (vgl. BVerfGE 61, 1 <7 f.>; 90, 241 <247>; 93, 266 <289>). Neben Meinungen sind vom Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG aber auch Tatsachenmitteilungen umfasst, soweit sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen sind beziehungsweise sein können. Nicht mehr in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG fallen hingegen bewusst oder erwiesen unwahre Tatsachenbehauptungen, da sie zu der verfassungsrechtlich gewährleisteten Meinungsbildung nichts beitragen können (vgl. BVerfGE 61, 1 <8>; 90, 241 <247>). Allerdings dürfen die Anforderungen an die Wahrheitspflicht nicht so bemessen werden, dass darunter die Funktion der Meinungsfreiheit leidet. Im Einzelfall ist eine Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile nur zulässig, wenn dadurch der Sinn der Äußerung nicht verfälscht wird. Wo dies nicht möglich ist, muss die Äußerung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes insgesamt als Meinungsäußerung angesehen werden, weil andernfalls eine wesentliche Verkürzung des Grundrechtsschutzes drohte (vgl. BVerfGE 90, 241 <248>; stRspr).
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2. Ausgehend von diesen Grundsätzen erweist sich die vorläufige Untersagung der (erneuten) Äußerung oder Verbreitung der beanstandeten Aussagen durch das Verwaltungsgericht als fehlerhaft. Die Entscheidung wird dem Grundrecht des Antragsgegners auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) nicht gerecht.
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Das Verwaltungsgericht hat die beanstandeten Aussagen des Antragsgegners als Tatsachenbehauptungen eingestuft und es daher als maßgeblich erachtet, ob die Behauptungen erwiesener Maßen zutreffend sind. Weil davon bei summarischer Prüfung nicht auszugehen sei, habe der Antragsgegner die Wiederholung und Verbreitung dieser Aussagen vorläufig zu unterlassen. Dem hält der Antragsgegner entgegen, dass das Verwaltungsgericht allerdings auch nicht festgestellt habe, dass die verbreiteten Aussagen unwahr seien. Die deshalb gebotene Interessenabwägung, die vorliegend zu seinen Gunsten ausfalle, fehle völlig. Dieses Beschwerdevorbringen greift durch.
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a) Bei den beanstandeten Äußerungen handelt es sich um Tatsachenbehauptungen, soweit dem Antragsteller darin vorgeworfen wird, dass er sein Verhalten durch eine „Lüge“ zu rechtfertigen versuche bzw. in anderen Fällen „nachweislich gelogen“ habe. Die darin enthaltene Aussage, der Antragsteller habe (bewusst) die Unwahrheit gesagt, ist der Überprüfung auf ihren Wahrheitsgehalt zugänglich. Doch ist damit der Aussagegehalt nicht vollständig erfasst. Der Vorwurf der „Lüge“ enthält regelmäßig – so auch hier – zugleich ein ethisches Unwerturteil über das Verhalten des Betroffenen und damit ein Werturteil. Deutlich wird dies auch aus dem Gesamtzusammenhang der Aussagen. Der Lügenvorwurf sollte ein nach Ansicht des Antragsgegners (erneutes) dienstliches Fehlverhalten aufzeigen und die Rücktrittsforderung gegenüber dem Antragsteller legitimieren. Insofern heißt es in der E-Mail vom (...) 2015, „ungeachtet der zahllosen konkreten Vorwürfe gegen Sie halte ich allein die oben genannte Tatsache für ausreichend, Ihren Rücktritt zu fordern.“ Auch in der E-Mail vom (...) 2015 hält der Antragsgegner an seiner Rücktrittsforderung fest. Die inkriminierten Tatsachenbehauptungen dienten damit der Vorbereitung und Rechtfertigung einer Meinungsäußerung des Antragsgegners sowie der Meinungsbildung Dritter – die übrigen Stadtratsmitglieder als weitere Adressaten der E-Mails – und sind deshalb vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG umfasst (vgl. BVerfGE 90, 241 <247>; BGH, Urteil vom 3. Februar 2009 – VI ZR 36/07 –, NJW 2009, S. 1872 <1873>).
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b) Für die Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und entgegenstehenden Belangen hat das Bundesverfassungsgericht einige Regeln entwickelt. Danach beansprucht die Meinungsfreiheit keineswegs stets den Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz. Viel-mehr geht bei Meinungsäußerungen, die als Formalbeleidigung oder Schmähung an-zusehen sind, der Persönlichkeitsschutz der Meinungsfreiheit regelmäßig vor (vgl. BVerfGE 66, 116 <151>; 82, 272 <281, 283 ff.>). Wahre Aussagen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind. Dies gilt auch für Äußerungen, in denen – wie hier – tatsächliche und wertende Elemente einander durchdringen. Bei der Abwägung fällt dann die Richtigkeit des tatsächlichen Äußerungsgehalts, der dem Werturteil zugrunde liegt, ins Gewicht (vgl. BVerfGE 94, 1 <8>). Sind die tatsächlichen Annahmen erwiesen unwahr, tritt die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Persönlichkeitsschutz zurück (vgl. BVerfGE 61, 1 <8 f.>; 85, 1 <17>). Im Übrigen kommt es darauf an, welches Rechtsgut im Einzelfall den Vorzug verdient. Dabei ist aber zu beachten, dass in Fragen, die die Öffentlichkeit wesentlich berühren, eine Vermutung zugunsten der freien Rede spricht (vgl. BVerfGE 7, 198 <212>). Dies ist daher bei der Abwägung zwischen den Rechtspositionen der beteiligten Personen stets mitzuberücksichtigen (vgl. BVerfGE 90, 241 <248 f.>).
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c) Die gebotene Interessenabwägung fällt hier zugunsten des Antragsgegners aus.
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aa) Die Äußerungen des Antragsgegners sind weder als Schmähkritik noch als Formalbeleidigung anzusehen. Eine Schmähkritik ist dadurch gekennzeichnet, dass nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>). Dies kann hier nicht angenommen werden. Die Äußerungen haben einen Sachbezug. In den E-Mails des Antragsgegners stand das – angebliche – dienstliche Fehlverhalten des Antragstellers sowie die darauf beruhende Rücktrittsforderung im Vordergrund, nicht die Herabwürdigung des Antragstellers als „Lügner“. Der Begriff der Formalbeleidigung ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch nicht abschließend definiert. Wenn jedoch – wie vorliegend – der Vorwurf der „Lüge“ in Zusammenhang mit bestimmten Äußerungen steht, in sachliche Einwände gegen die Wahrheit dieser Äußerungen eingebettet ist und damit als – wenn auch scharfe – Kritik an dem Äußernden dient, kommt dem Vorwurf der Lüge nicht die Qualität einer selbständigen, allein in der Wortwahl liegenden Ehrverletzung zu, welche die Annahme einer Formalbeleidigung rechtfertigt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Mai 1999 – 1 BvR 1294/96 –, juris, Rn. 2).
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bb) Das Verwaltungsgericht hat bei summarischer Prüfung nicht festgestellt, dass der tatsächliche Äußerungsgehalt – Lügen des Antragstellers hinsichtlich des Vorliegens bzw. des Inhalts eines Schreibens des Landesverwaltungsamtes, hinsichtlich der Stundenzahl des Herrn H. bei der EnergyC-Stadt sowie hinsichtlich der Abwasserkostenvereinbarung mit der Brauerei C-Stadt – wahr ist. Soweit das Verwaltungsgericht deshalb zu dem Ergebnis gelangt ist, der Antragsteller habe die ehrverletzenden Tatsachenbehauptungen des Antragsgegners bis zu einer etwaigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren – dessen Ausgang im Hinblick auf eine möglicherweise erforderliche Beweiserhebung offen sei – nicht hinzunehmen, hat es die Bedeutung und Tragweite von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verkannt. Aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit fallen lediglich bewusst oder erwiesen unwahre Tatsachenbehauptungen heraus. Davon ist das Verwaltungsgericht vorliegend nicht ausgegangen; es kann bei summarischer Prüfung auch nicht festgestellt werden.
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cc) Bleibt die Wahrheit der beanstandeten Aussagen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes offen, sind sonstige Gesichtspunkte für die Entscheidung heranzuziehen, welches Rechtsgut im Einzelfall überwiegt. Zugunsten des Antragstellers fällt dabei ins Gewicht, dass die Lügenvorwürfe ihn nicht nur als Privatperson herabwürdigen, sondern auch geeignet sind, ihn in seinem öffentlichen Ansehen erheblich zu beeinträchtigen und seine Dienstgeschäfte als Bürgermeister zu erschweren. Das Vertrauen in die Amtsführung des Antragstellers wird insbesondere dadurch beeinträchtigt, dass der Antragsgegner die Lügenvorwürfe im Hinblick auf dienstliche Aussagen des Antragstellers erhoben hat. Allerdings ist insoweit auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller aufgrund der vorläufigen Dienstenthebung seinen Dienstgeschäften derzeit nicht nachgehen kann und daher von eventuellen nachteiligen Auswirkungen der Vorwürfe auf die Führung der Dienstgeschäfte gegenwärtig nicht betroffen ist.
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Zu Gunsten der Meinungsfreiheit des Antragsgegners ist zu berücksichtigen, dass er von dem Grundrecht nicht zum Zwecke privater Auseinandersetzung Gebrauch gemacht hat, sondern in erster Linie zur Bildung der öffentlichen Meinung im Stadtrat beitragen wollte. Die Vermutung für die freie Rede erlangt umso schwereres Gewicht, als die geübte Kritik – wie vorliegend – die Ausübung staatlicher Gewalt zum Inhalt hatte; die Meinungsfreiheit ist gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen und findet darin unverändert ihre Bedeutung (vgl. BVerfGE 93, 266 <293>). Teil der von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG umfassten Freiheit, seine Meinung in selbstbestimmter Form zum Ausdruck zu bringen (vgl. BVerfGE 54, 129 <138 f.>; 60, 234 <241>), ist auch, dass der Äußernde von ihm als verantwortlich angesehene Amtsträger in anklagender und personalisierter Weise für die zu kritisierende Art der Machtausübung angreifen kann, ohne befürchten zu müssen, dass die personenbezogenen Elemente seiner Äußerung aus diesem Kontext herausgelöst betrachtet werden und als solche die Grundlage für eine einschneidende gerichtliche Sanktion bilden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Mai 2009 – 1 BvR 2272/04 –, NJW 2009, S. 3016 <3019>). Dies gilt umso mehr, wenn der Äußernde – wie vorliegend der Antragsgegner als Stadtratsmitglied – kraft Amtes zur Kontrolle des verantwortlichen Amtsträgers aufgerufen ist. Hinzu kommt, dass der Antragsteller das Schreiben des Landesverwaltungsamtes, auf das er sich im Stadtrat berufen hat, trotz mehrfacher Aufforderung durch den Antragsgegner zunächst nicht vorgelegt und damit Anlass für Zweifel an der Existenz und dem Inhalt des Schreibens genährt hat. Auch auf anderem Wege war es dem Antragsgegner nach eigenen Angaben nicht gelungen, in den Besitz des Schreibens zu gelangen. Seine Möglichkeiten, den Wahrheitsgehalt der Behauptung des Antragstellers zu überprüfen, waren damit erschöpft. Im Hinblick auf die wegen der Trinkwasserpreiserhöhung umstrittene Vertragsbeendigung zwischen WAZV und HWS und des besonderen öffentlichen Interesses an diesem Vorgang muss der Antragsteller deshalb auch eine möglicherweise polemische und überspitzte Kritik am Zurückhalten des Schreibens hinnehmen. Hinsichtlich der weiteren tatsächlichen Aussagegehalte (Stundenzahl des Herrn H. bei der EnergyC-Stadt, Abwasserkostenvereinbarung mit der Brauerei C-Stadt) hat der Antragsteller zwar keinen konkreten Anlass für den Lügenvorwurf geboten. Doch ist insoweit zugunsten des Antragsgegners zu berücksichtigen, dass auch diese Aussagen die Ausübung staatlicher Gewalt betreffen und den Inhalt der E-Mail vom (...) 2015 im Nachhinein rechtfertigen sollen („wer einmal lügt dem glaubt man nicht“). Bei der gebotenen Gesamtabwägung aller Umstände stellen sich die vom Antragsgegner gewählten Äußerungen im Gesamtkontext mithin als noch zulässig dar. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit darf daher bei summarischer Prüfung nicht durch einen Unterlassungsanspruch eingeschränkt werden.
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3. Der Senat weist allerdings ausdrücklich darauf hin, dass es in einem etwaigen Hauptsacheverfahren entsprechend § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB Sache des Antragsgegners wäre, die Wahrheit seiner Behauptungen nachzuweisen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 1998 – VI ZR 205/97 –, NJW 1998, S. 3047 <3094 f.>). Gelänge dies auch im Wege der Beweisaufnahme nicht, könnte die Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers ausfallen. Davon wäre jedenfalls auszugehen, wenn sich die tatsächlichen Aussagen des Antragsgegners als unwahr erwiesen (vgl. BVerfGE 61, 1 <8 f.>; 85, 1 <17>).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1 GKG und erfolgt in Anlehnung an Nrn. 22.7 und 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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Annotations
(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. § 67 Abs. 4 bleibt unberührt.
(2) Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Beschwerdegericht eingeht.
(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.
(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
(5) u. (6) (weggefallen)
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.
(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.
(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.
(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.
(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.
(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.
(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.
(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.
(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.