Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 23. Feb. 2015 - 2 M 147/14

ECLI:ECLI:DE:OVGST:2015:0223.2M147.14.0A
23.02.2015

Gründe

1

Die Beschwerde der Antragsteller hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

2

Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die Voraussetzungen zum bauaufsichtlichen Einschreiten seien erfüllt. Von dem westlichen, in den Anlagen 1 und 2 der Ordnungsverfügungen des Antragsgegners vom 11.07.2014 grün gekennzeichneten Gebäudeteil des leer stehenden Wohngebäudes auf dem Grundstück P-Straße 33 in P-Stadt (Elbe) gingen Gefahren für die öffentliche Sicherheit aus. Nach den Ausführungen des Antragsgegners, die durch die bautechnische Stellungnahme des Dipl.-Ing. (...) vom 17.04.2014 gestützt würden und denen die Antragsgegner nicht in substantieller Weise entgegengetreten seien, sei der westliche, in der Anlage 1 gekennzeichnete Gebäudeabschnitt stark geschädigt. Hier seien starke Risse in der Außenwand erkennbar, die auf den zu erwartenden Einsturz der gegenwärtig noch teilweise vorhandenen Geschossdecken bzw. der Außenwand hindeuteten. Die Geschossdecken (Holzbalkendecken) seien teilweise vollständig eingestürzt. Die Deckenbalken seien gebrochen und besäßen infolge der Wirkung von Holz zerstörenden Pilzen und dem Befall mit dem echten Hausschwamm nur noch geringe bzw. keine Tragfähigkeit mehr. Die Stabilität und Standsicherheit der Außenwände des 1. Obergeschosses und des Erdgeschosses sei abschnittsweise nicht mehr gegeben. Der Giebel des westlichen Gebäudeabschnitts stehe frei und habe keine Verbindung zum Nachbargebäude. Dieser Zustand des Gebäudes werde durch die bei den Verwaltungsakten befindlichen Lichtbilder bestätigt und rechtfertige die Annahme einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Eigentum, denn es sei ernsthaft in Betracht zu ziehen, dass der westliche Gebäudeabschnitt in nächster Zeit einstürze und damit die Bewohner des Nachbargrundstücks und Passanten gefährde. Die Antragsteller seien für den baurechtswidrigen Zustand auch als vormalige Eigentümer verantwortlich. Sie hätten auf ihr Eigentum verzichtet, nachdem sie am 11.08.2011 als Alleineigentümer in das Grundbuch eingetragen worden seien, so dass die streitgegenständliche Immobilie herrenlos sei. Der Eigentumsverzicht der Antragsteller sei am 10.10.2011 in das Grundbuch eingetragen worden. Die Inanspruchnahme der Antragsteller habe auch keine unbillige Härte zur Folge und verstoße nicht gegen Art. 14 GG. Sie seien vor ihrer Eigentumsaufgabe verpflichtet gewesen, das Gebäude so instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht gefährdet werde. Sie hätten von der Möglichkeit, das Erbe auszuschlagen, keinen Gebrauch gemacht und seien nach dem Tod ihres Vaters am 09.03.2003 zusammen mit zwei unbekannten Erbengemeinschaften Eigentümer des Grundstücks geworden, am 16.09.2005 als (Mit-)Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden und hätten diese Eigentümerstellung erst mit der Eintragung des Verzichts in das Grundbuch verloren. Sie seien daher über fünf Jahre (Mit-)Eigentümer des Grundstücks und jedenfalls im Wege der Notgeschäftsführung bzw. als gesetzliche Vertreter der unbekannten Erben gemäß Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB in der Lage gewesen, das Grundstück zu nutzen und notwendige Instandhaltungsmaßnahmen durchführen zu lassen. Auf die Frage, ob und in welchem Umfang die Antragsteller tatsächlich einen positiven Ertrag erzielt hätten, komme es rechtlich nicht an, zumal davon auszugehen sein dürfte, dass sich die Antragsteller die Zeit, während der ihr Vater (Mit-)Eigentümer gewesen sei, aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge anrechnen lassen müssten. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die verfassungsrechtliche Obergrenze für die finanzielle Belastung der Antragsteller als Zustandsstörer durch die Kosten der ihnen aufgegebenen Sicherungsmaßnahmen erreicht oder überschritten sei, ergäben sich nicht. Die für die Ersatzvornahme der aufgegebenen Maßnahmen zu erwartenden Gesamtkosten betrügen nach den Angaben in dem Bescheid voraussichtlich 32.000,00 €. Die Antragsteller hätten nicht glaubhaft gemacht, dass der Verkehrswert des Grundstücks niedriger als dieser Betrag sei. Zudem bleibe im Hinblick auf den nicht sicher festgestellten Grundstückswert im Rahmen der Ersatzvornahme zu prüfen, ob die Kosten mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Antragstellern ganz auferlegt werden könnten. Auch sonstige Gründe sprächen nicht gegen die Heranziehung der Antragsteller. Der auf den vorgelegten Lichtbildern erkennbare desolate Zustand des Gebäudes gehe ersichtlich auf jahrelanges Unterlassen der gebotenen Instandhaltungsmaßnahmen zurück. Auch die Antragsteller hätten vorgetragen, dass sich das Gebäude bereits im Jahr 2005 in einem ähnlichen Zustand befunden habe. Angesichts der gefährdeten hochwertigen Schutzgüter, nämlich Leben und Gesundheit von Dritten, bestehe ein besonderes öffentliches Interesse an der Umsetzung der bauaufsichtlichen Maßnahme schon vor Eintritt der Bestandskraft.

3

Hiergegen wenden die Antragsteller ein, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht festgestellt, dass ihre Inanspruchnahme keine unbillige Härte zur Folge habe und nicht gegen Art. 14 GG verstoße. Die Rückbauverfügung sei unverhältnismäßig. Sie würden als ehemalige Eigentümer in unzumutbarem Maße wirtschaftlich belastet. Die veranschlagten Abrisskosten von 32.000,00 € überstiegen den Verkehrswert des Grundstücks erheblich. Das Grundstück habe einen Bodenwert von - 56.942,40 €. Der Verkehrswert sei vor diesem Hintergrund in einem Verkehrswertgutachten vom 06.02.2006 (symbolisch) mit 1,00 € angesetzt worden. Damit seien sie erhöht schutzwürdig. Sie hätten keinen Veräußerungserlös erzielt und ab dem Zeitpunkt der Eigentumsaufgabe auch keine Möglichkeit mehr zur wirtschaftlichen Nutzung und Verwertung des Grundstücks. Auch vorher hätten sie keinen wirtschaftlichen Nutzen mit dem Grundstück erzielt und dieses auch nicht einfach abstoßen und verwerten können. Es komme bei der Frage, auf welches zumutbare Maß ihre Heranziehung im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG zu begrenzen sei, nicht nur auf die rechtliche Verfügungsbefugnis, sondern auch auf den wirtschaftlichen Nutzen des Eigentums an. In einer Situation wie der vorliegenden, in der allein Pflichten aus dem Eigentums folgten, aber nie die Chance wirtschaftlicher Nutzung und Verwertung vorhanden gewesen sei, dürfte die Schutzwürdigkeit der ehemaligen Eigentümer erhöht sein. Bei dem Grundstück habe es sich bereits im Zeitpunkt des Erbfalls um eine sanierungsbedürftige Schrottimmobile gehandelt. Der Zustand des Grundstücks/Gebäudes sei bereits seinerzeit so schlecht gewesen, dass ihr Motiv dafür, das Erbe nicht auszuschlagen, nicht in der Absicht bestanden habe, das Grundstück wirtschaftlich zu verwerten. Sie hätten damals bereits gewusst, dass sie mit der Immobilie keinen wirtschaftlichen Gewinn/Nutzen erzielen könnten, und seien der Auffassung gewesen, dass das Grundstück zwar wirtschaftlich wertlos sei, aber zumindest auch keine finanziellen Belastungen mit dem Eigentumserwerb einhergehen würden. Es sei auch nicht deshalb gerechtfertigt, sie in Anspruch zu nehmen, weil sie das Erbe nicht ausgeschlagen hätten. Eine solche formale Betrachtungsweise sei nicht angemessen. Die Unterlassung der Erbausschlagung sei mit einer vertraglichen Vereinbarung über den Kauf eines Gegenstandes nicht gleichzusetzen. Sie seien auch nicht in der Lage, die Abrisskosten von 32.000,00 € aufzubringen. Zudem sei die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht nachvollziehbar. Es bleibe unklar, weshalb die Gefahr so ausgeprägt sein soll, dass das Widerspruchsverfahren nicht abgewartet werden könne. Der Gutachter habe das Grundstück bereits am 05.05.2011 besichtigt. Bereits seit diesem Zeitpunkt sei die Gefahrensituation bekannt. Es erschließe sich nicht, warum es nach 3 ½ Jahren zu einer Verschärfung der Gefahrensituation gekommen sein soll, die ein sofortiges Einschreiten erforderlich mache.

4

Diese Einwendungen führen nicht zum Erfolg der Beschwerde. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Inanspruchnahme der Antragsteller keinen rechtlichen Bedenken begegnet.

5

Es bedarf hier keiner Vertiefung, ob die Inanspruchnahme der Antragsteller bereits deshalb rechtlich unbedenklich ist, weil sie wegen pflichtwidriger Unterlassung der gemäß § 3 Abs. 1 BauO LSA gebotenen Instandhaltungsmaßnahmen während ihrer Eigentümerstellung als Verhaltensverantwortliche im Sinne des § 7 SOG LSA anzusehen sind (vgl. BayVGH, Beschl. v. 26.09.1995 – 21 B 95.1527 –, juris; VG Göttingen, Beschl. v. 09.11.1998 – 2 B 2370/98 –, juris RdNr. 18). Dies dürfte zweifelhaft sein. Es ist zwar anerkannt, dass eine Verhaltensverantwortlichkeit nicht nur durch positives Tun, sondern auch durch pflichtwidriges Unterlassen begründet werden kann. Zudem lässt ein Eigentumsverzicht die Verhaltensverantwortlichkeit nicht entfallen (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 09.06.2009 – 1 B 268/09 –, juris RdNr. 4). Es spricht jedoch manches dafür, dass derjenige, der die Beseitigung des ordnungswidrigen Zustands einer Sache unterlässt, die in seinem Eigentum steht, nur als Zustandsstörer und nicht daneben auch als Verhaltensstörer in Anspruch genommen werden kann (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 09.06.2009 – 1 B 268/09 – a.a.O. m.w.N.; OVG MV, Beschl. v. 09.07.2010 – 3 M 128/10 –, juris RdNr. 9).

6

Dies kann hier dahinstehen, denn die Antragsteller können sich jedenfalls nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Antragsgegner die aus Art. 14 Abs. 1 GG folgenden Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit nicht hinreichend beachtet hat. Grundsätzlich begegnet es im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 und 2 GG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, die sicherheitsrechtlichen Vorschriften über die Zustandsverantwortlichkeit dahingehend auszulegen, dass der Eigentümer eines Grundstücks allein wegen dieser Rechtsstellung verpflichtet werden kann, von dem Grundstück ausgehende Gefahren zu beseitigen, auch wenn er die Gefahrenlage weder verursacht noch verschuldet hat; die Zustandshaftung findet ihren Grund in der mit dem Eigentum verbundenen Sachherrschaft sowie in der Verbindung von Vorteilen und Lasten der Sache. Allerdings ergeben sich Beschränkungen aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dabei ist ein erster Orientierungspunkt das Verhältnis des Beseitigungsaufwands zum Restwert des Grundstücks nach Durchführung der Maßnahme. Während eine den Restwert überschreitende Belastung unzumutbar sein kann, wenn die zu beseitigende Gefahr auf Naturereignisse, der Allgemeinheit oder nicht nutzungsberechtigten Dritten zuzurechnende Ursachen zurückgeht und selbst eine geringere Belastung unverhältnismäßig sein kann, wenn das Grundstück den wesentlichen Teil des Vermögens des Pflichtigen und die Grundlage seiner privaten Lebensführung bildet, kann andererseits selbst eine den Restwert übersteigende Belastung zumutbar sein, wenn der Eigentümer das Risiko der entstandenen Gefahr bewusst in Kauf genommen hat (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 26.02.2014 – 1 LB 100/09 –, juris RdNr. 76 f. unter Hinweis auf BVerfG, Beschl. v. 16.02.2000 - 1 BvR 242/91, 1 BvR 31 BvR 315/99 –, juris RdNr. 51 ff.; Beschl. d. Senats v. 03.12.2012 – 2 M 166/12 – BA S. 4 und Beschl. v. 12.06.2013 – 2 M 28/13 –, juris RdNr. 25 ff.). Ein solcher Fall liegt etwa dann vor, wenn der Eigentümer das Grundstück in Kenntnis von Altlasten, die von früheren Eigentümern oder Nutzungsberechtigten verursacht worden sind, erworben hat oder wenn er zulässt, dass das Grundstück in einer risikoreichen Weise genutzt wird. Auch derartige Umstände sind bei der erforderlichen Abwägung schutzwürdiger Eigentümerinteressen mit den Belangen der Allgemeinheit beachtlich. Wer ein solches Risiko bewusst eingeht, kann seiner Inanspruchnahme als Zustandsverantwortlicher nicht entgegenhalten, seine Haftung müsse aus Gründen des Eigentumsschutzes begrenzt sein. Denn das freiwillig übernommene Risiko mindert die Schutzwürdigkeit des Eigentümers (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.02.2000 - 1 BvR 242/91, 1 BvR 31 BvR 315/99 – a.a.O. RdNr. 59; Beschl. d. Senats v. 12.06.2013 – 2 M 28/13 – a.a.O. RdNr. 27). Eine vergleichbare freiwillige Übernahme des Risikos einer Inanspruchnahme (zur Beseitigung) liegt vor, wenn der Erbe eines Grundstücks in Kenntnis des desolaten Zustands der aufstehenden Gebäude es unterlässt, das Erbe auszuschlagen (§§ 1942 ff. BGB) oder – im Falle einer unverschuldeten Unkenntnis – die Annahme der Erbschaft anzufechten (§§ 1954 ff. BGB) (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 26.02.2014 – 1 LB 100/09 – a.a.O. RdNr. 79). So liegt es hier. Die Antragsteller haben das Risiko einer Inanspruchnahme zur Beseitigung der auf dem Grundstück P-Straße 33 in P-Stadt (Elbe) aufstehenden Gebäude sehenden Auges in Kauf genommen, als sie in Kenntnis des Zustands der Gebäude das Erbe nach ihrem Vater nicht ausgeschlagen haben. Damit ist die Schutzwürdigkeit ihres Eigentums gemindert. Eine Begrenzung der von ihnen zu tragenden Beseitigungskosten auf den Verkehrswert des Grundstücks – und damit ein Absehen von ihrer Heranziehung – ist vor diesem Hintergrund nicht geboten.

7

Auch sonstige Gründe erfordern keine Begrenzung der Kostenbelastung der Antragsteller. Nach Sinn und Zweck des § 8 Abs. 3 SOG LSA soll sich der Eigentümer seiner Zustandsverantwortlichkeit nicht dadurch entziehen können, dass er das Eigentum an dem die Gefahr begründenden Grundstück aufgibt. Einer Inanspruchnahme des früheren Eigentümers kann daher nur entgegenstehen, dass die Gefahrenlage erst nach Aufgabe des Eigentums entstanden ist (Beschl. d. Senats v. 02.09.2014 – 2 M 31/14 –, juris RdNr. 21). Das ist hier – nach den eigenen Angaben der Antragsteller – nicht der Fall.

8

Ohne Belang ist, ob die Antragsteller – derzeit – in der Lage sind, die Abrisskosten von ca. 32.000,00 € aufzubringen. Die Zustandsverantwortlichkeit der ehemaligen Eigentümer gemäß § 8 Abs. 3 SOG LSA steht nicht unter dem Vorbehalt der Leistungsfähigkeit. Der (ehemalige) Eigentümer ist für den ordnungsgemäßen Zustand seines Gebäudes grundsätzlich ohne Rücksicht auf seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verantwortlich (Beschl. d. Senats v. 03.12.2012 – 2 M 166/12 – BA S. 3).

9

Das Verwaltungsgericht hat auch zu Recht angenommen, dass angesichts des desolaten Zustands insbesondere des westlichen Gebäudeteils, der in der bautechnischen Stellungnahme vom 17.04.2014 dargestellt wird, Gefahren für Leben und Gesundheit von Dritten bestehen, die ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung begründen. Dass eine derartige Gefahrenlage bereits seit dem 05.05.2011 vorliegt, steht dem – entgegen der Ansicht der Antragsteller – nicht entgegen.

10

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 14


(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der All

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 146


(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltun

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Tenor Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 14.05.2010 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren und d

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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 14.05.2010 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren und das erstinstanzliche Verfahren wird auf jeweils 10.000,00 Euro festgesetzt; insoweit wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 14.05.2010 geändert.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen eine baurechtliche Ordnungsverfügung des Antragsgegners, in der ihr aufgegeben wird, die einsturzgefährdete Mauer und Werkswände einschließlich des verbliebenen Schornsteins des Werkstattgebäudes auf dem Grundstück der Antragstellerin A.straße 18 in B. fachgerecht instandzusetzen. Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein. Diesen anordnenden Bescheid vom 17.03.2010 hat der Antragsgegner für sofortig vollziehbar erklärt und ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 Euro angedroht. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte der Antragsgegner durch Bescheid vom 26.03.2010 ab. Er setzte hierzu eine Frist bis zum 30.04.2010.

2

Die Antragstellerin macht geltend, es müsste der Eigentümer des Nachbargrundstücks A.straße 22a herangezogen werden, weil durch Abrißmaßnahmen auf diesem Grundstück die Standsicherheit ihrer eigenen baulichen Anlagen beeinträchtigt worden sei.

3

Den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Verwaltungsgericht Schwerin durch Beschluss vom 14.05.2010 ab. Es führte aus: Der Zustand des Werkstattgebäudes auf dem Grundstück A.straße 18 verstoße gegen § 12 Abs. 1 Satz 1 Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern - LBauO M-V -. Darin liege ein Verstoß der Antragstellerin als Eigentümerin gegen ihre Pflichten aus § 52 LBauO M-V, außerdem eine Gefahr im Sinne von § 3 Abs. 3 Nr. 2 Sicherheits- und Ordnungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern - SOG M-V -. Daher dürfe der Antragsgegner die erforderlichen Maßnahmen der Antragstellerin gemäß § 58 Abs. 1 Satz 2 LBauO M-V aufgeben. Die Antragstellerin sei als Instandsetzungspflichtige nach § 3 LBauO M-V und zugleich als Zustandsverantwortliche nach § 70 Abs. 1 SOG M-V in Anspruch zu nehmen. Als Eigentümerin sei sie für den Zustand des Werkstattgebäudes verantwortlich, unabhängig davon, ob sie selbst durch positives Tun oder Unterlassen den Gefahrenzustand herbeigeführt habe. Der Antragsgegner sei auch nicht gehalten, das Vorliegen des in dem zivilrechtlichen Rechtsstreit zwischen der Antragstellerin und dem Nachbarn A.straße 22a vor dem Landgericht Schwerin zum Aktenzeichen 4 O 222/09 in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens abzuwarten. Angesichts dieses Gutachtens bestehe auch nicht die Gefahr, dass mit Umsetzung der ihr auferlegten Maßnahmen spätere zivilrechtliche Rechtsnachteile entstehen könnten.

4

Gegen diesen ihr am 17.05.2010 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am gleichen Tage Beschwerde eingelegt, die sie am 14.06.2010 begründet hat.

II.

5

Die Beschwerde ist nach Maßgabe des allein zu prüfenden Vorbringens in der Beschwerdeschrift (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) zulässig, aber unbegründet.

6

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der angefochtene Bescheid nach der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO allein möglichen und gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage offensichtlich rechtmäßig ist. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.

7

Es kann dahinstehen, ob für die Abrissmaßnahmen auf dem Nachbargrundstück A.straße 22a in Jahre 2003 eine Baugenehmigung erforderlich war und sie erteilt worden ist. An der grundsätzlichen Verantwortlichkeit der Antragstellerin als der Eigentümerin des Gebäudes A.straße 18 für dessen Standsicherheit ändert dies nichts. Gegenstand einer Baugenehmigung zum Abriss einer baulichen Anlage ist nicht die Ermöglichung einer Beeinträchtigung des Eigentums von Nachbarn. Es kann dahinstehen, ob überhaupt § 12 Abs. 1 S. 2 LBauO M-V im Zusammenhang mit einem Abrissvorhaben durch die Bauaufsichtsbehörde zu prüfen ist. Wenn diese Frage zum Prüfprogramm gehört bzw. gehörte, könnte einem Anspruch auf die Erteilung einer Abbruchgenehmigung nach § 72 Abs. 1 LBauO M-V entgegenstehen, dass nach Beendigung des Abbruchs ein Zustand eintritt, der die Standsicherheit von Nachbargebäuden - insbesondere wenn sie bewohnt sind - gefährdet. Die Baugenehmigungsbehörde hätte sicherzustellen, dass derartige Gefahren für die öffentliche Sicherheit durch eine von ihr erteilte Abbruchgenehmigung nicht eintreten (§§ 3 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 Satz 2 LBauO M-V). Die Baugenehmigungsbehörde kann derartige Gefahren für die öffentliche Sicherheit in aller Regel durch die Beifügung von Nebenbestimmungen abwehren, etwa durch Nebenbestimmungen, die sicherstellen, dass der Abbruch nach den Regeln der Technik (§ 3 Abs. 1 Satz 2 LBauO M-V) durchgeführt wird und dass verbleibende Nachbargebäude in ihrer Standsicherheit nicht gefährdet werden. Sie muss nur dann, wenn hinreichende Anzeichen für eine drohende konkrete Gefahr vorliegen, den Sachverhalt zuverlässig aufklären, um über den Antrag auf Erteilung einer Abbruchgenehmigung sachgerecht entscheiden zu können. Die Intensität dieser Aufklärungspflicht hängt u.a. davon ab, welches Ausmaß begründet zu befürchtende Gefahren bzw. Schäden annehmen könnten und wie gewichtig die auf derartige Gefahren hindeutenden Indizien im Einzelfall sind; soweit es um konkrete Gefahren für Leib oder Leben von Menschen geht, sind an die Aufklärungspflicht der Behörde grundsätzlich hohe Anforderungen zu stellen (vgl. OVG Münster, B. v. 28.01.2005 - 10 B 2827/04 - juris). Aus dem Akteninhalt ist nichts dafür ersichtlich, dass derartige Gefahren für den Antragsgegner zum Zeitpunkt einer Entscheidung über den Abriss erkennbar waren. In einem solchen Fall bleibt es bei dem Grundsatz, dass dann, wenn infolge der Durchführung des Vorhabens Schäden an dem auf dem Nachbargrundstück stehenden Gebäude drohen oder verursacht werden, dies lediglich eine weitere Folge des Bauvorhabens ist, die unabhängig von der Baugenehmigung geregelt und bewältigt werden müsste. Wie welche dem Schutz der Nachbargebäude dienende technische Vorkehrungen verwirklicht werden, ist dann nicht notwendiger Regelungsgehalt der Baugenehmigung, die unbeschadet privater Rechte Dritter erteilt wird (§ 72 Abs. 5 Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern (LBauO M-V) vom 18.04.2006 (GVOBl. M-V S. 102) i.d.F. des Gesetzes vom 17.12.2009 (GVOBl. M-V S. 729) LBauO M-V; ebenso § 72 Abs. 4 Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern in der Fassung der Bekanntmachung vom 06.05.1998 (GVOBl. M-V S. 468, ber. S. 612), zul. geänd. durch Gesetz vom 16.12.2003 (GVOBl. M-V S. 690) (LBauO M-V a. F.)). Der generell gegebenen Notwendigkeit, bei einen Abriss dafür zu sorgen, dass der Baugrund für nahestehende Bauwerke der Nachbarn stabil gehalten wird (vgl. § 12 Abs. 1 S. 2 LBauO M-V und LBauO M-V a.F.) hat der Bauherr - auch ohne besondere Auflagen - im Rahmen der von ihm zu beachtenden allgemein anerkannten Regeln der Baukunst und der Technik Rechnung zu tragen (§ 3 Abs. 1 und 4 LBauO M-V und LBauO M-V a.F.) (vgl. VGH München, B. v. 14.10.2008 - 2 CS 08.2582 - juris). Dies alles gilt erst recht für den Abriss eines Gebäudes, für den keine Genehmigungspflicht, sondern eine Anzeigepflicht besteht (so § 61 Abs. 3 LBauO M-V) oder der genehmigungsfrei ist (§ 65 Abs. 3 LBauO M-V a.F.) oder für den die erforderliche Genehmigung nicht eingeholt ist. Damit ist aber nicht die Frage entschieden, ob dann, wenn der Bauherr des Abrissvorhabens diese Pflichten verletzt und dadurch das Nachbargebäude seine Standsicherheit verliert, dieser Nachbar als Eigentümer des standsichergefährdeten Gebäudes in Anspruch genommen werden darf und nicht - auch oder in erster Linie - der - ehemalige - Bauherr des Abbruchvorhabens.

8

In der Sache macht die Antragstellerin, obwohl sie dies nicht ausdrücklich vorträgt, in diesem Zusammenhang eine ermessensfehlerhafte Auswahl des Störers geltend, da ihre Haftung als Zustandsstörerin nicht in Frage steht. Für die Rechtmäßigkeit der Ermessensbetätigung kommt es dabei auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung an (vgl. VGH Mannheim, B. v. 30.01.1990 - 5 S 1806/89 - NVwZ-RR 1991, 27). Da diese noch nicht ergangen ist, sind die neuen Erkenntnisse, die sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H. vom 31.03.2010 ergeben, zu berücksichtigen. Gleichwohl ergibt sich, dass es nicht zu beanstanden ist, wenn der Antragsgegner eine Heranziehung des Eigentümers des Grundstücks A.str. 22a nicht erwogen hat.

9

Die Heranziehung der Antragstellerin dürfte allerdings nicht schon deswegen gerechtfertigt sein, weil sie neben ihrer Eigenschaft als Zustandsstörerin auch wegen Unterlassens der nach § 12 Abs. 1 Satz 1 LBauO M-V gebotenen Maßnahmen als Handlungsstörerin durch qualifiziertes Unterlassen verantwortlich wäre. Wer die Beseitigung des ordnungswidrigen Zustands einer Sache unterlässt, die in seinem Eigentum steht, kann - nur - als Zustandsstörer und nicht daneben auch als Verhaltensstörer in Anspruch genommen werden. Dafür spricht, dass das Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) und die daraus resultierenden Pflichten (Art. 14 Abs. 2 GG) allein grundstücksbezogen zu betrachten sind. Deshalb knüpft auch die Haftung gemäß § 70 SOG M-V an den Zustand der Sache und die Sachherrschaft über diese an. Nur aufgrund dieser Zugriffsmöglichkeit auf den Zustand trifft den Eigentümer mithin eine Instandhaltungspflicht gemäß § 12 LBauO M-V (OVG Bautzen, B. v. 09.06.2009 - 1 B 268/09 - LKV 2009, 422). Wenn es zutreffen sollte, dass die Antragstellerin oder deren Rechtsvorgänger bauliche Änderungen an ihren baulichen Anlagen vorgenommen hat, die zur Beeinträchtigung der Standsicherheit geführt haben, käme sie allerdings auch als Handlungsstörerin in Betracht.

10

Wie aus § 12 Abs. 1 S. 1 LBauO M-V deutlich hervorgeht, ist nach dem Gesetz in erster Linie der Grundeigentümer für die Standsicherheit der Gebäude auf seinem Grundstück verantwortlich, und zwar nicht nur hinsichtlich Sicherungsmaßnahmen bei drohender Gefahr, sondern in vollem Umfang dessen, was für einen dauerhaft sicheren Zustand erforderlich ist (vgl. OVG Hamburg, B. v. 11.08.2000 - 2 Bf 226/00 - juris).

11

Die Frage nach der Inanspruchnahme eines Dritten, der als Handlungsstörer einen gefährlichen Zustand geschaffen hat, stellt sich allenfalls dann, wenn die Verursachung durch den Dritten und damit dessen Verantwortlichkeit hinreichend geklärt ist (vgl. OVG Hamburg, B. v. 11.08.2000 - 2 Bf 226/00 - juris). Ein Einschreiten gegen den Zustandsstörer ist jedenfalls dann nach allgemeinem Ordnungsrecht nicht ermessensfehlerhaft, wenn unklar ist, ob und in welchem Umfang eine Haftung bestimmter Personen als Verhaltensstörer in Betracht kommt (VGH Mannheim, B. v. 30.01.1990 - .a.a.O.). Bei der Inanspruchnahme eines Verhaltensstörers, dessen Verantwortlichkeit zweifelhaft ist, ist bei der von der Behörde zu treffenden Auswahlentscheidung auch in den Blick zu nehmen, dass eine etwaige diesbezügliche langwierige prozessuale Auseinandersetzung der Effektivität der Gefahrenabwehr zuwiderlaufen könnte und deshalb in einer derartigen Fallgestaltung regelmäßig auf den Zustandsstörer zuzugreifen sein dürfte.

12

Erforderlich ist mithin, dass aus der Sicht der Ordnungsbehörde hinreichend sicher ist, dass der Dritte ordnungsrechtlich verantwortlich ist. Dabei ist es nicht Aufgabe des Antragsgegners, die Ursachen des Mauerbruches zu klären und sich dann an den Verursacher zu wenden (OVG Hamburg, B. v. 11.08.2000 - a.a.O.).

13

Von einer in diesem Sinne gegebenen Gewissheit könnte der Antragsgegner - und der Senat - erst dann ausgehen, wenn der Sachverhalt im Sinne des Vorbringens der Antragstellerin und der Bewertung des Gutachtens von Prof. Dr. H. geklärt wäre. Dies ist aber nicht der Fall. Das Landgericht Schwerin hat dieses Gutachten als Obergutachten eingeholt. Wie die Antragstellerin selbst mitteilt, war für den 23.06.2010 ein Termin für die Gutachterbefragung anberaumt. Unter diesen Umständen könnte allenfalls dann von einer für die ordnungsrechtliche Beurteilung eindeutigen Sach- und Rechtslage ausgegangen werden, wenn die Beweiswürdigung, die auch die übrigen Gutachten einzubeziehen hat, eindeutig ergibt, dass die Einschätzung der Antragstellerin zutrifft. Dies wird namentlich einer Auseinandersetzung mit dem Gutachten vom 06.06.2007 bedürfen, das der Antragsgegner seinem Bescheid zu Grunde gelegt hat und das offenbar zu dem Ergebnis kommt, dass die Ursache der Rissbildung nicht in dem Abriss auf dem Grundstück A.straße 22a liegt, sondern in der fehlenden Fundamentierung des Gebäudes des Antragstellerin und in baulichen Veränderungen, die die Antragstellerin oder ihre Rechtsvorgängerin an ihren baulichen Anlagen vorgenommen hat.

14

Ob die Antragstellerin den Nachbarn auf Schadensersatz in Anspruch nehmen kann, wenn ihre Annahmen über die Entstehung der Schäden richtig sind, kann offen bleiben. An ihrer Verantwortung für den Zustand ihres Grundstücks und die Standsicherheit ihres Gebäudes ändert dies nichts (vgl. OVG Hamburg, B. v. 11.08.2000 - a.a.O.).

15

Die Antragstellerin macht zudem zu Unrecht geltend, dass möglicherweise eine weitere Begutachtung erforderlich werden könnte, wenn das Verfahren vor den Zivilgerichten in die Berufung gehe; mit einer Veränderung der tatsächlichen Gegebenheiten würden ihre Ansprüche nicht mehr vollständig geltend gemacht werden können. Zum einen verweist der Antragsgegner soweit zu Recht darauf, dass durch die bereits durchgeführten Beweisaufnahmen hinreichende Grundlagen vorliegen, um den bestehenden Zustand zu erfassen. Zum anderen hat die Antragstellerin in der Beschwerdeschrift nicht in Frage gestellt, dass die ihr aufgegebenen Maßnahmen erforderlich sind, um die Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu beseitigen.

16

Ob die ursprünglich gesetzte Frist des 30.04.2010 zur Erfüllung der der Antragstellerin aufgegebenen Maßnahmen in Hinblick auf die in der Beschwerdeschrift aufgeworfene Frage des Abwartens des Gutachtens von Prof. Dr. H. hinreichend lang bestimmt waren, bedarf keiner Entscheidung. Diese Frist ist zwischenzeitlich abgelaufen, zudem liegt das Gutachten vor. Eine "Fortsetzungsfeststellung" ist dem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO fremd. Ob diese Frist Grundlage für eine Festsetzung eines Zwangsmittel sein konnte, ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden.

17

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

18

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 3 GKG. Sie geht davon aus, dass die vorläufig aufgegebenen Maßnahmen wesentlich teuerer sind, als vom Verwaltungsgericht zu Grunde gelegt. Dies wird aus der Kostenkalkulation des Gutachtens von Prof. Dr. Haker deutlich.

19

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 2 S. 7 i.V.m. § 66 Abs. 3 S. 3 GKG).

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin ist Eigentümerin der Grundstücke der Gemarkung H., Flur A, Flurstücke 245/1 und 864, auf dem die Fa. Produktions- und Handelsgesellschaft (…) mbh (PH(…) GmbH) auf der Grundlage einer Genehmigung nach § 4 BImSchG vom 24.01.2005 eine Anlage zum Umschlag, zur sonstigen Behandlung und zur zeitweiligen Lagerung von nicht überwachungsbedürftigen Abfällen (Altholz und brennbare Abfälle) betrieb. Nach dem Inhalt der Genehmigung war zur Inbetriebnahme der Anlage zur Erfüllung der Anforderungen nach § 5 Abs. 3 BImSchG gegenüber dem Land Sachsen-Anhalt eine Sicherheitsleistung in Höhe von 180.000,00 € zu erbringen.

2

Mit öffentlich-rechtlichem Vertrag vom 03.04.2007 verpflichtete sich die PH(…) GmbH gegenüber dem Antragsgegner u.a. dazu, die auf dem Gelände eingelagerten Ersatzbrennstoffe in Etappen von mindestens 700 t pro Monat sowie die dort lagernden Holzabfälle (ca. 5.300 t) in Etappen von mindestens 1.000 t pro Monat sowie Störstoffe (ca. 100 t) bis zum 30.09.2007 vollständig zu beräumen und zu entsorgen.

3

Mit Bescheid vom 26.09.2007 gab der Antragsgegner der PH(...) GmbH auf, die weitere Annahme und Einlagerung, die Behandlung und das Umschlagen von Abfällen ab sofort und bis zum Abschluss der Beräumung einzustellen, alle auf dem Betriebsgrundstück befindlichen Holzabfälle, hausmüllähnlichen Gewerbeabfälle und Störstoffe bis spätestens 31.12.2007 vollständig zu beräumen und zu entsorgen und die ordnungsgemäße Entsorgung nachzuweisen. Zur Begründung führte er u. a. aus, es seien länger als ein Jahr illegal Abfälle abgelagert worden. Die Lagerung von hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen werde durch den Genehmigungsbescheid nicht abgedeckt.

4

Mit Schreiben vom 24.10.2007 teilte der Antragsgegner der PH(...) GmbH mit, dass im Zeitraum zwischen dem 20.08.2007 und dem 11.09.2007 die Ersatzvornahme zur Beräumung der in der Halle gelagerten Ersatzbrennstoffe vorgenommen worden sei. Es seien 2.032,46 t zum Preis von 243.918,57 € entsorgt worden. Da trotz Inrechnungstellung der voraussichtlichen Kosten in Höhe von 183.464,00 € keine Zahlung erfolgt sei, sei die Bürgschaftsausfallversicherung in Höhe von 180.000,00 € in Anspruch genommen worden. Der Restbetrag sei von der PH(...) GmbH zu übernehmen.

5

Nach der Mitteilung des Amtsgerichts Stendal vom 23.02.2009 wurde die PH(...) GmbH am 18.02.2009 wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 141a FGG von Amts wegen im Handelsregister gelöscht.

6

Mit Bescheid vom 01.07.2011 gab der Antragsgegner der Antragstellerin u.a. auf, alle auf dem ehemaligen Betriebsgrundstück befindlichen Abfälle (Abfälle aus dem Anlagenbetrieb der PH(...) GmbH und Abfälle, die nach Betriebseinstellung der PH(...) GmbH illegal durch Dritte auf dem Gelände abgelagert worden sind, außer Bauschutt) spätestens bis zum 31.08.2012 vollständig zu beräumen und unter Beachtung der Festlegungen des KrW-/AbfG zu entsorgen. Zur Begründung gab er an, mit der Löschung der Anlagenbetreiberin im Handelsregister und dem Erlöschen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für den Standort im Juli 2010 sei ein illegaler Zustand hinsichtlich der Lagerung der Abfälle entstanden. Die Antragstellerin sei beseitigungspflichtig, weil der Abfallbesitz mit der Löschung der Anlagenbetreiberin im Handelsregister auf sie übergegangen sei.

7

Den hiergegen von der Antragstellerin erhobenen Widerspruch wies das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit Widerspruchsbescheid vom 30.08.2012 zurück. Über die am 04.10.2012 beim Verwaltungsgericht Halle erhobene Klage ist noch nicht entschieden. Mit Bescheid vom 14.01.2012 ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung der Beräumungs- und Entsorgungsanordnung an.

8

Den Antrag der Antragstellerin auf Widerherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss abgelehnt und zur Begründung ausgeführt:

9

Der Antragsgegner habe auf die Antragstellerin als Zustandsverantwortliche zurückgreifen dürfen, von der in erster Linie eine effektive Beseitigung der Abfälle zu erwarten sei. Der Handlungsstörer sei (rechtlich) nicht mehr vorhanden oder unbekannt geblieben. Die Antragstellerin könne sich nicht darauf berufen, dass sie die Situation auf ihrem Grundstück trotz der Verpachtung stets im Auge behalten und die zuständige Behörde stets auf Verstöße bei der Ablagerung der Abfälle hingewiesen habe. Die Inanspruchnahme der Antragstellerin erfolge verschuldensunabhängig. Auch könne sich ein Grundstückseigentümer mit einer Verpachtung nicht seiner Haftung als Zustandsverantwortlicher entledigen; vielmehr trage er ohne Wenn und Aber die Risiken, die sich hier typischerweise daraus ergeben hätten, dass der Pächter auf dem Grundstück der Antragstellerin (vertragswidrig) illegale Abfallablagerungen vorgenommen habe. Ferner sei unerheblich, ob die Behörde gehalten sei, sich vor einem Zugriff auf einen anderen Verantwortlichen als den Handlungsstörer zunächst einer hinterlegten Sicherheit bedienen müsse; denn nach dem Vortrag des Antragsgegners sei diese Sicherheit zwischenzeitlich für Beseitigungs- und Entsorgungsmaßnahmen auf dem hier gegenständlichen Grundstück verbraucht. Auch unter verfassungsrechtlichem Blickwinkel verstoße die Inanspruchnahme der Antragstellerin nicht gegen das Übermaßverbot, auch wenn sie über den Verkehrswert des betroffenen Grundstücks hinausgehen sollte und sich „Trittbrettfahrer“ die vorhandene Situation zunutze machen sollten. Die Antragstellerin hätte das Risiko durch das Verlangen eines entsprechend hohen Pachtzinses oder einer eigenen Sicherheit absichern können oder – bei fehlender Durchsetzbarkeit – von der Verpachtung von vorn herein Abstand nehmen und ihr Grundstück sichern müssen. Die Antragstellerin könne auch nicht auf Pflichtverletzungen des Rechtsvorgängers des Antragsgegners verweisen.

II.

10

A. Die zulässige Beschwerde ist begründet.

11

Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe gebieten die begehrte Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Interesse der Antragstellerin, von einer sofortigen Vollziehung der abfallrechtlichen Anordnung bis zu einer (rechtskräftigen) Entscheidung in der Hauptsache verschont zu bleiben, überwiegt das öffentliche Interesse am Sofortvollzug, weil die von der Antragstellerin erhobene Klage nach derzeitigen Sach- und Streitstand voraussichtlich Erfolg haben wird. Die angefochtene Verfügung erweist sich nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung als voraussichtlich rechtswidrig.

12

Ermächtigungsgrundlagen für die streitige Anordnung sind die §§ 15, 62 des im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids geltenden Kreislaufwirtschaftsgesetzes vom 24.02.2012 (BGBl I 212) – KrWG. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KrWG sind die Erzeuger oder Besitzer von Abfällen, die nicht verwertet werden, verpflichtet, diese zu beseitigen, soweit in § 17 nichts anderes bestimmt ist. Nach § 62 KrWG kann die zuständige Behörde im Einzelfall die insoweit erforderlichen Anordnungen treffen.

13

1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 KrWG dürften erfüllt sein. Die Antragstellerin war sowohl im Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung als auch im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides Abfallbesitzerin im Sinne von § 3 Abs. 6 KrW-/AbfG und § 3 Abs. 9 KrWG. Danach ist Besitzer von Abfällen im Sinne dieses Gesetzes jede natürliche oder juristische Person, die die tatsächliche Sachherrschaft über Abfälle hat. Der Begriff des Abfallbesitzes ist öffentlich-rechtlicher Art und stimmt nicht mit dem des BGB überein, so dass es nicht auf einen Besitzbegründungswillen, sondern allein auf die tatsächliche Sachherrschaft ankommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.12.1997 – 7 C 58.96 –, BVerwGE 106, 43 [46], RdNr. 10 in Juris). Grundsätzlich vermittelt das Eigentum oder der Besitz an den Grundstücken nach der Verkehrsauffassung gleichzeitig die tatsächliche Gewalt über die darauf befindlichen Gegenstände; anders liegt es nur dann, wenn die Abfälle auf einem Grundstück lagern, das der Allgemeinheit rechtlich und tatsächlich frei zugänglich ist, etwa aufgrund naturschutz- oder waldrechtlicher Betretungsrechte (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.12.1997, a.a.O., RdNr. 11 f. in Juris). Bei den auf dem Grundstück der Antragstellerin lagernden Ersatzbrennstoffen, Holzabfällen und Störstoffen dürfte es sich um Abfälle handeln, die nicht verwertet werden (§ 3 Abs. 1 Satz 2 KrWG). Gegenteiliges hat auch die Antragstellerin nicht geltend gemacht.

14

2. Die Ermessensentscheidung des Antragsgegners, von der Antragstellerin die vollständige Beseitigung der Abfälle auf ihre Kosten vorzunehmen, dürfte aber ermessensfehlerhaft sein.

15

2.1. Zu Unrecht wendet die Antragstellerin allerdings ein, die Störerauswahl des Antragsgegners sei fehlerhaft, weil er „die Rechtsnachfolge in die Handlungsstörerschaft bestätigt habe“, indem er laut Besprechungsprotokoll vom 24.07.2007 die Betreiberstellung der (...) Restaurierungs GmbH festgestellt habe.

16

Es mag zutreffen, dass vom Grundstückseigentümer die Beseitigung von auf seinem Grundstück lagernden Abfällen nicht gefordert werden kann, solange darauf eine nach dem BImSchG genehmigte Abfallbehandlungsanlage betrieben wird. Ferner mag davon auszugehen sein, dass bei einem Erlöschen der Genehmigung wegen Nichtbetreibens der Anlage über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren nach § 18 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, wie es der Antragsgegner hier angenommen hat, bzw. nach Stilllegung der Anlage der (letzte) Betreiber der Anlage gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 2 BImSchG verpflichtet ist, vorhandene Abfälle ordnungsgemäß zu entsorgen. Im konkreten Fall ist aber nicht ersichtlich, dass nach der Auflösung der Anlagenbetreiberin, der PH(...) GmbH, im Zeitpunkt des Bescheiderlasses noch ein Anlagenbetreiber vorhanden war, auf den der Antragsgegner hätte zurückgreifen können.

17

Anlagenbetreiber ist derjenige, der die Anlage in seinem Namen, auf seine Rechnung und in eigener Verantwortung führt, d.h. derjenige, der unter Berücksichtigung sämtlicher konkreter rechtlicher, wirtschaftlicher und tatsächlicher Gegebenheiten bestimmenden Einfluss auf die Errichtung, die Beschaffenheit und den Betrieb der Anlage ausübt. Regelmäßig richtet sich die Möglichkeit des bestimmenden Einflusses nach den privatrechtlichen Verhältnissen an der Anlage, also danach, wer nach den zu Grunde liegenden Verhältnissen weisungsfrei und selbständig entscheiden kann. Eine Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse orientiert sich daran, wer berechtigt ist, aus der Anlage wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen und wer das wirtschaftliche Risiko trägt (OVG NW, Beschl. v. 27.11.2008 – 8 B 1476/08 –, DVBl 2009, 456 [457]. RdNr. 16 in Juris; vgl. auch BVerwG, Beschl.v. 22.07.2010 – 7 B 12.10 –. NVwZ-RR 2010, 759, RdNr. 15).

18

Allein der Umstand, dass in einem Gesprächsprotokoll vom 26.07.2007 vermerkt wurde, aus Sicht des Antragsgegners sei „momentan“ die (…) Restaurierungs GmbH Betreiber der Anlage, lässt nicht den Schluss zu, dass diese GmbH auch noch im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung am 01.07.2011 die Anlage betrieb. Auch die Antragstellerin hat keine Tätigkeiten dieses Unternehmens benannt, die auf eine (spätere) Betreibereigenschaft schließen lassen könnten. Nicht nachvollziehbar ist im Übrigen die Annahme der Antragstellerin, sie sei aufgrund der Einschätzung des Antragsgegners daran gehindert gewesen, einen neuen Pächter für das Betriebsgrundstück als Rechtsnachfolger des Anlagenbetreibers zu binden. Der Antragsgegner hat mit dieser Einschätzung ersichtlich keine Entscheidung darüber getroffen, dass die (...) Restaurierungs GmbH neuer Anlagenbetreiber sei.

19

Nach § 15 KrWG ist zwar neben dem Abfallbesitzer auch der Erzeuger der Abfälle beseitigungspflichtig. Die Antragstellerin legt aber nicht dar, welche Person(en) nach Löschung der GmbH als Erzeuger der Abfälle im Sinne von § 3 Abs. 5 KrWG in Betracht gekommen wären. Im Übrigen ist das Einschreiten gegen den Zustandsstörer, der auch Inhaber der tatsächlichen Gewalt und wirtschaftlich leistungsfähig ist, jedenfalls dann nicht ermessensfehlerhaft, wenn aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unklar ist, ob und in welchem Umfang die Haftung anderer Personen in Betracht kommt (vgl. VGH BW, Urt. v. 18.12.2012 – 10 S 744/12 –, DVBl 2013, 594).

20

2.3. Die Antragstellerin vermag auch nicht mit dem Einwand durchzudringen, der Antragsgegner sei mitverantwortlich für den rechtswidrigen Zustand, weil er trotz der von ihr gegebenen Hinweise auf die Überbestände und die unzulässigerweise gelagerten Abfallarten ein behördliches Eingreifen gegenüber der PH(...) GmbH abgelehnt habe.

21

Es trifft schon nicht zu, dass der Antragsgegner gegenüber der PH(...) GmbH untätig blieb. Nach dem Hinweis der Antragstellerin vom 10.10.2006, dass der Umfang der erteilten Genehmigung überschritten werde, hörte der Antragsgegner die PH(...) GmbH am 24.10.2006 zu einer beabsichtigten Streichung einer zugelassenen Abfallart und einer Erhöhung der Sicherheitsleistung an, und unter Datum vom 27.02.2007 hörte er sie zum Erlass einer Beräumungsverfügung an. Danach schloss er am 03.04.2007 mit der PH(...) GmbH ein öffentlich-rechtlichen Vertrag über die Beseitigung und Entsorgung der Ersatzbrennstoffe, Holzabfälle und Störstoffe. Nachdem sich die PH(...) GmbH auch an diesen Vertrag nicht gehalten hatte, erließ der Antragsgegner die Verfügung vom 26.09.2007, mit der er der PH(...) GmbH aufgab, die Behandlung und das Umschlagen von Abfällen ab sofort und bis zum Abschluss der Beräumung einzustellen und alle auf dem Betriebsgrundstück befindlichen Holzabfälle, hausmüllähnlichen Gewerbeabfälle und Störstoffe zu beseitigen. In der Folgezeit fand offenbar auch eine Ersatzvornahme statt.

22

Selbst wenn dem Antragsgegner ein zögerliches Handeln oder (anfängliche) Untätigkeit vorzuwerfen sein sollte, stünde dies der Inanspruchnahme der Antragstellerin nicht entgegen. Fehlerhaftes behördliches Handeln oder behördliche Überwachungsdefizite beseitigen weder die grundsätzliche Verantwortlichkeit des Zustands- oder Verhaltensstörers noch begründen sie eine eigene Störerhaftung der Behörde (VGH BW, Urt. v. 18.12.2012, a.a.O., S. 597, RdNr. 53 in Juris, m.w.N.). Die Störerhaftung steht nicht unter dem Vorbehalt einer ordnungsgemäßen Überwachung durch die Behörde; vielmehr sind der Verursacher eines rechtswidrigen Zustandes und der Eigentümer einer störenden Sache völlig unabhängig von der Frage einer möglichen oder sogar gebotenen Kontrolle durch die zuständigen Behörden verpflichtet, den rechtswidrigen Zustand auf ihre Kosten zu beseitigen (VGH BW, Urt. v. 18.12.2012, a.a.O., S. 597, RdNr. 53 in Juris).

23

2.4. Nicht stichhaltig ist auch der Einwand der Antragstellerin, ihre Inanspruchnahme sei deshalb rechtswidrig, weil der Antragsgegner zuvor auf die von der PH(...) GmbH erbrachte Sicherheitsleistung hätte zurückgreifen müssen. Dem Verwaltungsgericht ist darin beizupflichten, dass ein solcher Zugriff hier nach Lage der Dinge schon deshalb nicht in Betracht kam, weil die Sicherheitsleistung für Beseitigungs- und Entsorgungsmaßnahmen auf dem in Rede stehenden Gelände bereits verbraucht war. Unsubstantiiert bleibt der Einwand der Antragstellerin, der Kostenvoranschlag des Antragsgegners vom 15.06.2007 über einen Betrag von ca. 120.000,00 € sei falsch, tatsächlich hätten die Gesamtkosten nur 45.430,00 € betragen. Nach dem Schreiben des Antragsgegners an die PH(...) GmbH vom 24.10.2007 nebst beigefügter Kostenaufstellung betrugen die tatsächlichen Kosten der zwischen dem 20.08.2007 und dem 11.09.2007 durchgeführten Ersatzvornahme zur Beräumung der in der Halle gelagerten Ersatzbrennstoffe 243.918,57 €. Auf frühere Schätzungen kommt es nicht an.

24

2.5. Wie die Antragstellerin aber zu Recht rügt, ist die streitgegenständliche Anordnung entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts voraussichtlich deshalb ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig, weil der Antragsgegner die aus Art. 14 Abs. 1 GG folgenden Grenzen der Zustandshaftung des Grundstückseigentümers nicht hinreichend beachtet hat.

25

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. v. 16.02.2000 – 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99 –, BVerfGE 102, 1 [19 ff.], RdNr. 54 ff.) kann die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers im Ausmaß dessen, was ihm zur Gefahrenabwehr abverlangt werden darf, begrenzt sein. Zur Bestimmung der Grenze dessen, was einem Eigentümer hierdurch an Kostenbelastungen zugemutet werden darf, kann als Anhaltspunkt das Verhältnis des finanziellen Aufwands zu dem Verkehrswert nach Durchführung der Sanierung dienen. Wird der Verkehrswert von den Kosten überschritten, entfällt in der Regel das Interesse des Eigentümers an einem künftigen privatnützigen Gebrauch des Grundstücks. Er kann darüber hinaus nicht einmal damit rechnen, die entstehenden Kosten durch Veräußerung des Grundstücks gedeckt zu erhalten. Das Eigentum kann damit für ihn gänzlich seinen Wert und Inhalt verlieren. Mehr als einen Anhaltspunkt stellt der Verkehrswert allerdings unter anderem deshalb nicht dar, weil das individuelle Interesse des Eigentümers am Grundstück dessen Verkehrswert möglicherweise überschreitet.

26

Da der Sachverständige Dipl.-Ing. L. D. in seinem Verkehrswertgutachten vom 28.01.2008 einen Verkehrswert des Grundstücks zum Stichtag 14.01.2008 in Höhe von 140.000,00 € ermittelte, die der Antragstellerin für die Beseitigung und Entsorgung der Abfälle entstehenden Kosten nach der Schätzung des Antragsgegners im Ausgangsbescheid ca. 670.000,00 € und der des Landesverwaltungsamts im Widerspruchsbescheid ca. 521.000,00 € betragen, spricht Überwiegendes dafür, dass die Zumutbarkeitsgrenze hier überschritten ist.

27

b) Eine Kostenbelastung, die den Verkehrswert des sanierten Grundstücks übersteigt, kann allerdings zumutbar sein, wenn der Eigentümer das Risiko der entstandenen Gefahr bewusst in Kauf genommen hat. Ein solcher Fall liegt etwa dann vor, wenn der Eigentümer das Grundstück in Kenntnis von Altlasten, die von früheren Eigentümern oder Nutzungsberechtigten verursacht worden sind, erworben hat oder wenn er zulässt, dass das Grundstück in einer risikoreichen Weise genutzt wird, zum Beispiel zum Betrieb einer Deponie oder zur Auskiesung mit anschließender Verfüllung. Auch derartige Umstände sind bei der erforderlichen Abwägung schutzwürdiger Eigentümerinteressen mit den Belangen der Allgemeinheit beachtlich. Wer ein solches Risiko bewusst eingeht, kann seiner Inanspruchnahme als Zustandsverantwortlicher nicht entgegenhalten, seine Haftung müsse aus Gründen des Eigentumsschutzes begrenzt sein. Denn das freiwillig übernommene Risiko mindert die Schutzwürdigkeit des Eigentümers. Die Zumutbarkeit kann ferner davon beeinflusst werden, ob der Eigentümer Vorteile aus dem Risiko – etwa durch einen reduzierten Kaufpreis oder einen erhöhten Pachtzins – erzielt hat (BVerfG, Beschl. v. 16.02.2000, a.a.O., RdNr. 59 f.).

28

Der Vorinstanz ist zwar darin beizupflichten, dass die Verpachtung des Grundstücks der Antragstellerin zum Betrieb einer Abfallbeseitigungsanlage einen solchen „Risikofall“ darstellt. Die Inkaufnahme des Risikos kann die Antragstellerin nicht mit dem Einwand in Frage stellen, sie habe darauf geachtet, dass der Anlagenbetreiber behördlich die Hinterlegung eines Sicherungsmittels aufgegeben werde und habe davon ausgehen können, dass erforderliche Maßnahmen der Beräumung im Wege einer Ersatzvornahme auch im Insolvenzfall ihrer Pächterin gedeckt sein würden. Zutreffend weist der Antragsgegner darauf hin, dass in einer Genehmigung nur eine Sicherheitsleistung verlangt werden kann, die sich an der genehmigten Abfallmenge und -art orientiert, Mengenüberschreitungen und die Lagerung nicht zugelassener Abfälle davon hingegen nicht erfasst werden können.

29

c) Das Bundesverfassungsgericht hat in der oben zitierten Entscheidung (a.a.O., RdNr. 62) aber Folgendes klargestellt: Auch in Fällen, in denen eine Kostenbelastung über den Verkehrswert hinaus an sich zumutbar ist, kann sie nicht auf die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Eigentümers bezogen werden. Dem Eigentümer ist nicht zumutbar, unbegrenzt für die Sanierung einzustehen, das heißt auch mit Vermögen, das in keinem rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem sanierungsbedürftigen Grundstück steht. Dagegen kann es zumutbar sein, Vermögen zur Sanierung einzusetzen, das zusammen mit dem sanierungsbedürftigen Grundstück eine funktionale Einheit darstellt, etwa wenn dieses Bestandteil eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes oder sonstigen Unternehmens ist. Dies gilt insbesondere für Grundvermögen, das zusammen mit dem sanierungsbedürftigen Grundstück eine solche Einheit bildet. Aber auch der Zugriff auf dieses sonstige Vermögen darf nur unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen. Wird auf Grund der mit der Sanierung verbundenen Kostenbelastung die Fortführung des Unternehmens oder Betriebs gefährdet, ist bei der Abwägung das in Art. 14 Abs. 3 GG zum Ausdruck kommende Gewicht des Eigentumsschutzes zu beachten, weil sich die Belastung für den Betroffenen faktisch wie eine Enteignung ohne angemessene Entschädigung auswirkt. Die völlige oder ersatzlose Beseitigung einer Rechtsposition kann im Rahmen der Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums jedoch nur unter besonderen Voraussetzungen in Betracht kommen. Ordnet die Verwaltung Sanierungsmaßnahmen an, so ist damit nach der einfachgesetzlichen Regelung die volle Tragung der Kosten durch den Pflichtigen verbunden. Ist die Kostenbelastung aber wegen fehlender Zumutbarkeit von Verfassungs wegen begrenzt, muss die Verwaltung auch über die Begrenzung der Kostenbelastung des Zustandsverantwortlichen entscheiden.

30

Fasst man diese Gesichtspunkte zusammen, ist eine Inanspruchnahme des Pflichtigen über den als Orientierungsgrenze geltenden Verkehrswert hinaus nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich (BVerwG, Urt. v. 23.09.2004 – 7 C 22.03 –, BVerwGE 122, 75 [84 f.], RdNr. 24). Dies ist auch in den Fällen zu beachten, in denen es – wie hier – nicht unmittelbar um eine Sanierung des Grundstücks (durch Bodenaustausch o. ä.), sondern um seine Beräumung von darauf abgelagerten Abfällen geht; auch durch die Auferlegung einer derartigen Pflicht kann es zu einer unzumutbaren Inanspruchnahme des Grundstückseigentümers durch die mit der angeordneten Maßnahme verbundene Kostenbelastung kommen (vgl. ThürOVG, Urt. v. 26.03.2012 – 3 KO 843/07 –, Juris, RdNr. 94). Auch wenn nach der dargestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine den Verkehrswert des sanierten Grundstücks übersteigende Kostenbelastung zumutbar sein kann, bedeutet dies nicht, dass mangels einer „Opfersituation“ eine Haftungsreduzierung von vornherein ausscheiden würde. Die mit der Verpachtung des Grundstücks zum Zweck des Betreibens einer Abfallbeseitigungsanlage verbundene Risikoübernahme hat demnach nicht etwa zur Folge, dass die erforderliche Abwägung zwischen den schutzwürdigen Eigentümerinteressen mit den Belangen der Allgemeinheit unterbleiben könnte; vielmehr hat die Verwaltung eine Abwägungsentscheidung nach den dargestellten Maßstäben zu treffen. Zu prüfen ist insbesondere, ob und in welchen Grenzen es dem Grundstückseigentümer zugemutet werden kann, sein sonstiges Vermögen zur Sanierung in Anspruch zu nehmen, oder bis zu welcher Grenze eine Kostenbelastung zulässig ist (ThürOVG, Urt. v. 26.03.2012, a.a.O., RdNr. 96 f.).

31

Die angefochtene Verfügung enthält keine diesen Anforderungen genügende Abwägungsentscheidung. Der Antragsgegner stellte im Ausgangsbescheid keine Erwägungen hierzu an. Das Landesverwaltungsamt begnügte sich im Widerspruchsbescheid mit der Feststellung, die Antragstellerin habe mit der Verpachtung der Grundstücke an die PH(...) GmbH die mit dem Betrieb der Anlage einhergehenden Risiken bewusst in Kauf genommen und im Gegenzug wirtschaftlichen Nutzen in Form von Pachteinnahmen erzielt, so dass die Kostenbelastung zumutbar sei. Die Widerspruchsbehörde befasste sich aber nicht mit der Frage, ob nach den oben dargestellten Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts angesichts der – deutlichen – Überschreitung des Verkehrswerts eine Kostenbegrenzung geboten ist, insbesondere ob die erzielten Pachteinnahmen so hoch waren, dass der Antragstellerin die volle Kostenbelastung zugemutet werden kann. Auch die vom Antragsgegner im Klageverfahren angestellten Erwägungen genügen nicht. Auch er hat im Schriftsatz vom 05.03.2013 auf die Risikoübernahme durch die Antragstellerin unter Hinweis auf einen monatlichen Pachtzins von 3.000,00 € verwiesen. Es ist indes nicht ersichtlich, dass die Pachteinnahmen so hoch waren, dass damit die über den Verkehrswert hinausgehende Kostenbelastung von mindestens etwa 380.000,00 € (annähernd) ausgeglichen werden könnte. Da das Mietverhältnis nach dem von der Antragstellerin vorgelegten Auszug aus dem Mietvertrag am 01.04.2005 begann und bis zum 31.12.2006 befristet war und nach den unwidersprochenen Angaben der Antragstellerin wegen der nicht genehmigungskonformen Nutzung des Grundstücks gekündigt bzw. nicht verlängert wurde, dürften die Mieteinnahmen einen Betrag von 63.000,00 € nicht überschritten haben. Auch mit der Erwägung, dass die Antragstellerin seit Beendigung des Pachtverhältnisses keine relevanten Aktivitäten zur ordnungsgemäßen Entsorgung der Abfälle unternommen habe, dürfte sich eine Inanspruchnahme der Klägerin mit der vollen Kostenbelastung nicht rechtfertigen lassen.

32

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.


Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen eine bauordnungsrechtliche Sicherungsverfügung der Antragsgegnerin betreffend das Grundstück B-Straße 32 in W-Stadt.

2

Eigentümer des Grundstücks war bis zu seinem Tod am (…) 1997 Herr G. A.. Der Antragsteller ist gemeinsam mit seinen Halbbrüdern (…) A. und (…) A. dessen Erbe. Über den Nachlass des Herrn G. A. wurde das Nachlasskonkursverfahren eröffnet. Der Nachlasskonkursverwalter gab das Grundstück aus der Masse frei. Am 21.02.2006 wurde die Aufgabe des Eigentums durch Verzicht der Erbengemeinschaft in das Grundbuch eingetragen. Am 16. Mai 2007 erklärte das Land Sachsen-Anhalt gegenüber dem Grundbuchamt, von seinem gesetzlichen Aneignungsrecht keinen Gebrauch machen zu wollen. Das Grundstück ist seitdem herrenlos.

3

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 28.01.2014 gab die Antragsgegnerin dem Antragsteller unter Nr. 1 auf, für die bauliche Anlage auf dem Grundstück bis zum 24.02.2014 durch einen Sachverständigen für Standsicherheit den Nachweis zu erbringen, dass die bauliche Anlage standsicher ist. Unter Nr. 2 gab sie dem Antragsteller auf, bis zum 24.02.2014 im Einzelnen näher aufgeführte Sicherungsmaßnahmen durchzuführen. Unter Nr. 3 wurde die sofortige Vollziehung der unter Nr. 1 und 2 getroffenen Regelungen angeordnet. Unter Nr. 4 wurde für den Fall, dass der Antragsteller der Anordnung aus Nr. 1 nicht fristgemäß nachkommt, ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 € angedroht. Unter Nr. 5 wurden für den Fall, dass der Antragsteller der Anordnung aus Nr. 2 nicht fristgemäß nachkommt, die Ersatzvornahme angedroht und deren voraussichtliche Kosten mit 15.000,00 € angegeben.

4

Mit Beschluss vom 18.03.2014 - 2 B 30/14 HAL - hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 28.01.2014 wiederherzustellen, abgelehnt.

II.

5

A. Die Beschwerde des Antragstellers hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, erfordern insoweit die entsprechende Änderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

6

1. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 28.01.2014 zu Unrecht abgelehnt, soweit dieser sich gegen die Regelung unter Nr. 1 richtet, mit der dem Antragsteller aufgegeben wird, für die bauliche Anlage einen Standsicherheitsnachweis zu erbringen. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ist im Hinblick auf diese Regelung vielmehr gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO wiederherzustellen, denn das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt insoweit das öffentliche Interesse am Vollzug des angefochtenen Bescheides. Der Bescheid erweist sich insoweit bei summarischer Prüfung als rechtswidrig, da der Antragsgegnerin nicht das Recht zustehen dürfte, dem Antragsteller die weitere Sachverhaltsaufklärung aufzugeben.

7

Gemäß § 57 Abs. 2 BauO LSA haben die Bauaufsichtsbehörden u.a. bei der Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden, soweit nicht andere Behörden zuständig sind. Sie können in Wahrnehmung dieser Aufgaben die erforderlichen Maßnahmen treffen. Voraussetzung für ein bauaufsichtliches Einschreiten nach § 57 Abs. 2 Satz 2 BauO LSA ist grundsätzlich das Vorliegen einer konkreten Gefahr im Sinne der Regelungen des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts (OVG LSA, Beschl. v. 22.07.2013 - 2 M 82/13 -, juris RdNr. 8). Die Vorschrift ermächtigt jedoch nicht nur zu Maßnahmen der Gefahrenabwehr im engeren Sinne, die voraussetzen, dass die Bauaufsichtsbehörde das Vorliegen einer Gefahr für sicher hält. § 57 Abs. 2 Satz 2 BauO LSA findet vielmehr auch Anwendung auf Maßnahmen der Gefahrerforschung bei einem Gefahrenverdacht. Ein Gefahrenverdacht liegt vor, wenn aufgrund objektiver Umstände das Vorhandensein einer Gefahr zwar möglich, aber nicht sicher ist. Unter diesen Voraussetzungen kann die Behörde von einer (weiteren) Ermittlung des Sachverhalts auf eigene Kosten absehen und den verantwortlichen Personen aufgeben, zur Vorbereitung der eigentlichen Gefahrenabwehrmaßnahme den Umfang der bestehenden Gefahr zu ermitteln. Auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Standsicherheit eines Gebäudes kann verlangt werden, allerdings nur, wenn aufgrund objektiver Anhaltspunkte bereits erhebliche Zweifel an dessen Standsicherheit bestehen (vgl. HessVGH, Beschl. v. 24.06.1991 - 4 TH 899/91 -, juris RdNr. 22; SächsOVG, Beschl. v. 31.03.2014 - 1 A 699/13 -, juris RdNr. 6; Thom, in: Jäde/Dirnberger, Bauordnungsrecht Sachsen-Anhalt, § 57 BauO LSA RdNr. 63).

8

In Anwendung dieser Grundsätze ist die Regelung unter Nr. 1 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 28.01.2014 rechtswidrig. Dem Antragsteller wird hiermit der Nachweis der Standsicherheit der baulichen Anlagen auf dem Grundstück B-Straße 32 in W-Stadt aufgegeben. Die Voraussetzungen eines solchen Gefahrerforschungseingriffs liegen jedoch nicht vor. Die Antragsgegnerin führt in dem angegriffenen Bescheid aus, durch visuelle Inaugenscheinnahme könne nicht eingeschätzt werden, ob die baulichen Anlagen auch nach Entfernung der Bauteile, von denen eine akute Gefährdung ausgehe, noch standsicher seien. Sie benennt allerdings keine Umstände, aus denen sich begründete Zweifel an der Standsicherheit des Gebäudes ergeben sollen. Solche sind - derzeit - auch nach Auswertung der Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin nicht ersichtlich. Diese enthalten lediglich ein Luftbild des Grundstücks, ein Lichtbild der Straßenansicht sowie Detailaufnahmen, die lose Schindeln an den Gauben, schadhafte Fassadenelemente sowie eine defekte Dachrinne zeigen. Zur Anforderung eines Standsicherheitsnachweises ohne konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Standsicherheit im Sinne des § 12 BauO LSA ermächtigt § 57 Abs. 2 Satz 2 BauO LSA indessen nicht. Im vorliegenden Fall ist vielmehr nach dem Amtsermittlungsgrundsatz des § 24 VwVfG die Standsicherheit des Gebäudes zunächst von der Antragsgegnerin weiter aufzuklären. Dem stehen hier weder rechtliche noch tatsächliche Hindernisse entgegen, da das Grundstück herrenlos ist.

9

2. Darüber hinaus hat die Beschwerde keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers im Übrigen zu Recht abgelehnt.

10

a) Entgegen der Ansicht der Beschwerde wurde das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung in dem angefochtenen Bescheid gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ausreichend begründet. Den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die Behörde aus Gründen des zu entscheidenden Einzelfalls eine sofortige Vollziehung ausnahmsweise für geboten hält. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind. Auch kann - gerade im Ordnungsrecht - das Interesse am Erlass der Verfügung mit dem Interesse an der sofortigen Vollziehung durchaus zusammenfallen (OVG NW, Beschl. v. 30.03.2009 - 13 B 1910/08 -, juris RdNr. 4). Hiernach ist die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung im vorliegenden Fall rechtlich nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin stellt in dem Bescheid hinreichend einzelfallbezogen auf eine von der baulichen Anlage ausgehende Gefahr für Leib und Leben ab, da deren Bestandteile, die Dacheindeckung und die Schornsteine jederzeit versagen könnten.

11

b) Das Verwaltungsgericht hat - im Hinblick auf die unter Nr. 2 des Bescheides angeordnete Durchführung von Sicherungsmaßnahmen - auch zu Recht angenommen, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt.

12

aa) Die unter Nr. 2 des Bescheides getroffene Regelung ist rechtmäßig. Sie kann auf § 57 Abs. 2 Satz 2 BauO LSA gestützt werden. Nach dieser Vorschrift ist die zuständige Bauaufsichtsbehörde grundsätzlich zum Einschreiten ermächtigt, wenn und soweit ein bauliches Geschehen oder ein baulicher Zustand mit den formellen und/oder materiellen Baurecht nicht übereinstimmt (vgl. OVG NW, Beschl. v. 16.10.2001 - 7 B 1939/00 -, juris RdNr. 13). Hierbei kann auch mangelnde oder unterlassene Instandhaltung ein bauaufsichtliches Einschreiten rechtfertigen (Thom, in: Jäde/Dirnberger, a.a.O., § 57 BauO LSA RdNr. 8).

13

Nach diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen eines Einschreitens nach § 57 Abs. 2 Satz 2 BauO LSA vor, denn der Zustand des auf dem Grundstück vorhandenen Gebäudes entspricht nicht den Anforderungen des § 3 Abs. 1 BauO LSA. Nach dieser Vorschrift sind Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet werden. Das ist hier nicht der Fall. Aus der bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Lichtbilddokumentation ergibt sich bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung, dass lose Schindeln und Fassadenteile jederzeit herabfallen und Passanten verletzen können. Zudem heißt es in den Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid, denen der Antragsteller nicht entgegengetreten ist, dass Schornsteinköpfe einsturzgefährdet sind, die Dachentwässerung funktionslos ist, Fenster und Zugänge offen sind und von der Dachfläche jederzeit lose Dachziegel in den öffentlichen Straßenraum fallen können.

14

Der Antragsteller ist für diesen baurechtswidrigen Zustand auch verantwortlich und daher von der Antragsgegnerin zu Recht als Adressat der angefochtenen Verfügung in Anspruch genommen worden. Die Verantwortlichkeit des Antragstellers ergibt sich aus § 8 Abs. 3 SOG LSA. Hiernach können, wenn die Gefahr von einer herrenlosen Sache ausgeht, die Maßnahmen gegen denjenigen gerichtet werden, der das Eigentum an der Sache aufgegeben hat.

15

Die Vorschrift ist verfassungsgemäß. Insbesondere verletzt sie nicht das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG. Diese Regelung knüpft an die in Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG umschriebene Voraussetzung an, dass „ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann“, und bestimmt für diesen Fall, dass das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen muss. Das Zitiergebot dient zur Sicherung derjenigen Grundrechte, die auf Grund eines speziellen, vom Grundgesetz vorgesehenen Gesetzesvorbehalts über die im Grundrecht selbst angelegten Grenzen hinaus eingeschränkt werden können. Von derartigen Grundrechtseinschränkungen sind andersartige grundrechtsrelevante Regelungen zu unterscheiden, die der Gesetzgeber in Ausführung der ihm obliegenden, im Grundrecht vorgegebenen Regelungsaufträge, Inhaltsbestimmungen oder Schrankenziehungen vornimmt. Hier ist dem Gesetzgeber in der Regel ohnehin bewusst, dass er sich im grundrechtsrelevanten Bereich bewegt. Durch eine Erstreckung des Zitiergebots auf solche Regelungen würde es zu einer die Gesetzgebung unnötig behindernden leeren Förmlichkeit kommen. Vor diesem Hintergrund ist das Zitiergebot auf gesetzliche Regelungen, bei denen es sich um die Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 GG handelt, nicht anwendbar. Bei diesen „Regelungen“ handelt es sich nicht um „Einschränkungen“ im Sinne des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG. Das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG erfordert notwendigerweise eine nähere gesetzgeberische Konkretisierung; den Gesetzgeber bei der Ausführung dieses Regelungsauftrags zu einem Hinweis auf dieses Grundrecht zu zwingen, wäre bloße Förmelei (vgl. BVerfG, Beschl. v. 04.05.1983 - 1 BvL 46/80, 1 BvL 41 BvL 47/80 -, juris RdNr. 26 ff.). Hiernach unterfällt auch die Vorschrift des § 8 Abs. 3 SOG LSA nicht dem Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG, da es sich hierbei um eine gesetzgeberische Ausgestaltung von Inhalt und Schranken des Eigentums und nicht um dessen „Einschränkung“ handelt.

16

§ 8 Abs. 3 SOG LSA ist im vorliegenden Fall auch anwendbar. Die Frage, an wen eine bauaufsichtliche Verfügung nach § 57 Abs. 2 Satz 2 BauO LSA zu richten ist, wird in der BauO LSA nicht ausdrücklich geregelt. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 SOG LSA sind daher die allgemeine Grundsätze des Sicherheitsrechts über die Polizeipflichtigkeit des Verhaltens- und des Zustandsstörers heranzuziehen. Eine Anordnung gemäß § 57 Abs. 2 Satz 2 BauO LSA kann folglich gegen denjenigen gerichtet werden, den gemäß §§ 7, 8 SOG LSA die Verantwortung für eine Gefahr trifft (OVG LSA, Beschl. v. 25.02.2002 - 2 M 363/01 -, juris RdNr. 12; Thom, in: Jäde/Dirnberger, a.a.O., § 57 BauO LSA RdNr. 38).

17

Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 SOG LSA liegen vor. Die Gefahr geht von einer herrenlosen Sache aus, nämlich von dem Grundstück B-Straße 32 in W-Stadt. Der Antragsteller hat auch durch seinen am 21.02.2006 in das Grundbuch eingetragenen Verzicht das Eigentum an dieser Sache aufgegeben.

18

Die Heranziehung des Antragstellers als ehemaligen Eigentümer des Grundstücks gemäß § 8 Abs. 3 SOG LSA ist auch nicht unverhältnismäßig. Die Zustandshaftung des Eigentümers findet ihren rechtfertigenden Grund in seiner Einwirkungsmöglichkeit auf die gefahrverursachende Sache sowie in der Möglichkeit zu ihrer wirtschaftlichen Nutzung und Verwertung. Sie bedarf im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG einer Begrenzung auf das zumutbare Maß. Der vom Eigentümer zu tragende finanzielle Aufwand für Maßnahmen zur Gefahrenabwehr darf in der Regel den Verkehrswert des Grundstücks nach Gefahrenbeseitigung nicht übersteigen (OVG NW, Beschl. v. 03.03.2010 - 5 B 66/10 -, juris RdNr. 11 unter Hinweis auf BVerfG, Beschl. v. 16.02.2000 - 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99 -, BVerfGE 102, 1 <19 ff.>; OVG LSA, Beschl. v. 12.06.2013 - 2 M 28/13 -, juris RdNr. 25). Der frühere Eigentümer, der das Eigentum im Wege der Dereliktion gemäß § 928 BGB aufgegeben hat und nunmehr nach § 8 Abs. 3 SOG LSA herangezogen wird, ist erhöht schutzwürdig, da er keinen Veräußerungserlös erzielt hat und ab dem Zeitpunkt der Eigentumsaufgabe auch keine Möglichkeit zur wirtschaftlichen Nutzung und Verwertung des Grundstücks mehr hat. Für Gefahrenlagen, die erst nach Aufgabe des Eigentums entstanden sind, kann er daher nur begrenzt herangezogen werden (OVG NW, Beschl. v. 03.03.2010 - 5 B 66/10 -, a.a.O. RdNr. 13 ff.).

19

Diese Gesichtspunkte stehen einer Heranziehung des Antragstellers zu den unter Nr. 2 des Bescheides aufgeführten Sanierungsmaßnahmen nicht entgegen. Der Antragsteller war vor seiner Eigentumsaufgabe nach § 3 Abs. 1 BauO LSA verpflichtet, das Gebäude so instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht gefährdet wird (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 15.10.2012 - 2 O 169/11 - n.v.). Ihm fehlte es auch nicht an einer hinreichenden Einwirkungsmöglichkeit auf das Grundstück. Er war mit dem Tode des Herrn G. A. am (…) 1997 als dessen Erbe im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB) Eigentümer des Grundstücks geworden und hat diese Eigentümerstellung erst mit der Eintragung des Verzichts in das Grundbuch am 21.02.2006 gemäß § 928 Abs. 1 BGB verloren; mithin war er über acht Jahre Grundstückseigentümer. Seiner Einwirkungsmöglichkeit stand auch die Eröffnung des Konkursverfahrens über den Nachlass nicht entgegen, denn nach seinen Angaben hat der Nachlasskonkursverwalter das Grundstück aus der Masse freigegeben.

20

Anhaltspunkte dafür, dass die verfassungsrechtlich gebotene Obergrenze für die finanzielle Belastung des Antragstellers als Zustandsstörer durch die Kosten der ihm unter Nr. 2 des Bescheides aufgegebenen Sicherungsmaßnahmen erreicht oder überschritten ist, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Kosten betragen nach den Angaben in dem Bescheid, denen der Antragsteller nicht entgegengetreten ist, voraussichtlich 15.000,00 €. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Verkehrswert des Grundstücks nach Durchführung der Sicherungsmaßnahmen niedriger ist.

21

Für eine weitere Begrenzung der Kostenbelastung des Antragstellers besteht keine Veranlassung. Nach Sinn und Zweck des § 8 Abs. 3 SOG LSA soll sich der Eigentümer seiner Zustandsverantwortlichkeit nicht dadurch entziehen können, dass er das Eigentum an dem die Gefahr begründenden Grundstück aufgibt (NdsOVG, Urt. v. 19.10.2011 - 7 LB 57/11 -, juris RdNr. 30; OVG LSA, Beschl. v. 03.12.2012 - 2 M 166/12 - n.v.). Einer Inanspruchnahme des früheren Eigentümers kann daher nur entgegenstehen, dass die Gefahrenlage erst nach Aufgabe des Eigentums entstanden ist. Eine solche Fallkonstellation liegt hier aber - bei summarischer Prüfung - nicht vor. Der auf den bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Lichtbildern erkennbare desolate Zustand des Gebäudes geht ersichtlich auf jahrelanges Unterlassen der gebotenen Instandhaltungsmaßnahmen zurück. Es ist auch kaum vorstellbar, dass der Kläger auf das Eigentum an dem Grundstück zu einem Zeitpunkt verzichtet haben soll, in dem das aufstehende Gebäude noch in einem guten Zustand war.

22

Die Verantwortlichkeit des Antragstellers als ehemaliger Grundstückseigentümer nach § 8 Abs. 3 SOG LSA enthält - entgegen der Ansicht der Beschwerde - auch keinen Wertungswiderspruch zum Erbrecht. Die Verantwortlichkeit des Zustandstörers knüpft an dessen Eigentümerstellung an, die der Erbe mit Eintritt des Erbfalls erwirbt. Diese Rechtsfolge kann der Erbe durch Ausschlagung der Erbschaft gemäß §§ 1942 ff. BGB abwenden. Unterlässt der Erbe die (fristgemäße) Ausschlagung der Erbschaft und wird er durch den Erbfall Eigentümer des Grundstücks, muss er die nach öffentlichem Recht an die Eigentümerstellung geknüpften Rechtsfolgen gegen sich gelten lassen. Für eine Anwendung des § 780 ZPO ist kein Raum, weil die Verantwortlichkeit des Antragstellers gemäß § 8 Abs. 3 SOG LSA keine Nachlassverbindlichkeit (§ 1967 BGB) darstellt. Sie knüpft nicht an dessen Stellung als Erbe, sondern an dessen (ehemaliges) Eigentum an dem Grundstück an.

23

Die Antragsgegnerin hat im Rahmen der Störerauswahl auch das ihr zustehende Auswahlermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Sind mehrere Personen für eine Gefahr verantwortlich, muss die Behörde das ihr eröffnete Auswahlermessen ausüben, d.h. eine auf einer Abwägung beruhende Entscheidung darüber treffen, gegen wen sie einschreitet (OVG LSA, Beschl. v. 18.01.2006 - 2 M 204/05 - n.v.). Die Auswahl ist nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zu treffen, wobei sowohl die Interessen des Betroffenen als auch das berechtigte Interesse der Bauaufsichtsbehörde an einem effektiven Gesetzesvollzug angemessen zu berücksichtigen sind. Hierbei ist unter dem Gesichtspunkt der Effektivität ordnungsbehördlicher Maßnahmen zu berücksichtigen, wer eher in der Lage sein wird, den baurechtswidrigen Zustand zu beseitigen (Thom, in: Jäde/Dirnberger, a.a.O., § 57 BauO LSA RdNr. 41). Vor diesem Hintergrund ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin die Anordnung gegen den Antragsteller gerichtet hat in der Annahme, dass dieser auf Grund seines Alters die Gefahr am schnellsten und wirksamsten beseitigen kann, während ihr die Anschriften der beiden anderen Zustandsstörer trotz Recherchen nicht bekannt sind.

24

bb) Es besteht wegen des schlechten Zustands des Gebäudes und der hierdurch hervorgerufenen Gefahren für Passanten auch ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung.

25

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.