Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 28. Nov. 2012 - 3 A 368/11

bei uns veröffentlicht am28.11.2012

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 9. August 2011 - 3 K 409/09 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Gründe

Der gemäß §§ 124 Abs. 1, 124 a Abs. 4 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor genannte Urteil hat in der Sache keinen Erfolg. Mit diesem Urteil wurde die Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Beklagten vom 15.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.3.2009 und des Änderungsbescheides vom 31.1.2011 zurückgewiesen. Durch den Bescheid des Beklagten vom 15.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.3.2009 war der Kläger für die Zeit vom 1.7.2007 bis zum 17.6.2008 zu einem Kostenbeitrag nach §§ 91 f. SGB VIII in Höhe von 380,-- EUR monatlich für eine Jugendhilfemaßnahme gemäß § 41 SGB VIII zugunsten seines Sohnes A. (geb. 26.6.1989) herangezogen worden. Mit Bescheid vom 31.1.2011 nahm der Beklagte unter Berücksichtigung einer zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 19.8.2010 – 5 C 10/09 -) eine Neuberechnung des Kostenbeitrages vor und setzte ihn – unter entsprechender Teilaufhebung des angefochtenen Bescheides - auf 301,49 EUR fest. Soweit der Beklagte den Ursprungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben hat, haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt und hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich der vorliegende Antrag auf Zulassung der Berufung.

Das den Prüfungsumfang im Zulassungsverfahren begrenzende Vorbringen des Klägers in der Antragsbegründung vom 17.10.2011 gibt keine Veranlassung, das vorgenannte Urteil einer Überprüfung in einem Berufungsverfahren zuzuführen. Der vom Kläger allein geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht gegeben.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Gerichtsentscheidung sind regelmäßig dann begründet, wenn gegen deren Richtigkeit nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen, wie es etwa der Fall ist, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden

vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163, 1164.

Richtigkeit im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO meint dabei die Ergebnisrichtigkeit des Entscheidungstenors, nicht dagegen die (vollständige) Richtigkeit der dafür gegebenen Begründung

vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.3.2004 - 7 AV 4/03 -, NVwZ RR 2004, 542.

Die Angriffe des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vermögen keine ernstlichen Zweifel daran zu begründen, dass das Verwaltungsgericht die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 15.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.3.2009 und des Änderungsbescheides vom 31.1.2011, durch den der Kläger für die Zeit vom 1.7.2007 bis zum 17.6.2008 zu einem Kostenbeitrag nach §§ 91 f. SGB VIII in Höhe von 301,49 EUR,-- EUR monatlich für eine Jugendhilfemaßnahme gemäß § 41 SGB VIII zugunsten seines Sohnes A. (geb. 26.6.1989) herangezogen wurde, zu Recht abgewiesen hat.

Zur Begründung seines Zulassungsantrags hat der Kläger geltend gemacht, nach sozialrechtlichen Grundsätzen könne keine höhere Inanspruchnahme eines Elternteils in Betracht kommen als im Rahmen einer Unterhaltsverpflichtung. Deshalb sei - auch vorliegend - eine zivilrechtliche Vergleichsberechnung vorzunehmen, deren Ergebnis als Schranke für die Heranziehung des Klägers zu beachten sei. Insoweit habe das Verwaltungsgericht zwar zunächst zutreffend auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 19.8.2010 – 5 C 10/09 -) verwiesen. Jedoch habe es die unterhaltsrechtliche Vergleichsberechnung in der Sache unzutreffend durchgeführt.

Unstreitig gestellt werde das Einkommen des Klägers von 1.863,- EUR sowie die von ihm vereinnahmten Mieteinkünfte von 207,50 EUR. Das Kindergeld sei im Rahmen der zivilrechtlichen Unterhaltsberechnung nicht als Einkommen des Unterhaltspflichtigen in Ansatz zu bringen, sondern auf den Unterhaltsanspruch anteilig anzurechnen. Hinzu komme, dass der Kläger das Kindergeld an den Beklagten weitergeleitet habe und es auch deshalb im Rahmen der Unterhaltsberechnung nicht seinem Einkommen aufgeschlagen werden könne.

Ungeachtet des Umstandes, dass das Verwaltungsgericht „nur die berufsbedingten Fahrtkosten des Klägers, nicht jedoch die gegenüber dem volljährigen Unterhaltsberechtigten in Ansatz zu bringenden Kreditkosten, soweit diese nicht unverhältnismäßig und über den wirtschaftlichen Rahmen des Unterhaltspflichtigen hinausgingen, fehlerhaft nicht in Ansatz gebracht“ habe und auch für die Altersvorsorge nur 4% statt 5% des Bruttolohns des Klägers in Abzug gebracht habe, ergebe sich bei zutreffender Berücksichtigung des Unterhaltsanspruchs der Ehefrau des Klägers folgende Berechnung:

Nettolohn des Klägers

+ 1.863,- EUR

Mieteinkünfte

+ 207,50 EUR

berufsbedingte Fahrtkosten

- 165,- EUR

Altersvorsorge (4% des Bruttolohns)

- 105,73 EUR

ergibt

+ 1.799,77 EUR

Unterhaltsanspruch der im Haushalt des Klägers

        

lebenden Ehefrau gemäß Anmerkung B VI

        

der Düsseldorfer Tabelle, Stand 1.1.2008

- 800,- EUR

verbleiben

+ 999,77 EUR

Damit sei der angemessene Selbstbehalt des Klägers, der ihm gegenüber dem nicht privilegierten volljährigen Kind in Höhe von 1.100,- EUR verbleiben müsse, bereits unterschritten.

Daraus folge, dass der Kläger für die Erbringung von Unterhaltsleistungen an seinen volljährigen Sohn nicht leistungsfähig sei, weshalb auch keine Heranziehung des Klägers zu den Kosten der in § 91 Abs. 1 SGB VIII genannten Leistungen und Maßnahmen nach Maßgabe der §§ 93, 94 SGB VIII in Frage komme.

Damit sind keine Umstände aufgezeigt, die ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils begründen.

Entgegen der Auffassung des Klägers und entgegen der nur überschlägigen Vergleichsberechnung in den nicht tragenden Gründen des Beschlusses des Senats vom 21.12.2010 in dem vorangegangenen Prozesskostenhilfeverfahren ist durch die angefochtene Heranziehung zu einem Kostenbeitrag nach §§ 91 f. SGB VIII in Höhe von 301,49 EUR für die Zeit vom 1.7.2007 bis zum 17.6.2008 der maßgebliche unterhaltsrechtliche Selbstbehalt in Höhe von 1.100,- EUR, der dem Kläger gegenüber dem nicht privilegierten volljährigen Kind A. verbleiben muss, nicht beeinträchtigt.

Unstreitig sind das Nettoeinkommen des Klägers mit 1863,- EUR und die ihm anteilig zuzurechnenden Mieteinnahmen mit 207,50 EUR zu veranschlagen.

Soweit der Kläger zur Begründung des Zulassungsantrages geltend gemacht hat, „ungeachtet dessen, dass“ das Verwaltungsgericht nur die berufsbedingten Fahrtkosten des Klägers, nicht jedoch die gegenüber dem volljährigen Unterhaltsberechtigten in Ansatz zu bringenden Kreditkosten berücksichtigt habe, habe es die unterhaltsrechtliche Vergleichsberechnung unzutreffend durchgeführt, bestehen erhebliche Zweifel zunächst bereits daran, ob dieser Vortrag des Klägers den tragenden Gesichtspunkten der angefochtenen Entscheidung zur Nichtberücksichtigung von Kreditkosten zur Anschaffung eines Kraftfahrzeugs hinreichend substantiiert entgegengehalten wurde.

Darüber hinaus begegnet es allerdings auch in der Sache keinen rechtlichen Bedenken, die berufsbedingten Fahrtkosten des Klägers, wie in der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts erfolgt, - unterhaltsrechtlich - mit 165 EUR anzusetzen und in Abzug zu bringen. Entsprechend den einschlägigen unterhaltsrechtlichen Leitlinien ist dieser Betrag unter Zugrundelegung einer Kilometerpauschale berechnet worden. Nach der vom Verwaltungsgericht bereits zutreffend zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Unterhaltsrecht sind in dem so berechneten Betrag - unterhaltsrechtlich – regelmäßig sämtliche PKW-Kosten einschließlich derjenigen für Abnutzung und Finanzierung des Fahrzeugs enthalten

vgl. BGH, Urteil vom 1.3.2006 - XII ZR 157/03 - bestätigt durch Urteile vom 21.06.2006 - XII ZR 147/04 - und vom 21.01.2009 - XII ZR 54/06 -, jeweils zitiert nach juris.

Dass hier ausnahmsweise eine andere Beurteilung geboten wäre, hat der Kläger nicht dargetan.

Auch die Richtigkeit eines Ansatzes von 4% statt 5% des Bruttolohns des Klägers für dessen Altersvorsorge in der unterhaltsrechtlichen Vergleichsberechnung des Verwaltungsgerichts ist vom Kläger nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden. Zwar hat er geltend gemacht, anders als nach der vom Verwaltungsgericht zutreffend zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Unterhaltsrecht

vgl. BGH, Urteil vom 11.5.2005 - XII ZR 211/02 -, zitiert nach juris

ergebe sich aus einer Entscheidung des OLG Brandenburg vom 26.7.2007 – 10 WF 163/07 -, dass insoweit 5% des Bruttolohns in Ansatz zu bringen sei. Tatsächlich hat das OLG Brandenburg die Frage, ob 4% oder 5% des Bruttolohns für die Altersvorsorge des Unterhaltsverpflichteten in Ansatz zu bringen sei, mit Rücksicht darauf, dass es sich dort um ein Prozesskostenhilfeverfahren handelte, allerdings letztlich offen gelassen.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist in der gebotenen unterhaltsrechtlichen Vergleichsberechnung zudem der – von ihm noch zu erfüllende - Unterhaltsanspruch der Ehefrau des Klägers keinesfalls mit einem Betrag von 800,- EUR in Ansatz zu bringen.

Nach dem eigenen Vortrag des Klägers im erstinstanzlichen Verfahren war der Unterhaltsanspruch der im Haushalt des Klägers lebenden Ehefrau lediglich mit einem Betrag von 537,86 EUR in Ansatz zu bringen. Hierzu hatte er mit Schriftsatz vom 14.10.2009 – wie bereits im Verwaltungsverfahren mit Schreiben vom 6.12.2007 - geltend gemacht, der Unterhaltsbedarf der Ehefrau sei mit 945,36 EUR zu berechnen. Dieser Bedarf sei gedeckt mit ½ der Mieteinkünfte, die auch der Ehefrau zustünden (207,50 EUR) und ½ des Wertes des mietfreien Wohnens (200,- EUR). Der verbleibende offene Bedarf von 537,86 EUR sei der Unterhaltsanspruch der Ehefrau.

Erstmals im Verfahren auf Zulassung der Berufung hat der Kläger nunmehr den Unterhaltsanspruch seiner Ehefrau mit einem Betrag von 800,- EUR beziffert und dies ohne weitere Substantiierung ausschließlich mit einem Hinweis auf „Anmerkung B VI der Düsseldorfer Tabelle Stand 1.1.2008“ begründet. In Abschnitt B (Ehegattenunterhalt) der Düsseldorfer Tabelle Stand 1.1.2008 heißt es unter Anmerkung VI.: „Monatlicher notwendiger Eigenbedarf des Ehegatten, der in einem gemeinsamen Haushalt mit dem Unterhaltspflichtigen lebt, gegenüber nicht privilegierten volljährigen Kindern oder nachrangigen (geschiedenen) Ehegatten: unabhängig davon, ob erwerbstätig oder nicht erwerbstätig: 800 EUR“. Mit Schriftsatz vom 2.12.2011 hat der Kläger klargestellt, dass bei der in den Schriftsätzen vom 6.12.2007 und vom 14.10.2009 erfolgten Darstellung des Unterhaltsbedarfs seiner Ehefrau „von einem Anspruch wegen Getrenntleben“ ausgegangen worden sei.

Nach alledem ist davon auszugehen, dass zwar der Unterhaltsbedarf der unstreitig in dessen Haushalt lebenden Ehefrau des Klägers nach Anmerkung B VI der Düsseldorfer Tabelle Stand 1.1.2008 mit 800,- EUR zu beziffern ist. Dieser Bedarf ist aber nicht identisch mit dem in der unterhaltsrechtlichen Vergleichsberechnung in Ansatz zu bringenden Betrag des offenen, noch unbefriedigten Bedarfs und damit des – vom Kläger noch abzudeckenden - Unterhaltsanspruchs seiner Ehefrau. Letzterer ist vielmehr dadurch zu ermitteln, dass von dem bestehenden Bedarf der gedeckte Bedarf in Abzug zu bringen ist. Der gedeckte Bedarf beträgt mangels gegenteiligen Vortrags des Klägers und mangels gegenteiliger sonstiger Anhaltspunkte nach wie vor, wie vom Kläger mit Schriftsätzen vom 6.12.2007 und vom 14.10.2009 vorgetragen, ½ der Mieteinkünfte, die auch der Ehefrau zustehen (207,50 EUR) und ½ des Wertes des mietfreien Wohnens (200,- EUR). Der in der unterhaltsrechtlichen Vergleichsberechnung in Ansatz zu bringende - offene, noch unbefriedigte - Unterhaltsanspruch der Ehefrau des Klägers beläuft sich mithin auf 800,- EUR minus 207,50 EUR minus 200,- EUR = 392,50 EUR.

Die unterhaltsrechtliche Vergleichsberechnung ist demnach wie folgt vorzunehmen:

Nettolohn des Klägers

+ 1.863,-EUR

anteilige Mieteinkünfte

+ 207,50 EUR

berufsbedingte Fahrtkosten

- 165,- EUR

Altersvorsorge (4% des Bruttolohns)

- 105,73 EUR

ergibt

 1.799,77 EUR

Unterhaltsbedarf der im Haushalt des Klägers

        

lebenden Ehefrau gemäß Anmerkung B VI

        

der Düsseldorfer Tabelle Stand 1.1.2008

- 800,- EUR

abzüglich des gedeckten Bedarfs durch

        

anteilige Mieteinkünfte

+ 207,50 EUR

Wertes des mietfreien Wohnens

+ 200,- EUR

verbleiben

- 392,50 EUR

abzüglich des unterhaltsrechtlichen Selbstbehalts

        

des Klägers

- 1.100,- EUR

verbleiben

+ 307,27 EUR

Damit verbleiben dem Kläger nach Maßgabe der unterhaltsrechtlichen Vergleichsberechnung - auch ohne Berücksichtigung des ihm für seinen Sohn A. tatsächlich ausgezahlten und nach seinem Vortrag unmittelbar an den Beklagten weitergeleiteten Kindergeldes in Höhe von monatlich 154,- EUR - ausreichende Mittel zur Erbringung des festgesetzten Kostenbeitrages.

Greifen damit die Einwendungen des Klägers gegen die in dem angefochtenen Urteil vorgenommene unterhaltsrechtliche Vergleichsberechnung zur Überprüfung der Möglichkeit einer Heranziehung des Klägers zu den Kosten der in § 91 Abs. 1 SGB VIII genannten Leistungen und Maßnahmen nach Maßgabe der §§ 93, 94 SGB VIII im Ergebnis nicht durch, so sind auch die vom Kläger darauf begründeten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht gegeben.

Da weitere Einwendungen nicht vorgetragen wurden, liegt der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht vor. Sein Antrag auf Zulassung der Berufung ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 28. Nov. 2012 - 3 A 368/11 zitiert 8 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 93 Berechnung des Einkommens


(1) Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Grundrente nach oder entsprechend dem Bundesversorgungsgesetz sowie der Renten und Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für einen Schaden an Leben sowie a

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 41 Hilfe für junge Volljährige


(1) Junge Volljährige erhalten geeignete und notwendige Hilfe nach diesem Abschnitt, wenn und solange ihre Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. Die Hilfe wird in der

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 94 Umfang der Heranziehung


(1) Die Kostenbeitragspflichtigen sind aus ihrem Einkommen in angemessenem Umfang zu den Kosten heranzuziehen. Die Kostenbeiträge dürfen die tatsächlichen Aufwendungen nicht überschreiten. (2) Für die Bestimmung des Umfangs sind bei jedem Elternt

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 91 Anwendungsbereich


(1) Zu folgenden vollstationären Leistungen und vorläufigen Maßnahmen werden Kostenbeiträge erhoben: 1. der Unterkunft junger Menschen in einer sozialpädagogisch begleiteten Wohnform (§ 13 Absatz 3),2. der Betreuung von Müttern oder Vätern und Kinder

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(1) Junge Volljährige erhalten geeignete und notwendige Hilfe nach diesem Abschnitt, wenn und solange ihre Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden. Eine Beendigung der Hilfe schließt die erneute Gewährung oder Fortsetzung einer Hilfe nach Maßgabe der Sätze 1 und 2 nicht aus.

(2) Für die Ausgestaltung der Hilfe gelten § 27 Absatz 3 und 4 sowie die §§ 28 bis 30, 33 bis 36, 39 und 40 entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Personensorgeberechtigten oder des Kindes oder des Jugendlichen der junge Volljährige tritt.

(3) Soll eine Hilfe nach dieser Vorschrift nicht fortgesetzt oder beendet werden, prüft der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ab einem Jahr vor dem hierfür im Hilfeplan vorgesehenen Zeitpunkt, ob im Hinblick auf den Bedarf des jungen Menschen ein Zuständigkeitsübergang auf andere Sozialleistungsträger in Betracht kommt; § 36b gilt entsprechend.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Höhe des Kostenbeitrages, den die Beklagte für die seinen Kindern gewährten Jugendhilfeleistungen erhoben hat.

2

Der Kläger ist Vater eines 1990 geborenen Sohnes und einer 1992 geborenen Tochter. Die Beklagte gewährte den Kindern unter anderem in der Zeit vom 1. April bis zum 31. Dezember 2006 vollstationäre Leistungen der Jugendhilfe (Heimerziehung und Eingliederungshilfe). Für diesen Zeitraum zog sie den Kläger mit Bescheiden vom 12. Mai 2006 zu einem monatlichen Kostenbeitrag in Höhe von insgesamt 545 € heran (340 € für das erste und 205 € für das zweite Kind). Auf den Widerspruch des Klägers reduzierte die Beklagte den Kostenbeitrag mit Änderungsbescheid vom 9. Januar 2007 auf insgesamt 440 € monatlich (275 € für das erste und 165 € für das zweite Kind). Im Übrigen wies sie den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 20. März 2008 zurück.

3

Mit seiner Klage begehrte der Kläger zunächst die vollständige Aufhebung der Kostenbeitragsbescheide. Im Klageverfahren hat er diese nur noch insoweit angegriffen, als der monatliche Kostenbeitrag insgesamt 350 € (250 € für seinen Sohn und 100 € für seine Tochter) übersteigt. Hierzu hat der Kläger geltend gemacht, die Beklagte habe die von seinem Einkommen abzusetzenden Fahrtkosten zu der 57 km von seinem Wohnort entfernten Arbeitsstelle als Lagerarbeiter bei der Be- und Entladung von Schiffen zu niedrig bemessen.

4

Mit Urteil vom 22. September 2008 hat das Verwaltungsgericht die streitbefangenen Bescheide der Beklagten in dem vom Kläger beantragten Umfang aufgehoben. Von dem monatlichen Nettoeinkommen des Klägers in Höhe von 1 790,35 € im maßgeblichen Zeitraum sei entgegen der Ansicht der Beklagten nicht lediglich die 25 %-Pauschale für Belastungen nach § 93 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII abzusetzen. Denn der Kläger habe eine höhere Fahrtkostenbelastung nachgewiesen, die nach Grund und Höhe angemessen sei (§ 93 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII). Aufgrund seiner unregelmäßigen Arbeitszeiten könne er nicht auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel verwiesen werden. Die Höhe der Fahrtkosten für PKW müsse auch im Kostenbeitragsrecht nach den unterhaltsrechtlichen Leitlinien, hier des Oberlandesgerichts Schleswig bemessen werden. Danach seien für die Hin- und Rückfahrt jeweils eine Kilometerpauschale von 0,30 € für die ersten 30 km und von 0,20 € für die weitere Fahrstrecke anzusetzen. Dementsprechend ergebe sich für den Kläger eine tatsächliche monatliche Belastung in Höhe von 597,60 €, die von seinem Einkommen abzuziehen sei. Das danach für die Kostenbeitragsberechnung maßgebliche Einkommen sei der Stufe 6 der im Anhang zu § 1 der Kostenbeitragsverordnung (KostenbeitragsV) enthaltenen Tabelle zuzuordnen. Da bei der Eingruppierung des Sohnes und der Tochter des Klägers jeweils die Unterhaltsverpflichtung für das andere (gleichrangige) Kind berücksichtigt werden müsse, sei gemäß § 4 KostenbeitragsV eine Herabstufung auf die Einkommensstufe 4 vorzunehmen.

5

Die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 27. April 2009 zurückgewiesen. Es hat die Auffassung des Verwaltungsgerichts geteilt, dass die berufsbedingten Fahrtkosten nach § 93 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VIII nach der für den Kläger günstigeren Pauschalierung der Unterhaltsrichtlinien des Oberlandesgerichts zu bemessen seien.

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 93 Abs. 3 SGB VIII. Sie vertritt ihre Rechtsansicht weiter, die Fahrtkosten dürften nur in der pauschalisierten Höhe abgezogen werden, wie sie im Einkommenssteuerrecht (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG) oder im Sozialhilferecht (§ 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII i.V.m. § 3 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII) vorgesehen sei.

7

Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil. Er macht ergänzend geltend, dass er durch die Heranziehung zu Kostenbeiträgen nicht schlechter gestellt werden dürfe, als er stehen würde, wenn er den gesetzlichen Unterhalt für seine Kinder zu leisten hätte.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat im Ergebnis im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) entschieden, dass die Kostenbeitragsbescheide in dem vom Kläger angefochtenen Umfang rechtswidrig gewesen und daher insoweit vom Verwaltungsgericht zu Recht aufgehoben worden sind.

9

Unabhängig von der zwischen den Beteiligten streitigen und von den Vorinstanzen erörterten Frage der Fahrtkostenberechnung ist die Heranziehung des Klägers jedenfalls in dem Umfang, in dem er die streitbefangenen Bescheide angegriffen hat, schon deshalb rechtswidrig und verletzt ihn in seinen Rechten, weil sie nicht angemessen im Sinne von § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist. Die Heranziehung zu einem jugendhilferechtlichen Kostenbeitrag ist nur dann angemessen im Sinne dieser Vorschrift, wenn dem (erwerbstätigen) Kostenbeitragspflichtigen der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt belassen wird (1.). Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen wird dieser Selbstbehalt, der sich nach den unterhaltsrechtlichen Leitlinien des Oberlandesgerichts bestimmt, hier durch den von der Beklagten geforderten Kostenbeitrag unterschritten (2.). Dieser Verstoß von Bundesrecht führt im vorliegenden Fall zur Zurückweisung der Revision, ohne dass allgemein zu klären ist, welche weitergehenden Rechtsfolgen eine Verletzung des Angemessenheitsgebots (§ 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) nach sich zieht (3.).

10

1. Nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind die Kostenbeitragspflichtigen aus ihrem Einkommen in angemessenem Umfang zu den Kosten heranzuziehen. Das Gebot der Angemessenheit richtet sich nicht nur an den nach § 94 Abs. 5 SGB VIII ermächtigten Verordnungsgeber, sondern gleichermaßen an die Kostenbeiträge erhebenden Jugendhilfeträger, die diesem Grundsatz auch bei der Kostenfestsetzung im Einzelfall Rechnung zu tragen haben. § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist insoweit unmittelbarer Maßstab und Grenze für die Kostenbeteiligung. Dabei ist das Tatbestandsmerkmal "in angemessenem Umfang" ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Anwendung der uneingeschränkten Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte unterliegt (vgl. zum gleichlautenden Begriff in § 85 Nr. 3 Satz 2 bzw. § 84 Abs. 1 BSHG: Urteile vom 6. April 1995 - BVerwG 5 C 5.93 - Buchholz 436.0 § 85 BSHG Nr. 14 und vom 26. Oktober 1989 - BVerwG 5 C 30.86 - Buchholz 436.0 § 84 BSHG Nr. 1).

11

Die Kostenbeitragspflichtigen werden nur dann in angemessenem Umfang im Sinne von § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII aus ihrem Einkommen herangezogen, wenn ihnen zumindest der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt belassen wird. Dieser Inhalt des Rechtsbegriffs der Angemessenheit ergibt sich sowohl aus dem vom Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien mit diesem Merkmal verfolgten Zweck (1.1) als auch aus dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift (1.2). Von dieser anhand der anerkannten Auslegungsgrundsätze ermittelten Deutung des Norminhalts ist im Ansatz auch der Verordnungsgeber (unter Einschluss des der Kostenbeitragsverordnung zustimmenden Bundesrats) ausgegangen (1.3). Ob dieses Auslegungsergebnis darüber hinaus auch verfassungsrechtlich geboten ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung (1.4).

12

1.1 Die Beteiligung an den Kosten von Jugendhilfemaßnahmen durch die Erhebung von Kostenbeiträgen ist auf eine angemessene Heranziehung der Kostenbeitragspflichtigen begrenzt. Die Bemessung und Erhebung nach jugendhilferechtlichen und damit öffentlich-rechtlichen Regelungen bezweckt hinsichtlich des Umfangs der Heranziehung keine Ablösung von der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit als Grund und Grenze der Heranziehung.

13

Mit der Novellierung der §§ 91 ff. SGB VIII im Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz - KICK -) vom 8. September 2005 (BGBl I S. 2729), welches mit Wirkung zum 1. Oktober 2005 die Kostenbeteiligung in der Kinder- und Jugendhilfe neu geregelt hat, strebte der Gesetzgeber eine Verwaltungsvereinfachung und die Senkung des Vollzugsaufwands an (vgl. die Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung in BTDrucks 15/3676 S. 1 ff., 28). Deshalb wurde neben der Leistungsgewährung nun auch die Heranziehung zu den Kosten der gewährten Leistungen öffentlich-rechtlich ausgestaltet. Nach der alten Gesetzesfassung (bis 2005) war unter bestimmten Voraussetzungen noch ein (gesetzlicher) Übergang des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs des Kindes/Jugendlichen gegen die Eltern auf den Träger der Jugendhilfe vorgesehen (vgl. § 94 Abs. 3 SGB VIII a.F.), der dazu führte, dass die Jugendhilfeträger in diesen Fällen die übergegangenen Ansprüche gegebenenfalls vor den Zivilgerichten geltend zu machen hatten. Dieses System der Heranziehung wollte der Gesetzgeber mit der Neuregelung durch das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz ändern. Er verfolgte insoweit zwar das Ziel der "Entflechtung des bislang überaus komplizierten Zusammenspiels unterhaltsrechtlicher und sozialrechtlicher Bestimmungen in diesem Bereich". Der Gesetzgeber wollte aber zugleich, dass diese Entflechtung nicht "zu materiellen Wertungswidersprüchen mit dem Unterhaltsrecht führt" (BTDrucks 15/3676 S. 28).

14

Wegen der Umstellung auf eine öffentlich-rechtlich ausgestaltete Heranziehung zu Kostenbeiträgen, deren Festsetzung sich nach einkommensabhängig gestaffelten Pauschalbeträgen bestimmt (§ 94 Abs. 5 SGB VIII), besteht nach Maßgabe des Gestaltungsspielraumes, der hierbei dem Gesetz- und Verordnungsgeber zuzubilligen ist, zwar Raum für Abweichungen von unterhaltsrechtlichen Regelungen. Ein vom Gesetzgeber nicht gewollter, gravierender materieller Wertungswiderspruch zum Unterhaltsrecht besteht aber dann, wenn die Festsetzung des Kostenbeitrages im Ergebnis Grundprinzipien des Unterhaltsrechts nicht beachtet. Hierin findet auch die nach § 94 Abs. 5 SGB VIII eingeräumte Ausgestaltungs- und Pauschalierungsbefugnis des Verordnungsgebers ihre Grenze. Zu diesen elementaren Grundprinzipien des Unterhaltsrechts gehört, dass dem Unterhaltspflichtigen der sog. Eigenbedarf bzw. Selbstbehalt zu belassen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs findet jede Unterhaltspflicht dort ihre Grenze, wo dem Betroffenen nicht die Mittel für den eigenen notwendigen Lebensbedarf verbleiben (BGH, Urteile vom 28. März 1984 - IVb ZR 53/82 - NJW 1984, 1614 f. und vom 2. Mai 1990 - XII ZR 72/89 - NJW 1991, 356 f.). Diese unterhaltsrechtliche "Opfergrenze", die auch im Rahmen der gesteigerten Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern zu beachten ist (vgl. zu § 1603 Abs. 2 BGB: BGH, Urteil vom 2. November 1988 - IVb ZR 7/88 - NJW 1989, 524 <525>), wird in der unterhaltsrechtlichen Rechtspraxis durch den notwendigen oder kleinen Selbstbehalt (auch notwendiger Eigenbedarf genannt) konkretisiert (BGH, Urteil vom 2. November 1988 a.a.O.). Selbstbehalt in diesem Sinne ist der Betrag, der dem Unterhaltspflichtigen von seinem Einkommen mindestens für den eigenen Unterhalt erhalten bleiben muss. Diese Opfergrenze wird allgemein etwas über dem Sozialhilfebedarf des in Anspruch Genommenen angesetzt (BGH, Urteile vom 28. März 1984 a.a.O., vom 2. November 1988 a.a.O. und vom 2. Mai 1990 a.a.O.). Zu ihrer Bestimmung haben die Oberlandesgerichte in ihren unterhaltsrechtlichen Leitlinien (u.a. in der sog. Düsseldorfer Tabelle) Selbstbehaltsätze aufgestellt, von deren pauschalierten Werten im Regelfall ausgegangen werden darf (vgl. etwa BGH, Urteil vom 28. März 1984 a.a.O.).

15

Es fehlt jeder Anhalt, dass der Gesetzgeber, der sowohl Wertungswidersprüche zum Unterhaltsrecht vermeiden als auch die Zumutbarkeit der Heranziehung für den Beitragspflichtigen gewährleisten wollte (vgl. BTDrucks 15/3676 S. 42), die Heranziehung zu einem Kostenbeitrag ermöglichen wollte, der den Pflichtigen im Hinblick auf diesen elementaren Selbstbehalt schlechter stellt als im Unterhaltsrecht und dem (erwerbstätigen) Beitragsschuldner nicht ebenso viel an Mitteln für den eigenen Lebensbedarf belässt wie dem (erwerbstätigen) Unterhaltspflichtigen. Dass der unterhaltsrechtliche Eigenbedarf die Beitragserhebung begrenzt, hat außerdem nicht nur in der Begrenzung auf den "angemessenen Umfang" des Kostenbeitrages im Wortlaut des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seinen Niederschlag gefunden, sondern entspricht darüber hinaus auch der Zwecksetzung der jugendhilferechtlichen Kostenbeteiligung. Die Erhebung von Kostenbeiträgen bei teil- und vollstationärer Unterbringung dient zwar auch der Finanzierung der Jugendhilfeaufwendungen. Die Bestimmung der zum Kostenbeitrag Heranzuziehenden in § 92 Abs. 1 und 1a SGB VIII zeigt aber, dass der Sache nach die Kostenbeitragspflicht in den Fällen des § 92 Abs. 4 und 5 SGB VIII an eine Unterhaltspflicht anknüpft und die Unterhaltspflichtigen - nicht nur deswegen, weil sie den Unterhalt für den jungen Menschen wegen der jugendhilferechtlichen Leistungen "ersparen" - nicht aus ihrer materiellen Verantwortung gegenüber dem jungen Menschen entlassen werden sollen. Weil die teil- bzw. vollstationären Angebote auch die Sicherstellung des notwendigen Unterhalts des untergebrachten jungen Menschen umfassen und zum Erlöschen der darauf gerichteten zivilrechtlichen Unterhaltsansprüche führen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2006 -XII ZR 197/04 - NJW-RR 2007, 505; OLG Naumburg, Urteil vom 25. Oktober 2007 - 8 UF 77/07 - juris), tritt insoweit der öffentlich-rechtliche Kostenbeitrag an die Stelle von Ansprüchen gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen. Einen im Vergleich zum Unterhalt erhöhten Kostenbeitrag hat der Gesetzgeber dabei nur für die hohen Einkommen angestrebt (BTDrucks 15/3676 S. 27). Für die unteren und mittleren Einkommensgruppen fehlt jeder Hinweis, dass aus Finanzierungsgründen eine Heranziehung ermöglicht werden sollte, welche die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit übersteigt und den Kostenbeitragspflichtigen dadurch schlechter stellt als er im Unterhaltsrecht hinsichtlich des notwendigen Eigenbedarfs stünde.

16

1.2 Eine systematische Auslegung bestätigt, dass die Heranziehung nur dann im Sinne des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII in angemessenem Umfang erfolgt, wenn dem Kostenbeitragspflichtigen der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt belassen wird.

17

Das Kostenbeitragsrecht koppelt den Umfang der Heranziehung zum Teil ausdrücklich an bestehende Unterhaltspflichten. So schreibt § 94 Abs. 2 SGB VIII vor, dass weitere Unterhaltspflichten der kostenbeitragspflichtigen Person angemessen zu berücksichtigen sind. Eine Wechselwirkung zwischen Kostenerstattungs- und Unterhaltsrecht setzt auch § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII voraus, nach dem bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen ist, wenn die Zahlung eines Kostenbeitrages die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen mindert. Dass ein Kostenbeitrag an die Stelle von Unterhaltsleistungen tritt, ergibt sich weiterhin aus § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII, der - um zu verhindern, dass ein Unterhaltspflichtiger seiner Barunterhaltspflicht in unveränderter Höhe nachkommt, aber für den gleichen Zeitraum mit einem Kostenbeitrag belastet wird - den Träger der öffentlichen Jugendhilfe verpflichtet, den Unterhalts- und Kostenbeitragspflichtigen über die Gewährung der Leistung zu unterrichten und über die Folgen für die Unterhaltspflicht aufzuklären (BTDrucks 15/3676 S. 41).

18

Systematisch ergibt sich die Notwendigkeit, einen Abgleich mit dem Unterhaltsrecht vorzunehmen, vor allem aus § 92 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII, nach dem ein Kostenbeitrag nur erhoben werden kann, soweit Unterhaltsansprüche vorrangig oder gleichrangig Berechtigter nicht geschmälert werden. Mit dieser Bezugnahme auf den Gleich- bzw. Vorrang wird die Rangfolge und Wertung des zivilrechtlichen Unterhaltsrechts (§ 1609 BGB) übernommen. Wenn die unterhaltspflichtige Person nach zivilrechtlichen Berechnungen ihre Unterhaltspflichten nicht in vollem Umfang erfüllen kann, ist der Kostenbeitrag des Jugendhilfeträgers entsprechend zu reduzieren (vgl. etwa Schindler, in: Münder/Meysen/Trencek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 6. Aufl. 2009, § 92 Rn. 26, 28). Bei Vorliegen gleich- oder vorrangiger Unterhaltsansprüche ist also - worauf auch das Oberverwaltungsgericht (UA S. 11), wenn auch in anderem Zusammenhang, hinweist - eine unterhaltsrechtliche Vergleichsberechnung vorzunehmen. § 92 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII schützt zwar seinem Wortlaut nach nur die Unterhaltsansprüche vorrangig oder gleichrangig Berechtigter. Die hiernach vorzunehmende Vergleichsberechnung nach unterhaltsrechtlichen Grundsätzen setzt aber voraus, dass dem Kostenbeitragspflichtigen in den Fällen des § 92 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt verbleibt. Es spricht nichts dafür, dass der Gesetzgeber diesen Selbstbehalt in den übrigen Kostenbeitragsfällen hat verkürzen wollen. Die gesetzessystematisch enge Verknüpfung mit dem Unterhaltsrecht weist vielmehr darauf hin, dass der Gesetzgeber keinen Bedarf zur ausdrücklichen Klarstellung gesehen hat, dass der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt auch gegenüber dem Kostenbeitragspflichtigen durchgehend zu gewährleisten ist.

19

1.3 Bei Erlass der Kostenbeitragsverordnung hat auch der Verordnungsgeber im rechtlichen Ansatz § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dahin verstanden, dass die Kostenbeitragspflichtigen im Hinblick auf den ihnen verbleibenden Mindest- bzw. notwendigen Eigenbedarf nicht schlechter zu stellen sind als im Unterhaltsrecht. So heißt es bereits im Vorwort des von der Bundesregierung am 23. August 2005 an den Bundesrat übermittelten (vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erstellten) Entwurfs der Kostenbeitragsverordnung, dass die Bemessung der Pauschalbeträge "in enger Abstimmung mit unterhaltsrechtlichen Wertungen" erfolgt sei und damit "Wertungsunterschiede" vermieden werden sollen (BRDrucks 648/05 S. 1). Auch in den Empfehlungen der beteiligten Ausschüsse (BRDrucks 648/1/05 S. 3 ff.), deren Änderungsvorschläge im Zustimmungsbeschluss des Bundesrates durchweg übernommen worden sind (vgl. BRDrucks 648/05 S. 1 ff.), wurde nochmals als Ziel der konkreten Beitragsbemessung hervorgehoben, "für Eltern in den unteren Einkommensgruppen eine Kostenbeitragspflicht festzulegen, deren Höhe den Kostenbeiträgen nach der geltenden Kostenheranziehung vergleichbar ist und die in etwa der gesetzlichen Unterhaltspflicht der Eltern für ihre Kinder entspricht" (BRDrucks 648/1/05 S. 3). Weiter heißt es dort in einer Anmerkung zu einer im Rahmen der Überprüfung eines Beitragssatzes angestellten unterhaltsrechtlichen Vergleichsberechnung: "Die Höhe des tatsächlich zu zahlenden Unterhalts folgt aus der Berücksichtigung des dem Unterhaltspflichtigen zu belassenden Selbstbehalts, der ab dem 1. Juli 2005 bei erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen gegenüber minderjährigen unverheirateten Kindern bei 890 Euro monatlich liegt" (BRDrucks 648/1/05 S. 6).

20

1.4 Darüber hinaus spricht vieles dafür, dass die vorstehende Auslegung des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, nach der dem Kostenbeitragspflichtigen jedenfalls der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt zu belassen ist, auch von Verfassungs wegen geboten ist. Es liegt nahe - ohne dass dies hier abschließend entschieden werden müsste -, die in der Rechtsprechung zum notwendigen Selbstbehalt im Unterhaltsrecht entwickelten Grundsätze auf das jugendhilferechtliche Kostenbeitragsrecht zu übertragen.

21

Die mit der Auferlegung von Unterhaltsleistungen verbundene Einschränkung des Art. 2 Abs. 1 GG ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als unverhältnismäßig anzusehen, wenn die Beschränkung der Dispositionsfreiheit des Verpflichteten im finanziellen Bereich als Folge der Unterhaltsansprüche die Grenze des Zumutbaren überschreitet. Die finanzielle Leistungsfähigkeit endet jedenfalls dort, wo der Unterhaltspflichtige nicht mehr in der Lage ist, seine eigene Existenz zu sichern (BVerfG, Beschlüsse vom 20. August 2001 - 1 BvR 1509/97 - NJW-RR 2002, 73 f. = FamRZ 2001, 1685 f. und vom 25. Juni 2002 - 1 BvR 2144/01 - NJW 2002, 2701 f. jeweils m.w.N.; vgl. ferner Beschlüsse vom 25. September 1992 - 2 BvL 5/91 u.a. - BVerfGE 87, 153 und vom 13. Februar 2008 - 2 BvL 1/06 - BVerfGE 120, 125). Danach wäre es verfassungswidrig, wenn dem Unterhaltspflichtigen nicht einmal mehr der Sozialhilfebedarf verbliebe und er infolge der Unterhaltszahlungen selbst sozialhilfebedürftig würde (BSG, Urteil vom 20. Juni 1984 - 7 RAr 18/83 - BSGE 57, 59 <63> und - diesem folgend - BGH, Urteil vom 2. Mai 1990 a.a.O. Rn. 10 im Hinblick auf die Unvereinbarkeit mit der Menschenwürdegarantie <art. 1 abs. 1 gg> und dem Sozialstaatsprinzip<art. 20 abs. 1 gg>). Unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber sozialrechtliche Einstandspflichten losgelöst vom Unterhaltsrecht und strenger als dieses bestimmen kann (z.B. im Rahmen der Bedarfs- und Einsatzgemeinschaft nach § 7 Abs. 2, 3, § 9 Abs. 2 SGB II oder in Fällen, in denen nach §§ 19, 20 SGB XII eine Einsatzgemeinschaft besteht), bedarf zumindest für den jugendhilferechtlichen Kostenbeitrag bei Gewährung teil- und vollstationärer Leistungen keiner abschließenden Beurteilung. Überdies hat der Gesetzgeber durch die Beschränkung des Kostenbeitrages auf den "angemessenen Umfang" selbst zu erkennen gegeben, dass er einen etwa weitergehenden verfassungsrechtlichen Rahmen für die Heranziehung nicht hat ausschöpfen wollen.

22

§ 1603 Abs. 1 BGB, nach dem nicht unterhaltspflichtig ist, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren, stellt eine Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Unterhaltsrecht dar (vgl. etwa zuletzt BVerfG, Beschluss vom 15. Februar 2010 - 1 BvR 2236/09 - FamRZ 2010, 626 f.). Dieser Grundsatz prägt seinerseits jedenfalls solche öffentlich-rechtlichen Einstandspflichten, die sich - wie der Kostenbeitrag nach §§ 91 ff. SGB VIII - ungeachtet der eigenständigen öffentlich-rechtlichen Ausformung nach Grund und Bemessung an das Unterhaltsrecht anlehnen. Für die Konkretisierung der Zumutbarkeitsgrenze auch der kostenbeitragsrechtlichen Leistungsfähigkeit ist es jedenfalls verfassungsrechtlich statthaft - sofern nicht Besonderheiten des Einzelfalles eine Abweichung bedingen -, auf die in den unterhaltsrechtlichen Leitlinien festgelegten (an der sog. Düsseldorfer Tabelle orientierten) und grundsätzlich (etwas) über dem Sozialhilfebedarf liegenden Selbstbehaltsätze abzustellen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20. August 2001 a.a.O. und vom 25. Juni 2002 a.a.O.; BSG, Urteil vom 20. Juni 1984 a.a.O. Rn. 32 ff.; BGH, Urteile vom 28. März 1984 a.a.O. und vom 2. Mai 1990 a.a.O.). Auch sonst ist diese Anknüpfung im Sozialrecht anerkannt (zu § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB I s. etwa BSG, Urteil vom 20. Juni 1984 a.a.O.; zu § 94 Abs. 2 SGB VIII a.F. s.a. BVerwG, Urteil vom 22. Dezember 1998 - BVerwG 5 C 25.97 - BVerwGE 108, 222).

23

2. Der von der Beklagten erhobene Kostenbeitrag belässt dem Kläger nicht den unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt.

24

2.1 Nach Ziffer 21.2 der hier - nach den Feststellungen des Berufungsgerichts - heranzuziehenden unterhaltsrechtlichen Leitlinien des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (Stand: 1. Juli 2005) betrug der notwendige (sog. kleine) Selbstbehalt eines Erwerbstätigen gegenüber seinen minderjährigen Kindern im streitbefangenen Zeitraum des Jahres 2006 monatlich 890 €. Auch wenn unterhaltsrechtlich keine strenge Bindung an die Tabellenwerte der Leitlinien besteht, dürfen die Tatgerichte sich an diesen Erfahrungs- und Richtwerten orientieren, sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände eine Abweichung bedingen (BGH, Urteil vom 28. März 1984 a.a.O., Diederichsen, in: Palandt, BGB, 69. Aufl. 2010, § 1603 Rn. 32 m.w.N.). Solche besonderen Umstände sind hier von den Vorinstanzen jedoch weder festgestellt noch sonst von den Beteiligten dargetan worden.

25

2.2 Die Heranziehung zu einem Kostenbeitrag in der vollen von der Beklagten geforderten Höhe belässt dem Kläger bei der gebotenen unterhaltsrechtlichen (Vergleichs-)Berechnung weniger als diesen notwendigen Selbstbehalt.

26

Nach den für das Revisionsgericht gem. § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts belief sich das monatliche Nettoeinkommen des Klägers (nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen) in dem streitbefangenen Zeitraum auf 1 790,35 €. Das Oberverwaltungsgericht hat weiterhin bindend festgestellt, dass die vom Kläger geltend gemachten monatlichen Fahrten zur Erzielung des Einkommens notwendig waren und der Kläger insbesondere nicht auf öffentliche Verkehrsmittel ausweichen konnte. Die Bemessung (in Orientierung an Ziffer 10.2.2 Satz 1 der Leitlinien des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts) der hiernach abzugsfähigen Fahrtkosten in Höhe von monatlich 597,60 € entspricht den unterhaltsrechtlichen Maßstäben, auf die jedenfalls für die unterhaltsrechtliche Vergleichsberechnung zur Prüfung, ob der Selbstbehalt gewährleistet ist, abzustellen ist. Sie steht rechnerisch zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Ob von dem hiernach unterhaltsrechtlich relevanten (bereinigten) Nettoeinkommen von nicht mehr als 1 192,75 € monatlich weitere Beträge unterhaltsrechtlich abzugsfähig waren, ist nicht festgestellt und bedarf mangels Entscheidungserheblichkeit keiner Klärung. Nach Abzug des Selbstbehalts - von hier 890 € - bleibt ein Betrag von monatlich 302,75 €, der unterhaltsrechtlich für Unterhaltszahlungen zur Verfügung steht. Der von der Beklagten in den streitbefangenen Bescheiden festgesetzte Kostenbeitrag von insgesamt 440 € belässt dem Kläger damit nicht den ihm als Erwerbstätigem zustehenden unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt - hier von 890 € - und führt demnach dazu, dass dem Kläger weniger an Einkommen verbliebe, als ihm wegen des notwendigen Selbstbehalts nach Unterhaltsrecht verblieben wäre. Der festgesetzte Kostenbeitrag ist insoweit, als er den unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt nicht (vollständig) wahrt, nicht angemessen im Sinne von § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII.

27

2.3 Diese Nichtbeachtung der durch den unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt gezogenen Grenze ergibt sich unabhängig davon, ob im Übrigen der öffentlich-rechtliche Kostenbeitrag nach §§ 91 ff. SGB VIII in der von der Beklagten oder in der vom Berufungsgericht für zutreffend erachteten Weise zu berechnen ist; denn in jedem Falle ist der Kostenbeitrag, der sich hiernach errechnete, so hoch, dass er in den unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt eingriffe. Die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob für die Ermittlung des Einkommens, das bei der Anwendung der Kostenbeitragsverordnung zu berücksichtigen ist, die berufsbedingten Fahrtkosten nach § 93 Abs. 3 Nr. 2 SGB VIII nach der Pauschalierung der Unterhaltsrichtlinien des Oberlandesgerichts zu berechnen sind, kann deshalb ebenso offen bleiben, wie die Frage, ob - woran der Senat, wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, erhebliche Zweifel hat - die Regelung des § 4 Abs. 1 Nr. 1 KostenbeitragsV (hier anwendbar in der Fassung vom 1. Oktober 2005, BGBl I S. 2907) auch auf die vollstationär untergebrachten Kinder des Klägers (unmittelbar) angewandt werden kann.

28

3. Wegen des Verstoßes der Beklagten gegen das Gebot der angemessenen Heranziehung (§ 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) haben die Vorinstanzen im Ergebnis zu Recht entschieden, das der geforderte Kostenbeitrag in der vom Kläger angegriffenen, den Betrag von 350 € übersteigenden Höhe nicht rechtmäßig ist und die streitbefangenen Bescheide hinsichtlich des übersteigenden Betrages aufzuheben waren. Ob dieser Verstoß auch eine weitergehende Aufhebung rechtfertigen würde und wie die damit zusammenhängende Frage zu beantworten ist, ob und gegebenenfalls welche weitergehenden Rechtsfolgen aus einem durch die Unterschreitung des unterhaltsrechtlichen Selbstbehalts bedingten Verstoß gegen § 84 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII (im Allgemeinen) zu ziehen sind, hat der Senat wegen der hier vorliegenden Begrenzung des Streitgegenstandes im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden. Denn der Kläger hat vor dem Verwaltungsgericht die Aufhebung der Bescheide zuletzt allein in der den Betrag von 350 € übersteigenden Höhe begehrt, so dass die Bescheide bis zur Höhe dieses Betrages in Bestandskraft erwachsen und nicht mehr Gegenstand des Berufungs- und Revisionsverfahrens geworden sind. Der Senat lässt daher offen, ob etwa - im Fall der (systematischen) Verfehlung der Selbstbehaltsgrenze bei den unteren Einkommensgruppen trotz Berücksichtigung der Pauschale nach § 93 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII - eine (teilweise) Nichtigkeit der Beitragssätze der Kostenbeitragsverordnung anzunehmen ist. Ebenso bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob dem durch eine Unterschreitung der Selbstbehaltsgrenze beeinträchtigten Angemessenheitsgebot durch eine gesetzeskonforme Auslegung der Kostenbeitragsverordnung, durch eine entsprechende Anwendung des § 4 KostenbeitragsV (etwa im Falle der Kostenbeitragspflicht für mehrere untergebrachte junge Menschen) oder im jeweiligen Einzelfall dadurch Rechnung getragen werden kann, dass - im Umfang der Unterschreitung des notwendigen Selbstbehalts - eine zur Beitragsreduzierung führende besondere Härte im Sinne von § 92 Abs. 5 SGB VIII anzunehmen ist.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Junge Volljährige erhalten geeignete und notwendige Hilfe nach diesem Abschnitt, wenn und solange ihre Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden. Eine Beendigung der Hilfe schließt die erneute Gewährung oder Fortsetzung einer Hilfe nach Maßgabe der Sätze 1 und 2 nicht aus.

(2) Für die Ausgestaltung der Hilfe gelten § 27 Absatz 3 und 4 sowie die §§ 28 bis 30, 33 bis 36, 39 und 40 entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Personensorgeberechtigten oder des Kindes oder des Jugendlichen der junge Volljährige tritt.

(3) Soll eine Hilfe nach dieser Vorschrift nicht fortgesetzt oder beendet werden, prüft der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ab einem Jahr vor dem hierfür im Hilfeplan vorgesehenen Zeitpunkt, ob im Hinblick auf den Bedarf des jungen Menschen ein Zuständigkeitsübergang auf andere Sozialleistungsträger in Betracht kommt; § 36b gilt entsprechend.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Höhe des Kostenbeitrages, den die Beklagte für die seinen Kindern gewährten Jugendhilfeleistungen erhoben hat.

2

Der Kläger ist Vater eines 1990 geborenen Sohnes und einer 1992 geborenen Tochter. Die Beklagte gewährte den Kindern unter anderem in der Zeit vom 1. April bis zum 31. Dezember 2006 vollstationäre Leistungen der Jugendhilfe (Heimerziehung und Eingliederungshilfe). Für diesen Zeitraum zog sie den Kläger mit Bescheiden vom 12. Mai 2006 zu einem monatlichen Kostenbeitrag in Höhe von insgesamt 545 € heran (340 € für das erste und 205 € für das zweite Kind). Auf den Widerspruch des Klägers reduzierte die Beklagte den Kostenbeitrag mit Änderungsbescheid vom 9. Januar 2007 auf insgesamt 440 € monatlich (275 € für das erste und 165 € für das zweite Kind). Im Übrigen wies sie den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 20. März 2008 zurück.

3

Mit seiner Klage begehrte der Kläger zunächst die vollständige Aufhebung der Kostenbeitragsbescheide. Im Klageverfahren hat er diese nur noch insoweit angegriffen, als der monatliche Kostenbeitrag insgesamt 350 € (250 € für seinen Sohn und 100 € für seine Tochter) übersteigt. Hierzu hat der Kläger geltend gemacht, die Beklagte habe die von seinem Einkommen abzusetzenden Fahrtkosten zu der 57 km von seinem Wohnort entfernten Arbeitsstelle als Lagerarbeiter bei der Be- und Entladung von Schiffen zu niedrig bemessen.

4

Mit Urteil vom 22. September 2008 hat das Verwaltungsgericht die streitbefangenen Bescheide der Beklagten in dem vom Kläger beantragten Umfang aufgehoben. Von dem monatlichen Nettoeinkommen des Klägers in Höhe von 1 790,35 € im maßgeblichen Zeitraum sei entgegen der Ansicht der Beklagten nicht lediglich die 25 %-Pauschale für Belastungen nach § 93 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII abzusetzen. Denn der Kläger habe eine höhere Fahrtkostenbelastung nachgewiesen, die nach Grund und Höhe angemessen sei (§ 93 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII). Aufgrund seiner unregelmäßigen Arbeitszeiten könne er nicht auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel verwiesen werden. Die Höhe der Fahrtkosten für PKW müsse auch im Kostenbeitragsrecht nach den unterhaltsrechtlichen Leitlinien, hier des Oberlandesgerichts Schleswig bemessen werden. Danach seien für die Hin- und Rückfahrt jeweils eine Kilometerpauschale von 0,30 € für die ersten 30 km und von 0,20 € für die weitere Fahrstrecke anzusetzen. Dementsprechend ergebe sich für den Kläger eine tatsächliche monatliche Belastung in Höhe von 597,60 €, die von seinem Einkommen abzuziehen sei. Das danach für die Kostenbeitragsberechnung maßgebliche Einkommen sei der Stufe 6 der im Anhang zu § 1 der Kostenbeitragsverordnung (KostenbeitragsV) enthaltenen Tabelle zuzuordnen. Da bei der Eingruppierung des Sohnes und der Tochter des Klägers jeweils die Unterhaltsverpflichtung für das andere (gleichrangige) Kind berücksichtigt werden müsse, sei gemäß § 4 KostenbeitragsV eine Herabstufung auf die Einkommensstufe 4 vorzunehmen.

5

Die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 27. April 2009 zurückgewiesen. Es hat die Auffassung des Verwaltungsgerichts geteilt, dass die berufsbedingten Fahrtkosten nach § 93 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VIII nach der für den Kläger günstigeren Pauschalierung der Unterhaltsrichtlinien des Oberlandesgerichts zu bemessen seien.

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 93 Abs. 3 SGB VIII. Sie vertritt ihre Rechtsansicht weiter, die Fahrtkosten dürften nur in der pauschalisierten Höhe abgezogen werden, wie sie im Einkommenssteuerrecht (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG) oder im Sozialhilferecht (§ 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII i.V.m. § 3 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII) vorgesehen sei.

7

Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil. Er macht ergänzend geltend, dass er durch die Heranziehung zu Kostenbeiträgen nicht schlechter gestellt werden dürfe, als er stehen würde, wenn er den gesetzlichen Unterhalt für seine Kinder zu leisten hätte.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat im Ergebnis im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) entschieden, dass die Kostenbeitragsbescheide in dem vom Kläger angefochtenen Umfang rechtswidrig gewesen und daher insoweit vom Verwaltungsgericht zu Recht aufgehoben worden sind.

9

Unabhängig von der zwischen den Beteiligten streitigen und von den Vorinstanzen erörterten Frage der Fahrtkostenberechnung ist die Heranziehung des Klägers jedenfalls in dem Umfang, in dem er die streitbefangenen Bescheide angegriffen hat, schon deshalb rechtswidrig und verletzt ihn in seinen Rechten, weil sie nicht angemessen im Sinne von § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist. Die Heranziehung zu einem jugendhilferechtlichen Kostenbeitrag ist nur dann angemessen im Sinne dieser Vorschrift, wenn dem (erwerbstätigen) Kostenbeitragspflichtigen der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt belassen wird (1.). Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen wird dieser Selbstbehalt, der sich nach den unterhaltsrechtlichen Leitlinien des Oberlandesgerichts bestimmt, hier durch den von der Beklagten geforderten Kostenbeitrag unterschritten (2.). Dieser Verstoß von Bundesrecht führt im vorliegenden Fall zur Zurückweisung der Revision, ohne dass allgemein zu klären ist, welche weitergehenden Rechtsfolgen eine Verletzung des Angemessenheitsgebots (§ 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) nach sich zieht (3.).

10

1. Nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind die Kostenbeitragspflichtigen aus ihrem Einkommen in angemessenem Umfang zu den Kosten heranzuziehen. Das Gebot der Angemessenheit richtet sich nicht nur an den nach § 94 Abs. 5 SGB VIII ermächtigten Verordnungsgeber, sondern gleichermaßen an die Kostenbeiträge erhebenden Jugendhilfeträger, die diesem Grundsatz auch bei der Kostenfestsetzung im Einzelfall Rechnung zu tragen haben. § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist insoweit unmittelbarer Maßstab und Grenze für die Kostenbeteiligung. Dabei ist das Tatbestandsmerkmal "in angemessenem Umfang" ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Anwendung der uneingeschränkten Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte unterliegt (vgl. zum gleichlautenden Begriff in § 85 Nr. 3 Satz 2 bzw. § 84 Abs. 1 BSHG: Urteile vom 6. April 1995 - BVerwG 5 C 5.93 - Buchholz 436.0 § 85 BSHG Nr. 14 und vom 26. Oktober 1989 - BVerwG 5 C 30.86 - Buchholz 436.0 § 84 BSHG Nr. 1).

11

Die Kostenbeitragspflichtigen werden nur dann in angemessenem Umfang im Sinne von § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII aus ihrem Einkommen herangezogen, wenn ihnen zumindest der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt belassen wird. Dieser Inhalt des Rechtsbegriffs der Angemessenheit ergibt sich sowohl aus dem vom Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien mit diesem Merkmal verfolgten Zweck (1.1) als auch aus dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift (1.2). Von dieser anhand der anerkannten Auslegungsgrundsätze ermittelten Deutung des Norminhalts ist im Ansatz auch der Verordnungsgeber (unter Einschluss des der Kostenbeitragsverordnung zustimmenden Bundesrats) ausgegangen (1.3). Ob dieses Auslegungsergebnis darüber hinaus auch verfassungsrechtlich geboten ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung (1.4).

12

1.1 Die Beteiligung an den Kosten von Jugendhilfemaßnahmen durch die Erhebung von Kostenbeiträgen ist auf eine angemessene Heranziehung der Kostenbeitragspflichtigen begrenzt. Die Bemessung und Erhebung nach jugendhilferechtlichen und damit öffentlich-rechtlichen Regelungen bezweckt hinsichtlich des Umfangs der Heranziehung keine Ablösung von der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit als Grund und Grenze der Heranziehung.

13

Mit der Novellierung der §§ 91 ff. SGB VIII im Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz - KICK -) vom 8. September 2005 (BGBl I S. 2729), welches mit Wirkung zum 1. Oktober 2005 die Kostenbeteiligung in der Kinder- und Jugendhilfe neu geregelt hat, strebte der Gesetzgeber eine Verwaltungsvereinfachung und die Senkung des Vollzugsaufwands an (vgl. die Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung in BTDrucks 15/3676 S. 1 ff., 28). Deshalb wurde neben der Leistungsgewährung nun auch die Heranziehung zu den Kosten der gewährten Leistungen öffentlich-rechtlich ausgestaltet. Nach der alten Gesetzesfassung (bis 2005) war unter bestimmten Voraussetzungen noch ein (gesetzlicher) Übergang des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs des Kindes/Jugendlichen gegen die Eltern auf den Träger der Jugendhilfe vorgesehen (vgl. § 94 Abs. 3 SGB VIII a.F.), der dazu führte, dass die Jugendhilfeträger in diesen Fällen die übergegangenen Ansprüche gegebenenfalls vor den Zivilgerichten geltend zu machen hatten. Dieses System der Heranziehung wollte der Gesetzgeber mit der Neuregelung durch das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz ändern. Er verfolgte insoweit zwar das Ziel der "Entflechtung des bislang überaus komplizierten Zusammenspiels unterhaltsrechtlicher und sozialrechtlicher Bestimmungen in diesem Bereich". Der Gesetzgeber wollte aber zugleich, dass diese Entflechtung nicht "zu materiellen Wertungswidersprüchen mit dem Unterhaltsrecht führt" (BTDrucks 15/3676 S. 28).

14

Wegen der Umstellung auf eine öffentlich-rechtlich ausgestaltete Heranziehung zu Kostenbeiträgen, deren Festsetzung sich nach einkommensabhängig gestaffelten Pauschalbeträgen bestimmt (§ 94 Abs. 5 SGB VIII), besteht nach Maßgabe des Gestaltungsspielraumes, der hierbei dem Gesetz- und Verordnungsgeber zuzubilligen ist, zwar Raum für Abweichungen von unterhaltsrechtlichen Regelungen. Ein vom Gesetzgeber nicht gewollter, gravierender materieller Wertungswiderspruch zum Unterhaltsrecht besteht aber dann, wenn die Festsetzung des Kostenbeitrages im Ergebnis Grundprinzipien des Unterhaltsrechts nicht beachtet. Hierin findet auch die nach § 94 Abs. 5 SGB VIII eingeräumte Ausgestaltungs- und Pauschalierungsbefugnis des Verordnungsgebers ihre Grenze. Zu diesen elementaren Grundprinzipien des Unterhaltsrechts gehört, dass dem Unterhaltspflichtigen der sog. Eigenbedarf bzw. Selbstbehalt zu belassen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs findet jede Unterhaltspflicht dort ihre Grenze, wo dem Betroffenen nicht die Mittel für den eigenen notwendigen Lebensbedarf verbleiben (BGH, Urteile vom 28. März 1984 - IVb ZR 53/82 - NJW 1984, 1614 f. und vom 2. Mai 1990 - XII ZR 72/89 - NJW 1991, 356 f.). Diese unterhaltsrechtliche "Opfergrenze", die auch im Rahmen der gesteigerten Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern zu beachten ist (vgl. zu § 1603 Abs. 2 BGB: BGH, Urteil vom 2. November 1988 - IVb ZR 7/88 - NJW 1989, 524 <525>), wird in der unterhaltsrechtlichen Rechtspraxis durch den notwendigen oder kleinen Selbstbehalt (auch notwendiger Eigenbedarf genannt) konkretisiert (BGH, Urteil vom 2. November 1988 a.a.O.). Selbstbehalt in diesem Sinne ist der Betrag, der dem Unterhaltspflichtigen von seinem Einkommen mindestens für den eigenen Unterhalt erhalten bleiben muss. Diese Opfergrenze wird allgemein etwas über dem Sozialhilfebedarf des in Anspruch Genommenen angesetzt (BGH, Urteile vom 28. März 1984 a.a.O., vom 2. November 1988 a.a.O. und vom 2. Mai 1990 a.a.O.). Zu ihrer Bestimmung haben die Oberlandesgerichte in ihren unterhaltsrechtlichen Leitlinien (u.a. in der sog. Düsseldorfer Tabelle) Selbstbehaltsätze aufgestellt, von deren pauschalierten Werten im Regelfall ausgegangen werden darf (vgl. etwa BGH, Urteil vom 28. März 1984 a.a.O.).

15

Es fehlt jeder Anhalt, dass der Gesetzgeber, der sowohl Wertungswidersprüche zum Unterhaltsrecht vermeiden als auch die Zumutbarkeit der Heranziehung für den Beitragspflichtigen gewährleisten wollte (vgl. BTDrucks 15/3676 S. 42), die Heranziehung zu einem Kostenbeitrag ermöglichen wollte, der den Pflichtigen im Hinblick auf diesen elementaren Selbstbehalt schlechter stellt als im Unterhaltsrecht und dem (erwerbstätigen) Beitragsschuldner nicht ebenso viel an Mitteln für den eigenen Lebensbedarf belässt wie dem (erwerbstätigen) Unterhaltspflichtigen. Dass der unterhaltsrechtliche Eigenbedarf die Beitragserhebung begrenzt, hat außerdem nicht nur in der Begrenzung auf den "angemessenen Umfang" des Kostenbeitrages im Wortlaut des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seinen Niederschlag gefunden, sondern entspricht darüber hinaus auch der Zwecksetzung der jugendhilferechtlichen Kostenbeteiligung. Die Erhebung von Kostenbeiträgen bei teil- und vollstationärer Unterbringung dient zwar auch der Finanzierung der Jugendhilfeaufwendungen. Die Bestimmung der zum Kostenbeitrag Heranzuziehenden in § 92 Abs. 1 und 1a SGB VIII zeigt aber, dass der Sache nach die Kostenbeitragspflicht in den Fällen des § 92 Abs. 4 und 5 SGB VIII an eine Unterhaltspflicht anknüpft und die Unterhaltspflichtigen - nicht nur deswegen, weil sie den Unterhalt für den jungen Menschen wegen der jugendhilferechtlichen Leistungen "ersparen" - nicht aus ihrer materiellen Verantwortung gegenüber dem jungen Menschen entlassen werden sollen. Weil die teil- bzw. vollstationären Angebote auch die Sicherstellung des notwendigen Unterhalts des untergebrachten jungen Menschen umfassen und zum Erlöschen der darauf gerichteten zivilrechtlichen Unterhaltsansprüche führen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2006 -XII ZR 197/04 - NJW-RR 2007, 505; OLG Naumburg, Urteil vom 25. Oktober 2007 - 8 UF 77/07 - juris), tritt insoweit der öffentlich-rechtliche Kostenbeitrag an die Stelle von Ansprüchen gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen. Einen im Vergleich zum Unterhalt erhöhten Kostenbeitrag hat der Gesetzgeber dabei nur für die hohen Einkommen angestrebt (BTDrucks 15/3676 S. 27). Für die unteren und mittleren Einkommensgruppen fehlt jeder Hinweis, dass aus Finanzierungsgründen eine Heranziehung ermöglicht werden sollte, welche die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit übersteigt und den Kostenbeitragspflichtigen dadurch schlechter stellt als er im Unterhaltsrecht hinsichtlich des notwendigen Eigenbedarfs stünde.

16

1.2 Eine systematische Auslegung bestätigt, dass die Heranziehung nur dann im Sinne des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII in angemessenem Umfang erfolgt, wenn dem Kostenbeitragspflichtigen der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt belassen wird.

17

Das Kostenbeitragsrecht koppelt den Umfang der Heranziehung zum Teil ausdrücklich an bestehende Unterhaltspflichten. So schreibt § 94 Abs. 2 SGB VIII vor, dass weitere Unterhaltspflichten der kostenbeitragspflichtigen Person angemessen zu berücksichtigen sind. Eine Wechselwirkung zwischen Kostenerstattungs- und Unterhaltsrecht setzt auch § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII voraus, nach dem bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen ist, wenn die Zahlung eines Kostenbeitrages die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen mindert. Dass ein Kostenbeitrag an die Stelle von Unterhaltsleistungen tritt, ergibt sich weiterhin aus § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII, der - um zu verhindern, dass ein Unterhaltspflichtiger seiner Barunterhaltspflicht in unveränderter Höhe nachkommt, aber für den gleichen Zeitraum mit einem Kostenbeitrag belastet wird - den Träger der öffentlichen Jugendhilfe verpflichtet, den Unterhalts- und Kostenbeitragspflichtigen über die Gewährung der Leistung zu unterrichten und über die Folgen für die Unterhaltspflicht aufzuklären (BTDrucks 15/3676 S. 41).

18

Systematisch ergibt sich die Notwendigkeit, einen Abgleich mit dem Unterhaltsrecht vorzunehmen, vor allem aus § 92 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII, nach dem ein Kostenbeitrag nur erhoben werden kann, soweit Unterhaltsansprüche vorrangig oder gleichrangig Berechtigter nicht geschmälert werden. Mit dieser Bezugnahme auf den Gleich- bzw. Vorrang wird die Rangfolge und Wertung des zivilrechtlichen Unterhaltsrechts (§ 1609 BGB) übernommen. Wenn die unterhaltspflichtige Person nach zivilrechtlichen Berechnungen ihre Unterhaltspflichten nicht in vollem Umfang erfüllen kann, ist der Kostenbeitrag des Jugendhilfeträgers entsprechend zu reduzieren (vgl. etwa Schindler, in: Münder/Meysen/Trencek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 6. Aufl. 2009, § 92 Rn. 26, 28). Bei Vorliegen gleich- oder vorrangiger Unterhaltsansprüche ist also - worauf auch das Oberverwaltungsgericht (UA S. 11), wenn auch in anderem Zusammenhang, hinweist - eine unterhaltsrechtliche Vergleichsberechnung vorzunehmen. § 92 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII schützt zwar seinem Wortlaut nach nur die Unterhaltsansprüche vorrangig oder gleichrangig Berechtigter. Die hiernach vorzunehmende Vergleichsberechnung nach unterhaltsrechtlichen Grundsätzen setzt aber voraus, dass dem Kostenbeitragspflichtigen in den Fällen des § 92 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt verbleibt. Es spricht nichts dafür, dass der Gesetzgeber diesen Selbstbehalt in den übrigen Kostenbeitragsfällen hat verkürzen wollen. Die gesetzessystematisch enge Verknüpfung mit dem Unterhaltsrecht weist vielmehr darauf hin, dass der Gesetzgeber keinen Bedarf zur ausdrücklichen Klarstellung gesehen hat, dass der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt auch gegenüber dem Kostenbeitragspflichtigen durchgehend zu gewährleisten ist.

19

1.3 Bei Erlass der Kostenbeitragsverordnung hat auch der Verordnungsgeber im rechtlichen Ansatz § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dahin verstanden, dass die Kostenbeitragspflichtigen im Hinblick auf den ihnen verbleibenden Mindest- bzw. notwendigen Eigenbedarf nicht schlechter zu stellen sind als im Unterhaltsrecht. So heißt es bereits im Vorwort des von der Bundesregierung am 23. August 2005 an den Bundesrat übermittelten (vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erstellten) Entwurfs der Kostenbeitragsverordnung, dass die Bemessung der Pauschalbeträge "in enger Abstimmung mit unterhaltsrechtlichen Wertungen" erfolgt sei und damit "Wertungsunterschiede" vermieden werden sollen (BRDrucks 648/05 S. 1). Auch in den Empfehlungen der beteiligten Ausschüsse (BRDrucks 648/1/05 S. 3 ff.), deren Änderungsvorschläge im Zustimmungsbeschluss des Bundesrates durchweg übernommen worden sind (vgl. BRDrucks 648/05 S. 1 ff.), wurde nochmals als Ziel der konkreten Beitragsbemessung hervorgehoben, "für Eltern in den unteren Einkommensgruppen eine Kostenbeitragspflicht festzulegen, deren Höhe den Kostenbeiträgen nach der geltenden Kostenheranziehung vergleichbar ist und die in etwa der gesetzlichen Unterhaltspflicht der Eltern für ihre Kinder entspricht" (BRDrucks 648/1/05 S. 3). Weiter heißt es dort in einer Anmerkung zu einer im Rahmen der Überprüfung eines Beitragssatzes angestellten unterhaltsrechtlichen Vergleichsberechnung: "Die Höhe des tatsächlich zu zahlenden Unterhalts folgt aus der Berücksichtigung des dem Unterhaltspflichtigen zu belassenden Selbstbehalts, der ab dem 1. Juli 2005 bei erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen gegenüber minderjährigen unverheirateten Kindern bei 890 Euro monatlich liegt" (BRDrucks 648/1/05 S. 6).

20

1.4 Darüber hinaus spricht vieles dafür, dass die vorstehende Auslegung des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, nach der dem Kostenbeitragspflichtigen jedenfalls der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt zu belassen ist, auch von Verfassungs wegen geboten ist. Es liegt nahe - ohne dass dies hier abschließend entschieden werden müsste -, die in der Rechtsprechung zum notwendigen Selbstbehalt im Unterhaltsrecht entwickelten Grundsätze auf das jugendhilferechtliche Kostenbeitragsrecht zu übertragen.

21

Die mit der Auferlegung von Unterhaltsleistungen verbundene Einschränkung des Art. 2 Abs. 1 GG ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als unverhältnismäßig anzusehen, wenn die Beschränkung der Dispositionsfreiheit des Verpflichteten im finanziellen Bereich als Folge der Unterhaltsansprüche die Grenze des Zumutbaren überschreitet. Die finanzielle Leistungsfähigkeit endet jedenfalls dort, wo der Unterhaltspflichtige nicht mehr in der Lage ist, seine eigene Existenz zu sichern (BVerfG, Beschlüsse vom 20. August 2001 - 1 BvR 1509/97 - NJW-RR 2002, 73 f. = FamRZ 2001, 1685 f. und vom 25. Juni 2002 - 1 BvR 2144/01 - NJW 2002, 2701 f. jeweils m.w.N.; vgl. ferner Beschlüsse vom 25. September 1992 - 2 BvL 5/91 u.a. - BVerfGE 87, 153 und vom 13. Februar 2008 - 2 BvL 1/06 - BVerfGE 120, 125). Danach wäre es verfassungswidrig, wenn dem Unterhaltspflichtigen nicht einmal mehr der Sozialhilfebedarf verbliebe und er infolge der Unterhaltszahlungen selbst sozialhilfebedürftig würde (BSG, Urteil vom 20. Juni 1984 - 7 RAr 18/83 - BSGE 57, 59 <63> und - diesem folgend - BGH, Urteil vom 2. Mai 1990 a.a.O. Rn. 10 im Hinblick auf die Unvereinbarkeit mit der Menschenwürdegarantie <art. 1 abs. 1 gg> und dem Sozialstaatsprinzip<art. 20 abs. 1 gg>). Unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber sozialrechtliche Einstandspflichten losgelöst vom Unterhaltsrecht und strenger als dieses bestimmen kann (z.B. im Rahmen der Bedarfs- und Einsatzgemeinschaft nach § 7 Abs. 2, 3, § 9 Abs. 2 SGB II oder in Fällen, in denen nach §§ 19, 20 SGB XII eine Einsatzgemeinschaft besteht), bedarf zumindest für den jugendhilferechtlichen Kostenbeitrag bei Gewährung teil- und vollstationärer Leistungen keiner abschließenden Beurteilung. Überdies hat der Gesetzgeber durch die Beschränkung des Kostenbeitrages auf den "angemessenen Umfang" selbst zu erkennen gegeben, dass er einen etwa weitergehenden verfassungsrechtlichen Rahmen für die Heranziehung nicht hat ausschöpfen wollen.

22

§ 1603 Abs. 1 BGB, nach dem nicht unterhaltspflichtig ist, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren, stellt eine Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Unterhaltsrecht dar (vgl. etwa zuletzt BVerfG, Beschluss vom 15. Februar 2010 - 1 BvR 2236/09 - FamRZ 2010, 626 f.). Dieser Grundsatz prägt seinerseits jedenfalls solche öffentlich-rechtlichen Einstandspflichten, die sich - wie der Kostenbeitrag nach §§ 91 ff. SGB VIII - ungeachtet der eigenständigen öffentlich-rechtlichen Ausformung nach Grund und Bemessung an das Unterhaltsrecht anlehnen. Für die Konkretisierung der Zumutbarkeitsgrenze auch der kostenbeitragsrechtlichen Leistungsfähigkeit ist es jedenfalls verfassungsrechtlich statthaft - sofern nicht Besonderheiten des Einzelfalles eine Abweichung bedingen -, auf die in den unterhaltsrechtlichen Leitlinien festgelegten (an der sog. Düsseldorfer Tabelle orientierten) und grundsätzlich (etwas) über dem Sozialhilfebedarf liegenden Selbstbehaltsätze abzustellen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20. August 2001 a.a.O. und vom 25. Juni 2002 a.a.O.; BSG, Urteil vom 20. Juni 1984 a.a.O. Rn. 32 ff.; BGH, Urteile vom 28. März 1984 a.a.O. und vom 2. Mai 1990 a.a.O.). Auch sonst ist diese Anknüpfung im Sozialrecht anerkannt (zu § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB I s. etwa BSG, Urteil vom 20. Juni 1984 a.a.O.; zu § 94 Abs. 2 SGB VIII a.F. s.a. BVerwG, Urteil vom 22. Dezember 1998 - BVerwG 5 C 25.97 - BVerwGE 108, 222).

23

2. Der von der Beklagten erhobene Kostenbeitrag belässt dem Kläger nicht den unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt.

24

2.1 Nach Ziffer 21.2 der hier - nach den Feststellungen des Berufungsgerichts - heranzuziehenden unterhaltsrechtlichen Leitlinien des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (Stand: 1. Juli 2005) betrug der notwendige (sog. kleine) Selbstbehalt eines Erwerbstätigen gegenüber seinen minderjährigen Kindern im streitbefangenen Zeitraum des Jahres 2006 monatlich 890 €. Auch wenn unterhaltsrechtlich keine strenge Bindung an die Tabellenwerte der Leitlinien besteht, dürfen die Tatgerichte sich an diesen Erfahrungs- und Richtwerten orientieren, sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände eine Abweichung bedingen (BGH, Urteil vom 28. März 1984 a.a.O., Diederichsen, in: Palandt, BGB, 69. Aufl. 2010, § 1603 Rn. 32 m.w.N.). Solche besonderen Umstände sind hier von den Vorinstanzen jedoch weder festgestellt noch sonst von den Beteiligten dargetan worden.

25

2.2 Die Heranziehung zu einem Kostenbeitrag in der vollen von der Beklagten geforderten Höhe belässt dem Kläger bei der gebotenen unterhaltsrechtlichen (Vergleichs-)Berechnung weniger als diesen notwendigen Selbstbehalt.

26

Nach den für das Revisionsgericht gem. § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts belief sich das monatliche Nettoeinkommen des Klägers (nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen) in dem streitbefangenen Zeitraum auf 1 790,35 €. Das Oberverwaltungsgericht hat weiterhin bindend festgestellt, dass die vom Kläger geltend gemachten monatlichen Fahrten zur Erzielung des Einkommens notwendig waren und der Kläger insbesondere nicht auf öffentliche Verkehrsmittel ausweichen konnte. Die Bemessung (in Orientierung an Ziffer 10.2.2 Satz 1 der Leitlinien des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts) der hiernach abzugsfähigen Fahrtkosten in Höhe von monatlich 597,60 € entspricht den unterhaltsrechtlichen Maßstäben, auf die jedenfalls für die unterhaltsrechtliche Vergleichsberechnung zur Prüfung, ob der Selbstbehalt gewährleistet ist, abzustellen ist. Sie steht rechnerisch zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Ob von dem hiernach unterhaltsrechtlich relevanten (bereinigten) Nettoeinkommen von nicht mehr als 1 192,75 € monatlich weitere Beträge unterhaltsrechtlich abzugsfähig waren, ist nicht festgestellt und bedarf mangels Entscheidungserheblichkeit keiner Klärung. Nach Abzug des Selbstbehalts - von hier 890 € - bleibt ein Betrag von monatlich 302,75 €, der unterhaltsrechtlich für Unterhaltszahlungen zur Verfügung steht. Der von der Beklagten in den streitbefangenen Bescheiden festgesetzte Kostenbeitrag von insgesamt 440 € belässt dem Kläger damit nicht den ihm als Erwerbstätigem zustehenden unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt - hier von 890 € - und führt demnach dazu, dass dem Kläger weniger an Einkommen verbliebe, als ihm wegen des notwendigen Selbstbehalts nach Unterhaltsrecht verblieben wäre. Der festgesetzte Kostenbeitrag ist insoweit, als er den unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt nicht (vollständig) wahrt, nicht angemessen im Sinne von § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII.

27

2.3 Diese Nichtbeachtung der durch den unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt gezogenen Grenze ergibt sich unabhängig davon, ob im Übrigen der öffentlich-rechtliche Kostenbeitrag nach §§ 91 ff. SGB VIII in der von der Beklagten oder in der vom Berufungsgericht für zutreffend erachteten Weise zu berechnen ist; denn in jedem Falle ist der Kostenbeitrag, der sich hiernach errechnete, so hoch, dass er in den unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt eingriffe. Die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob für die Ermittlung des Einkommens, das bei der Anwendung der Kostenbeitragsverordnung zu berücksichtigen ist, die berufsbedingten Fahrtkosten nach § 93 Abs. 3 Nr. 2 SGB VIII nach der Pauschalierung der Unterhaltsrichtlinien des Oberlandesgerichts zu berechnen sind, kann deshalb ebenso offen bleiben, wie die Frage, ob - woran der Senat, wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, erhebliche Zweifel hat - die Regelung des § 4 Abs. 1 Nr. 1 KostenbeitragsV (hier anwendbar in der Fassung vom 1. Oktober 2005, BGBl I S. 2907) auch auf die vollstationär untergebrachten Kinder des Klägers (unmittelbar) angewandt werden kann.

28

3. Wegen des Verstoßes der Beklagten gegen das Gebot der angemessenen Heranziehung (§ 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) haben die Vorinstanzen im Ergebnis zu Recht entschieden, das der geforderte Kostenbeitrag in der vom Kläger angegriffenen, den Betrag von 350 € übersteigenden Höhe nicht rechtmäßig ist und die streitbefangenen Bescheide hinsichtlich des übersteigenden Betrages aufzuheben waren. Ob dieser Verstoß auch eine weitergehende Aufhebung rechtfertigen würde und wie die damit zusammenhängende Frage zu beantworten ist, ob und gegebenenfalls welche weitergehenden Rechtsfolgen aus einem durch die Unterschreitung des unterhaltsrechtlichen Selbstbehalts bedingten Verstoß gegen § 84 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII (im Allgemeinen) zu ziehen sind, hat der Senat wegen der hier vorliegenden Begrenzung des Streitgegenstandes im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden. Denn der Kläger hat vor dem Verwaltungsgericht die Aufhebung der Bescheide zuletzt allein in der den Betrag von 350 € übersteigenden Höhe begehrt, so dass die Bescheide bis zur Höhe dieses Betrages in Bestandskraft erwachsen und nicht mehr Gegenstand des Berufungs- und Revisionsverfahrens geworden sind. Der Senat lässt daher offen, ob etwa - im Fall der (systematischen) Verfehlung der Selbstbehaltsgrenze bei den unteren Einkommensgruppen trotz Berücksichtigung der Pauschale nach § 93 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII - eine (teilweise) Nichtigkeit der Beitragssätze der Kostenbeitragsverordnung anzunehmen ist. Ebenso bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob dem durch eine Unterschreitung der Selbstbehaltsgrenze beeinträchtigten Angemessenheitsgebot durch eine gesetzeskonforme Auslegung der Kostenbeitragsverordnung, durch eine entsprechende Anwendung des § 4 KostenbeitragsV (etwa im Falle der Kostenbeitragspflicht für mehrere untergebrachte junge Menschen) oder im jeweiligen Einzelfall dadurch Rechnung getragen werden kann, dass - im Umfang der Unterschreitung des notwendigen Selbstbehalts - eine zur Beitragsreduzierung führende besondere Härte im Sinne von § 92 Abs. 5 SGB VIII anzunehmen ist.

(1) Zu folgenden vollstationären Leistungen und vorläufigen Maßnahmen werden Kostenbeiträge erhoben:

1.
der Unterkunft junger Menschen in einer sozialpädagogisch begleiteten Wohnform (§ 13 Absatz 3),
2.
der Betreuung von Müttern oder Vätern und Kindern in gemeinsamen Wohnformen (§ 19),
3.
der Betreuung und Versorgung von Kindern in Notsituationen (§ 20),
4.
der Unterstützung bei notwendiger Unterbringung junger Menschen zur Erfüllung der Schulpflicht und zum Abschluss der Schulausbildung (§ 21),
5.
der Hilfe zur Erziehung
a)
in Vollzeitpflege (§ 33),
b)
in einem Heim oder einer sonstigen betreuten Wohnform (§ 34),
c)
in intensiver sozialpädagogischer Einzelbetreuung (§ 35), sofern sie außerhalb des Elternhauses erfolgt,
d)
auf der Grundlage von § 27 in stationärer Form,
6.
der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche durch geeignete Pflegepersonen sowie in Einrichtungen über Tag und Nacht und in sonstigen Wohnformen (§ 35a Absatz 2 Nummer 3 und 4),
7.
der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen (§ 42),
8.
der Hilfe für junge Volljährige, soweit sie den in den Nummern 5 und 6 genannten Leistungen entspricht (§ 41).

(2) Zu folgenden teilstationären Leistungen werden Kostenbeiträge erhoben:

1.
der Betreuung und Versorgung von Kindern in Notsituationen nach § 20,
2.
Hilfe zur Erziehung in einer Tagesgruppe nach § 32 und anderen teilstationären Leistungen nach § 27,
3.
Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche in Tageseinrichtungen und anderen teilstationären Einrichtungen nach § 35a Absatz 2 Nummer 2 und
4.
Hilfe für junge Volljährige, soweit sie den in den Nummern 2 und 3 genannten Leistungen entspricht (§ 41).

(3) Die Kosten umfassen auch die Aufwendungen für den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe.

(4) Verwaltungskosten bleiben außer Betracht.

(5) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe tragen die Kosten der in den Absätzen 1 und 2 genannten Leistungen unabhängig von der Erhebung eines Kostenbeitrags.

(1) Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Grundrente nach oder entsprechend dem Bundesversorgungsgesetz sowie der Renten und Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für einen Schaden an Leben sowie an Körper und Gesundheit gewährt werden bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Eine Entschädigung, die nach § 253 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, geleistet wird, ist nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Geldleistungen, die dem gleichen Zwecke wie die jeweilige Leistung der Jugendhilfe dienen, zählen nicht zum Einkommen und sind unabhängig von einem Kostenbeitrag einzusetzen; dies gilt nicht für

1.
monatliche Leistungen nach § 56 des Dritten Buches bis zu einer Höhe des in § 61 Absatz 2 Satz 1 und § 62 Absatz 3 Satz 1 des Dritten Buches für sonstige Bedürfnisse genannten Betrages und
2.
monatliche Leistungen nach § 122 des Dritten Buches bis zu einer Höhe des in § 123 Satz 1 Nummer 2, § 124 Nummer 2 und § 125 des Dritten Buches genannten Betrages.
Kindergeld und Leistungen, die auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen.

(2) Von dem Einkommen sind abzusetzen

1.
auf das Einkommen gezahlte Steuern und
2.
Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung sowie
3.
nach Grund und Höhe angemessene Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen zur Absicherung der Risiken Alter, Krankheit, Pflegebedürftigkeit und Arbeitslosigkeit.

(3) Von dem nach den Absätzen 1 und 2 errechneten Betrag sind Belastungen der kostenbeitragspflichtigen Person abzuziehen. Der Abzug erfolgt durch eine Kürzung des nach den Absätzen 1 und 2 errechneten Betrages um pauschal 25 vom Hundert. Sind die Belastungen höher als der pauschale Abzug, so können sie abgezogen werden, soweit sie nach Grund und Höhe angemessen sind und die Grundsätze einer wirtschaftlichen Lebensführung nicht verletzen. In Betracht kommen insbesondere

1.
Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen,
2.
die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben,
3.
Schuldverpflichtungen.
Die kostenbeitragspflichtige Person muss die Belastungen nachweisen.

(4) Maßgeblich ist das durchschnittliche Monatseinkommen, das die kostenbeitragspflichtige Person in dem Kalenderjahr erzielt hat, welches dem jeweiligen Kalenderjahr der Leistung oder Maßnahme vorangeht. Auf Antrag der kostenbeitragspflichtigen Person wird dieses Einkommen nachträglich durch das durchschnittliche Monatseinkommen ersetzt, welches die Person in dem jeweiligen Kalenderjahr der Leistung oder Maßnahme erzielt hat. Der Antrag kann innerhalb eines Jahres nach Ablauf dieses Kalenderjahres gestellt werden. Macht die kostenbeitragspflichtige Person glaubhaft, dass die Heranziehung zu den Kosten aus dem Einkommen nach Satz 1 in einem bestimmten Zeitraum eine besondere Härte für sie ergäbe, wird vorläufig von den glaubhaft gemachten, dem Zeitraum entsprechenden Monatseinkommen ausgegangen; endgültig ist in diesem Fall das nach Ablauf des Kalenderjahres zu ermittelnde durchschnittliche Monatseinkommen dieses Jahres maßgeblich.

(1) Die Kostenbeitragspflichtigen sind aus ihrem Einkommen in angemessenem Umfang zu den Kosten heranzuziehen. Die Kostenbeiträge dürfen die tatsächlichen Aufwendungen nicht überschreiten.

(2) Für die Bestimmung des Umfangs sind bei jedem Elternteil die Höhe des nach § 93 ermittelten Einkommens und die Anzahl der Personen, die mindestens im gleichen Range wie der untergebrachte junge Mensch oder Leistungsberechtigte nach § 19 unterhaltsberechtigt sind, angemessen zu berücksichtigen.

(3) Werden Leistungen über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses erbracht und bezieht einer der Elternteile Kindergeld für den jungen Menschen, so hat dieser unabhängig von einer Heranziehung nach Absatz 1 Satz 1 und 2 einen Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes zu zahlen. Zahlt der Elternteil den Kostenbeitrag nach Satz 1 nicht, so sind die Träger der öffentlichen Jugendhilfe insoweit berechtigt, das auf dieses Kind entfallende Kindergeld durch Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs nach § 74 Absatz 2 des Einkommensteuergesetzes in Anspruch zu nehmen. Bezieht der Elternteil Kindergeld nach § 1 Absatz 1 des Bundeskindergeldgesetzes, gilt Satz 2 entsprechend. Bezieht der junge Mensch das Kindergeld selbst, gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend. Die Heranziehung der Elternteile erfolgt nachrangig zu der Heranziehung der jungen Menschen zu einem Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes.

(4) Werden Leistungen über Tag und Nacht erbracht und hält sich der junge Mensch nicht nur im Rahmen von Umgangskontakten bei einem Kostenbeitragspflichtigen auf, so ist die tatsächliche Betreuungsleistung über Tag und Nacht auf den Kostenbeitrag anzurechnen.

(5) Für die Festsetzung der Kostenbeiträge von Eltern werden nach Einkommensgruppen gestaffelte Pauschalbeträge durch Rechtsverordnung des zuständigen Bundesministeriums mit Zustimmung des Bundesrates bestimmt.

(6) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 157/03 Verkündet am:
1. März 2006
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Bei der Beantwortung der Frage, ob ein Ehegatte einer überobligationsmäßigen
Erwerbstätigkeit nachgeht, ist ein überdurchschnittlich hoher Betreuungsaufwand
eines behinderten Kindes in die Beurteilung einzubeziehen.
Inwieweit überobligationsmäßig erzieltes Einkommen sodann unterhaltsrechtlich
zu berücksichtigen ist, hängt auch davon ab, zu welchen Zeiten ein
Kind etwa infolge des Besuchs einer Behinderteneinrichtung der Betreuung
nicht bedarf.

b) Soweit einer der in § 13 Abs. 6 Satz 2 SGB IX geregelten Ausnahmefälle
nicht vorliegt, verbietet sich nach Abs. 6 Satz 1 der Bestimmung eine unterhaltsrechtliche
Berücksichtigung des an die Pflegeperson weitergeleiteten
Pflegegeldes gemäß § 37 Abs. 1 SGB IX, die zu einer Verkürzung des dieser
zustehenden Unterhaltsanspruchs führen würde.

c) Werden Fahrtkosten zur Arbeit mit der in den unterhaltsrechtlichen Leitlinien
vorgesehenen Kilometerpauschale angesetzt, so sind hierin regelmäßig
sämtliche Pkw-Kosten einschließlich derjenigen für Abnutzung und Finanzierungsaufwand
enthalten.
BGH, Urteil vom 1. März 2006 - XII ZR 157/03 - OLG Karlsruhe
AG Wiesloch
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 1. März 2006 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 17. Juni 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien, die im Revisionsverfahren noch um Trennungsunterhalt streiten, schlossen am 27. Mai 1995 die Ehe, aus der der am 28. Dezember 1995 geborene Sohn Max hervorgegangen ist. Seit dem 30. Oktober 2000 leben sie voneinander getrennt. Das Kind lebt im Haushalt der Mutter. Es leidet an einem unklaren Dysmorphie-Syndrom; aufgrund seiner Schwerbehinderung ist eine Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe III anerkannt. Das Pflegegeld in Höhe von monatlich 1.300 DM bzw. 665 € wird an die Klägerin gezahlt.
2
Diese war bis zum 30. November 2002 bei der Stadt W. teilzeitbeschäftigt ; sie verrichtete ihre Tätigkeit von einem häuslichen Telearbeitsplatz aus. Seit dem 1. Dezember 2002 ist sie nicht mehr erwerbstätig. Sie lebt seit April 2002 mit einem neuen Partner zusammen.
3
Der Beklagte ist als Industriekaufmann beschäftigt. Auf einen zusammen mit der Klägerin aufgenommenen Kredit entrichtete er - ebenso wie diese - bis Mai 2002 monatliche Raten von 250 DM (128 €). Seit der Trennung zahlte er Trennungsunterhalt in Höhe von 759,50 DM und Kindesunterhalt in Höhe von 345 DM (jeweils monatlich); seit Januar 2002 zahlt er insgesamt 507,20 € monatlich.
4
Die Klägerin hat den Beklagten im Wege der Stufenklage auf Zahlung von Trennungs- und Kindesunterhalt für die Zeit ab August 2001 in Anspruch genommen. Bezüglich des begehrten Trennungsunterhalts (monatlich 925,03 € ab Mai 2002 zuzüglich eines Rückstandes für die Zeit bis April 2002) hat sie die Auffassung vertreten, ihr Erwerbseinkommen sei nicht zu berücksichtigen, da sie aufgrund der Versorgung des schwer behinderten Kindes erheblich belastet sei. Max fehle wegen zusätzlicher Erkrankungen häufig im Kindergarten; sie werde von ihrem Arbeitgeber zwar während dieser Betreuungszeiten freigestellt , müsse die Zeiten jedoch nacharbeiten, weshalb sie teilweise noch bis spät abends tätig sei.
5
Der Beklagte ist dem Unterhaltsbegehren entgegengetreten. Er hat geltend gemacht, die Erwerbstätigkeit der Klägerin sei zumutbar, denn sie könne ihrer Arbeit in der Zeit nachgehen, in der Max den Kindergarten besuche. Soweit dies wegen akuter Erkrankungen des Kindes nicht möglich sei, könne die Klägerin die Betreuung durch eine Pflegekraft beanspruchen.
6
Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von Kindesunterhalt sowie zur Zahlung folgenden Trennungsunterhalts verurteilt: monatlich 918 € für Mai 2002, monatlich 851 € ab Juni 2002 sowie für die Zeit von August 2001 bis April 2002 rückständiger 4.959,80 €. Auf die gegen die Verurteilung zur Zahlung von Trennungsunterhalt gerichtete Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht das angefochtene Urteil insoweit abgeändert und der Klägerin Beträge zuerkannt, die zwischen 862 € und 694 € (jeweils monatlich) liegen. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


I.

7
Das Rechtsmittel ist - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - uneingeschränkt zulässig. Die Revision hat zwar beantragt, das Berufungsurteil aufzuheben und die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen. Die Auslegung des in der Revisionsbegründung zum Ausdruck kommenden Rechtsmittelbegehrens ergibt indessen ohne jeden Zweifel, dass der Beklagte nicht Klageabweisung insgesamt, sondern hinsichtlich des in der Berufungsinstanz allein noch streitgegenständlichen Trennungsunterhalts begehrt, also nicht hinsichtlich seiner Verurteilung zur Zahlung von Kindesunterhalt , die bereits in Rechtskraft erwachsen ist. Das hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch klargestellt.

II.

8
Die Revision ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
9
1. Die Klägerin hat nach § 1361 Abs. 1 BGB Anspruch auf den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Parteien angemessenen Trennungsunterhalt. Bei der Ermittlung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass diese durch die Einkünfte beider Parteien geprägt worden seien.
10
Dazu hat es im Wesentlichen ausgeführt:
11
Von dem Einkommen des Beklagten seien bis Mai 2002 keine berufsbedingten Aufwendungen in Abzug zu bringen, da ihm bis dahin ein Firmenwagen zur Verfügung gestanden habe und er bei seinem Arbeitgeber kostenlos habe tanken können. Vielmehr sei die private Nutzungsmöglichkeit des Firmenwagens als geldwerter Vorteil zu berücksichtigen. Der Entzug dieses Fahrzeugs ab Juni 2002 habe zur Folge, dass dieser Vorteil entfallen sei und die vom Beklagten geltend gemachten Fahrtkosten von da an als berufsbedingte Aufwendungen anzuerkennen seien. Die Benutzung eines Pkw für die Fahrten zur Arbeitsstelle müsse die Klägerin hinnehmen, weil die ehelichen Lebensverhältnisse hierdurch geprägt gewesen seien und kein Mangelfall vorliege. Gegen den Ansatz von 0,26 € pro Kilometer bestünden keine Bedenken, da die einfache Fahrtstrecke lediglich 25 km betrage. In dieser Fahrtkostenpauschale sei allerdings der Aufwand für die Anschaffung bzw. Finanzierung des Pkw enthalten, so dass der Beklagte die behaupteten Kreditraten von 150 € monatlich nicht zusätzlich von seinem Einkommen in Abzug bringen könne. Abzusetzen seien deshalb allein berufsbedingte Aufwendungen in Höhe von 240,50 € (50 km x 0,26 € x 222 Arbeitstage : 12). Unter Berücksichtigung der bis Mai 2002 zu zahlenden anderweitigen Kreditraten, des geschuldeten Kindesunterhalts sowie des in Abzug zu bringenden Erwerbstätigenbonus sei - wie vom Amtsgericht errechnet - von einem bereinigten monatlichen Einkommen des Beklagten von 3.360 DM bis November 2001, von 3.266 DM für Dezember 2001 und von 1.723 € von Januar bis Mai 2002 auszugehen. Ab Juni 2002 sei dagegen - unter zusätzlicher Berücksichtigung der vorgenannten Fahrtkosten - ein bereinigtes monatliches Einkommen von 1.486,35 € zugrunde zu legen.
12
Hinsichtlich der Einkommensverhältnisse der Klägerin hat das Berufungsgericht ausgeführt: Das ihr zufließende Pflegegeld für Max habe gemäß § 13 Abs. 6 SGB XI unberücksichtigt zu bleiben, weil keine der in dieser Bestimmung genannten Ausnahmen vorliege. Die bis November 2002 ausgeübte Halbtagsbeschäftigung der Klägerin sei als überobligationsmäßige Tätigkeit zu bewerten. Grundsätzlich bestehe keine Erwerbsverpflichtung des ein Kind betreuenden Ehegatten, solange dieses nicht die dritte Grundschulklasse besuche. Max sei erst sieben Jahre alt, stehe aber infolge seiner Behinderung auf der Entwicklungsstufe eines Kleinkindes. Die Betreuungsleistungen der Mutter seien auch nicht mit denen für ein Schulkind im Alter von acht Jahren zu vergleichen , auch wenn Max, der den Lebenshilfekindergarten besuche, dadurch in der Regel mindestens so lange von zu Hause abwesend sei wie ein Grundschulkind. Aufgrund des von Max gewonnenen Eindrucks stehe außer Frage, dass die Klägerin morgens, bis das Kind abgeholt werde, und nachmittags von seiner Rückkehr bis zum Dienstbeginn der Nachtwache ungleich mehr an Betreuungsleistungen für ihn zu erbringen habe als für ein gesundes Kindergartenkind. Auf den gesamten Tagesablauf bezogen ergebe sich deshalb jedenfalls keine nennenswerte Entlastung der Klägerin gegenüber der Betreuungssituation für ein gesundes Kind im Kindergarten- oder Grundschulalter. Das daher überobligationsmäßig erzielte Einkommen (von - bereinigt um die Kreditrate sowie den Erwerbstätigenbonus - 1.428 DM im Jahr 2001, 760 € für Januar bis Mai 2002 und 875 € von Juni bis November 2002) sei in voller Höhe als bedarfsprägend anzusetzen, jedoch in Anwendung von § 1577 Abs. 2 BGB nur teilweise, nämlich zur Hälfte, als bedarfsmindernd zu berücksichtigen. Die Bewertung der Berufstätigkeit der Klägerin als überobligationsmäßig habe weiter zur Folge, dass sie diese jederzeit habe aufgeben dürfen. Das gelte um so mehr, als sie einleuchtende Gründe für ihre Entscheidung, sich beurlauben zu lassen, vorgebracht habe. Neben ihren Erwerbseinkünften müsse die Klägerin sich allerdings fiktive Einkünfte aus der - in relativ geringem Umfang übernommenen - Haushaltsführung für ihren neuen Partner anrechnen lassen. Angemessen sei insofern für die Zeit ab April 2002 ein Betrag von monatlich 100 € (1/2 des üblicherweise nach Ziff. 6 der Süddeutschen Leitlinien - Stand: 1. Januar 2002 - anzusetzenden Mindestbetrages von 200 €). Das betreffende Einkommen sei in der selben Weise wie das Erwerbseinkommen im Rahmen der Unterhaltsberechnung zu berücksichtigen.
13
Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten der rechtlichen Nachprüfung stand.
14
2. Die Ermittlung des Einkommens des Beklagten ist allerdings aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Soweit die Revision die Auffassung vertritt , das Berufungsgericht habe es zu Unrecht abgelehnt, den Aufwand des Beklagten für die Finanzierung des Pkw in Höhe von monatlich 150 € zu berücksichtigen , kann ihr nicht gefolgt werden.
15
Das Berufungsgericht hat die Höhe der als abzugsfähig anzuerkennenden Fahrtkosten zur Arbeit in tatrichterlicher Verantwortung und entsprechendem eigenen Vortrag des Beklagten nach einem Satz von 0,26 €/km bestimmt.
Wenn ein Gericht insoweit die in seinem Bezirk gebräuchlichen unterhaltsrechtlichen Leitlinien zugrunde legt bzw. sich hieran anlehnt, so unterliegt das aus Rechtsgründen keinen Bedenken. Der Senat hat es in ständiger Rechtsprechung mangels sonstiger konkreter Anhaltspunkte für angemessen gehalten, die Kilometerpauschale nach § 9 Abs. 3 Satz 1 des bis zum 30. Juni 2004 geltenden Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen heranzuziehen (Senatsurteil vom 21. Januar 1998 - XII ZR 117/96 - FamRZ 1998, 1501, 1502 m.w.N.). Hiervon gehen auch die vom Berufungsgericht angewandten Süddeutschen Leitlinien (Stand: 1. Januar 2002, Nr. 10 c) aus. Dass anstelle des Betrages von 0,27 € nur ein solcher von 0,26 € zugrunde gelegt worden ist, ist nicht zu beanstanden, zumal der Beklagte selbst keinen höheren Betrag in Ansatz gebracht hat. In der Kilometerpauschale sind aber regelmäßig sämtliche Pkw-Kosten einschließlich derjenigen für Abnutzung und Finanzierungsaufwand enthalten (Kalthoener/Büttner/Niepmann Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 9. Aufl. Rdn. 936; OLG Hamm FamRZ 2000, 1367 und 1998, 561; Süddeutsche Leitlinien Nr. 10 c). Letzterer kann deshalb nicht zusätzlich als abzugsfähig anerkannt werden. Dass ausnahmsweise eine andere Beurteilung geboten wäre, hat der Beklagte nicht dargetan.
16
Damit ist der Unterhaltsberechnung das vom Berufungsgericht festgestellte Einkommen des Beklagten zugrunde zu legen, gegen dessen Ermittlung die Revision im Übrigen auch keine Einwendungen erhoben hat.
17
3. a) Gegen das vom Berufungsgericht errechnete Einkommen der Klägerin aus Erwerbstätigkeit bestehen ebenfalls keine Bedenken. Auch die Revision erinnert hiergegen nichts.
18
b) Sie wendet sich allerdings gegen die Beurteilung der Erwerbstätigkeit der Klägerin als überobligationsmäßig. Insofern weist sie darauf hin, dass nach allgemeiner Ansicht zwar in der Regel eine Erwerbsobliegenheit des betreuenden Ehegatten erst dann bestehe, wenn das jüngste Kind die dritte Grundschulklasse besuche. Hiervon könne aber vor allem bei der Fortsetzung einer bereits vor der Trennung nicht wegen einer Notlage ausgeübten Tätigkeit abgewichen werden. Das Berufungsgericht habe diesen Grundsatz nicht beachtet und infolgedessen nicht geprüft, ob nach den vorliegenden Umständen ein Abweichen von der Regel in Betracht komme. Der Beklagte habe unwidersprochen vorgetragen , dass die Klägerin bereits ab dem zweiten Lebensjahr des Sohnes, nämlich von Anfang 1998 an, freiwillig einer Halbtagstätigkeit nachgegangen sei. Sie müsse für mehr als 7 ½ Stunden pro Tag keine Betreuungsleistungen erbringen, weil Max insoweit im Lebenshilfekindergarten betreut werde. Damit seien die Betreuungsleistungen eher geringer als für ein gesundes Kind im Kindergarten - oder Grundschulalter. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin für die Betreuungsdienste Pflegegeld beziehe und zusätzlich Leistungen im Rahmen der Verhinderungspflege durch die Krankenkasse erhalten habe.
19
Damit kann die Revision nicht durchdringen.
20
c) Inwieweit für einen Ehegatten, der ein gemeinsames Kind betreut, eine Erwerbsobliegenheit besteht, ist nach objektiven Kriterien zu entscheiden. Bei der vorzunehmenden Abwägung der Umstände des Einzelfalls kommt es neben den persönlichen Verhältnissen des Unterhalt fordernden Ehegatten vor allem auf die Betreuungsbedürftigkeit des Kindes an. Dabei spielt nicht nur das Alter des Kindes eine Rolle, sondern insbesondere auch sein Gesundheitszustand, sein sonstiger Entwicklungsstand sowie möglicherweise bei ihm aufgetretene Verhaltensstörungen. Demgemäß ist auch ein überdurchschnittlich hoher Betreuungsbedarf so genannter Problemkinder zu berücksichtigen (Senatsurteile vom 26. Oktober 1984 - IVb ZR 44/83 - FamRZ 1985, 50, 51 und vom 18. April 1984 - IVb ZR 80/82 - FamRZ 1984, 769, 770; Wendl/Pauling Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 4 Rdn. 68, 70; Schwab/Borth Handbuch des Scheidungsrechts 5. Aufl. Kap. IV Rdn. 162; Kleffmann in Scholz/Stein Praxishandbuch Familienrecht Teil H Rdn. 65).
21
Nach der Rechtsprechung des Senats braucht sich eine Ehefrau, die Unterhalt von ihrem Ehemann verlangt, im Regelfall nicht auf eine eigene Erwerbstätigkeit verweisen zu lassen, solange sie ein Kind betreut, das noch nicht acht Jahre alt ist (vgl. Senatsurteile vom 30. November 1994 - XII ZR 226/93 - FamRZ 1995, 291, 292 und vom 21. Dezember 1988 - IVb ZR 18/88 - FamRZ 1989, 487 m.w.N.). Dieser Beurteilung liegt die Erfahrung zugrunde, dass ein schulpflichtiges Kind in den ersten Schuljahren noch einer verstärkten Beaufsichtigung und Fürsorge bedarf, die nicht auf bestimmte Zeitabschnitte eines Tages beschränkt ist (Senatsurteil vom 23. Februar 1983 - IVb ZR 363/81 - FamRZ 1983, 456, 458). Im Prozess hat deshalb derjenige, der sich auf eine Ausnahme von dieser auf der Lebenserfahrung beruhenden Regel beruft, die hierfür erforderlichen Voraussetzungen darzulegen und notfalls zu beweisen (Senatsurteile vom 26. Oktober 1984 aaO S. 51 und vom 23. Februar 1983 aaO S. 458).
22
d) Der Beklagte hat zwar Umstände vorgetragen, aus denen sich nach seiner Auffassung eine Erwerbsobliegenheit der Klägerin ergibt. Das Berufungsgericht hat sich hierdurch jedoch nicht veranlasst gesehen, von seiner dem vorgenannten Grundsatz entsprechenden Beurteilung abzuweichen. Das ist im Ergebnis aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
23
Die Revision weist im Ansatz zutreffend darauf hin, dass es nach der Rechtsprechung des Senats im Rahmen der Prüfung der persönlichen Verhältnisse des betreuenden Ehegatten regelmäßig von Bedeutung ist, ob er bereits während der bestehenden ehelichen Lebensgemeinschaft eine berufliche Tätigkeit ausgeübt hat. Der Senat hat dabei maßgeblich darauf abgehoben, dass eine Erwerbstätigkeit, die nicht aus Not, also wegen unzureichender Versorgung durch den unterhaltspflichtigen Ehegatten, sondern aus freien Stücken aufgenommen worden sei, im Allgemeinen zu einer Überprüfung Anlass geben werde, ob nicht die Grenzen des Zumutbaren zunächst zu eng gezogen worden seien. Die Ausübung der Erwerbstätigkeit könne in diesem Zusammenhang ein bedeutsames Indiz für die vorhandene tatsächliche Arbeitsfähigkeit sein (Senatsurteile vom 23. September 1981 - IVb ZR 600/80 - FamRZ 1981, 1159, 1161 und vom 21. Januar 1998 aaO S. 1502).
24
Entgegen der Auffassung der Revision lässt sich hieraus indessen kein für eine Erwerbsobliegenheit sprechender Grundsatz herleiten; vielmehr gilt es allein, die mögliche indizielle Bedeutung einer tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit zu beachten. Ob diese mit Rücksicht auf die Betreuungsbedürftigkeit eines Kindes zumutbar ist oder entsprechend dem Grundsatz, dass etwa bei Betreuung eines - wie hier zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht - noch nicht acht Jahre alten Kindes regelmäßig keine Erwerbsobliegenheit besteht, als überobligationsmäßig zu bewerten ist, muss aber nach der konkreten Situation, in der sich ein Ehegatte nach der Trennung oder Scheidung befindet, beurteilt werden. Es ist deshalb auch zu berücksichtigen , dass mit der Trennung die Mehrbelastung des ein Kind betreuenden Ehegatten nicht wie früher durch den anderen Ehegatten aufgefangen werden kann, sondern der betreuende Ehegatte nunmehr grundsätzlich auf sich allein angewiesen ist, was die Fortsetzung der bisherigen Erwerbstätigkeit unzumutbar erscheinen lassen kann (vgl. Senatsurteil vom 4. November 1987 - IVb ZR 81/86 - FamRZ 1988, 145, 148 f.; Göppinger/Bäumel Unterhaltsrecht 8. Aufl. Rdn. 957; Wendl/Pauling aaO § 4 Rdn. 28; Kleffmann in Scholz/Stein aaO Teil H Rdn. 67; Johannsen/Henrich/Büttner Eherecht 4. Aufl. § 1570 Rdn. 24; Schwab/Borth aaO Kap. IV Rdn. 172; FA-FamR/Gerhardt 5. Aufl. 6. Kap. Rdn. 264; Luthin Handbuch des Unterhaltsrechts 10. Aufl. Rdn. 2108; Weinreich /Klein Familienrecht 2. Aufl. § 1570 Rdn. 8; vgl. auch Born FamRZ 1997, 129, 132).
25
Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tragen die tatrichterliche Würdigung, dass die Klägerin überobligationsmäßig gearbeitet hat. Das Berufungsgericht hat entscheidend darauf abgestellt, dass das zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz sieben Jahre alte Kind aufgrund seiner Schwerbehinderung auf der Entwicklungsstufe eines Kleinkindes steht, weshalb die Mutter - bevor Max morgens zum Kindergarten abgeholt wird sowie nach seiner Rückkehr bis zum Beginn der Tätigkeit der für die nächtliche Überwachung erforderlichen Hilfskräfte - ungleich mehr an Betreuungsleistungen für ihn zu erbringen hat als für ein gesundes Kindergartenkind. Auf den gesamten Tagesablauf bezogen ergibt sich deshalb durch den Besuch des Kindergartens keine nennenswerte Entlastung der Klägerin gegenüber der Betreuungssituation für ein gesundes Kindergartenkind. Vielmehr war die Klägerin darauf angewiesen, in der Zeit, während der sich Max im Kindergarten aufhielt, die notwendige Hausarbeit zu verrichten, um sich dem Kind nach seiner Rückkehr (nach 15.00 Uhr) wieder uneingeschränkt widmen und es beaufsichtigen zu können. Die daneben ausgeübte Erwerbstätigkeit stellt deshalb, auch wenn sie im Wesentlichen von einem häuslichen Telearbeitsplatz aus verrichtet werden konnte, eine überobligationsmäßige Tätigkeit der Klägerin dar, die von ihr nicht verlangt werden kann.
26
e) Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass die Klägerin für ihre Betreuungsleistungen Pflegegeld in Höhe von monatlich 1.300 DM bzw. 665 € erhält. Das nach § 37 Abs. 1 SGB XI gewährte Pflegegeld bleibt, wenn es an eine Pflegeperson weitergeleitet wird, bei der Ermittlung von Unterhaltsansprü- chen der Pflegeperson grundsätzlich unberücksichtigt (§ 13 Abs. 6 Satz 1 SGB XI). Mit dieser Regelung soll erreicht werden, dass das Pflegegeld nicht nur dem Pflegebedürftigen selbst, sondern auch der Pflegeperson, die die häusliche Pflege unentgeltlich übernommen hat, möglichst ungeschmälert erhalten bleibt. In dem Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch wird hierzu ausgeführt: Ohne eine gesetzliche Regelung würde die unterhaltsrechtliche Berücksichtigung des Pflegegeldes weiterhin allein durch richterliche Entscheidung bestimmt. Dabei ist davon auszugehen, dass auf der Basis der bisherigen zivilrechtlichen Rechtsprechung zum BSHG- und SGB V-Pflegegeld das vom Pflegebedürftigen an die Pflegeperson weitergeleitete Pflegegeld zu einem erheblichen Teil als "Vergütungsanteil" der Pflegeperson bewertet und demzufolge unterhaltsrechtlich als Einkommen der Pflegeperson berücksichtigt wird (so auch noch Senatsbeschluss vom 24. April 1996 - XII ZR 7/96 - FamRZ 1996, 933). Dies ist mit dem sozialpolitischen Anliegen, die häusliche Pflege zu fördern und die Pflegebereitschaft und -fähigkeit im häuslichen Bereich zu stärken, nicht vereinbar. Mit der Neuregelung wird erreicht , dass z.B. bei einer geschiedenen Ehefrau nicht mehr der Unterhaltsanspruch gegenüber dem geschiedenen Ehemann gemindert wird, wenn sie für die Pflege des gemeinsamen behinderten pflegebedürftigen Kindes Pflegegeld erhält (BT-Drucks. 14/580 S. 5).
27
Der Senat hält mit Blick auf die zum 1. August 1999 in Kraft getretene Neufassung des § 13 Abs. 6 SGB XI an seiner früheren Auffassung nicht mehr fest. Da einer der in § 13 Abs. 6 Satz 2 SGB XI geregelten Ausnahmefälle nicht vorliegt, verbietet sich mithin eine unterhaltsrechtliche Berücksichtigung des Pflegegeldes, die zu einer Verkürzung des der Klägerin zustehenden Unterhaltsanspruchs führen würde (vgl. auch Trenk-Hinterberger in Wannagat SGB XI § 13 Rdn. 172 a).
28
4. Die Bewertung der Erwerbstätigkeit der Klägerin als überobligatorisch hat - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - zugleich zur Folge , dass sie diese Beschäftigung jederzeit aufgeben konnte. Das gilt vorliegend in besonderem Maße, da die Klägerin, wie sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht dargelegt hat, keine Telearbeit mehr hätte verrichten können, sondern darauf angewiesen gewesen wäre, in der Behörde zu arbeiten. Diesem Vorbringen ist der Beklagte nicht mehr entgegengetreten.
29
5. Von der Frage, ob Einkünfte durch überobligationsmäßige Tätigkeit erreicht werden, ist diejenige zu unterscheiden, in welcher Höhe solche Einkünfte unterhaltsrechtlich relevant sind. Soweit das Berufungsgericht das Einkommen der Klägerin in voller Höhe in die Bedarfsberechnung eingestellt, aber nur anteilig , nämlich in Höhe der Hälfte (nach Abzug eines Erwerbstätigenbonus von 1/10), als bedarfsdeckend berücksichtigt hat, begegnet diese Vorgehensweise durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
30
a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist bei der Ermittlung des angemessenen Unterhaltsbedarfs nur der unterhaltsrelevante Anteil eines überobligatorisch erzielten Einkommens als eheprägend zu berücksichtigen. Der nicht unterhaltsrelevante Anteil der überobligationsmäßig erzielten Einkünfte prägt die ehelichen Lebensverhältnisse dagegen nicht (Senatsurteil vom 13. April 2005 - XII ZR 273/02 - FamRZ 2005, 1154, 1157 f.). Damit steht nicht in Einklang , dass das Berufungsgericht das volle Einkommen der Klägerin in die Bedarfsbemessung einbezogen hat.
31
b) Die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Einkommen aus einer überobligatorischen Tätigkeit des Unterhaltsberechtigten bei der Unterhaltsberechnung zu berücksichtigen ist, lässt sich nach der Rechtsprechung des Senats nicht pauschal beantworten, sondern hängt von den besonderen Umständen des Einzelfalles ab. Maßgebend ist hierbei insbesondere, wie etwa die Kinderbetreuung mit den konkreten Arbeitszeiten unter Berücksichtigung erforderlicher Fahrzeiten zu vereinbaren ist und ob und gegebenenfalls zu welchen Zeiten die Kinder infolge eines Kindergarten- oder Schulbesuchs der Betreuung nicht bedürfen (vgl. zuletzt Senatsurteile vom 15. Dezember 2004 - XII ZR 121/03 - FamRZ 2005, 442, 444 und vom 13. April 2005 - XII ZR 48/02 - FamRZ 2005, 967, 970).
32
Eine solche Abwägung hat das Berufungsgericht nicht vorgenommen. Es ist vielmehr allein aufgrund der Bewertung der Tätigkeit der Klägerin als überobligationsmäßig zu dem Ergebnis gelangt, das Einkommen sei (nur) zur Hälfte anzurechnen. Demgemäß ist z.B. unberücksichtigt geblieben, dass die Klägerin zumindest teilweise von zu Hause aus arbeiten, mithin sich die Arbeitszeit vermutlich einteilen konnte, und Fahrzeiten jedenfalls überwiegend nicht anfielen. Die Beurteilung, inwieweit das überobligationsmäßig erzielte Einkommen anrechnungsfrei zu bleiben hat, hängt aber maßgeblich davon ab, welchen Schwierigkeiten die Klägerin hinsichtlich der Vereinbarkeit von Arbeit und Kinderbetreuung im Einzelnen ausgesetzt war, z.B. auch davon, welcher Zeitaufwand morgens erforderlich war, bevor Max zum Kindergarten abgeholt wurde.
33
6. Soweit das Berufungsgericht der Klägerin fiktive Einkünfte für die Haushaltsführung für ihren neuen Partner zugerechnet hat, erhebt die Revision hiergegen weder hinsichtlich des zugrunde gelegten Zeitraums noch bezüglich der Höhe Einwendungen. Die Behandlung dieses Einkommens, das das Berufungsgericht gleichermaßen in die Unterhaltsberechnung im Wege der Additionsmethode eingestellt hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken, sondern entspricht der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteil vom 5. Mai 2004 - XII ZR 132/02 - FamRZ 2004, 1173 ff. mit zustimmender Anm. Born FamRZ 2004, 1175 und Harms jurisPR-FamR 13/2004; ablehnend: Gerhardt FamRZ 2004, 1545).
34
7. Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es über die Bestimmung des der Klägerin anrechnungsfrei zu belassenden Einkommensteils unter Nachholung der hierfür erforderlichen Feststellungen erneut befinden kann.
35
8. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
36
a) Die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines Unterhaltsrückstands von 17.502,82 € für die Zeit von August 2001 bis Juni 2003 beinhaltet für die Zeit von August 2001 bis April 2002 einen Betrag von 7.668,82 € (4.270,82 € + 2.586 € + 812 €), obwohl - mit Rücksicht auf die vom Beklagten geleisteten Zahlungen - insoweit nur ein rückständiger Betrag von 4.959,80 € verlangt worden war. Das Berufungsurteil geht somit - entgegen § 308 Abs. 1 ZPO - über den Klageantrag hinaus.
37
b) Soweit das Berufungsgericht den Beklagten mit der Maßgabe verurteilt hat, "geleistete Zahlungen sind anzurechnen", widerspricht dies dem Bestimmtheitserfordernis eines Vollstreckungstitels mit der Folge, dass das Berufungsurteil , jedenfalls für die Vergangenheit, nicht als vollstreckungsfähig anzusehen sein dürfte (vgl. im Einzelnen Senatsurteil vom 7. Dezember 2005 - XII ZR 94/03 - FamRZ 2006, 261, 262 f.).
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose

Vorinstanzen:
AG Wiesloch, Entscheidung vom 19.09.2002 - 2 F 188/01 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 17.06.2003 - 2 UF 130/02 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 147/04 Verkündet am:
21. Juni 2006
Breskic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 1603 Abs. 2; BErzGG § 9 Satz 1 und 2
Das an die zweite Ehefrau des seinen Kindern aus erster Ehe unterhaltspflichtigen
Schuldners ausgezahlte Erziehungsgeld berührt dessen Unterhaltspflicht
auch dann nicht, wenn der Anspruch der zweiten Ehefrau auf Familienunterhalt
mit dem Kindesunterhalt gleichrangig ist und sich im absoluten Mangelfall deshalb
auf die Quote des geschuldeten Kindesunterhalts auswirkt (im Anschluss
an das Senatsurteil vom 12. April 2006 - XII ZR 31/04 - zur Veröffentlichung in
BGHZ bestimmt).
BGH, Urteil vom 21. Juni 2006 - XII ZR 147/04 - OLG Düsseldorf
AG Geldern
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren nach
Schriftsatznachlass bis zum 30. Mai 2006 durch den Richter Sprick, die Richterin
Weber-Monecke, den Richter Prof. Dr. Wagenitz, die Richterin Dr. Vézina
und den Richter Dose

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 3. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 2. Juli 2004 - unter Verwerfung der Revision im Übrigen - aufgehoben, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, an die Kläger zu 1) und
2) in Abänderung der Urkunden des Kreisjugendamts Wesel vom 23. Januar 1996 - UR-Nr. 31/1996 und 30/1996 - und des Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Geldern vom 11. November 2003 mehr als die folgenden Unterhaltsbeträge zu leisten:
a) an die Klägerin zu 1) für Dezember 2000 132,36 €, für Januar bis Juni 2001 monatlich 145,96 €, für Juli bis August 2001 monatlich 126,55 €, für September bis Oktober 2001 monatlich 143,84 €, für die Zeit vom 1. bis 21. September 2003 monatlich 128,00 € und für die Zeit ab dem 22. September 2003 monatlich 112,00 €;
b) an den Kläger zu 2) für Dezember 2000 132,36 €, für Januar bis Juni 2001 monatlich 145,96 €, für Juli bis August 2001 monatlich 126,55 €, für September bis Oktober 2001 monatlich 121,73 €, für die Zeit vom 1. bis 21. September 2003 monatlich 108,21 € und für die Zeit ab dem 22. September 2003 monatlich 112,00 €.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten um Abänderung zweier Jugendamtsurkunden zum Kindesunterhalt.
2
Die am 25. September 1989 geborene Klägerin zu 1 und der am 15. Juni 1991 geborene Kläger zu 2 sind Kinder des Beklagten aus dessen geschiedener Ehe. Mit Jugendamtsurkunden vom 23. Januar 1996 verpflichtete sich der Beklagte, monatlichen Unterhalt an die Klägerin zu 1 in Höhe von 425 DM (= 217,30 €) und an den Kläger zu 2 in Höhe von 335 DM (= 171,28 €) zu zahlen. Unterhaltsansprüche der geschiedenen Ehefrau des Beklagten hat das Berufungsgericht - inzwischen rechtskräftig - abgewiesen.
3
Der Beklagte ist wieder verheiratet. Aus dieser Ehe sind seine Kinder H., geboren am 27. November 1999, und A., geboren am 22. September 2003, hervorgegangen. Die zweite Ehefrau des Beklagten erhielt in der hier relevanten Zeit ab Dezember 2000 eine anteilige Steuererstattung im Jahre 2000 und Erziehungsgeld nach der Geburt des Sohnes H. bis einschließlich Oktober 2001 in Höhe von monatlich 306,78 € (600 DM) sowie nach der Geburt der Tochter A. in der Zeit ab September 2003 in Höhe von monatlich 307 €.
4
Der Beklagte erzielte aus seiner vollschichtigen Berufstätigkeit als Schlosser ein bereinigtes Einkommen in unterschiedlicher Höhe, zuletzt für die Zeit ab Januar 2002 in Höhe von monatlich 1.358,83 €.
5
Das Amtsgericht hat den Beklagten auf die Klage und dessen Widerklage zur Zahlung restlichen Unterhalts an den Kläger zu 2 für die Zeit von Dezember 2000 bis Oktober 2001 in Höhe von insgesamt 487,26 € nebst Zinsen verurteilt. Ferner hat es den beiden Kindern geschuldeten laufenden Unterhalt teils herauf-, im Wesentlichen aber herabgesetzt, zuletzt auf jeweils monatlich 151 € für die Zeit ab September 2003. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung - den geschuldeten Unterhalt weiter herabgesetzt, zuletzt auf jeweils monatlich 129,88 € für die Zeit ab September 2003. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision begehrt der Beklagte eine weitergehende Herabsetzung des Kindesunterhalts für die Zeit von Dezember 2000 bis Oktober 2001 sowie ab September 2003 in gestaffelter Höhe, zuletzt für die Zeit ab September 2003 auf jeweils monatlich 108,21 €.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision ist unzulässig, soweit der Beklagte Herabsetzung des geschuldeten Unterhalts für die Klägerin zu 1 auf monatlich unter 128 € für die Zeit vom 1. bis 21. September 2003 und für beide Kläger auf monatlich unter 112 € für die Zeit ab dem 22. September 2003 verlangt. Denn insoweit ist der Beklagte durch das Berufungsurteil nicht beschwert, weil sein Revisionsantrag in diesem Umfang über den eigenen Berufungsantrag hinausgeht. Im Umfang der weiteren Anfechtung führt die Revision zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

7
Das Berufungsgericht hat unter Berücksichtigung des unterhaltsrelevanten Einkommens des Beklagten, seiner berufsbedingten Fahrtkosten und der Höhe der Tilgungsraten für die zum Um- und Ausbau der selbst genutzten Wohnung aufgenommenen Darlehen den Kindesunterhalt der Kläger im Wege der Mangelfallberechnung ermittelt. Bis auf die Berücksichtigung des von seiner zweiten Ehefrau bezogenen Erziehungsgeldes begegnet die Entscheidung keinen revisionsrechtlichen Bedenken; insoweit wird sie auch von der Revision nicht angegriffen.
8
1. Die im Jahre 2000 an den Beklagten und seine zweite Ehefrau erstattete Steuer für das Jahr 1999 in Höhe von insgesamt 3.727,47 € hat das Berufungsgericht entsprechend den anteiligen Steuerzahlungen nur in Höhe von 581,24 € dem Einkommen des Beklagten zugerechnet und im Übrigen als eigenes Einkommen seiner zweiten Ehefrau für das Jahr 2000 berücksichtigt. Dagegen bestehen aus revisionsrechtlicher Sicht keine Bedenken (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2004 - XII ZB 165/00 - FamRZ 2005, 104, 105).
9
2. Auch soweit das Berufungsgericht die Fahrtkosten des Beklagten zu seiner 15 Kilometer entfernten Arbeitsstelle entsprechend seinen unterhaltsrechtlichen Leitlinien (zum Stand 1. Juli 2003 siehe FamRZ 2003, 1250, 1252 Ziff. 10.2.2; vgl. auch Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 1 Rdn. 97 ff.) mit einer Kilometerpauschale entsprechend § 9 Abs. 3 Nr. 2 ZSEG (für die Zeit ab dem 1. Juli 2004 vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 2 JVEG) bemessen hat, bestehen dagegen keine Bedenken. Zu Recht ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass darin regelmäßig sämtliche Pkw-Kosten einschließlich derjenigen für Abnutzung und Finanzierungsaufwand enthalten sind (Senatsurteil vom 1. März 2006 - XII ZR 157/03 - zur Veröffentlichung bestimmt).
10
3. Ebenfalls zu Recht und im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats hat das Berufungsgericht dem Beklagten keinen Wohnvorteil hinzugerechnet , weil die monatlichen Tilgungsleistungen für die Darlehen, die er zum Umund Ausbau der selbst genutzten Wohnung aufgenommenen hatte, jedenfalls deren objektiven Wohnwert erreichen (vgl. Senatsurteil vom 1. Dezember 2004 - XII ZR 75/02 - FamRZ 2005, 1159, 1161). Darauf, ob die Wohnung noch im Eigentum seiner Schwiegereltern steht und dem Beklagten der Wohnwert als freiwillige Leistung zur Verfügung gestellt wird oder ob seine zweite Ehefrau Eigentümerin ist, kommt es deswegen nicht an.
11
4. Auch die hier notwendige Mangelfallberechung hat das Berufungsgericht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats durchgeführt. Die zweite Ehefrau steht hier sämtlichen minderjährigen Kindern aus den beiden Ehen des Beklagten im Rang gleich, nachdem das Berufungsgericht Unterhaltsansprüche der sonst mit den Kindern gleichrangigen ersten Ehefrau des Klägers rechtskräftig abgewiesen hat (vgl. insoweit Senatsurteil vom 13. April 2005 - XII ZR 273/02 - FamRZ 2005, 1154, 1155 f.).
12
Im Rahmen der gebotenen Mangelfallberechnung hat das Berufungsgericht entsprechend der Rechtsprechung des Senats für die minderjährigen Kläger und die ebenfalls minderjährigen Kinder aus zweiter Ehe Einsatzbeträge in Höhe von 135 % des Regelbetrages nach der Regelbetragverordnung zugrun- de gelegt. Für die zweite Ehefrau des Beklagten hat es entsprechend der konkreten Lebenssituation den notwendigen Eigenbedarf als Einsatzbetrag in die Mangelverteilung eingestellt (Senatsurteil vom 22. Januar 2003 - XII ZR 2/00 - FamRZ 2003, 363, 365 f.) und dabei die durch die gemeinsame Haushaltsführung der Ehegatten erfahrungsgemäß eintretende Ersparnis berücksichtigt (Senatsurteil vom 14. Januar 2004 - XII ZR 149/01 - FamRZ 2004, 792, 793).

II.

13
Bei der Bemessung des Unterhaltsanspruchs der nach § 1609 Abs. 2 BGB mit den minderjährigen Kindern ranggleichen zweiten Ehefrau des Beklagten (Senatsurteil vom 13. April 2005 aaO), der im Rahmen der Mangelfallberechnung zu berücksichtigen ist, hat das Berufungsgericht das an die zweite Ehefrau gezahlte Erziehungsgeld bedarfsmindernd berücksichtigt.
14
Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Grundsatz, wonach Erziehungsgeld kein unterhaltsrechtlich erhebliches Einkommen darstelle, erfahre gemäß § 9 Satz 2 BErzGG u.a. eine Ausnahme bei gesteigerter Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern. In diesem Rahmen sei das für Kinder aus der neuen Ehe bezogene Erziehungsgeld auch für den Unterhalt minderjähriger Kinder aus einer früheren Ehe einzusetzen, selbst wenn dies auf Kosten der Kinder aus der neuen Ehe gehe. Im Rahmen der gebotenen Gesamtschau könne § 9 Satz 2 BErzGG nicht dahingehend verstanden werden, dass sich die erziehungsgeldberechtigte Ehefrau das Erziehungsgeld nur ihren eigenen Kindern gegenüber als Einkommen anrechnen lassen müsse, nicht aber auf den eigenen Unterhaltsanspruch gegen den beklagten Ehemann im Rahmen der Mangelverteilung mit dessen Kindern aus einer früheren Ehe. Eine andere Wertung würde mit Blick auf die Möglichkeit zur Bestimmung des Bezugsberechtigten dazu führen, dass die Eltern willkürlich über die unterhaltsrechtliche Anrechenbarkeit dieser staatlichen Unterstützung entscheiden dürften. Die elterliche Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit, die sich im Familienbudget weder positiv noch negativ auswirke, dürfe aber nicht zu Lasten von minderjährigen, gesteigert unterhaltsberechtigten Kindern aus erster Ehe führen.
15
Insoweit hält die Entscheidung des Berufungsgerichts den Angriffen der Revision nicht stand.

III.

16
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist das Erziehungsgeld der zweiten Ehefrau des Beklagten nicht im Rahmen ihres Anspruchs auf Familienunterhalt bedarfsmindernd anzurechnen (§ 9 Satz 1 BErzGG).
17
1. Das Erziehungsgeld hat keine Lohnersatzfunktion, sondern wird auch an Eltern gezahlt, die zuvor nicht erwerbstätig waren. Weil das Erziehungsgeld weder tatsächliche Einkommenseinbußen ausgleichen noch für den tatsächlichen Betreuungsaufwand entschädigen soll, wird durch den Bezug die Betreuung und Erziehung eines Kindes durch eine nicht oder nicht voll erwerbstätige, sorgeberechtigte Person in der ersten Lebensphase des Kindes allgemein gefördert (BVerfG FamRZ 1994, 363). Es ermöglicht und erleichtert es somit den Eltern, im Anschluss an die Mutterschutzfrist ganz oder teilweise auf eine Erwerbstätigkeit zu verzichten. Damit dient es sozialpolitischen Zielen und schafft zugleich einen finanziellen Anreiz für die Kindererziehung (BT-Drucks. 10/3729 S. 13; Senatsurteil vom 12. April 2006 - XII ZR 31/04 - zur Veröffentlichung bestimmt

).

18
Dieses sozialpolitische Ziel wird dadurch unterstützt, dass nach § 9 Satz 1 BErzGG Unterhaltsverpflichtungen nicht durch die Zahlung des Erziehungsgeldes und anderer vergleichbarer Leistungen der Länder berührt werden. Der Barunterhaltspflichtige soll durch die Zahlung des Erziehungsgeldes an den Unterhaltsberechtigten von seiner Unterhaltsverpflichtung grundsätzlich nicht entlastet werden. Die Leistung nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz soll dem Erziehungsgeldberechtigten also regelmäßig ungeschmälert zugute kommen. Nach übereinstimmender Auffassung ist das Erziehungsgeld deswegen im Regelfall nicht als anrechenbares Einkommen bei der Bemessung von Unterhaltsansprüchen zu berücksichtigen (BVerfG FamRZ 2000, 1149).
19
Dies gilt nach § 9 Satz 2 BErzGG allerdings nicht in den Fällen des § 1361 Abs. 3, der §§ 1579, 1603 Abs. 2 und des § 1611 Abs. 1 BGB. In diesen Fällen steht die Unterhaltsgewährung in besonderem Maße unter dem Gebot der Billigkeit, und es könnte zu groben Ungerechtigkeiten führen, wenn das Erziehungsgeld bei der Bemessung des Unterhalts unberücksichtigt bliebe (BT-Drucks. 10/3792 S. 18).
20
2. Ob das Erziehungsgeld nach § 9 Satz 2 BErzGG auch im Rahmen des Anspruchs auf Familienunterhalt zu berücksichtigen ist, wenn es nicht von dem - auch von seinen minderjährigen Kindern aus erster Ehe in Anspruch genommenen - Unterhaltspflichtigen, sondern von seinem (ebenfalls) unterhaltsberechtigten zweiten Ehegatten bezogen wird und wenn wegen der eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen ein absoluter Mangelfall vorliegt , ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.
21
Teilweise wird vertreten, dass es dem Bezug des Erziehungsgeldes durch den Unterhaltspflichtigen gleichstehe, wenn dessen Ehegatte das Erziehungsgeld bezieht und im Rahmen der gesteigerten Unterhaltspflicht gegenüber einem minderjährigen Kind der Anspruch auf Familienunterhalt zu prüfen ist (FA-FamR/Gerhardt 5. Aufl. Kap. 6 Rdn. 51). Überwiegend wird in Rechtsprechung und Literatur jedoch die Auffassung vertreten, dass sich ein Ehegatte sein Erziehungsgeld nur gegenüber den Unterhaltsansprüchen seiner Kinder als Einkommen anrechnen lassen müsse, nicht hingegen bei der Bemessung des eigenen Unterhaltsanspruchs im Rahmen einer Mangelverteilung mit Kindern des unterhaltspflichtigen Ehegatten aus seiner ersten Ehe (vgl. etwa OLG Hamm FamRZ 2003, 1962, 1963; Eschenbruch/Mitteldorf Der Unterhaltsprozess 3. Aufl. Rdn. 6398).
22
Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an, weil nur sie dem Willen des Gesetzgebers entspricht, das Erziehungsgeld grundsätzlich unterhaltsrechtlich unberücksichtigt zu lassen. Die Auslegung der in § 9 Satz 2 BErzGG vorgesehenen Ausnahmen darf diese Zielrichtung des Gesetzes, nämlich eine zusätzliche Förderung im Interesse der Kindererziehung zu schaffen, nicht aus den Augen verlieren.
23
a) Im Rahmen der Auslegung des § 9 Satz 2 BErzGG ist zwischen zwei Fallgestaltungen mit unterschiedlichem Regelungsinhalt zu unterscheiden.
24
aa) Soweit die Vorschrift des § 9 Satz 2 BErzGG auf § 1579 BGB (ggf. i.V. mit § 1361 Abs. 3 BGB) und auf § 1611 Abs. 1 BGB abstellt, lassen sich die Billigkeitskriterien zur Vermeidung grober Ungerechtigkeiten (vgl. BT-Drucks. 10/3792 S. 18) unmittelbar aus diesen Bestimmungen entnehmen. Wenn wegen eines sittlichen Verschuldens des Unterhaltsberechtigten eine Herabsetzung , zeitliche Begrenzung oder, bei grober Unbilligkeit, sogar eine vollständige Versagung des Unterhalts in Betracht kommt, liegt es nahe, ihm auch sein Erziehungsgeld nicht anrechnungsfrei zu belassen. Denn diesen Bestimmungen ist gemein, dass sie - bis auf § 1579 Nr. 1 BGB - auf ein sittliches Verschulden des Unterhaltsberechtigten abstellen. In solchen Fällen würde es zu groben Ungerechtigkeiten führen, wenn das Erziehungsgeld - wie im Regelfall nach § 9 Abs. 1 BErzGG - nicht bei der Unterhaltsbemessung berücksichtigt, sondern dem Unterhaltsberechtigten in voller Höhe zusätzlich belassen würde. Im Ergebnis gilt aber auch nichts anderes in Fällen kurzer Ehedauer nach § 1579 Nr. 1 BGB, der den Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit beider Ehegatten nach § 1569 BGB betont. Auch in solchen Fällen wäre es mit der Möglichkeit einer Begrenzung, Herabsetzung oder vollständigen Versagung des Unterhalts nicht vereinbar, wenn dem Unterhaltsberechtigten das von ihm bezogene Erziehungsgeld stets anrechnungsfrei verbliebe.
25
Die in § 9 Satz 2 BErzGG aus Gründen der Billigkeit geregelten Ausnahmen vom Grundsatz der Nichtanrechnung des Erziehungsgeldes, nämlich in den Fällen der §§ 1361 Abs. 3, 1579 und 1611 Abs. 1 BGB, greifen daher nur ein, wenn der Unterhaltsberechtigte das Erziehungsgeld erhält. Bezieht hingegen der unterhaltspflichtige Ehegatte das Erziehungsgeld, ist kein Grund dafür ersichtlich, den geschuldeten Unterhalt wegen eines sittlichen Verschuldens des Unterhaltsberechtigten sogar zu erhöhen. Dann bleibt es für den Unterhaltsberechtigten bei dem Grundsatz des § 9 Satz 1 BErzGG, wonach die Unterhaltspflicht durch das Erziehungsgeld nicht berührt wird. Anderenfalls würde das sittliche Verschulden des Unterhaltsberechtigten bzw. die ihm auferlegte Eigenverantwortlichkeit indirekt zu seinem Vorteil geraten, weil das unterhaltsrechtlich zu berücksichtigende Einkommen des Unterhaltspflichtigen um das diesem gezahlte Erziehungsgeld erhöht würde.
26
bb) Nicht vergleichbar ist hingegen der weitere von § 9 Satz 2 BErzGG erfasste Fall der gesteigerten Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen oder ihnen nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB gleichgestellten Kindern (vgl. insoweit Krause FamRZ 2002, 1452 f.). In einem solchen Fall sind grobe Ungerechtigkeiten denkbar, wenn das Erziehungsgeld dem Berechtigten anrechnungsfrei (neben sonstigen Einkünften) verbleibt, während gleichrangige minderjährige Kinder, die ihren Unterhalt naturgemäß nicht selbst decken können, im Mangelfall nicht ihren vollen Unterhalt erhalten.
27
Gleichwohl erfasst der Regelungsgehalt dieses Ausnahmetatbestands des § 9 Satz 2 BErzGG lediglich die Fälle, in denen der nach § 1603 Abs. 2 BGB Unterhaltspflichtige das Erziehungsgeld bezieht (OLG Hamm FamRZ 1995, 805, 806; für Ansprüche nach § 1615 l Abs. 2 BGB BVerfG FamRZ 2000, 1149). Nur dann entspricht es dem Gebot der Billigkeit, den Unterhaltspflichtigen wegen seiner gesteigerten Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern auch auf das Erziehungsgeld zurückgreifen zu lassen (Weinreich/Klein Familienrecht 2. Aufl. vor § 1360 Rdn. 72; Eschenbruch/Mittendorf aaO). Erhält hingegen der unterhaltsberechtigte Ehegatte das Erziehungsgeld, rückt der Zweck des Erziehungsgeldes als einkommensunabhängige Sozialleistung mit sozialpolitischen Zielen in den Vordergrund. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll der Unterhaltspflichtige durch den Bezug des Erziehungsgeldes auf Seiten des Berechtigten gerade nicht entlastet werden, auch wenn dies dazu führt, dass konkurrierende Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder nicht voll befriedigt werden können (BVerfG FamRZ 2000, 1149).
28
b) Im vorliegenden Fall wird das Erziehungsgeld nicht an den Beklagten als Unterhaltsschuldner, sondern an seine zweite Ehefrau ausgezahlt, die den Klägern nicht unterhaltspflichtig ist. Deswegen kommt hier zum Tragen, dass das Erziehungsgeld keine Lohnersatzfunktion hat, sondern sozialpolitischen Zielen dient und zugleich einen finanziellen Anreiz für die Kindererziehung schaffen soll. Dieser Anreiz steht wegen der Kindererziehung der zweiten Ehefrau des Beklagten, nicht aber diesem als Unterhaltsschuldner zu.
29
In solchen Fällen könnten sich unbillige Ergebnisse allenfalls dann ergeben , wenn die zweite Ehefrau mit der Summe ihres im Mangelfall auf eine Quote reduzierten Unterhalts und des anrechnungsfrei gebliebenen Erziehungsgeldes insgesamt über ihren Bedarf hinausgehende Einkünfte erzielen würde, während der Beklagte den Unterhaltsbedarf der gleichrangigen Kläger nicht decken könnte. Nur dann könnte die zweite Ehefrau im Einzelfall ihren eigenen Kindern zusätzlich barunterhaltspflichtig sein (§ 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB), was sich über den Gleichrang aller Kinder des Beklagten - wie im Rahmen der sog. Hausmannrechtsprechung entschieden (vgl. Senatsurteil vom 12. April 2006 aaO) - nach § 1356 Abs. 2 Satz 2 BGB auch zu Gunsten des Unterhaltsanspruchs der minderjährigen Kinder des Beklagten aus erster Ehe auswirken könnte. Allerdings scheiden solche Fälle im absoluten Mangelfall regelmäßig schon deswegen aus, weil die erziehungsgeldberechtigte zweite Ehefrau auch ihren eigenen Kindern nur in dem Umfang barunterhaltspflichtig ist, in dem ihr Gesamteinkommen den eigenen notwendigen Selbstbehalt übersteigt (Senatsurteil vom 12. April 2006 aaO).
30
Die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme der Ehegatten nach § 1356 Abs. 2 Satz 2 BGB darf aber nicht so weit gehen, dass sie einer Unterhaltspflicht der zweiten Ehefrau des Beklagten gegenüber dessen Kindern aus erster Ehe gleich käme, die nach dem Gesetz nicht besteht. Die Verpflichtung des neuen Ehegatten beschränkt sich vielmehr darauf, dem Unterhalt schuldenden Ehegatten die Erzielung ausreichender Einkünfte durch Erwerbstätigkeit zu ermöglichen. Nur insoweit müssen die beiderseits bekannten Unterhaltslasten gegenüber Kindern aus früheren Ehen bei der Aufgabenverteilung in der neuen Ehe berücksichtigt werden (Senatsurteil vom 18. Oktober 2000 - XII ZR 191/98 - FamRZ 2001, 1065, 1066). Hier ist der Beklagte aber schon vollschichtig berufstätig, was seine zweite Ehefrau ihm durch die Kindererziehung ermöglicht. Auch unter Berücksichtigung des Gleichrangs aller minderjährigen Kinder ist das von der zweiten Ehefrau des Beklagten bezogene Erziehungsgeld deswegen auch nicht bei der Ermittlung ihres Anspruchs auf Familienunterhalt bedarfsmindernd zu berücksichtigen. Das entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers , mit der Zahlung des Erziehungsgeldes den Eltern die Erziehung ihrer Kleinkinder zu ermöglichen, ohne auf eine eigene Erwerbstätigkeit angewiesen zu sein.
31
Wegen einer gesteigerten Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern (§ 1603 Abs. 2 BGB) kommt eine Anrechnung des Erziehungsgeldes nach § 9 Satz 2 BErzGG folglich nur dann in Betracht, wenn das Erziehungsgeld dem Unterhaltsschuldner selbst zusteht.
32
c) Dem steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte und seine zweite Ehefrau den Erziehungsgeldberechtigten nach § 3 Abs. 2 BErzGG bestimmen können. Denn dieses Wahlrecht setzt die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen durch jeden der beiden Elternteile voraus. Berechtigt ist also nur derjenige Elternteil, der u.a. das Kind selbst betreut und erzieht und allenfalls eine Erwerbstätigkeit bis zu 30 Wochenstunden ausübt (§§ 1 Abs. 1, 2 BErzGG). Insoweit sind einer Manipulation durch die Ehegatten aber schon durch die sog. Hausmannrechtsprechung des Senats Grenzen gesetzt, durch welche die Rollenwahl der neuen Ehegatten im Interesse des Gleichrangs der Unterhaltsansprüche aller minderjährigen Kinder unterhaltsrechtlich nur unter bestimmten Voraussetzungen hinzunehmen ist (vgl. Senatsurteil vom 12. April 2006 aaO).

IV.

33
Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, weil die notwendige Neuermittlung des vom Beklagten geschuldeten Unterhalts weitere tatsächliche Feststellungen erfordert. Schon im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Juni 2004 durfte das Berufungsgericht seine - dem laufenden Unterhalt zu Grunde liegende - Prognose der Einkommensverhältnisse des Beklagten nicht mehr allein auf dessen Einkommen in den Jahren 2001 und 2002 stützen. Denn mit der Klage wird Unterhalt auch für die Zukunft begehrt, weswegen für die Festsetzung des laufenden Unterhalts eine Prognose der künftigen Einkommensverhältnisse unverzichtbar ist. Den Anforderungen an eine möglichst realitätsnahe Prognose tragen die Feststellungen des Berufungsgerichts insoweit nicht hinreichend Rechnung, weil sie lediglich die Einkünfte in den Jahren 2000 bis 2002 berücksichtigen und das zeitnähere Jahr 2003 ausklammern. Soweit das Einkommen des Beklagten im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung schon konkret feststand, was hier jedenfalls für das Jahr 2003 gilt, hätte dieses der Einkommensberechnung und der Prognoseentscheidung für die Folgezeit zu Grunde gelegt werden müssen.
Sprick Weber-Monecke Wagenitz Vézina Dose

Vorinstanzen:
AG Geldern, Entscheidung vom 11.11.2003 - 11 F 200/01 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 02.07.2004 - II-3 UF 228/03 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 54/06 Verkündet am:
21. Januar 2009
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ein Student, der im Haushalt eines Elternteils lebt, kann im Verhältnis zu dem
anderen, auf Unterhalt in Anspruch genommenen Elternteil darauf verwiesen
werden, am Studienort zu wohnen. Das kommt in Betracht, wenn hohe
Fahrtkosten zum Studienort anfallen und dem Interesse des anderen Elternteils
, die Unterhaltsbelastung in Grenzen zu halten, keine gewichtigen, gegen
einen Umzug sprechenden Belange des Studenten gegenüberstehen.

b) Zur Berechnung der anteiligen Haftung von Eltern für den Unterhalt eines
volljährigen Kindes, wenn ein Elternteil seinem Ehegatten Familienunterhalt
schuldet.

c) Die für ein minderjähriges Kind gezahlte Halbwaisenrente ist auf seinen Barunterhaltsanspruch
gegen den Elternteil, bei dem es lebt, nur zur Hälfte anzurechnen
(im Anschluss an Senatsurteil vom 17. September 1980 - IVb ZR
552/80 - FamRZ 1980, 1109, 1111).

d) Unterhaltsrechtlich anzuerkennende berufsbedingte Aufwendungen können
nicht ohne nähere Prüfung mit den steuerlich anerkannten Werbungskosten
gleichgesetzt werden.
BGH, Urteil vom 21. Januar 2009 - XII ZR 54/06 - OLG Brandenburg
AG Fürstenwalde
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Januar 2009 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz, Dose und Dr. Klinkhammer

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Senats für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 3. November 2005 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Fürstenwalde vom 12. Januar 2005 auf die Berufung des Beklagten abgeändert worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten um Kindesunterhalt.
2
Die am 15. Oktober 1981 geborene Klägerin ist die Tochter des Beklagten aus geschiedener Ehe. Sie absolvierte nach dem Realschulabschluss eine Ausbildung als staatlich geprüfte Sozialassistentin, die sie im Juli 2000 erfolgreich beendete. Von August 2000 bis Juli 2001 besuchte sie die Fachoberschu- le und erlangte die Fachhochschulreife. Ab September 2001 war die Klägerin arbeitslos gemeldet, da ihre Bemühungen um einen Studienplatz zunächst vergeblich blieben. Von November 2001 bis Oktober 2002 machte sie ein Praktikum bei einem örtlichen Fernsehsender. Seit September 2002 studiert sie an der Fachhochschule E. Sozialwesen und absolvierte in der Zeit vom 3. Mai bis 15. Oktober 2004 ein weiteres Praktikum.
3
Die Klägerin wohnte zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht im September 2005 bei ihrer Mutter, in deren Haushalt außerdem die Kinder aus deren zweiter Ehe, nämlich die Tochter S., geboren am 5. März 1986, und der Sohn A., geboren am 23. Februar 1989, lebten. Der Vater dieser Kinder ist verstorben; beide beziehen eine Halbwaisenrente. S. befand sich bis zum Ende des Schuljahres 2004/2005 in der allgemeinen Schulausbildung. Seit 1. Oktober 2005 absolviert sie eine Ausbildung als medizinisch -technische Assistentin. A. besucht seit August 2005 die zweijährige Fachoberschule - Fachrichtung Wirtschaft. Die Mutter der Klägerin, die ein eigenes Haus bewohnt, ist bei der Stadt G. beschäftigt.
4
Der Beklagte ist Lehrer. Er ist in zweiter Ehe verheiratet, aus der die am 1. Juli 1988 geborene Tochter T. hervorgegangen ist. Seine Ehefrau erzielt seit 2002 kein Erwerbseinkommen mehr; seit 1. Januar 2005 bezieht sie Altersrente für Frauen. Der Beklagte lebt mit seiner Familie in einem seiner Ehefrau gehörenden Haus.
5
Durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Fürstenwalde vom 23. März 1999 wurde der Beklagte verurteilt, der Klägerin statt seinerzeit durch Jugendamtsurkunde titulierte 110 DM monatlich ab Januar 1999 552 DM (282,23 €) monatlichen Kindesunterhalt zu zahlen. Durch einen vor dem Amtsgericht Gera am 11. August 2000 geschlossenen Vergleich wurde dieses Urteil abgeändert und der Beklagte verpflichtet, ab Juli 2000 monatlichen Unterhalt von 414 DM (= 211,67 €) an die Klägerin zu entrichten. Grundlage des Vergleichs waren Nettoeinkünfte des Beklagten von 3.100 DM und der Mutter der Klägerin von 2.800 DM. Auf die am 16. April 2002 eingereichte Abänderungsstufenklage des Beklagten, der den Wegfall der Unterhaltspflicht ab 29. April 2002 begehrte, änderte das Amtsgericht Gera durch Urteil vom 1. November 2002 den Vergleich dahin ab, dass der Beklagte der Klägerin für die Zeit von April bis September 2002 keinen Unterhalt schulde. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung nahm die Klägerin zurück.
6
Im vorliegenden Rechtsstreit hat sie Abänderung des Vergleichs mit der Begründung begehrt, der Beklagte sei aufgrund seines gestiegenen Einkommens sowie unter Berücksichtigung der ihr entstehenden Fahrtkosten zur Fachhochschule in E. zu höheren Unterhaltsleistungen verpflichtet. Sie hat für die Zeit von Februar 2002 bis November 2003 rückständigen Unterhalt von 3.317,28 € sowie ab Dezember 2003 monatlichen Unterhalt in Höhe von (insgesamt ) 419 € begehrt.
7
Der Beklagte hat Widerklage erhoben und beantragt, den Vergleich dahin abzuändern, dass er ab Dezember 2003 nicht mehr zu Unterhaltsleistungen an die Klägerin verpflichtet sei. Ein Unterhaltsanspruch für das Studium an der Fachhochschule, das eine Zweitausbildung darstelle, bestehe bereits dem Grunde nach nicht. Aber auch der Höhe nach schulde er angesichts seines zurückgegangenen Einkommens keinen Unterhalt mehr.
8
Das Amtsgericht hat den Beklagten in Abänderung des Vergleichs zu monatlichen Unterhaltsleistungen von 368,45 € ab Januar 2004 sowie zur Zahlung rückständigen Unterhalts für die Zeit von Oktober 2002 bis (richtig) Dezember 2003 von 2.109,96 € verurteilt. Die weitergehende Klage und die Wi- derklage hat es abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten, mit der die Widerklage nur in eingeschränktem Umfang weiterverfolgt worden ist, hat das Oberlandesgericht das angefochtene Urteil teilweise abgeändert, die Abänderungsklage für die Zeit bis Dezember 2003 und ab Januar 2005 insgesamt und für 2004 in weitergehendem Umfang abgewiesen sowie der Abänderungswiderklage - außer für das Jahr 2004 - teilweise stattgegeben. Dagegen richtet sich die - zugelassene - Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt.

Entscheidungsgründe:

9
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

A.

10
Das Oberlandesgericht hat Klage und Widerklage für zulässig gehalten und in der Sache zur Begründung ausgeführt: Der Bedarf der Klägerin sei mit dem Betrag anzunehmen, der für eine Volljährige mit eigenem Hausstand zugrunde zu legen sei, auch wenn sie tatsächlich im Haushalt ihrer Mutter lebe. Die mit Rücksicht auf die Entfernung zwischen Wohn- und Studienort geltend gemachten hohen Fahrtkosten würden zu einem höheren Unterhaltsbedarf führen als er bei Begründung eines Wohnsitzes am Studienort bestehe. Die Klägerin müsse sich deshalb im Verhältnis zum Beklagten darauf verweisen lassen, in E. zu wohnen, zumal sie einem Wohnungswechsel allein entgegengehalten habe, die ohnehin knappen Studentenzimmer in E. kosteten inklusive Heizkosten mindestens 250 € monatlich. Bemühungen um ein geeignetes Zimmer habe sie nicht dargetan. Für den danach zunächst mit 575 € und ab 1. Juli 2005 mit 590 € zu bemessenden Bedarf hätten die Eltern der Klägerin anteilig aufzukommen.
11
Nach den vorgelegten Verdienstbescheinigungen sei von einem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen des Beklagten auszugehen, das sich für 2000 auf 2.128 €, für 2003 auf 2.099 € und ab 2004 auf 2.174 € belaufen habe. Hiervon seien die berufsbedingten Aufwendungen, die in Form von Fahrt- und Arbeitsmittelkosten angefallen seien, in Abzug zu bringen. Dass der Beklagte von seinem Wohnort aus die Schule, in der er tätig sei, nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen könne, habe die Klägerin nicht bestritten. Die Kosten der deshalb zugrunde zu legenden Pkw-Nutzung seien ausgehend von einer (einfachen) Entfernung von 50 km zu errechnen, da dem Beklagten zuzubilligen sei, nicht die kürzeste, sondern die schnellste Strecke zu nutzen. Unter Berücksichtigung der Schulferien einerseits und der Notwendigkeit zusätzlicher Fahrten andererseits ergäben sich 173 Fahrten pro Jahr, so dass die Kosten zunächst mit 317 € (50 km x 2 x 0,22 € x 173 : 12) und ab Juli 2005 mit 360 € (bei einer Kilometerpauschale von 0,25 €) anzusetzen seien. Die weiteren berufsbedingten Aufwendungen könnten - mit Ausnahme derjenigen für das nicht anzuerkennende häusliche Arbeitszimmer - jedenfalls in dem vom Finanzamt akzeptierten Umfang berücksichtigt werden. Der Beklagte habe durch Schreiben seines Arbeitgebers belegt, dass ihm seitens der Schule keine Arbeitsmittel , wie aktuelle Fachliteratur, Fachzeitschriften und Fachsoftware, zur Vorbereitung auf den Unterricht in den aufgeführten Fachgebieten zur Verfügung gestellt würden. Aus den zu den Akten gereichten Steuerbescheiden für die Jahre 2002 und 2003 ergäben sich neben den Fahrtkosten Aufwendungen von 4.071 € bzw. 4.494 €. In Abzug zu bringen seien deshalb für 2002 weitere 339 € monatlich und für 2003 weitere 375 € monatlich. Von dem zuletzt genannten Betrag sei auch für die Jahre 2004 und 2005 auszugehen.
12
Dem Einkommen hinzuzurechnen seien die erfolgten Steuererstattungen , nämlich in 2002 (für 2001) ein Betrag von 3.484,47 € (monatlich gerundet 290 €), der sich aus der Aufteilung des Gesamterstattungsbetrages auf die Ehegatten nach dem Verhältnis ihrer zu versteuernden Einkünfte zu den Gesamteinkünften ergebe, und in 2004 (für 2002 und 2003) von 7.305,82 € (monatlich gerundet 609 €) und 6.968,87 € (monatlich gerundet 581 €), zusammen monatlich 1.190 €. Für 2004 sei von einer Steuererstattung wie für 2003 (monatlich 581 €) auszugehen. Ein Wohnvorteil sei dagegen nicht zu berücksichtigen ; die Feststellung des Amtsgerichts, dass die Kosten über den tatsächlichen Wohnwert lägen, sei nicht angegriffen worden. Verbindlichkeiten seien nicht abzusetzen: Dem Hauskredit stehe der Wohnvorteil gegenüber; die Kreditkosten für den Pkw seien, soweit berufsbedingt, in der Kilometerpauschale enthalten.
13
Da die minderjährige Tochter T. des Beklagten der Klägerin im Rang vorgehe, sei der für sie geschuldete Unterhalt vorweg abzuziehen. Barunterhaltspflichtig sei allein der Beklagte, da die Mutter nicht erwerbstätig sei und ihre Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, durch dessen Pflege und Erziehung erfülle. Abzusetzen sei der Tabellenunterhalt der dritten Altersstufe , der sich nach dem jeweiligen Einkommen des Beklagten ergebe. Auch gegenüber dessen Ehefrau sei die Klägerin als volljähriges, nicht privilegiertes Kind nachrangig. Der Anspruch der Ehefrau auf Familienunterhalt, der deshalb ebenfalls vorweg in Abzug zu bringen sei, errechne sich als Quote von 1/2 der Differenz zu dem (auch um den Unterhalt für T.) bereinigten Einkommen des Beklagten und ihrem aus Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe bzw. Altersrente bestehenden Einkommen. Auch wenn Arbeitslosenhilfe grundsätzlich subsidiär sei, müsse die Leistung vorliegend als unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen behandelt werden. Denn es sei davon auszugehen, dass bei der Bemessung der Arbeitslosenhilfe das Einkommen des Beklagten gemäß § 194 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III a.F. berücksichtigt worden sei. Da das Einkommen der Ehefrau sich 2002 auf 849 €, 2003 auf 718 €, 2004 auf 675 € und 2005 auf 738 € (jeweils monatlich) belaufen habe, ergebe sich ein Unterhaltsanspruch, der zwischen Beträgen von 191 € und 784 € monatlich liege.
14
Zur Berechnung der Haftungsanteile beider Elternteile der Klägerin sei nur das über dem jeweiligen angemessenen Selbstbehalt liegende Einkommen zu berücksichtigen. Der angemessene Selbstbehalt betrage für die Zeit von Oktober 2002 bis Juni 2005 jeweils 925 €; ab Juli 2005 sei von einem angemessenen Selbstbehalt von 1.010 € auszugehen (jeweils nach den maßgeblichen Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts). Eine Herabsetzung dieses Selbstbehalts sei unter dem Gesichtspunkt der Haushaltsersparnis angezeigt. Denn durch die gemeinsame Haushaltsführung mit einem Ehegatten würden Aufwendungen erspart, so dass sich der Bedarf des Unterhaltsschuldners verringere. Die Haushaltsersparnis setze der Senat grundsätzlich mit 25 % an, wobei eine gleichmäßige Aufteilung auf die beiden den gemeinsamen Haushalt führenden Partner gerechtfertigt sei, so dass auf jeden von ihnen 12,5 % entfielen. Für den Beklagten sei daher von einem angemessenen Selbstbehalt von 809 € (925 € x 87,5 %) bis einschließlich Juni 2005 und von 884 € (1.010 € x 87,5 %) ab Juli 2005 auszugehen. Das über diesem angemessenen Selbstbehalt liegende Einkommen des Beklagten belaufe sich dann auf 331 € für 2002, 107 € für Januar bis Juni 2003, 99 € für Juli bis Dezember 2003, 649 € für 2004, 407 € für Januar bis Juni 2005 und 306 € ab Juli 2005 (jeweils monatlich).
15
Das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen der Mutter der Klägerin habe im Jahr 2002 1.976 €, 2003 2.018 € und 2004 1.979 € (jeweils gerundet ) betragen. Von dem zuletzt genannten Betrag sei auch für 2005 auszugehen. An berufsbedingten Aufwendungen seien Fahrtkosten mit dem Pkw zur Arbeitsstelle in Abzug zu bringen, die bei einer einfachen Strecke von rund 9 km und 220 Arbeitstagen einen Betrag von monatlich 73 € bzw. ab Juli 2005 von monatlich 83 € ausmachten. Hinzuzurechnen seien die Steuererstattungen, die im Jahr 2002 (für 2000 und 2001) monatlich 69 €, 2003 (für 2002) monatlich 22 € und 2004 (für 2003) monatlich 44 € (jeweils gerundet) betragen hätten. Von einer Erstattung von monatlich 44 € sei auch für das Jahr 2005 auszugehen. Ein Wohnvorteil sei auf Seiten der Mutter der Klägerin ebenfalls nicht anzusetzen.
16
Von dem Einkommen der Mutter abzuziehen sei der Unterhalt für die beiden weiteren bei ihr lebenden Kinder, solange diese minderjährig seien und der Klägerin im Rang vorgingen. Dies treffe auf den am 23. Februar 1989 geborenen Sohn A., der ab Oktober 2002 durchgängig der dritten Altersstufe angehöre , für den gesamten Unterhaltszeitraum zu. Die am 5. März 1986 geborene Tochter S. sei im März 2004 volljährig geworden. Sie habe im Sommer 2005 die Schule mit dem Fachabitur verlassen. Unter Berücksichtigung der ihr danach zustehenden Erholungsphase könne die allgemeine Schulausbildung als im August 2005 abgeschlossen angesehen werden. Seit September 2005 sei S. deshalb nicht mehr vorrangig unterhaltsberechtigt, sondern stehe der Klägerin im Rang gleich. Ein Vorwegabzug ihres Unterhalts scheide von da an aus. Die Mutter sei den Kindern S. und A. allein barunterhaltspflichtig, da der Vater verstorben sei. Beide Kinder erhielten eine Halbwaisenrente von jeweils gerundet 102 €, die bedarfsmindernd zu berücksichtigen sei. Auszugehen sei von einem Bedarf der Kinder in Höhe des sich aufgrund des Einkommens der Mutter ergebenden Tabellenunterhalts. Die Heranziehung des doppelten Tabellensatzes wegen der Erbringung von Bar- und Betreuungsunterhalt komme nicht in Betracht. Wenn nur der allein unterhaltspflichtige überlebende Elternteil vorhanden sei, komme die Halbwaisenrente allein diesem zugute. Vor diesem Hintergrund müsse die Rente auch als Eigeneinkommen der Kinder in vollem Umfang und nicht zur Hälfte berücksichtigt werden. Der für die Kinder anzusetzende einfache Tabellenunterhalt sei somit erst nach Abzug der hälftigen Halbwaisenrente vom Einkommen der Mutter abzusetzen. Auf der Grundlage ihres bereinigten Einkommens schulde sie den Kindern durchgängig Unterhalt nach Einkommensgruppe 5 der jeweiligen Unterhaltstabelle. Unter Berücksichtigung des der Mutter zuzubilligenden Selbstbehalts von 925 € bzw. (ab Juli 2005) von 1.010 € belaufe sich deren in die Anteilsberechnung einzustellendes Einkommen auf Beträge, die für die Zeit von 2002 bis Juni 2005 zwischen 446 € und 561 € lägen ; für Juli bis August 2005 belaufe sich der Betrag auf 332 € und ab September 2005 auf 659 €.
17
Der sich aus den zusammengerechneten Einkünften beider Eltern ergebende Bedarf der Klägerin liege, wenn die tatsächlichen Fahrtkosten zum Erreichen des Studienorts bedarfserhöhend angesetzt würden, über dem festen Bedarfsbetrag für im eigenen Haushalt lebende volljährige Kinder. Das addierte Einkommen beider Eltern habe sich - beispielsweise - für Oktober bis Dezember 2002 auf 2.626 € belaufen und der Einkommensgruppe 8 der ab 1. Januar 2002 geltenden Unterhaltstabelle entsprochen. Der Unterhaltsbedarf für die vierte Altersstufe ergebe sich danach mit 467 €. Die Fahrtkosten beliefen sich, da die Klägerin von ihrem Wohnort 35 km mit dem Auto zum Bahnhof fahre und von dort als Inhaberin eines Studententickets ohne weitere Kosten mit der Bahn nach E. fahren könne, auf rund 154 € monatlich, selbst wenn nur 120 Fahrten im Jahr veranschlagt würden. Dieser Betrag liege deutlich über dem Bedarf für ein volljähriges Kind mit eigenem Haushalt.
18
Die vorzunehmende Anteilsberechnung führe zu den folgenden, auf den Beklagten entfallenden Beträgen: 213 € für 2002, 93 € für Januar bis Juni 2003, 92 € für Juli bis Dezember 2003, 325 € für Januar bis Februar 2004, 341 € für März bis Dezember 2004, 275 € für Januar bis Juni 2005, 283 € für Juli bis August 2005 und 187 € ab September 2005. Hiervon sei das Kindergeld zu 1/2, also in Höhe von 77 € monatlich, abzusetzen. Dementsprechend sei der Vergleich auch auf die Widerklage - unter Berücksichtigung des teilweise dahinter zurückbleibenden Widerklageantrags - abzuändern.
19
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

B.

I.

20
Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings von der Zulässigkeit von Klage und Widerklage ausgegangen.
21
1. Der Abänderung unterliegt der gerichtliche Vergleich vom 11. August 2000, nicht dagegen das Urteil des Amtsgerichts Gera vom 1. November 2002, denn dieses hat die Verpflichtung aus dem Vergleich für die Zeit ab Oktober 2002 unberührt gelassen.
22
2. Die Klägerin hat mit ihrem Vorbringen, der Beklagte verfüge inzwischen über ein höheres Einkommen, darüber hinaus sei ihr Bedarf angesichts der ihr entstehenden Fahrtkosten zum Studienort gestiegen, wesentliche Änderungen der Geschäftsgrundlage des Vergleichs geltend gemacht (§ 323 Abs. 1, 4 ZPO). Die Richtigkeit ihres Vorbringens unterstellt, ist der Beklagte ihr zu höheren Unterhaltsleistungen verpflichtet.
23
3. a) Auch der Beklagte hat sich auf einen erheblichen Abänderungsgrund berufen. Dabei kann dahinstehen, ob sein Einwand, er schulde schon dem Grunde nach keinen weiteren Unterhalt für das Studium als Zweitausbildung , mit Rücksicht auf die Regelungen des Vergleichs als schlüssiger Abänderungsgrund zu beurteilen ist. Denn der Beklagte hat außerdem geltend gemacht , sein Einkommen habe sich seit dem Jahr 2003 erheblich reduziert. Dieser Umstand ist, wenn er sich als zutreffend erweist, geeignet, eine wesentliche Änderung der Unterhaltsverpflichtung zu begründen.
24
Der Geltendmachung dieser Änderung steht die Abänderungsklage, die der Beklagte vor dem Amtsgericht G. erhoben hat, nicht entgegen. Denn in jenem Verfahren hat die letzte mündliche Verhandlung am 1. November 2002 stattgefunden. Gemäß § 323 Abs. 2 ZPO sind aber nur solche Tatsachen präkludiert, die in einem vorausgegangenen Abänderungsverfahren bereits eingetreten waren und deshalb hätten geltend gemacht werden können (Senatsurteile vom 17. Mai 2000 - XII ZR 88/98 - FamRZ 2000, 1499, 1500 und vom 23. November 1994 - XII ZR 168/93 - FamRZ 1995, 221, 223). Das war hinsichtlich der erst im Jahre 2003 zu verzeichnenden Einkommensentwicklung nicht der Fall.
25
b) Da es um die Abänderung eines gerichtlichen Vergleichs geht, kann diese auch rückwirkend für die Zeit vor Rechtshängigkeit der betreffenden Abänderungsklage erfolgen. Der Schuldner, der eine Herabsetzung seiner in einem Prozessvergleich vereinbarten Unterhaltspflicht begehrt, ist an die Beschränkungen des § 323 Abs. 3 ZPO nicht gebunden. Denn der Abänderung steht insoweit - im Unterschied zur Abänderung eines Urteils - keine Rechtskraft entgegen, die den Bestand der Entscheidung bis zur Erhebung einer Abänderungsklage gewährleistet (Senatsurteile vom 30. Juli 2008 - XII ZR 177/06 - FamRZ 2008, 1911, 1913 und vom 11. April 1990 - XII ZR 42/89 - FamRZ 1990, 989 m.w.N.).

II.

26
1. Dass der Beklagte der Klägerin dem Grunde nach gemäß §§ 1601 ff. BGB zu Unterhaltsleistungen verpflichtet ist, hat er im Berufungsverfahren nicht mehr in Abrede gestellt. Er hat nicht länger auf Wegfall des titulierten Unterhalts angetragen, sondern nur noch auf dessen Reduzierung. Damit hat er die zutreffende Schlussfolgerung aus der vergleichsweise getroffenen Regelung gezogen , durch die es der Klägerin ermöglicht werden sollte, das Fachabitur zu erlangen , um anschließend ein Studium zu absolvieren.
27
2. Den Bedarf der Klägerin hat das Berufungsgericht nicht nach dem Einkommen der Eltern bemessen. Vielmehr ist es davon ausgegangen, sie müsse sich wegen der andernfalls zu berücksichtigenden hohen Fahrtkosten von monatlich mindestens 154 € im Verhältnis zum Beklagten darauf verweisen lassen, am Studienort zu wohnen, weshalb vom Bedarf eines nicht im Haushalt eines Elternteils lebenden Volljährigen auszugehen sei. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
28
Zwar ist im Grundsatz davon auszugehen, dass auch einem volljährigen Kind, das noch keine eigenständige Lebensstellung erlangt hat, Lebensgestaltungsautonomie zusteht. Andererseits sind Eltern und Kinder einander zu Beistand und Rücksicht verpflichtet (§ 1618 a BGB). In dem sich daraus im Einzelfall ergebenden Spannungsverhältnis der jeweiligen Positionen kommt es maß- gebend darauf an, wessen Interessen unter Würdigung der maßgebenden Umstände gewichtiger erscheinen. Je anerkennenswerter die Belange der einen Seite sind, umso eher wird es der anderen in der Regel zumutbar sein, sich hierauf einzulassen.
29
Die Klägerin hat - auch in dem von der Revision in Bezug genommenen Schriftsatz - im Wesentlichen geltend gemacht, das Zimmerangebot am Studienort sei nicht groß, außerdem falle eine Warmmiete von mindestens 250 € an. Dieses Vorbringen hat das Amtsgericht zu Recht mit der Begründung nicht ausreichen lassen, die Klägerin habe Bemühungen um ein geeignetes Zimmer zu annehmbaren Konditionen nicht dargetan. Sie hat sich auf den Einwand beschränkt , es sei schwierig, ein Zimmer in einem Studentenwohnheim zu erhalten. Allein daraus folgt aber nicht, dass der Klägerin eine Übersiedlung nach E. zu einem akzeptablen Mietzins nicht möglich gewesen wäre. Soweit sie außerdem vorgetragen hat, sie müsse immer wieder Praktika absolvieren, die regelmäßig nicht in E. stattfänden, lässt sich auch hieraus kein gewichtiges Argument gegen eine Wohnungsnahme am Studienort herleiten. Zum einen ergibt sich aus dem Vortrag bereits nicht, dass ein Praktikum in E. ausgeschlossen ist; zum anderen wird nicht erkennbar, ob das auch für die nähere Umgebung von E. gilt. Letztlich fehlt auch Sachvortrag zur zeitlichen Inanspruchnahme durch erforderliche Praktika - etwa: tägliche Präsenzpflicht; die Klägerin räumt selbst ein, sich während eines Praktikums wöchentlich zur Praktikumbegleitung zum Studienort begeben zu müssen. Danach kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin durch ein Wohnen am Studienort in nennenswerter Weise beeinträchtigt würde.
30
Demgegenüber ist auf Seiten des Beklagten ein erhebliches Interesse gegeben, die finanzielle Belastung durch die zusätzliche Ausbildung der Klägerin in Grenzen zu halten. Der Beklagte lebt nicht in großzügigen wirtschaftlichen Verhältnissen; er muss neben der Klägerin seine Ehefrau, die ihre Arbeitsstelle verloren hat, und die gemeinsame Tochter unterhalten und hat jedenfalls erhebliche Fahrtkosten zur Arbeitsstelle aufzubringen. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die Zumutbarkeit einer Ausbildungsfinanzierung nicht nur durch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern bestimmt wird. Wesentliche Gesichtspunkte sind auch, wie lange eine Ausbildung dauert und inwieweit die Eltern hierfür aufzukommen hatten (Senatsurteile vom 17. Mai 2006 - XII ZR 54/04 - FamRZ 2006, 1100, 1103 und vom 4. März 1998 - XII ZR 173/96 - FamRZ 1998, 671). Insofern ergibt sich hier, dass der Beklagte - abgesehen von dem Zeitraum von April bis September 2002, für den seine Abänderungsklage vor dem Amtsgericht G. Erfolg hatte - durchgehend Unterhalt für die Klägerin geleistet hat, z.B. auch für einen mehrmonatigen Zeitraum zwischen Beendigung des Schulbesuchs und Beginn des Studiums. Bei dieser Sachlage ist die tatrichterliche Würdigung, der Klägerin sei im Verhältnis zum Beklagten eine Übersiedlung nach E. zuzumuten, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Bei Abwägung der wechselseitigen Interessen überwiegen die des Beklagten diejenigen der Klägerin deutlich.
31
Danach ist mit dem Berufungsgericht von einem Bedarf der Klägerin von zunächst 575 € und ab 1. Juli 2005 von 590 € auszugehen. Diese Beträge liegen - entgegen der Auffassung der Revision - über dem Tabellenunterhalt, den die Klägerin aus dem zusammengerechneten Einkommen ihrer Eltern beanspruchen könnte. Selbst wenn - wie noch auszuführen sein wird - von einem höheren unterhaltsrelevanten Einkommen des Beklagten auszugehen sein sollte , ist andererseits ein geringeres unterhaltsrelevantes Einkommen der Mutter zu berücksichtigen, so dass sich allenfalls ein Gesamteinkommen der Eltern ergibt, das der Einkommensgruppe 8 der Anlage I zu den Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts für die Zeit ab 1. Januar 2002 entspricht. Danach beträgt der Unterhalt über die 4. Altersstufe z.B. für die Zeit bis Juni 2003 monatlich 498 €. Unter Hinzurechnung der Fahrtkosten ergäbe sich deshalb ein höherer Betrag als der vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Bedarf.
32
3. Auf diesen Bedarf ist das staatliche Kindergeld in vollem Umfang anzurechnen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat die Anrechnung nicht erst auf den jeweiligen Anteil zu erfolgen, der sich aus der Aufteilung nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB ergibt.
33
Da die Eltern ihren volljährigen Kindern in der Regel unterschiedliche Anteile am Barunterhalt schulden, kommt eine Aufteilung des Kindergeldes nur im Verhältnis des anteilig geschuldeten Barunterhalts in Betracht. Um den unterschiedlichen Beiträgen der Eltern zum Barunterhaltsbedarf des volljährigen Kindes gerecht zu werden, ist das Kindergeld deswegen vorab bedarfsdeckend auf den gesamten (Bar-)Unterhaltsbedarf anzurechnen. Das führt dazu, dass beide Elternteile entsprechend der jeweils geschuldeten Quote vom Barunterhalt entlastet werden (Senatsurteil vom 26. Oktober 2005 - XII ZR 34/03 - FamRZ 2006, 99, 101 ff. m.w.N. = BGHZ 164, 375, 383). Der Bedarf der Klägerin hätte deshalb mit dem um das volle Kindergeld von 154 € reduzierten Betrag in die Anteilsberechnung eingestellt werden müssen.

III.

34
Für den so bemessenen Bedarf haften die Eltern anteilig nach ihren Erwerbs - und Vermögensverhältnissen (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB).
35
1. Das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen des Beklagten einschließlich der ihm zugeflossenen Steuererstattungen hat das Berufungsgericht verfahrensfehlerfrei ermittelt. Auch die Revision erinnert hiergegen nichts.
36
2. Soweit die Revision sich gegen die Anerkennung von Fahrtkosten in Höhe von (richtig) 317 € bzw. ab 1. Juli 2005 von 360 € wendet, bleibt sie damit ohne Erfolg. Nach den nicht beanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin nicht bestritten, dass der Beklagte für die Fahrt zur Arbeitsstelle keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen kann. Ihm ist auch weder anzusinnen, ein Zimmer am Schulort zu mieten noch dorthin umzuziehen. Eine doppelte Haushaltsführung ist mit nicht unerheblichen Kosten verbunden. Neben den eigentlichen Wohnkosten fallen zumindest einmal pro Woche Fahrtkosten zum Hauptwohnsitz an. Diese belaufen sich jedenfalls auf 80 € bzw. ab Juli 2005 auf 90 € monatlich (161 Arbeitstage : 5 Wochentage = 32 Tage + 12 zusätzliche Einzelfahrten = 44 Fahrten x 100 km x 0,2 € : 12). Wenn für das Zimmer eine Warmmiete von 200 € unterstellt wird, ergibt sich eine Ersparnis von 37 €. Schon diese geringe Höhe lässt die weiteren Nachteile, nämlich die Trennung des Beklagten von seiner Familie während der Woche, als unzumutbar erscheinen. Ein Umzug kann von ihm ebenfalls nicht erwartet werden. Das ergibt sich schon daraus, dass der Beklagte mit seiner Familie in dem Elternhaus seiner Ehefrau lebt. Diese Immobilie aufgeben zu müssen, allein um einen finanziellen Engpass während der restlichen Ausbildungsdauer der Klägerin zu überbrücken, wäre unangemessen.
37
Auch die Höhe der Fahrtkosten hat das Berufungsgericht beanstandungsfrei unter Heranziehung der Kilometerpauschale ermittelt (BGH Urteil vom 21. Juni 2006 - XII ZR 147/04 - FamRZ 2006, 1182, 1183; Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 7. Aufl. § 1 Rdn. 99). Insbesondere begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass nicht die kürzeste Strecke, sondern diejenige zugrunde gelegt worden ist, die ohne Staugefahr genutzt werden kann.
38
3. Die Revision beanstandet weiter, die Berücksichtigung von Aufwendungen für Arbeitsmittel und übrige Werbungskosten in Höhe von insgesamt 339 € bzw. 375 € sei rechtlich nicht haltbar. Sie vertritt die Auffassung, das Berufungsgericht hätte den berufsbedingten Aufwand nicht mit den in den Steuerbescheiden berücksichtigten Werbungskosten gleichsetzen dürfen, sondern die vom Beklagten geltend gemachten Kosten im Einzelnen darauf überprüfen müssen, ob diese unterhaltsrechtlich abzugsfähig seien.
39
Die Rüge ist gerechtfertigt. Der Abzug berufsbedingter Aufwendungen setzt voraus, dass die betreffenden Kosten notwendigerweise mit der Ausübung der Erwerbstätigkeit verbunden sind und sich eindeutig von denjenigen der privaten Lebensführung abgrenzen lassen (Senatsurteil vom 22. Oktober 2006 - XII ZR 24/04 - FamRZ 2007, 193, Tz. 14). Dass bestimmte Aufwendungen steuerlich als Werbungskosten anerkannt werden, hat unterhaltsrechtlich nicht die entsprechende Bewertung zur Folge (Senatsurteil vom 23. April 1980 - IVb ZR 410/80 - FamRZ 1980, 770). Für die steuerliche Anerkennung reicht es regelmäßig aus, dass Kosten durch die Berufsausübung veranlasst sind. Dieses Kriterium ist unterhaltsrechtlich indessen nicht ausreichend; insofern ist zu fordern, dass die Kosten notwendig durch die Berufsausübung entstehen.
40
Konkreter Sachvortrag des Beklagten zur Erforderlichkeit der im Rahmen seiner Steuererklärungen aufgelisteten Werbungskosten fehlt; auf die Ergänzungsbedürftigkeit des Vorbringens ist er auch nicht hingewiesen worden. Aus dem Berufungsurteil ergeben sich aber auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die geltend gemachten Positionen im Einzelnen auf ihre unterhaltsrechtliche Relevanz überprüft worden wären. Als von den allgemeinen Lebenshaltungskosten nicht abgrenzbar fallen ohne weiteres die von der Revision monierten Punkte - Telefonkosten, Postwertzeichen, Kontoführungskosten - auf. Dasselbe gilt - jedenfalls ohne Erläuterung - für Batterien, CD-Rohlinge, Doppelstecker, "Fachzeitschriften", Druckerpapier u.ä. Auch die Notwendigkeit zur Anschaffung von vielfältigem Computerzubehör erschließt sich aus der kurz gefassten Auflistung nicht, auch wenn berücksichtigt wird, dass der Beklagte als Lehrer in diesem Bereich tätig ist. Unter solchen Umständen kann die Prüfung der Abzugsfähigkeit nicht durch Bezugnahme auf steuerliche Unterlagen ersetzt werden.
41
Hinzu kommt ein Weiteres: Steuerbescheide und -erklärungen liegen für den seinerzeit maßgebenden Unterhaltszeitraum allein für die Jahre 2002 und 2003 vor; die Unterlagen für 2003 weisen höhere Kosten aus. Aus welchen Erwägungen geschlussfolgert werden kann, in dem höheren Umfang fielen auch für die Folgezeit Aufwendungen an, ist nicht erkennbar. Aus diesen Gründen kann der Abzug weiterer berufsbedingter Aufwendungen keinen Bestand haben. Die Angaben sind so wenig aussagekräftig, dass sie sich auch als Schätzungsgrundlage nicht eignen.
42
4. Dass das Berufungsgericht den Kindesunterhalt für T. vorweg von dem Einkommen des Beklagten in Abzug gebracht hat, entspricht dem Vorrang dieses Kindes vor der Klägerin (§ 1609 Abs. 1 BGB a.F.; seit 1. Januar 2008: § 1609 Nr. 1 BGB). Auch gegen die Unterhaltsbemessung anhand der damaligen Unterhaltstabellen bestehen keine Bedenken. Abzuziehen war nach der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Rechtslage der Tabellenunterhalt (vgl. für die Zeit ab 1. Januar 2008: § 1612 b Abs. 1 Satz 1 BGB).
43
5. Die Revision rügt allerdings, dass das Berufungsgericht auch den Anspruch auf Familienunterhalt, der der Ehefrau des Beklagten gegen diesen zusteht , vorweg abgezogen hat. Damit hat die Revision ebenfalls Erfolg.
44
a) Der Beklagte schuldet seiner Ehefrau nach den §§ 1360, 1360 a BGB Familienunterhalt, da sie nicht über ausreichendes eigenes Einkommen verfügt. Dieser Unterhaltsanspruch lässt sich zwar nicht ohne weiteres nach den zum Ehegattenunterhalt nach Trennung oder Scheidung entwickelten Grundsätzen bemessen. Denn er ist nach seiner Ausgestaltung nicht auf die Gewährung einer - frei verfügbaren - laufenden Geldrente für den jeweils anderen Ehegatten, sondern vielmehr als gegenseitiger Anspruch der Ehegatten darauf gerichtet, dass jeder von ihnen seinen Beitrag zum Familienunterhalt entsprechend seiner nach dem individuellen Ehebild übernommenen Funktion leistet. Seinem Umfang nach umfasst der Anspruch auf Familienunterhalt gemäß § 1360 a BGB alles, was für die Haushaltsführung und die Deckung der persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und eventueller Kinder erforderlich ist. Sein Maß bestimmt sich aber nach den ehelichen Lebensverhältnissen, so dass § 1578 BGB als Orientierungshilfe herangezogen werden kann. Es begegnet deshalb keinen Bedenken, den Anspruch auf Familienunterhalt im Fall der Konkurrenz mit anderen Unterhaltsansprüchen auf die einzelnen Familienmitglieder aufzuteilen und in Geldbeträgen zu veranschlagen (Senatsurteile vom 30. Juli 2008 - XII ZR 177/06 - FamRZ 2008, 1911, 1914; vom 25. April 2007 - XII ZR 189/04 - FamRZ 2007, 1081, 1083 und vom 19. Februar 2003 - XII ZR 67/00 - FamRZ 2003, 860, 864).
45
b) Der Anspruch ist nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu bestimmen , die aber ihrerseits durch anderweitige, auch nachrangige Unterhaltspflichten eingeschränkt sein können. Von einer solchen Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse durch anderweitige Unterhaltspflichten ist auch in dem Verhältnis zwischen Eltern und volljährigen Kindern auszugehen (Senatsurteil vom 19. Februar 2003 - XII ZR 67/00 - FamRZ 2003, 860, 865). Nach diesem methodischen Ansatz ist bei der Bemessung des Unterhalts der zweiten Ehefrau grundsätzlich der auf den Beklagten entfallende Anteil des Unterhalts für die (volljährige) Klägerin vorweg vom Einkommen des Beklagten abzuziehen.
46
Bei der hier vorzunehmenden Anteilsberechnung nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB besteht allerdings die Besonderheit, dass ein bestimmter Kindesunterhalt der Klägerin, der vorweg abgezogen werden könnte, noch nicht feststeht. Er soll durch die Anteilsberechnung erst ermittelt werden. Weder der Abzug des vollen, noch des hälftigen oder eines anderen Anteils des Bedarfs könnte für sich in Anspruch nehmen, exakt das widerzuspiegeln, was die Ehefrau sich bei ausreichender finanzieller Leistungsfähigkeit des Beklagten als ihren Unterhaltsanspruch einschränkend vorgehen lassen müsste. Andererseits wäre es auch nicht angemessen, für die Ehefrau von vornherein nur einen Mindestbedarf anzusetzen, denn ihr Anspruch kann auch darüber hinausgehen und würde dann zugunsten des anderen Elternteils geschmälert.
47
c) Bei dieser Sachlage erscheint es gerechtfertigt, zur Bestimmung des Anspruchs auf Familienunterhalt den durch Vergleich titulierten und vom Beklagten auch gezahlten Unterhalt von monatlich 211,67 € heranzuziehen, zumal diese Mittel für den Lebensunterhalt des Beklagten und seiner Ehefrau tatsächlich nicht zur Verfügung standen, ihre Verhältnisse also durch einen entsprechenden Mittelabfluss geprägt waren. Hinsichtlich anderer, tatrichterlich ebenfalls in Betracht kommender Berechnungsmöglichkeiten ist danach zu unterscheiden , ob sich der Bedarf des volljährigen Kindes abhängig oder unabhängig vom Einkommen der Eltern bemisst. Wird für ein volljähriges Kind der dem Einkommen entsprechende Tabellenunterhalt geschuldet, so ist dieser zunächst allein nach dem Einkommen desjenigen Elternteils zu bemessen, der zugleich Familienunterhalt aufzubringen hat. Der sich ergebende Tabellenbetrag ist - nach Abzug des vollen Kindergeldes - vom Einkommen dieses Elternteils abzuziehen und sodann der Anspruch des Ehegatten auf Familienunterhalt zu ermitteln. Ist dagegen von einem festen Bedarf auszugehen, kommt - jeweils wiederum nach Abzug des Kindergeldes - eine Berechnung mit dem hälftigen Anteil oder einem anderen Näherungswert in Betracht, der bei unterschiedlichen Einkommensverhältnissen der Eltern realistisch erscheint.
48
Das gewonnene Ergebnis ist darauf zu überprüfen, ob sich ein Missverhältnis hinsichtlich des wechselseitigen Bedarfs ergibt. Das ist dann anzunehmen , wenn der der jeweiligen Lebenssituation entsprechende angemessene Eigenbedarf der Ehefrau - unter Berücksichtigung der durch das Zusammenleben der Ehegatten eintretenden häuslichen Ersparnis (vgl. unter B III 7) - durch die verbleibenden Mittel nicht gewährleistet werden kann (Senatsurteil vom 19. Februar 2003 - XII ZR 67/00 - FamRZ 2003, 860, 865; so auch Wendl/ Scholz aaO § 3 Rdn. 79). In diesem Fall haben dem unterhaltspflichtigen Elternteil vorweg diejenigen Mittel zu verbleiben, die er zur Deckung des angemessenen Bedarfs seines Ehegatten benötigt. Deshalb ist insoweit - vor der Anteilsberechnung nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB - der Fehlbetrag (d.h. der um die häusliche Ersparnis reduzierte angemessene Eigenbedarf abzüglich eines eventuellen eigenen Einkommens des Ehegatten) von dem Einkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils in Abzug zu bringen.
49
d) Dem entspricht die Berechnung des Berufungsgerichts nicht, da es unabhängig von den vorstehenden Erwägungen den Anspruch der Ehefrau auf Familienunterhalt vorweg vom Einkommen des Beklagten abgezogen hat und damit nicht berücksichtigt hat, dass die Lebensverhältnisse des Beklagten und seiner Ehefrau durch die Unterhaltspflicht für die Klägerin mitbestimmt worden sind.
50
6. Soweit die Revision rügt, das Berufungsgericht habe bei der Bemessung des Unterhalts der Ehefrau des Beklagten nicht berücksichtigt, dass diese grundsätzlich verpflichtet sei, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, bleibt der Einwand allerdings ohne Erfolg.
51
Gemäß § 1360 BGB sind beide Ehegatten verpflichtet, die Familie durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen angemessen zu unterhalten. Dabei steht es den Ehegatten frei, ihre Ehe so zu führen, dass ein Partner allein einer Berufstätigkeit nachgeht und der andere sich der Familienarbeit widmet, ebenso wie sie sich dafür entscheiden können, beide einen Beruf ganz oder teilweise auszuüben und sich die Hausarbeit und Kinderbetreuung zu teilen oder diese durch Dritte ausführen zu lassen (Senatsurteil vom 15. Oktober 2003 - XII ZR 122/00 - FamRZ 2004, 366, 369). Da die Ehegatten ihre persönliche und wirtschaftliche Lebensführung frei bestimmen können, steht es ihnen grundsätzlich auch frei, Vereinbarungen über die innerfamiliäre Arbeitsteilung zu treffen, die die Kinderbetreuung und Haushaltsführung durch einen Ehegatten selbst dann vorsehen, wenn es sich nicht um gemeinsame Kinder handelt. Die Mitwirkung an einer solchen Gestaltung kann einem Ehegatten allenfalls im Verhältnis zu seinen unterhaltsberechtigten minderjährigen Kindern aus einer früheren Ehe nach Treu und Glauben unter Umständen verwehrt sein (Senatsurteil vom 25. April 2007, FamRZ 2007, 1081, 1082 f.).
52
Im Verhältnis zu der volljährigen Klägerin muss es indes bei der uneingeschränkten Dispositionsfreiheit im Rahmen der Ausgestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse bleiben. Die Ehefrau ist nicht verpflichtet, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, damit der Beklagte ihr weniger Unterhalt zu leisten hat, um an die Klägerin weitergehende Unterhaltszahlungen erbringen zu können.
53
7. Das Berufungsgericht hat allerdings nicht konsequent beachtet, dass eine Herabsetzung unter dem Gesichtspunkt der Haushaltsersparnis nicht nur hinsichtlich des Selbstbehalts des Beklagten in Betracht kommt, sondern ebenfalls bezüglich des Bedarfs seiner Ehefrau. Es hat zwar ausgeführt, die Haushaltsersparnis setze der Senat grundsätzlich mit 25 % an, wobei eine gleichmäßige Aufteilung auf die beiden den gemeinsamen Haushalt führenden Part- ner gerechtfertigt sei, so dass auf jeden von ihnen 12,5 % entfielen. Umgesetzt hat es diese Erwägung jedoch nur zum Teil, nämlich in Form einer Reduzierung des Selbstbehalts des Beklagten um 12,5 %. Die weitere tatrichterlich für angemessen erachtete Ersparnis wirkt sich zu Lasten des Bedarfs der Ehefrau des Beklagten aus, der entsprechend zu kürzen ist (vgl. Senatsurteil vom 9. Januar 2008 - XII ZR 170/05 - FamRZ 2008, 594 Tz. 34; Wendl/Scholz aaO § 3 Rdn. 73, 77; OLG Hamm FamRZ 2005, 53).

IV.

54
1. Gegen die Feststellung der Einkommensverhältnisse der Mutter wendet die Revision allein ein, das Berufungsgericht habe den Bedarf ihrer minderjährigen Kinder fehlerhaft berechnet. Da die Kinder Halbwaisen seien und die Mutter deshalb sowohl den Bar- als auch den Betreuungsunterhalt erbringe, richte sich der Unterhaltsanspruch in Höhe des vollen Bedarfs gegen den überlebenden Elternteil. Der volle Bedarf der Halbwaisen sei aber entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nach dem doppelten Tabellensatz zu berechnen.
55
Auch damit hat die Revision im Ergebnis Erfolg. Die Mutter schuldet ihren Kindern A. und S. (letzterer bis einschließlich August 2005) Bar- und Betreuungsunterhalt. Da der Vater der Kinder verstorben ist, hat der überlebende Elternteil für den vollen Bedarf der Kinder, d.h. für den Bar- und den Betreuungsunterhalt , aufzukommen. Anders als in den Fällen, in denen der überlebende Elternteil das Kind nicht selbst betreut (vgl. hierzu Senatsurteil vom 30. August 2006 - XII ZR 138/04 - FamRZ 2006, 1597, 1598), bedarf es zur Berücksichtigung der Halbwaisenrente bei der vorliegenden Fallgestaltung keiner Bewertung der Betreuungsleistung. Der Unterhaltsanspruch richtet sich in Höhe des vollen Bedarfs gegen den überlebenden Elternteil, so dass diesem auch die Minderung der Unterhaltsbedürftigkeit durch die Waisenrente in voller Höhe zugute kommt (Senatsurteil vom 17. September 1980 - IVb ZR 552/80 - FamRZ 1980, 1109, 1111). Da Betreuung und Barunterhalt in der Regel als gleichwertig anzusehen sind (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB), mindert die Rente jeden Unterhaltsteil zu ½. Sie ist deshalb für die Zeit der Minderjährigkeit der Kinder nicht in voller Höhe, sondern lediglich zur Hälfte auf den Barunterhalt und mit der anderen Hälfte auf den Betreuungsunterhalt anzurechnen. Der Unterhalt für A. und S. ist deshalb insoweit mit einem höheren Betrag als vom Berufungsgericht angesetzt vom Einkommen der Mutter abzuziehen (Tabellenunterhalt ./. 51 €). Im Übrigen gibt die Feststellung ihres Einkommens nicht zu rechtlichen Bedenken Anlass.
56
2. Bezüglich der Tochter S., die im März 2004 volljährig geworden ist, hat das Berufungsgericht weiterhin den Tabellenunterhalt in Abzug gebracht. Auch das steht mit der Rechtsprechung des Senats nicht in Einklang.
57
Vom Eintritt der Volljährigkeit an ist das Kindergeld auf den Bedarf eines Kindes in voller Höhe anzurechnen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob das Kind bis zum 21. Lebensjahr noch eine allgemeine Schulausbildung absolviert und deswegen nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB privilegiert ist (Senatsurteil vom 17. Januar 2007 - XII ZR 166/04 - FamRZ 2007, 542, 543).
58
Das Kindergeld für S. hätte deshalb ab Eintritt der Volljährigkeit - ebenso wie sodann die Halbwaisenrente - in vollem Umfang vom Tabellenunterhalt abgezogen werden müssen und nur der Zahlbetrag des Unterhalts berücksichtigt werden dürfen.

V.

59
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Der Senat ist nicht in der Lage, in der Sache abschließend zu entscheiden, da es hierzu weiterer Feststellungen zum Einkommen des Beklagten bedarf. Die Sache ist deshalb an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.

VI.

60
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
61
1. Die Klägerin hat vorgetragen, inzwischen Mutter eines nichtehelichen Kindes geworden zu sein. Die mögliche Unterhaltspflicht nach § 1615 l BGB geht derjenigen gegen den Beklagten vor (§ 1615 l Abs. 3 Satz 2 BGB).
62
2. Das Berufungsgericht wird abschließend eine Angemessenheitsprüfung vorzunehmen haben (Senatsurteil vom 19. Juli 2000 - XII ZR 161/98 - FamRZ 2000, 1492 und vom 13. Oktober 1999 - XII ZR 16/98 - FamRZ 2000, 358; Wendl/Klinkhammer aaO § 2 Rdn. 450). Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass die Mutter auch gegenüber der Tochter S. unterhaltspflichtig ist, die mit der Klägerin seit Beendigung der allgemeinen Schulausbildung im Rang gleich stand und die nach dem in Bezug genommenen Parteivorbringen eine mit nicht unerheblichen Kosten verbundene Ausbildung absolviert.
Hahne Weber-Monecke Wagenitz Dose Klinkhammer

Vorinstanzen:
AG Fürstenwalde, Entscheidung vom 12.01.2005 - 9 F 44/03 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 03.11.2005 - 10 UF 17/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 211/02 Verkündet am:
11. Mai 2005
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB wird geschuldet, wenn die
Anspruchsvoraussetzungen zur Zeit der Scheidung vorgelegen haben. Dass
der Unterhaltsanspruch erst zu einem späteren Zeitpunkt geltend gemacht
wird, ist ohne Bedeutung.

b) Für die Ermittlung des unterhaltsrelevanten Einkommens des - wiederverheirateten
- Unterhaltspflichtigen ist bei der Bemessung des Ehegattenunterhalts
ein gegebenenfalls vorhandener Splittingvorteil außer Betracht zu lassen
und eine fiktive Steuerberechnung anhand der Grundtabelle vorzunehmen.
Kindern aus einer früheren Ehe des Unterhaltspflichtigen kommt demgegenüber
der mit der Wiederheirat verbundene Steuervorteil zugute.

c) Die von einem Unterhaltspflichtigen erbrachten Leistungen für ein Stiefkind
haben bei der Bemessung des Unterhalts des geschiedenen Ehegatten und
der aus einer früheren Ehe hervorgegangenen Kinder außer Betracht zu
bleiben.

d) Zur Berücksichtigung des Wohnwertes eines zunächst im Miteigentum der
Ehegatten stehenden Hauses, das der Unterhaltspflichtige im Rahmen der
Teilungsversteigerung erworben hat.

e) Sowohl dem unterhaltsberechtigten als auch dem unterhaltspflichtigen Ehegatten
ist grundsätzlich zuzubilligen, einen Betrag von bis zu 4 % ihrer jeweiligen
Gesamtbruttoeinkommen des Vorjahres für eine - über die primäre Altersversorgung
hinaus betriebene - zusätzliche Altersvorsorge einzusetzen.
BGH, Urteil vom 11. Mai 2005 - XII ZR 211/02 - OLG Schleswig
AG Kiel
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Mai 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 5. Senats für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 17. Juli 2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben , als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin zu 1 (im folgenden: Klägerin) verlangt von dem Beklagten nachehelichen Unterhalt (Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt), der Kläger zu 2 (im folgenden: Kläger) macht Kindesunterhalt geltend. Die Klägerin und der Beklagte haben am 26. März 1970 die Ehe geschlossen , aus der der Sohn A. (geboren 1971) und der Kläger (geboren 1978), hervorgegangen sind. Durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - vom
21. Juli 1999 ist die Ehe geschieden worden; der Scheidungsausspruch ist seit dem 28. Dezember 1999 rechtskräftig. Die Klägerin ist kaufmännische Angestellte, der Beklagte ist Prokurist. Er ist Vater des am 7. April 1995 nichtehelich geborenen Kindes L., dessen - aus Kolumbien stammende - Mutter er am 20. April 2000 geheiratet hat. Diese hat ein weiteres Kind, den am 4. Januar 1985 in B. (Kolumbien) geborenen J., der bei ihr und dem Beklagten lebt. Die zweite Ehefrau geht keiner Erwerbstätigkeit nach. Die Klägerin und der Beklagte waren Eigentümer eines Hauses, in dem sich die eheliche Wohnung befand. Diese war der Klägerin gegen Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung von 800 DM durch das Scheidungsverbundurteil zugewiesen worden. Der Beklagte hat das Hausgrundstück am 4. März 2002 im Wege der Teilungsversteigerung erworben; die Kläger haben das Haus Ende März 2002 geräumt. Der Kläger hat nach Beendigung der Schulausbildung zunächst seinen Wehrdienst geleistet. Seit September 2000 studiert er an der Universität K. Die Klägerin hat laufenden Ehegattenunterhalt in Höhe von monatlich 2.555 DM ab März 2001 sowie einen Unterhaltsrückstand von 5.110 DM geltend gemacht. Der Kläger hat - ebenfalls ab März 2001 - laufenden Kindesunterhalt von monatlich 567 DM sowie einen Unterhaltsrückstand von 1.126 DM verlangt. Für den Fall, daß kein oder nur ein geringerer Ehegattenunterhalt zu zahlen ist, hat er hilfsweise beantragt, ihm laufenden Unterhalt von monatlich 834 DM sowie einen Unterhaltsrückstand von 1.660 DM zuzuerkennen. Das Amtsgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin monatlichen Unterhalt von 1.857 DM, davon 371 DM als Altersvorsorgeunterhalt, und
an den Kläger monatlichen Unterhalt von 567 DM, jeweils ab März 2001, zu zahlen. Gegen dieses Urteil haben die Kläger und der Beklagte Berufung eingelegt. Der Kläger hat sein Unterhaltsbegehren in vollem Umfang weiterverfolgt; die Klägerin hat nur noch in Höhe von 1.345 DM für Februar 2001 und in Höhe weiterer 120 DM monatlich (einschließlich Altersvorsorgeunterhalt) für die Zeit ab März 2001 Unterhalt verlangt. Der Beklagte hat Klageabweisung begehrt, soweit er verurteilt worden ist, monatlich höheren Ehegattenunterhalt als (insgesamt ) 1.000 DM ab März 2001 und höheren Kindesunterhalt als 480 DM ab Mai 2001 zu zahlen. Die Berufungen hatten jeweils Teilerfolge, diejenigen der Kläger allerdings nur in geringem Umfang. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt der Beklagte sein zweitinstanzliches Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung uneingeschränkt zugelassene - Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist, und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

I.

Das Oberlandesgericht hat der Klägerin Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB zuerkannt, da ein solcher Anspruch bereits zur Zeit der Scheidung bestanden habe. Zur Begründung der Ansprüche auf Ehegattenund Kindesunterhalt hat es im wesentlichen ausgeführt:
Die jetzige Ehefrau des Beklagten gehe der Klägerin im Rang nach, denn die erste Ehe des Beklagten sei von langer Dauer gewesen. Auch der Unterhaltsanspruch des Klägers sei vor demjenigen der Ehefrau zu berücksichtigen, weil deren eheliche Lebensverhältnisse durch diese Unterhaltsverpflichtung geprägt seien. Daß der Kläger als volljähriges Kind gemäß § 1609 Abs. 2 BGB gegenüber der Ehefrau nachrangig sei, habe demgegenüber nur für den - hier nicht vorliegenden - Fall mangelnder Leistungsfähigkeit des Beklagten Bedeutung. Der steuerliche Splittingvorteil, der dem Beklagten aufgrund der erneuten Heirat zugute komme, sei auch bei der Bemessung der Unterhaltsansprüche der Kläger zu berücksichtigen. Nur dann, wenn der Unterhaltspflichtige den Betrag der Steuerersparnis für den Unterhalt des neuen Ehegatten benötige, sei der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten nach § 1579 Nr. 7 BGB zu kürzen, soweit er an dem Splittingvorteil teilhaben würde. Der Beklagte lebe jedoch in guten Einkommensverhältnissen, so daß er mit dem verbleibenden Einkommen auch seine Ehefrau unterhalten könne. Die Kosten für den Unterhalt des Stiefsohnes J. hätten - im Gegensatz zu der Unterhaltspflicht des Beklagten gegenüber dem Kind L. - bei der Ermittlung der Unterhaltsansprüche der Kläger außer Betracht zu bleiben. Der Beklagte habe sich zwar am 9. März 1999 gegenüber der Ausländerbehörde verpflichtet, für den Lebensunterhalt des Stiefsohnes, der das Gymnasium besuche, aufzukommen. Dieser sei aber weder ein Kind des Beklagten noch von diesem adoptiert worden, so daß eine gesetzliche Unterhaltspflicht nicht bestehe. Die Verpflichtungserklärung könne auch einer Adoption nicht gleichgestellt werden. Die nur sittliche Pflicht des Beklagten , für den Unterhalt des Stiefsohnes aufzukommen, könne indessen keinen Gleichrang mit dem Unterhaltsanspruch der Klägerin bzw. keinen Vorrang gegenüber demjenigen des volljährigen Klägers begründen. Da die Verpflichtung seitens des Beklagten freiwillig nach der Trennung von der Klägerin eingegangen worden sei, scheide - anders als bei sonstigen laufenden Zahlungsver-
pflichtungen - ein Vorwegabzug vom Einkommen des Beklagten ebenfalls aus. Dies müsse jedenfalls dann gelten, wenn - wie hier - ausreichende Mittel vorhanden seien, um den Stiefsohn zu unterhalten. Allerdings dürfe mit Rücksicht auf dieses Ergebnis der steuerliche Vorteil, den der Beklagte aufgrund des Stiefsohnes habe, den Klägern nicht zugute kommen. Die Steuerbelastung sei deshalb fiktiv auf der Grundlage des Freibetrages für nur ein Kind zu ermitteln. Von dem Einkommen der Klägerin sei der Aufwand für die Direktversicherung von 3.408 DM jährlich in Abzug zu bringen, da diese als betriebliche Zusatzversorgung der Altersversorgung diene. Der Wohnwert des von der Klägerin genutzten Hauses sei mit monatlich 1.600 DM anzusetzen. Da sie an den Beklagten eine Nutzungsentschädigung von monatlich 800 DM zu zahlen habe, verbleibe ein Wohnvorteil von ebenfalls 800 DM. Zinseinkünfte seien der Klägerin in Höhe von 198,10 DM monatlich zuzurechnen. Ausgehend von den auf dieser Grundlage ermittelten Einkommensverhältnissen sei - soweit in zeitlicher Hinsicht beantragt - zunächst der Anspruch der Klägerin auf Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt im Wege der Differenzmethode zu errechnen. Danach sei der dem Kläger zustehende Unterhalt zu bestimmen. Da die Klägerin und der Beklagte hierfür anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen aufzukommen hätten, sei dem Einkommen der Klägerin der zu beanspruchende Elementarunterhalt hinzuzurechnen, während von dem Einkommen des Beklagten der Gesamtbetrag des Ehegattenunterhalts in Abzug zu bringen sei. Der geschuldete Kindesunterhalt ergebe sich sodann nach dem Verhältnis der beiderseitigen , um den angemessenen Selbstbehalt bereinigten Einkünfte der Eltern. Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten der rechtlichen Nachprüfung stand.

II.

Ehegattenunterhalt 1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, daß Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB geschuldet wird, wenn die Anspruchsvoraussetzungen zur Zeit der Scheidung vorgelegen haben. Die in § 1573 Abs. 3 und 4 BGB enthaltenen Regelungen wären nicht verständlich, wenn für den Anspruch nach § 1573 Abs. 2 BGB nicht die Zeit der Scheidung als Einsatzzeit gelten würde (vgl. Senatsurteil vom 1. Juni 1983 - IVb ZR 389/81 - FamRZ 1983, 886; Wendl/Pauling Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 4 Rdn. 126; Schwab/Borth Handbuch des Scheidungsrechts 5. Aufl. Kap. IV Rdn. 285; Kalthoener/Büttner/Niepmann Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 9. Aufl. Rdn. 439). Daß der Unterhaltsberechtigte den Anspruch erst zu einem späteren Zeitpunkt geltend macht, ist ohne Bedeutung. Nach den getroffenen Feststellungen hätte der Klägerin bereits zur Zeit der Scheidung ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt zugestanden. Dagegen ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. 2. Die - eingeschränkte - Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin stellt der Beklagte nicht in Abrede, da er - für die Zeit ab Mai 2001 - nur die über einen Gesamtunterhalt von monatlich 1.000 DM hinausgehende Verurteilung angreift. Das Maß des der Klägerin geschuldeten Unterhalts richtet sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 BGB), die wesentlich durch die Einkommensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten geprägt werden. Hinsichtlich des Einkommens des Beklagten hat das Berufungsgericht die Auffassung vertreten, daß - abgesehen von der gebotenen Außerachtlas-
sung des Kinderfreibetrages für den Stiefsohn - auf die reale steuerliche Belastung abzustellen sei mit der Folge, daß der Splittingvorteil, der dem Beklagten zugute komme, sich auch zugunsten der Kläger auswirke. Das steht mit der früheren Rechtsprechung des Senats in Einklang. Mit Beschluß vom 7. Oktober 2003 hat das Bundesverfassungsgericht allerdings entschieden, daß der Gesetzgeber den Vorteil, der aus dem Steuersplitting folgen könne, der bestehenden Ehe von gemeinsam steuerlich veranlagten und zusammenlebenden Ehegatten zugewiesen habe. Der Splittingtarif falle deshalb weg, wenn die Eheleute dauerhaft getrennt lebten oder sich scheiden ließen. Um eine gleichzeitig mit dem Wegfall des Splittingvorteils durch einen Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten eintretende Belastung des Unterhaltspflichtigen steuerlich aufzufangen, habe der Gesetzgeber geschiedenen Ehegatten die Möglichkeit des Realsplittings eingeräumt, die so lange eröffnet sei, wie die Unterhaltsverpflichtung bestehe. Gehe der Unterhaltspflichtige aber eine neue Ehe ein, sei dies bei Zusammenveranlagung der Ehegatten anspruchsbegründender Tatbestand für den Eintritt eines möglichen Splittingvorteils. Dabei handele es sich nicht um ein Wiederaufleben des steuerlichen Splittingvorteils, in dessen Genuß die geschiedenen Ehegatten bei Bestehen ihrer Ehe gekommen seien oder hätten kommen können. Vielmehr entstehe mit der neuen Ehe eine neue Einkommenskonstellation zwischen den nunmehr miteinander verbundenen Ehegatten, die maßgeblich dafür sei, ob und inwieweit ihre Ehe durch das Splittingverfahren steuerliche Vorteile erfahre. Der neuen Ehe und nicht der geschiedenen Ehe des wiederverheirateten Unterhaltspflichtigen solle also eine steuerliche Entlastung zuteil werden. Eine andere Interpretation von § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB würde der neuen Ehe den Schutz nach Art. 6 Abs. 1 GG entziehen, der auch ihr in Ausformung des grundgesetzlichen Auftrags durch den Gesetzgeber zukomme, und sei deshalb mit dem Grundgesetz nicht vereinbar (BVerfGE 108, 351, 363 ff.).
Mit Rücksicht auf diese Entscheidung kann die bisherige Rechtsprechung des Senats zur Behandlung des Splittingvorteils bei der Bemessung des Ehegattenunterhalts nicht aufrechterhalten werden. Da eine hierauf beruhende steuerliche Entlastung von Verfassungs wegen der neuen Ehe zugewiesen ist, hat der betreffende Gesichtspunkt als ein die Lebensverhältnisse der geschiedenen Ehe prägender Umstand außer Betracht zu bleiben. Für die Ermittlung des unterhaltsrelevanten Einkommens des Unterhaltspflichtigen ist deshalb ein gegebenenfalls vorhandener Splittingvorteil zu eliminieren und eine fiktive Steuerberechnung anhand der Grundtabelle vorzunehmen, soweit es um die Inanspruchnahme auf Zahlung von Ehegattenunterhalt geht. Demgegenüber kommt Kindern aus einer früheren Ehe des Unterhaltspflichtigen der mit der Wiederheirat verbundene Steuervorteil zugute, da es im Verwandtenunterhalt grundsätzlich auf das tatsächlich vorhandene Einkommen, mithin auch auf die reale Steuerbelastung ankommt. Für die Berechnung des der Klägerin zustehenden Unterhalts kann danach - im Gegensatz zum Kindesunterhalt, vgl. dazu III. 2. - nicht von dem vom Berufungsgericht festgestellten Einkommen des Beklagten ausgegangen werden , denn von dessen Bruttoerwerbseinkommen ist Lohnsteuer nach Steuerklasse III abgeführt worden. Erforderlich ist deshalb die Feststellung, welche steuerliche Belastung sich für den Beklagten in seiner konkreten steuerrechtlichen Situation bei Anwendung der Grundtabelle - gegebenenfalls aber unter Berücksichtigung eines Steuervorteils aus dem begrenzten Realsplitting bezüglich des in Höhe von monatlich 1.000 DM freiwillig gezahlten Ehegattenunterhalts - ergeben würde. 3. Als von dem Einkommen des Beklagten vorweg zu berücksichtigende Unterhaltspflicht hat das Berufungsgericht den für die Tochter L. aufzubringenden eheprägenden Unterhalt angesehen. Das steht mit der Rechtsprechung
des Senats in Einklang (vgl. Senatsurteile vom 20. Oktober 1993 - XII ZR 89/92 - FamRZ 1994, 87, 88 f. und vom 25. November 1998 - XII ZR 98/97 - FamRZ 1999, 367, 368). Das Berufungsgericht ist weiter davon ausgegangen, die für den Stiefsohn eingegangene Zahlungsverpflichtung des Beklagten müsse unterhaltsrechtlich außer Betracht bleiben. Demgegenüber macht die Revision geltend, insoweit bestehe nicht nur eine sittliche Pflicht, sondern eine Rechtspflicht, die der Beklagte habe übernehmen müssen, um eine Familienzusammenführung zu ermöglichen. Dessen neue Familie, der auch der Stiefsohn angehöre, stehe unter dem Schutz von Art. 6 Abs. 1 GG, weshalb die mit der Familienzusammenführung verbundenen Kosten unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen seien. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
a) Es ist zwar zutreffend, daß unter der Familie im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG jedenfalls die aus Eltern und Kindern bestehende Gemeinschaft zu verstehen ist, zu den Kindern aber auch Stief-, Adoptiv- und Pflegekinder sowie (im Verhältnis zur Mutter) nichteheliche Kinder gehören (BVerfGE 18, 97, 105 f.; 68, 176, 187; Badura in Maunz/Dürig GG Art. 6 Rdn. 60). Richtig ist auch, daß der besondere Schutz der staatlichen Ordnung, den die Familie mit ausländischen Angehörigen beanspruchen kann, hauptsächlich in den Regelungen des Ausländerrechts über das familiäre Zusammenleben (Aufenthaltsrecht, Familiennachzug , Schutz gegen aufenthaltsbeendende Maßnahmen) zur Geltung kommt (Badura aaO Art. 6 Rdn. 63). Der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG gilt jedoch unterschiedslos jeder Ehe. Nicht nur die bestehende Ehe, sondern auch die Folgewirkungen einer geschiedenen Ehe werden durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützt (vgl. BVerfGE 53, 257, 296; 108, 351, 364). Damit erstreckt sich der Schutz auch auf die nach der Scheidung bestehenden Unterhaltsansprüche, die
als Folgewirkung der personalen Verantwortung der Ehegatten füreinander anzusehen sind. Deshalb ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber beim Aufeinandertreffen von Unterhaltsansprüchen aus der geschiedenen und aus der neuen Ehe des Unterhaltspflichtigen dem geschiedenen Unterhaltsberechtigten durch § 1582 BGB einen Vorrang eingeräumt hat (vgl. auch Senatsurteil vom 13. April 2005 - XII ZR 273/02 - FamRZ 2005, 1154, 1155 f.). Er hat damit dem Umstand Rechnung getragen, daß der Anspruch des geschiedenen Ehegatten schon bestanden hat, bevor die neue Ehe eingegangen worden ist, beide Ehegatten von dieser wirtschaftlichen Last aus der ersten Ehe gewußt haben und sich insoweit darauf haben einrichten können (BVerfGE 66, 84, 98). Das sind nach wie vor hinreichende Gründe, die die unterschiedliche unterhaltsrechtliche Behandlung von geschiedenen und verheirateten Unterhaltsberechtigten rechtfertigen (BVerfGE 108 aaO 365). Der neuen Ehe werden demgegenüber die steuerlichen Vorteile eingeräumt, deren Entstehen vom Eheschluß ausgelöst wird und die das Zusammenleben der Ehegatten voraussetzen. Differenziert der Gesetzgeber in Erfüllung und Ausgestaltung seiner Verpflichtung aus Art. 6 Abs. 1 GG zwischen geschiedenen und bestehenden Ehen und gewährt er ihnen unterschiedliche Vorteile, mit denen er ihrer jeweiligen Bedarfslage gerecht werden will, haben die Gerichte dies bei ihren Entscheidungen zu beachten. Das folgt aus dem Gebot des Art. 6 Abs. 1 GG, jeder Ehe den Schutz zukommen zu lassen, der in der jeweiligen gesetzlichen Ausformung seine Konkretisierung findet (BVerfGE 108 aaO 365). In das dem Ausgleich der jeweiligen Interessen dienende Gefüge würde aber eingegriffen, wenn die für ein Mitglied der neuen Familie aufzubringenden Lebenshaltungskosten bei der Bemessung der Unterhaltsansprüche der Mitglieder der Erstfamilie berücksichtigt würden. Das wird im vorliegenden Fall
auch aus folgender Erwägung deutlich: Die zweite Ehefrau des Unterhaltspflichtigen geht der geschiedenen Ehefrau im Rang nach, obwohl ihr ebenfalls ein Unterhaltsanspruch, nämlich ein solcher auf Familienunterhalt, zusteht. Dann muß das Kind der neuen Ehefrau, für das keine gesetzliche Unterhaltspflicht des Ehemannes besteht, bei der Bemessung des der geschiedenen Ehefrau zustehenden Unterhalts erst recht außer Betracht bleiben. Das gilt entsprechend gegenüber dem Unterhaltsanspruch des erstehelichen Kindes. Dessen Unterhaltsanspruch kann nicht dadurch geschmälert werden, dass der Ehemann für den Sohn seiner zweiten Ehefrau aufkommen muss. Das ergibt sich bereits aus folgender Überlegung: Ist das ersteheliche Kind minderjährig, so steht es seiner Mutter, der geschiedenen Ehefrau, im Rang gleich, geht also ebenso wie diese der neuen Ehefrau vor. Ist das Kind volljährig, so geht es der neuen Ehefrau zwar im Rang nach. Durch den diesem Kind geschuldeten Unterhalt wurden aber die ehelichen Lebensverhältnisse der jetzt bestehenden Ehe geprägt, so daß auch der Unterhalt des volljährigen Kindes bei der Bedarfsbemessung vorweg zu berücksichtigen ist. Ein Stiefkind kann aber auch insoweit nicht besser stehen als seine Mutter. Das muß erst recht gelten, wenn die finanziellen Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen es diesem - wie im vorliegenden Fall - erlauben, auch für den Lebensunterhalt der neuen Familie aufzukommen.
b) Das Berufungsgericht hat weiter zu Recht angenommen, daß die gegenüber der Ausländerbehörde begründete Zahlungsverpflichtung nicht als sonstige Verbindlichkeit zu berücksichtigen ist. Ob vom Unterhaltspflichtigen eingegangene Schulden unterhaltsrechtlich zu beachten sind, ist unter umfassender Interessenabwägung zu beurteilen, wobei es insbesondere auf den Zweck der Verbindlichkeiten, den Zeitpunkt und die Art ihrer Entstehung, die Kenntnis des Unterhaltspflichtigen von Grund und Höhe der Unterhaltsschuld
und andere Umstände ankommt (Senatsurteil vom 18. März 1992 - XII ZR 1/91 - FamRZ 1992, 797, 798). Danach ist hier von Bedeutung, daß es sich nicht um eine - in Bezug auf die erste Ehe des Unterhaltspflichtigen - ehebedingte Verbindlichkeit handelt. Vielmehr hat er die Verpflichtungserklärung in Kenntnis seiner Unterhaltspflicht für die Klägerin im Interesse der Beziehung zu seiner späteren Ehefrau abgegeben. Ein Vorwegabzug kommt auf der Stufe der Bedarfsbemessung aber nur in Betracht, wenn und soweit es sich um ehebedingte Verbindlichkeiten handelt, weil die entsprechenden Einkommensteile auch bei weiterem Zusammenleben der Ehegatten nicht zur Deckung des laufenden Bedarfs zur Verfügung gestanden hätten (vgl. Senatsurteil vom 16. April 1997 - XII ZR 233/95 - FamRZ 1997, 806, 807). Für die Bemessung des Unterhaltsbedarfs der Klägerin hat die Verpflichtungserklärung deshalb unberücksichtigt zu bleiben.
c) Mit Rücksicht darauf ist es rechtlich nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht andererseits auch den steuerlichen Vorteil, der dem Beklagten durch den Kinderfreibetrag für den Stiefsohn zukommt, außer Betracht gelassen hat. Eine fiktive Steuerlast ist dann in Ansatz zu bringen, wenn steuermindernde tatsächliche Aufwendungen vorliegen, die unterhaltsrechtlich nicht anzuerkennen sind (Senatsurteil vom 1. Dezember 2004 - XII ZR 75/02 - FamRZ 2005, 1159, 1161). Das ist hier der Fall. 4. Das Berufungsgericht hat den Wohnwert des zunächst im Miteigentum der Parteien stehenden Hauses allein dadurch berücksichtigt, daß es dem Einkommen der Klägerin bis einschließlich Februar 2002 einen Betrag von 800 DM als Wohnvorteil (Wohnwert: 1.600 DM ./. Nutzungsentschädigung: 800 DM) hinzugerechnet hat. Für März 2002 hat es hiervon abgesehen, obwohl die Klägerin das Haus noch bewohnt hat, weil sie für diesen Monat sowohl Nutzungsent-
schädigung als auch Mietzins gezahlt habe. Auf seiten des Beklagten hat das Berufungsgericht einen Wohnwert bzw. ein an dessen Stelle getretenes Surrogat nicht angesetzt. Für die Zeit, nachdem dieser das Haus im Rahmen der Teilungsversteigerung erworben hatte, hat es dazu ausgeführt: Ein Wohnvorteil sei dem Einkommen des Beklagten nicht hinzuzurechnen, da die Zinslasten zur Zeit noch den Wohnwert überstiegen bzw. nahezu erreichten. Der Beklagte habe nachgewiesen, daß er ein Darlehen über 120.000 € habe aufnehmen müssen , für das für die Zeit von Juni bis Dezember 2002 4.055,14 € an Zinsen aufzubringen seien. Hinzu kämen die Zinsen für das Darlehen in Höhe von 92.000 €, das nach Ablösung mit dem dem Beklagten zugeflossenen Verteilungserlös noch in Höhe von 18.000 € bestanden habe. Diese Beurteilung hält nicht in allen Punkten der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Die ehelichen Lebensverhältnisse der Klägerin und des Beklagten waren dadurch geprägt, daß sie gemeinsam Eigentümer eines Hauses waren, in dem sie mietfrei wohnten. Der eheangemessene Bedarf erhöhte sich deshalb durch die gezogenen Nutzungsvorteile (st. Rechtspr. des Senats, vgl. etwa Senatsurteil vom 22. Oktober 1997 - XII ZR 12/96 - FamRZ 1998, 87, 88). Diese Nutzungsvorteile entfallen, wenn das gemeinsam genutzte Haus im Zusammenhang mit der Scheidung veräußert wird. An ihre Stelle treten allerdings die Vorteile, die die Ehegatten in Form von Zinseinkünften aus dem Erlös ihrer Miteigentumsanteile ziehen oder ziehen könnten (Senatsurteile vom 3. Mai 2001 - XII ZR 62/99 - FamRZ 2001, 1140, 1143 und vom 31. Oktober 2001 - XII ZR 292/99 - FamRZ 2002, 88, 92). Das gilt auch dann, wenn das Haus nicht an einen Dritten veräußert wird, sondern wenn ein Ehegatte seinen Miteigentumsanteil auf den anderen überträgt bzw. wenn einer von ihnen das Haus im Rahmen der
Teilungsversteigerung erwirbt. In diesem Fall tritt für den seinen Anteil verlierenden Ehegatten der Erlös als Surrogat an die Stelle der Nutzungsvorteile seines Miteigentumsanteils, bei dem anderen Ehegatten ist dagegen der volle Wohnwert anzusetzen (Senatsurteil vom 1. Dezember 2004 aaO). Wird das Haus nicht veräußert, sondern von einem Ehegatten weiter genutzt, so verbleibt ihm der Wohnvorteil, allerdings vermindert um eventuelle Belastungen. Eine von ihm an den anderen Ehegatten gezahlte Nutzungsentschädigung tritt auf dessen Seite als Surrogat an die Stelle des früheren Nutzungsvorteils.
b) Deshalb hätte die von der Klägerin entrichtete Nutzungsentschädigung bei dem Beklagten nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Vielmehr erhöhte sie sein Einkommen, soweit davon nicht Hauslasten, insbesondere Zins- und Tilgungsleistungen auf bestehende Kreditverbindlichkeiten, zu begleichen waren. In welchem Umfang dies der Fall war und ob und gegebenenfalls inwieweit sich die Klägerin an den Hauslasten beteiligt hat, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Für die Zeit nach dem Erwerb des Hauses durch den Beklagten ist bei diesem der volle Wohnwert anzusetzen und durch Abzug der Hauslasten der Wohnvorteil zu ermitteln. Dabei ist zu berücksichtigen, daß Zahlungen, die für den Erwerb des Miteigentumsanteils des Ehegatten bzw. zu diesem Zweck im Rahmen einer Teilungsversteigerung aufzubringen sind, den Wohnvorteil nur hinsichtlich des Zinsaufwands mindern. Um Tilgungsleistungen, die der Rückführung eines entsprechenden Darlehens dienen, ist der Wohnvorteil dagegen grundsätzlich nicht zu kürzen (Senatsurteile vom 5. April 2000 - XII ZR 96/98 - FamRZ 2000, 950, 951 f. und vom 1. Dezember 2004 aaO). Allerdings können Tilgungsleistungen, die dem Erwerb einer Immobilie dienen, als Form der zusätzlichen Altersversorgung zu berücksichtigen sein (vgl. unter II. 5.).
Ob das Berufungsgericht danach im Ergebnis zu Recht davon abgesehen hat, dem Einkommen des Beklagten einen Wohnvorteil zuzurechnen, läßt sich aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht beurteilen. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, daß Zinsen von durchschnittlich 580 € monatlich sowie aus einem weiteren Darlehen von letztlich 18.000 € den Wohnwert von 818 € (= 1.600 DM) nahezu erreichen. 5. Das Einkommen der Klägerin hat - jedenfalls als Surrogat des wirtschaftlichen Wertes ihrer früheren Familienarbeit - ebenfalls die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt (vgl. Senatsurteil BGHZ 148, 105, 120 f.). Von dem deshalb schon für die Bedarfsbemessung zu berücksichtigenden Einkommen der Klägerin hat das Berufungsgericht die Aufwendungen für die Direktversicherung abgezogen, die der Arbeitgeber der Klägerin zu deren Gunsten abgeschlossen hat. Nach den getroffenen Feststellungen handelt es sich um eine betriebliche Altersversorgung. Wegen des Jahresbeitrags von 3.408 DM findet eine Gehaltsumwandlung statt, der Betrag wird vom Gehalt der Klägerin abgezogen und vom Arbeitgeber an die Versicherung abgeführt. Die Revision wendet sich gegen den vom Berufungsgericht vorgenommenen Abzug und macht geltend: Ausgehend von dem Grundsatz, daß eine angemessene Vorsorge für das Alter getroffen werde, wenn einerseits Rentenanwartschaften aufgrund Erwerbstätigkeit aufgebaut würden, andererseits der Versorgungsausgleich durchgeführt worden sei, stellten Lebensversicherungen zwecks Kapitalbildung keine unterhaltsrechtlich zu berücksichtigenden Vorsorgeaufwendungen dar. Zumindest habe es weiterer Feststellungen dazu bedurft, ob die Klägerin eine Direktversicherung benötige, um eine angemessene Altersversorgung aufzubauen. Die Erklärung der Klägerin, bei der Direktversicherung handele es sich um eine Altersversorgung im Sinne einer Rentenversicherung ohne Kapitalwahlrecht, sei - wie sich aus dem Versicherungsantrag erge-
be - offensichtlich unrichtig. Danach bestehe vielmehr eine Versicherung auf Rentenbasis mit Kapitalwahlrecht. Darüber hinaus habe sich das Berufungsgericht nicht mit der Frage befaßt, ob die Klägerin neben der Direktversicherung noch auf eine weitere Altersversorgung angewiesen sei, zu deren Finanzierung sie Altersvorsorgeunterhalt benötige. Damit hat die Revision nur teilweise Erfolg.
a) Der Prämisse, durch die aus dem Erwerbseinkommen abzuführenden Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie die Durchführung des Versorgungsausgleichs werde eine angemessene Altersversorgung erreicht, kann im Hinblick auf die Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr zugestimmt werden. Vielmehr hat sich zunehmend die Erkenntnis durchgesetzt , daß der Lebensstandard im Alter nur dann zu sichern ist, wenn neben der primären Vorsorge - u.a. durch die gesetzliche Rentenversicherung - private Leistungen für eine zusätzliche Altersversorgung erbracht werden (vgl. Art. 6 des Altersvermögensgesetzes vom 26. Juni 2001, BGBl I 1330, 1335). Die zusätzliche , auf Freiwilligkeit und Eigeninitiative beruhende Altersversorgung wird vom Staat mit Zulagen und Steuererleichterungen, u.a. durch die im Einkommensteuerrecht geregelte sog. "Riester-Rente", gefördert. Dabei kann der Berechtigte zwischen einer privaten oder betrieblichen Altersvorsorgeart wählen. Eine Art der betrieblichen Altersversorgung stellt die sog. Direktversicherung dar, bei der der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer mit einer Versicherungsgesellschaft eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers abschließt , aus der dieser und gegebenenfalls seine Hinterbliebenen bezugsberechtigt sind. Die Beitragszahlung erfolgt im Rahmen einer Gehaltsumwandlung. Leistungen an eine Direktversicherung sind pauschal mit 20 % zu versteuern (§ 40 b EStG); sozialversicherungsrechtlich gelten sie bis zum
31. Dezember 2008 nicht als Arbeitsentgelt (vgl. Strohal FamRZ 2002, 277, 280).
b) Mit Rücksicht auf diese Entwicklung hat der Senat bei der Inanspruchnahme auf Zahlung von Elternunterhalt Leistungen des Unterhaltspflichtigen für eine zusätzliche Altersversorgung als vom Einkommen abzugsfähig anerkannt, soweit sich diese in einem angemessenen Rahmen halten. Dabei ist er davon ausgegangen, daß in dem rechtlich schwächer ausgestalteten Unterhaltsrechtsverhältnis zwischen erwachsenen Kindern und ihren unterhaltsbedürftigen Eltern ein um etwa 25 % über der gesetzlichen Rentenversicherung liegender Betrag als angemessen angesehen, also etwa in Höhe weiterer 5 % des Bruttoeinkommens zusätzliche Altersvorsorge betrieben werden kann (Senatsurteil vom 14. Januar 2004 - XII ZR 149/01 - FamRZ 2004, 792, 793).
c) Die unterhaltsrechtliche Berücksichtigungsfähigkeit von Leistungen für eine zusätzliche Altersversorgung kann indessen nicht auf die Unterhaltspflicht gegenüber Eltern beschränkt werden. Die Notwendigkeit, für das Alter zusätzlich Vorsorge zu treffen, stellt sich letztlich für jeden. Im Verhältnis zwischen geschiedenen Ehegatten sieht das Gesetz vor, daß zum Lebensbedarf auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall des Alters gehören (§ 1578 Abs. 3 BGB). Da eine solche allein durch die gesetzliche Rentenversicherung nicht mehr gewährleistet werden kann, muß dem Unterhaltsberechtigten und gleichermaßen dem Unterhaltspflichtigen zugebilligt werden, in angemessenem Umfang zusätzlichen Vorsorgeaufwand zu betreiben, und beiden die Möglichkeit eröffnet sein, diesen Umstand in die Unterhaltsbemessung einfließen zu lassen (ebenso Kalthoener/Büttner/Niepmann aaO Rdn. 988 a, Wendl/Gerhardt aaO § 1 Rdn. 597 a; Bergschneider FamRZ 2003, 1609, 1615; Strohal aaO 281). Ob ein Ehegatte sich zum Zweck der ergänzenden Altersvorsorge für die "Riester-Rente" entscheidet oder ein nicht zertifiziertes Produkt
wählt, das ihm besser geeignet erscheint, obwohl es steuerlich nicht privilegiert wird, muß grundsätzlich seiner eigenen Überlegung vorbehalten bleiben.
d) Mit Rücksicht darauf bestehen dem Grunde nach keine rechtlichen Bedenken, Aufwendungen der zusätzlichen Altersversorgung unterhaltsrechtlich anzuerkennen und durch einen Abzug vom unterhaltsrelevanten Einkommen zu berücksichtigen. Im übrigen erbringt nicht nur die Klägerin - im Wege des Direktabzugs vom Lohn - durch die von ihrem Arbeitgeber abgeschlossene Direktversicherung Leistungen für eine zusätzliche Altersversorgung. Auch der Beklagte sorgt in zusätzlicher Weise für sein Alter, da er das frühere Familienheim erworben hat und erhebliche Wohnkosten sparen wird, wenn er die Kreditverpflichtungen (und zwar sowohl Zins- als auch Tilgungsanteile) zurückgeführt haben wird. Das kommt ihm auch im Alter zugute. Danach kann es dem Grunde nach jedenfalls nicht beanstandet werden, daß das Berufungsgericht die Aufwendungen für die Direktversicherung vom Einkommen der Klägerin in Abzug gebracht hat. Was die Höhe der Aufwendungen anbelangt, erscheint es nach Auffassung des Senats gerechtfertigt, in Anlehnung an den Höchstförderungssatz der sogenannten "Riester-Rente" einen Betrag von bis zu 4 % des Gesamtbruttoeinkommens des Vorjahres als angemessene zusätzliche Altersversorgung anzusehen. Darüber hinausgehende Leistungen müssen unterhaltsrechtlich außer Betracht bleiben. Im übrigen hängt die Berücksichtigungsfähigkeit davon ab, ob der als vorrangig anzusehende Elementarunterhalt und der der primären Altersversorgung dienende Altersvorsorgeunterhalt aufgebracht werden können. Außerdem obliegt die Bemessung des auf der vorgenannten Grundlage ermittelten Unterhalts einer abschließenden Angemessenheitsprüfung.

e) Nach diesen Grundsätzen scheidet im vorliegenden Fall allerdings ein voller Abzug der Aufwendungen für die Direktversicherung der Klägerin in Höhe von 3.408 DM aus. Denn nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Verdienstbescheinigungen überschreiten die Aufwendungen der Klägerin für ihre zusätzliche Altersversorgung 4 % ihres jährlichen Gesamtbruttoeinkommens. Ob eine (eingeschränkte) Berücksichtigung der Leistungen letztlich zu einem angemessenen Ergebnis führt, läßt sich im übrigen erst beurteilen, wenn das Einkommen des Beklagten unter Außerachtlassung des Splittingvorteils einerseits und unter Hinzurechnung eines eventuellen Wohnvorteils andererseits festgestellt worden ist. 6. Das Berufungsgericht hat dem Einkommen der Klägerin Zinseinkünfte von 198,10 DM für das Jahr 2000, von 216,26 DM für die Zeit ab Januar 2001 und von zusätzlichen 347,76 € ab Juni 2002 (für die Anlage ihres Anteils am Versteigerungserlös) hinzugerechnet. Die Berücksichtigung dieser Beträge rügt die Revision als verfahrensfehlerhaft. Sie macht geltend, in dem vorausgegangenen Rechtsstreit über den Trennungsunterhalt sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die Klägerin jedenfalls im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 23. Februar 1998 über mindestens 120.000 DM verfügt habe und daraus Zinseinkünfte von monatlich 400 DM habe erzielen können. Aus dem Zugewinnausgleich habe sie weitere 37.000 DM erhalten. Der Beklagte habe mit Rücksicht darauf geltend gemacht, die Klägerin müsse über ein Vermögen von mindestens 157.000 DM verfügen und sich hieraus Zinsen von monatlich jedenfalls 523,33 DM anrechnen lassen. Hinzuzurechnen seien noch die Zinsen aus dem Versteigerungserlös von 104.000 €. Die Klägerin habe diesen Sachvortrag nicht substantiiert bestritten. Zumindest habe sie eine sekundäre Darlegungslast dahingehend getroffen, sich über die Verwendung des Geldes zu erklären, weshalb der Vortrag des Beklagten als zugestanden anzusehen sei. In jedem Fall habe das Berufungsgericht aber den vom Beklagten
gestellten Beweisantrag, die Klägerin als Partei zu dem Vorhandensein von Vermögen zu vernehmen, übergangen und die Klägerin hierzu nur informatorisch befragt. Diese Rüge hat teilweise Erfolg. Entgegen der Auffassung der Revision hat die Klägerin allerdings die Behauptung, über ein Vermögen von 157.000 DM zu verfügen, hinreichend substantiiert bestritten. Sie hat angegeben, einen Betrag von 30.000 € (= 58.674 DM) angelegt und daraus im Jahr 2000 Zinsen von 2.377,18 DM erhalten zu haben; über weiteres Vermögen verfüge sie nicht. Eine sekundäre Darlegungslast bestand für die Klägerin nicht. Vielmehr trifft sie selbst die Darlegungslast für ihren Unterhaltsbedarf. Da der Umfang des Vermögens der Klägerin aber streitig war, hätte das Berufungsgericht über das substantiierte und deshalb erhebliche Vorbringen des Beklagten den angebotenen Beweis - Parteivernehmung der Klägerin - erheben müssen. Es durfte sich nicht damit begnügen, sie zu ihren Vermögensverhältnissen informatorisch anzuhören. 7. Danach kann das angefochtene Urteil, soweit zum Nachteil des Beklagten über den der Klägerin zustehenden Unterhalt entschieden worden ist, keinen Bestand haben.

III.

Kindesunterhalt 1. Die aus § 1601 BGB folgende Unterhaltspflicht des Beklagten für den Kläger steht dem Grunde nach nicht im Streit. Den Bedarf des Klägers hat das Berufungsgericht zunächst ausgehend von dem zusammengerechneten Ein-
kommen der Eltern bemessen und für die Zeit nach dem Bezug einer eigenen Wohnung mit dem in den Unterhaltstabellen vorgesehenen Bedarf eines Studenten angesetzt. Dagegen ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. Auch die Revision erhebt hiergegen keine Einwendungen. 2. Sie macht allerdings geltend, das Berufungsgericht habe die Leistungsfähigkeit des Beklagten unzutreffend beurteilt und sei deshalb von einem zu hohen Einkommen ausgegangen. Damit vermag sie nicht durchzudringen. Für die Bemessung des Kindesunterhalts ist - wie bereits ausgeführt wurde - nicht von einem um den Splittingvorteil bereinigten Einkommen des Beklagten, sondern von seinem tatsächlichen Einkommen auszugehen. Die Verpflichtung, für den Lebensunterhalt des Stiefsohnes aufzukommen, hat auch im Verhältnis zu dem Kläger außer Betracht zu bleiben. 3. Die weitere Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe seiner Berechnung ein unzutreffend ermitteltes Einkommen der Klägerin zugrunde gelegt , ist dagegen gerechtfertigt. Das gilt zum einen hinsichtlich des Abzugs für die Direktversicherung und zum anderen hinsichtlich des Zinseinkommens. Da die Eltern, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, für den Unterhalt des volljährigen Sohnes gemäß § 1606 Abs. 3 BGB anteilig aufzukommen haben, verschiebt sich die Haftungsquote, wenn sich das Einkommen der Eltern ändert. 4. Daß das Berufungsgericht den Ehegattenunterhalt vorweg errechnet und die anteilige Haftung der Eltern unter Einbeziehung des Ehegattenunterhalts bestimmt hat, nämlich nach Hinzurechnen des Elementarunterhalts auf seiten der Klägerin und nach Abzug des Gesamtunterhalts auf seiten des Beklagten , ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar umfaßt der Ehegattenunterhalt nur den eigenen Bedarf, nicht auch denjenigen eines Kindes. Dies schließt es
aber nicht aus, daß ein Elternteil, der Ehegattenunterhalt bezieht, seinem Kind unterhaltspflichtig ist. Denn der eheangemessene Bedarf, den ein Elternteil von seinem Ehegatten als Unterhalt erhält, kann höher sein als der Eigenbedarf, der ihm gegenüber seinem Kind nach § 1603 BGB verbleiben muß. Das gilt auch im Verhältnis zu einem volljährigen Kind (vgl. Wendl/Scholz, aaO § 2 Rdn. 148 f.). Im Hinblick darauf wird sich auch eine Änd erung des Ehegattenunterhalts , die sich infolge des außer Betracht zu lassenden Splittingvorteils ergibt , auf die Anteilshaftung auswirken. 5. Das angefochtene Urteil unterliegt deshalb auch hinsichtlich des Kindesunterhalts der Aufhebung.

IV.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin: 1. Die Revision hat ausgeführt und belegt, daß der Beklagte den Sohn seiner Ehefrau inzwischen adoptiert hat. Von der Wirksamkeit des Adoptionsbeschlusses an besteht deshalb eine gesetzliche Unterhaltspflicht des Beklagten für J., falls dieser noch unterhaltsbedürftig ist. Für den Rang des Unterhaltsanspruchs ist entscheidend, ob der Sohn sich noch in der allgemeinen Schulausbildung befindet und weiterhin im Haushalt der Eltern lebt (§ 1609 Abs. 2 BGB).
2. Der Unterhaltsbedarf des Klägers ist für die Zeit ab Juni 2002 - anders als für Mai 2002 - mit monatlich 622 € angesetzt worden. Der Kläger war aber ersichtlich weiterhin Student mit eigener Wohnung.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose

(1) Zu folgenden vollstationären Leistungen und vorläufigen Maßnahmen werden Kostenbeiträge erhoben:

1.
der Unterkunft junger Menschen in einer sozialpädagogisch begleiteten Wohnform (§ 13 Absatz 3),
2.
der Betreuung von Müttern oder Vätern und Kindern in gemeinsamen Wohnformen (§ 19),
3.
der Betreuung und Versorgung von Kindern in Notsituationen (§ 20),
4.
der Unterstützung bei notwendiger Unterbringung junger Menschen zur Erfüllung der Schulpflicht und zum Abschluss der Schulausbildung (§ 21),
5.
der Hilfe zur Erziehung
a)
in Vollzeitpflege (§ 33),
b)
in einem Heim oder einer sonstigen betreuten Wohnform (§ 34),
c)
in intensiver sozialpädagogischer Einzelbetreuung (§ 35), sofern sie außerhalb des Elternhauses erfolgt,
d)
auf der Grundlage von § 27 in stationärer Form,
6.
der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche durch geeignete Pflegepersonen sowie in Einrichtungen über Tag und Nacht und in sonstigen Wohnformen (§ 35a Absatz 2 Nummer 3 und 4),
7.
der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen (§ 42),
8.
der Hilfe für junge Volljährige, soweit sie den in den Nummern 5 und 6 genannten Leistungen entspricht (§ 41).

(2) Zu folgenden teilstationären Leistungen werden Kostenbeiträge erhoben:

1.
der Betreuung und Versorgung von Kindern in Notsituationen nach § 20,
2.
Hilfe zur Erziehung in einer Tagesgruppe nach § 32 und anderen teilstationären Leistungen nach § 27,
3.
Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche in Tageseinrichtungen und anderen teilstationären Einrichtungen nach § 35a Absatz 2 Nummer 2 und
4.
Hilfe für junge Volljährige, soweit sie den in den Nummern 2 und 3 genannten Leistungen entspricht (§ 41).

(3) Die Kosten umfassen auch die Aufwendungen für den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe.

(4) Verwaltungskosten bleiben außer Betracht.

(5) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe tragen die Kosten der in den Absätzen 1 und 2 genannten Leistungen unabhängig von der Erhebung eines Kostenbeitrags.

(1) Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Grundrente nach oder entsprechend dem Bundesversorgungsgesetz sowie der Renten und Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für einen Schaden an Leben sowie an Körper und Gesundheit gewährt werden bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Eine Entschädigung, die nach § 253 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, geleistet wird, ist nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Geldleistungen, die dem gleichen Zwecke wie die jeweilige Leistung der Jugendhilfe dienen, zählen nicht zum Einkommen und sind unabhängig von einem Kostenbeitrag einzusetzen; dies gilt nicht für

1.
monatliche Leistungen nach § 56 des Dritten Buches bis zu einer Höhe des in § 61 Absatz 2 Satz 1 und § 62 Absatz 3 Satz 1 des Dritten Buches für sonstige Bedürfnisse genannten Betrages und
2.
monatliche Leistungen nach § 122 des Dritten Buches bis zu einer Höhe des in § 123 Satz 1 Nummer 2, § 124 Nummer 2 und § 125 des Dritten Buches genannten Betrages.
Kindergeld und Leistungen, die auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen.

(2) Von dem Einkommen sind abzusetzen

1.
auf das Einkommen gezahlte Steuern und
2.
Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung sowie
3.
nach Grund und Höhe angemessene Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen zur Absicherung der Risiken Alter, Krankheit, Pflegebedürftigkeit und Arbeitslosigkeit.

(3) Von dem nach den Absätzen 1 und 2 errechneten Betrag sind Belastungen der kostenbeitragspflichtigen Person abzuziehen. Der Abzug erfolgt durch eine Kürzung des nach den Absätzen 1 und 2 errechneten Betrages um pauschal 25 vom Hundert. Sind die Belastungen höher als der pauschale Abzug, so können sie abgezogen werden, soweit sie nach Grund und Höhe angemessen sind und die Grundsätze einer wirtschaftlichen Lebensführung nicht verletzen. In Betracht kommen insbesondere

1.
Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen,
2.
die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben,
3.
Schuldverpflichtungen.
Die kostenbeitragspflichtige Person muss die Belastungen nachweisen.

(4) Maßgeblich ist das durchschnittliche Monatseinkommen, das die kostenbeitragspflichtige Person in dem Kalenderjahr erzielt hat, welches dem jeweiligen Kalenderjahr der Leistung oder Maßnahme vorangeht. Auf Antrag der kostenbeitragspflichtigen Person wird dieses Einkommen nachträglich durch das durchschnittliche Monatseinkommen ersetzt, welches die Person in dem jeweiligen Kalenderjahr der Leistung oder Maßnahme erzielt hat. Der Antrag kann innerhalb eines Jahres nach Ablauf dieses Kalenderjahres gestellt werden. Macht die kostenbeitragspflichtige Person glaubhaft, dass die Heranziehung zu den Kosten aus dem Einkommen nach Satz 1 in einem bestimmten Zeitraum eine besondere Härte für sie ergäbe, wird vorläufig von den glaubhaft gemachten, dem Zeitraum entsprechenden Monatseinkommen ausgegangen; endgültig ist in diesem Fall das nach Ablauf des Kalenderjahres zu ermittelnde durchschnittliche Monatseinkommen dieses Jahres maßgeblich.

(1) Die Kostenbeitragspflichtigen sind aus ihrem Einkommen in angemessenem Umfang zu den Kosten heranzuziehen. Die Kostenbeiträge dürfen die tatsächlichen Aufwendungen nicht überschreiten.

(2) Für die Bestimmung des Umfangs sind bei jedem Elternteil die Höhe des nach § 93 ermittelten Einkommens und die Anzahl der Personen, die mindestens im gleichen Range wie der untergebrachte junge Mensch oder Leistungsberechtigte nach § 19 unterhaltsberechtigt sind, angemessen zu berücksichtigen.

(3) Werden Leistungen über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses erbracht und bezieht einer der Elternteile Kindergeld für den jungen Menschen, so hat dieser unabhängig von einer Heranziehung nach Absatz 1 Satz 1 und 2 einen Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes zu zahlen. Zahlt der Elternteil den Kostenbeitrag nach Satz 1 nicht, so sind die Träger der öffentlichen Jugendhilfe insoweit berechtigt, das auf dieses Kind entfallende Kindergeld durch Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs nach § 74 Absatz 2 des Einkommensteuergesetzes in Anspruch zu nehmen. Bezieht der Elternteil Kindergeld nach § 1 Absatz 1 des Bundeskindergeldgesetzes, gilt Satz 2 entsprechend. Bezieht der junge Mensch das Kindergeld selbst, gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend. Die Heranziehung der Elternteile erfolgt nachrangig zu der Heranziehung der jungen Menschen zu einem Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes.

(4) Werden Leistungen über Tag und Nacht erbracht und hält sich der junge Mensch nicht nur im Rahmen von Umgangskontakten bei einem Kostenbeitragspflichtigen auf, so ist die tatsächliche Betreuungsleistung über Tag und Nacht auf den Kostenbeitrag anzurechnen.

(5) Für die Festsetzung der Kostenbeiträge von Eltern werden nach Einkommensgruppen gestaffelte Pauschalbeträge durch Rechtsverordnung des zuständigen Bundesministeriums mit Zustimmung des Bundesrates bestimmt.

(6) (weggefallen)

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.