Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 23. Juli 2018 - 7 B 10768/18

ECLI:ECLI:DE:OVGRLP:2018:0723.7B10768.18.00
bei uns veröffentlicht am23.07.2018

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Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird die Antragsgegnerin unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 14. Juni 2018 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Abschiebung des Antragstellers nach Brasilien unverzüglich, spätestens bis zum 10. August 2018, rückgängig zu machen und auf ihre Kosten alle erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen – insbesondere medizinischen – Maßnahmen zu ergreifen, um seine Rückkehr nach Deutschland bis zu diesem Datum zu bewirken.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt die Antragsgegnerin.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für beide Rechtszüge auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt die Rückgängigmachung seiner Abschiebung.

2

Er ist im Jahr 1986 geboren und besitzt die brasilianische Staatsangehörigkeit. Seine brasilianische Mutter heiratete später den deutschen Vater. Der Antragsteller lebte von 1993 bis 1998 in Portugal und danach mit Ausnahme eines zweijährigen Aufenthalts in Deutschland in Brasilien. Im Mai 2013 reiste er nach Deutschland ein. Seine Schwester und – zeitweise – seine Eltern leben in Deutschland.

3

Im Jahr 2000 war der Antragsteller drogenabhängig. Er hielt sich in einer therapeutischen Gemeinschaft zur freiwilligen Suchtbetreuung (Fazenda de Esperanza) auf und befand sich bei einem Psychiater in Betreuung.

4

Der Antragsteller leidet an paranoider Schizophrenie bzw. an einer schizoaffektiven Störung. Er wurde am 13. Oktober 2014 in das Z. in M. eingewiesen und dort über einen Monat stationär behandelt. In der Folgezeit befand sich der Antragsteller mehrfach in stationärer und durchgehend in ambulanter Behandlung.

5

Zu seiner Erkrankung liegen unter anderem folgende ärztliche Stellungnahmen vor:

6

Nach dem ärztlichen Attest des vorgenannten Z. vom 13. Mai 2015 waren beim Antragsteller wiederholt Behandlungen wegen schwerer Eigengefährdung mit Suizidalität erforderlich.

7

Im psychiatrischen Fachgutachten, das Prof. Dr. A. und Dr. S. vom Lehrstuhl für Psychiatrie an der Universität H. am 1. Dezember 2015 erstellten, ist ausgeführt, beim Antragsteller bestehe eine akute Eigen- und Fremdgefährdung, wenn er seine Medikamente absetze. Im Falle einer Rückkehr nach Brasilien bestehe die Gefahr einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes und für das Leben des Antragstellers, aber auch die Gefahr einer unmittelbaren Bedrohung anderer.

8

Das Krankenhaus „H.“ in L. bescheinigt dem Antragsteller in den Attesten vom 6. Dezember 2017 und 9. Februar 2018 ebenfalls Eigen- wie auch Fremdgefährdung. Er sei an die Institutsambulanz angebunden. Dort würden seine Medikamente gerichtet. Der Antragsteller werde mehrmals wöchentlich von einer Fachkraft aufgesucht.

9

Mit Bescheid vom 9. Januar 2015 lehnte die Antragsgegnerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab, forderte den Antragsteller zur Ausreise auf und drohte ihm die Abschiebung an.

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Ein auf Absehen von der Abschiebung gerichteter Eilantrag blieb in erster Instanz ohne Erfolg. Im Beschwerdeverfahren verpflichtete der Senat die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 7. August 2015 (7 B 10468/15.OVG), mit der Abschiebung bis zum 30. November 2015 zuzuwarten und ein psychiatrisches Fachgutachten zur Gefahr einer wesentlichen Verschlechterung der Gesundheit des Antragstellers bei einer Rückkehr nach Brasilien einzuholen.

11

Das Gutachten wurde für die Antragsgegnerin am 1. Dezember 2015 erstellt (s.o.).

12

Am 20. Februar 2017 richtete sie eine Anfrage zur Behandlung des Antragstellers an die Zentralstelle für Informationsvermittlung zur Rückkehrförderung (ZIRF). Nach deren Auskunft kann die Erkrankung in Brasilien behandelt werden.

13

Am 29. März 2018 beschloss das Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein, die seit April 2016 bestehende Betreuung für den Antragsteller zu verlängern. Sie umfasst unter anderem die Gesundheitsfürsorge und das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Der Antragsteller könne wegen der schizoaffektiven Störung seine Angelegenheiten nicht besorgen.

14

Der Antragsteller wurde am 5. April 2018 unter ärztlicher Begleitung nach P. (Brasilien) abgeschoben. Nach dem Übergabeprotokoll wurden die brasilianischen Behörden kurz über die Erkrankung des Antragstellers informiert. Dieser erhielt Medikamente für ca. sechs Monate.

15

Seine Familie mietete für den Antragsteller ein Zimmer in R. an. Nach eidesstattlichen Versicherungen der Mutter nutzte er das Zimmer nicht. Er lebte stattdessen auf der Straße. Eine Freundin der Mutter berichtete, wie der Antragsteller nur mit einer Unterhose bekleidet ziellos am Strand entlanglief. Ein Freund konnte ihn überreden, in der Fazenda de Esperanza Hilfe zu suchen.

16

Mit Schriftsatz vom 25. April 2018 hat der Antragsteller die Rückgängigmachung seiner Abschiebung im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt.

17

Der Antrag ist vom Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße mit Beschluss vom 14. Juni 2018 (2 L 546/18.NW) abgelehnt worden.

18

Im erstinstanzlichen und im Beschwerdeverfahren streiten die Beteiligten darum, ob der Antragsteller in Brasilien eine ausreichende Gesundheitsversorgung erhalten kann und ob eine Eigen- und Fremdgefährdung anzunehmen ist.

II.

19

Die Beschwerde ist begründet.

20

Die Ausführungen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren enthalten Gründe, aus denen der Beschluss des Verwaltungsgerichts abzuändern ist (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO). Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.

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1. Die Bedenken des Verwaltungsgerichts zur Zulässigkeit des Eilantrags teilt der Senat nicht. Obschon im Antragsschriftsatz vom 25. April 2018 keine ladungsfähige Anschrift angegeben worden ist, hindert dies eine Entscheidung in der Sache nicht. Im konkreten Fall wird der Rechtsstreit „nicht aus dem Verborgenen heraus“ geführt. Der Antragsteller ist nicht „abgetaucht“, um seiner Abschiebung zu entgehen, sondern hat nach der Abschiebung wegen seiner Erkrankung in Brasilien nur zunächst keinen festen Wohnsitz begründet. Inzwischen hält er sich in der Fazenda de Esperanza auf und verfügt somit über eine ladungsfähige Anschrift.

22

2. Der Eilantrag hat auch in der Sache Erfolg.

23

a) Er ist bei verständiger Würdigung des Antrags- und des Beschwerdeschriftsatzes nach § 88 VwGO im Sinne des Tenors auszulegen. Der Antragsteller verfolgt das Ziel, die Antragsgegnerin zur Rückgängigmachung der Abschiebung und zu seiner Rückholung nach Deutschland zu verpflichten. Diese Begehren umfassen den separat formulierten und im Beschwerdeverfahren klargestellten Antrag, seiner Einreise nach Deutschland nicht die Kosten der Abschiebung entgegenzuhalten.

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b) Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO darf die beantragte Anordnung nur ergehen, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Begehrt ein abgeschobener Ausländer die Rückgängigmachung der Abschiebung im Wege einer einstweiligen Anordnung, nimmt eine Verpflichtung der Behörde die Hauptsache vorweg. Das Rechtsschutzverfahren nach § 123 VwGO zielt aber nur auf eine vorläufige Regelung ab. Einem Antrag auf Rückgängigmachung der Abschiebung kann daher im Wege einer einstweiligen Anordnung nur stattgegeben werden, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG, insbesondere zur Verwirklichung von Grundrechten, schlechterdings unabweisbar ist, wenn also die zu erwartenden Nachteile für einen Antragsteller unzumutbar und im Verfahren zur Hauptsache nicht mehr zu beseitigen wären. Dies setzt neben einer besonderen Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit des Erfolgs in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) voraus. Beide Anforderungen sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Sie liegen hier vor.

25

c) Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

26

Rechtliche Grundlage seines Begehrens ist der Folgenbeseitigungsanspruch. Dieser greift, wenn durch einen hoheitlichen Eingriff – hier die Abschiebung – ein subjektives Recht des Betroffenen verletzt worden und dadurch für diesen ein andauernder rechtswidriger Zustand entstanden ist, dessen Beseitigung tatsächlich und rechtlich möglich ist. Der Folgenbeseitigungsanspruch knüpft nicht allein an die Rechtswidrigkeit des Eingriffsaktes an, sondern auch an die des geschaffenen Zustands (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Oktober 2014 – 18 B 104/14 –, juris, Rn. 6 ff., m.w.N.; Armbruster, in: HTK-AuslR, Rechtsschutz, Abschn. 2.5.7, m.w.N.). Die Voraussetzungen des Folgenbeseitigungsanspruchs sind hier auf Grund von Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls zu bejahen. Die Abschiebung des Antragstellers nach Brasilien am 5. April 2018 war offensichtlich rechtswidrig, der dadurch geschaffene rechtswidrige Zustand dauert an; er ist dem Antragsteller nicht zumutbar und durch die Rückholung zu beenden.

27

Die Abschiebung des Antragstellers hätte wegen rechtlicher Unmöglichkeit nicht erfolgen dürfen und hätte zum damaligen Zeitpunkt gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ausgesetzt werden müssen. Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung ist gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung selbst wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert, und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann (vgl. VGH BW, Beschluss vom 22. Februar 2017 – 11 S 447/17 –, juris, Rn. 4).

28

Die mit der Abschiebung betraute Behörde hat die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG erwachsende Pflicht, durch eine hinreichende Ausgestaltung der tatsächlichen Durchführung der Abschiebung erhebliche Gefahren für Leib und Leben des Betroffenen abzuwenden. Diese Pflicht kann es in Einzelfällen gebieten, dass erforderliche Hilfen rechtzeitig nach der Ankunft im Zielstaat zur Verfügung stehen, wobei der Ausländer regelmäßig auf den dort allgemein üblichen Standard zu verweisen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 939/14 –, juris, Rn. 14). Zur Sicherstellung ausreichender Hilfen gehört auch die Übergabe an medizinisch qualifiziertes Personal, sofern dies im Einzelfall erforderlich ist (vgl. VGH BW, Beschluss vom 22. Februar 2017 – 11 S 447/17 –, juris, Rn. 5). Wenn dem Ausländer unmittelbar nach seiner Ankunft im Zielstaat eine erhebliche Gesundheitsgefährdung droht, dauert die Schutzpflicht des deutschen Staates bis zum Übergang in eine Versorgung und Betreuung an (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Oktober 2014 – 18 B 104/14 –, juris, Rn. 18). Es muss aber ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang mit dem Abschiebungsvorgang bestehen (vgl. VGH BW, Beschluss vom 1. Juni 2017 – 11 S 658/17 –, juris, Rn. 3).

29

Dem Antragsteller drohte im engen zeitlichem Zusammenhang zur Abschiebung eine konkrete und erhebliche Gesundheitsgefahr, ohne dass die Antragsgegnerin hinreichende Vorkehrungen zur Vermeidung dieser Gefahr getroffen hatte.

30

Die sachverständigen Stellungnahmen zum Gesundheitszustand des Antragstellers bringen insoweit unmissverständlich zum Ausdruck, dass beim Antragsteller mit einer akuten Eigen- und Fremdgefährdung zu rechnen war und ist, wenn er die nötige Therapie nicht wahr- und vor allem die verschriebenen Medikamente nicht einnimmt. Die Gefahr, dass der Antragsteller auf Grund seiner Erkrankung die Einnahme der zur Behandlung nötigen Medikamente verweigert, lässt sich nach den Stellungnahmen nur bannen, indem er zur Medikamenteneinnahme angeleitet und diese strukturiert sowie überwacht wird. So hält das psychiatrische Fachgutachten von Prof. Dr. A. und Dr. C. vom 1. Dezember 2015 (Universität H.) abschließend fest, da im Falle weiterer Verweigerung aus den dargelegten Gründen mit einer Chronifizierung der paranoiden Schizophrenie und einer Verschlimmerung mit akuter Eigen- und Fremdgefährdung zu rechnen sei, bestünde im Falle einer Rückkehr bzw. Abschiebung des Antragstellers nach Brasilien die Gefahr einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes und für das Leben, aber auch die Gefahr einer unmittelbarer Bedrohung anderer. Was diese Gutachter unter den dargelegten Gründen verstehen, ergibt sich aus dem vorstehenden Absatz des Gutachtens. Dort wird dargelegt, dass beim Antragsteller eine manifeste Eigen- und Fremdgefährdung durch handlungsleitende Wahninhalte bestanden habe. Vorausgegangen sei eine Medikamentennichteinnahme. Wiederhole sich diese, sei von einer raschen neuerlichen Verschlechterung auszugehen. Für die Gutachter besteht somit eine Kausalkette zwischen Nichteinnahme der Medikamente, Verschlechterung der psychischen Erkrankung und Eigen- bzw. Fremdgefährdung. Aus ihrer Sicht ist folglich für die Verhinderung von Gefahrensituationen unabdingbar, dass die Behandlung des Antragstellers koordiniert und begleitet wird, wobei es nicht darauf ankommt, ob dies durch eine betreuende Person oder in einer medizinischen Einrichtung geschieht. Die gleiche Schlussfolgerung ist in beiden Attesten des Krankenhauses „H.“ vom 6. Dezember 2017 bzw. 9. Februar 2018 enthalten. Dort wird dem Antragsteller ebenfalls eine Eigen- wie auch eine Fremdgefährdung attestiert, da das wahnhafte Erleben handlungsbestimmend sei. Man habe sich entschlossen, ihn an die Institutsambulanz anzubinden und wöchentliche Termine zum Gespräch und zum Richten der Medikation für eine Woche zu vereinbaren. Mit Unterstützung des gesetzlichen Betreuers des Antragstellers sei es gelungen, dass er mehrmals wöchentlich von einer Fachkraft aufgesucht werde. Auch diese Atteste gehen somit davon aus, dass es zur Abwendung einer Eigen- und Fremdgefährdung durch den Antragsteller unabdingbar ist, dass die Medikamenteneinnahme von Dritten überwacht und strukturiert wird. Ein deutliches Indiz für die Notwendigkeit dieser Art der Betreuung ist ferner der Beschluss des Amtsgerichts Ludwigshafen vom 29. März 2018. Dort wird die Fortdauer der Betreuung des Antragstellers unter anderem für den Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge damit begründet, dass er auf Grund seiner Erkrankung gerade nicht in der Lage sei, seine Angelegenheiten in diesem Bereich zu regeln.

31

Ohne die Sicherstellung der Überwachung der Medikamenteneinnahme durch eine betreuende Person oder in einer medizinischen Einrichtung bestand für den Antragsteller unmittelbar nach seiner Abschiebung in Brasilien die Gefahr einer wesentlichen Verschlechterung des Krankheitsbildes und damit zugleich die akute Gefahr, sich oder andere zu verletzen. Dies ergibt sich aus den vorgenannten ärztlichen Stellungnahmen und der in ihnen enthaltenen Schlussfolgerung zum kausalen Zusammenhang zwischen der Nichteinnahme der Medikamente und der Eigen- bzw. Fremdgefährdung. Diese Gefahr wurde nicht dadurch ausgeräumt, dass dem Antragsteller seitens der Antragsgegnerin Medikamente mitgegeben wurden. Dies allein bewirkt nicht hinreichend sicher, dass er die notwendigen Medikamente einnimmt. In der jüngeren Vergangenheit kam es wiederholt dazu, dass der Antragsteller Medikamente nicht einnahm. Dies wird nicht nur in den zitierten Stellungnahmen erwähnt. Dies belegen auch die verschiedenen Krankenhausaufenthalte des Antragstellers, die jeweils in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Absetzen der Medikamente standen. Da der Antragsteller nunmehr in Brasilien ohne familiäres Umfeld und ohne die notwendige Betreuung auf sich allein gestellt ist, ist die Gefahr, dass er seine Medikamente nicht einnimmt, umso größer. Die ärztlichen Stellungnahmen gehen übereinstimmend davon aus, dass beim Antragsteller ohne Überwachung die krankheitsbedingte Gefahr besteht, dass er seine Medikamente nicht einnimmt.

32

Dagegen kann nicht eingewandt werden, die Antragstellerseite habe bisher nicht von einem Rückfall berichtet. Entscheidend ist vielmehr, dass nach dem psychiatrischen Fachgutachten vom 1. Dezember 2015 beim Antragsteller mit einer akuten Eigen- und Fremdgefährdung zu rechnen sei. Mit anderen Worten kann es bei ihm ohne Beobachtung der Medikamenteneinnahme jederzeit zu einem Rückfall kommen. Da die Überwachung des Antragstellers durch den ihn auf dem Flug begleitenden Arzt unmittelbar nach der Abschiebung endete, konnte es schon ab diesem Zeitpunkt und damit in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Abschiebung zu einem Rückfall und den dann zu erwartenden Gefahren kommen. Die Unterrichtung brasilianischer Behörden am Flugplatz ist nicht ausreichend, um die Medikamenteneinnahme durch den Antragsteller sicherzustellen, zumal die Antragsgegnerin nicht dargelegt hat, welche Informationen an welche Behörde gegeben wurden. Die Unterrichtung allein gewährleistet zudem nicht, dass der Antragsteller einem Betreuer, medizinischem Personal oder einer geeigneten Einrichtung übergeben wird.

33

Der Einwand der Antragsgegnerin, die Erkrankung des Antragstellers sei in Brasilien behandelbar, führt zu keinem anderen Ergebnis. Sie verkennt dabei die Besonderheiten des vorliegenden Falles. Es kommt nicht allein darauf an, ob die Erkrankung in Brasilien behandelbar ist, also entsprechende Therapien und Medikamente zur Verfügung stehen, sondern darauf, ob der Antragsteller in der Lage ist, diese Möglichkeiten für sich zu nutzen. Dies hat der Senat bereits im Beschluss vom 7. August 2015 (7 B 10468/15.OVG) zum Ausdruck gebracht. Er hielt die Einholung eines psychiatrischen Fachgutachtens zur gesundheitlichen Gefährdung des Antragstellers bei einer Rückkehr nach Brasilien für erforderlich, weil der Antragsteller in Brasilien ohne sein deutsches Netzwerk auskommen muss.

34

Der Einwand, durch den zitierten Beschluss sei die Abschiebung des Antragstellers lediglich bis zum Ende der vom Senat gesetzten Frist für die Einholung des Gutachtens gesperrt gewesen, greift nicht durch. Der Beschluss des Senats vom 7. August 2015 kann nicht in diesem Sinne rein formal gesehen werden. Mit Blick auf die Prüfung einer etwaigen rechtlichen Unmöglichkeit der Abschiebung des Antragstellers oblag es der Antragsgegnerin, das Ergebnis des vom Senat geforderten und von ihr eingeholten Gutachtens zu berücksichtigen. Im Lichte dieses Ergebnisses war es offenkundig, dass eine Abschiebung nicht ohne Maßnahmen erfolgen durfte, die die Medikamenteneinnahme bzw. einen sofortigen Zugang zu einer medizinischen Betreuung in Brasilien sicherstellten. Auf Grund seiner schweren Erkrankung war und ist der Antragsteller dazu allein nicht in der Lage.

35

Der Antragsteller kann auch nicht darauf verwiesen werden, seine Mutter könne von Deutschland aus die nötige Unterstützung geben. Denn es ist die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG resultierende Pflicht der Antragsgegnerin, Gefahren zu begegnen, die dem Antragsteller bei und unmittelbar nach der Abschiebung drohen. Der Senat muss sich nicht mit der Frage auseinandersetzen, ob die Antragsgegnerin dieser Pflicht dadurch nachkommen kann, dass sie nachträglich eine ausreichende Betreuung des Antragstellers in Brasilien sicherstellt. Dazu hat die Antragsgegnerin nichts vorgetragen; vielmehr steht sie auf dem Standpunkt, es genüge, dass die Erkrankung des Antragstellers in Brasilien behandelbar sei.

36

d) Der durch die Abschiebung des Antragstellers nach Brasilien geschaffene rechtswidrige Zustand dauert noch an und ist für ihn nicht zumutbar.

37

Es besteht weiterhin die konkrete Gefahr, dass er die benötigten Medikamente nicht nimmt, sich daraufhin seine Krankheit wesentlich verschlechtert und er sich und andere gefährdet. Maßgeblich ist auch insoweit die sachverständige Einschätzung des Krankheitsbildes im psychiatrischen Fachgutachten vom 1. Dezember 2015 und in den beiden Attesten vom 6. Dezember 2017 sowie 9. Februar 2018. An der dort beschriebenen Gefahr, die entsteht, wenn die medikamentöse Behandlung des Antragstellers nicht überwacht wird, hat sich nichts geändert. Vor allem kann nach den unwidersprochenen Angaben der Mutter des Antragstellers, die sie zudem an Eides statt versicherte, nicht angenommen werden, dass die Fazenda de Esperanza die Behandlung des Antragstellers überhaupt, geschweige denn mit dem erforderlichen Nachdruck überwacht. Diese Einrichtung wird von den Patienten freiwillig aufgesucht und kann freiwillig wieder verlassen werden. Sie hat keine Handhabe sicherzustellen, dass die benötigten Medikamente genommen werden. Diese Situation, die durch die jederzeitige Möglichkeit eines Rückfalls geprägt ist, ist für den Antragsteller unzumutbar.

38

e) Aus den vorstehenden Gründen ist zugleich der Anordnungsgrund zu bejahen.

39

3. Der Senat sieht davon ab, die Modalitäten der Rückführung zu konkretisieren. Es ist Aufgabe der Antragsgegnerin zu prüfen, welche Maßnahmen sie dazu ergreifen muss. Es ist indes davon auszugehen, dass auch für die Rückführung eine ärztliche Begleitung des Antragstellers notwendig ist.

40

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

41

Die Entscheidung zur Höhe des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG. Der Senat veranschlagt für die Rückholung mangels anderweitiger Anhaltspunkte den Regelstreitwert in Höhe von 5.000,00 €. Die vom Antragsteller geschätzten Kosten seiner Abschiebung sind kein Anhaltspunkt für die Bedeutung, die das Verfahren für ihn hat. Der Streitwert war auch nicht um diese Kosten zu erhöhen. Zwar nimmt der Antragsteller mit seinem Antrag zu 3. diese Kosten in Bezug. Es handelt sich insoweit aber nicht um einen eigenen Streitgegenstand, der zu dem für die Rückführung zu addieren wäre (§ 39 Abs. 1 GKG). Mit dem Antrag will er nur ausschließen, dass diese Kosten seine Rückkehr hindern. Der Senat sieht von einer wegen der Vorläufigkeit von Entscheidungen des einstweiligen Rechtsschutzes in Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (LKRZ 2014, 169) vorgeschlagenen Reduzierung des Streitwerts ab. Mit dem vorliegenden Beschluss wird die Hauptsache faktisch vollständig vorweggenommen.

42

Die anderslautende Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts wird gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG von Amts wegen geändert.

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(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

Tenor

Der angegriffene Beschluss wird geändert.

Der Antrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Rücküberstellung der Antragstellerin nach Deutschland zu verpflichten, wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 1.250 Euro festgesetzt.


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(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 3. Februar 2017 - 10 K 7668/16 - geändert, soweit er die Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz ablehnt.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Abschiebung der Antragsteller bis zum 15. März 2017 auszusetzen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die zulässige Beschwerde, über die der Senat aufgrund der Eilbedürftigkeit der Sache nach nur mündlicher Anhörung des Antragsgegners entscheidet, ist begründet.
Zutreffend rügt die Beschwerde, dass „der Vortrag zur Übergabe an die mazedonischen Behörden dünn und unsubstantiiert“ bleibe. Mit diesem Vorbringen ziehen die Antragsteller die Richtigkeit des angegriffenen Beschlusses erfolgreich in Zweifel. Das Verwaltungsgericht ist der Auffassung, dass es in tatsächlicher Hinsicht ausreichend sei, wenn es keine konkreten Anhaltspunkte dafür gebe, dass die mazedonischen Behörden auf die erfolgte Information durch den Antragsgegner nicht reagierten. Solche Anhaltspunkte konnte das Verwaltungsgericht nicht feststellen. Weder dieser Ansatz noch der von dem Antragsgegner beschrittene Weg der Kommunikation mit den mazedonischen Behörden wird aber den aus Art. 2 Abs. 2 GG und Art. 2 und 3 EMRK folgenden grundrechtlichen Verpflichtungen gerecht.
Den Antragstellern kommt entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts der erforderliche Anordnungsanspruch zu.
Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG) ist unter anderem gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung selbst wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert, und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann (VGH Bad.-Württ, Beschluss vom 06.02.2008 - 11 S 2439/07 -, InfAuslR 2008, 213 m.w.N.; Hmb.OVG , Beschluss vom 13.01.2015 - 1 Bs 211/14). Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn und solange der Ausländer ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht transportfähig ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn), sondern auch, wenn die Abschiebung als solche - außerhalb des Transportvorgangs - eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn). Das dabei in den Blick zu nehmende Geschehen beginnt regelmäßig bereits mit der Mitteilung einer beabsichtigten Abschiebung gegenüber dem Ausländer. Besondere Bedeutung kommt sodann denjenigen Verfahrensabschnitten zu, in denen der Ausländer dem tatsächlichen Zugriff und damit auch der Obhut staatlicher deutscher Stellen unterliegt. Hierzu gehören das Aufsuchen und Abholen in der Wohnung, das Verbringen zum Abschiebeort sowie eine etwaige Abschiebungshaft ebenso wie der Zeitraum nach Ankunft am Zielort bis zur Übergabe des Ausländers an die Behörden des Zielstaats (BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.09.2014 - 2 BvR 939/14 -, NVwZ 2014, 1511 Rn. 13; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 06.02.2008 - 11 S 2439/07 -, InfAuslR 2008, 213).
Die mit der Abschiebung betraute Behörde hat die aus Art. 2 Abs. 2 GG erwachsende Pflicht, durch eine hinreichende Ausgestaltung der tatsächlichen Durchführung der Abschiebung erhebliche Gefahren für Leib und Leben des Betroffenen abzuwenden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.09.2014 - 2 BvR 939/14 -, NVwZ 2014, 1511 Rn. 10). Die grund- und menschenrechtliche Verpflichtungen deutscher Behörden umfassen im Fall einer Abschiebung deren Durchführung einschließlich einer - in Einzelfällen - erforderlichen Übergabe an medizinisch hinreichend qualifiziertes Personal im Zielstaat der Abschiebung (BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.09.2014 - 2 BvR 939/14 -, NVwZ 2014, 1511 Rn. 14; vgl. auch EGMR (GK), Urteil vom 13.12.2016 - 41738/10 - < Paposhvili > Rn. 205). Aus der zitierten, neuesten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Verfahren Paposhvili gegen Belgien geht überdies hervor, dass Art. 3 EMRK vor einer Abschiebung, die zu einer ernsthaften, schnellen und irreversiblen Verschlechterung des Gesundheitszustands, die zu schwerem Leiden oder einer erheblichen Verringerung der Lebenserwartung führt, schützt (EGMR (GK), Urteil vom 13.12.2016 - 41738/10 - < Paposhvili > Rn. 183 unter teilweise Aufgabe anderslautender Rechtsprechung). Bei ernstlichen Zweifeln daran, ob eine hinreichende Versorgung im Zielstaat der Abschiebung sichergestellt ist, ist der abschiebende Staat gehalten, eine individuelle und hinreichende Zusicherung des Zielstaats einzuholen, um das Seinige getan zu haben, sicherzustellen, dass die von der Abschiebung betroffene Person sich nicht in Umständen wiederfindet, die mit den Vorgaben von Art. 3 EMRK nicht zu vereinbaren sind (EGMR (GK), Urteil vom 13.12.2016 - 41738/10 - < Paposhvili > Rn. 191).
Ausgehend hiervon ist die Abschiebung der Antragstellerin zu 1 derzeit deshalb rechtlich unmöglich, weil ihr im Falle der Abschiebung eine konkrete und erhebliche Gesundheitsgefahr droht und es an hinreichenden Vorkehrungen zur Minimierung etwaiger Gesundheitsgefahren fehlt.
Ausweislich des formularmäßigen Vermerks des Antragsgegners von 3. November 2016 „muss sichergestellt werden, dass [die Antragstellerin zu 1] durch entsprechende Überwachung nicht in der Lage ist, sich umzubringen“. Es soll bei den mazedonischen Behörden angemeldet werden, dass die Antragstellerin zu 1 suizidgefährdet sei und ärztlich in Empfang genommen werde. Zur Umsetzung dieser vom Antragsgegner - unter Zugrundelegung der in den Behördenakten vorhandenen ärztlichen Stellungnahmen zu Recht - für erforderlich gehaltenen Maßnahmen hat dieser mit E-Mail vom 23. Januar 2017 an zwei Empfänger bei den zuständigen Behörden Mazedoniens die Diagnosen der Antragstellerin zu 1 mit der Bitte, „sicherzustellen, dass die Person nach Ankunft am Flughafen Skopje von einem Arzt in Empfang genommen wird“, übersandt. Sodann findet sich in den Akten eine automatisch generierte Antwort folgenden Inhalts:
„Die Zustellung an diese Empfänger oder Gruppen ist abgeschlossen. Vom Zielserver wurde keine Zustellungsbenachrichtigung gesendet [zwei E-Mail-Adressen des mazedonischen Innenministeriums]“
Diese automatisierte Antwort ist angesichts des auch vom Antragsgegner angenommenen Risikos bei der Abschiebung für die Antragstellerin zu 1 auf keinen Fall geeignet, eine hinreichende Ausgestaltung der tatsächlichen Durchführung der Abschiebung zur Vermeidung erheblicher Gefahren für Leib und Leben des Betroffenen zu belegen. Denn dieses - vom Antragsgegner nach eigenem Vorbringen regelmäßig angewandtes - System kennt keine Vorkehrungen gegen technische Pannen oder menschliches Versagen, die dazu führen könnten, dass die Ankündigung nicht oder nur unzureichend wahrgenommen oder den Aufforderungen nachgekommen wird. Weder ist sichergestellt, dass die Nachricht tatsächlich gelesen wird und nicht aus Versehen durch einen spam-Filter aussortiert wird, noch ist gewährleistet, dass die Nachricht tatsächlich gelesen und verarbeitet und nicht etwa versehentlich durch den Bearbeiter in Mazedonien gelöscht wird. Deshalb ist mindestens in jedem Fall, in dem eine Übergabe an medizinisches Personal im Zielstaat der Abschiebung rechtlich erforderlich ist, eine kurze nicht automatisierte, zustimmende Antwort der Behörden des Zielstaats notwendig, damit die deutschen Behörden davon ausgehen dürfen, alles Erforderliche in die Wege geleitet zu haben. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass es nach dem Vortrag des Antragsgegners bislang keine Probleme mit dem praktizierten gemeinsamen Verfahren mit Mazedonien gegeben habe. Denn die Anwendung eines solchen Erfahrungssatz allein wird mit Blick auf die offenkundig fehlenden Vorkehrungen gegen technische Pannen oder menschliches Versagen dem gebotenen Schutz des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit nicht gerecht. Ein Vertrauen in ein regelmäßiges Funktionieren der Kooperation reicht nicht aus. Es ist das Funktionieren der Kooperation in jedem Einzelfall sicherzustellen, um das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Betroffenen bestmöglich zu schützen.
10 
Ob und wann über ein kurze zustimmende Antwort hinaus konkrete, einzelfallbezogene Zusicherungen erforderlich sind, bedarf hier keiner Entscheidung. Allerdings gilt der Grundsatz, dass rein abstrakte und pauschale Zusagen regelmäßig dann unzureichend sind, wenn die tatsächliche Gefahr einer lebensbedrohlichen Situation im Falle einer fehlenden Übergabe an medizinisches Personal oder nicht hinreichend qualifiziertes medizinisches Personal unmittelbar besteht (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 21.06.2016 - 2 M 16/16 -, Asylmagazin 2016, 437).
11 
Zur hinreichenden Sicherstellung und Dokumentation (vgl. zur Bedeutung der Dokumentation als verfahrensbegleitende und grundrechtssichernde Maßnahme BVerfG, Kammerbeschluss vom 09.07.2007 - 2 BvR 206/07 -, NVwZ 2007, 1178) ist nach Auffassung des Senats voraussichtlich eine Aussetzung der Abschiebung bis zum 15. März 2017 ausreichend. Zur Vorbeugung von Missverständnissen weist der Senat aber darauf hin, dass auch nach Ablauf des 15. März 2017 eine Abschiebung nur dann rechtlich zulässig sein kann, wenn sie den oben aufgeführten Maßstäben gerecht wird.
12 
Eine weitergehende Aussetzung der Abschiebung ist - auch mit Blick auf den Gesundheitszustand der Antragstellerin zu 1 - derzeit rechtlich nicht geboten. Insbesondere sind die von der Antragstellerin zu 1 vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen auch nach Auffassung des Senats nicht geeignet, die Auffassung der Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie des Fachbereichs Gesundheit der Stadt Mannheim in Zweifel zu ziehen. Allerdings weist der Senat hier darauf hin, dass - je nach Zeitablauf - für den Fall eines erneuten Abschiebungsversuchs eine zeitlich aktuelle Stellungnahme einzuholen sein kann.
13 
Für die Antragsteller zu 2 bis zu 4 ergibt sich die Unmöglichkeit ihrer Abschiebung aus Art. 6 Abs. 1 GG.
14 
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus den §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG.
15 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 3. Februar 2017 - 10 K 7668/16 - geändert, soweit er die Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz ablehnt.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Abschiebung der Antragsteller bis zum 15. März 2017 auszusetzen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die zulässige Beschwerde, über die der Senat aufgrund der Eilbedürftigkeit der Sache nach nur mündlicher Anhörung des Antragsgegners entscheidet, ist begründet.
Zutreffend rügt die Beschwerde, dass „der Vortrag zur Übergabe an die mazedonischen Behörden dünn und unsubstantiiert“ bleibe. Mit diesem Vorbringen ziehen die Antragsteller die Richtigkeit des angegriffenen Beschlusses erfolgreich in Zweifel. Das Verwaltungsgericht ist der Auffassung, dass es in tatsächlicher Hinsicht ausreichend sei, wenn es keine konkreten Anhaltspunkte dafür gebe, dass die mazedonischen Behörden auf die erfolgte Information durch den Antragsgegner nicht reagierten. Solche Anhaltspunkte konnte das Verwaltungsgericht nicht feststellen. Weder dieser Ansatz noch der von dem Antragsgegner beschrittene Weg der Kommunikation mit den mazedonischen Behörden wird aber den aus Art. 2 Abs. 2 GG und Art. 2 und 3 EMRK folgenden grundrechtlichen Verpflichtungen gerecht.
Den Antragstellern kommt entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts der erforderliche Anordnungsanspruch zu.
Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG) ist unter anderem gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung selbst wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert, und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann (VGH Bad.-Württ, Beschluss vom 06.02.2008 - 11 S 2439/07 -, InfAuslR 2008, 213 m.w.N.; Hmb.OVG , Beschluss vom 13.01.2015 - 1 Bs 211/14). Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn und solange der Ausländer ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht transportfähig ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn), sondern auch, wenn die Abschiebung als solche - außerhalb des Transportvorgangs - eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn). Das dabei in den Blick zu nehmende Geschehen beginnt regelmäßig bereits mit der Mitteilung einer beabsichtigten Abschiebung gegenüber dem Ausländer. Besondere Bedeutung kommt sodann denjenigen Verfahrensabschnitten zu, in denen der Ausländer dem tatsächlichen Zugriff und damit auch der Obhut staatlicher deutscher Stellen unterliegt. Hierzu gehören das Aufsuchen und Abholen in der Wohnung, das Verbringen zum Abschiebeort sowie eine etwaige Abschiebungshaft ebenso wie der Zeitraum nach Ankunft am Zielort bis zur Übergabe des Ausländers an die Behörden des Zielstaats (BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.09.2014 - 2 BvR 939/14 -, NVwZ 2014, 1511 Rn. 13; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 06.02.2008 - 11 S 2439/07 -, InfAuslR 2008, 213).
Die mit der Abschiebung betraute Behörde hat die aus Art. 2 Abs. 2 GG erwachsende Pflicht, durch eine hinreichende Ausgestaltung der tatsächlichen Durchführung der Abschiebung erhebliche Gefahren für Leib und Leben des Betroffenen abzuwenden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.09.2014 - 2 BvR 939/14 -, NVwZ 2014, 1511 Rn. 10). Die grund- und menschenrechtliche Verpflichtungen deutscher Behörden umfassen im Fall einer Abschiebung deren Durchführung einschließlich einer - in Einzelfällen - erforderlichen Übergabe an medizinisch hinreichend qualifiziertes Personal im Zielstaat der Abschiebung (BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.09.2014 - 2 BvR 939/14 -, NVwZ 2014, 1511 Rn. 14; vgl. auch EGMR (GK), Urteil vom 13.12.2016 - 41738/10 - < Paposhvili > Rn. 205). Aus der zitierten, neuesten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Verfahren Paposhvili gegen Belgien geht überdies hervor, dass Art. 3 EMRK vor einer Abschiebung, die zu einer ernsthaften, schnellen und irreversiblen Verschlechterung des Gesundheitszustands, die zu schwerem Leiden oder einer erheblichen Verringerung der Lebenserwartung führt, schützt (EGMR (GK), Urteil vom 13.12.2016 - 41738/10 - < Paposhvili > Rn. 183 unter teilweise Aufgabe anderslautender Rechtsprechung). Bei ernstlichen Zweifeln daran, ob eine hinreichende Versorgung im Zielstaat der Abschiebung sichergestellt ist, ist der abschiebende Staat gehalten, eine individuelle und hinreichende Zusicherung des Zielstaats einzuholen, um das Seinige getan zu haben, sicherzustellen, dass die von der Abschiebung betroffene Person sich nicht in Umständen wiederfindet, die mit den Vorgaben von Art. 3 EMRK nicht zu vereinbaren sind (EGMR (GK), Urteil vom 13.12.2016 - 41738/10 - < Paposhvili > Rn. 191).
Ausgehend hiervon ist die Abschiebung der Antragstellerin zu 1 derzeit deshalb rechtlich unmöglich, weil ihr im Falle der Abschiebung eine konkrete und erhebliche Gesundheitsgefahr droht und es an hinreichenden Vorkehrungen zur Minimierung etwaiger Gesundheitsgefahren fehlt.
Ausweislich des formularmäßigen Vermerks des Antragsgegners von 3. November 2016 „muss sichergestellt werden, dass [die Antragstellerin zu 1] durch entsprechende Überwachung nicht in der Lage ist, sich umzubringen“. Es soll bei den mazedonischen Behörden angemeldet werden, dass die Antragstellerin zu 1 suizidgefährdet sei und ärztlich in Empfang genommen werde. Zur Umsetzung dieser vom Antragsgegner - unter Zugrundelegung der in den Behördenakten vorhandenen ärztlichen Stellungnahmen zu Recht - für erforderlich gehaltenen Maßnahmen hat dieser mit E-Mail vom 23. Januar 2017 an zwei Empfänger bei den zuständigen Behörden Mazedoniens die Diagnosen der Antragstellerin zu 1 mit der Bitte, „sicherzustellen, dass die Person nach Ankunft am Flughafen Skopje von einem Arzt in Empfang genommen wird“, übersandt. Sodann findet sich in den Akten eine automatisch generierte Antwort folgenden Inhalts:
„Die Zustellung an diese Empfänger oder Gruppen ist abgeschlossen. Vom Zielserver wurde keine Zustellungsbenachrichtigung gesendet [zwei E-Mail-Adressen des mazedonischen Innenministeriums]“
Diese automatisierte Antwort ist angesichts des auch vom Antragsgegner angenommenen Risikos bei der Abschiebung für die Antragstellerin zu 1 auf keinen Fall geeignet, eine hinreichende Ausgestaltung der tatsächlichen Durchführung der Abschiebung zur Vermeidung erheblicher Gefahren für Leib und Leben des Betroffenen zu belegen. Denn dieses - vom Antragsgegner nach eigenem Vorbringen regelmäßig angewandtes - System kennt keine Vorkehrungen gegen technische Pannen oder menschliches Versagen, die dazu führen könnten, dass die Ankündigung nicht oder nur unzureichend wahrgenommen oder den Aufforderungen nachgekommen wird. Weder ist sichergestellt, dass die Nachricht tatsächlich gelesen wird und nicht aus Versehen durch einen spam-Filter aussortiert wird, noch ist gewährleistet, dass die Nachricht tatsächlich gelesen und verarbeitet und nicht etwa versehentlich durch den Bearbeiter in Mazedonien gelöscht wird. Deshalb ist mindestens in jedem Fall, in dem eine Übergabe an medizinisches Personal im Zielstaat der Abschiebung rechtlich erforderlich ist, eine kurze nicht automatisierte, zustimmende Antwort der Behörden des Zielstaats notwendig, damit die deutschen Behörden davon ausgehen dürfen, alles Erforderliche in die Wege geleitet zu haben. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass es nach dem Vortrag des Antragsgegners bislang keine Probleme mit dem praktizierten gemeinsamen Verfahren mit Mazedonien gegeben habe. Denn die Anwendung eines solchen Erfahrungssatz allein wird mit Blick auf die offenkundig fehlenden Vorkehrungen gegen technische Pannen oder menschliches Versagen dem gebotenen Schutz des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit nicht gerecht. Ein Vertrauen in ein regelmäßiges Funktionieren der Kooperation reicht nicht aus. Es ist das Funktionieren der Kooperation in jedem Einzelfall sicherzustellen, um das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Betroffenen bestmöglich zu schützen.
10 
Ob und wann über ein kurze zustimmende Antwort hinaus konkrete, einzelfallbezogene Zusicherungen erforderlich sind, bedarf hier keiner Entscheidung. Allerdings gilt der Grundsatz, dass rein abstrakte und pauschale Zusagen regelmäßig dann unzureichend sind, wenn die tatsächliche Gefahr einer lebensbedrohlichen Situation im Falle einer fehlenden Übergabe an medizinisches Personal oder nicht hinreichend qualifiziertes medizinisches Personal unmittelbar besteht (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 21.06.2016 - 2 M 16/16 -, Asylmagazin 2016, 437).
11 
Zur hinreichenden Sicherstellung und Dokumentation (vgl. zur Bedeutung der Dokumentation als verfahrensbegleitende und grundrechtssichernde Maßnahme BVerfG, Kammerbeschluss vom 09.07.2007 - 2 BvR 206/07 -, NVwZ 2007, 1178) ist nach Auffassung des Senats voraussichtlich eine Aussetzung der Abschiebung bis zum 15. März 2017 ausreichend. Zur Vorbeugung von Missverständnissen weist der Senat aber darauf hin, dass auch nach Ablauf des 15. März 2017 eine Abschiebung nur dann rechtlich zulässig sein kann, wenn sie den oben aufgeführten Maßstäben gerecht wird.
12 
Eine weitergehende Aussetzung der Abschiebung ist - auch mit Blick auf den Gesundheitszustand der Antragstellerin zu 1 - derzeit rechtlich nicht geboten. Insbesondere sind die von der Antragstellerin zu 1 vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen auch nach Auffassung des Senats nicht geeignet, die Auffassung der Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie des Fachbereichs Gesundheit der Stadt Mannheim in Zweifel zu ziehen. Allerdings weist der Senat hier darauf hin, dass - je nach Zeitablauf - für den Fall eines erneuten Abschiebungsversuchs eine zeitlich aktuelle Stellungnahme einzuholen sein kann.
13 
Für die Antragsteller zu 2 bis zu 4 ergibt sich die Unmöglichkeit ihrer Abschiebung aus Art. 6 Abs. 1 GG.
14 
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus den §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG.
15 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Der angegriffene Beschluss wird geändert.

Der Antrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Rücküberstellung der Antragstellerin nach Deutschland zu verpflichten, wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 1.250 Euro festgesetzt.


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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.