Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I. Die Nummern 4 bis 6 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20. Juni 2017 werden aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass bei der Klägerin ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.

II. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist armenische Staatsangehörige. Sie reiste nach eigenen Angaben am 9. Juli 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 23. Juli 2014 ihren Asylantrag, den sie mit ihrem schlechten Gesundheitszustand begründete.

Mit Bescheid vom 20. Juni 2017 lehnte das Bundesamt für ... den Antrag zu Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), den Antrag auf Asylanerkennung (Nr. 2) und den Antrag auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als offensichtlich unbegründet ab. Weiter wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Die Klägerin wurde unter Androhung der Abschiebung nach Armenien zur Ausreise innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides aufgefordert (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).

Am 10. Juli 2017 ließ die Klägerin Klage erheben und beantragen,

die Beklagte unter entsprechender Aufhebung der Ziffern 4 bis 6 des Bescheides vom 20. Juni 2017, zugestellt am 3. Juli 2017, (Gz.: …*) zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Armenien vorliegen.

Zur Klagebegründung ließ die Klägerin unter Vorlage verschiedener Unterlagen im Wesentlichen vorbringen: Die Klägerin leide an einer paranoiden Schizophrenie, akustischen und optischen Halluzinationen, sonstigen Symptomen sowie einer chronischen obstruktiven Lungenkrankheit (COPD). Sie sei in der Vergangenheit mehrfach in stationärer Behandlung gewesen. Hinzu ergebe sich, dass die Klägerin betreuungsbedürftig sei. Eine vorhergehende Betreuung sei beendet. Ein neuer Antrag auf Betreuung sei gestellt. Das Städtische Krankenhaus Pirmasens habe ärztlich die Notwendigkeit einer Betreuung bescheinigt. Auch in Armenien müsste eine Betreuung eingerichtet werden, die sich dann jeweils um die Behandlung der Klägerin kümmere. Außerdem müsste sichergestellt sein, dass die Klägerin auch im Falle einer Rückkehr im Bedarfsfall stationär behandelt werde. Die Klägerin wäre in Armenien auf sich alleingestellt und könnte - da sie Betreuung benötige - die möglicherweise nach dem Gesetz kostenfreie Behandlung unmöglich erwirken. Sie sei nicht in der Lage, bei Behörden und Krankenhäusern ihren gesetzlichen Anspruch durchzusetzen. In Ermangelung einer Betreuung sei auszuschließen, dass sie eine Rente beantragen und erhalten könnte. Sie könnte auch unmöglich die notwendigen Medikamente finanzieren. Der Mindestlohn eines Arbeiters würde allein für die Beschaffung eines Medikaments verwendet werden müssen. Sie benötige weitere Medikamente aufgrund der Lungenerkrankung. Es sei offen, was diese Medikamente in Armenien kosten würden und ob diese dort erhältlich seien.

Mit Schriftsatz vom 10. Juli 2017 ließ die Klägerin gegenüber der Beklagten mitteilen, dass der Asylantrag der Klägerin zurückgenommen werde. Gegen den Bescheid vom 20. Juni 2017 sei nur im Hinblick auf Ziffer 4 bis 6 Klage erhoben.

Mit weiteren Schriftsätzen von 19. und 24. Juli 2017 ließ die Klägerin weitere Unterlagen zur Behandlung ihrer Erkrankungen sowie zur Bestellung ihres Sohnes als Betreuer für sie vorlegen.

Mit Schriftsatz vom 6. Februar 2018 ließ die Klägerin unter Vorlage verschiedener, teils ärztlicher Unterlagen weiter vorbringen: Zum Beweis der Tatsache, dass die Klägerin auf Unterstützung bei der Bewältigung des täglichen Lebens angewiesen seien, werde beantragt, ein fachärztliches Gutachten einzuholen. Inzwischen habe das Amtsgericht Pirmasens den Sohn als Betreuer der Klägerin entlassen. Die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme werde derzeit beim Landgericht Zweibrücken geprüft. Die Klägerin haben zwei Söhne. Der eine Sohn, bei dem die Klägerin bis 2011 in Armenien gelebt habe, sei verstorben. Die Ehefrau habe das Haus verkauft und die Klägerin aufgefordert, das Haus zu verlassen. Seitdem bestehe kein Kontakt zu der Schwiegertochter. In Armenien lebten aktuell keine Verwandten, auf deren Unterstützung die Klägerin hoffen oder vertrauen könnte. Der andere Sohn sei mit seiner Familie in Deutschland. Der Bruder der Schwiegertochter leide an einer terminalen Niereninsuffizienz und sei fortgesetzt auf Dialyse angewiesen. Für ihn sei ein Abschiebungsverbot festgestellt. Der Bruder der Schwiegertochter Saft Unterstützung der Schwester ihrer Familie angewiesen. Aus diesem Grund werde die Auffassung vertreten, dass eine familiäre Beistandsgemeinschaft vorliege, die nur im Bundesgebiet gelebt werden könne. Die Familie des Sohnes der Klägerin kümmere sich aktuell um zwei Personen, die Unterstützung benötigten - um die Klägerin und um Bruder der Schwiegertochter. Für die Familie des Sohnes der Klägerin sei es unzumutbar, die Mutter nach Armenien zu begleiten. Die Klägerin werde ohne familiäre Unterstützung in Armenien nicht überleben können.

Mit Schriftsatz vom 4. Juli 2018 legte der Kläger eine weitere ärztliche Stellungnahme des Bezirk Unterfranken, Krankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin Lohr am Main vom 13. März 2018 vor, wonach es sich bei der Klägerin um eine hilflose Person zu handeln scheine, die eingehende Unterstützung bei den Tätigkeiten des alltäglichen Lebens benötige. Auch eine regelmäßige Einnahme der Medikation erscheine ohne Hilfe von Dritten unwahrscheinlich.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 11. Juli 2017,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss vom 10. Juli 2017 übertrug die Kammer den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung.

Mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2018 teilte die Beklagte mit: Eine Abhilfe komme nicht in Betracht. Laut Übersetzung des medizinischen Gutachtens vom 29. Dezember 2018 habe die Klägerin einen Anspruch auf kostenlose Behandlung und Versorgung mit Medikamenten, welche im Verzeichnis der unverzichtbaren Medikamente gelistet seien. Darüber hinaus hätten Sozialschwache bei Bedarf einen Anspruch auf langfristige psychiatrische Behandlung sowie einen Anspruch auf kostenlose Leistungen bei einer COPD-Erkrankung. Ferner werde eine spezielle Langzeitversorgung über Jahre kostenlos gewährt, wenn Nachweise insbesondere über die Erkrankung und Identität eingereicht würden. Somit sei nicht davon auszugehen, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin im Falle einer Rückkehr alsbald wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde.

Mit Beschluss vom 14. Juli 2017 ordnete das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage an (W 8 S 17.32770).

In der mündlichen Verhandlung am 19. Februar 2018 wiederholte die Klägerin den bereits schriftlich formulierten Antrag ihres Bevollmächtigten aus dem Klageschriftsatz vom 10. Juli 2017. Das Gericht hörte die Klägerin bzw. ihren Begleiter informatorisch an. Das Gericht erließ einen Beweisbeschluss zur Frage der Behandlungs- und Versorgungsmöglichkeiten der Klägerin in Armenien.

Mit Schriftsatz vom 13. November 2018 übermittelte die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland ein von der Kooperationsärztin der Botschaft erstelltes medizinisches Gutachten zu den vom Gericht gestellten Beweisfragen.

In der weiteren mündlichen Verhandlung am 25. März 2019 hörte das Gericht die Klägerin sowie ihre Betreuerin informatorisch an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte W 8 S 17.32770) und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 VwGO), ist begründet.

Der angegriffene Bescheid vom 20. Juni 2017 ist in den Nummern 4 bis 6 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Erheblich ist die Gefahr auch, wenn sich der Gesundheitszustand aufgrund des rückführungsbedingten Abbruchs einer notwendigen medizinischen Behandlung wegen einer unzureichenden oder - aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen - nicht zugänglichen Behandlungsmöglichkeit im Heimatland wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde (BVerwG, U.v. 17.10.2006 - 1 C 18/05 - BVerwGE 127, 33). Erforderlich aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht, weil er auf die dort unzureichenden Möglichkeiten zur Behandlung seiner Leiden angewiesen wäre und wirksame Hilfe tatsächlich nicht in Anspruch nehmen könnte (vgl. BVerwG, U.v. 29.7.1999 - 9 C 2/99 - juris Rn. 8).

Das Gericht ist angesichts der vorliegenden, zum großen Teil qualifizierten ärztlichen Stellungnahme nicht davon überzeugt, dass die Klägerin bei einer Rückkehr in ihr Heimatland Armenien die notwendige stationäre wie ambulante Behandlung sowie die erforderliche Medikation in ihrem speziellen Einzelfall erreichen kann.

Zwar hat die Beklagte zutreffend unter Bezugnahme auf einschlägige Auskünfte ausgeführt, dass auch die Behandlung von Erkrankungen in Armenien gewährleistet sei und kostenlos erfolge, wenn auch die Verfügbarkeit von Medikamenten problematisch sein könne (vgl. zur medizinischen Versorgung auch Auswärtiges Amt, Bericht über die asylabschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien vom 17.4.2018, Stand: März 2018, S. 19 f.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Armenien vom 12.12.2018, S. 33 f.). Darauf wird Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Jedoch führt das Auswärtige Amt in seinem Lagebericht ausdrücklich auch an, dass dies nur für die primäre, jedoch nur eingeschränkt für sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung gilt. Das Fehlen einer staatlichen Krankenversicherung erschwere den Zugang zur medizinischen Versorgung insoweit, als für einen Großteil der Bevölkerung die Finanzierung der kostenpflichtigen ärztlichen Behandlung extrem schwierig geworden sei. Problematisch sei auch die Verfügbarkeit von Medikamenten (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien vom 17.4.2018, Stand: März 2018, S. 19 f.).

Den von der Klägerin sowohl in den verschiedenen behördlichen Verfahren als auch im gerichtlichen Verfahren vorgelegten sowie den in den beigezogenen befindlichen Akten ärztlichen Unterlagen - die zwar nicht alle, aber zu einem großen Teil dem Erfordernis einer qualifizierten ärztlichen Bescheinigung nach § 60a Abs. 2c AufenthG entsprechen - sind Ausmaß und Umfang ihrer Erkrankungen sowie ihrer Bedürftigkeit zu entnehmen (vgl. auch schon VG Würzburg, B.v. 14.7.2017 - W 8 S 17.32770 - juris m.w.N.).

Die R. Klinik Bad N. hält laut ihrer Bescheinigung vom 29. Juni 2016 aufgrund der fortgeschrittenen COPD-Erkrankung eine Behandlung der Klägerin in Deutschland für zwingend erforderlich. Weiter belegen die ärztlichen Bescheinigungen insbesondere folgende Diagnosen: Paranoide Schizophrenie, akustische Halluzinationen, optische Halluzinationen, sonstige Symptome, die die Stimmung betreffen, chronische obstruktive Lungenkrankheit (vgl. Städt. Krankenhaus Pirmasens vom 2.3.2017). Ein vorläufiger Entlassbericht des Krankenhauses für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin W. vom 4. November 2016 enthält den Verdacht einer Psychose bei vorbekannter paranoider Schizophrenie. Wegen der chronischen Erkrankung sowie deutlicher Sprachbarriere und teilweise reduzierter Auffassungsstörung sei eine gesetzliche Betreuung einbestellt worden. Bei dem chronischen Krankheitsbild werde um Fortführung der antipsychotischen Therapie gebeten. Es werde um regelmäßige Überprüfung der Indikation für Psychopharmamedikation gebeten. Aus dem vorläufigen Entlassungsberichten des Städtischen Krankenhauses Pirmasens vom 2. März 2017 sowie vom 14. Dezember 2017 ergibt sich folgende Medikation: Ximovan (Zopicion) Risperdal (Risperidon), Diazepam, Dominal forte, Pantoprazol, ACC Brause, Symbicort Turbohaler (Budesonid, Formoterol), Berodual-Spray (Ipratropium, Fernoterol), Ibuprofen, Atosil (Promethazin).

Eine Stellungnahme des Bezirks Unterfranken, Krankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie und psychosomatische Medizin L. a.M. vom 13. März 2018 berichtet über eine stationäre Aufnahme der Klägerin ab dem 1. März 2018, konkret notfallmäßige erstmalige stationäre Aufnahme in Polizeibegleitung im Rahmen einer paranoid-halluzinatorischen Syndroms mit Eigen- und Fremdgefährdung bei vorbekannter paranoider Schizophrenie. Es könne jederzeit zu einem psychotischen Schub kommen. Die Klägerin habe ihre Depotmedikation sowie eine weitere Medikation nicht eingenommen. Es habe auch keine psychiatrische Behandlung stattgefunden. Aus ärztlicher Sicht scheine es sich bei der Klägerin um eine hilflose Person zu handeln, die eingehende Unterstützung bei der Tätigkeiten des alltäglichen Lebens benötige. Auch eine regelmäßige Einnahme der Medikation erscheine ohne Hilfe von Dritten unwahrscheinlich.

Des Weiteren liegen zwei (psychiatrische) Gutachten des Bezirks Unterfranken, Krankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin Schloß W. vom 29. November 2016 und des Städtischen Krankenhauses P. GmbH vom 3. März 2017 vor, die aus der Betreuungsakte der Klägerin stammen. Die Gutachten kommen zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die medizinischen Voraussetzung die Errichtung einer umfassenden gesetzlichen Betreuung vorliegen. Die Klägerin erscheine krankheitsbedingt nicht in der Lage, für sich oder andere adäquate Entscheidungen zu treffen. Krankheitsbedingt erscheine die Klägerin auch überfordert im Umgang mit den Ämtern und Behörden, hierzu gehörten auch Vermögensangelegenheiten. Es bestehe die Notwendigkeit einer längerfristigen Unterstützung der Aufgabenkreise der Gesundheitsfürsorge, Vermögensvorsorge, Aufenthaltsbestimmung, Vertretung gegenüber Behörden usw. auch, damit der gesetzliche Betreuer zukünftig in der Lage sei, die Klägerin im Rahmen erneuter Exazerbation rasch und rechtzeitig einer adäquaten Therapiemaßnahme zuzuführen.

Vor diesem Hintergrund liegen die Voraussetzung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor, weil im speziellen Fall der Klägerin die notwendige medizinische Versorgung sowie die erforderliche Betreuung bei einer Rückkehr nach Armenien nicht gewährleistet ist.

Zwar hat die Beklagte zutreffend mit Verweis auf das eingeholte medizinische Gutachten vom 29. November 2018 angemerkt, dass die Klägerin grundsätzlich einen Anspruch auf kostenlose Behandlung und Versorgung mit Medikamenten hat, welchem im Verzeichnis der unverzichtbaren Medikamente gelistet seien. Darüber hinaus hätten sozial Schwache einen Anspruch auf langfristige psychiatrische Behandlung sowie einen Anspruch auf kostenlose Leistungen bei einer COPD-Erkrankung. Weiter werde eine spezielle Landzeitversorgung kostenlos gewährt, wenn Nachweise, insbesondere über die Erkrankung und Identität eingereicht würden.

Gleichwohl ist dem entgegenzuhalten, dass nach dem oben zitierten Lagebericht ein Großteil der medizinischen Versorgung nicht mehr grundsätzlich kostenfrei ist und die Einkommensmöglichkeiten der Klägerin (insbesondere Pension/Rente), wie von ihrem Bevollmächtigten ausgeführt, angesichts der Kosten der erforderlichen Medikamente nicht ausreichend erscheinen, um alle notwendigen Behandlungen, auch stationärer Art sowie die erforderliche Medikation lebenslänglich zu gewährleisten (vgl. auch VG Ansbach, B.v. 20.1.2017 - AN 4 S 17.30146 - juris). Des Weiteren geht das Gericht davon aus, dass die Klägerin bei einer Rückkehr nach Armenien - jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt - ohne familiäre Hilfe auf sich allein gestellt wäre und damit die finanziellen wie medizinischen Hilfen nicht erreichen könnte.

Hinzu kommt die offene Frage einer erforderlichen Betreuung der Klägerin in Armenien. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht (vgl. BVerwG, U.v. 29.7.2002 - 1 C 1/02 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 66) kann sich ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot trotz grundsätzlich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung auch aus Umständen im Zielland ergeben, die dazu führen, dass der Betroffene die medizinische Versorgung tatsächlich dort nicht erlangen kann, weil sie ihm individuell entweder aus finanziellen oder aus sonstigen Gründen nicht zugänglich ist. In diesem Zusammenhang ist auch die in Deutschland in der Vergangenheit gewährte Betreuung, mit einzubeziehen. Ist aber eine ständige Betreuung Voraussetzung für den tatsächlichen Zugang zur medizinischen Behandlung einschließlich Medikation, kann das Fehlen der Betreuung in Armenien zu einer zielstaatsbezogenen Gefahr führen (VG München, B.v. 14.9.2016 - M 17 S 16.30727 - juris).

Vorliegend kann das Gericht nicht feststellen, dass bei der Klägerin, bezogen auf ihre individuelle Situation, davon ausgegangen werden kann, dass sie allein und ohne fremde Hilfe in der Lage ist, ihre Angelegenheiten insbesondere in gesundheitlicher Hinsicht eigenverantwortlich zu regeln, sodass nicht gewährleistet ist, dass sie die notwendige medizinische Behandlung sowie ihre Medikation in Armenien erhält (vgl. auch VG Gelsenkirchen, B.v. 24.2.2016 - 17a K 5036/14.A - Asylmagazin 2016, 171).

Zweifel an der Erreichbarkeit der medizinischen Behandlung in Armenien bestehen ohnehin schon für mittellose bzw. geringverdienende Personen, wie vermutlich auch die Klägerin, die nur einen geringen Rentenanspruch hat, den sie allein erst einmal geltend machen müsste, und bei der nicht gesichert ist, dass sie die notwendige Unterstützung durch Verwandte erhalten kann (vgl. VG Schwerin, U.v. 10.10.2014 - 3 A 929/12 As - juris). Dies gilt dann erst recht, wenn sie die erforderliche Betreuung nicht erhält und auf sich allein gestellt bleibt.

Zwar ist der Beklagtenseite zuzugeben, dass nach dem vorgelegten Gutachten der Vertrauensärztin der Deutschen Botschaft, welches mit Schreiben vom 13. November 2018 vorgelegt wurde, ein Großteil der notwendigen Medikamente, die die Klägerin benötigt, grundsätzlich in Armenien verfügbar sind, jedoch ist danach nur ein Teil der Medikamente unter gewissen Bedingungen kostenlos, so etwa das Risperidon (Rispedral), Ibuprofen, Promethasine (Atosil). Während andere Medikamente zwar grundsätzlich verfügbar sind, aber in psychiatrischen Polikliniken nicht kostenlos zur Verfügung gestellt würden, wie etwa Ximovan (Zopiclon), Pantoprazol, Budesonid + Formoterol (Symbicort) turbohaler bzw. Ipratropium + Fenoterol (Berodual).

Weiter ist im eingeholten Gutachten ausgeführt, dass eine Staatsangehörige Armeniens mit der Diagnose paranoide Schizophrenie zwar berechtigt ist, alle ambulanten und stationären speziellen psychiatrischen Leistungen kostenlos zu bekommen, einschließlich der kostenlosen Versorgung mit psychotropen Medikamenten, die im Verzeichnis der unverzichtbaren Medikamente gelistet sind. Auch hinsichtlich der COPD werden die kostenlosen Leistungen gewährleistet. Sozial Schwache haben Vorrang. Des Weiteren besteht die Möglichkeit einer langfristigen psychiatrischen Behandlung in bestimmten Krankenhäusern. Eine kostenlose Behandlung ist möglich. Auch eine spezielle Langzeitversorgung von Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen, die auf die Hilfe des Personals angewiesen sind, wird angeboten. Kostenlose Leistungen werden im Rahmen des BBP garantiert.

Allerdings müssten laut Gutachten vom Patienten zwingend bestimmte Schritte unternommen werden, um in eine Einrichtung für Langzeitpflege für Personen mit psychiatrischer Erkrankung aufgenommen zu werden, wie die Aufstellung der vorhandenen Prognosen, Untersuchungen der aktuellen geistigen Erkrankungen und stationäre Behandlung für die Dauer von drei bis vier Wochen. Nach einer zweiwöchigen Unterbrechung könne die Behandlung wiederholt werden. Des Weiteren müsse der Patient aktualisiert seine medizinischen Unterlagen und sämtlichen Angaben und die Ergebnisse der Behandlung vorlegen und sich weiter an die zuständige lokale Agentur für soziale Leistungen wenden, wo weitere Dokumente eingereicht würden, wie Reisepass oder Ausweis, medizinische Aufzeichnungen, Behindertenausweis, ein Gerichtbeschluss über die Unfähigkeit, wenn Personen offiziell für unzurechnungsfähig erklärt würden, die Kopie einer Bestellung eines Betreuers durch den zuständigen Ausschuss. Über die Betreuung beschließe der Leiter des lokalen Sozialdienstes / der Agentur und lege den Beschluss dem Ministerium für Arbeit und soziale Angelegenheiten vor. Das Ministerium koordiniere basierend auf dem oben genannten Beschluss die Zulassung und setze die Person auf die Warteliste. Des Weiteren ist ausdrücklich in dem Gutachten angeführt, dass nach den Untersuchungen bzw. Behandlungen im Krankenhaus und, wenn die Dokumente zusammengetragen sind (2 Monate), mindestens 2 weitere Monate benötigt werden, um in einer der betreffenden Einrichtungen aufgenommen zu werden, die eine Langzeitversorgung anbieten.

Ein Senior muss einen Platz in einer speziellen Einrichtung ausdrücklich beantragen, wobei Personen mit psychischer Störung nur durch einen gerichtlichen Bescheid, der die Person für unzurechnungsfähig erklärt, einer speziellen Pflegeeinrichtung zugewiesen werden können (vgl. Accord, Anfragebeantwortung zu Armenien: Staatliche Versorgung mit Personen mit Demenzerkrankung und Diabetes vom 23.8.2017).

Gerade hinsichtlich der letztgenannten Aspekte hält es das Gericht für nicht zumutbar, dass die Klägerin allein nach Armenien zurückkehrt. Dem Gericht erschließt sich nicht, wie die Klägerin auf sich allein gestellt die erforderlichen Unterlagen zusammentragen und die notwendigen Behörden- und Arztgänge erledigen können sollte. Des Weiteren ist nicht ersichtlich, wie die Klägerin allein die mindestens zweimal zwei Monate Wartezeiten überbrücken können sollte, um erst danach eine längerfristige Aufnahme in den stationären Einrichtungen zu erhalten. Denn nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen und ärztlichen Gutachten ist davon auszugehen, dass die Klägerin hilfsbedürftig und allein nicht in der Lage ist, sich dauerhaft selbst zu versorgen und auch regelmäßig ihre Medikamente zu nehmen, sofern sie diese in Armenien überhaupt bekommen würde. Sie bedarf - wie ausgeführt - Betreuung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern sowie in der Vermögenssorge.

Das Gericht verkennt dabei nicht, dass in Armenien auch zahlreiche wohltätige Organisationen in humanitärer Mission tätig sind, die sich auf alle Bereiche erstrecken. Das armenische Rote Kreuz leistet soziale, ärztliche und psychologische Unterstützung etwa für alleinstehende Senioren, Flüchtlinge und Kinder. Wohltätigkeitsküchen werden betrieben und soziale Dienste geregelt. Des Weiteren können sozialbedürftige Personen in den Genuss verschiedener Beihilfen gelangen (vgl. dazu etwa Auswärtiges Amt, Auskunft an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge von 21.12.2017; siehe auch Bundesamt für Fremdenwesen der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Armenien vom 12.12.2018, S. 31 f.). Gerade auch für Rückkehrer nach Armenien besteht die Möglichkeit sich an ein EU-Gemeinschaftsprojekt, ein Vermittlungszentrum für Reintegration, zu wenden. Dieses Vermittlungszentrum steht armenischen Staatsangehörigen, die in ihre Heimat zurückkehren, Unterstützungsleistungen zur Reintegration zur Verfügung. Die Unterstützung richte sich nach dem individuellen Förderbedarf. Das Vermittlungszentrum kann falls nötig eine kostenlose medizinische Untersuchung vermitteln. Auch die Caritas-Armenien leistet für Rückkehrer Hilfe zur Reintegration (vgl. Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Eriwan, Auskunft vom 15.3.2016 an das VG Bayreuth; VG Würzburg, B.v. 27.8.2018 - W 8 S 18.31741 - juris). Weiter gibt es Aufnahmeeinrichtungen für Obdachlose im Rentenalter (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 27.3.2018).

Diese punktuellen Hilfen genügen nach Überzeugung des Gerichts im konkreten Fall der Klägerin für sich nicht, weil bei der Klägerin speziell ein weiterer medizinischer Förder- und Unterstützungsbedarf für einen längeren Zeitraum bzw. auf Dauer besteht.

Ein Abschiebungshindernis besteht, wenn nicht sichergestellt ist, dass die unabweisbar benötigte medizinische Unterstützung zeitnah nach der Abschiebung im Heimatland zur Verfügung steht. Steht, wie hier, aufgrund eines psychiatrischen Fachgutachtens fest, dass die Klägerin an einer schweren psychischen Erkrankung leidet, die - bei nicht beachteter Medikation - zu einer akuten Selbst- und/oder Fremdgefährdung führt, wenn sie die benötigten Medikamente nicht einnimmt, muss nicht nur die Verfügbarkeit der benötigten Medikamente, sondern auch die Überwachung ihrer Einnahme sichergestellt sein (OVG Rh-Pf, B.v. 23.7.2018 - 7 B 10768/18 - NVwZ-RR 2018, 948 m.w.N.). Die allgemeine Feststellung, dass die Krankheiten der Klägerin in Armenien grundsätzlich behandelbar sind, genügt so für sich nicht. Es kommt nicht allein auf die Behandelbarkeit der Erkrankungen im Heimatland an, sondern auch darauf, ob die Klägerin in der Lage ist, diese Möglichkeiten für sich zu nutzen (siehe OVG Rh-Pf, B.v. 23.7.2018 - 7 B 10768/18 - NVwZ-RR 2018, 948). Daran fehlt es gerade bei der Klägerin.

Selbst bei der Mitgabe von Medikamenten sowie Finanzmitteln für eine Übergangszeit erschließt sich für das Gericht nicht, wie die Klägerin, ohne jegliche langfristige Unterstützung, dauerhaft an die erforderlichen Medikamente kommen und diese allein auch zuverlässig einnehmen können sollte und weiter die erforderliche stationäre Unterstützung erhalten sollte. Ohne Sicherstellung der Überwachung der Medikamenteneinnahme durch eine betreuende Person oder in einer medizinischen Einrichtung von Anfang an ist eine wesentliche Verschlechterung des Krankheitsbildes sowie eine unmittelbare Eigen- bzw. Fremdgefährdung bei einer Rückkehr wahrscheinlich (siehe Bezirk Unterfranken, Krankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie und psychosomatische Medizin Lohr a.M. vom 13. März 2018), wie zudem auch die Betreuerin in der mündlichen Verhandlung plausibel darlegte. Die Betreuerin erläuterte in der mündlichen Verhandlung anschaulich, dass die Klägerin zuletzt vom 1. März 2018 bis 11. Mai 2018 stationär in dem Bezirkskrankenhaus Lohr untergebracht gewesen sei, weil sie drei Monate lang ihre Medikamente nicht genommen habe. Deshalb habe damals eine Fremd- und Eigengefährdung bestanden. In der Folgezeit sei die Caritas eingeschaltet worden, die dafür Sorge, dass die Klägerin täglich ihre Medikamente bekomme. In Deutschland bestehe eine engmaschige Betreuung. Die Klägerin ist so schon in Deutschland auf ein strenges Netz aus verschiedenen Hilfen angewiesen, von der Unterkunft und Versorgung bis zur sicheren Kontrolle der Medikamenteneinnahme und auch der Unterstützung von außen bei der Bewältigung des täglichen Lebens.

Nach den vorliegenden Erkenntnissen ist für die Durchsetzung von Ansprüchen ein erhebliches Maß an Durchsetzungsfähigkeit und Eigeninitiative des betreffenden Patienten notwendig, um eine kostenlose Behandlung und die erforderlichen auch stationären Leistungen zu erlangen. Das Gericht sieht es gegenwärtig als ausgeschlossen an, dass die Klägerin in ihrem jetzigen Gesundheitszustand in der Lage sein wird, sich in Armenien allein zumindest um eine ausreichende Medikation zu kümmern und die regelmäßige Einnahme zu gewährleisten sowie ihre sonstigen Grundbedürfnisse zu befriedigen. Dies gilt jedenfalls, solange sich ihr Sohn nicht in Armenien, sondern noch in Deutschland aufhält (vgl. ebenso VG Magdeburg, U.v. 20.7.2018 - 3 A 94/16 MD - Asylmagazin 2018, 361; VG Chemnitz, U.v. 6.6.2016 - 4 K 1166/13.A - juris).

Bei der gerichtlichen Prognose ist eine mögliche Unterstützung in der Heimat durch Angehörige einzubeziehen, gerade wenn es darum geht, dass die Klägerin aufgrund des Gesundheitszustandes ihr Recht auf kostenfreie Behandlung nicht durchsetzen könnte (OVG NRW, B.v. 5.3.2018 - L A 83/17.A - MILo).

Nach alledem droht im Falle einer Rückkehr nach Armenien alsbald eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung des Klägers im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Ob daneben die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegen, kommt es nicht mehr an, da es sich bei dem nationalen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG insoweit um einen einheitlichen, nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand mit mehreren Anspruchsgrundlagen handelt (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.9.2011 - 10 C 23/10 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 45; VG München, Urt. v. 15.3.2017 - M 17 K 16.35002 - juris).

Die Beklagte war daher unter Aufhebung der Nummern 4 und 6 des streitgegenständlichen Bescheides zu verpflichten, für die Klägerin ein nationales Abschiebungsverbot festzustellen.

Das Gericht weist ausdrücklich darauf hin, dass die vorliegende Prognose mit der Folge eines Abschiebungsverbotes nur unter der Voraussetzung besteht, dass die Klägerin allein nach Armenien zurückkehrt. Falls ihr Sohn abgeschoben würde bzw. sonst freiwillig zurückkehrt, würde sich die Situation grundlegend ändern. Denn wenn Verwandte bzw. sonstige Angehörige im Heimatland die notwendige Unterstützung leisten könnten, damit die Klägerin sowohl zuverlässig Medikamente bekäme, als auch die ganzen behördlichen Prozeduren durchlaufen könnte, um eine längerfristige Betreuung und Unterbringung in einem Pflegeheim zu erhalten, würde das zur Zeit bestehende Abschiebungshindernis wieder entfallen (vgl. OVG NRW, B.v. 5.3.2018 - 11 A 83/17.A - MILo).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 25. März 2019 - W 8 K 17.32769

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)


(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 102


(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende di

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Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 25. März 2019 - W 8 K 17.32769 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 25. März 2019 - W 8 K 17.32769 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 14. Juli 2017 - W 8 S 17.32770

bei uns veröffentlicht am 14.07.2017

Tenor I. Die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet. II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Die Antragstellerin ist armenische

Verwaltungsgericht München Urteil, 15. März 2017 - M 17 K 16.35002

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Tenor I. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 22. November 2016 wird in den Nrn. 4 bis 6 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG hinsic

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 23. Juli 2018 - 7 B 10768/18

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weitere Fundstellen ... Tenor Auf die Beschwerde des Antragstellers wird die Antragsgegnerin unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 14. Juni 2018 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflicht

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 24. Feb. 2016 - 17a K 5036/14.A

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Tenor Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. Oktober 2014 verpflichtet festzustellen, dass in der Person des Klägers ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 29. Sept. 2011 - 10 C 23/10

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Tatbestand 1 Der Kläger erstrebt Abschiebungsschutz wegen ihm in Afghanistan drohender Gefahren. 2
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Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 14. Juli 2017 - W 8 S 17.32770

bei uns veröffentlicht am 14.07.2017

Tenor I. Die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet. II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe Die Antragstellerin ist armenische

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet.

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Antragstellerin ist armenische Staatsangehörige. Sie reiste nach eigenen Angaben am 9. Juli 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 23. Juli 2014 ihren Asylantrag, den sie mit ihrem schlechten Gesundheitszustand begründete.

Mit Bescheid vom 20. Juni 2017 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag zu Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), den Antrag auf Asylanerkennung (Nr. 2) und den Antrag auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als offensichtlich unbegründet ab. Weiter wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Die Antragstellerin wurde unter Androhung der Abschiebung nach Armenien zur Ausreise innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides aufgefordert (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).

Gegen die Nrn. 4 bis 6 des streitgegenständlichen Bescheides ließ die Antragstellerin am 10. Juli 2017 Klage erheben und gleichzeitig beantragen,

die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.

Zur Klagebegründung ließ die Antragstellerin im Wesentlichen vorbringen: Die Antragstellerin leide an einer paranoiden Schizophrenie, akustischen und optischen Halluzinationen, sonstigen Symptome sowie einer chronischen obstruktiven Lungenkrankheit (COPD). Sie sei in der Vergangenheit mehrfach in stationärer Behandlung gewesen. Hinzu ergebe sich, dass die Antragstellerin betreuungsbedürftig sei. Eine vorhergehende Betreuung sei beendet. Ein neuer Antrag auf Betreuung sei gestellt. Das Städtische Krankenhaus Pirmasens habe ärztlich die Notwendigkeit einer Betreuung bescheinigt. Auch in Armenien müsste eine Betreuung eingerichtet werden, die sich dann jeweils um die Behandlung der Antragstellerin kümmere. Außerdem müsste sichergestellt sein, dass die Antragstellerin auch im Falle einer Rückkehr im Bedarfsfall stationär behandelt werde. Die Antragstellerin wäre in Armenien auf sich alleingestellt und könnte - da sie Betreuung benötige - die möglicherweise nach dem Gesetz kostenfreie Behandlung unmöglich erwirken. Sie sei nicht in der Lage, bei Behörden und Krankenhäusern ihren gesetzlichen Anspruch durchzusetzen. In Ermangelung einer Betreuung sei auszuschließen, dass sie eine Rente beantragen und erhalten könnte. Sie könnte auch unmöglich die notwendigen Medikamente finanzieren. Der Mindestlohn eines Arbeiters würde allein für die Beschaffung eines Medikaments verwendet werden müssen. Sie benötige weitere Medikamente aufgrund der Lungenerkrankung. Es sei offen, was diese Medikamente in Armenien kosten würden und ob diese dort erhältlich seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte W 8 K 17.32769) und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II.

Bei verständiger Würdigung des Vorbringens der Antragstellerin ist der Antrag dahingehend auszulegen, dass sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Nr. 5 des angefochtenen Bundesamtsbescheides begehrt, zumal ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO betreffend die übrigen Nummern des streitgegenständlichen Bescheides unzulässig wäre.

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamts vom 20. Juni 2017 anzuordnen, ist begründet, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen (Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 i.V.m. § 77 Abs. 1 AsylG).

Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens nach § 36 Abs. 3 und 4 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO ist die von der Antragsgegnerin ausgesprochene Abschiebungsandrohung, beschränkt auf die sofortige Vollziehbarkeit. Prüfungsmaßstab der Entscheidung über die Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs ist die Frage, ob die für die Aussetzung der Abschiebung erforderlichen ernstlichen Zweifel bezogen auf das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes vorliegen. Nach Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG, § 34 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Die Vollziehung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme darf nur dann ausgesetzt werden, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1507/93, 2 BvR 1516/93 und 2 BvR 1938/793 - BVerfGE 94, 115).

In dem Zusammenhang ist weiter darauf hinzuweisen, dass die Ablehnung eines Asylantrages als offensichtlich unbegründet nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung voraussetzt, dass an der Rechtmäßigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemeiner Rechtsauffassung die Abweisung der asylrechtlichen Anträge geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2006 - 2 BvR 2063/06 - NVwZ 2007, 1046, B.v. 20.9.2001 - 2 BvR 1392/00 - InfAuslR 2002, 146).

Anknüpfungspunkt der richterlichen Prüfung ist die Abschiebungsandrohung und damit auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG. Daher erstreckt sich die Prüfung des Verwaltungsgerichts auch auf das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen hinsichtlich der Verneinung des Vorliegens der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Vorliegend steht nicht mit der erforderlichen Richtigkeitsgewähr fest, dass für die Antragstellerin kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht. Aus dem von der Antragstellerin sowohl im behördlichen Verfahren als auch im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen ist zum einen zu ersehen, dass die Rhön-Klinik Bad Neustadt laut ihrer Bescheinigung vom 29. Juni 2016 aufgrund der fortgeschrittenen COPD-Erkrankung eine Behandlung der Antragstellerin in Deutschland für zwingend erforderlich hält. Weiter belegen die ärztlichen Bescheinigungen insbesondere folgende Diagnosen: Paranoide Schizophrenie, akustische Halluzinationen, optische Halluzinationen, sonstige Symptome, die die Stimmung betreffen, chronische obstruktive Lungenkrankheit (vgl. Städt. Krankenhaus Pirmasens vom 2.3.2017). Ein vorläufiger Entlassbericht des Krankenhauses für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin Werneck vom 4. November 2016 enthält den Verdacht einer Psychose bei vorbekannter paranoider Schizophrenie. Wegen der chronischen Erkrankung sowie deutlicher Sprachbarriere und teilweise reduzierter Auffassungsstörung sei eine gesetzliche Betreuung einbestellt worden. Bei dem chronischen Krankheitsbild werde um Fortführung der antipsychotischen Therapie gebeten. Es werde um regelmäßige Überprüfung der Indikation für Psychopharmamedikation gebeten. Aus dem vorläufigen Entlassungsbericht des Städtischen Krankenhauses Pirmasens ist vom 2. März 2017 ergibt sich folgende Medikation: Risperdal, Diazepam, Dominal forte, Pantozol, ACC Brause, Symbicort DA, Berodual-Spray.

Die Frage, ob die Antragstellerin bei einer Rückkehr in ihr Heimatland Armenien die - wie in der Vergangenheit immer wieder - notwendige stationäre wie ambulante Behandlung sowie die erforderliche Medikation in ihrem speziellen Einzelfall erreichen kann oder nicht und ob die Voraussetzungen für ein nationales Abschiebungsverbot vorliegen, kann im Sofortverfahren nicht abschließend geklärt werden, sondern bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Zwar hat die Antragsgegnerin zutreffend unter Bezugnahme auf einschlägige Auskünfte ausgeführt, dass auch die Behandlung von Erkrankungen in Armenien gewährleistet sei und kostenlos erfolge, wenn auch die Verfügbarkeit von Medikamenten problematisch sein könne (vgl. zur medizinischen Versorgung auch Auswärtiges Amt, Bericht über die asylabschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien vom 21.6.2017, Stand: Februar 2017, S. 18 f.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Armenien vom 5.5.2017, S. 36 f.). Darauf wird Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Ergänzend ist weiter anzumerken, dass Erkrankungen grundsätzlich nicht die Annahme einer Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG rechtfertigen, wie der Gesetzgeber mittlerweile ausdrücklich klargestellt hat. Eine erheblich konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung unmittelbar wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (vgl. § 60 Abs. 7 Sätze 2 bis 4 AufenthG). Neben diesen materiellen Kriterien hat der Gesetzgeber zudem in § 60a Abs. 2c AufenthG prozedurale Vorgaben für ärztliche Atteste zur hinreichenden Substantiierung des betreffenden Vorbringens aufgestellt (vgl. Kluth, ZAR 2016, 121; Thym, NVwZ 2016, 409 jeweils mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen.

Danach ist erforderlich, dass gegenwärtig eine Rückkehr nach Armenien aus medizinischen Gründen unzumutbar wäre, weil sich etwaige lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankungen durch die Abschiebung unmittelbar wesentlich verschlechtern würden. Selbst wenn die Behandlungsmöglichkeiten in Armenien schlechter sein mögen als in der Bundesrepublik Deutschland, bleibt festzuhalten, dass eventuell alsbald und mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden wesentlichen bzw. lebensbedrohenden Gesundheitsverschlechterungen im Rahmen des armenischen Gesundheitssystems begegnet werden kann und muss. Die Antragstellerin ist gehalten, sowohl die Möglichkeiten des armenischen Gesundheitssowie Sozialsystems auszuschöpfen, als auch gegebenenfalls auf private Hilfemöglichkeiten, etwa durch Verwandte oder Hilfsorganisationen, zurückzugreifen, um eventuelle Gesundheitsgefahren zu vermeiden bzw. jedenfalls zu minimieren (vgl. auch BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Armenien vom 5.5.2017, S. 32 ff.).

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist bezogen auf die spezielle Situation der Antragstellerin das Folgende anzumerken:

Auch wenn die vorliegenden ärztlichen Bescheinigungen nicht den Erfordernissen des § 60a Abs. 2c AufenthG entsprechen, ist den Bescheinigungen gleichwohl zu entnehmen, dass die Antragstellerin unter einer chronisch obstruktiven Lungenkrankheit (COPD) leidet, wegen der sie wiederholt in stationärer Behandlung gewesen ist und in deren Zusammenhang der behandelnde Arzt zwingend eine Behandlung in Deutschland als erforderlich angesehen hat (Rhön-Klinik Bad Neustadt vom 29. Juni 2016). Des Weiteren war die Antragstellerin wegen ihrer paranoiden Schizophrenie mit weiteren psychischen Symptomen, die eine antipsychotische Therapie lebenslang erforderlich machen, wiederholt stationär in Behandlung. Außerdem ist ärztlicherseits vermerkt, dass wegen der chronischen Erkrankung sowie unter teilweise reduzierter Auffassungsstörung eine gesetzliche Betreuung erforderlich ist (vgl. Krankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin Schloss Werneck vom 4.11.2016; vgl. auch Städt. Krankenhaus Pirmasens vom 31.5.2017 und vom 2.3.2017).

Ob eine angemessene Behandlung der oben kurz skizzierten Krankheiten der Antragstellerin für diese bzw. für ihre Familie erreichbar und bezahlbar ist, ist fraglich. Zwar ist die medizinische Grundversorgung flächendeckend kostenlos gewährleistet. Jedoch führt das Auswärtige Amt in seinem Lagebericht ausdrücklich auch an, dass dies nur für die primäre, jedoch nur eingeschränkt für sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung gilt. Das Fehlen einer staatlichen Krankenversicherung erschwere den Zugang zur medizinischen Versorgung insoweit, als für einen Großteil der Bevölkerung die Finanzierung der kostenpflichtigen ärztlichen Behandlung extrem schwierig geworden sei. Problematisch sei auch die Verfügbarkeit von Medikamenten (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien vom 21.6.2017, Stand: Februar 2017, S. 18 f.).

Ob im speziellen Fall der Antragstellerin ihre notwendige medizinische Versorgung gewährleistet ist, kann im vorliegenden Verfahren nicht abschließend geklärt werden, da nach dem zitierten Lagebericht ein Großteil der medizinischen Versorgung nicht mehr grundsätzlich kostenfrei ist und die Einkommensmöglichkeiten der Antragstellerin (insbesondere Pension/Rente), wie von ihrem Bevollmächtigen ausgeführt, auch angesichts der Kosten der erforderlichen Medikamente nicht ausreichend erscheinen, um alle notwendigen Behandlungen, auch stationärer Art, sowie die erforderliche Medikationen lebenslänglich zu gewährleisten (vgl. auch VG Ansbach, B.v. 20.1.2017 - AN 4 S. 17.30146 - juris). Hinzu kommt, dass es nicht gesichert ist, dass die Antragstellerin insofern ohne weiteres auf familiäre Hilfe zurückgreifen könnte. Zwar leben ihre Schwiegertochter sowie ihr Enkel noch in Armenien, jedoch befinden sich ihr Sohn und weitere Familienmitglieder in Deutschland.

Hinzu kommt die offene Frage einer erforderlichen Betreuung der Antragstellerin in Armenien. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht (vgl. BVerwG, U.v. 29.7.2002 - 1 C 1/02 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 66) kann sich ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot trotz grundsätzlich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung auch aus Umständen im Zielland ergeben, die dazu führen, dass der Betroffene die medizinische Versorgung tatsächlich dort nicht erlangen kann, weil sie ihm individuell entweder aus finanziellen oder aus sonstigen Gründen nicht zugänglich ist. In diesem Zusammenhang ist auch die in Deutschland in der Vergangenheit gewährte Betreuung, die zurzeit erneut beantragt ist, mit einzubeziehen. Ist aber eine ständige Betreuung Voraussetzung für den tatsächlichen Zugang zur medizinischen Behandlung einschließlich Medikation, kann das Fehlen der Betreuung in Armenien zu einer zielstaatsbezogenen Gefahr führen (vgl. BVerwG, U.v. 29.7.2002 - 1 C 1/02 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 66; VG München, B.v. 14.9.2016 - M 17 S. 16.30727 - juris). Die Prüfung, ob eine gegebenenfalls erforderliche Betreuung auch in Armenien sichergestellt wäre, bedarf ebenfalls noch der Klärung im Hauptsacheverfahren.

Vorliegend kann das Gericht jedenfalls nicht feststellen, dass bei der Antragstellerin, bezogen auf ihre individuelle Situation, davon ausgegangen werden kann, dass sie allein und ohne fremde Hilfe in der Lage ist, ihre Angelegenheiten insbesondere in gesundheitlicher Hinsicht eigenverantwortlich zu regeln, sodass nicht gewährleistet ist, dass sie die notwendige medizinische Behandlung sowie ihre Medikation in Armenien erhält (vgl. auch VG Gelsenkirchen, B.v. 24.2.2016 - 17A K 5036/14.A - Asylmagazin 2016, 171).

Zweifel an der Erreichbarkeit der medizinischen Behandlung in Armenien bestehen ohnehin schon für mittellose bzw. geringverdienende Personen, wie etwa vermutlich auch die Antragstellerin, die nur von einer geringen Rente lebt, und bei der nicht klar ist, ob sie die notwendige Unterstützung durch Verwandte erhalten kann (vgl. VG Schwerin, U.v. 10.10.2014 - 3 A 929/12 As - juris). Dies gilt dann erst recht, wenn sie die erforderliche Betreuung nicht erhält.

Nach alledem bestehen ernstliche Zweifel an der Ablehnung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG durch die Antragsgegnerin.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtkosten werden nicht erhoben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet.

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Antragstellerin ist armenische Staatsangehörige. Sie reiste nach eigenen Angaben am 9. Juli 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 23. Juli 2014 ihren Asylantrag, den sie mit ihrem schlechten Gesundheitszustand begründete.

Mit Bescheid vom 20. Juni 2017 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag zu Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), den Antrag auf Asylanerkennung (Nr. 2) und den Antrag auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als offensichtlich unbegründet ab. Weiter wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Die Antragstellerin wurde unter Androhung der Abschiebung nach Armenien zur Ausreise innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides aufgefordert (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).

Gegen die Nrn. 4 bis 6 des streitgegenständlichen Bescheides ließ die Antragstellerin am 10. Juli 2017 Klage erheben und gleichzeitig beantragen,

die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.

Zur Klagebegründung ließ die Antragstellerin im Wesentlichen vorbringen: Die Antragstellerin leide an einer paranoiden Schizophrenie, akustischen und optischen Halluzinationen, sonstigen Symptome sowie einer chronischen obstruktiven Lungenkrankheit (COPD). Sie sei in der Vergangenheit mehrfach in stationärer Behandlung gewesen. Hinzu ergebe sich, dass die Antragstellerin betreuungsbedürftig sei. Eine vorhergehende Betreuung sei beendet. Ein neuer Antrag auf Betreuung sei gestellt. Das Städtische Krankenhaus Pirmasens habe ärztlich die Notwendigkeit einer Betreuung bescheinigt. Auch in Armenien müsste eine Betreuung eingerichtet werden, die sich dann jeweils um die Behandlung der Antragstellerin kümmere. Außerdem müsste sichergestellt sein, dass die Antragstellerin auch im Falle einer Rückkehr im Bedarfsfall stationär behandelt werde. Die Antragstellerin wäre in Armenien auf sich alleingestellt und könnte - da sie Betreuung benötige - die möglicherweise nach dem Gesetz kostenfreie Behandlung unmöglich erwirken. Sie sei nicht in der Lage, bei Behörden und Krankenhäusern ihren gesetzlichen Anspruch durchzusetzen. In Ermangelung einer Betreuung sei auszuschließen, dass sie eine Rente beantragen und erhalten könnte. Sie könnte auch unmöglich die notwendigen Medikamente finanzieren. Der Mindestlohn eines Arbeiters würde allein für die Beschaffung eines Medikaments verwendet werden müssen. Sie benötige weitere Medikamente aufgrund der Lungenerkrankung. Es sei offen, was diese Medikamente in Armenien kosten würden und ob diese dort erhältlich seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte W 8 K 17.32769) und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II.

Bei verständiger Würdigung des Vorbringens der Antragstellerin ist der Antrag dahingehend auszulegen, dass sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Nr. 5 des angefochtenen Bundesamtsbescheides begehrt, zumal ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO betreffend die übrigen Nummern des streitgegenständlichen Bescheides unzulässig wäre.

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamts vom 20. Juni 2017 anzuordnen, ist begründet, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen (Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 i.V.m. § 77 Abs. 1 AsylG).

Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens nach § 36 Abs. 3 und 4 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO ist die von der Antragsgegnerin ausgesprochene Abschiebungsandrohung, beschränkt auf die sofortige Vollziehbarkeit. Prüfungsmaßstab der Entscheidung über die Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs ist die Frage, ob die für die Aussetzung der Abschiebung erforderlichen ernstlichen Zweifel bezogen auf das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes vorliegen. Nach Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG, § 34 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Die Vollziehung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme darf nur dann ausgesetzt werden, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1507/93, 2 BvR 1516/93 und 2 BvR 1938/793 - BVerfGE 94, 115).

In dem Zusammenhang ist weiter darauf hinzuweisen, dass die Ablehnung eines Asylantrages als offensichtlich unbegründet nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung voraussetzt, dass an der Rechtmäßigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemeiner Rechtsauffassung die Abweisung der asylrechtlichen Anträge geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2006 - 2 BvR 2063/06 - NVwZ 2007, 1046, B.v. 20.9.2001 - 2 BvR 1392/00 - InfAuslR 2002, 146).

Anknüpfungspunkt der richterlichen Prüfung ist die Abschiebungsandrohung und damit auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG. Daher erstreckt sich die Prüfung des Verwaltungsgerichts auch auf das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen hinsichtlich der Verneinung des Vorliegens der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Vorliegend steht nicht mit der erforderlichen Richtigkeitsgewähr fest, dass für die Antragstellerin kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht. Aus dem von der Antragstellerin sowohl im behördlichen Verfahren als auch im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen ist zum einen zu ersehen, dass die Rhön-Klinik Bad Neustadt laut ihrer Bescheinigung vom 29. Juni 2016 aufgrund der fortgeschrittenen COPD-Erkrankung eine Behandlung der Antragstellerin in Deutschland für zwingend erforderlich hält. Weiter belegen die ärztlichen Bescheinigungen insbesondere folgende Diagnosen: Paranoide Schizophrenie, akustische Halluzinationen, optische Halluzinationen, sonstige Symptome, die die Stimmung betreffen, chronische obstruktive Lungenkrankheit (vgl. Städt. Krankenhaus Pirmasens vom 2.3.2017). Ein vorläufiger Entlassbericht des Krankenhauses für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin Werneck vom 4. November 2016 enthält den Verdacht einer Psychose bei vorbekannter paranoider Schizophrenie. Wegen der chronischen Erkrankung sowie deutlicher Sprachbarriere und teilweise reduzierter Auffassungsstörung sei eine gesetzliche Betreuung einbestellt worden. Bei dem chronischen Krankheitsbild werde um Fortführung der antipsychotischen Therapie gebeten. Es werde um regelmäßige Überprüfung der Indikation für Psychopharmamedikation gebeten. Aus dem vorläufigen Entlassungsbericht des Städtischen Krankenhauses Pirmasens ist vom 2. März 2017 ergibt sich folgende Medikation: Risperdal, Diazepam, Dominal forte, Pantozol, ACC Brause, Symbicort DA, Berodual-Spray.

Die Frage, ob die Antragstellerin bei einer Rückkehr in ihr Heimatland Armenien die - wie in der Vergangenheit immer wieder - notwendige stationäre wie ambulante Behandlung sowie die erforderliche Medikation in ihrem speziellen Einzelfall erreichen kann oder nicht und ob die Voraussetzungen für ein nationales Abschiebungsverbot vorliegen, kann im Sofortverfahren nicht abschließend geklärt werden, sondern bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Zwar hat die Antragsgegnerin zutreffend unter Bezugnahme auf einschlägige Auskünfte ausgeführt, dass auch die Behandlung von Erkrankungen in Armenien gewährleistet sei und kostenlos erfolge, wenn auch die Verfügbarkeit von Medikamenten problematisch sein könne (vgl. zur medizinischen Versorgung auch Auswärtiges Amt, Bericht über die asylabschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien vom 21.6.2017, Stand: Februar 2017, S. 18 f.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Armenien vom 5.5.2017, S. 36 f.). Darauf wird Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Ergänzend ist weiter anzumerken, dass Erkrankungen grundsätzlich nicht die Annahme einer Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG rechtfertigen, wie der Gesetzgeber mittlerweile ausdrücklich klargestellt hat. Eine erheblich konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung unmittelbar wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (vgl. § 60 Abs. 7 Sätze 2 bis 4 AufenthG). Neben diesen materiellen Kriterien hat der Gesetzgeber zudem in § 60a Abs. 2c AufenthG prozedurale Vorgaben für ärztliche Atteste zur hinreichenden Substantiierung des betreffenden Vorbringens aufgestellt (vgl. Kluth, ZAR 2016, 121; Thym, NVwZ 2016, 409 jeweils mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen.

Danach ist erforderlich, dass gegenwärtig eine Rückkehr nach Armenien aus medizinischen Gründen unzumutbar wäre, weil sich etwaige lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankungen durch die Abschiebung unmittelbar wesentlich verschlechtern würden. Selbst wenn die Behandlungsmöglichkeiten in Armenien schlechter sein mögen als in der Bundesrepublik Deutschland, bleibt festzuhalten, dass eventuell alsbald und mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden wesentlichen bzw. lebensbedrohenden Gesundheitsverschlechterungen im Rahmen des armenischen Gesundheitssystems begegnet werden kann und muss. Die Antragstellerin ist gehalten, sowohl die Möglichkeiten des armenischen Gesundheitssowie Sozialsystems auszuschöpfen, als auch gegebenenfalls auf private Hilfemöglichkeiten, etwa durch Verwandte oder Hilfsorganisationen, zurückzugreifen, um eventuelle Gesundheitsgefahren zu vermeiden bzw. jedenfalls zu minimieren (vgl. auch BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Armenien vom 5.5.2017, S. 32 ff.).

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist bezogen auf die spezielle Situation der Antragstellerin das Folgende anzumerken:

Auch wenn die vorliegenden ärztlichen Bescheinigungen nicht den Erfordernissen des § 60a Abs. 2c AufenthG entsprechen, ist den Bescheinigungen gleichwohl zu entnehmen, dass die Antragstellerin unter einer chronisch obstruktiven Lungenkrankheit (COPD) leidet, wegen der sie wiederholt in stationärer Behandlung gewesen ist und in deren Zusammenhang der behandelnde Arzt zwingend eine Behandlung in Deutschland als erforderlich angesehen hat (Rhön-Klinik Bad Neustadt vom 29. Juni 2016). Des Weiteren war die Antragstellerin wegen ihrer paranoiden Schizophrenie mit weiteren psychischen Symptomen, die eine antipsychotische Therapie lebenslang erforderlich machen, wiederholt stationär in Behandlung. Außerdem ist ärztlicherseits vermerkt, dass wegen der chronischen Erkrankung sowie unter teilweise reduzierter Auffassungsstörung eine gesetzliche Betreuung erforderlich ist (vgl. Krankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin Schloss Werneck vom 4.11.2016; vgl. auch Städt. Krankenhaus Pirmasens vom 31.5.2017 und vom 2.3.2017).

Ob eine angemessene Behandlung der oben kurz skizzierten Krankheiten der Antragstellerin für diese bzw. für ihre Familie erreichbar und bezahlbar ist, ist fraglich. Zwar ist die medizinische Grundversorgung flächendeckend kostenlos gewährleistet. Jedoch führt das Auswärtige Amt in seinem Lagebericht ausdrücklich auch an, dass dies nur für die primäre, jedoch nur eingeschränkt für sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung gilt. Das Fehlen einer staatlichen Krankenversicherung erschwere den Zugang zur medizinischen Versorgung insoweit, als für einen Großteil der Bevölkerung die Finanzierung der kostenpflichtigen ärztlichen Behandlung extrem schwierig geworden sei. Problematisch sei auch die Verfügbarkeit von Medikamenten (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien vom 21.6.2017, Stand: Februar 2017, S. 18 f.).

Ob im speziellen Fall der Antragstellerin ihre notwendige medizinische Versorgung gewährleistet ist, kann im vorliegenden Verfahren nicht abschließend geklärt werden, da nach dem zitierten Lagebericht ein Großteil der medizinischen Versorgung nicht mehr grundsätzlich kostenfrei ist und die Einkommensmöglichkeiten der Antragstellerin (insbesondere Pension/Rente), wie von ihrem Bevollmächtigen ausgeführt, auch angesichts der Kosten der erforderlichen Medikamente nicht ausreichend erscheinen, um alle notwendigen Behandlungen, auch stationärer Art, sowie die erforderliche Medikationen lebenslänglich zu gewährleisten (vgl. auch VG Ansbach, B.v. 20.1.2017 - AN 4 S. 17.30146 - juris). Hinzu kommt, dass es nicht gesichert ist, dass die Antragstellerin insofern ohne weiteres auf familiäre Hilfe zurückgreifen könnte. Zwar leben ihre Schwiegertochter sowie ihr Enkel noch in Armenien, jedoch befinden sich ihr Sohn und weitere Familienmitglieder in Deutschland.

Hinzu kommt die offene Frage einer erforderlichen Betreuung der Antragstellerin in Armenien. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht (vgl. BVerwG, U.v. 29.7.2002 - 1 C 1/02 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 66) kann sich ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot trotz grundsätzlich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung auch aus Umständen im Zielland ergeben, die dazu führen, dass der Betroffene die medizinische Versorgung tatsächlich dort nicht erlangen kann, weil sie ihm individuell entweder aus finanziellen oder aus sonstigen Gründen nicht zugänglich ist. In diesem Zusammenhang ist auch die in Deutschland in der Vergangenheit gewährte Betreuung, die zurzeit erneut beantragt ist, mit einzubeziehen. Ist aber eine ständige Betreuung Voraussetzung für den tatsächlichen Zugang zur medizinischen Behandlung einschließlich Medikation, kann das Fehlen der Betreuung in Armenien zu einer zielstaatsbezogenen Gefahr führen (vgl. BVerwG, U.v. 29.7.2002 - 1 C 1/02 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 66; VG München, B.v. 14.9.2016 - M 17 S. 16.30727 - juris). Die Prüfung, ob eine gegebenenfalls erforderliche Betreuung auch in Armenien sichergestellt wäre, bedarf ebenfalls noch der Klärung im Hauptsacheverfahren.

Vorliegend kann das Gericht jedenfalls nicht feststellen, dass bei der Antragstellerin, bezogen auf ihre individuelle Situation, davon ausgegangen werden kann, dass sie allein und ohne fremde Hilfe in der Lage ist, ihre Angelegenheiten insbesondere in gesundheitlicher Hinsicht eigenverantwortlich zu regeln, sodass nicht gewährleistet ist, dass sie die notwendige medizinische Behandlung sowie ihre Medikation in Armenien erhält (vgl. auch VG Gelsenkirchen, B.v. 24.2.2016 - 17A K 5036/14.A - Asylmagazin 2016, 171).

Zweifel an der Erreichbarkeit der medizinischen Behandlung in Armenien bestehen ohnehin schon für mittellose bzw. geringverdienende Personen, wie etwa vermutlich auch die Antragstellerin, die nur von einer geringen Rente lebt, und bei der nicht klar ist, ob sie die notwendige Unterstützung durch Verwandte erhalten kann (vgl. VG Schwerin, U.v. 10.10.2014 - 3 A 929/12 As - juris). Dies gilt dann erst recht, wenn sie die erforderliche Betreuung nicht erhält.

Nach alledem bestehen ernstliche Zweifel an der Ablehnung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG durch die Antragsgegnerin.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtkosten werden nicht erhoben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. Oktober 2014 verpflichtet festzustellen, dass in der Person des Klägers ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Mazedonien vorliegt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Das Urteil hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn ich der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.


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Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird die Antragsgegnerin unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 14. Juni 2018 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Abschiebung des Antragstellers nach Brasilien unverzüglich, spätestens bis zum 10. August 2018, rückgängig zu machen und auf ihre Kosten alle erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen – insbesondere medizinischen – Maßnahmen zu ergreifen, um seine Rückkehr nach Deutschland bis zu diesem Datum zu bewirken.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt die Antragsgegnerin.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für beide Rechtszüge auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt die Rückgängigmachung seiner Abschiebung.

2

Er ist im Jahr 1986 geboren und besitzt die brasilianische Staatsangehörigkeit. Seine brasilianische Mutter heiratete später den deutschen Vater. Der Antragsteller lebte von 1993 bis 1998 in Portugal und danach mit Ausnahme eines zweijährigen Aufenthalts in Deutschland in Brasilien. Im Mai 2013 reiste er nach Deutschland ein. Seine Schwester und – zeitweise – seine Eltern leben in Deutschland.

3

Im Jahr 2000 war der Antragsteller drogenabhängig. Er hielt sich in einer therapeutischen Gemeinschaft zur freiwilligen Suchtbetreuung (Fazenda de Esperanza) auf und befand sich bei einem Psychiater in Betreuung.

4

Der Antragsteller leidet an paranoider Schizophrenie bzw. an einer schizoaffektiven Störung. Er wurde am 13. Oktober 2014 in das Z. in M. eingewiesen und dort über einen Monat stationär behandelt. In der Folgezeit befand sich der Antragsteller mehrfach in stationärer und durchgehend in ambulanter Behandlung.

5

Zu seiner Erkrankung liegen unter anderem folgende ärztliche Stellungnahmen vor:

6

Nach dem ärztlichen Attest des vorgenannten Z. vom 13. Mai 2015 waren beim Antragsteller wiederholt Behandlungen wegen schwerer Eigengefährdung mit Suizidalität erforderlich.

7

Im psychiatrischen Fachgutachten, das Prof. Dr. A. und Dr. S. vom Lehrstuhl für Psychiatrie an der Universität H. am 1. Dezember 2015 erstellten, ist ausgeführt, beim Antragsteller bestehe eine akute Eigen- und Fremdgefährdung, wenn er seine Medikamente absetze. Im Falle einer Rückkehr nach Brasilien bestehe die Gefahr einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes und für das Leben des Antragstellers, aber auch die Gefahr einer unmittelbaren Bedrohung anderer.

8

Das Krankenhaus „H.“ in L. bescheinigt dem Antragsteller in den Attesten vom 6. Dezember 2017 und 9. Februar 2018 ebenfalls Eigen- wie auch Fremdgefährdung. Er sei an die Institutsambulanz angebunden. Dort würden seine Medikamente gerichtet. Der Antragsteller werde mehrmals wöchentlich von einer Fachkraft aufgesucht.

9

Mit Bescheid vom 9. Januar 2015 lehnte die Antragsgegnerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab, forderte den Antragsteller zur Ausreise auf und drohte ihm die Abschiebung an.

10

Ein auf Absehen von der Abschiebung gerichteter Eilantrag blieb in erster Instanz ohne Erfolg. Im Beschwerdeverfahren verpflichtete der Senat die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 7. August 2015 (7 B 10468/15.OVG), mit der Abschiebung bis zum 30. November 2015 zuzuwarten und ein psychiatrisches Fachgutachten zur Gefahr einer wesentlichen Verschlechterung der Gesundheit des Antragstellers bei einer Rückkehr nach Brasilien einzuholen.

11

Das Gutachten wurde für die Antragsgegnerin am 1. Dezember 2015 erstellt (s.o.).

12

Am 20. Februar 2017 richtete sie eine Anfrage zur Behandlung des Antragstellers an die Zentralstelle für Informationsvermittlung zur Rückkehrförderung (ZIRF). Nach deren Auskunft kann die Erkrankung in Brasilien behandelt werden.

13

Am 29. März 2018 beschloss das Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein, die seit April 2016 bestehende Betreuung für den Antragsteller zu verlängern. Sie umfasst unter anderem die Gesundheitsfürsorge und das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Der Antragsteller könne wegen der schizoaffektiven Störung seine Angelegenheiten nicht besorgen.

14

Der Antragsteller wurde am 5. April 2018 unter ärztlicher Begleitung nach P. (Brasilien) abgeschoben. Nach dem Übergabeprotokoll wurden die brasilianischen Behörden kurz über die Erkrankung des Antragstellers informiert. Dieser erhielt Medikamente für ca. sechs Monate.

15

Seine Familie mietete für den Antragsteller ein Zimmer in R. an. Nach eidesstattlichen Versicherungen der Mutter nutzte er das Zimmer nicht. Er lebte stattdessen auf der Straße. Eine Freundin der Mutter berichtete, wie der Antragsteller nur mit einer Unterhose bekleidet ziellos am Strand entlanglief. Ein Freund konnte ihn überreden, in der Fazenda de Esperanza Hilfe zu suchen.

16

Mit Schriftsatz vom 25. April 2018 hat der Antragsteller die Rückgängigmachung seiner Abschiebung im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt.

17

Der Antrag ist vom Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße mit Beschluss vom 14. Juni 2018 (2 L 546/18.NW) abgelehnt worden.

18

Im erstinstanzlichen und im Beschwerdeverfahren streiten die Beteiligten darum, ob der Antragsteller in Brasilien eine ausreichende Gesundheitsversorgung erhalten kann und ob eine Eigen- und Fremdgefährdung anzunehmen ist.

II.

19

Die Beschwerde ist begründet.

20

Die Ausführungen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren enthalten Gründe, aus denen der Beschluss des Verwaltungsgerichts abzuändern ist (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO). Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.

21

1. Die Bedenken des Verwaltungsgerichts zur Zulässigkeit des Eilantrags teilt der Senat nicht. Obschon im Antragsschriftsatz vom 25. April 2018 keine ladungsfähige Anschrift angegeben worden ist, hindert dies eine Entscheidung in der Sache nicht. Im konkreten Fall wird der Rechtsstreit „nicht aus dem Verborgenen heraus“ geführt. Der Antragsteller ist nicht „abgetaucht“, um seiner Abschiebung zu entgehen, sondern hat nach der Abschiebung wegen seiner Erkrankung in Brasilien nur zunächst keinen festen Wohnsitz begründet. Inzwischen hält er sich in der Fazenda de Esperanza auf und verfügt somit über eine ladungsfähige Anschrift.

22

2. Der Eilantrag hat auch in der Sache Erfolg.

23

a) Er ist bei verständiger Würdigung des Antrags- und des Beschwerdeschriftsatzes nach § 88 VwGO im Sinne des Tenors auszulegen. Der Antragsteller verfolgt das Ziel, die Antragsgegnerin zur Rückgängigmachung der Abschiebung und zu seiner Rückholung nach Deutschland zu verpflichten. Diese Begehren umfassen den separat formulierten und im Beschwerdeverfahren klargestellten Antrag, seiner Einreise nach Deutschland nicht die Kosten der Abschiebung entgegenzuhalten.

24

b) Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO darf die beantragte Anordnung nur ergehen, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Begehrt ein abgeschobener Ausländer die Rückgängigmachung der Abschiebung im Wege einer einstweiligen Anordnung, nimmt eine Verpflichtung der Behörde die Hauptsache vorweg. Das Rechtsschutzverfahren nach § 123 VwGO zielt aber nur auf eine vorläufige Regelung ab. Einem Antrag auf Rückgängigmachung der Abschiebung kann daher im Wege einer einstweiligen Anordnung nur stattgegeben werden, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG, insbesondere zur Verwirklichung von Grundrechten, schlechterdings unabweisbar ist, wenn also die zu erwartenden Nachteile für einen Antragsteller unzumutbar und im Verfahren zur Hauptsache nicht mehr zu beseitigen wären. Dies setzt neben einer besonderen Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit des Erfolgs in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) voraus. Beide Anforderungen sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Sie liegen hier vor.

25

c) Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

26

Rechtliche Grundlage seines Begehrens ist der Folgenbeseitigungsanspruch. Dieser greift, wenn durch einen hoheitlichen Eingriff – hier die Abschiebung – ein subjektives Recht des Betroffenen verletzt worden und dadurch für diesen ein andauernder rechtswidriger Zustand entstanden ist, dessen Beseitigung tatsächlich und rechtlich möglich ist. Der Folgenbeseitigungsanspruch knüpft nicht allein an die Rechtswidrigkeit des Eingriffsaktes an, sondern auch an die des geschaffenen Zustands (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Oktober 2014 – 18 B 104/14 –, juris, Rn. 6 ff., m.w.N.; Armbruster, in: HTK-AuslR, Rechtsschutz, Abschn. 2.5.7, m.w.N.). Die Voraussetzungen des Folgenbeseitigungsanspruchs sind hier auf Grund von Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls zu bejahen. Die Abschiebung des Antragstellers nach Brasilien am 5. April 2018 war offensichtlich rechtswidrig, der dadurch geschaffene rechtswidrige Zustand dauert an; er ist dem Antragsteller nicht zumutbar und durch die Rückholung zu beenden.

27

Die Abschiebung des Antragstellers hätte wegen rechtlicher Unmöglichkeit nicht erfolgen dürfen und hätte zum damaligen Zeitpunkt gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ausgesetzt werden müssen. Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung ist gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung selbst wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert, und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann (vgl. VGH BW, Beschluss vom 22. Februar 2017 – 11 S 447/17 –, juris, Rn. 4).

28

Die mit der Abschiebung betraute Behörde hat die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG erwachsende Pflicht, durch eine hinreichende Ausgestaltung der tatsächlichen Durchführung der Abschiebung erhebliche Gefahren für Leib und Leben des Betroffenen abzuwenden. Diese Pflicht kann es in Einzelfällen gebieten, dass erforderliche Hilfen rechtzeitig nach der Ankunft im Zielstaat zur Verfügung stehen, wobei der Ausländer regelmäßig auf den dort allgemein üblichen Standard zu verweisen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 939/14 –, juris, Rn. 14). Zur Sicherstellung ausreichender Hilfen gehört auch die Übergabe an medizinisch qualifiziertes Personal, sofern dies im Einzelfall erforderlich ist (vgl. VGH BW, Beschluss vom 22. Februar 2017 – 11 S 447/17 –, juris, Rn. 5). Wenn dem Ausländer unmittelbar nach seiner Ankunft im Zielstaat eine erhebliche Gesundheitsgefährdung droht, dauert die Schutzpflicht des deutschen Staates bis zum Übergang in eine Versorgung und Betreuung an (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Oktober 2014 – 18 B 104/14 –, juris, Rn. 18). Es muss aber ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang mit dem Abschiebungsvorgang bestehen (vgl. VGH BW, Beschluss vom 1. Juni 2017 – 11 S 658/17 –, juris, Rn. 3).

29

Dem Antragsteller drohte im engen zeitlichem Zusammenhang zur Abschiebung eine konkrete und erhebliche Gesundheitsgefahr, ohne dass die Antragsgegnerin hinreichende Vorkehrungen zur Vermeidung dieser Gefahr getroffen hatte.

30

Die sachverständigen Stellungnahmen zum Gesundheitszustand des Antragstellers bringen insoweit unmissverständlich zum Ausdruck, dass beim Antragsteller mit einer akuten Eigen- und Fremdgefährdung zu rechnen war und ist, wenn er die nötige Therapie nicht wahr- und vor allem die verschriebenen Medikamente nicht einnimmt. Die Gefahr, dass der Antragsteller auf Grund seiner Erkrankung die Einnahme der zur Behandlung nötigen Medikamente verweigert, lässt sich nach den Stellungnahmen nur bannen, indem er zur Medikamenteneinnahme angeleitet und diese strukturiert sowie überwacht wird. So hält das psychiatrische Fachgutachten von Prof. Dr. A. und Dr. C. vom 1. Dezember 2015 (Universität H.) abschließend fest, da im Falle weiterer Verweigerung aus den dargelegten Gründen mit einer Chronifizierung der paranoiden Schizophrenie und einer Verschlimmerung mit akuter Eigen- und Fremdgefährdung zu rechnen sei, bestünde im Falle einer Rückkehr bzw. Abschiebung des Antragstellers nach Brasilien die Gefahr einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes und für das Leben, aber auch die Gefahr einer unmittelbarer Bedrohung anderer. Was diese Gutachter unter den dargelegten Gründen verstehen, ergibt sich aus dem vorstehenden Absatz des Gutachtens. Dort wird dargelegt, dass beim Antragsteller eine manifeste Eigen- und Fremdgefährdung durch handlungsleitende Wahninhalte bestanden habe. Vorausgegangen sei eine Medikamentennichteinnahme. Wiederhole sich diese, sei von einer raschen neuerlichen Verschlechterung auszugehen. Für die Gutachter besteht somit eine Kausalkette zwischen Nichteinnahme der Medikamente, Verschlechterung der psychischen Erkrankung und Eigen- bzw. Fremdgefährdung. Aus ihrer Sicht ist folglich für die Verhinderung von Gefahrensituationen unabdingbar, dass die Behandlung des Antragstellers koordiniert und begleitet wird, wobei es nicht darauf ankommt, ob dies durch eine betreuende Person oder in einer medizinischen Einrichtung geschieht. Die gleiche Schlussfolgerung ist in beiden Attesten des Krankenhauses „H.“ vom 6. Dezember 2017 bzw. 9. Februar 2018 enthalten. Dort wird dem Antragsteller ebenfalls eine Eigen- wie auch eine Fremdgefährdung attestiert, da das wahnhafte Erleben handlungsbestimmend sei. Man habe sich entschlossen, ihn an die Institutsambulanz anzubinden und wöchentliche Termine zum Gespräch und zum Richten der Medikation für eine Woche zu vereinbaren. Mit Unterstützung des gesetzlichen Betreuers des Antragstellers sei es gelungen, dass er mehrmals wöchentlich von einer Fachkraft aufgesucht werde. Auch diese Atteste gehen somit davon aus, dass es zur Abwendung einer Eigen- und Fremdgefährdung durch den Antragsteller unabdingbar ist, dass die Medikamenteneinnahme von Dritten überwacht und strukturiert wird. Ein deutliches Indiz für die Notwendigkeit dieser Art der Betreuung ist ferner der Beschluss des Amtsgerichts Ludwigshafen vom 29. März 2018. Dort wird die Fortdauer der Betreuung des Antragstellers unter anderem für den Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge damit begründet, dass er auf Grund seiner Erkrankung gerade nicht in der Lage sei, seine Angelegenheiten in diesem Bereich zu regeln.

31

Ohne die Sicherstellung der Überwachung der Medikamenteneinnahme durch eine betreuende Person oder in einer medizinischen Einrichtung bestand für den Antragsteller unmittelbar nach seiner Abschiebung in Brasilien die Gefahr einer wesentlichen Verschlechterung des Krankheitsbildes und damit zugleich die akute Gefahr, sich oder andere zu verletzen. Dies ergibt sich aus den vorgenannten ärztlichen Stellungnahmen und der in ihnen enthaltenen Schlussfolgerung zum kausalen Zusammenhang zwischen der Nichteinnahme der Medikamente und der Eigen- bzw. Fremdgefährdung. Diese Gefahr wurde nicht dadurch ausgeräumt, dass dem Antragsteller seitens der Antragsgegnerin Medikamente mitgegeben wurden. Dies allein bewirkt nicht hinreichend sicher, dass er die notwendigen Medikamente einnimmt. In der jüngeren Vergangenheit kam es wiederholt dazu, dass der Antragsteller Medikamente nicht einnahm. Dies wird nicht nur in den zitierten Stellungnahmen erwähnt. Dies belegen auch die verschiedenen Krankenhausaufenthalte des Antragstellers, die jeweils in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Absetzen der Medikamente standen. Da der Antragsteller nunmehr in Brasilien ohne familiäres Umfeld und ohne die notwendige Betreuung auf sich allein gestellt ist, ist die Gefahr, dass er seine Medikamente nicht einnimmt, umso größer. Die ärztlichen Stellungnahmen gehen übereinstimmend davon aus, dass beim Antragsteller ohne Überwachung die krankheitsbedingte Gefahr besteht, dass er seine Medikamente nicht einnimmt.

32

Dagegen kann nicht eingewandt werden, die Antragstellerseite habe bisher nicht von einem Rückfall berichtet. Entscheidend ist vielmehr, dass nach dem psychiatrischen Fachgutachten vom 1. Dezember 2015 beim Antragsteller mit einer akuten Eigen- und Fremdgefährdung zu rechnen sei. Mit anderen Worten kann es bei ihm ohne Beobachtung der Medikamenteneinnahme jederzeit zu einem Rückfall kommen. Da die Überwachung des Antragstellers durch den ihn auf dem Flug begleitenden Arzt unmittelbar nach der Abschiebung endete, konnte es schon ab diesem Zeitpunkt und damit in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Abschiebung zu einem Rückfall und den dann zu erwartenden Gefahren kommen. Die Unterrichtung brasilianischer Behörden am Flugplatz ist nicht ausreichend, um die Medikamenteneinnahme durch den Antragsteller sicherzustellen, zumal die Antragsgegnerin nicht dargelegt hat, welche Informationen an welche Behörde gegeben wurden. Die Unterrichtung allein gewährleistet zudem nicht, dass der Antragsteller einem Betreuer, medizinischem Personal oder einer geeigneten Einrichtung übergeben wird.

33

Der Einwand der Antragsgegnerin, die Erkrankung des Antragstellers sei in Brasilien behandelbar, führt zu keinem anderen Ergebnis. Sie verkennt dabei die Besonderheiten des vorliegenden Falles. Es kommt nicht allein darauf an, ob die Erkrankung in Brasilien behandelbar ist, also entsprechende Therapien und Medikamente zur Verfügung stehen, sondern darauf, ob der Antragsteller in der Lage ist, diese Möglichkeiten für sich zu nutzen. Dies hat der Senat bereits im Beschluss vom 7. August 2015 (7 B 10468/15.OVG) zum Ausdruck gebracht. Er hielt die Einholung eines psychiatrischen Fachgutachtens zur gesundheitlichen Gefährdung des Antragstellers bei einer Rückkehr nach Brasilien für erforderlich, weil der Antragsteller in Brasilien ohne sein deutsches Netzwerk auskommen muss.

34

Der Einwand, durch den zitierten Beschluss sei die Abschiebung des Antragstellers lediglich bis zum Ende der vom Senat gesetzten Frist für die Einholung des Gutachtens gesperrt gewesen, greift nicht durch. Der Beschluss des Senats vom 7. August 2015 kann nicht in diesem Sinne rein formal gesehen werden. Mit Blick auf die Prüfung einer etwaigen rechtlichen Unmöglichkeit der Abschiebung des Antragstellers oblag es der Antragsgegnerin, das Ergebnis des vom Senat geforderten und von ihr eingeholten Gutachtens zu berücksichtigen. Im Lichte dieses Ergebnisses war es offenkundig, dass eine Abschiebung nicht ohne Maßnahmen erfolgen durfte, die die Medikamenteneinnahme bzw. einen sofortigen Zugang zu einer medizinischen Betreuung in Brasilien sicherstellten. Auf Grund seiner schweren Erkrankung war und ist der Antragsteller dazu allein nicht in der Lage.

35

Der Antragsteller kann auch nicht darauf verwiesen werden, seine Mutter könne von Deutschland aus die nötige Unterstützung geben. Denn es ist die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG resultierende Pflicht der Antragsgegnerin, Gefahren zu begegnen, die dem Antragsteller bei und unmittelbar nach der Abschiebung drohen. Der Senat muss sich nicht mit der Frage auseinandersetzen, ob die Antragsgegnerin dieser Pflicht dadurch nachkommen kann, dass sie nachträglich eine ausreichende Betreuung des Antragstellers in Brasilien sicherstellt. Dazu hat die Antragsgegnerin nichts vorgetragen; vielmehr steht sie auf dem Standpunkt, es genüge, dass die Erkrankung des Antragstellers in Brasilien behandelbar sei.

36

d) Der durch die Abschiebung des Antragstellers nach Brasilien geschaffene rechtswidrige Zustand dauert noch an und ist für ihn nicht zumutbar.

37

Es besteht weiterhin die konkrete Gefahr, dass er die benötigten Medikamente nicht nimmt, sich daraufhin seine Krankheit wesentlich verschlechtert und er sich und andere gefährdet. Maßgeblich ist auch insoweit die sachverständige Einschätzung des Krankheitsbildes im psychiatrischen Fachgutachten vom 1. Dezember 2015 und in den beiden Attesten vom 6. Dezember 2017 sowie 9. Februar 2018. An der dort beschriebenen Gefahr, die entsteht, wenn die medikamentöse Behandlung des Antragstellers nicht überwacht wird, hat sich nichts geändert. Vor allem kann nach den unwidersprochenen Angaben der Mutter des Antragstellers, die sie zudem an Eides statt versicherte, nicht angenommen werden, dass die Fazenda de Esperanza die Behandlung des Antragstellers überhaupt, geschweige denn mit dem erforderlichen Nachdruck überwacht. Diese Einrichtung wird von den Patienten freiwillig aufgesucht und kann freiwillig wieder verlassen werden. Sie hat keine Handhabe sicherzustellen, dass die benötigten Medikamente genommen werden. Diese Situation, die durch die jederzeitige Möglichkeit eines Rückfalls geprägt ist, ist für den Antragsteller unzumutbar.

38

e) Aus den vorstehenden Gründen ist zugleich der Anordnungsgrund zu bejahen.

39

3. Der Senat sieht davon ab, die Modalitäten der Rückführung zu konkretisieren. Es ist Aufgabe der Antragsgegnerin zu prüfen, welche Maßnahmen sie dazu ergreifen muss. Es ist indes davon auszugehen, dass auch für die Rückführung eine ärztliche Begleitung des Antragstellers notwendig ist.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

41

Die Entscheidung zur Höhe des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG. Der Senat veranschlagt für die Rückholung mangels anderweitiger Anhaltspunkte den Regelstreitwert in Höhe von 5.000,00 €. Die vom Antragsteller geschätzten Kosten seiner Abschiebung sind kein Anhaltspunkt für die Bedeutung, die das Verfahren für ihn hat. Der Streitwert war auch nicht um diese Kosten zu erhöhen. Zwar nimmt der Antragsteller mit seinem Antrag zu 3. diese Kosten in Bezug. Es handelt sich insoweit aber nicht um einen eigenen Streitgegenstand, der zu dem für die Rückführung zu addieren wäre (§ 39 Abs. 1 GKG). Mit dem Antrag will er nur ausschließen, dass diese Kosten seine Rückkehr hindern. Der Senat sieht von einer wegen der Vorläufigkeit von Entscheidungen des einstweiligen Rechtsschutzes in Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (LKRZ 2014, 169) vorgeschlagenen Reduzierung des Streitwerts ab. Mit dem vorliegenden Beschluss wird die Hauptsache faktisch vollständig vorweggenommen.

42

Die anderslautende Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts wird gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG von Amts wegen geändert.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tatbestand

1

Der Kläger erstrebt Abschiebungsschutz wegen ihm in Afghanistan drohender Gefahren.

2

Der 1964 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört zur Volksgruppe der Paschtunen und stammt aus Kandahar. Dort hat er nach eigenen Angaben bis zu seinem 11. Lebensjahr gelebt. Dann seien seine Eltern ums Leben gekommen und Bekannte hätten ihn mit nach Kaschmir (Pakistan) genommen. Dort habe er zehn bis zwölf Jahre gelebt. Er sei seit 1985 mit einer pakistanischen Staatsangehörigen verheiratet und habe drei Kinder. Mit seiner Familie habe er bis zu seiner Ausreise in Kaschmir gelebt. Im Oktober 1992 sei er mit Hilfe eines Fluchthelfers von dort aus nach Deutschland eingereist. Zu seiner Familie, die ebenfalls aus Kaschmir ausgereist sei, habe er keinen Kontakt mehr.

3

Im Oktober 1992 beantragte er die Anerkennung als Asylberechtigter, gab aber an, aus Pakistan zu stammen und dort geboren zu sein. Im August 1993 wurde sein Asylantrag vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - Bundesamt - abgelehnt. Zugleich wurde festgestellt, dass weder Abschiebungshindernisse nach § 51 Abs. 1 AuslG noch nach § 53 AuslG vorliegen. Ferner wurde dem Kläger die Abschiebung nach Pakistan angedroht. Die hiergegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg, der Bescheid wurde im November 1997 bestandskräftig.

4

Im April 1998 teilte der Kläger der Ausländerbehörde mit, dass er ursprünglich aus Afghanistan stamme und legte ihr einen 1992 ausgestellten und 1998 in Kandahar verlängerten afghanischen Pass vor. Im November 2006 beantragte der Kläger beim Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf sein Herkunftsland Afghanistan. Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung erklärte er, er habe keine Angehörigen in Afghanistan mehr. Auch zu seiner Frau und seinen Kindern bestehe kein Kontakt mehr, man habe sich "praktisch verloren". Weder in Afghanistan noch in Kaschmir habe er eine Schule besucht. Auch einen Beruf habe er nicht erlernt. In Deutschland habe er in verschiedenen Restaurants als Küchenhilfe gearbeitet.

5

Mit Bescheid vom 7. März 2007 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 4. August 1993 bezüglich der Feststellung zu § 53 Abs. 1 bis 6 AuslG ab (Ziffer 1). Zugleich benannte es unter Teiländerung seines früheren Bescheids nunmehr Afghanistan als Zielstaat einer Abschiebung (Ziffer 2). Zur Begründung führte es aus, dass es an Gründen für ein Wiederaufgreifen nach § 51 VwVfG fehle. Der Antrag sei gemäß § 51 Abs. 2 VwVfG unzulässig, da der Kläger nicht ohne grobes Verschulden außerstande gewesen sei, die Gründe für das Wiederaufgreifen bereits im Asylverfahren vorzutragen. Es lägen auch keine Gründe für ein Wiederaufgreifen nach Ermessen gemäß § 51 Abs. 5 VwVfG vor. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan einer extremen Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt wäre.

6

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte im Februar 2008 unter Aufhebung des Bescheids zu der Feststellung verpflichtet, dass bei dem Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich Afghanistans vorliegt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Beklagten im Februar 2010 zurückgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger wäre im Fall der Rückkehr nach Afghanistan mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Lebensverhältnissen ausgesetzt, die als Extremgefahr im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anzusehen seien. Ihm sei daher Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Er gehöre zu einer Personengruppe, die erhöhten Rückkehrrisiken ausgesetzt sei. Denn er habe Afghanistan bereits im Kindesalter verlassen und verfüge dort über keine verwandtschaftlichen oder persönlichen Bindungen. Er habe weder in Afghanistan noch in Pakistan eine Schule besucht und sei mit den Lebensverhältnissen in seinem Herkunftsland nicht vertraut. Auch in Pakistan sei es ihm nicht gelungen, den Lebensunterhalt für sich und seine Familie zu sichern. Aus wirtschaftlicher Not habe er das Land verlassen. Selbst wenn sich die Lebensverhältnisse von Rückkehrern aus dem Ausland in Afghanistan allmählich normalisieren sollten, werde sich der Kläger dort kaum eine Existenzgrundlage schaffen können, sondern weitgehend schutzlos Hunger, Kälte und damit verbundenen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt sein.

7

Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision beanstandet die Beklagte vor allem, dass der Verwaltungsgerichtshof für die Durchbrechung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG ausreichen lasse, dass der Kläger die hierfür maßgeblichen Tatsachen glaubhaft mache oder schlüssig darlege. Das Berufungsgericht habe den Beweismaßstab nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verkannt und seine Überzeugungsbildung im Sinne von § 108 Abs. 1 VwGO sei mangels hinreichender Tatsachenbasis unzureichend.

8

Der Kläger tritt der Revision entgegen und verteidigt das angegriffene Urteil. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich an dem Verfahren beteiligt und sich im Wesentlichen der Auffassung der Beklagten angeschlossen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt in mehrfacher Hinsicht Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil in der Sache nicht abschließend entscheiden kann, ist das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

10

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist zunächst das Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Gewährung subsidiären unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes. Hierzu zählen in Umsetzung des subsidiären Schutzkonzepts nach Art. 15 und Art. 17 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 - sog. Qualifikationsrichtlinie - die in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG aufgeführten Abschiebungsverbote. Dieses Begehren ist mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union (BGBl I 2007, 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - im August 2007 Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens geworden und ist dies - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nach wie vor. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist ferner das Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Feststellung eines (nationalen) Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 und 3 AufenthG einschließlich der Feststellung eines Abschiebungsverbots in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist die bestandskräftige Abschiebungsandrohung vom August 1993, wohl aber die vom Bundesamt in Nr. 2 des angegriffenen Bescheids neu verfügte Bezeichnung von Afghanistan als Zielstaat der Abschiebung gemäß § 59 Abs. 2 AufenthG. Der Regelungscharakter dieser Bezeichnung ergibt sich aus den in § 59 Abs. 4 AufenthG daran geknüpften Rechtsfolgen der Präklusion bezüglich bestimmter zielstaatsbezogener Gefahren. Da das Verwaltungsgericht in seinem Urteil den Bescheid in vollem Umfang, also auch bezüglich der neuen Zielstaatsbezeichnung, aufgehoben hat und das Berufungsgericht diese Entscheidung bestätigt hat, ist die Zielstaatsbezeichnung Afghanistan auch Gegenstand der Revision der Beklagten geworden. Einer besonderen Revisionsbegründung bedurfte es insoweit nicht, weil die Rechtmäßigkeit der Zielstaatsbezeichnung zwingend von der rechtlichen Beurteilung der Entscheidung zu den Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG als Vorfrage abhängt.

11

Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht, weil es den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz nicht geprüft hat (1.). Es verletzt ferner Bundesrecht, weil es beim nationalen Abschiebungsschutz den Anforderungen an die verfassungskonforme Auslegung und Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG im Fall allgemeiner Gefahren nicht hinreichend Rechnung getragen hat (2.). Schließlich verletzt es Bundesrecht, weil seine Feststellungen zur Gefahrenprognose bei verfassungskonformer Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht standhalten (3.).

12

1. Das Berufungsgericht hätte nicht ungeprüft lassen dürfen, ob der Kläger die Voraussetzungen für die Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots erfüllt. Dieser Streitgegenstand ist in allen Übergangsfällen, in denen das Bundesamt über die Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG a.F. entschieden hat und hiergegen Klage erhoben wurde, mit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes im August 2007 im gerichtlichen Verfahren angewachsen. Dies hat der Senat in seinem Urteil vom 8. September 2011 - BVerwG 10 C 14.10 - (zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen, Rn. 9 bis 14) näher begründet. Hierauf wird verwiesen. Damit ist in allen derartigen Übergangsfällen nicht nur der nationale Abschiebungsschutz, sondern auch der weitergehende unionsrechtlich begründete Abschiebungsschutz zwingend zu prüfen. In diesen Übergangsfällen scheidet der so angewachsene unionsrechtliche Abschiebungsschutz aus dem gerichtlichen Verfahren nur dann wieder aus, wenn er rechtskräftig abgeschichtet worden ist, d.h. wenn nach erkennbarer Sachprüfung der entsprechende Anspruchsgrundlagen über alle unionsrechtlichen Abschiebungsverbote entschieden worden ist und der unterlegene Verfahrensbeteiligte dies unangefochten lässt. Auch insoweit wird zur Begründung auf das Urteil des Senats vom 8. September 2011 (a.a.O. Rn. 13) verwiesen.

13

Im Entscheidungsfall fehlt es an einer derartigen unanfechtbaren Sachentscheidung zum unionsrechtlichen Abschiebungsschutz. Das Bundesamt hat vor Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes entschieden. Hiergegen wurde Klage erhoben, sodass nach der Rechtsprechung des Senats die Voraussetzungen für das Anwachsen des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes ungeachtet der Tatsache vorliegen, dass sich der Klageantrag auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 AufenthG beschränkte. Denn die Parteien können in den vom Senat näher gekennzeichneten Übergangsfällen insoweit über das gerichtliche Prüfprogramm nicht disponieren (vgl. Urteil vom 8. September 2011 a.a.O. Rn. 13). Das haben das Verwaltungsgericht und der Verwaltungsgerichtshof irrtümlich verkannt.

14

Vorliegend ist der unionsrechtliche Abschiebungsschutz demnach im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht angewachsen und mangels einer entsprechenden sachlichen Entscheidung des Verwaltungsgerichts auch Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Der Verwaltungsgerichtshof muss sich daher in dem erneuten Berufungsverfahren mit diesem Begehren befassen. Nach der Rechtsprechung des Senats handelt es sich insoweit um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand, der eigenständig und vorrangig vor den sonstigen zielstaatsbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten zu prüfen ist (vgl. Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 11). Der Verwaltungsgerichtshof muss deshalb alle entsprechenden Anspruchsgrundlagen in den Blick nehmen, aus denen sich ein Anspruch auf Feststellung eines unionsrechtlichen Abschiebungsverbots in Bezug auf Afghanistan ergeben kann (§ 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG).

15

2. Das Berufungsurteil verletzt auch hinsichtlich des nationalen Abschiebungsschutzes Bundesrecht. Der Verwaltungsgerichtshof wird sich im Falle der Ablehnung eines unionsrechtlichen Abschiebungsverbots auch mit diesem Begehren nochmals befassen müssen. Bei dem nationalen Abschiebungsschutz handelt es sich nach dem Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes ebenfalls um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand mit mehreren Anspruchsgrundlagen (§ 60 Abs. 5, 7 Satz 1 einschließlich Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung). Eine Abschichtung einzelner nationaler Abschiebungsverbote im Laufe des gerichtlichen Verfahrens ist daher ungeachtet des materiellen Nachrangs des Abschiebungsverbots in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG nicht möglich.

16

Das Berufungsurteil ist insoweit mit Bundesrecht nicht vereinbar, als es dem Kläger Abschiebungsschutz nach nationalem Recht in verfassungskonformer Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG zugesprochen hat, ohne das Vorliegen des unionsrechtlich begründeten Abschiebungsschutzes (Abschiebungsverbote u.a. nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG) rechtsfehlerfrei zu prüfen und auszuschließen. Damit hat es sowohl den Vorrang des unionsrechtlichen gegenüber dem nationalen Abschiebungsschutz (vgl. Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 11) als auch die in der Rechtsprechung des Senats entwickelten Voraussetzungen für die verfassungskonforme Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in Fällen einer allgemeinen Gefahr verfehlt.

17

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG sind Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längsten sechs Monate ausgesetzt wird. Eine derartige Abschiebestopp-Anordnung besteht für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht (mehr). Mit seinem Hinweis insbesondere auf die unzureichende Versorgungslage in Afghanistan, die für Rückkehrer ohne Berufsausbildung und familiäre Unterstützung bestehe, macht der Kläger allgemeine Gefahren geltend, die aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht rechtfertigen können. Diese Sperrwirkung kann, wie ausgeführt, nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht. Eine Schutzlücke besteht für den Kläger nicht, falls ihm unionsrechtlicher Abschiebungsschutz zusteht. Der Verwaltungsgerichtshof hätte sich daher auch aus diesem Grund mit der Frage des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes befassen müssen, ehe er sich mittels verfassungskonformer Auslegung über die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG hinwegsetzt.

18

3. Schließlich ist die Annahme eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG durch den Verwaltungsgerichtshof auch deshalb mit Bundesrecht nicht vereinbar, weil seine Feststellungen zum Vorliegen einer extremen Gefahr im Falle einer Rückkehr des Klägers nach Afghanistan einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht standhalten.

19

Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings zutreffend erkannt, dass es sich hier nicht um ein Folgeverfahren handelt, bei dem die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG erfüllt sein müssen. Hiervon waren zu Unrecht das Bundesamt in seinem Bescheid vom 7. März 2007 und das Verwaltungsgericht ausgegangen. Über das Vorliegen von Abschiebungsverboten wegen zielstaatsbezogener Gefahren für den Kläger in Afghanistan ist jedoch noch keine bestandskräftige Entscheidung getroffen. Eine solche liegt nur für den ausländerrechtlichen Abschiebungsschutz des Klägers in Bezug auf Pakistan vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts enthält die Feststellung des Bundesamts zum Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG grundsätzlich nur eine Regelung über die in dem Bescheid geprüften jeweiligen Zielstaaten, wobei die Feststellung bezüglich jedes einzelnen Zielstaates eine selbstständige Teilregelung darstellt, die rechtskräftig abgeschichtet werden kann (vgl. Urteil vom 4. Dezember 2001 - BVerwG 1 C 11.01 - BVerwGE 115, 267 <269>). Der Antrag auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bezüglich eines bisher noch nicht geprüften Staates stellt daher einen Neuantrag dar, der nicht von der Erfüllung der Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen nach § 51 VwVfG abhängt. Etwas anderes gilt nach § 71 AsylVfG nur für Anträge auf Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung. Diese Regelung erstreckt sich hingegen nicht auf die Feststellung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG. Für diese hat der Gesetzgeber jedenfalls bisher keine einheitliche, generelle Schutzstatusentscheidung vorgesehen, sondern nur die jeweilige Feststellung von Abschiebungsverboten bezüglich einzelner Zielstaaten. Ob sich hierzu eine Verpflichtung aus Art. 18 der Richtlinie 2004/83/EG ergibt und dies dann auch Konsequenzen für die Anwendbarkeit der Vorschriften über das Wiederaufgreifen hätte, braucht nicht entschieden zu werden, da es hier nicht um die Änderung einer bestandskräftigen Entscheidung zum unionsrechtlich begründeten Abschiebungsschutz geht. Eine bestandskräftige Entscheidung wurde vorliegend nur für Abschiebungsverbote nach nationalem Recht und nur hinsichtlich Pakistans getroffen. Daher finden die Vorschriften über das Wiederaufgreifen hier weder für den unionsrechtlichen noch für den nationalen Abschiebungsschutz Anwendung.

20

Der Verwaltungsgerichtshof ist in der Sache zwar zu Recht davon ausgegangen, dass eine unmittelbare Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausscheidet, weil der Kläger keine individuellen, nur ihm drohenden Gefahren, sondern allgemeine Gefahren geltend macht. Er ist aber bei der verfassungskonformen Anwendung der Vorschrift hinter den maßgeblichen rechtlichen Anforderungen zurückgeblieben. So hat er die vom Senat zum Vorliegen einer extremen Gefahrenlage entwickelten rechtlichen Maßstäbe verfehlt.

21

Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die den Kläger in Afghanistan erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann er Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren.

22

Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde". Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. Urteil vom 29. Juni 2010 - BVerwG 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226 Rn. 15 m.w.N.).

23

Der Verwaltungsgerichtshof hat diese rechtlichen Maßstäbe für die verfassungskonforme Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in wesentlichen Teilen verkannt. Er bezieht sich zwar ausdrücklich auf den Maßstab der Extremgefahr und zitiert in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (UA S. 5). Bei der Rechtsanwendung indes füllt er ihn mit Merkmalen auf, die hinter den vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Anforderungen zurückbleiben. Zudem verzichtet er gänzlich auf das Erfordernis, dass sich die Gefahr alsbald nach der Rückkehr realisieren muss. Der erforderliche hohe Wahrscheinlichkeitsmaßstab wird zwar abstrakt anerkannt, aber auf einen fehlerhaften Gefahrenbegriff bezogen.

24

Das Vorliegen einer Extremgefahr begründet der Verwaltungsgerichtshof damit, dass sich der Kläger bei Rückkehr nach Afghanistan dort kaum eine Existenzgrundlage werde schaffen können, sondern weitgehend schutzlos Hunger, Kälte und damit verbundenen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt sei (UA S. 8). Diese im Rahmen der Subsumtion herangezogenen Tatsachen lassen jedoch nicht den Schluss darauf zu, dass der Kläger dem Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde, wie das den Anforderungen an eine Extremgefahr im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entspricht. Denn "Hunger" führt nicht zwangsläufig zum Tod, "gesundheitliche Risiken" führen nicht notwendigerweise zu schwersten Gesundheitsschäden. Damit verfehlt das Berufungsurteil den Begriff der Extremgefahr.

25

Der Verwaltungsgerichtshof hat seiner Entscheidung zudem nicht die weitere für eine verfassungskonforme Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG erforderliche Voraussetzung zugrunde gelegt, dass sich die Gefahr alsbald nach der Rückkehr des Klägers realisieren muss. Auf diese Voraussetzung geht das Berufungsurteil überhaupt nicht ein. Die gewählten Formulierungen sprechen vielmehr dafür, dass das Gericht eine Existenzsicherung von einiger Dauer für erforderlich hält, um die hohe Wahrscheinlichkeit einer Extremgefahr abzuwenden (UA S. 7: "nicht gelungen, den Lebensunterhalt für sich und seine Familie zu sichern" - UA S. 8: "wird sich der Kläger dort kaum eine Existenzgrundlage schaffen können").

26

Das Berufungsurteil geht auch von einem fehlerhaften Wahrscheinlichkeitsmaßstab aus. Zwar sieht es den Kläger "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" Lebensverhältnissen ausgesetzt, die eine Extremgefahr begründen sollen (UA S. 5). Der Verwaltungsgerichtshof bezieht seine Wahrscheinlichkeitsbetrachtung aber auf einen fehlerhaften Gefahrbegriff, und zwar in sachlicher wie in zeitlicher Dimension. Denn er verkennt - wie bereits dargelegt - den Begriff der Extremgefahr und das Erfordernis der alsbaldigen Realisierung der Gefahr. Damit ist der Maßstab für die Wahrscheinlichkeitsbetrachtung selbst fehlerhaft.

27

4. Bei seiner erneuten Befassung mit der Sache ist der Verwaltungsgerichtshof gehalten, die vom Bundesverwaltungsgericht hierzu entwickelten rechtlichen Maßstäbe zu beachten und seiner Überzeugungsbildung zugrunde zu legen. Dabei wird er sich auch mit der gegenteiligen Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte auseinanderzusetzen haben (vgl. etwa Urteil des VGH München vom 3. Februar 2011 - 13a B 10.30394 - juris, das sich seinerseits allerdings auch nicht mit der gegenteiligen Rechtsprechung des Berufungsgerichts auseinandersetzt; vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 29. Juni 2010 a.a.O. Rn. 22).

28

Sollte es für die Entscheidung weiterhin entscheidungserheblich auf die Möglichkeiten des Klägers ankommen, sich Nahrungsmittel zu beschaffen, wird der Verwaltungsgerichtshof der Frage nachzugehen haben, ob sich die allgemeine Versorgung der afghanischen Bevölkerung mit Lebensmitteln gegenüber dem Jahr 2008 - wie prognostiziert (UA S. 7) - verbessert hat und der Kläger hiervon profitieren kann. Weiter wird er Feststellungen zu den Möglichkeiten für einen jungen gesunden männlichen Rückkehrer ohne abgeschlossene Berufsausbildung wie den Kläger zu treffen haben, durch Gelegenheitsarbeiten oder durch andere Tätigkeiten ein bescheidenes Einkommen zu erzielen. In diesem Zusammenhang wäre dann auch zu untersuchen, ob der Kläger, der nach den Feststellungen des Gerichts in Pakistan als Schweißer gearbeitet hat (UA S. 7) und sich und offenbar auch seine Familie immerhin von 1985 bis zu seiner Ausreise im Jahr 1992 ernähren konnte, nicht einer vergleichbaren Arbeit in Afghanistan nachgehen kann.

Tenor

I. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 22. November 2016 wird in den Nrn. 4 bis 6 aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistans vorliegen.

II. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Kläger 5/6, die Beklagte 1/6.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger sind Staatsangehörige Afghanistans und Zugehörige der Volksgruppe der Hazara. Sie reisten nach eigenen Angaben im Oktober/November 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 18. Juli 2016 Asylantrag.

Bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am … November 2016 gaben die Kläger im Wesentlichen an, dass der Kläger zu 1. seit er ca. 13 Jahre alt gewesen sei, im Iran gelebt habe. Sein Vater sei in Afghanistan als Fahrer tätig gewesen und entführt worden. Sie wüssten bis heute nicht, wo er sei. Danach seien sie mit einem Onkel von … nach … gezogen. Der Onkel habe dort aber Feinde gehabt, so dass sie nach Pakistan gegangen seien. Sein Onkel sei dann später zurück nach Afghanistan gegangen und dort getötet worden. Seine Mutter habe dann entschieden, dass sie in den Iran gehen. Später habe sie in Afghanistan eine Ehefrau für ihn gesucht, wo er auch geheiratet habe. Da er dafür habe Schulden aufnehmen müssen, sei er wieder zurück in den Iran gegangen, um dort zu arbeiten. Es seien mehrmals junge Männer in die Fabrik gekommen, in der er gearbeitet habe, und hätten gewollt, dass sie in den Krieg nach Syrien gehen. Die Familie habe entschieden, das Haus in Afghanistan zu verkaufen. Sie hätten dann die Schulden für die Heirat bezahlt und seien nach Europa geflohen. Der Kläger zu 1. habe Angst gehabt, dass, wenn er seine Familie in den Iran hole, alle abgeschoben würden. In Afghanistan könnten sie die Feinde, die die Familie aufgrund eines Grundstücksstreits habe und die seinen Vater und Onkel getötet hätten, umbringen.

Mit Bescheid vom 22. November 2016, zugestellt am 24. November 2016, erkannte das Bundesamt die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Nr. 1), lehnte die Anträge auf Asylanerkennung ab (Nr. 2), erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4). Die Kläger wurden aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen, andernfalls wurde ihnen die Abschiebung nach Afghanistan oder in einen anderen Staat, in den die Kläger einreisen dürfen oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).

Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte lägen nicht vor. Aus dem Vorbringen der Kläger sei weder eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung noch ein flüchtlingsrechtlich relevantes Anknüpfungsmerkmal ersichtlich. Die Befürchtung des Klägers zu 1. beziehe sich ausschließlich darauf, dass er wie sein Vater vor 15 Jahren einer Verfolgungshandlung aufgrund eines Grundstücksstreits ausgesetzt sein könnte. Aus der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara folge nicht die Gefahr einer landesweiten Verfolgung. Bei in der Vergangenheit erfolgten Entführungen und Ermordungen handele es sich um lokal begrenzte Einzelfälle. Die Kläger hätten in … gelebt, so dass bei einer Rückkehr eine Verfolgung wegen ihrer Volkszugehörigkeit nicht zu befürchten sei. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes lägen nicht vor. Die Kläger seien nicht von der Todesstrafe bedroht und es lägen keinerlei Anhaltspunkte vor, dass sie bei ihrer Rückkehr Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung ausgesetzt wären. Die Sicherheitslage sei in … relativ zufriedenstellend. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Afghanistan führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung der Kläger eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliegt. Der Kläger zu 1. sei jung, gesund und erwerbsfähig und in … lebe die Großfamilie seiner Ehefrau. Er habe im Iran und in Pakistan in einem islamischen Umfeld gelebt, so dass davon auszugehen sei, dass er sich ohne große Schwierigkeiten wieder in die afghanische Gesellschaft integrieren und seiner Familie das Existenzminimum sichern könne. Es drohe den Antragstellern auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben.

Mit Schreiben vom 1. Dezember 2016, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am 2. Dezember 2016 erhoben die Kläger zu 1. und 2. Klage und beantragten,

  • 1.den Bescheid vom 22. November 2016 aufzuheben,

  • 2.die Beklagte zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG zuzuerkennen,

  • 3.hilfsweise, subsidiären Schutz gemäß § 4 AsylVfG zu gewähren,

  • 4.weiter hilfsweise, das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.

Zur Begründung bezogen sie sich auf die bisherigen Angaben und verwiesen insbesondere auf die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und den damit verbundenen Diskriminierungen, die eine Rückkehr nach Afghanistan erschwerten. Die Klägerin zu 2. sei schwanger und ihre Tochter erst 18 Monate alt.

Die mittlerweile bestellten Prozessbevollmächtigten stellten mit Schriftsatz vom 7. März 2017 klar, dass die Kläger zu 1. und 2. auch für die Klägerin zu 3. Klage hätten erheben wollen. Um entsprechende Auslegung des Schreibens vom 1. Dezember 2016 werde gebeten, hilfsweise Wiedereinsetzung beantragt. Als Hazara, die in Afghanistan diskriminiert, verfolgt und entführt würden, seien die Kläger als Flüchtlinge anzuerkennen, eine landesinterne Fluchtalternative stehe nicht zur Verfügung. Problematisch sei dabei, dass Hazara aufgrund ihres Aussehens sofort erkannt und identifiziert werden könnten, da sie von mongolischen Völkern abstammten. Die Regierung gehe nicht durchgehend und willensstark genug gegen die Diskriminierung der Hazara vor. Darüber hinaus drohe den Klägern ein ernsthafter Schaden wegen des in Afghanistan vorherrschenden innerstaatlichen Konflikts, wie sich aus dem aktuellen Bericht des UNHCR vom Dezember 2016 ergebe. Die Sicherheitslage habe sich danach deutlich verschlechtert und ein pauschalierender Ansatz, der bestimmte Regionen als sichere und zumutbare Schutzalternative ansehe, sei nicht möglich. Dies werde auch durch den Bericht des European Asylum Support Office vom November 2016 bestätigt und laut UNAMA seien 2016 so viele zivile Opfer wie noch nie von dem Konflikt betroffen gewesen. Viele Bundesländer hätten Abschiebungen nach Afghanistandeswegen eingestellt. Da die Kläger nicht auf familiäre Hilfe zurückgreifen könnten, die Wohnraumsituation vor allem in … und Herat sehr angespannt sei und zweifelhaft sei, dass der Kläger zu 1., der zudem nicht in Afghanistan aufgewachsen sei, die gesamte Familie ernähren könnte, seien zumindest Abschiebungsverbote festzustellen.

Die Beklagte stellte keinen Antrag.

In der mündlichen Verhandlung am 13. März 2017 beantragte die Klägerseite nur noch, festzustellen, dass bei den Klägern zu 1. bis 3. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen und den Bescheid vom 22. November 2016 insoweit aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 13. März 2017 Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

Gründe

1. Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung am 13. März 2017 entschieden werden, obwohl die Beklagtenseite nicht erschienen war. Denn in der frist- und formgerechten Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).

2. Die Klage ist dahingehend auszulegen (vgl. § 88 VwGO), dass die Kläger zu 1. und 2. nicht nur für sich, sondern auch für die Klägerin zu 3. Klage erhoben haben. Zwar sind im Schreiben vom 1. Dezember 2016 explizit nur die Kläger zu 1. und 2. erwähnt, es wurde jedoch der Bescheid vom 22. November 2016 beigefügt, der auch die ca. 1 ½ Jahre alte Tochter zum Gegenstand hat. Es ist daher davon auszugehen, dass die Klage auch die minderjährige Tochter umfassen sollte.

3. Die Klage ist zulässig und begründet, da die nunmehr nur noch angefochtenen Nrn. 4 bis 6 des Bescheids vom 22. November 2016 rechtswidrig sind und die Kläger in ihren Rechten verletzen; diese haben einen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 AufenthG (vgl. § 113 Abs. 1 und 5 VwGO).

3.1 Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. z.B. B.v. 11.1.2017 - 13a ZB 16.30878 - juris) können schlechte humanitäre Bedingungen eine auf eine Bevölkerungsgruppe bezogene Gefahrenlage darstellen, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sine von Art. 3 EMRK und damit zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG führt. Dies ist bei der Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern unter den in Afghanistan derzeit herrschenden Rahmenbedingungen im Allgemeinen der Fall.

3.2 Vorliegend haben die Kläger glaubhaft geschildert, dass der Kläger zu 1. in Afghanistan keine Verwandte habe und dass zwar noch die Eltern, Schwestern und minderjährigen Brüder der Klägerin zu 2. in Afghanistan lebten, der Vater aber gesundheitliche Probleme habe, nur als Hilfskraft arbeite und die Miete nicht immer bezahlen könne. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Familie der Klägerin zu 2. diese, ihren Mann, ihr Kind sowie das bald geborene weitere Kind soweit unterstützen könnten, das zumindest das Existenzminimum gesichert wäre (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 22.12.2016 13a ZB 16.30591 - juris Rn. 4).

3.3 Ob daneben die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, das e sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Streitgegenstand handelt (BVerwG, U.v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319, Rn. 16 f.).

Nach alledem war der Klage hinsichtlich § 60 Abs. 5 AufenthG stattzugeben (Nr. 4 des streitgegenständlichen Bescheids). Dementsprechend waren auch die Abschiebungsandrohung sowie das Einreise- und Aufenthaltsverbot aufzuheben (Nrn. 5 und 6 des Bescheids).

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 155 Abs. 2 VwGO (soweit die Klage teilweise zurückgenommen wurde) und berücksichtigt die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Kostenteilung in Asylverfahren (vgl. z.B. B.v. 29.6.2009 - 10 B 60/08 - juris); Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 AsylG).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. ZPO.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.