Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 22. Jan. 2016 - 1 M 416/15

bei uns veröffentlicht am22.01.2016

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 28. September 2015 – 7 B 3350/15 SN – wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht auf 3.755,86 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens gegen eine Ordnungsverfügung, mit der ihm die Untervermietung zum Zwecke der Prostitution untersagt wurde, sowie gegen eine daraus folgende Festsetzung eines Zwangsgeldes.

2

Der Antragsteller ist Mieter einer Wohnung in der C. Straße in C., die er zum Zwecke der Prostitution untervermietete. Mit Ordnungsverfügung vom 28. Mai 2015 untersagte der Antragsgegner ihm unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Untervermietung oder Zurverfügungstellung dieser Wohnung zum Zwecke der Ausführung der Prostitution und drohte ihm ein Zwangsgeld an. Dabei stützte sich der Antragsgegner auf § 1 der Landesverordnung über das Verbot der Prostitution. Danach sei die Prostitution in Gemeinden bis 15.000 Einwohnern verboten, die Stadt C. habe zum Stichtag 08. Oktober 2014 6021 Einwohner. Mit Leistungsbescheid vom 23. Juli 2015 setzte der Antragsgegner das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 5.000 € fest. Gegen beide Bescheide legte der Antragsteller Widerspruch ein.

3

Am 02. September 2015 suchte der Antragsteller um einstweiligen Rechtschutz nach mit dem Antrag, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Ordnungsverfügung wiederherzustellen und die seines Widerspruchs gegen die Zwangsmittelfestsetzung anzuordnen.

4

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 28. September 2015 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt.

5

Die nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses am 01. Oktober 2015 mit am 05. Oktober 2015 eingegangenem Schriftsatz fristgemäß eingelegte und gleichermaßen fristgemäß begründete Beschwerde des Antragstellers gegen den verwaltungsgerichtlichen Beschluss hat keinen Erfolg.

6

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 2. Alt. VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung im Falle des Abs. 2 Nr. 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Die gerichtliche Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ergeht auf der Grundlage einer Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Interesse des Antragstellers, vorläufig vom Vollzug des Verwaltungsaktes verschont zu bleiben (Aussetzungsinteresse), und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes (Vollziehungsinteresse). Im Rahmen der Interessenabwägung ist der Gesichtspunkt der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bzw. der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. In der Regel überwiegt das öffentliche Vollziehungsinteresse, wenn sich der angegriffene Verwaltungsakt nach dem Prüfungsmaßstab des – summarischen – vorläufigen Rechtsschutzverfahrens als rechtmäßig erweist und der Rechtsbehelf in der Hauptsache ohne Aussicht auf Erfolg sein dürfte. Demgegenüber überwiegt grundsätzlich das private Aussetzungsinteresse, wenn sich der Verwaltungsakt nach diesem Maßstab als rechtswidrig erweist; an der Vollziehung eines rechtswidrigen Bescheides besteht regelmäßig kein schutzwürdiges öffentliches Interesse. Lässt sich die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht in diesem Sinne klären bzw. ist der Ausgang der Hauptsache offen, bedarf es einer Abwägung der (sonstigen) wechselseitigen Interessen.

7

Dabei ist in Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der Gegenstand der gerichtlichen Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO darauf beschränkt, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts an Hand derjenigen Gründe nachzuprüfen, die der Beschwerdeführer darlegt.

8

Die Ablehnung der Anträge durch das Verwaltungsgericht ist nach diesen Maßstäben und der im Eilverfahren nur summarisch vorzunehmenden Prüfung nicht zu beanstanden.

9

Das Verwaltungsgericht hat mit zutreffender Begründung, auf die der Senat verweist (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO), seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass die auf die Landesverordnung über das Verbot der Prostitution (ProstVerbV M-V, GVOBl. M-V 1992, 384) gestützte Ordnungsverfügung rechtmäßig ist und insbesondere gegen die Landesverordnung selbst und Art. 297 EGStGB – als deren Ermächtigungsgrundlage – im Rahmen der summarischen Prüfung keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.

10

Soweit der Antragsteller vorträgt, es bestünden verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Verordnungsermächtigung im Hinblick auf den aus dem Rechtsstaatsprinzip und Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG folgenden Bestimmtheitsgrundsatz in Bezug auf den Begriff des „öffentlichen Anstands“, räumt er selbst ein, dass diese Ansicht im Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. v. 28.04.2009 – 1 BvR 224/07 –, NVwZ 2009, 905; juris Rn. 15 ff.) steht, der sich der Senat anschließt.

11

Auch daraus, dass die Rechtsprechung den Begriff des „öffentlichen Anstands“ dahingehend konkretisiert hat, dass der Erlass einer Sperrgebietsverordnung zum Schutze des öffentlichen Anstandes gerechtfertigt sein kann, wenn die Eigenart des betroffenen Gebietes durch eine besondere Schutzbedürftigkeit und Sensibilität, z.B. als Gebiet mit hohem Wohnanteil sowie Schulen, Kindergärten, Kirchen und sozialen Einrichtungen gekennzeichnet ist und wenn eine nach außen in Erscheinung tretende Ausübung der Prostitution typischerweise damit verbundene Belästigungen Unbeteiligter und "milieubedingte Unruhe", wie zum Beispiel das Werben von Freiern und anstößiges Verhalten gegenüber Passantinnen und Anwohnerinnen, befürchten lässt (BVerfG, Beschl. v. 28.04.2009 – 1 BvR 224/07 –, NVwZ 2009, 905; juris Rn. 16; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 11.08.2015 – 5 A 1188/13 –, juris), kann nicht geschlussfolgert werden – so aber der Antragsteller –, dass ein gänzliches Verbot jeglicher Prostitution in Gemeinden mit bis zu 15.000 Einwohnern, wie es § 1 der ProstVerbV M-V vorsieht, verfassungswidrig sei.

12

Zunächst ist darauf zu verweisen, dass der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts der Fall einer Sperrgebietsverordnung auf der Grundlage von Art. 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGStGB zugrunde lag und nicht wie im vorliegenden Fall eine nach Nr. 1 der Vorschrift. Gemäß Art. 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 kann für Teile des Gebietes einer Gemeinde über zwanzigtausend Einwohner oder eines gemeindefreien Gebiets durch Rechtsverordnung verboten werden, der Prostitution nachzugehen. Das Bundesverfassungsgericht hatte deshalb nur über eine Fallkonstellation zu entscheiden, in der ohnehin nur ein Teilgebiet der Gemeinde betroffen war.

13

Damit ist jedoch nicht zugleich gesagt, dass die Vorschrift des Art. 297 Abs. 1 Nr. 1 EGStGB – weil von ihr das gesamte Gemeindegebiet betroffen ist – verfassungsrechtlich zu unbestimmt wäre. Vielmehr spricht nach summarischer Prüfung viel dafür, dass in kleineren Gemeinden typischerweise die Prostitution stärker nach außen in Erscheinung tritt, jedenfalls von Unbeteiligten, die davon nicht behelligt werden wollen, stärker wahrgenommen wird, als in größeren anonymeren Städten. Die Festsetzung von Sperrgebieten auf der Grundlage von Art. 297 EGStGB dient der lokalen Steuerung der Prostitutionsausübung aus ordnungsrechtlichen Gründen (BVerfG, Beschl. v. 28.04.2009 – 1 BvR 224/07 –, NVwZ 2009, 905; juris Rn. 16; BVerwG, Urt. v. 17.12.2014 – 6 C 28/13 –, juris Rn. 15). Mithin durfte der Verordnungsgeber auch von der in der Ermächtigungsgrundlage ausdrücklich vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch machen, orientiert an der Einwohnerzahl, die Prostitution im gesamten Gemeindegebiet zu verbieten. Dabei hat er die Grenze nicht voll ausgeschöpft, sondern mit 15.000 Einwohnern (entspricht 30% von 50.000 Einwohnern) auf kleine Gemeinden und Städte festgelegt, die raumordnerisch lediglich Unterzentren – wie im vorliegenden Fall – oder auch kleinere Mittelzentren sind, und damit auch berücksichtigt, dass das ländlich geprägte Mecklenburg-Vorpommern nur wenige Städte aufweist, deren Einwohnerzahl über 50.000 liegt.

14

Zudem hat das Bundesverfassungsgericht in einem Fall aus Baden-Württemberg eine auf Art. 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGStGB gestützte Sperrgebietsverordnung für das ganze Gebiet einer Gemeinde bis zu 35.000 Einwohnern nicht beanstandet (BVerfG, Beschl. v. 07.10.2008 – 2 BvR 1101/08 –, NVwZ 2009, 239, juris Rn. 9). Auch das Bundesverwaltungsgericht hält Art. 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGStGB für eine tragfähige Ermächtigungsgrundlage und hat ausgeführt, dass Bedenken gegen die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht nicht ersichtlich seien. Die durch Art. 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGStGB gegebene Möglichkeit, in Gemeinden mit bis zu 50.000 Einwohnern die Prostitution gänzlich zu verbieten, ist auch durch das Prostitutionsgesetz vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3983) nicht beseitigt worden; vielmehr ist der Vorschlag, Art. 297 EGStGB ersatzlos zu streichen (BT-Drs. 14/4456 S. 3), nicht Gesetz geworden (BVerwG, Urt. v. 20.11.2003 – 4 C 6/02 –, NVwZ 2004, 743, juris Rn. 9).

15

Für die Verfassungsmäßigkeit des Erlasses der Landesverordnung kommt es auch nicht darauf an, ob es im konkreten Einzelfall zu einer Beeinträchtigung der zu schützenden Belange gekommen ist. Vielmehr genügt für den Erlass einer Sperrgebietsverordnung die Prognose, dass das betroffene Verhalten (hier die Ausübung der Prostitution) in hinreichender Weise die abstrakte Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Schutzgüter begründet (BVerwG, Beschl. v. 17.12.2014 – 6 C 28/13 –, juris Rn. 12).

16

Weiter kann der Antragsteller auch nicht damit durchdringen, dass der Verordnungsgeber nicht zwischen der Wohnungsprostitution mit geringerer öffentlicher Sichtbarkeit und anderen, wie er vorträgt „typischerweise kriminogeneren“ Formen der Prostitution, wie z. B. dem Straßenstrich differenziert habe. Zwar dürfte eine Verlagerung der Prostitution „von der Straße in die Häuser“ (vgl. Wohlfarth, LKRZ 2014, 393), wie sie auch wohl von dem geplanten Prostitutionsstättengesetz bzw. Prostitutionsschutzgesetz angestrebt wird (siehe hierzu Entschließung des Bundesrates „Maßnahmen zur Regulierung der Prostitution und der Prostitutionsstätten“ BR-Drs. 71/14), vor allem aus sozialen Gründen sinnvoll sein, der Antragsteller unterstellt jedoch bei seiner Argumentation, dass es bei der Wohnungsprostitution keine unerwünschte Begleitkriminalität gebe, also keine „milieubedingte Unruhe“ zu befürchten sei. Das trifft nicht zu. Die Wohnungsprostitution wird zwar häufig deutlich weniger wahrnehmbar sein als die Straßen- und Bordellprostitution. Jedoch können Belästigungen der Anwohner, milieubedingte Unruhe, das Ansprechen Unbeteiligter sowie das Anfahren und Abfahren der Freier als sichtbare Begleiterscheinungen der Prostitution nicht von vornherein für den Bereich der Wohnungsprostitution als ausgeschlossen betrachtet werden (BVerfG, Beschl. v. 28.04.2009 – 1 BvR 224/07 -, NVwZ 2009, 905, juris Rn. 25 mit Hinw. auf BT-Drs. 16/4146, S. 40). Vielmehr ist allgemein bekannt, dass auch bei Wohnungsprostitution enge Verknüpfungen zur organisierten Kriminalität, zum sog. „Rotlicht“milieu bestehen. Allein die gewerbsmäßige Vermietung und das Zurverfügungstellen von Wohnungen für wechselnde Prostituierte – wie auch im vorliegenden Fall – bedürfen eines erheblichen Organisationsaufwandes und legen eine Vernetzung in die Szene nahe. Da mit Wohnungsprostitution hohe Bargeldumsätze geschafft werden können, ist dieses Geschäft, nicht weniger als andere Prostitutionsformen, für die organisierte Kriminalität lukrativ. Es wäre lebensfremd anzunehmen, dass solche Organisationen auf diese Einnahmen zu Gunsten anderer verzichten würden. Schon dass die Mietzahlungen – wie die Prostituierten bei ihren Befragungen angegeben haben – in bar erfolgten, ist nicht nur für „normale“ Mietverhältnisse untypisch, sondern vielmehr szenetypisch. Da hier nur die Prognose des Verordnungsgebers beim Erlass der Verordnung in Frage steht, bedarf es keiner Vertiefung dahingehend, ob ein solcher „Milieu“-Hintergrund auch im Fall des Antragstellers vorliegt.

17

Letztlich mag der Antragsteller aufgrund der gewerblichen Untervermietung in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG betroffen sein, er ist jedenfalls nicht darin durch die angefochtene Ordnungsverfügung verletzt. Denn diese Berufsausübung darf gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetz geregelt werden. Eine solche Berufsausübungsregelung ist gesetzlich mit Art. 297 Abs. 1 Nr. 1 EGStGB und der darauf beruhenden Landesverordnung über das Verbot der Prostitution Mecklenburg-Vorpommern getroffen worden. Solche Regelungen dürfen getroffen werden, wenn sie durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt sind, die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sind und die durch sie bewirkten Beschränkungen den Betroffenen zumutbar sind. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass die beiden Schutzzwecke des Art. 297 EGStGB, der Schutz der Jugend und der Schutz des öffentlichen Anstands, diese Voraussetzungen erfüllen und die Ermächtigung auch verhältnismäßig ist (BVerfG, Beschl. v. 28.04.2009 – 1 BvR 224/07 -, NVwZ 2009, 905, juris Rn. 22 ff.). Ebenso verletzt die Vorschrift nicht das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG, zu dem verfassungsrechtlich auch das Wohnungsmietrecht zählt, sondern stellt eine rechtmäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung i. S. v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. BVerfG, a. a. O., Rn. 28 ff.)

18

Die Beschwerde hat auch keinen Erfolg, soweit sie sich auf den weiteren Antrag des Antragstellers bezieht, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Zwangsgeldfestsetzung anzuordnen. Da sich nach summarischer Prüfung die Ordnungsverfügung als rechtmäßig erweist, konnte auf sie auch die Festsetzung des Zwangsgeldes – nach bereits erfolgter Androhung – gestützt werden. Weitere Angriffe gegen die Festsetzung, die über diejenigen gegen die Ordnungsverfügung hinausgehen, hat der Antragsteller nicht dargelegt.

19

Ob die Landesregierung im Zuge der oben genannten beabsichtigten bundesrechtlichen Gesetzesänderungen auch die streitgegenständliche Prostitutionsverordnung einer Überarbeitung unterziehen wird (siehe allgemein die Kleinen Anfragen zum Thema „Prostitution“ vom 21.11.2014, LT-Drs. 6/3448, vom 06.01.2015, LT-Drs. 6/3597 und vom 13.04.2015, LT-Drs. 6/3846), mag gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren Berücksichtigung finden.

20

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

21

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, 2 und 53 Abs. 2 GKG.

22

Hinweis:

23

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

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(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

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Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt. Gründe

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Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 3.755,86 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller vermietet gewerbsmäßig Wohnungen zum Zwecke der Prostitution unter. Er wendet sich gegen die Vollziehbarkeit einer Ordnungsverfügung sowie einer zu deren Durchsetzung erfolgten Zwangsgeldfestsetzung.

2

Im vorliegenden Streitfall befindet sich die von ihm gemietete und untervermietete Wohnung in der Stadt C-Stadt im 1. Obergeschoss des Mehrparteien-Mietshauses D-Straße n. C-Stadt ist im Regionalen Raumentwicklungsprogramm G. von 2011 als Grundzentrum ausgewiesen und hatte laut dem Statistischen Bericht des Landesamts für innere Verwaltung vom 22. September 2014 am 31. Dezember 2013 eine Bevölkerung von 6.517 Personen und laut dem jüngsten Bericht vom 18. September 2015 am 31. Dezember 2014 eine Bevölkerung von 6.581 Personen.

3

Am 14. April 2014 stellten Beamte der Kriminalpolizei fest, dass in der Wohnung — entsprechend einschlägiger Werbung im Internet — die Prostitution ausgeübt wurde. Den angetroffenen Prostituierten wurde in Umsetzung von § 1 der Landesverordnung über das Verbot der Prostitution vom 30. Juni 1992 (GVOBl. M-V S. 384) – ProstVerbV M-V – die Fortsetzung ihrer Tätigkeit untersagt. Die Eigentümer des Hausgrundstücks wurden aufgesucht und ebenfalls über die ProstVerbV M-V belehrt. Sie kündigten in der Folgezeit das Mietverhältnis mit dem Antragsteller zum August 2014 und forderten diesen zur Räumung der Wohnung auf, zuletzt mit einer Nachfrist zum Ablauf des Jahres 2015; dies belegten sie bei Anhörungen gegenüber dem Antragsgegner.

4

Gegenüber dem unter dem 29. Januar 2015 ebenfalls angehörten Antragsteller erließ der Antragsgegner sodann die angegriffene Ordnungsverfügung vom 28. Mai 2015, mit der er ihm „ab dem Tage der Zustellung der Verfügung die Untervermietung oder Zurverfügungstellung der [genannten] Wohnung zum Zwecke der Ausführung der Prostitution“ untersagte (Tenorpunkt I.), die sofortige Vollziehung dieser Untersagung anordnete (II.) und dem Antragsteller ein Zwangsgeld von 5.000 € für den Fall androhte, „dass er die Untervermietung oder Zurverfügungstellung der Wohnung zum Zwecke der Prostitution nicht innerhalb der in Ziffer 1 d[…]es Bescheides festgesetzten Frist einstelle[…]“ (III.). Die Ordnungsverfügung war auf § 13 des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes – SOG M-V – und § 1 ProstVerbV M-V gestützt, die Zwangsgeldandrohung auf §§ 86 und 88 SOG M-V; die sofortige Vollziehung wurde gesondert begründet. Hierauf und auf die weiteren Bescheidsgründe, insbesondere zur Störerauswahl, wird Bezug genommen.

5

Der Antragsteller ließ gegen die Ordnungsverfügung, die ihm am 1. Juni 2015 zugestellt worden war, am 11. Juni 2015 Widerspruch einlegen; hierüber ist noch nicht entschieden.

6

Die Kriminalpolizei setzte nachfolgend den Antragsgegner davon in Kenntnis, dass am 20. Juli 2015 in der genannten Wohnung eine Prostituierte, die wegen verbotener Ausübung der Prostitution auch schon vor Gericht gestanden hatte, zum dritten Mal seit 2014 in einer Gemeinde im Sinne von § 1 ProstVerbV M-V bei der Ausübung ihres Gewerbes angetroffen wurde; sie habe ausgesagt, der Antragsteller habe ihr mitgeteilt, dass die Prostitution in der Wohnung zulässig sei.

7

Hierauf erließ der Antragsgegner am 22. Juli 2015 gegen den Antragsteller einen Leistungsbescheid mit einer Zwangsgeldfestsetzung in Höhe von 5.000 €, in dem er auch Verwaltungskosten von 23,45 € erhob.

8

Der Antragsteller legte hiergegen am 18. August 2015 anwaltlich Widerspruch ein; hierüber ist ebenfalls noch nicht entschieden. Ferner beantragte der Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung des Leistungsbescheids.

9

Mit Schreiben vom 20. August 2015 setzte der Antragsgegner die Vollziehung aus.

10

Am 2. September 2015 hat der Antragsteller sich wegen einstweiligen Rechtsschutzes an das Gericht gewandt. Er bestreitet die Wirksamkeit der ProstVerbV M-V und deren rechtmäßige Anwendung im vorliegenden Fall und beantragt schriftsätzlich,

11

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Ordnungsverfügung vom 28. Mai 2015 wiederherzustellen

12

und

13

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Zwangsmittelfestsetzung vom 23. Juli 2015 anzuordnen.

14

Der Antragsgegner beantragt schriftsätzlich,

15

den Antrag abzulehnen,

16

und verteidigt seine Bescheide.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die vom Antragsgegner vorgelegten Verwaltungsvorgänge (eine Heftung) Bezug genommen.

II.

18

Die Eilanträge haben keinen Erfolg.

19

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 der VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – gegen die Grundverfügung vom 28. Mai 2015 ist zulässig, aber unbegründet und daher abzulehnen.

20

Denn es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Ordnungsverfügung; unter diesen Umständen gewichtet die Kammer das vom Antragsgegner mit der Verfügung verfolgte und dort im Sinne von § 80 Abs. 3 VwGO hinreichend begründete öffentliche Interesse höher als das Individualinteresse des Antragstellers, bis zu einer endgültigen Entscheidung über seinen — erkennbar nicht erfolgsträchtigen — Widerspruch weiter seine untersagte gewerbliche Betätigung fortsetzen zu dürfen.

21

Der Antragsgegner ist als untere allgemeine Ordnungsbehörde — anders als hinsichtlich der der Bauaufsicht vorbehaltenen Bekämpfung unerlaubter Nutzungsänderungen von Wohnraum — für die Gefahrenabwehr im Zusammenhang mit Verstößen gegen die ProstVerbV M-V zuständig. Gegen die Gestaltung des ordnungsbehördlichen Verwaltungsverfahrens ist nichts zu erinnern. Zutreffend qualifizierte der Antragsgegner die beharrlichen Verstöße gegen die ProstVerbV M-V als eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne der polizeilichen Generalklausel des § 13 SOG M-V, die ihn zur Konkretisierung des in § 1 ProstVerbV M-V normierten Unterlassensgebots durch eine Ordnungsverfügung im Sinne von § 16 SOG M-V gegenüber dem Antragsteller ermächtigt.

22

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist nämlich von der Wirksamkeit des Verbots gemäß § 1 ProstVerbV M-V auszugehen. Mit der landesweit geltenden Vorschrift wurde „zum Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstandes […] für das gesamte Gebiet von Gemeinden bis zu 15.000 Einwohnern verboten, der Prostitution nachzugehen“.

23

Mit § 1 ProstVerbV M-V nahm die seinerzeitige Landesregierung die Ermächtigung in Art. 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einführungsgesetzes zum StrafgesetzbuchEGStGB – wahr, wonach die Landesregierung zum Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstandes für das ganze Gebiet einer Gemeinde bis zu fünfzigtausend Einwohnern durch Rechtsverordnung verbieten kann, der Prostitution nachzugehen. Sie tat dies teilweise, nämlich nur hinsichtlich Gemeinden mit bis zu 15.000 Einwohnern, und insoweit „gebündelt“ hinsichtlich aller betroffenen Gemeinden einer solchen Einwohnerzahl; auch diese Verfahrensweise ist durch die Ermächtigungsgrundlage gedeckt, deren Ausnutzung trotz ihrer Formulierung im Singular nicht den Erlass Dutzender oder gar hunderter Einzel-Verordnungen der Landesregierung mit je nur einer betroffenen Gemeinde erfordert(e) (vgl. auch die entsprechende Verordnungsgebungspraxis etwa in § 1 Satz 1 der bayerischen Verordnung über das Verbot der Prostitution vom 26. Mai 1975 [GVBl. S. 80] in der Fassung der Verordnung vom 14. März 1989 [GVBl. S. 91] — Gemeinden bis zu 30.000 Einwohnern —, in § 1 der baden-württembergischen Verordnung der Landesregierung über das Verbot der Prostitution vom 3. März 1976 [GBl. S. 290] — Gemeinden bis zu 35.000 Einwohnern —, in § 1 der saarländischen Verordnung über das Verbot der Prostitution vom 25. Oktober 1982 [Amtsbl. S. 819] — Gemeinden bis zu 35.000 Einwohnern —, in § 1 Abs. 1 der Verordnung der Sächsischen Landesregierung über das Verbot der Prostitution vom 10. September 1991 [SächsGVBl. S. 351] — Gemeinden bis zu 50.000 Einwohnern — und in § 1 Satz 1 der Thüringer Verordnung über das Verbot der Prostitution vom 24. April 1992 [GVBl. S. 157] — Gemeinden bis zu 30.000 Einwohnern).

24

Die Möglichkeit des Prostitutionsverbotes gemäß Art. 297 Abs. 1 EGStGB dient dazu, „empfindlichen“ örtlichen Sozialstrukturen Schutz vor den von der Prostitution ausgehenden Gefahren für den öffentlichen Anstand und die Jugend, etwa im Rahmen des Anbahnungsgeschehens oder durch das Verhalten von „Freiern“, zu bieten. Der Verordnungsgeber hat sein Ermessen bei einer auf die Bekämpfung typischer Gefahrenlagen abzielenden Betrachtungsweise auszuüben. Dabei kommt es allerdings nicht auf Anzeichen einer konkreten Gefährdungslage an; Voraussetzung zum Erlass der Verordnung ist lediglich das Bestehen einer abstrakten Gefährdung für die zu schützenden Rechtsgüter. Für die Gültigkeit der Verordnung genügt es, dass ein Bezug auf die gesetzliche Zweckbestimmung vorliegt und dass die Norm geeignet erscheint, dem mit der Ermächtigung verfolgten Zweck zu dienen (vgl. die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 16. November 1982 – Vf. 26-VII-80, Vf. 27-VII-80, Vf. 13-VII-81, Vf. 16-VII-81, Vf. 17-VII-81, Vf. 18-VII-81 –, amtliche Entscheidungssammlung VerfGH Bd. 35, S. 137 [141]). In zulässiger Weise typisierend bejahte der Verordnungsgeber einen solchen Handlungsbedarf allgemein für Gemeinden mit bis zu 15.000 Einwohnern. Wegen der Art und Überschaubarkeit der Sozialstruktur wäre dort Prostitution — im Vergleich zur Anonymität größerer Städte — jeweils verstärkt wahrnehmbar. Auch der Bundesgesetzgeber würdigte die besondere Sozialstruktur kleinerer und mittelgroßer Gemeinden, wie sich aus der Regelung in Art. 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGStGB ergibt, wonach die Einrichtung von Sperrbezirken, die sich auf Teile des Gemeindegebietes beschränken, überhaupt erst bei Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern möglich ist. Bei kleineren Gemeinden käme ein örtlich noch weiterhin beschränktes Prostitutionsverbot regelmäßig mit dem gesetzlichen Kasernierungsverbot des Art. 297 Abs. 3 EGStGB in Konflikt.

25

Auch die nach Verordnungserlass erfolgte zivil- und sozialversicherungsrechtliche Anerkennung der Prostitution durch das Prostitutionsgesetz vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3983) führte nicht zur Relativierung der Bedeutung von Jugendschutz und Schutz des öffentlichen Anstands. Das Bundesverwaltungsgericht – BVerwG – stellte in seinem Urteil vom 17. Dezember 2014 – 6 C 28.13 – (Gewerbearchiv 2015, S. 258) zu Sperrgebietsverordnungen nach Art. 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGStGB klar, dass auch nach Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes ein Tätigwerden des Verordnungsgebers nicht voraussetzt, dass die Ausübung der Prostitution eine Belästigung der Öffentlichkeit oder Gefährdung Jugendlicher in konkreten Einzelfällen hervorruft; vielmehr genügt für den Erlass einer Verbotsverordnung die prognostische Beeinträchtigung für Gebiete mit einer besonderen Schutzbedürftigkeit und Sensibilität, also z. B. solche mit hohem Wohnanteil sowie mit Schulen, Kindergärten, Kirchen und sozialen Einrichtungen; in diesen Gebieten begründet die Ausübung der Prostitution die abstrakte Gefahr von typischerweise mit der Prostitutionsausübung eingehenden Beeinträchtigungen und „milieubedingter Unruhe“. Bei kleineren Wohngemeinden und damit im Anwendungsbereich von Art. 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGStGB liegt diese Prognose auf der Hand.

26

Die an die Einwohnerzahl der Gemeinden anknüpfende Regelung des Geltungsbereichs von § 1 ProstVerbV M-V erscheint bei summarischer Betrachtung ebenfalls bedenkenfrei. Für die Anwendung des Verbots ergibt sich zwar bei wörtlicher Betrachtung ein möglicherweise zeitlich variierender Geltungsbereich der Verordnungsregelung, je nachdem, ob infolge Bevölkerungszu- oder -abnahme in einzelnen Gemeinden die Schwelle von 15.000 Einwohnern über- oder unterschritten wird. Dann „schrumpften“ sich etwa seit 1991/1992 laut den verfügbaren statistischen Berichten die Städte Pasewalk, Demmin, Wolgast, Anklam und Bergen auf Rügen in den Geltungsbereich von § 1 ProstVerbV M-V „hinein“; es wäre aber auch denkbar, dass einige hiervon oder weitere Gemeinden etwa durch den gebündelten Zuzug von Flüchtlingen oder auch bei kommunalen Neugliederungen auf Gemeindeebene stark anwüchsen und damit den Geltungsbereich des Verbots künftig verließen. Bedenklich wäre eine solche Regelung vielleicht, weil es dem Normunterworfenen bisweilen nicht ohne eingehendere Erkundigungen möglich wäre, zu ermitteln, ob er sich in einer Gemeinde mit Prostitutionsverbot befindet oder nicht — wenn auch etwa demjenigen, der die für die Anlage einer „Modelwohnung“ notwendigen, nicht ganz unerheblichen Investitionen tätigt, die vorherige Einholung solcher Erkundigungen grundsätzlich zuzumuten sein dürfte. Besonders bei einer ständigen Bevölkerungsfluktuation um den Schwellenwert von 15.000 Einwohnern herum könnten die Schwierigkeiten allerdings groß sein. Jedoch bietet sich alternativ eine Lesart von § 1 ProstVerbV an, die das letztgenannte Problem vermeidet, indem man nämlich das mit der Verordnung Mitte 1992 ausgesprochene Verbot als auf die seinerzeit der Regelung unterfallenden Gemeinden beschränkt ansieht.

27

Die genaue Gesamtbedeutung der verordnungsrechtlichen 15.000-Einwohner-Schwelle braucht jedoch vorliegend nicht geklärt zu werden, denn das in § 1 ProstVerbV M-V ausgesprochene Verbot gilt jedenfalls auch für das Gebiet der Stadt C-Stadt und damit für die dort belegene Wohnung in der D-Straße n. Abzustellen ist bei der Betrachtung des zu schützenden Sozialgefüges auf die (auch bei Volkszählungen festzustellende) Zahl der Einwohner mit alleinigem Wohnsitz oder Hauptwohnsitz (vgl. das Urteil des BVerwG vom 20. November 2003 – 4 C 6.02 –, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2004, S. 743 f.). Es braucht daher nicht ermittelt zu werden, ob, wie der Antragsteller geltend macht, mindestens temporär die Schwelle von 15.000 in der Stadt C-Stadt aufhältigen Personen überschritten wird; denn die Bevölkerungszahl der Stadt lag durchweg deutlich darunter (Ende 1991: 7.286 Personen, Ende 2014: 6.581 Personen; auch der leichte Bevölkerungsanstieg im Jahr 2014 stellt diese Feststellung nicht in Frage).

28

Auf die vom Antragsteller diskutierte Frage, in welcher konkreten Entfernung vorliegend z. B. soziale Einrichtungen oder Schulen jeweils zum im Streit stehenden Etablissement stehen, kommt es damit nicht an. Im Übrigen ist er der Darlegung nicht entgegengetreten, dass die „E.“ (Schuleinrichtung der Fa. E. GmbH in der D-Straße m) und der F.-Kindergarten recht nahe beim streitgegenständlichen Objekt liegen (letzterer laut Antragsteller allerdings in vierminütiger Entfernung). Die konkrete Situation in der Gemeinde Stadt C-Stadt, bei der es sich im Wesentlichen um einen kleinen, dem Wohnen dienenden Ort mit Gewerbeflächen am Ortsrand und zur nahen Autobahn hin handelt, deutet auch insofern nicht auf atypische Umstände für eine Gefahrenbeurteilung hin. Der vom Antragsteller geltend gemachten „Harmlosigkeit“ und „Unverfänglichkeit“ des Treibens in der offenbar am Klingelschild mit „Pussy Doll“ gekennzeichneten, von unterschiedlichen Bewohnerinnen kurzfristig genutzten Wohnung mag man zudem konkret entgegenhalten, dass die Eingabe der Anschrift in eine gebräuchliche „Internet-Suchmaschine“ eine Vielzahl von für das Gewerbe der Untermieterinnen des Antragstellers einschlägigen Angeboten zutage fördert, u. a. auf einem für den Personenkreis der „Freier“ bezeichnenden Situs „www.ausfahrt-girls.com“.

29

Die Ordnungsverfügung genügt auch einzelfallbezogen den Geboten der Verhältnismäßigkeit und der gleichmäßigen Rechtsanwendung. Die Kriminalpolizei und der Antragsgegner gingen gegenüber allen mit dem Rechtsverstoß der Ausübung der Prostitution in Verbindung zu bringenden Verantwortlichen vor. Ein Vorrang, dass Ordnungsverfügungen zur Unterbindung von bereits ausgeübten rechtswidrigen Nutzungen einer Wohnung an den nutzenden Mieter als „Verhaltensstörer“ zu richten seien, ist jedenfalls in den Konstellationen zu verneinen, bei denen die die Wohnung jeweils konkret nutzenden Mieter, namentlich hier die Prostituierten, häufig wechseln (vgl. den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Februar 2007 – 1 ZB 06.2296 –, juris Rdnr. 22 m. w. Nachw.); so liegt es angesichts der von den Prostituierten angegebenen kurzen Mietzeiten auch hier. Im Übrigen wurden jene, wie gesagt, auch polizeilich in Anspruch genommen, ebenso wie die Hauseigentümer. Die ordnungsrechtliche Verantwortung liegt sogar vorrangig bei dem jeweils aktiven (Unter-)Vermieter, wenn er, wie vorliegend ausweislich seiner Antragsschrift der Antragsteller, die Verantwortlichkeit für den Betrieb mit wechselnden, wohl auch nicht ohne sein Zutun ausgewählten Mieterinnen übernimmt und damit die Unterbindung des Betriebes nachhaltig am ehesten durch ihn erfolgen kann. Die Verfügung ist auch verhältnismäßig. Allein der Umstand, dass offenbar seit geraumer Zeit die streitgegenständliche Wohnung für Prostitutionszwecke genutzt wurde und dieses Wissen beim Antragsgegner evtl. vorhanden war oder hätte sein können, vermag nicht die Rechtswidrigkeit des ordnungsbehördlichen Einschreitens zu begründen; Anhaltspunkte für eine bewusste Duldung sind nicht ersichtlich. Der Antragsteller widerspricht sich bei seinem eine solche behauptenden Vorbringen übrigens selbst, wenn er ansonsten die angebliche Unauffälligkeit seiner Gewerbeausübung betont. Den beigezogenen Verwaltungsvorgängen ist jedenfalls nicht zu entnehmen, dass der Antragsgegner auf andere Weise als durch den Einsatzbericht der Kriminalpolizei von der verbotenen Prostitutionsausübung erfahren hätte, der er dann auch zügig entgegenwirkte.

30

Der weitere Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Leistungsbescheid mit der Festsetzung des Zwangsgelds und von Verwaltungsgebühren und Auslagen ist bereits unzulässig. Antragsgemäß setzte nämlich der Antragsgegner dessen Vollziehbarkeit bereits vor Befassung des Gerichts mit Schreiben vom 20. August 2015 „bis zur Entscheidung des Landkreises bzw. bis zum Gerichtsentscheid“ aus. Es besteht daher gegenwärtig kein anerkennenswertes Interesse an Rechtsschutz in Gestalt der vom anwaltlich vertretenen Antragsteller begehrten Anordnung gleichen Inhalts.

31

Die Kostenentscheidung zu Lasten des unterlegenen Antragstellers ergeht gemäß § 154 Abs. 1 VwGO.

32

Der Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren liegen § 63 Abs. 2 Satz 1 und § 52 Abs. 1 und 7 in Verbindung mit § 53 Abs. 2 Nr. 2 sowie § 39 Abs. 1 des GerichtskostengesetzesGKG – zugrunde. Die Kammer geht für die Grundverfügung von dem „Auffangstreitwert“ gemäß § 52 Abs. 2 GKG aus und halbiert diesen wegen der Vorläufigkeit der erstrebten Eilentscheidung; bei Anwendung des „Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit“ von 2013 wirkt sich die Zwangsgeldandrohung nicht streitwerterhöhend aus. Ebenfalls in Anwendung dieses „Streitwertkatalogs“ setzt die Kammer den Betrag des festgesetzten Zwangsgelds und der festgesetzten Verwaltungskosten zu einem Viertel an.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) §§ 88, 108 Abs. 1 Satz 1, §§ 118, 119 und 120 gelten entsprechend für Beschlüsse.

(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Aussetzung der Vollziehung (§§ 80, 80a) und über einstweilige Anordnungen (§ 123) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 161 Abs. 2) sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(1) Die Landesregierung kann zum Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstandes

1.
für das ganze Gebiet einer Gemeinde bis zu fünfzigtausend Einwohnern,
2.
für Teile des Gebiets einer Gemeinde über zwanzigtausend Einwohner oder eines gemeindefreien Gebiets,
3.
unabhängig von der Zahl der Einwohner für öffentliche Straßen, Wege, Plätze, Anlagen und für sonstige Orte, die von dort aus eingesehen werden können, im ganzen Gebiet oder in Teilen des Gebiets einer Gemeinde oder eines gemeindefreien Gebiets
durch Rechtsverordnung verbieten, der Prostitution nachzugehen. Sie kann das Verbot nach Satz 1 Nr. 3 auch auf bestimmte Tageszeiten beschränken.

(2) Die Landesregierung kann diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf eine oberste Landesbehörde oder andere Behörden übertragen.

(3) Wohnungsbeschränkungen auf bestimmte Straßen oder Häuserblocks zum Zwecke der Ausübung der Prostitution (Kasernierungen) sind verboten.

(1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. Ist durch Gesetz vorgesehen, daß eine Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf es zur Übertragung der Ermächtigung einer Rechtsverordnung.

(2) Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, vorbehaltlich anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung, Rechtsverordnungen der Bundesregierung oder eines Bundesministers über Grundsätze und Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen des Postwesens und der Telekommunikation, über die Grundsätze der Erhebung des Entgelts für die Benutzung der Einrichtungen der Eisenbahnen des Bundes, über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen, sowie Rechtsverordnungen auf Grund von Bundesgesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen oder die von den Ländern im Auftrage des Bundes oder als eigene Angelegenheit ausgeführt werden.

(3) Der Bundesrat kann der Bundesregierung Vorlagen für den Erlaß von Rechtsverordnungen zuleiten, die seiner Zustimmung bedürfen.

(4) Soweit durch Bundesgesetz oder auf Grund von Bundesgesetzen Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen, sind die Länder zu einer Regelung auch durch Gesetz befugt.

Tenor

Das auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21. März 2013 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen wird geändert, soweit der Klage stattgegeben worden ist. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.

Unter Einbeziehung des unanfechtbar gewordenen Teils der Kostenentscheidung des Urteils erster Instanz wird die Kostenentscheidung wie folgt neu gefasst:

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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(1) Die Landesregierung kann zum Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstandes

1.
für das ganze Gebiet einer Gemeinde bis zu fünfzigtausend Einwohnern,
2.
für Teile des Gebiets einer Gemeinde über zwanzigtausend Einwohner oder eines gemeindefreien Gebiets,
3.
unabhängig von der Zahl der Einwohner für öffentliche Straßen, Wege, Plätze, Anlagen und für sonstige Orte, die von dort aus eingesehen werden können, im ganzen Gebiet oder in Teilen des Gebiets einer Gemeinde oder eines gemeindefreien Gebiets
durch Rechtsverordnung verbieten, der Prostitution nachzugehen. Sie kann das Verbot nach Satz 1 Nr. 3 auch auf bestimmte Tageszeiten beschränken.

(2) Die Landesregierung kann diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf eine oberste Landesbehörde oder andere Behörden übertragen.

(3) Wohnungsbeschränkungen auf bestimmte Straßen oder Häuserblocks zum Zwecke der Ausübung der Prostitution (Kasernierungen) sind verboten.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine Verfügung, durch welche ihm die beklagte Stadt Frankfurt am Main untersagt hat, das Hinterhaus auf einem ihm gehörenden Hausgrundstück für einen bordellartigen Betrieb zur Verfügung zu stellen.

2

Der Kläger vermietete die Räume eines Hinterhauses auf einem ihm gehörenden Hausgrundstück in Frankfurt am Main zum Betrieb eines sogenannten Massagestudios, in dem Prostituierte sexuelle Dienstleistungen anboten. Am Grundstück selbst wurde nicht auf diese Nutzung hingewiesen. Für das Massagestudio wurde auf einer Werbetafel im Bereich der Frankfurter Hauptwache und im Internet geworben. Das Grundstück liegt in einem bauplanungsrechtlich ausgewiesenen Mischgebiet, an das ein allgemeines Wohngebiet angrenzt. Etwa 200 Meter entfernt befinden sich zwei Kindertagesstätten, etwa 100 Meter entfernt befindet sich eine Realschule.

3

Für den Bereich des Grundstücks verbietet die Verordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstands in Frankfurt am Main vom 23. Dezember 1986 (Sperrgebietsverordnung) unter anderem, in Prostituiertenwohnheimen, Prostituiertenunterkünften und ähnlichen Einrichtungen (unter anderem in sogenannten Massagesalons und sonstigen überwiegend von Prostituierten genutzten Häusern) der Prostitution nachzugehen.

4

Gestützt auf einen Verstoß gegen die Sperrgebietsverordnung untersagte die Beklagte dem Kläger durch die angegriffene Verfügung, seine Liegenschaft zur Ausübung der Prostitution zur Verfügung zu stellen.

5

Nach Zurückweisung seines hiergegen eingelegten Widerspruchs hat der Kläger gegen die Verfügung Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht abgewiesen hat.

6

Auf die Berufung des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof die Verfügung der Beklagten aufgehoben: Die Verfügung könne nicht auf einen Verstoß gegen die Sperrgebietsverordnung gestützt werden. Rechtsgrundlage für deren Erlass sei Art. 297 Abs. 1 EGStGB. Die weitgehende Legalisierung der Prostitution durch das Prostitutionsgesetz mache diese Verordnungsermächtigung zwar nicht obsolet; das Prostitutionsgesetz und der darin manifestierte Wandel der gesellschaftlichen Akzeptanz der Prostitution verböten es jedoch, bei der Anwendung der Ermächtigungsgrundlage des Art. 297 EGStGB die Ausübung der Prostitution außerhalb ausgewiesener Toleranzzonen als Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung einzustufen, ohne die aus ihrer Ausübung resultierenden schädlichen Auswirkungen auf die Nachbarschaft, insbesondere auf dort lebende Jugendliche und Kinder konkret zu bewerten. Eine öffentlich nicht wahrnehmbare Ausübung der Prostitution könne deshalb nicht mehr durch den Vollzug einer Sperrgebietsverordnung unterbunden werden, die keine konkrete Belästigung der Öffentlichkeit durch Begleiterscheinungen der Prostitution voraussetze. Die Sperrgebietsverordnung sei bundesrechtskonform dahin auszulegen, dass die dort beschriebene Ausübung der Prostitution außerhalb der Toleranzzonen nur noch dann verboten sei, wenn sie nach außen in Erscheinung trete und eine „milieubedingte Unruhe“ befürchten lasse. Beides sei hier offensichtlich nicht gegeben.

7

Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte, die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts zurückzuweisen: Art. 297 EGStGB sei auch nach Erlass des Prostitutionsgesetzes eine geeignete Ermächtigungsgrundlage für eine Sperrgebietsverordnung, durch welche aufgrund einer typisierenden Betrachtung der Prostitution von ihr ausgehende abstrakte Gefahren der Belästigung der Wohnbevölkerung und der Jugend unterbunden werden sollten.

8

Der Kläger tritt der Revision entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat Art. 297 Abs. 1 EGStGB zu Unrecht einschränkend ausgelegt. Entgegen seiner Auffassung ermächtigt diese Vorschrift nicht nur zum Erlass solcher Sperrgebietsverordnungen, welche die Prostitution nur unter der Voraussetzung verbieten, dass mit ihr im konkreten Fall Belästigungen der Öffentlichkeit durch Begleiterscheinungen der Prostitution verbunden sind. Hiervon ausgehend gebietet Bundesrecht nicht, § 1 Abs. 2 Halbs. 2 der Verordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstands in Frankfurt am Main vom 23. Dezember 1986 (Sperrgebietsverordnung) einschränkend dahin auszulegen, dass die dort beschriebene Ausübung der Prostitution nur dann verboten ist, wenn sie nach außen in Erscheinung tritt und Belästigungen der Anwohner als milieubedingte Begleiterscheinungen der Prostitution befürchten lässt. Bei zutreffender Auslegung des Art. 297 Abs. 1 EGStGB hätte der Verwaltungsgerichtshof vielmehr zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Ausübung der Prostitution auf dem Hausgrundstück des Klägers gegen § 1 Abs. 2 der Sperrgebietsverordnung verstößt, deshalb zugleich einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit im Sinne des § 11 HSOG darstellt und - weil auch die übrigen Voraussetzungen für ein ordnungsbehördliches Einschreiten vorliegen - nach dieser Vorschrift untersagt werden durfte. Weiterer tatsächlicher Feststellung bedarf es hierfür nicht. Der Senat kann deshalb in der Sache entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO) und die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts zurückweisen.

10

Nach Art. 297 Abs. 1 EGStGB kann die Landesregierung oder nach Abs. 2 eine von ihr bestimmte Behörde zum Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstands für Teile des Gebiets einer Gemeinde durch Rechtsverordnung verbieten, der Prostitution nachzugehen.

11

Schon der eindeutige Wortlaut steht einem Verständnis der Norm entgegen, nach dem der Verordnungsgeber das Verbot von der Voraussetzung abhängig machen muss, dass die Ausübung der Prostitution im konkreten Einzelfall eine Belästigung der Öffentlichkeit durch die Begleiterscheinungen der Prostitution hervorruft. Von einer solchen Einschränkung ist in der Vorschrift nicht die Rede.

12

Es gibt keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz, der es geböte, den Schutz ordnungsrechtlicher Belange stets in der Weise auszugestalten, dass nur ein Verhalten rechtlich untersagt wird, von dem im konkreten Einzelfall erwiesen ist, dass es diese Belange tatsächlich beeinträchtigt. Für den Erlass einer Verordnung genügt die Prognose, dass das betroffene Verhalten (hier die Ausübung der Prostitution) in hinreichender Weise die abstrakte Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Schutzgüter begründet. Es bestehen deshalb keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn der Gesetzgeber den Verordnungsgeber ermächtigt, die Prostitution unter der Voraussetzung zu verbieten, dass deren Ausübung abstrakte Gefahren für den öffentlichen Anstand oder den Schutz der Jugend begründet.

13

Demgemäß kann der Erlass einer Sperrgebietsverordnung zum Schutze des öffentlichen Anstands gerechtfertigt sein, wenn die Eigenart des betroffenen Gebietes durch eine besondere Schutzbedürftigkeit und Sensibilität, z.B. als Gebiet mit hohem Wohnanteil sowie Schulen, Kindergärten, Kirchen und sozialen Einrichtungen gekennzeichnet ist und wenn eine nach außen in Erscheinung tretende Ausübung der Prostitution typischerweise damit verbundene Belästigungen Unbeteiligter und „milieubedingte Unruhe“, wie zum Beispiel das Werben von Freiern und anstößiges Verhalten gegenüber Passantinnen und Anwohnerinnen, befürchten lässt (VGH Kassel, Urteil vom 31. Oktober 2003 - 11 N 2952/00 - NVwZ-RR 2004, 470 <471>; VGH Mannheim, Urteil vom 15. Dezember 2008 - 1 S 2256/07 - VBlBW 2009, 220). Für den Erlass der Verordnung genügt die Prognose, dass die Ausübung der Prostitution typischerweise damit verbundene Belästigungen hervorruft. Ist ein Gebiet durch eine besondere Schutzbedürftigkeit und Sensibilität, z.B. als Gebiet mit hohem Wohnanteil sowie Schulen, Kindergärten, Kirchen und sozialen Einrichtungen gekennzeichnet, darf der Verordnungsgeber davon ausgehen, dass die Ausübung der Prostitution die abstrakte Gefahr von derartigen Beeinträchtigungen des öffentlichen Anstands begründet.

14

Der Erlass des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz - ProstG) vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3983) führt nicht dazu, dass Art. 297 EGStGB in dieser Auslegung nunmehr gegen das Gebot der Normenklarheit und Widerspruchsfreiheit gesetzlicher Regelungen verstößt. Der Gesetzgeber hat sich mit dem Prostitutionsgesetz darauf beschränkt, zum einen die Rechtswirksamkeit des Anspruchs der Prostituierten auf das vereinbarte Entgelt (§ 1 ProstG), die fehlende Abtretbarkeit des Anspruchs und den weitgehenden Ausschluss von Einwendungen gegen diesen (§ 2 ProstG) und den Zugang zur Sozialversicherung trotz des nur eingeschränkten Weisungsrechts gegenüber abhängig beschäftigten Prostituierten (§ 3 ProstG) zu regeln sowie zum anderen die Strafbarkeit der Förderung der Prostitution und der Zuhälterei einzuschränken (Art. 2 ProstG). Dabei ging er ausweislich der Gesetzesbegründung davon aus, dass die Vereinbarung über ein Entgelt für sexuelle Leistungen und auch die Tätigkeit selbst nicht gegen die guten Sitten verstoßen (vgl. BT-Drs. 14/5958 S. 4, 6).

15

Die Legalisierung der Prostitutionsausübung im zivil- und sozialversicherungsrechtlichen Bereich und die Einschränkung der Strafbarkeit durch das Prostitutionsgesetz schließen es ebenso wenig wie der Wegfall des Vorwurfs der Sittenwidrigkeit der Prostitution aus, dass die Prostitutionsausübung in bestimmten Erscheinungsformen und damit einhergehenden sozialtypischen Begleiterscheinungen namentlich mit Blick auf sensible Gemeindegebiete gegen den öffentlichen Anstand verstoßen kann. Davon ausgehend stellt die Festsetzung von Sperrbezirken auf der Grundlage des Art. 297 EGStGB weder die zivilrechtliche Wirksamkeit des Entgeltanspruchs der Prostituierten noch den Zugang zur Sozialversicherung in Frage; sie ist auch nicht mit dem generellen Vorwurf der Sittenwidrigkeit der Ausübung der Prostitution im Sperrbezirk verbunden, sondern dient der lokalen Steuerung der Prostitutionsausübung aus ordnungsrechtlichen Gründen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. April 2009 - 1 BvR 224/07 - NVwZ 2009, 905 <906 f.>). Die Legalität dieser gewerblichen Betätigung bedeutet hier ebenso wenig wie in anderen Fällen legaler Gewerbe, dass sie an jedem beliebigen Ort ausgeübt werden darf. Dem Gesetz- und Verordnungsgeber bleibt es überlassen, potentiell miteinander unverträgliche Nutzungen räumlich zu trennen.

16

§ 1 Abs. 2 der Sperrgebietsverordnung stimmt, soweit es auf die Norm hier entscheidungserheblich ankommt, mit diesen bundesrechtlichen Anforderungen an den Erlass einer Sperrgebietsverordnung überein.

17

Das Grundstück des Klägers liegt in einem Gebiet, das durch eine besondere Schutzbedürftigkeit und Sensibilität gekennzeichnet ist. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs befinden sich dort Kindertagesstätten und eine Schule sowie Wohnanlagen.

18

Weil das hier in Rede stehende Gebiet diese Eigenart aufweist, durfte der Verordnungsgeber davon ausgehen, dass die Ausübung der Prostitution dort die abstrakte Gefahr von Beeinträchtigungen des öffentlichen Anstands begründet. Für die lokale Steuerung der Prostitution, welcher die Sperrgebietsverordnung zulässigerweise dient, musste der Verordnungsgeber nicht für jedes einzelne Grundstück, das von dem Verbotsbereich erfasst werden soll, konkret feststellen, ob es in einer Weise genutzt wird, die dort die abzuwehrenden Gefahren und Belästigungen der Prostitutionsausübung erwarten lassen. Die Abgrenzung muss nicht grundstücksscharf getroffen werden, sondern kann größere durch ihre Eigenart geprägte Gebiete erfassen. Dies genügt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der bei der Abgrenzung der Verbotsbereiche zu berücksichtigen ist.

19

Ob § 1 Abs. 2 der Sperrgebietsverordnung bezogen auf den hier in Rede stehenden Bereich zugleich durch den Schutz der Jugend getragen wird, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, da die Verordnung bereits von dem Schutz des öffentlichen Anstands getragen wird. Jedenfalls sind die Erwägungen, mit denen der Verwaltungsgerichtshof dies verneint hat, zumindest teilweise mit Bundesrecht nicht vereinbar. Der Verwaltungsgerichtshof hat entscheidungstragend darauf abgestellt, es sei auszuschließen, dass die Schüler und Schülerinnen der nahegelegenen Schule bei Kenntnisnahme von der Werbung für das Massagestudio seelischen Schaden nähmen, weil Kinder und Jugendliche dieser Altersgruppe - zumal in einer Großstadt wie Frankfurt am Main - jederzeit durch allgemein zugängliche Quellen und geradezu zwangsläufig mit Prostitution konfrontiert würden und sich im Zuge ihres Reifeprozesses mit diesem mittlerweile gesellschaftlich als unvermeidlich akzeptierten Phänomen auch auseinandersetzen sollten. Diese Erwägungen verkennen den bundesrechtlich eingeräumten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Der Staat ist berechtigt, von Kindern und Jugendlichen Einflüsse fernzuhalten, welche sich, zum Beispiel wegen der Kommerzialisierung sexueller Handlungen, auf ihre Einstellung zur Sexualität und damit auf die Entwicklung ihrer Persönlichkeit nachteilig auswirken können. Es obliegt dem Gesetzgeber zu entscheiden, ob, wo und wann Jugendliche mit dem gesellschaftlichen Phänomen der Prostitution konfrontiert werden sollen (Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 28. April 2009 - 1 BvR 224/07 - NVwZ 2009, 905).

20

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist hinsichtlich des Verbotstatbestandes gewahrt. Gegenteiliges lässt sich nicht aus dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 2009 - 1 BvR 224/07 - (NVwZ 2009, 905) herleiten. Das Bundesverfassungsgericht hat dort zwar angemerkt, die Wohnungsprostitution werde häufig deutlich weniger wahrnehmbar sein als die Straßen- und die Bordellprostitution; bei Erlass der jeweiligen Sperrgebietsverordnung könne unter Abwägung aller betroffenen Rechtspositionen und öffentlichen Belange auch einer geringeren öffentlichen Sichtbarkeit der Wohnungsprostitution beim Ausgleich aller Interessen angemessen Rechnung getragen werden.

21

§ 1 Abs. 2 der Sperrgebietsverordnung erfasst jedoch keine Wohnungsprostitution in dem Sinne, wie dieser Begriff üblicherweise verstanden wird und ersichtlich auch vom Bundesverfassungsgericht verwendet wird. Die Prostitution wird hier auch tatsächlich nicht in der Gestalt einer Wohnungsprostitution ausgeübt. Die Prostitution wird nicht in einer einzelnen Wohnung ausgeübt, in welcher die Prostituierte wohnt und dabei nebenher der Prostitution nachgeht. Vielmehr dient das Hinterhaus ausschließlich der Ausübung der Prostitution und ist damit eine ähnliche Einrichtung im Sinne des § 1 Abs. 2 der Sperrgebietsverordnung (Massagesalons und sonstige überwiegend von Prostituierten genutzte Häuser).

22

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.

(1) Die Landesregierung kann zum Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstandes

1.
für das ganze Gebiet einer Gemeinde bis zu fünfzigtausend Einwohnern,
2.
für Teile des Gebiets einer Gemeinde über zwanzigtausend Einwohner oder eines gemeindefreien Gebiets,
3.
unabhängig von der Zahl der Einwohner für öffentliche Straßen, Wege, Plätze, Anlagen und für sonstige Orte, die von dort aus eingesehen werden können, im ganzen Gebiet oder in Teilen des Gebiets einer Gemeinde oder eines gemeindefreien Gebiets
durch Rechtsverordnung verbieten, der Prostitution nachzugehen. Sie kann das Verbot nach Satz 1 Nr. 3 auch auf bestimmte Tageszeiten beschränken.

(2) Die Landesregierung kann diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf eine oberste Landesbehörde oder andere Behörden übertragen.

(3) Wohnungsbeschränkungen auf bestimmte Straßen oder Häuserblocks zum Zwecke der Ausübung der Prostitution (Kasernierungen) sind verboten.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine Verfügung, durch welche ihm die beklagte Stadt Frankfurt am Main untersagt hat, das Hinterhaus auf einem ihm gehörenden Hausgrundstück für einen bordellartigen Betrieb zur Verfügung zu stellen.

2

Der Kläger vermietete die Räume eines Hinterhauses auf einem ihm gehörenden Hausgrundstück in Frankfurt am Main zum Betrieb eines sogenannten Massagestudios, in dem Prostituierte sexuelle Dienstleistungen anboten. Am Grundstück selbst wurde nicht auf diese Nutzung hingewiesen. Für das Massagestudio wurde auf einer Werbetafel im Bereich der Frankfurter Hauptwache und im Internet geworben. Das Grundstück liegt in einem bauplanungsrechtlich ausgewiesenen Mischgebiet, an das ein allgemeines Wohngebiet angrenzt. Etwa 200 Meter entfernt befinden sich zwei Kindertagesstätten, etwa 100 Meter entfernt befindet sich eine Realschule.

3

Für den Bereich des Grundstücks verbietet die Verordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstands in Frankfurt am Main vom 23. Dezember 1986 (Sperrgebietsverordnung) unter anderem, in Prostituiertenwohnheimen, Prostituiertenunterkünften und ähnlichen Einrichtungen (unter anderem in sogenannten Massagesalons und sonstigen überwiegend von Prostituierten genutzten Häusern) der Prostitution nachzugehen.

4

Gestützt auf einen Verstoß gegen die Sperrgebietsverordnung untersagte die Beklagte dem Kläger durch die angegriffene Verfügung, seine Liegenschaft zur Ausübung der Prostitution zur Verfügung zu stellen.

5

Nach Zurückweisung seines hiergegen eingelegten Widerspruchs hat der Kläger gegen die Verfügung Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht abgewiesen hat.

6

Auf die Berufung des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof die Verfügung der Beklagten aufgehoben: Die Verfügung könne nicht auf einen Verstoß gegen die Sperrgebietsverordnung gestützt werden. Rechtsgrundlage für deren Erlass sei Art. 297 Abs. 1 EGStGB. Die weitgehende Legalisierung der Prostitution durch das Prostitutionsgesetz mache diese Verordnungsermächtigung zwar nicht obsolet; das Prostitutionsgesetz und der darin manifestierte Wandel der gesellschaftlichen Akzeptanz der Prostitution verböten es jedoch, bei der Anwendung der Ermächtigungsgrundlage des Art. 297 EGStGB die Ausübung der Prostitution außerhalb ausgewiesener Toleranzzonen als Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung einzustufen, ohne die aus ihrer Ausübung resultierenden schädlichen Auswirkungen auf die Nachbarschaft, insbesondere auf dort lebende Jugendliche und Kinder konkret zu bewerten. Eine öffentlich nicht wahrnehmbare Ausübung der Prostitution könne deshalb nicht mehr durch den Vollzug einer Sperrgebietsverordnung unterbunden werden, die keine konkrete Belästigung der Öffentlichkeit durch Begleiterscheinungen der Prostitution voraussetze. Die Sperrgebietsverordnung sei bundesrechtskonform dahin auszulegen, dass die dort beschriebene Ausübung der Prostitution außerhalb der Toleranzzonen nur noch dann verboten sei, wenn sie nach außen in Erscheinung trete und eine „milieubedingte Unruhe“ befürchten lasse. Beides sei hier offensichtlich nicht gegeben.

7

Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte, die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts zurückzuweisen: Art. 297 EGStGB sei auch nach Erlass des Prostitutionsgesetzes eine geeignete Ermächtigungsgrundlage für eine Sperrgebietsverordnung, durch welche aufgrund einer typisierenden Betrachtung der Prostitution von ihr ausgehende abstrakte Gefahren der Belästigung der Wohnbevölkerung und der Jugend unterbunden werden sollten.

8

Der Kläger tritt der Revision entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat Art. 297 Abs. 1 EGStGB zu Unrecht einschränkend ausgelegt. Entgegen seiner Auffassung ermächtigt diese Vorschrift nicht nur zum Erlass solcher Sperrgebietsverordnungen, welche die Prostitution nur unter der Voraussetzung verbieten, dass mit ihr im konkreten Fall Belästigungen der Öffentlichkeit durch Begleiterscheinungen der Prostitution verbunden sind. Hiervon ausgehend gebietet Bundesrecht nicht, § 1 Abs. 2 Halbs. 2 der Verordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstands in Frankfurt am Main vom 23. Dezember 1986 (Sperrgebietsverordnung) einschränkend dahin auszulegen, dass die dort beschriebene Ausübung der Prostitution nur dann verboten ist, wenn sie nach außen in Erscheinung tritt und Belästigungen der Anwohner als milieubedingte Begleiterscheinungen der Prostitution befürchten lässt. Bei zutreffender Auslegung des Art. 297 Abs. 1 EGStGB hätte der Verwaltungsgerichtshof vielmehr zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Ausübung der Prostitution auf dem Hausgrundstück des Klägers gegen § 1 Abs. 2 der Sperrgebietsverordnung verstößt, deshalb zugleich einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit im Sinne des § 11 HSOG darstellt und - weil auch die übrigen Voraussetzungen für ein ordnungsbehördliches Einschreiten vorliegen - nach dieser Vorschrift untersagt werden durfte. Weiterer tatsächlicher Feststellung bedarf es hierfür nicht. Der Senat kann deshalb in der Sache entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO) und die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts zurückweisen.

10

Nach Art. 297 Abs. 1 EGStGB kann die Landesregierung oder nach Abs. 2 eine von ihr bestimmte Behörde zum Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstands für Teile des Gebiets einer Gemeinde durch Rechtsverordnung verbieten, der Prostitution nachzugehen.

11

Schon der eindeutige Wortlaut steht einem Verständnis der Norm entgegen, nach dem der Verordnungsgeber das Verbot von der Voraussetzung abhängig machen muss, dass die Ausübung der Prostitution im konkreten Einzelfall eine Belästigung der Öffentlichkeit durch die Begleiterscheinungen der Prostitution hervorruft. Von einer solchen Einschränkung ist in der Vorschrift nicht die Rede.

12

Es gibt keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz, der es geböte, den Schutz ordnungsrechtlicher Belange stets in der Weise auszugestalten, dass nur ein Verhalten rechtlich untersagt wird, von dem im konkreten Einzelfall erwiesen ist, dass es diese Belange tatsächlich beeinträchtigt. Für den Erlass einer Verordnung genügt die Prognose, dass das betroffene Verhalten (hier die Ausübung der Prostitution) in hinreichender Weise die abstrakte Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Schutzgüter begründet. Es bestehen deshalb keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn der Gesetzgeber den Verordnungsgeber ermächtigt, die Prostitution unter der Voraussetzung zu verbieten, dass deren Ausübung abstrakte Gefahren für den öffentlichen Anstand oder den Schutz der Jugend begründet.

13

Demgemäß kann der Erlass einer Sperrgebietsverordnung zum Schutze des öffentlichen Anstands gerechtfertigt sein, wenn die Eigenart des betroffenen Gebietes durch eine besondere Schutzbedürftigkeit und Sensibilität, z.B. als Gebiet mit hohem Wohnanteil sowie Schulen, Kindergärten, Kirchen und sozialen Einrichtungen gekennzeichnet ist und wenn eine nach außen in Erscheinung tretende Ausübung der Prostitution typischerweise damit verbundene Belästigungen Unbeteiligter und „milieubedingte Unruhe“, wie zum Beispiel das Werben von Freiern und anstößiges Verhalten gegenüber Passantinnen und Anwohnerinnen, befürchten lässt (VGH Kassel, Urteil vom 31. Oktober 2003 - 11 N 2952/00 - NVwZ-RR 2004, 470 <471>; VGH Mannheim, Urteil vom 15. Dezember 2008 - 1 S 2256/07 - VBlBW 2009, 220). Für den Erlass der Verordnung genügt die Prognose, dass die Ausübung der Prostitution typischerweise damit verbundene Belästigungen hervorruft. Ist ein Gebiet durch eine besondere Schutzbedürftigkeit und Sensibilität, z.B. als Gebiet mit hohem Wohnanteil sowie Schulen, Kindergärten, Kirchen und sozialen Einrichtungen gekennzeichnet, darf der Verordnungsgeber davon ausgehen, dass die Ausübung der Prostitution die abstrakte Gefahr von derartigen Beeinträchtigungen des öffentlichen Anstands begründet.

14

Der Erlass des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz - ProstG) vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3983) führt nicht dazu, dass Art. 297 EGStGB in dieser Auslegung nunmehr gegen das Gebot der Normenklarheit und Widerspruchsfreiheit gesetzlicher Regelungen verstößt. Der Gesetzgeber hat sich mit dem Prostitutionsgesetz darauf beschränkt, zum einen die Rechtswirksamkeit des Anspruchs der Prostituierten auf das vereinbarte Entgelt (§ 1 ProstG), die fehlende Abtretbarkeit des Anspruchs und den weitgehenden Ausschluss von Einwendungen gegen diesen (§ 2 ProstG) und den Zugang zur Sozialversicherung trotz des nur eingeschränkten Weisungsrechts gegenüber abhängig beschäftigten Prostituierten (§ 3 ProstG) zu regeln sowie zum anderen die Strafbarkeit der Förderung der Prostitution und der Zuhälterei einzuschränken (Art. 2 ProstG). Dabei ging er ausweislich der Gesetzesbegründung davon aus, dass die Vereinbarung über ein Entgelt für sexuelle Leistungen und auch die Tätigkeit selbst nicht gegen die guten Sitten verstoßen (vgl. BT-Drs. 14/5958 S. 4, 6).

15

Die Legalisierung der Prostitutionsausübung im zivil- und sozialversicherungsrechtlichen Bereich und die Einschränkung der Strafbarkeit durch das Prostitutionsgesetz schließen es ebenso wenig wie der Wegfall des Vorwurfs der Sittenwidrigkeit der Prostitution aus, dass die Prostitutionsausübung in bestimmten Erscheinungsformen und damit einhergehenden sozialtypischen Begleiterscheinungen namentlich mit Blick auf sensible Gemeindegebiete gegen den öffentlichen Anstand verstoßen kann. Davon ausgehend stellt die Festsetzung von Sperrbezirken auf der Grundlage des Art. 297 EGStGB weder die zivilrechtliche Wirksamkeit des Entgeltanspruchs der Prostituierten noch den Zugang zur Sozialversicherung in Frage; sie ist auch nicht mit dem generellen Vorwurf der Sittenwidrigkeit der Ausübung der Prostitution im Sperrbezirk verbunden, sondern dient der lokalen Steuerung der Prostitutionsausübung aus ordnungsrechtlichen Gründen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. April 2009 - 1 BvR 224/07 - NVwZ 2009, 905 <906 f.>). Die Legalität dieser gewerblichen Betätigung bedeutet hier ebenso wenig wie in anderen Fällen legaler Gewerbe, dass sie an jedem beliebigen Ort ausgeübt werden darf. Dem Gesetz- und Verordnungsgeber bleibt es überlassen, potentiell miteinander unverträgliche Nutzungen räumlich zu trennen.

16

§ 1 Abs. 2 der Sperrgebietsverordnung stimmt, soweit es auf die Norm hier entscheidungserheblich ankommt, mit diesen bundesrechtlichen Anforderungen an den Erlass einer Sperrgebietsverordnung überein.

17

Das Grundstück des Klägers liegt in einem Gebiet, das durch eine besondere Schutzbedürftigkeit und Sensibilität gekennzeichnet ist. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs befinden sich dort Kindertagesstätten und eine Schule sowie Wohnanlagen.

18

Weil das hier in Rede stehende Gebiet diese Eigenart aufweist, durfte der Verordnungsgeber davon ausgehen, dass die Ausübung der Prostitution dort die abstrakte Gefahr von Beeinträchtigungen des öffentlichen Anstands begründet. Für die lokale Steuerung der Prostitution, welcher die Sperrgebietsverordnung zulässigerweise dient, musste der Verordnungsgeber nicht für jedes einzelne Grundstück, das von dem Verbotsbereich erfasst werden soll, konkret feststellen, ob es in einer Weise genutzt wird, die dort die abzuwehrenden Gefahren und Belästigungen der Prostitutionsausübung erwarten lassen. Die Abgrenzung muss nicht grundstücksscharf getroffen werden, sondern kann größere durch ihre Eigenart geprägte Gebiete erfassen. Dies genügt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der bei der Abgrenzung der Verbotsbereiche zu berücksichtigen ist.

19

Ob § 1 Abs. 2 der Sperrgebietsverordnung bezogen auf den hier in Rede stehenden Bereich zugleich durch den Schutz der Jugend getragen wird, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, da die Verordnung bereits von dem Schutz des öffentlichen Anstands getragen wird. Jedenfalls sind die Erwägungen, mit denen der Verwaltungsgerichtshof dies verneint hat, zumindest teilweise mit Bundesrecht nicht vereinbar. Der Verwaltungsgerichtshof hat entscheidungstragend darauf abgestellt, es sei auszuschließen, dass die Schüler und Schülerinnen der nahegelegenen Schule bei Kenntnisnahme von der Werbung für das Massagestudio seelischen Schaden nähmen, weil Kinder und Jugendliche dieser Altersgruppe - zumal in einer Großstadt wie Frankfurt am Main - jederzeit durch allgemein zugängliche Quellen und geradezu zwangsläufig mit Prostitution konfrontiert würden und sich im Zuge ihres Reifeprozesses mit diesem mittlerweile gesellschaftlich als unvermeidlich akzeptierten Phänomen auch auseinandersetzen sollten. Diese Erwägungen verkennen den bundesrechtlich eingeräumten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Der Staat ist berechtigt, von Kindern und Jugendlichen Einflüsse fernzuhalten, welche sich, zum Beispiel wegen der Kommerzialisierung sexueller Handlungen, auf ihre Einstellung zur Sexualität und damit auf die Entwicklung ihrer Persönlichkeit nachteilig auswirken können. Es obliegt dem Gesetzgeber zu entscheiden, ob, wo und wann Jugendliche mit dem gesellschaftlichen Phänomen der Prostitution konfrontiert werden sollen (Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 28. April 2009 - 1 BvR 224/07 - NVwZ 2009, 905).

20

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist hinsichtlich des Verbotstatbestandes gewahrt. Gegenteiliges lässt sich nicht aus dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 2009 - 1 BvR 224/07 - (NVwZ 2009, 905) herleiten. Das Bundesverfassungsgericht hat dort zwar angemerkt, die Wohnungsprostitution werde häufig deutlich weniger wahrnehmbar sein als die Straßen- und die Bordellprostitution; bei Erlass der jeweiligen Sperrgebietsverordnung könne unter Abwägung aller betroffenen Rechtspositionen und öffentlichen Belange auch einer geringeren öffentlichen Sichtbarkeit der Wohnungsprostitution beim Ausgleich aller Interessen angemessen Rechnung getragen werden.

21

§ 1 Abs. 2 der Sperrgebietsverordnung erfasst jedoch keine Wohnungsprostitution in dem Sinne, wie dieser Begriff üblicherweise verstanden wird und ersichtlich auch vom Bundesverfassungsgericht verwendet wird. Die Prostitution wird hier auch tatsächlich nicht in der Gestalt einer Wohnungsprostitution ausgeübt. Die Prostitution wird nicht in einer einzelnen Wohnung ausgeübt, in welcher die Prostituierte wohnt und dabei nebenher der Prostitution nachgeht. Vielmehr dient das Hinterhaus ausschließlich der Ausübung der Prostitution und ist damit eine ähnliche Einrichtung im Sinne des § 1 Abs. 2 der Sperrgebietsverordnung (Massagesalons und sonstige überwiegend von Prostituierten genutzte Häuser).

22

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Die Landesregierung kann zum Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstandes

1.
für das ganze Gebiet einer Gemeinde bis zu fünfzigtausend Einwohnern,
2.
für Teile des Gebiets einer Gemeinde über zwanzigtausend Einwohner oder eines gemeindefreien Gebiets,
3.
unabhängig von der Zahl der Einwohner für öffentliche Straßen, Wege, Plätze, Anlagen und für sonstige Orte, die von dort aus eingesehen werden können, im ganzen Gebiet oder in Teilen des Gebiets einer Gemeinde oder eines gemeindefreien Gebiets
durch Rechtsverordnung verbieten, der Prostitution nachzugehen. Sie kann das Verbot nach Satz 1 Nr. 3 auch auf bestimmte Tageszeiten beschränken.

(2) Die Landesregierung kann diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf eine oberste Landesbehörde oder andere Behörden übertragen.

(3) Wohnungsbeschränkungen auf bestimmte Straßen oder Häuserblocks zum Zwecke der Ausübung der Prostitution (Kasernierungen) sind verboten.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.

(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.

(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.

(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.

(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.

(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.