Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 11. Aug. 2015 - 5 A 1188/13
Gericht
Tenor
Das auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21. März 2013 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen wird geändert, soweit der Klage stattgegeben worden ist. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.
Unter Einbeziehung des unanfechtbar gewordenen Teils der Kostenentscheidung des Urteils erster Instanz wird die Kostenentscheidung wie folgt neu gefasst:
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin in Dortmund der Straßenprostitution nachgehen darf. Bis zur Schließung des Dortmunder Straßenstrichs im Mai 2011 war die Klägerin auf diesem als Prostituierte tätig.
3Gemäß § 1 der Rechtsverordnung zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstandes im Bereich der Stadt Dortmund vom 17. Dezember 1974 (Amtsblatt für den Regierungsbezirk Arnsberg, S. 494) in der Fassung der Rechtsverordnung zur Änderung der Rechtsverordnung zum Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstandes im Bereich der Stadt Dortmund (Sperrbezirksverordnung) vom 17. Oktober 1985 (Amtsblatt für den Regierungsbezirk Arnsberg, S. 365) ist in einem im Einzelnen beschriebenen innerstädtischen Bereich, der auch den Fredenbaumpark und den Westfalenpark umfasst, die Ausübung der Prostitution in allen Erscheinungsformen verboten. Ausgenommen von dem Verbot ist die Linienstraße mit dem Eckhaus Steinstraße 17.
4In den Wohngebieten der Dortmunder Nordstadt gehörte – trotz deren Zugehörigkeit zum Sperrbezirk – Straßenprostitution seit Jahrzehnten zum Straßenbild. Vermutlich im Zuge verstärkter ordnungsbehördlicher und polizeilicher Kontrollen verlagerte sich ab dem Jahr 2000 der überwiegende Teil der Straßenprostitution in den seinerzeit schon für diesen Zweck genutzten, außerhalb des damaligen Sperrbezirks liegenden Bereich der Ravensberger Straße mit den Zufahrtstraßen Mindener Straße und Juliusstraße. Im Jahr 2006 wurde (anlässlich der Fußballweltmeisterschaft) der Straßenstrich an der Ravensberger Straße in Umsetzung des sog. „Dortmunder Modells“ insbesondere durch Aufstellen von „Verrichtungsboxen“ auf einer von der Stadt angemieteten östlich an die Ravensberger Straße angrenzenden 3.580 m2 großen Fläche ausgebaut. Ziel des „Dortmunder Modells“ war es, bessere Kontroll- und Einwirkungsmöglichkeiten auf die Straßenprostitution zu schaffen, die umliegende Wohnbebauung vor einer Ausweitung der Straßenprostitution zu schützen, die Sicherheit der Prostituierten zu erhöhen und einen verbesserten Gesundheitsschutz zu erreichen. Die vom G. e.V. betriebene Kommunikations- und Beratungsstelle für Prostituierte – L. –, die im Frühjahr 2001 einen „Beratungscontainer“ an der Ravensberger Straße eingerichtet hatte, betreute nach eigenen Angaben im Jahr 2006 ca. 60 auf dem Straßenstrich tätige Prostituierte.
5Mit dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens zur Europäischen Union am 1. Januar 2007 begann eine deutlich ansteigende Zuwanderung von Menschen aus diesen Ländern in die Dortmunder Nordstadt, in der günstiger Wohnraum in teils stark baufälligen Häusern, für die sich unter anderem die Bezeichnung „Problemhäuser“ einbürgerte, zur Verfügung stand. Die Beklagte zu 2. – die Stadt Dortmund – stellte im Lauf des Jahres 2007 einen extremen Zuwachs von Prostituierten auf dem Dortmunder Straßenstrich im Bereich der Ravensberger Straße fest. Die Beratungsstelle L. berichtete für das Jahr 2007 von insgesamt ca. 500 betreuten Prostituierten. Nach vorsichtigen Schätzungen der Beklagten zu 2. stieg die Zahl bis zur Schließung des Straßenstrichs im Mai 2011 weiter auf ca. 700 Prostituierte an. Nach Angaben der Beratungsstelle L. gab es im Sommer 2010 Tage, an denen innerhalb weniger Stunden bis zu 120 Prostituierte gleichzeitig auf dem Straßenstrich tätig waren. Im Zeitraum von Dezember 2010 bis Februar 2011, d. h. selbst in der Winterzeit, wurden von der Beklagten zu 2. im Zusammenhang mit der Erhebung der sog. „Sexsteuer“ täglich durchschnittlich 70 Prostituierte auf dem Straßenstrich gezählt. Laut Informationen des Polizeipräsidiums Dortmund waren ca. 80 Prozent der auf dem Dortmunder Straßenstrich tätigen Prostituierten bulgarische Staatsangehörige. Bei diesen handelte es sich wiederum in der Mehrzahl um Angehörige der Volksgruppe der Roma, die aus der Stadt Q. stammten. Der – schon zuvor bei Freiern bekannte und beliebte – Dortmunder Straßenstrich entwickelte sich in der Folge verstärkt zu einem überregionalen Anziehungspunkt für Freier aus dem Rhein-Ruhr-Gebiet und den umliegenden ländlichen Regionen. Eine Vielzahl von Kunden kam aus dem Märkischen Kreis, den Kreisen Soest und Unna sowie den Städten Hagen und Hamm.
6Im Zuge des Anwachsens des Straßenstrichs kam es in zunehmendem Ausmaß zu Beschwerden von Bewohnern der angrenzenden Wohngebiete der Nordstadt, Lehrern und Schülern sowie den Eltern der Schüler von Schulen in der Nordstadt und von in der Nähe des Straßenstrichs ansässigen Gewerbetreibenden über eine tägliche Konfrontation mit der Straßenprostitution und deren Begleiterscheinungen. Im Dezember 2009 demonstrierten nach Angaben der Beklagten zu 2. über 2.500 Menschen in Dortmund gegen Prostitution und den begleitenden Drogenhandel sowie eine – auch nach polizeilichen Angaben seit 2007 stark – ansteigende Kriminalität in der Nordstadt. Im Rahmen einer Unterschriftenaktion sprachen sich zuletzt über 5.000 Menschen für eine Schließung des Straßenstrichs aus.
7Als Ergebnis einer seit längerer Zeit geführten politischen Diskussion fasste der Rat der Beklagten zu 2. am 31. März 2011 den Beschluss, bei der Bezirksregierung Arnsberg als zuständiger Landesbehörde – Beklagter zu 1. ist das Land Nordrhein-Westfalen – eine Änderung der Rechtsverordnung zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstandes im Bereich der Stadt Dortmund vom 17. Dezember 1974, zuletzt geändert durch Rechtsverordnung vom 17. Oktober 1985, dahingehend zu beantragen, dass zusätzlich zum bestehenden Sperrbezirk die Straßenprostitution im gesamten Dortmunder Stadtgebiet mit Ausnahme der Linienstraße verboten wird. Ein entsprechender Antrag wurde mit Schreiben des Oberbürgermeisters der Beklagten zu 2. vom 31. März 2011 bei der Bezirksregierung Arnsberg eingereicht.
8Diese erließ daraufhin auf der Grundlage von Art. 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 EGStGB die Rechtsverordnung zum Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstands im Bereich der Stadt Dortmund (Sperrbezirksverordnung) vom 2. Mai 2011 (Amtsblatt für den Regierungsbezirk Arnsberg, S. 201). Nach deren § 1 wird für das gesamte Stadtgebiet der Stadt Dortmund mit Ausnahme der Linienstraße verboten, auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen, in öffentlichen Anlagen sowie an sonstigen Orten, die von dort aus eingesehen werden können, der Prostitution (Straßenprostitution) nachzugehen. Nach § 3 Satz 2 der Rechtsverordnung bleiben die bisherigen Regelungen der Rechtsverordnung zum Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstandes im Bereich der Stadt Dortmund vom 17. Dezember 1974, geändert durch die Rechtsverordnung vom 17. Oktober 1985, unberührt.
9In dem Prüf- und Abwägungsvermerk der Bezirksregierung Arnsberg vom 19. April 2011 zur Begründung der Erweiterung der Sperrbezirksregelungen wird auf die vorstehend geschilderte Entwicklung des Dortmunder Straßenstrichs Bezug genommen und im Weiteren unter anderem ausgeführt:
10Eine Delegation der Beklagten zu 2. unter Beteiligung der Mitarbeiter des Ordnungsamts habe sich im Rahmen einer Reise in die Stadt Q. vor einigen Wochen ein Bild von den dortigen Lebensverhältnissen der Roma machen können. Die Wohnverhältnisse und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen seien so schlecht, dass es sich für die Frauen als Verbesserung ihrer Situation darstelle, ihren Lebensunterhalt durch Prostitution auf dem Dortmunder Straßenstrich zu sichern und in den in der Presse hinlänglich beschriebenen sog. „Problemhäusern“ der Dortmunder Nordstadt zu wohnen. In der Stadt Q. lebten zurzeit 45.000 bis 50.000 Roma allein im Stadtteil T. Der dortige Polizeichef habe erklärt, dass nur eine verschwindend geringe Zahl der dort lebenden Roma einer legalen Beschäftigung nachgehe, der weit überwiegende Teil aber von Prostitution, Diebstahl/Raub, Hehlerei und Drogenhandel (in der Regel verbunden mit Konsum) lebe. Auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse könne davon ausgegangen werden, dass der Zustrom von Frauen aus der Stadt Q. auf den Dortmunder Straßenstrich anhalten und im Frühjahr mit zunehmend warmer Witterung sogar deutlich ansteigen werde. Dieser Zustrom sei wegen der besonderen Verflechtung des Straßenstrichs an der Ravensberger Straße und der Wohnungsmöglichkeiten in der Nordstadt sowie des bereits vorhandenen Netzwerkes der sich dort aufhaltenden Zuwanderer realistisch. Die über eine direkte Busverbindung aus der Stadt Q. nach Dortmund einreisenden Roma-Frauen seien durchgehend nicht alphabetisiert und würden in Ermangelung anderer Erwerbsquellen ohne jeden Zweifel ebenfalls versuchen, ihren Lebensunterhalt durch Straßenprostitution zu sichern. Trotz ordnungsrechtlicher Maßnahmen sei es der Beklagten zu 2. in der Vergangenheit nicht gelungen, das „Ausfransen“ des Straßenstrichs auf den Einzelhandel beiderseits der Bornstraße und in die Wohngebiete der Nordstadt hinein zu unterbinden. Zusätzlich sei eine gesteigerte Begleitkriminalität zu verzeichnen gewesen. Die rund 35.000 Personenkontrollen der Polizei in 2010 hätten keine positiven Effekte gezeigt. Ein Großteil der Prostituierten sei in den Unterbezirken M.-Straße und C.-Straße wohnhaft und steuere von dort fußläufig und in „Arbeitskleidung“ den Straßenstrich an. Anbahnungskontakte fänden bereits auf dem Weg von den Wohnbezirken der Nordstadt zur Ravensberger Straße unter den Augen von auf der Straße spielenden Kindern statt. Dies habe unter anderem dazu geführt, dass Kinder und Jugendliche gegenüber Medienvertretern sehr konkret Auskunft über die Verhandlungen zwischen den Prostituierten und Freiern über Preise hätten geben können.
11Ein Verbot der Straßenprostitution im gesamten Dortmunder Stadtgebiet sei zur Abwendung abstrakter Gefahren für die Jugend notwendig. Die Schließung nur des Straßenstrichs an der Ravensberger Straße würde nach Einschätzung aller Beteiligten zu einer Verlagerung führen. Die vergleichsweise hohe Zahl der in Dortmund im Jahresverlauf tätigen Straßenprostituierten – aktuell 700 mit ständig steigender Tendenz – lasse in Verbindung mit der bereits geschilderten besonderen Situation der Roma sowie ihren eingeschränkten Möglichkeiten zur Sicherung des Lebensunterhalts mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Schluss zu, dass Prostituierte auf andere Stadtteile ausweichen werden. Innerhalb des Stadtgebietes gebe es auch nach Einschätzung der Polizei keine alternativen bzw. geeigneten Flächen für einen Straßenstrich, da die jeweilige Nähe zur Wohnbebauung, einschließlich der flächendeckend angesiedelten Kindergärten, Schulen, Jugendeinrichtungen und sonstigen Einrichtungen, die maßgeblich von Kindern und Jugendlichen genutzt würden, eine erhebliche weitere Beeinträchtigung dieses besonders zu schützenden Personenkreises erwarten lasse. Ferner bestehe fast die Hälfte des Stadtgebietes aus Grün- und Parkanlagen, die von Familien mit Kindern und Jugendlichen als Naherholungsraum genutzt würden. Dies sei anhand der zum Vorgang genommenen Karte des Dortmunder Stadtgebiets überprüft worden. Die Karte verdeutliche, dass Dortmund nicht über öffentliche Straßen, Wege, Plätze oder Anlagen verfüge, an denen Straßenprostitution ausgeübt werden könne, ohne dass Kinder und Jugendliche dadurch nachteilig beeinflusst würden. Darin erfasst seien Wohngebiete, Einzelhandelsbereiche und Marktflächen, Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen, Ausbildungszentren und Bildungseinrichtungen, Einrichtungen und Haltepunkte des öffentlichen Personennahverkehrs, öffentliche Einrichtungen des Gesundheitswesens, religiöse Einrichtungen, Kultureinrichtungen, Sportstätten, Freizeiteinrichtungen sowie Grünflächen und Parkanlagen. Dabei werde nicht verkannt, dass über das Stadtgebiet verteilt auch zahlreiche Gewerbegebiete vorhanden seien. An diese schlössen sich aber – wie der Karte zu entnehmen sei – jeweils unmittelbar wieder Wohngebiete/Stadtteile (Aplerbeck, Brackel, Scharnhorst, Eving, Dorstfeld, Marten, etc.) sowie die oben bereits angeführten Erholungs-/ Grünflächen und Freizeitgebiete an. Strukturell bestehe die Stadt nicht aus einem zentralen Stadtgebiet mit eindeutigen Randzonen, sondern sei durch einen durchgehenden Wechsel von Gebietsstrukturen gekennzeichnet.
12Bei einer Schließung des Straßenstrichs allein an der Ravensberger Straße bestehe im gesamten Stadtgebiet gleichfalls eine abstrakte Gefahr für das Schutzgut „öffentlicher Anstand“. Das Ziel des Art. 297 EGStGB, das Zusammenleben der Menschen zu ordnen, soweit ihr Verhalten sozialrelevant sei, nach außen in Erscheinung trete und das Allgemeinwohl beeinträchtigen könne, lasse sich in Anbetracht des Verhaltens der (osteuropäischen) Prostituierten, das sich eben nicht als sozialverträglich darstelle, nicht gewährleisten. Angesichts der massiven Zunahme der Straßenprostitution innerhalb weniger Jahre und einem prognostisch anzunehmenden Fortschreiten dieser Entwicklung sei eine nicht vertretbare Überfrachtung selbst einer Großstadt wie Dortmund mit öffentlich wahrnehmbaren Anbahnungs- und Verrichtungshandlungen zu befürchten. Unbeteiligte, insbesondere Kinder- und Jugendliche, aber auch Erwachsene, würden in großem Umfang ungewollt mit den negativen Auswüchsen der Straßenprostitution konfrontiert werden. Hierzu gehörten neben „milieubedingter Unruhe“ vor allem das aufdringliche Werben von Freiern, die Kontaktaufnahme von Freiern und Prostituierten im Wohn- und Lebensumfeld der Menschen sowie anstößiges Verhalten gegenüber Passantinnen und Anwohnerinnen.
13Die Sperrbezirksverordnung sei verhältnismäßig. Insbesondere sei die gewählte „große“ Lösung, ein Verbot der Straßenprostitution im gesamten Stadtgebiet, erforderlich. Es hätte nicht eine „mittlere“ Lösung, d. h. eine sehr deutliche Erweiterung des Sperrbezirks in Dortmund mit der Schaffung möglichst geringfügiger Toleranzzonen, umgesetzt werden müssen. Eine solche bewirke lediglich eine Unterbrechung der derzeit für die Prostituierten günstigen Verflechtung zwischen Straßenstrich und Wohnbereichen und würde die Notwendigkeit von Nachbesserungen nach sich ziehen. Die Erweiterung der Sperrbezirksverordnung beinhalte zudem nur ein Verbot des Straßenstrichs. Eine Verpflichtung zur Ausweisung von Toleranzzonen – über die Linienstraße hinaus – oder zur Fortführung des sog. „Dortmunder Modells“ bestehe nicht. Das Projekt habe sich aufgrund geänderter Sachlage nicht mehr als tragfähig erwiesen. Schlechte hygienische Verhältnisse mit steigenden Zahlen von ernst zu nehmenden Geschlechtskrankheiten, wie sie an der Ravensberger Straße vorzufinden seien, und der fehlende Integrationswille der vornehmlich bulgarischen Prostituierten böten keinen Raum mehr für die weitere Anwendung des „Dortmunder Modells“, das gerade die Integration von Prostituierten in ihrem sozialen Umfeld sowie deren Aufnahme in die Sozialsysteme vorsehe. Auch seien andere ordnungsbehördliche Maßnahmen ausgeschöpft. Eine Befristung oder zeitliche Begrenzung komme aufgrund der besonderen Situation als milderes Mittel ebenfalls nicht in Betracht. Die „große“ Lösung sei auch im Übrigen verhältnismäßig. Die Abwägung ergebe, dass das Interesse am Jugendschutz und am Schutz des öffentlichen Anstands gegenüber dem Interesse der Prostituierten, ihren Beruf in Dortmund in Form der Straßenprostitution – Wohnungs- und Bordellprostitution blieben in weiten Bereichen zulässig – ausüben zu können, vorrangig sei.
14Die Sperrbezirksverordnung vom 2. Mai 2011 wurde am 7. Mai 2011 im Amtsblatt für den Regierungsbezirk Arnsberg verkündet (S. 201). Sie trat eine Woche später in Kraft. Der Straßenstrich im Bereich der Ravensberger Straße wurde „geschlossen“. Die Verrichtungsboxen wurden am 16. Mai 2011 abgebaut. Der „Beratungscontainer“ der Beratungsstelle L. an der Ravensberger Straße wurde aufgegeben. Zur Durchsetzung des Verbots der Straßenprostitution finden seitdem – eingebettet in das Programm „Task Force Nordstadt“ – ordnungsbehördliche und polizeiliche Kontrollen insbesondere in der Dortmunder Nordstadt statt.
15Die Klägerin hat am 17. Mai 2013 Klage erhoben. Einen auf § 123 VwGO gestützten Eilantrag mit dem Hauptantrag vorläufig festzustellen, dass sie durch die Sperrbezirksverordnung vom 2. Mai 2011 nicht gehindert ist, (jedenfalls) im Bereich der Ravensberger Straße in Dortmund der Straßenprostitution nachzugehen, lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2011 – 16 L 529/11 – ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies der erkennende Senat mit Beschluss vom 26. März 2012 – 5 B 892/11 – zurück.
16Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin im Wesentlichen vorgetragen: Die Klage sei als Feststellungsklage zulässig und auch begründet. Die Voraussetzungen des Art. 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGStGB seien nicht gegeben. Danach könne die Straßenprostitution nur zum Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstands untersagt werden. Schon vom Straßenstrich im Bereich der Ravensberger Straße seien Gefahren für die genannten Schutzgüter nicht ausgegangen. Die Schätzungen der Beklagten zur gestiegenen Anzahl der auf dem Straßenstrich tätigen Prostituierten seien nicht belegt. Ausgehend von den verkauften Steuertickets seit Dezember 2010 müsse von einer deutlich geringeren Anzahl von Straßenprostituierten ausgegangen werden. Eine besondere Schutzbedürftigkeit und Sensibilität des Gebiets, in dem sich bisher der Straßenstrich befunden habe, bestehe nicht. Dieses sei abgetrennt von der umgebenden Wohnbebauung und Einzelhandelsinfrastruktur. Gerade deswegen sei die Straßenprostitution bisher in diesem Bereich zugelassen worden. Mit dem „Ausfransen“ der Straßenprostitution in benachbarte Wohngebiete der Nordstadt könne das Verbot der Straßenprostitution nicht begründet werden. Eine Gefahr für die Schutzgüter des Art. 297 EGStGB müsse im Gebiet des Straßenstrichs selbst drohen, nicht lediglich in angrenzenden Bereichen. Im Übrigen sei der Jugendschutz allein durch den Anblick von Prostituierten in „Arbeitskleidung“ nicht betroffen. Jugendliche kämen heute bereits durch die Medien, auch öffentlich-rechtliche Fernsehprogramme, mit dem Thema Prostitution in Berührung. Gegen ein etwaiges „Ausfransen“ des Straßenstrichs in die angrenzenden Wohngebiete müsse die Beklagte zu 2. mit ordnungsbehördlichen Maßnahmen vorgehen. Dass dies nicht möglich gewesen sei, habe die Beklagte zu 2. nicht substantiiert dargelegt. Bei einem ähnlich konsequenten ordnungsbehördlichen und polizeilichen Vorgehen in der Dortmunder Nordstadt wie nach dem 16. Mai 2011 hätte es einer Ausdehnung des Sperrbezirks nicht bedurft. Diese führe zu einer erheblichen Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen. Am bisherigen Standort des Straßenstrichs habe es eine Betreuung der Prostituierten durch eine Beratungsstelle und die „Verrichtungsboxen“ gegeben, die den Frauen ein hohes Maß an Sicherheit geboten hätten. Im Rahmen der nun in Dortmund nur noch zulässigen Wohnungs- und Bordellprostitution seien die Prostituierten einer erhöhten Gefahr der Ausbeutung durch Dritte ausgesetzt. Selbst wenn die in Art. 297 EGStGB genannten Schutzgüter vorliegend den Erlass einer Sperrgebietsverordnung erforderten, könne das Verbot der Straßenprostitution auf die Tageszeiten beschränkt werden, in denen eine Gefahr der Beeinträchtigung von Jugendlichen und des öffentlichen Anstands tatsächlich bestünde. Es sei jedenfalls nicht gerechtfertigt, das Verbot der Straßenprostitution auf das gesamte Gebiet der Stadt Dortmund zu erstrecken. Die Stadt Dortmund gehöre mit einer Fläche von ca. 280 km2 zu den größten Deutschlands. Die Annahme, die Straßenprostitution sei nirgendwo im Stadtgebiet tolerabel, bedürfe schon daher einer besonderen Rechtfertigung. Die Beklagten hätten keinen Alternativstandort für einen Straßenstrich gesucht. Als solcher käme etwa ein Teilbereich der F.-Straße in Betracht.
17Die Klägerin hat zunächst beantragt,
18festzustellen, dass es ihr nicht untersagt ist, in der Ravensberger Straße in Dortmund der Straßenprostitution nachzugehen.
19Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
20festzustellen, dass es ihr nicht untersagt ist, in Dortmund der Straßenprostitution nachzugehen,
21hilfsweise festzustellen, dass sie durch die Rechtsverordnung zum Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstands im Bereich der Stadt Dortmund (Sperrbezirksverordnung) vom 2. Mai 2011 nicht gehindert ist, im Bereich der F.-Straße zwischen dem Kreuzungsbereich L0 und der Einmündung der E.-Straße der Straßenprostitution nachzugehen.
22Die Beklagten haben jeweils beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Sie haben zur Begründung im Wesentlichen übereinstimmend vorgetragen: Die Klage sei als Feststellungsklage unzulässig. Die Klägerin begehre die Klärung abstrakter Rechtsfragen, nicht des Bestehens bzw. Nichtbestehens eines konkreten Rechtsverhältnisses. Die Klage sei überdies unbegründet, wie sich aus den Ausführungen der Bezirksregierung Arnsberg im Prüf- und Abwägungsvermerk vom 19. April 2011 ergebe. Die vom Straßenstrich im Bereich der Ravensberger Straße ausgehenden Beeinträchtigungen für die Schutzgüter „Jugend“ und „öffentlicher Anstand“ seien massiv gewesen. Im Alltagsleben seien Kinder und Jugendliche mit der Straßenprostitution und ihren Begleiterscheinungen konfrontiert worden, ohne dass Möglichkeiten für die Eltern bestanden hätten, diese hiervor zu schützen. Die direkte reale Konfrontation mit der Rotlichtszene und der damit einhergehenden Begleitkriminalität habe deutlich gravierendere Auswirkungen auf die psychische Entwicklung und Entfaltung von Kindern und Jugendlichen als bloße filmisch in Szene gesetzte Fiktion. Die Schätzungen zur Anzahl der auf dem Dortmunder Straßenstrich tätigen Prostituierten seien belastbar. Die Verkaufszahlen für Steuertickets für Prostituierte seien schon deswegen nicht aussagekräftig, weil sich gerade die bulgarischen Prostituierten der Steuerpflicht vielfach entzogen hätten. Ausgehend hiervon sei auch das stadtweite Verbot der Straßenprostitution gerechtfertigt. Alternative Flächen, auf denen ohne eine Gefährdung der in Art. 297 EGStGB genannten Schutzgüter Straßenprostitution stattfinden könne, gebe es im Gebiet der Stadt Dortmund mit seiner besonderen Siedlungsstruktur und der Verteilung schutzwürdiger und sensibler Bereiche, wie sie schon im Prüf- und Abwägungsvermerk vom 19. April 2011 dargestellt und mit Hilfe der in Bezug genommenen Karte veranschaulicht worden sei, nicht. Die Sondersituation Dortmunds werde zudem durch weitere Faktoren bestimmt: die massive Zunahme der Straßenprostitution in wenigen Jahren, die Bekanntheit des Dortmunder Straßenstrichs als „größter Strich Westdeutschlands“ mit überregionalem Einzugsgebiet, regelmäßige Busverbindungen zwischen Dortmund und der Stadt Q., der ortszugehörige Flughafen und die in Dortmund vorzufindende Infrastruktur einer multikulturellen Großstadt. Hieraus ergebe sich eine Sogwirkung für Prostituierte gerade in Richtung Dortmund, die sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit noch steigern werde. Angesichts dessen sei es lediglich eine Frage der Zeit, bis ein an anderer Stelle im Dortmunder Stadtgebiet eingerichteter Straßenstrich in schutzwürdige und sensible Gebiete „ausfransen“ werde. Der von der Klägerin für einen Straßenstrich vorgeschlagene Bereich der F.-Straße zwischen dem Kreuzungsbereich L0 und der Einmündung der E.-Straße sei wegen dessen Schutzbedürftigkeit für die Einrichtung eines Straßenstrichs nicht geeignet. Ein zeitlich beschränktes Zulassen von Straßenprostitution würde der komplexen Gesamtsituation im Fall der Stadt Dortmund nicht mehr gerecht.
25Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 21. März 2013 teilweise stattgegeben. Es hat festgestellt, dass es der Klägerin im Stadtgebiet von Dortmund außerhalb des in § 1 des Rechtsverordnung zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstandes im Bereich der Stadt Dortmund vom 17. Dezember 1974 in der Fassung der Änderungsverordnung vom 17. Oktober 1985 bezeichneten Bereichs und außerhalb der Ravensberger Straße, Mindener Straße und Juliusstraße nicht untersagt ist, der Straßenprostitution nachzugehen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
26Die nach § 91 VwGO zulässigerweise erweiterte Klage mit dem nunmehr gestellten Hauptantrag sei als Feststellungsklage zulässig. Sie beziehe sich auf ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und den Beklagten im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Die Klägerin könne nicht nach § 43 Abs. 2 VwGO auf die Erhebung einer Gestaltungs- oder Leistungsklage verwiesen werden. Die in den Sperrbezirksverordnungen für das Dortmunder Stadtgebiet ausgesprochenen Verbote der Ausübung der (Straßen-)Prostitution seien sog. „self-executing“-Normen, sie wirkten unmittelbar. Es sei der Klägerin nicht zuzumuten, zunächst einen Verstoß gegen diese Normen zu begehen und erst im Rahmen eines Bußgeldverfahrens die Gültigkeit der Rechtsverordnungen prüfen lassen zu müssen.
27Die Klage sei – nur – teilweise begründet. In einem näher bezeichneten Innenstadtbereich der Stadt Dortmund sei die Klägerin bereits durch § 1 der Rechtsverordnung vom 17. Dezember 1974 in der Fassung der Änderungsverordnung vom 17. Oktober 1985 an der Ausübung jeder Form von Prostitution gehindert. Soweit sie sich auf das in Rede stehende Verbot der Straßenprostitution beziehe, sei diese – weiterhin Geltung beanspruchende – Rechtsverordnung materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Das Verbot der Straßenprostitution für den in Rede stehenden Innenstadtbereich sei geeignet, einer abstrakten Gefahr für die in Art. 297 EGStGB genannten Schutzgüter zu begegnen. Die Wertung des Verordnungsgebers, dass die Zulassung von Straßenprostitution in diesem Gebiet nach den Erfahrungen des täglichen Lebens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine fortdauernde Gefahr für Jugendliche und den öffentlichen Anstand begründen könne, sei ohne Weiteres nachvollziehbar. Es erstrecke sich auf dichtbebaute Gebiete der Innenstadt (Wohngebiete, Einkaufsbereiche, Behörden- und Schulstandorte) sowie auf den Westfalenpark und den Fredenbaumpark. Diese Gebiete würden intensiv von allen Teilen der Bevölkerung, insbesondere aber auch von Jugendlichen genutzt. Straßenprostitution wäre in diesen Gebieten mit den Belangen des Jugendschutzes und des öffentlichen Anstand nicht vereinbar.
28In der – außerhalb des Geltungsbereichs der Rechtsverordnung vom 17. Dezember 1974 in der Fassung vom 17. Oktober 1985 liegenden – Ravensberger Straße, Mindener Straße und Juliusstraße sei die Klägerin durch § 1 der Sperrbezirksverordnung vom 2. Mai 2011 an der Ausübung der Straßenprostitution gehindert. Bezogen auf diese Straßen sei die Rechtsverordnung vom 2. Mai 2011 auf der Grundlage von Art. 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGStGB wirksam. Durch die Straßenprostitution in der Ravensberger Straße, Mindener Straße und Juliusstraße habe sich bereits eine konkrete Gefahr für die Jugend ergeben. Die Anzahl der auf dem Straßenstrich tätigen Prostituierten sei bis 2011 stark angestiegen. An den von den Beklagten zugrunde gelegten Zahlen bestünden keine Zweifel. Zahlreiche Prostituierte, insbesondere die aus Bulgarien zugezogenen, hätten ihren Wohnsitz in den angrenzenden Wohngebiete der Nordstadt genommen und die Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeit in „Arbeitskleidung“ zu Fuß zurückgelegt; zwischendurch hätten sie in der Nordstadt Einkäufe und Toilettengänge erledigt. Der Straßenstrich sei in der Folge derart in die Nordstadt „ausgefranst“, dass Jugendliche bereits in außerhalb des eigentlichen Straßenstrichs gelegenen Bereichen mit der Straßenprostitution unmittelbar in Berührung gekommen seien. Hierdurch seien Jugendliche in ihrer psychosexuellen Entwicklung konkret beeinträchtigt worden. Dem könne nicht entgegen gehalten werden, dass Jugendliche heute bereits über die Medien mit dem Thema Prostitution in Berührung kämen. Authentische Begegnungen von Jugendlichen mit Prostituierten und deren Freiern und Zuhältern, wie sie im Umfeld des Dortmunder Straßenstrichs stattgefunden hätten, wiesen eine andere Qualität auf als Filmszenen. Auch der öffentliche Anstand sei durch das „Ausfransen“ der Straßenprostitution in die angrenzenden Bereiche der Nordstadt bereits konkret gefährdet gewesen. Anfang 2011 sei zudem eine derart enge räumliche Verflechtung von Prostituierten und Wohnen eingetreten, dass der einzelfallbezogene Einsatz ordnungsbehördlicher und polizeilicher Mittel zur Durchsetzung des für die angrenzenden Wohngebiete der Nordstadt schon seinerzeit geltenden Prostitutionsverbots das „Ausfransen“ der Straßenprostitution in die Nordstadt nicht habe stoppen können. Auch nach zwischenzeitlicher Auflösung des Straßenstrichs sei davon auszugehen, dass bei erneuter Etablierung des Straßenstrichs in demselben Bereich zumindest eine abstrakte Gefahr für die Jugend und den öffentlichen Anstand bestünde. Entscheidende Faktoren, die zum Anwachsen des Straßenstrichs in diesen Straßen und seinem „Ausfransen“ in die benachbarten Gebiete der Nordstadt geführt hätten, bestünden fort. Bei einer Wiedereröffnung des Straßenstrichs am früheren Standort müsse mit einem raschen Wiederaufleben der alten Zustände gerechnet werden.
29Bezüglich der übrigen Teile des Stadtgebiets von Dortmund – außerhalb des Geltungsbereichs der Verordnung vom 17. Dezember 1974 in der Fassung vom 17. Oktober 1985 und außerhalb der Ravensberger Straße, Mindener Straße und Juliusstraße – entspreche die Rechtsverordnung vom 2. Mai 2011 nicht den Vorgaben des Art. 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGStGB. Es sei nicht zu erkennen, dass ausnahmslos an jedem Ort im übrigen Dortmunder Stadtgebiet durch Straßenprostitution eine Gefahr für die Jugend oder den öffentlichen Anstand entstehen könne. Es spreche einiges dafür, dass nicht flächendeckend mit einer gleich hohen Anzahl von Straßenprostituierten gerechnet werden könne, wie sie zuletzt auf dem Straßenstrich im Bereich der Ravensberger Straße tätig gewesen seien. Zu dieser hohen Anzahl sei es auch und vor allem wegen der günstigen Lage des Standorts des ehemaligen Straßenstrichs in fußläufiger Entfernung zu den billigen Wohnquartieren der Nordstadt gekommen, die jedenfalls für die aus Südosteuropa stammenden Prostituierten bedeutsam gewesen sei. Selbst wenn von einer sich erneut auf dem hohen Niveau von 2011 einpendelnden Zahl von Straßenprostituierten auszugehen sei, sei nicht nachvollziehbar, wieso sich ein Straßenstrich in dieser Größenordnung nicht irgendwo im Stadtgebiet von Dortmund – gegebenenfalls auch auf mehrere Standorte verteilt und auf bestimmte Uhrzeiten beschränkt – ansiedeln können sollte, ohne dass damit eine abstrakte Gefahr für die in Art. 297 EGStGB genannten Schutzgüter verbunden wäre. Insoweit sei lediglich pauschal auf die vorhandenen Siedlungsstrukturen hingewiesen worden. Die Vorlage eines Stadtplans, auf dem die baulichen und sonstigen Nutzungsarten grafisch dargestellt seien, reiche als Beleg nicht aus. Die Bezirksregierung Arnsberg habe in ihrem Prüf- und Abwägungsvermerk vom 19. April 2011 selbst ausgeführt, es gebe Stellen im übrigen Dortmunder Stadtgebiet, an denen der Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstands „weniger tangiert“ sei, etwa Gewerbegebiete oder Brachflächen. Es hätte einer konkreten Prüfung, die auch hätte dokumentiert werden müssen, bedurft, warum an diesen Stellen Straßenprostitution nicht ohne Gefährdung der Jugend und/oder des öffentlichen Anstands stattfinden können solle.
30Mit Beschluss vom 2. Oktober 2014 hat der Senat die gegen den stattgebenden Teil des Urteils des Verwaltungsgerichts gerichteten Berufungen der Beklagten zugelassen.
31Zu deren Begründung tragen die Beklagten – ihr erstinstanzliches Vorbringen ergänzend und vertiefend – im Wesentlichen vor: Die Klageänderung, der nicht zugestimmt worden sei, hätte vom Verwaltungsgericht nicht als sachdienlich zugelassen werden dürfen. Die Klage sei, auch soweit ihr stattgegeben worden sei, unbegründet. Unter den gegebenen Umständen gehe von einem Straßenstrich auch an jeder anderen Stelle im übrigen Dortmunder Stadtgebiet eine abstrakte Gefahr für die in Art. 297 EGStGB genannten Schutzgüter aus. Im Fall der Etablierung eines Straßenstrichs in einem anderen – insbesondere auch einem von der Nordstadt nicht fußläufig zu erreichenden – Teil des Stadtgebiets sei entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts mit einer gleich hohen Zahl von Straßenprostituierten wie im Jahr 2011 auf dem alten Straßenstrich im Bereich der Ravensberger Straße zu rechnen. Allein der Wegfall der fußläufigen Erreichbarkeit des Straßenstrichs würde einem Wiederaufleben der alten Verhältnisse an einem anderen Standort nicht entgegenstehen. Denn alle sonstigen Faktoren, die zu einem Anwachsen des alten Straßenstrichs geführt hätten, bestünden fort: die historisch gewachsene Bekanntheit des Standorts Dortmund für die Freier aus dem weiten Umland, die Bevölkerungsstruktur der Dortmunder Nordstadt, seit Jahren etablierte familiäre Verbindungen von Zuwanderern aus und nach Südosteuropa, die parallel existierende „gute“ Infrastruktur hinsichtlich der Versorgung des Milieus mit Drogen jeglicher Art. Auch für das Jahr 2014 sei ein Zuzug von bulgarischen und rumänischen Staatsangehörigen – letztere bildeten inzwischen die deutlich größere Gruppe – nach Dortmund insgesamt und in die Nordstadt zu verzeichnen gewesen. Aktuell gebe es in der Nordstadt (immer) noch um die 120 der sog. „Problemhäuser“. In anderen Stadtteilen stünde überdies ebenfalls günstiger Wohnraum zur Verfügung. Die Verteilung der osteuropäischen Zuwanderer auf andere Stadtteile sei – eigentlich – gerade erwünscht, um einer Konzentration in der Nordstadt entgegen zu wirken. Es sei ausgesprochen schwierig, die osteuropäischen Zuwanderer zu integrieren, insbesondere sie in geregelte Arbeit zu bringen. Hieran habe sich durch die unbeschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit zum 1. Januar 2014 nichts geändert. Auf dem sog. „Arbeiterstrich“ an der N.-Straße suchten bulgarische und rumänische Zuwanderer Arbeit als Tagelöhner für geringste Löhne. Die Lage in der Nordstadt sei insgesamt weiterhin angespannt. Im Rahmen des fortbestehenden Programms „Task Force Nordstadt“ werde versucht, mit Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen den Problemen zu begegnen. Die Infrastruktur für eine erneute „Versorgung“ eines Straßenstrichs in Dortmund mit Frauen aus Bulgarien – vor der Schließung des Straßenstrichs habe es einen regelmäßigen Hin- und Rücktransport von Frauen gegeben – sei vorhanden und könne jederzeit reaktiviert werden. Es sei davon auszugehen, dass die Mobilität der Zuwanderer noch zugenommen habe, d. h. „Lieferdienste“ von Zuhältern im Fall der Schaffung eines neuen Straßenstrichs in nicht fußläufiger Entfernung von der Nordstadt seien denkbar. Im Übrigen seien die osteuropäischen Zuwanderer mit dem Öffentlichen Personennahverkehr in Dortmund inzwischen vertraut. Die Zahlen zur Entwicklung der Straßenprostitution seit Mai 2011 zeigten, dass auch der „Nachfragedruck“ – das Interesse der Freier an Dortmunder Straßenprostituierten – fortbestehe. Noch im Jahr 2014 sei in 324 Fällen ein Platzverweis ausgesprochen und gegen 348 Freier ein Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen des Verstoßes gegen das geltende Kontaktaufnahmeverbot eingeleitet worden. Ca. 30 Frauen gingen trotz der Sperrbezirksregelung weiterhin in der Nordstadt der Straßenprostitution nach.
32Eine Untersuchung aller Flächen im übrigen Stadtgebiet im Hinblick auf ihre Geeignetheit für die Aufnahme eines – mit dem früheren vergleichbaren – Straßenstrichs sei erfolgt. Es seien zunächst in einem Stadtplan Informationen aus dem Flächennutzungsplan, dem Liegenschaftskataster, der Wirtschaftsförderung metropoleruhr GmbH, aus der Schuldatenbank der Stadt Dortmund und dem Landschaftsplan zusammengeführt worden. Sämtliche im Stadtgebiet befindlichen Wohngebiete, Einzelhandelsbereiche und Marktflächen, Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen, Ausbildungszentren und Bildungseinrichtungen, Einrichtungen und Haltepunkte des öffentlichen Personennahverkehrs, öffentliche Einrichtungen der Verwaltung, Einrichtungen des Gesundheitswesens, religiöse Einrichtungen, Kultureinrichtungen, Sportstätten, Freizeiteinrichtungen sowie Grünflächen und Parkanlagen seien eruiert und in dem Stadtplan farbig markiert worden. Aus der auf diesem Wege entstandenen Karte ergebe sich, dass es keine ausreichend großen Flächen im Dortmunder Stadtgebiet gebe, auf denen ein Straßenstrich ohne eine Gefahr des „Ausfransens“ in benachbarte schützenswerte Bereiche angesiedelt werden könne. Diese Überlegungen seien bereits in dem Prüf- und Abwägungsvermerk vom 19. April 2011 dargelegt worden. Auch als Reaktion auf die erstinstanzliche Entscheidung sei nochmals eine Karte erstellt worden, aus der sich ergebe, dass es keinen geeigneten Standort für einen Straßenstrich im gesamten Dortmunder Stadtgebiet gebe. Erneut sei der Ansatz gewählt worden, zunächst die schutzwürdigen und sensiblen Nutzungen zu verorten. Um diese herum sei nunmehr jeweils ein Kreis mit einem Radius von 350 Metern gezogen worden – in Orientierung an die Regelung in § 16 Abs. 3 des seit dem 1. Dezember 2012 geltenden Gesetzes zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrages (AG GlüStV NRW). Danach solle der Mindestabstand zwischen einer Spielhalle und öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe regelmäßig 350 Meter Luftlinie betragen. Der Gesetzgeber habe hier erstmals einen „Schutzabstand“ zwischen potentiell jugendgefährdenden Einrichtungen und Schulen, Kindergärten etc. gesetzlich festgeschrieben. Bei einer solchen Vorgehensweise ergäben sich insgesamt acht „Potentialflächen“, die auf der neuen Karte eingezeichnet seien. Von diesen Flächen komme – wie näher ausgeführt worden ist – als Standort für einen Straßenstrich offensichtlich keine in Betracht. In der neuen Karte seien dabei noch nicht einmal die in letzter Zeit hinzugekommenen Standorte, an denen Flüchtlinge, insbesondere auch unbegleitete Minderjährige, untergebracht seien, eingetragen worden. Würden diese ebenfalls berücksichtigt, blieben wahrscheinlich nicht einmal mehr im Ansatz freie Flächen übrig.
33Die Möglichkeit, statt eines Großstandorts mehrere Kleinstandorte für die Straßenprostitution auszuwählen, bestehe in der Realität nicht. Die Auswahl eines Standorts durch Prostituierte und Freier werde durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Dies führe zu einer Konzentration der Straßenprostitution an einem Standort. Es gebe keine ordnungsbehördlichen Möglichkeiten, eine „Entzerrung“ durchzusetzen. Eine Fläche – auch nicht etwa eine Grünfläche –, auf der ein Straßenstrich jedenfalls mit einer zeitlichen Beschränkung der Prostitutionsausübung gefahrlos angesiedelt werden könne, sei nicht auszumachen. Dortmund sei eine Großstadt, die „nicht schlafe“. Dem stadtweiten Verbot der Straßenprostitution könne nicht entgegen gehalten werde, ein solches sei bei nordrhein-westfälischen Städten dieser Größenordnung ohne Beispiel. In Dortmund bestehe eine Sondersituation, die mit der in anderen Städten nicht vergleichbar sei.
34Die Beklagten beantragen jeweils,
35das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 21. März 2013 zu ändern, soweit der Klage stattgegeben worden ist, und die Klage auch insoweit abzuweisen.
36Die Klägerin beantragt,
37die Berufungen zurückzuweisen.
38Sie nimmt auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug und trägt ergänzend im Kern vor: Sie beabsichtige weiterhin, der Straßenprostitution in Dortmund nachzugehen, sobald dies wieder zulässig sei. Das Verwaltungsgericht habe der Klage zu Recht teilweise stattgegeben. Entscheidend für das starke Anwachsen des früheren Dortmunder Straßenstrichs seien der relativ günstige Standort in der Nähe eines Wohngebietes und zum Stadtkern sowie das Angebot an sozialen Dienstleistungen für die Prostituierten im Rahmen des sog. „Dortmunder Modells“ und halbwegs sichere Arbeitsbedingungen gewesen. Derartige Bedingungen gebe es an anderen Orten im Stadtgebiet nicht. Daher könne an solchen auch nicht mit einer gleichen Zahl von Straßenprostituierten gerechnet werden. Die zur Begründung des stadtweiten Straßenprostitutionsverbots herangezogene Karte des Dortmunder Stadtgebiets, auf der schutzwürdige und sensible Nutzungen verzeichnet sein sollen, sei nicht aussagekräftig, soweit sie auf dem Flächen-nutzungsplan für die Stadt aufbaue, da in diesem lediglich Nutzungsabsichten dokumentiert, aber nicht tatsächliche Nutzungen dargestellt seien. Der von den Beklagten gewählte Ansatz sei insgesamt fehlerhaft. Es genüge nicht eine allgemeine Schutzwürdigkeit eines Gebiets, es bedürfe vielmehr einer besonderen Schutzbedürftigkeit, um eine abstrakte Gefahr für die in Rede stehenden Schutzgüter im Fall der Berührung mit der Prostitutionsausübung und deren Begleiterscheinungen begründen zu können. Gerade Grünflächen hätten nicht pauschal als sensible Bereiche eingestuft werden dürfen. Werde ein so grobes Raster angelegt wie vorliegend, könne die Straßenprostitution überall in Deutschland verboten werden. Die nachträglich angestellten Erwägungen auf Beklagtenseite seien ohnehin nicht maßgeblich. Die von der Bezirksregierung Arnsberg seinerzeit in dem Prüf- und Abwägungsvermerk vom 19. April 2011 niedergelegten Gründe müssten die Sperrbezirksverordnung tragen. Die Tatsachenfeststellungen und damit die Ermessenserwägungen seien seinerzeit unzureichend gewesen. Die Sperrbezirksverordnung vom 2. Mai 2011 stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit dar. Das Verbot der Straßenprostitution wirke sich im Hinblick darauf, dass andere Formen der Prostitutionsausübung mit höheren Risiken verbunden seien, belastend aus. Weiterhin sei insbesondere nicht dargelegt, warum nicht eine Regelung zur zeitlichen Beschränkung der Straßenprostitution als milderes Mittel in Betracht komme. Gerade für öffentliche Grünflächen dürfte gelten, dass auf ihnen in den Nachtstunden Straßenprostitution ohne Gefährdung der in Rede stehenden Schutzgüter ausgeübt werden könne.
39Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Akten des gerichtlichen Eilverfahrens Bezug genommen.
40Entscheidungsgründe:
41Die zulässigen Berufungen der Beklagten haben Erfolg.
42Nicht zu beanstanden ist, dass das Verwaltungsgericht über die von der Klägerin zuletzt gestellten Anträge entschieden hat, weil es die mit Schriftsätzen vom 1. Juni 2012 und 5. Februar 2013 erfolgte Klageänderung für sachdienlich und danach gemäß § 91 Abs. 1 VwGO für zulässig gehalten hat.
43Eine Klageänderung ist als sachdienlich anzusehen, wenn sie der endgültigen Beilegung des sachlichen Streits zwischen den Beteiligten im laufenden Verfahren dient und der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt.
44Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2009 – 9 B 20.09 –, juris, Rn. 6, Urteil vom 18. August 2005 – 4 C 13.04 –, BVerwGE 124, 132 = DVBl. 2005, 1583 = juris, Rn. 22, Beschluss vom 21. Oktober 1983 – 1 B 116.83 –, DVBl. 1984, 93 = juris, Rn. 8, und Urteil vom 22. Februar 1980 – IV C 61.77 –, DVBl. 1980, 598 = juris, Rn. 23, jeweils m. w. N.
45Dass hier auch die letztgenannte Voraussetzung gegeben ist, hat das Verwaltungsgericht mit der Begründung bejaht, es gehe auch nach der erfolgten Klageänderung um die Frage, ob es der Klägerin erlaubt sei, im Stadtgebiet von Dortmund der Straßenprostitution nachzugehen, erweitert werde nur der räumliche Bereich, für den die Klägerin eine entsprechende Feststellung begehre. Rechtsfehler sind hierin nicht zu erkennen. Der Streitstoff, dessen Verarbeitung es bedarf, um die Frage zu beantworten, ob mit der Sperrbezirksverordnung vom 2. Mai 2011 das Verbot der Straßenprostitution im Bereich der Ravensberger Straße auf der Grundlage von Art. 297 EGStGB in rechtmäßiger Weise erfolgt ist, ist zugleich Grundlage für die Beantwortung der Frage nach der Rechtmäßigkeit der Erstreckung des Verbots der Straßenprostitution auf alle übrigen Teile des Dortmunder Stadtgebiets. Im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit des stadtweiten Verbots der Straßenprostitution bedarf es auch in tatsächlicher Hinsicht lediglich in überschaubarem Umfang der Berücksichtigung weiterer Umstände.
46Für die geänderte und in zulässiger Weise auf die Feststellung des Bestehens bzw. Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 VwGO gerichtete Klage,
47vgl. hierzu den Beschluss des Senats im zugehörigen Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 26. März 2012 – 5 B 892/11 –, NVwZ-RR 2012, 516 = juris, Rn. 5,
48fehlt es der Klägerin nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Sie hat in der mündlichen Verhandlung plausibel dargetan, dass sie ernsthaft beabsichtigt, der Straßenprostitution in Dortmund nachzugehen, sobald festgestellt ist, dass ihr dies nicht verboten ist.
49Die Feststellungsklage der Klägerin ist jedoch mit dem Haupt- und Hilfsantrag unbegründet, auch soweit das Verwaltungsgericht ihr stattgegeben hat. Die Klägerin ist im gesamten Dortmunder Stadtgebiet – auch außerhalb des in § 1 der Rechtsverordnung zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstandes im Bereich der Stadt Dortmund vom 17. Dezember 1974 (Amtsblatt für den Regierungsbezirk Arnsberg, S. 494) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 17. Oktober 1985 (Amtsblatt für den Regierungsbezirk Arnsberg, S. 365) bezeichneten Bereichs und außerhalb der Ravensberger Straße, Mindener Straße und Juliusstraße – rechtlich gehindert, der Straßenprostitution nachzugehen. Die Rechtsverordnung zum Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstands im Bereich der Stadt Dortmund (Sperrbezirksverordnung) vom 2. Mai 2011 (Amtsblatt für den Regierungsbezirk Arnsberg, S. 201) ist auf der Grundlage von Art. 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGStGB rechtmäßig, auch soweit sie für die übrigen Bereiche der Stadt Dortmund – und damit auch für den vom Hilfsantrag erfassten Bereich – ein Verbot der Straßenprostitution ausspricht. Das Verbot der Straßenprostitution dient insoweit ebenfalls dem Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstands im Sinne des Art. 297 EGStGB.
50Die Verordnungsermächtigung in Art. 297 EGStGB wird in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung als Norm auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr qualifiziert, die dazu dient, das Zusammenleben der Menschen zu ordnen, soweit ihr Verhalten sozialrelevant ist, nach außen in Erscheinung tritt und das Allgemeinwohl beeinträchtigen kann.
51Vgl. den Beschluss des Senats vom 26. März 2012 – 5 B 892/11 –, NVwZ-RR 2012, 516 = juris, Rn. 12; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15. Dezember 2008 – 1 S 2256/07 –, VBlBW 2009, 220 = juris, Rn. 61.
52Verfassungsrechtliche Bedenken gegen ein solches Verständnis der Norm bestehen auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht.
53Vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. April 2009 – 1 BvR 224/07 –, NVwZ 2009, 905 = juris, Rn. 16.
54Mit Art. 297 EGStGB ist dem Verordnungsgeber dementsprechend ein Instrument in die Hand gegeben, zur Abwehr von Gefahren für die dort genannten Schutzgüter tätig zu werden, die durch eine – sozialunverträgliche – Konfrontation mit der Prostitutionsausübung selbst oder aber deren „unliebsamen Begleiterscheinungen“ drohen.
55Vgl. den Beschluss des Senats vom 26. März 2012 – 5 B 892/11 –, NVwZ-RR 2012, 516 = juris, Rn. 14 (unter Bezugnahme auf den Gesetzentwurf eines Zehnten Strafrechtsänderungsgesetzes, BT-Drs. VI/293, S. 3) und Rn. 16. Siehe auch BVerfG, Beschluss vom 28. April 2009 – 1 BvR 224/07 –, NVwZ 2009, 905 = juris, Rn. 23.
56Ungeachtet eines Wandels der gesellschaftlichen Anschauungen zur Prostitution, die in dem am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Prostitutionsgesetz (Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten – ProstG – vom 20. Dezember 2001, BGBl. I S. 3983) Niederschlag gefunden haben, ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, Art. 297 EGStGB so auszulegen, dass die Vorschrift den Verordnungsgeber ermächtigt, die Prostitution unter der Voraussetzung zu verbieten, dass deren Ausübung abstrakte Gefahren für die genannten Schutzgüter begründet. Der Verordnungsgeber muss das Verbot nicht davon abhängig machen, dass die Ausübung der Prostitution bzw. die mit ihr verbundenen Begleiterscheinungen im konkreten Einzelfall eine Belästigung der Öffentlichkeit hervorrufen.
57Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – 6 C 28.13 –, GewArch 2015, 258 = juris, Rn. 9 ff. Siehe auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15. Dezember 2008 – 1 S 2256/07 –, VBlBW 2009, 220 = juris, Rn. 71; OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 13. März 2006 – 8 A 11599/05 –, DÖV 2006, 519 = juris, Rn. 23, 25, Urteil vom 10. Oktober 2005 – 12 C 11236/05 –, GewArch 2006, 262 = juris, Rn. 16, Urteil vom 17. Juli 2002 – 8 A 10692/02 –, DÖV 2003, 36 = juris, Rn. 29; Hess. VGH, Urteil vom 31. Oktober 2003 – 11 N 2952/00 –, NVwZ-RR 2004, 470 = juris, Rn. 34, Beschluss vom 19. Februar 1990 – 11 N 2596/87 –, NVwZ-RR 1990, 472 = juris, Rn. 70.
58Eine abstrakte Gefahr ist nach der anerkannten allgemeinen Definition dann gegeben, wenn eine generell-abstrakte Betrachtung für bestimmte Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen zu dem Ergebnis führt, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden im Einzelfall einzutreten pflegt und daher Anlass besteht, diese Gefahr mit generell-abstrakten Mitteln, also einem Rechtssatz zu bekämpfen; das hat zur Folge, dass auf den Nachweis der Gefahr eines Schadenseintritts im Einzelfall – anders als bei der konkreten Gefahr – verzichtet werden kann.
59Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2002 – 6 CN 8.01 –, BVerwGE 116, 347 = DVBl. 2002, 1562 = juris, Rn. 35, Beschluss vom 24. Oktober 1997 – 3 BN 1.97 –, juris, Rn. 4, Urteil vom 26. Juni 1970 – IV C 99.67 –, NJW 1970, 1890 = juris, Rn. 14.
60Für den Erlass einer Sperrgebietsverordnung „zum Schutz des öffentlichen Anstands“ im Sinne des Art. 297 EGStGB genügt ausgehend hiervon – weiterhin – die Prognose, dass die nach außen in Erscheinung tretende Ausübung der Prostitution typischerweise damit verbundene Belästigungen Unbeteiligter und „milieubedingte Unruhe“ hervorrufen wird. Ist ein Gebiet durch eine besondere Schutzbedürftigkeit und Sensibilität, z. B. als Gebiet mit hohem Wohnanteil sowie Schulen, Kindergärten, Kirchen und sozialen Einrichtungen gekennzeichnet, darf der Verordnungsgeber davon ausgehen, dass die Ausübung der Prostitution die abstrakte Gefahr von Beeinträchtigungen des öffentlichen Anstands begründet.
61Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – 6 C 28.13 –, GewArch 2015, 258 = juris, Rn. 9 ff. Siehe auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15. Dezember 2008 – 1 S 2256/07 –, VBlBW 2009, 220 = juris, Rn. 61.
62Dahinter steht der Gedanke, dass Handlungen und Zustände, die eine enge Beziehung zum Geschlechtsleben haben, Belange des Allgemeinwohls insbesondere dann beeinträchtigen können, wenn durch einen Öffentlichkeitsbezug andere Personen, die hiervon unbehelligt bleiben wollen, erheblich belästigt werden.
63Vgl. den Beschluss des Senats vom 26. März 2012 – 5 B 892/11 –, NVwZ-RR 2012, 516 = juris, Rn. 12; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15. Dezember 2008 – 1 S 2256/07 –, VBlBW 2009, 220 = juris, Rn. 61.
64Die Legalisierung der Prostitutionsausübung im zivil- und sozialversicherungsrechtlichen Bereich und die Einschränkung der Strafbarkeit durch das Prostitutionsgesetz schließen es ebenso wenig wie der Wegfall des Vorwurfs der Sittenwidrigkeit der Prostitution aus, dass deren Ausübung in bestimmten Erscheinungsformen und damit einhergehenden sozialtypischen Begleiterscheinungen namentlich mit Blick auf sensible Gemeindegebiete gegen den öffentlichen Anstand – im aufgezeigten veräußerlichten Verständnis der Sozialverträglichkeit – verstoßen kann. Die Festsetzung von Sperrbezirken auf der Grundlage des Art. 297 EGStGB dient der lokalen Steuerung der Prostitutionsausübung aus ordnungsrechtlichen Gründen.
65Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – 6 C 28.13 –, GewArch 2015, 258 = juris, Rn. 15. Siehe auch BVerfG, Beschluss vom 28. April 2009 – 1 BvR 224/07 –, NVwZ 2009, 905 = juris, Rn. 20; BVerwG, Urteil vom 20. November 2003 – 4 C 6.02 –, NVwZ 2004, 743 = juris, Rn. 9; Beschluss des Senats vom 26. März 2012 – 5 B 892/11 –, NVwZ-RR 2012, 516 = juris, Rn. 16; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15. Dezember 2008 – 1 S 2256/07 –, VBlBW 2009, 220 = juris, Rn. 56 ff.; Nds. OVG, Urteil vom 24. Oktober 2002 – 11 KN 4073/01 –, NordÖR 2003, 26 = juris, Rn. 37.
66Die Legalität dieser gewerblichen Betätigung bedeutet hier ebenso wenig wie in anderen Fällen legaler Gewerbe, dass sie an jedem beliebigen Ort ausgeübt werden darf. Dem Gesetz- und Verordnungsgeber bleibt es überlassen, potentiell miteinander unverträgliche Nutzungen räumlich zu trennen.
67Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – 6 C 28.13 –, GewArch 2015, 258 = juris, Rn. 15.
68Mit Blick auf das mit Verfassungsrang ausgestattete,
69vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 28. April 2009 – 1 BvR 224/07 –, NVwZ 2009, 905 = juris, Rn. 23,
70Schutzgut „Jugend“ im Sinne des Art. 297 EGStGB hat auch das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass es dem Gesetzgeber obliegt zu entscheiden, ob, wo und wann Jugendliche mit dem gesellschaftlichen Phänomen der Prostitution konfrontiert werden sollen. Von Kindern und Jugendlichen Einflüsse fernzuhalten, die sich, zum Beispiel wegen der Kommerzialisierung sexueller Handlungen, auf ihre Einstellung zur Sexualität und damit auf die Entwicklung ihrer Persönlichkeit nachteilig auswirken können, ist ein – unverändert – legitimes Ziel staatlichen Handelns.
71Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – 6 C 28.13 –, GewArch 2015, 258 = juris, Rn. 19. Siehe auch den Beschluss des Senats vom 26. März 2012 – 5 B 892/11 –, NVwZ-RR 2012, 516 = juris, Rn. 20; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15. Dezember 2008 – 1 S 2256/07 –, VBlBW 2009, 220 = juris, Rn. 60.
72Dass Jugendliche heutzutage mit dem Thema Prostitution – unter anderem wegen dessen Präsenz in den Medien – in ihrem Alltag ohnehin in Berührung kommen, steht dem nicht entgegen. Die Annahme, dass Jugendliche infolge einer direkten Konfrontation mit der Prostitutionsausübung bzw. deren Begleiterscheinungen in der Realität in ihrer psychosexuellen Entwicklung erheblich beeinträchtigt werden können, wird hierdurch nicht in Frage gestellt.
73Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15. Dezember 2008 – 1 S 2256/07 –, VBlBW 2009, 220 = juris, Rn. 60.
74Dies zugrundegelegt ist die Einschätzung des Verordnungsgebers nicht zu beanstanden, unter den gegebenen Umständen werde ein Straßenstrich an jeder anderen Stelle im übrigen Dortmunder Stadtgebiet eine abstrakte Gefahr für die in Art. 297 EGStGB genannten Schutzgüter begründen, weil hierdurch eine – sozialunverträgliche – Konfrontation unbeteiligter Dritter, Kinder und Jugendlicher sowie Erwachsener, mit der Prostitutionsausübung bzw. deren Begleiterscheinungen drohe. Es sind bei der anzustellenden abstrakt-generellen Betrachtung hinreichende Anhaltspunkte vorhanden, die den Schluss rechtfertigen, ein Straßenstrich an jeder anderen Stelle im übrigen Dortmunder Stadtgebiet bzw. dessen negative Auswirkungen werden immer auch schutzbedürftige und sensible Gebiete räumlich betreffen.
75Anders als das Verwaltungsgericht hält der Senat die Prognose des Verordnungsgebers für tragfähig, ein Straßenstrich an jeder anderen Stelle im übrigen Dortmunder Stadtgebiet werde vergleichbare Dimensionen annehmen wie der frühere Straßenstrich im Bereich der Ravensberger Straße. Eine solche Entwicklung erscheint auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse als hinreichend wahrscheinlich.
76Im Ausgangspunkt erweisen sich zunächst die Annahmen des Verordnungsgebers hinsichtlich des Umfangs der Prostitution auf dem früheren Dortmunder Straßenstrich im Bereich der Ravensberger Straße und den damit einhergehenden Begleiterscheinungen als belastbar. Der Senat hat ebenso wie das Verwaltungsgericht keinen Zweifel daran, dass die vom Verordnungsgeber herangezogenen Informationen zur Anzahl der auf dem Straßenstrich tätigen Prostituierten valide sind. Diese beruhen auf Ermittlungen der Beklagten zu 2., Erkenntnissen des Polizeipräsidiums Dortmund und Angaben der Beratungsstelle L. Das massive Anwachsen des Dortmunder Straßenstrichs – von ca. 60 dort tätigen Prostituierten im Jahr 2006 auf schätzungsweise 700 im Jahr 2011 – ist sowohl in seinen Ursachen als auch in seinem Ausmaß nachvollziehbar dargestellt. Die Anzahl der von den Straßenprostituierten nach Einführung der sog. „Sexsteuer“ erworbenen Steuertickets bzw. -coupons ist nach den plausiblen Angaben der Beklagten zu 2., die bestätigt werden durch die polizeilichen Erkenntnisse, im Hinblick auf die tatsächliche Anzahl der auf dem Straßenstrich tätigen Prostituierten nicht aussagekräftig, da davon auszugehen ist, dass eine Vielzahl der Straßenprostituierten der Steuerpflicht nicht nachgekommen ist; Mitarbeiter der Beklagten zu 2. haben dies im Rahmen von Kontrollen konkret feststellen können. Wie sich aus den vorliegenden polizeilichen Informationen schlussfolgern lässt, spricht überdies ohnehin viel für eine milieubedingte hohe Dunkelziffer (gerade) bei den als Straßenprostituierte tätigen (bulgarischen) Frauen.
77Die Annahmen des Verordnungsgebers erweisen sich auch insoweit als schlüssig, als er davon ausgegangen ist, dass durch den kontinuierlichen und zunehmend stärkeren Zuzug von Frauen insbesondere aus den Elendsvierteln der bulgarischen Stadt Q. nicht nur die Anzahl der auf dem Dortmunder Straßenstrich tätigen Prostituierten rasant wuchs, sondern sich die Situation auf und um den Straßenstrich auch dadurch signifikant änderte, dass die Lebensumstände dieser Frauen äußerst prekär waren. In den Berichten der Beratungsstelle L. wird dies anschaulich geschildert. Die zu einem großen Teil aus – finanziellen, gesellschaftlichen/familiären und/oder psychischen, auch suchtbedingten – Zwangssituationen heraus als Prostituierte tätigen Frauen wohnten mehrheitlich in verkommenen und verfallenen Häusern der Dortmunder Nordstadt, verfügten weder über hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache noch hinreichendes Vorwissen in Bezug auf sexuelle Dienstleistungen (die Beratungsstelle L. sprach von einem großen Informationsbedarf beim Themenkomplex „Rechte und Pflichten von Prostituierten in Deutschland“); sie waren in großem Umfang in einem schlechten Gesundheits- und auch schlechten Ernährungszustand. Die Frauen waren oftmals sehr jung, arbeiteten viele Stunden am Tag – in den Berichten der Beratungsstelle L. werden tägliche Arbeitszeiten von 10 bis 14 Stunden, aber auch 14 bis 18 Stunden genannt – und boten ihre Dienstleistungen zu vergleichsweise niedrigen Preisen an, was wiederum die Anziehungskraft des Dortmunder Straßenstrichs für die aus einem weiten Umkreis anreisenden Freier steigerte. Die auf dem Straßenstrich tätigen Ärzte diagnostizierten gehäuft Geschlechtskrankheiten und Parasiten. Auch kam es vermehrt zu ungewollten Schwangerschaften. Eine gesellschaftliche Integration der bulgarischen Prostituierten gelang auch nach den vorliegenden polizeilichen Erkenntnissen weitestgehend nicht. Sie bewegten sich – ebenso wie die mit ihnen zunehmend eingewanderten männlichen Begleitpersonen, die ihren Lebensunterhalt mittels der Einkünfte der Prostituierten (mit)finanzierten – in einer über Teestuben, Internetcafés, Wettbüros, Spielhallen und Gaststätten der Nordstadt vernetzten Parallelgesellschaft.
78Die mit dem sog. „Dortmunder Modell“ verfolgten Ziele, namentlich die Steuerung und Kontrolle der Prostitutionsausübung und ihrer Begleiterscheinungen, konnten vor diesem Hintergrund in der Folge des massiven Zuzugs der bulgarischen Prostituierten – so das ebenfalls plausible Fazit des Verordnungsgebers – nicht mehr erreicht werden. Dass im Zuge der vorstehend skizzierten Entwicklung die Ausübung der Prostitution bzw. deren Begleiterscheinungen weit bis in die bewohnten Bereiche der Nordstadt in einer die Grenze der Sozialverträglichkeit in außergewöhnlichem Maße überschreitenden Art und Weise öffentlich wahrnehmbar wurden, ist auf der Grundlage der Feststellungen der Beklagten zu 2., der polizeilichen Stellungnahmen, der Angaben der Beratungsstelle L. sowie der Äußerungen von Bewohnern und Gewerbetreibenden in der Nordstadt sowie von Angehörigen der dort ansässigen Schulen hinreichend belegt. Ohne Weiteres belastbar ist auch die Prämisse des Verordnungsgebers, selbst durch ein ausgeweitetes ordnungsbehördliches und polizeiliches Einschreiten sei es nicht möglich gewesen, das „Ausfransen“ des Straßenstrichs einzudämmen; es sei dennoch täglich zu Schutzgutsverletzungen durch eine direkte Konfrontation von Kindern und Jugendlichen, aber auch unbeteiligten Erwachsenen, mit der Prostitutionsausübung bzw. ihren Begleiterscheinungen gekommen. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten nimmt der Senat an dieser Stelle zur Vermeidung von Wiederholungen ergänzend Bezug auf seine diesbezüglichen Ausführungen in dem im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (5 B 892/11 –, NVwZ-RR 2012, 516 = juris, Rn. 28 ff.) ergangenen Beschluss vom 26. März 2012.
79Die Prognose des Verordnungsgebers erweist sich auch insoweit als tragfähig, als er davon ausgegangen ist, dass die Faktoren, die zu einem starken Anwachsen des Straßenstrichs im Bereich der Ravensberger Straße durch den Zuzug bulgarischer Prostituierter geführt haben, überwiegend fortwirken. Für eine Verbesserung der Lebensumstände der in der bulgarischen Stadt Q. lebenden Roma ist nichts ersichtlich. Es kann davon ausgegangen werden, dass dort unverändert ein Migrationsdruck besteht, der sich insbesondere auf schlechte wirtschaftliche Verhältnisse und das Fehlen von Perspektiven im Heimatland gründet. Für die regelmäßig über keinerlei Ausbildung verfügenden, überwiegend nicht einmal alphabetisierten Frauen aus den Elendsvierteln der Stadt Q. stellt sich die Arbeit als Straßenprostituierte weiterhin als eine der wenigen Möglichkeiten dar, sich und den hinter ihnen stehenden Personen ein Einkommen zu verschaffen. Es ist nicht erkennbar, dass sich dies durch die Einführung der uneingeschränkten Arbeitnehmerfreizügigkeit unter anderem für Bulgaren zum 1. Januar 2014 wesentlich geändert hätte. Die Vertreter der Beklagten zu 2. haben in der mündlichen Verhandlung vielmehr anschaulich die fortbestehenden Schwierigkeiten, die nach Dortmund zugewanderten Osteuropäer in geregelte Arbeit zu bringen, geschildert. Damit bleibt die Straßenprostitution eine entscheidende Einnahmequelle. Nach den Informationen, die Mitarbeiter der Beklagten zu 2. unter anderem im Rahmen einer Reise in die Stadt Q. im Februar 2011 sammeln konnten, war der Dortmunder Straßenstrich mit seinen Verdienstmöglichkeiten den Menschen dort seinerzeit äußerst präsent; der Gelegenheit, in den sog. „Problemhäusern“ in der Dortmunder Nordstadt zugleich günstigen Wohnraum zu finden, waren sich die Menschen bewusst. Nach den Angaben des Polizeipräsidiums Dortmund kann damit gerechnet werden, dass die Kombination „Dortmund-Straßenstrich“ in den bulgarischen Städten weiterhin als gewinnträchtige „Marke“ bekannt ist. Bestehende familiäre und andere persönliche Verbindungen zu bereits nach Dortmund, insbesondere in die Nordstadt, zugewanderten Bulgaren erleichtern weiterhin, wenn nicht sogar verstärkt, den Zuzug. Dies gilt auch für die Möglichkeiten, Dortmund von der Stadt Q. aus mit einer – jederzeit reaktivierbaren – direkten Busverbindung oder einer Flugverbindung vom nur 150 km entfernten Sofia vergleichsweise einfach und kostengünstig zu erreichen. In der Dortmunder Nordstadt gibt es nach den Angaben der Vertreter der Beklagten zu 2. in der mündlichen Verhandlung derzeit immer noch ca. 120 sog. „Problemhäuser“, in denen Zuwanderer (billigen) Wohnraum finden können und die ein Niederlassen in Dortmund besonders begünstigen. Dies gilt gleichfalls für die in der Dortmunder Nordstadt anzutreffende, vorstehend bereits erwähnte sog. „negative Infrastruktur“. Bei Freiern war der Dortmunder Straßenstrich als „größter Strich Westdeutschlands“ schon in der Vergangenheit besonders beliebt. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass dies für einen sich in Dortmund an anderer Stelle neu etablierenden Straßenstrich nicht ebenfalls gelten wird. Das Interesse der Freier an Dortmunder Straßenprostituierten besteht vielmehr fort. Dies zeigt sich daran, dass es konstant – und sogar mit steigender Tendenz – zu Verstößen gegen das mit den Sperrbezirksregelungen verbundene Kontaktaufnahmeverbot gekommen ist. Nach den Angaben der Vertreter der Beklagten zu 2. in der mündlichen Verhandlung ist der „Freiersuchverkehr“ ein in der Nordstadt immer noch wahrzunehmendes Phänomen. Insgesamt befindet sich die Stadt Dortmund damit weiterhin in einer Sondersituation, aus der heraus die vom Verordnungsgeber so bezeichnete „Sogwirkung“ im Fall der erneuten Zulassung der Straßenprostitution jederzeit wieder einsetzen kann.
80Zwar trifft es zu, dass die besondere räumliche Nähe zwischen dem früheren Straßenstrich im Bereich der Ravensberger Straße und dem zur Verfügung stehenden Wohnraum in der Dortmunder Nordstadt die Ausübung der Straßenprostitution für die bulgarischen Prostituierten besonders attraktiv – weil im Hinblick auf die Organisation der täglichen Anreise zum Arbeitsplatz einfach – gemacht hat. Die Frauen konnten ihren Arbeitsplatz fußläufig erreichen. Diese enge Verzahnung von Wohn- und Arbeitsmöglichkeit wird im Fall der Etablierung eines Straßenstrichs an einer anderen Stelle im übrigen Dortmunder Stadtgebiet nicht mehr ohne Weiteres gegeben sein. Deren Wegfall stellt die Prognose des Verordnungsgebers, eine vergleichbare Entwicklung, wie sie für den Straßenstrich im Bereich der Ravensberger Straße eingetreten ist, könne auch für einen neuen Straßenstrich an anderer Stelle im Dortmunder Stadtgebiet erwartet werden, jedoch letztlich nicht in Frage. Die Aussichten auf vergleichsweise gute Verdienstmöglichkeiten durch eine Tätigkeit auf einem neu etablierten Dortmunder Straßenstrich bei unkompliziertem Zuzug nach Dortmund wegen der zur Nordstadt bestehenden Verbindungen und in der Nordstadt zur Verfügung stehenden Wohnmöglichkeiten bieten bei lebensnaher Betrachtung bereits gesteigert Anlass und Motivation für eine Zuwanderung der unter Migrationsdruck stehenden Frauen aus den Elendsvierteln der Stadt Q. Angesichts dieser besonderen, in anderen Großstädten nicht in vergleichbarer Art und Weise vorzufindenden Standortvorteile Dortmunds erscheint die Annahme gerechtfertigt, dass sich aus der Perspektive dieser Frauen bzw. maßgeblicher Personen in ihrem Umfeld die Ausübung von Straßenprostitution in Dortmund auch dann auszahlt, wenn diese mit einer täglichen Anfahrt zu einem nicht fußläufig zu erreichenden Straßenstrich verbunden ist. Schließlich treffen die bulgarischen Zuwanderinnen in Dortmund auf eine Infrastruktur, aus der heraus sich ein Transport aus der – zentral gelegenen – Nordstadt zu einem Straßenstrich an anderer Stelle im Dortmunder Stadtgebiet problemlos organisieren lassen dürfte.
81Gegen die vorstehende Prognose lässt sich nicht mit Erfolg einwenden, die Entwicklung nach Schließung des Straßenstrichs im Bereich der Ravensberger Straße bestätige, dass ein aus den Wohnquartieren der Nordstadt nicht mehr fußläufig zu erreichender Straßenstrich für die bulgarischen Prostituierten nicht attraktiv sei. Zwar konnte, anders als insbesondere von den angrenzenden Städten befürchtet worden war, in der Zeit nach der Schließung des Dortmunder Straßenstrichs zunächst nicht festgestellt werden, dass die bulgarischen Prostituierten ihren Arbeitsplatz in signifikantem Umfang ins Umland von Dortmund verlagerten. Der regelmäßige Hin- und Rücktransport von Frauengruppen aus Bulgarien nach Dortmund hörte mit der Schließung des Dortmunder Straßenstrichs offenbar auf. Hieraus muss aber nicht der Schluss gezogen werden, ein von der Nordstadt aus nicht mehr fußläufig zu erreichender Straßenstrich an einer anderen Stelle im Dortmunder Stadtgebiet sei für die in der Nordstadt wohnenden bulgarischen Prostituierten grundsätzlich als Arbeitsort nicht attraktiv. Eine tägliche Anfahrt zu einem Straßenstrich in Dortmund ist offenkundig immer noch weniger aufwändig als eine Anfahrt zu einem Straßenstrich in den umliegenden (Ruhrgebiets-)Städten. Diese verfügen überdies insbesondere nicht über die Standortvorteile Dortmunds, dessen Straßenstrich besonders bekannt und gerade bei Freiern aus im Süden und Osten an Dortmund angrenzenden Kreisen besonders beliebt war. Eine denkbare Ursache dafür, warum ein Arbeiten als Straßenprostituierte vom Wohnstandort Dortmunder Nordstadt aus mit Schließung des angrenzenden Straßenstrichs für die bulgarischen Prostituierten nicht attraktiv war, kann etwa auch darin liegen, dass ein Ausweichen in andere Formen der Ausübung der Prostitution auf Dortmunder Stadtgebiet sich nunmehr als lukrativer darstellte. Dass die Ausübung der Prostitution auf einem Straßenstrich außerhalb Dortmunds für die Mehrheit der in der Nordstadt wohnenden bulgarischen Frauen offenbar überwiegend keine Option war, erschüttert jedenfalls nicht die auf die vorstehend genannten Tatsachen gestützte Prognose, ein neuer Straßenstrich auf Dortmunder Stadtgebiet werde, selbst wenn er nicht in fußläufiger Entfernung zur Nordstadt liege, insbesondere auch für die Gruppe der bulgarischen Frauen ein vergleichbar attraktiver Arbeitsplatz sein wie zuvor der Straßenstrich im Bereich der Ravensberger Straße. Letztlich lässt sich nicht genau vorhersagen – ebenso wenig weiter aufklären –, wie das „Milieu“ auf bestimmte Entwicklungen reagiert. Die Plausibilität der vom Verordnungsgeber angestellten Gefahrenprognose wird hierdurch nicht in Frage gestellt.
82Dies gilt auch für das Vorbringen der Klägerin, das starke Anwachsen des Straßenstrichs im Bereich der Ravensberger Straße sei entscheidend mit verursacht worden durch das dortige Angebot an sozialen Dienstleistungen für die Prostituierten und „halbwegs“ sichere Arbeitsbedingungen. Derartige Bedingungen gebe es an anderen Orten im Stadtgebiet jedoch nicht. Diese Einschätzung der Motivlage der auf dem Straßenstrich im Bereich der Ravensberger Straße tätigen Prostituierten erscheint im Hinblick auf die große Gruppe der bulgarischen Frauen insbesondere unter Berücksichtigung der sich aus den Berichten der Beratungsstelle L. ergebenden Erkenntnisse als unzutreffend. Diesen lässt sich entnehmen, dass die bulgarischen Prostituierten auf das Angebot der Beratungsstelle L. aufmerksam gemacht werden mussten, ihnen dieses also nicht bekannt war. Auch wird hervorgehoben, dass gegenüber den bulgarischen Frauen gerade wegen ihrer fehlenden Professionalität und angesichts mangelnder Kenntnisse der deutschen Sprache ein „besonders niederschwelliger Arbeitsansatz von Nöten“ gewesen sei, „vor allem hinsichtlich der Aufgabenkreise ‚sicheres Arbeiten‘, ‚schonendes Arbeiten‘ sowie ‚geschütztes Arbeiten‘“. Hieraus lässt sich zwar schließen, dass auch die bulgarischen Prostituierten bzw. eine nicht näher zu quantifizierende Anzahl von ihnen die Hilfsangebote der Beratungsstelle L. annahmen; dass die Existenz dieser Hilfsangebote ebenso wie die von der Klägerin selbst lediglich als „halbwegs“ sicher bezeichneten Arbeitsbedingungen auf dem mit „Verrichtungsboxen“ ausgestatteten Dortmunder Straßenstrich die Entscheidung für einen Zuzug dieser Frauen maßgeblich beeinflusst haben, erscheint jedoch als unwahrscheinlich. Den Berichten der Beratungsstelle L. sowie den polizeilichen Stellungnahmen kann überdies entnommen werden, dass sich jedenfalls die hygienischen Bedingungen auf dem Straßenstrich im Bereich der Ravensberger Straße mit dem starken Anwachsen des Straßenstrichs dauerhaft verschlechterten mit der Folge, dass es dazu kam, dass Freier die Benutzung der ohnehin nur in begrenzter Anzahl zur Verfügung stehenden „Verrichtungsboxen“ wegen deren Verschmutzung ablehnten. In dieser Hinsicht stellten sich die Arbeitsbedingungen auf dem Dortmunder Straßenstrich (gerade) nicht (mehr) als attraktiv dar. Im Fall der Etablierung eines Straßenstrichs an einer anderen Stelle im Dortmunder Stadtgebiet ist im Übrigen damit zu rechnen, dass jedenfalls der G. e.V. wiederum mit spezifischen Hilfsangeboten an die Straßenprostituierten herantreten wird.
83Ausgehend von dem Vorstehenden ist auch die der Prognose des Verordnungsgebers zugrunde liegende Annahme plausibel, im Zuge eines zu erwartenden erneuten starken Anwachsens eines Straßenstrichs im Dortmunder Stadtgebiet durch einen Zuzug bulgarischer Prostituierter sei wiederum mit einer – aus hier maßgeblicher ordnungsbehördlicher Sicht – besonders sozialunverträglichen Art und Weise der Ausübung der Prostitutionstätigkeit durch eine große Anzahl der Prostituierten zu rechnen. Es hat sich gezeigt, dass gerade die als Straßenprostituierte arbeitenden Bulgarinnen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit Sperrbezirksregelungen nicht eingehalten, aber auch im Übrigen auf die schutzwürdigen Interessen unbeteiligter Dritter, mit der Prostitutionsausübung nicht konfrontiert zu werden, keine Rücksicht genommen haben. Dem – objektiv betrachtet – offensiven Verhalten der Prostituierten stand ein entsprechend sozialunverträgliches Verhalten auf Seiten der Freier gegenüber. Auf der Grundlage von Berichten speziell aus den Schulen der Nordstadt ist davon auszugehen, dass Prostituierte und Freier es insbesondere regelmäßig zuließen, dass Kinder und Jugendliche im Sperrbezirk – z. B. auf dem Weg zur Schule – direkt Zeugen von Anbahnungskontakten einschließlich der Preisverhandlungen wurden. Auch im Umfeld von Schulen kam es zu Verunreinigungen durch benutzte Kondome und Spritzen. Die Beratungsstelle L. bestätigte, dass Kinder auf dem Kindersitz auf den Straßenstrich mitgenommen und auf diese Weise direkt Zeugen sexueller Dienstleistungen wurden. Auch wenn es sich insoweit um vereinzelte Fälle gehandelt haben mag, zeigt sich hieran doch, dass sich im Bereich des Straßenstrichs ein Umfeld entwickelt hatte, in dem Prostituierte und Freier in erheblichem Maße enthemmt agierten. Nach den Angaben der Inhaber von an den Straßenstrich angrenzenden Geschäften und Betrieben folgten Prostituierte Männern auf den Parkplätzen, um ihre Dienste anzubieten. Freier wiederum zeigten im Umfeld des Straßenstrichs anstößiges Verhalten gegenüber Mitarbeiterinnen und Kundinnen von dort ansässigen Geschäften und Betrieben, gegenüber Anwohnerinnen und Passantinnen; Schulen berichteten über Belästigungen von Kindern, Eltern und Lehrern. Die vom Dortmunder Straßenstrich ausgehende Prostitutionstätigkeit war begleitet von ständigen Verletzungen der von Art. 297 EGStGB erfassten Schutzgüter, ohne dass diesen mit ausgeweiteten ordnungsbehördlichen und polizeilichen Kontrollen effektiv begegnet werden konnte.
84Mit einer vergleichbaren, erneut nicht erfolgreich zu steuernden bzw. zu kontrollierenden Entwicklung wird auch bei der Etablierung eines Straßenstrichs an jeder anderen Stelle im übrigen Dortmunder Stadtgebiet zu rechnen sein. Die insoweit maßgeblichen Faktoren – die prekären Lebenssituationen der bulgarischen Frauen und die Schwierigkeiten, diese und ihr Umfeld zu integrieren – wirken ebenfalls fort. Eine Verlagerung von Anbahnungskontakten vom Straßenstrich im Bereich der Ravensberger Straße in die angrenzenden Wohngebiete der Nordstadt mag zwar noch dadurch begünstigt worden sein, dass ein großer Teil der bulgarischen Prostituierten hier wohnte und „in Arbeitskleidung“ zu Fuß zum Arbeitsplatz ging. Eine hinreichende Gefahr eines „Ausfransens“ des Straßenstrichs in angrenzende schutzwürdige und sensible Gebiete besteht aber auch dann, wenn die Prostituierten in diesen nicht selbst wohnen. Ein Straßenstrich der zu erwartenden „Dichte“ birgt schon aus sich heraus die Gefahr eines Ausweichens ins Umfeld. Bei lebensnaher Betrachtung werden sich die auf dem Straßenstrich – täglich von 10 bis 14 oder sogar 14 bis 18 Stunden – tätigen Frauen, zudem wie zuvor, z. B. zur Erledigung von Einkäufen und für Toilettengänge, zwischenzeitlich vom Straßenstrich weg ins fußläufig zu erreichende Umfeld bewegen. Ein erwartungsgemäß weiterhin offensives Vorgehen einer Mehrzahl der Frauen und – damit korrespondierend – der Freier unterstellt, ergibt sich hieraus ein vergleichbar hohes Gefahrenpotential wie in der Vergangenheit.
85Nicht zu beanstanden ist im Weiteren, dass der Verordnungsgeber davon ausgegangen ist, ein – erwartungsgemäß mit dem früheren Straßenstrich im Bereich der Ravensberger Straße in seinen Dimensionen vergleichbarer neuer – Straßenstrich an jeder anderen Stelle im übrigen Dortmunder Stadtgebiet bzw. die Begleiterscheinungen eines solchen Straßenstrichs werden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit immer auch schutzbedürftige und sensible Gebiete der Stadt räumlich betreffen.
86Wie konkret gebietsbezogen die diesbezügliche Betrachtung des Verordnungsgebers ausfallen muss, lässt sich nicht allgemein festlegen. Auszugehen ist von dem gesetzlichen Erfordernis, dass das Verbot der Straßenprostitution – auch soweit es stadtweit ausgesprochen wird – nachvollziehbar dem Schutz der Jugend und/oder des öffentlichen Anstands dient.
87Vgl. Hess. VGH, Urteil vom 31. Oktober 2003 – 11 N 2952/00 –, NVwZ-RR 2004, 470 = juris, Rn. 40.
88Dass darüber hinaus an ein stadtweites Verbot der Straßenprostitution besondere (Begründungs-)Anforderungen zu stellen wären, lässt sich der gesetzlichen Ermächtigung in Art. 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGStGB nicht entnehmen.
89Ausgehend hiervon hält der Senat die Annahme des Verordnungsgebers für plausibel, es stehe unter den gegebenen besonderen Bedingungen keine geeignete Fläche für einen Straßenstrich des in Rede stehenden Umfangs und Ausmaßes im übrigen Dortmunder Stadtgebiet zur Verfügung, d. h. es gebe keine Fläche, auf der ein solcher Straßenstrich etabliert werden könnte, ohne dass von diesem Gefahren für die Jugend und den öffentlichen Anstand auszugehen drohen.
90Unter Rückgriff auf eine speziell angefertigte Karte hat der Verordnungsgeber seine Vorgehensweise im Prüf- und Abwägungsvermerk vom 19. April 2011 erläutert, schutzwürdige und sensible Bereich im Stadtgebiet zu identifizieren, deren Verteilung zu veranschaulichen und sodann zu ermitteln, ob in ausreichender Entfernung zu diesen schutzwürdigen und sensiblen Bereichen ausreichend große Flächen existieren, auf denen der zu erwartende Straßenstrich angesiedelt werden könnte. Dies ist nicht zu beanstanden.
91Dass der Verordnungsgeber hier fehlerhaft Bereiche als schutzwürdig und sensibel eingestuft – und auf der die Grundlage für die Gefahrenabschätzung bildenden Karte vom Dortmunder Stadtgebiet markiert – hätte, ist auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht ersichtlich. Ein Gebiet ist bereits dann durch eine „besondere“ Schutzbedürftigkeit und Sensibilität gekennzeichnet, die im Fall der Konfrontation mit der Prostitutionsausübung bzw. deren Begleiterscheinungen eine abstrakte Gefahr für die in Art. 297 EGStGB genannten Schutzgüter erwarten lässt, wenn es sich um ein Gebiet mit einem hohen Wohnanteil sowie Schulen, Kindergärten, Kirchen und sozialen Einrichtungen handelt.
92Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – 6 C 28.13 –, GewArch 2015, 258 = juris, Rn. 6.
93Hier hat der Verordnungsgeber sich zunächst unter Heranziehung verschiedener Informationsquellen der flächenmäßigen Verteilung von Nutzungsarten – nicht nur (theoretischen) Nutzungsabsichten – im Stadtgebiet vergewissert (insbesondere Wohngebiete und Grünflächen gegenüber Gewerbe- und Industrieflächen). Sodann hat er schutzwürdige und sensible Nutzungen – Kinderbetreuung, Schule, Ausbildung, öffentliche Einrichtung, Einrichtung des Gesundheitswesens/Altenbetreuung, religiöse Einrichtung, Kultureinrichtung, Sporteinrichtung und Freizeiteinrichtung – ermittelt und deren Standorte auf der Karte markiert. Dass er bei dieser Vorgehensweise Bereiche als schutzwürdig und sensibel im Hinblick auf eine Gefährdung durch die negativen Auswirkungen der Ausübung von Straßenprostitution eingestuft hätte, obwohl diese die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllen, ergibt sich weder aus dem klägerischen Vorbringen noch ist dies sonst erkennbar. Die Klägerin rügt insoweit konkret allein, der Verordnungsgeber hätte nicht pauschal alle Grünflächen im Stadtgebiet als schutzbedürftig und sensibel ansehen dürfen. Solche – und dies gilt vergleichbar für Waldstücke und Feldwege in Bereichen landwirtschaftlicher Nutzung – werden gerade in einer Großstadt jedoch regelmäßig und intensiv als Naherholungsflächen von allen Stadtbewohnern, insbesondere von Familien mit Kindern und Jugendlichen sowie älteren Menschen, genutzt. Deren Einbeziehung als schutzbedürftig und sensibel ist danach nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat auch nicht im Einzelnen etwa vom Verordnungsgeber einbezogene Grünflächen, denen eine solche Funktion tatsächlich nicht zukommen würde, benannt.
94Es ist im Weiteren nicht erkennbar – und wurde im Übrigen von der Klägerin ebenfalls nicht konkret gerügt –, dass der Verordnungsgeber die um die schutzwürdigen und sensiblen Bereich im Stadtgebiet gezogene „Pufferzone“ um einem etwaigen Standort für den zu erwartenden Straßenstrich zu groß bemessen hätte.
95Nicht zu beanstanden ist, wenn der Verordnungsgeber seinen diesbezüglichen Erwägungen im Ausgangspunkt die Annahme zugrunde legt, dass die Fläche für den (zukünftigen) Standort eines Straßenstrichs umso größer und dessen stadträumliche Trennung von schutzwürdigen und sensiblen Bereichen umso deutlicher sein muss, je eher von dem Straßenstrich Verletzungen der von Art. 297 EGStGB erfassten Schutzgüter auszugehen drohen. Wenn es – wie hier – um die „Verlagerung“ eines Straßenstrichs geht, der bereits in der Vergangenheit an einem anderen Standort zu massiven Schutzgutverletzungen in seinem weiteren Umfeld geführt hat, ist es gerechtfertigt, davon auszugehen, dass ein neuer Standort eine größere flächenmäßige Ausdehnung aufweisen und die „Pufferzone“ zwischen dem neuen Standort sowie schutzwürdigen und sensiblen Nutzungen deutlich größer bzw. „stabiler“ ausfallen muss als beim alten Standort.
96Der frühere Straßenstrich im Bereich der Ravensberger Straße – eine immerhin 800 m lange Straßenstrecke zuzüglich einer „Verrichtungsfläche“ von 3.580 m2 – hat sich in der Vergangenheit als deutlich zu klein erwiesen. Wenn zu Spitzenzeiten 100 bis 120 Prostituierte gleichzeitig auf dem Straßenstrich arbeiteten, bedeutete dies – wie das Polizeipräsidium Dortmund in seiner Stellungnahme vom 28. Juni 2011 anschaulich beschrieben hat – eine Dichte von mindestens einer Frau im Abstand von fünf bis sieben Metern. Dementsprechend kam es zu einem massiven Ausweichen der Prostituierten – ihnen folgten die Freier – auf benachbarte Einzelhandels- und Gewerbeflächen. Sogar die angrenzenden Wohngebiete der Nordstadt waren weit in diese hinein betroffen. Dies ist gerade auf der Grundlage der massiven Beschwerden der Bewohner der Nordstadt und der Angehörigen verschiedener Schulen in der Nordstadt hinreichend belegt. Zum Zeitpunkt des Ausbaus des Straßenstrichs im Jahr 2006 ging man von einer Anzahl von ca. 60 als Straßenprostituierten tätigen Frauen aus. Diese Zahl hatte sich bis 2011 vervielfacht. Um eine solche Anzahl an Prostituierten mit ihren Kunden so aufzufangen, dass ein „Ausfransen“ des Straßenstrichs nicht erfolgt, bedarf es prognostisch zunächst einer erheblich größeren Fläche als sie bisher im Bereich der Ravensberger Straße zur Verfügung stand. Die – relative – stadträumliche Abgegrenztheit des Bereichs des alten Straßenstrichs war unter den gegebenen – durch ein offensives und damit besonders sozialunverträgliches Verhalten auf Seiten einer großen Anzahl von Prostituierten und Freiern gekennzeichneten – Bedingungen in keiner Weise ausreichend, um ein Übergreifen der Straßenprostitutionstätigkeit und ihrer Begleiterscheinungen auf schutzwürdige und sensible Bereiche auch im weiteren Umfeld zu verhindern. Dies rechtfertigt es, zudem eine größere „Pufferzone“ zwischen einem neuen Standort für einen Straßenstrich sowie schutzwürdigen und sensiblen Nutzungen zur Abwehr von Gefahren für die in Rede stehenden Schutzgüter für geboten zu halten. Um einen Straßenstrich der zu erwartenden Dimensionen ohne Gefahr für die Jugend und den öffentlichen Anstand unterzubringen, bedürfte es letztlich eines im Hinblick auf seine Größe und stadträumliche Trennung von schutzwürdigen und sensiblen Gebieten idealen Standorts. Ein solcher müsste sich beim Blick auf die vom Verordnungsgeber erstellte Karte quasi aufdrängen.
97Dies ist jedoch nicht der Fall. Es ist auf der Grundlage der diesbezüglichen Ausführungen im Prüf- und Abwägungsvermerk vom 19. April 2011 in Zusammenschau mit der die flächenmäßige Verteilung von Nutzungsarten im Stadtgebiet von Dortmund darstellenden Karte nachvollziehbar, dass die Siedlungsstrukturen, die das Dortmunder Stadtgebiet kennzeichnen, dem Auffinden eines nach den vorstehenden Maßgaben flächenmäßig ausreichend großen und stadträumlich von schutzwürdigen und sensiblen Nutzungen deutlich getrennten Standorts für den hier konkret zu erwartenden Straßenstrich allgemein entgegenstehen. Schon auf den ersten Blick zeigt sich zudem, dass die Standorte konkret schutzwürdiger und sensibler Nutzungen ein enges Netz bilden, in dem eine ausreichend große, von den schutzwürdigen und sensiblen Stadtbereichen ausreichend entfernte Fläche – die zudem rein faktisch, insbesondere verkehrstechnisch, als Standort für einen Straßenstrich überhaupt in Betracht kommt – nicht auszumachen ist. Es lässt sich insbesondere auch erkennen, dass die über das Stadtgebiet verteilten Gewerbe- bzw. Industriegebietsbereiche und Brachflächen, die als Standorte für einen Straßenstrich vorrangig in Betracht zu ziehen sein könnten,
98siehe aber auch Hess. VGH, Urteil vom 31. Oktober 2003 – 11 N 2952/00 –, NVwZ-RR 2004, 407 = juris, Rn. 40,
99flächenmäßig zu klein und/oder stadträumlich von schutzwürdigen und sensiblen Nutzungen nicht deutlich getrennt sind. Ausgehend hiervon bedurfte es vorliegend zur Plausibilisierung der Gefahrenprognose keiner weiteren Darlegung, warum bestimmte in Rede stehende Stadtgebietsbereiche im Einzelnen als Standort für einen Straßenstrich nicht geeignet sind. Die „großmaßstäbige“ Herangehensweise des Verordnungsgebers ist jedenfalls im vorliegenden Sonderfall ausreichend, um eine stadtweite Gefahr für die in Rede stehenden Schutzgüter zu begründen. Hier geht es schließlich um die „Verlagerung“ eines Straßenstrichs mit einer besonders großen Anzahl an Prostituierten, die ihre Tätigkeit in besonders sozialunverträglicher Art und Weise ausüben, was in der Vergangenheit bereits trotz ausgeweiteten ordnungsbehördlichen und polizeilichen Einschreitens zu massiven Verletzungen der Schutzgüter „Jugend“ und „öffentlicher Anstand“ geführt hat. Der Einwand der Klägerin, bei Anlegung eines solch „groben“ Rasters könne Straßenprostitution überall verboten werden, greift nicht durch. Wie „grob“ das Raster sein kann, das bei der Gefahrenprognose angelegt wird, hängt maßgeblich davon ab, welche Dimensionen der zu erwartende Straßenstrich annehmen wird und – damit zusammenhängend – wie groß das Gefahrenpotential ist, das von diesem ausgeht. Eine Betrachtung nach einem verfeinerten Maßstab mag desto eher geboten sein, je geringer dieses ist.
100Im Übrigen vermochte auch die Klägerin einen Standort, an dem ein Straßenstrich der zu erwartenden Dimensionen ohne Gefahr für die Jugend und die öffentliche Sicherheit untergebracht werden könnte, nicht anzugeben. Der von ihr mit dem Hilfsantrag genannte Bereich der F.-Straße zwischen dem Kreuzungsbereich L0 und der Einmündung der E.-Straße ist offenkundig ungeeignet. Bei dem Straßenabschnitt handelt es sich um eine außerhalb geschlossener Ortschaften liegende Hauptverkehrsstraße, über die – wie sich schon aus der Karte ergibt – zudem eine Busverbindung Richtung Innenstadt führt. Ungeachtet dessen, dass auf dem Straßenabschnitt ein Straßenstrich der zu erwartenden Größe wohl keinesfalls ohne Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs untergebracht werden könnte, würde hier Straßenprostitution für alle Straßenverkehrsteilnehmer deutlich sichtbar stattfinden. Überdies liegt der Straßenabschnitt noch im Nahbereich von Wohngebietsbereichen westlich der L0 sowie von Naherholungsflächen nahe der Emscher. Direkt angrenzend befindet sich – worauf die Beklagtenseite hingewiesen hat – die Einrichtung H., ein Ort für Veranstaltungen, die sich unter anderem an Familien mit Kindern richten, und Sitz eines Kindergartens.
101Dass im gesamten Dortmunder Stadtgebiet eine ausreichend große, von schutzwürdigen und sensiblen Stadtbereichen ausreichend entfernte Fläche für den zu erwartenden Straßenstrich offenkundig nicht zur Verfügung steht, wird letztlich bestätigt durch die von den Vertretern der Beklagten zu 2. in der mündlichen Verhandlung vorgelegte, etwaige „Potentialflächen“ für einen Straßenstrich darstellende weitere Karte des Stadtgebiets. Auf dieser neuen Karte wurde nunmehr – nicht nur gedanklich, sondern tatsächlich – um die schutzwürdigen und sensiblen Nutzungen herum jeweils eine „Pufferzone“ gezogen. Der unter Rückgriff auf § 16 Abs. 3 AG GlüStV NRW gewählte Radius von 350 Metern erscheint dabei unter den gegebenen Umständen als sehr gering. Die hierbei verbleibenden Flächen sind allesamt – wie die Vertreter der Beklagten zu 2. in der mündlichen Verhandlung anschaulich erläutern konnten – offensichtlich als Standort für einen Straßenstrich der zu erwartenden Dimensionen nicht geeignet. Vielfach scheiden sie schon faktisch aus, weil sie im Eigentum Privater stehen. Im Übrigen sind sie offensichtlich zu klein, um einen Straßenstrich der zu erwartenden Größe aufnehmen zu können, oder liegen erneut im Nahbereich der Dortmunder Nordstadt. Die Klägerin hat den diesbezüglichen Darlegungen der Vertreter der Beklagten zu 2. auch nichts entgegengesetzt.
102Der Senat hält im Übrigen die Einschätzung des Verordnungsgebers, weder durch eine räumliche Trennung von Standorten noch eine zeitliche Beschränkung der Prostitutionstätigkeit könne den Gefahren für die in Rede stehenden Schutzgüter begegnet werden, für zutreffend. Die Annahme, eine zukünftige Entwicklung könne bei realistischer Betrachtung nicht etwa dahingehend gesteuert werden, dass sich anstatt eines „Großstandorts“ mehrere „Kleinstandorte“ für die Straßenprostitution etablierten, vielmehr sei aufgrund der „Marktgegebenheiten“ nur eine Konzentration der Straßenprostitution an einem Standort wahrscheinlich, ist ohne Weiteres plausibel. Dass auch bei einer Einführung von zeitlichen Beschränkungen für die Straßenprostitutionstätigkeit von einem Straßenstrich der zu erwartenden Dimensionen Gefahren für die Schutzgüter „Jugend“ und „öffentlicher Anstand“ ausgehen werden, ist schon deswegen hinreichend wahrscheinlich, weil sich sowohl Jugendliche als auch Erwachsene gerade in Großstädten wie Dortmund auch zur Nachtzeit in schutzbedürftigen und sensiblen Bereichen auf der Straße bewegen. Dies gilt in gleicher Weise für als Naherholungsbereiche genutzte Grünflächen, so dass sich auch auf diesen ein Straßenstrich nicht – wie die Klägerin vorgeschlagen hat – bei einer Beschränkung auf die Nachtzeiten ohne Gefahr für die in Rede stehenden Schutzgüter betreiben ließe. Ohnehin ist damit zu rechnen, dass ein Straßenstrich der zu erwartenden Dimensionen – wie in der Vergangenheit – zu Verschmutzungen der Örtlichkeiten führen wird, die eine ungestörte Nutzung des Bereichs als Naherholungsfläche in sozialunverträglicher Art und Weise beeinträchtigen. Unter den gegebenen Bedingungen ist schließlich aber auch nicht einmal wahrscheinlich, dass sich eine zeitliche Beschränkung der Straßenprostitutionsausübung überhaupt konsequent durchsetzen ließe.
103Ist der Verordnungsgeber danach in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, unter den gegebenen Umständen werde ein Straßenstrich an jeder anderen Stelle im übrigen Dortmunder Stadtgebiet eine abstrakte Gefahr für die in Art. 297 EGStGB genannten Schutzgüter begründen, bestehen im Weiteren auch keine Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der ergriffenen Maßnahme. Der Verordnungsgeber hat das stadtgebietsweite Verbot der Straßenprostitution auch ermessensfehlerfrei erlassen.
104Der durch das Verbot verursachte Eingriff in die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Prostituierten ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Mit der Berufsausübungsregelung – verboten wird nur eine Form der Ausübung der Prostitution, die Straßenprostitution – verfolgt der Verordnungsgeber nach den vorstehenden Ausführungen auch hier einen legitimen Zweck, namentlich den mit Verfassungsrang ausgestatteten Schutz der Jugend sowie den Schutz des gewichtigen Gemeinschaftsgutes „öffentlicher Anstand“. Zur Erreichung dieses Zwecks ist das stadtweite Verbot der Straßenprostitution offenkundig geeignet.
105Auch im Hinblick auf die Erforderlichkeit des stadtweiten Straßenprostitutionsverbots bestehen keine Bedenken. Liegt eine abstrakte Gefahr für die Jugend und den öffentlichen Anstand bezogen auf das ganze Gebiet einer Gemeinde vor, ist der Verordnungsgeber auch bei großen Gemeinden grundsätzlich nicht gehalten, Toleranzzonen für die Straßenprostitution auszuweisen, um eine Prostitution dieser Art zu ermöglichen. Die Ermächtigung in Art. 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGStGB schließt zweifelsfrei die Möglichkeit ein, auch ein ganzes Gemeindegebiet zum Sperrgebiet zu erklären. Anders als Art. 297 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EGStGB ist der Ermächtigung in Nr. 3 gerade keine Entscheidung des Gesetzgebers zu entnehmen, dass oberhalb einer nach der Einwohnerzahl bemessenen Gemeindegröße die Straßenprostitution grundsätzlich zuzulassen ist.
106Vgl. Hess. VGH, Urteil vom 31. Oktober 2003 – 11 N 2952/00 –, NVwZ-RR 2004, 407 = juris, Rn. 45.
107Ausgehend hiervon musste der Verordnungsgeber auch nicht unter Erforderlichkeitsgesichtspunkten auf die sog. „mittlere Lösung“, d. h. eine sehr deutliche Erweiterung des Sperrbezirks mit der Schaffung geringfügiger Toleranzzonen, zurückzugreifen. Er musste nicht etwa das mit der Schaffung von Toleranzzonen verbundene Risiko für die in Rede stehenden Schutzgüter in Kauf nehmen – zumal hier auch nicht davon auszugehen ist, dass diesem mit ordnungsbehördlichen und polizeilichen Maßnahmen effizient begegnet werden könnte. Dies gilt gleichermaßen für eine zeitliche Beschränkung eines Straßenprostitutionsverbots.
108Das stadtweite Verbot der Straßenprostitution erweist sich auch als angemessen. Das Interesse der Straßenprostituierten an der Ausübung dieser Form der Prostitution – Bordell- und Wohnungsprostitution bleiben in weiten Teilen des Dortmunder Stadtgebiets zulässig – tritt vorliegend hinter den mit Verfassungsrang ausgestatteten Jugendschutzinteressen und dem vom Schutzgut des öffentlichen Anstands erfassten gewichtigen Gemeinwohlinteresse an einem sozialverträglichen Zusammenleben der Menschen zurück. Die Klägerin kann sich insoweit nicht mit Erfolg darauf berufen, die Straßenprostitution sei gegenüber der Wohnungs- und Bordellprostitution nicht nur lukrativer, sondern auch sicherer. Letzteres erscheint schon grundsätzlich zweifelhaft und dürfte erst Recht für den hier zu erwartenden Straßenstrich schon wegen seiner großen Anzahl an Prostituierten und Freiern nicht ohne Weiteres gelten. Dass die Verhältnisse auf dem Straßenstrich im Bereich der Ravensberger Straße, mit deren Wiederaufleben an einem Straßenstrich an anderer Stelle im Dortmunder Stadtgebiet zu rechnen ist, in hygienischer Hinsicht alles andere als „sicher“ waren, haben die Beklagten zutreffend hervorgehoben. Dass Prostituierte mit der Straßenprostitution regelmäßig mehr Geld verdienen als mit anderen Formen der Prostitution ist gleichfalls zweifelhaft. Unter den gegebenen Umständen dürfte jedenfalls davon auszugehen sein, dass auf einem Dortmunder Straßenstrich auch an anderer Stelle die Preise für sexuelle Dienstleistungen insgesamt niedrig sein werden, wenn – womit erneut zu rechnen ist – dort eine große Anzahl an Frauen diese für vergleichsweise wenig Geld anbietet. Ungeachtet dessen überwiegen aber auch die mit dem Straßenprostitutionsverbot verfolgten Jugendschutzinteressen sowie das Interesse am Schutz des öffentlichen Anstands gegenüber dem Interesse der Prostituierten an der Ausübung der etwaig lukrativeren und weniger gefährlichen Straßenprostitution.
109Von der Klägerin gerügte Ermessensfehler sind schließlich nicht gegeben. Der Verordnungsgeber hat – wie sich aus dem Vorstehenden ergibt – die für seine Entscheidung maßgeblichen Tatsachen ausreichend ermittelt und auf dieser Tatsachengrundlage das Straßenprostitutionsverbot unter Befassung mit Handlungsalternativen und Abwägung der gegenläufigen Interessen erlassen. Ermessensfehler sind insoweit nicht zu erkennen.
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(1) Die Landesregierung kann zum Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstandes
- 1.
für das ganze Gebiet einer Gemeinde bis zu fünfzigtausend Einwohnern, - 2.
für Teile des Gebiets einer Gemeinde über zwanzigtausend Einwohner oder eines gemeindefreien Gebiets, - 3.
unabhängig von der Zahl der Einwohner für öffentliche Straßen, Wege, Plätze, Anlagen und für sonstige Orte, die von dort aus eingesehen werden können, im ganzen Gebiet oder in Teilen des Gebiets einer Gemeinde oder eines gemeindefreien Gebiets
(2) Die Landesregierung kann diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf eine oberste Landesbehörde oder andere Behörden übertragen.
(3) Wohnungsbeschränkungen auf bestimmte Straßen oder Häuserblocks zum Zwecke der Ausübung der Prostitution (Kasernierungen) sind verboten.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Die Landesregierung kann zum Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstandes
- 1.
für das ganze Gebiet einer Gemeinde bis zu fünfzigtausend Einwohnern, - 2.
für Teile des Gebiets einer Gemeinde über zwanzigtausend Einwohner oder eines gemeindefreien Gebiets, - 3.
unabhängig von der Zahl der Einwohner für öffentliche Straßen, Wege, Plätze, Anlagen und für sonstige Orte, die von dort aus eingesehen werden können, im ganzen Gebiet oder in Teilen des Gebiets einer Gemeinde oder eines gemeindefreien Gebiets
(2) Die Landesregierung kann diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf eine oberste Landesbehörde oder andere Behörden übertragen.
(3) Wohnungsbeschränkungen auf bestimmte Straßen oder Häuserblocks zum Zwecke der Ausübung der Prostitution (Kasernierungen) sind verboten.
(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.
(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.
(3) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, ist nicht selbständig anfechtbar.
(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.
(1) Die Landesregierung kann zum Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstandes
- 1.
für das ganze Gebiet einer Gemeinde bis zu fünfzigtausend Einwohnern, - 2.
für Teile des Gebiets einer Gemeinde über zwanzigtausend Einwohner oder eines gemeindefreien Gebiets, - 3.
unabhängig von der Zahl der Einwohner für öffentliche Straßen, Wege, Plätze, Anlagen und für sonstige Orte, die von dort aus eingesehen werden können, im ganzen Gebiet oder in Teilen des Gebiets einer Gemeinde oder eines gemeindefreien Gebiets
(2) Die Landesregierung kann diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf eine oberste Landesbehörde oder andere Behörden übertragen.
(3) Wohnungsbeschränkungen auf bestimmte Straßen oder Häuserblocks zum Zwecke der Ausübung der Prostitution (Kasernierungen) sind verboten.
(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.
(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.
(3) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, ist nicht selbständig anfechtbar.
(1) Die Landesregierung kann zum Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstandes
- 1.
für das ganze Gebiet einer Gemeinde bis zu fünfzigtausend Einwohnern, - 2.
für Teile des Gebiets einer Gemeinde über zwanzigtausend Einwohner oder eines gemeindefreien Gebiets, - 3.
unabhängig von der Zahl der Einwohner für öffentliche Straßen, Wege, Plätze, Anlagen und für sonstige Orte, die von dort aus eingesehen werden können, im ganzen Gebiet oder in Teilen des Gebiets einer Gemeinde oder eines gemeindefreien Gebiets
(2) Die Landesregierung kann diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf eine oberste Landesbehörde oder andere Behörden übertragen.
(3) Wohnungsbeschränkungen auf bestimmte Straßen oder Häuserblocks zum Zwecke der Ausübung der Prostitution (Kasernierungen) sind verboten.
(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.
(1) Die Landesregierung kann zum Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstandes
- 1.
für das ganze Gebiet einer Gemeinde bis zu fünfzigtausend Einwohnern, - 2.
für Teile des Gebiets einer Gemeinde über zwanzigtausend Einwohner oder eines gemeindefreien Gebiets, - 3.
unabhängig von der Zahl der Einwohner für öffentliche Straßen, Wege, Plätze, Anlagen und für sonstige Orte, die von dort aus eingesehen werden können, im ganzen Gebiet oder in Teilen des Gebiets einer Gemeinde oder eines gemeindefreien Gebiets
(2) Die Landesregierung kann diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf eine oberste Landesbehörde oder andere Behörden übertragen.
(3) Wohnungsbeschränkungen auf bestimmte Straßen oder Häuserblocks zum Zwecke der Ausübung der Prostitution (Kasernierungen) sind verboten.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Die Landesregierung kann zum Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstandes
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für das ganze Gebiet einer Gemeinde bis zu fünfzigtausend Einwohnern, - 2.
für Teile des Gebiets einer Gemeinde über zwanzigtausend Einwohner oder eines gemeindefreien Gebiets, - 3.
unabhängig von der Zahl der Einwohner für öffentliche Straßen, Wege, Plätze, Anlagen und für sonstige Orte, die von dort aus eingesehen werden können, im ganzen Gebiet oder in Teilen des Gebiets einer Gemeinde oder eines gemeindefreien Gebiets
(2) Die Landesregierung kann diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf eine oberste Landesbehörde oder andere Behörden übertragen.
(3) Wohnungsbeschränkungen auf bestimmte Straßen oder Häuserblocks zum Zwecke der Ausübung der Prostitution (Kasernierungen) sind verboten.