Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 04. Dez. 2014 - 2 U 158/12

bei uns veröffentlicht am04.12.2014

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Vorsitzenden der 34. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 13. August 2012 (Az.: 34 O 19/11 KfH)

abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollsteckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des beizutreibenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert:   

für den ersten Rechtszug

200.000,- EUR,

   

für das Berufungsverfahren    

400.000,- EUR 

Gründe

 
I.
Der Kläger begehrt Unterlassung aus Wettbewerbsrecht und Abmahnkostenerstattung.
Wegen des Sachverhalts wird auf die Feststellungen in dem Urteil der Vorsitzenden der 34. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 13. August 2014 (Az.: 34 O 19/11 KfH) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und ausgeführt:
Dem Kläger stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs (§ 4 Nr. 11 UWG) zu. Die Beklagte habe gegen die verfassungsmäßige Marktverhaltensregelung des § 4 Abs. 3 GlückStV verstoßen. Rechtsmissbrauch des klägerischen Handelns lasse sich nicht feststellen. Der Anspruch sei nicht verjährt.
Nach der Beweisaufnahme stehe fest, dass ein Verstoß gegen das in § 4 Abs. 3 GlückStV geregelte Verbot der Teilnahme Jugendlicher in den in der Anlage K 1 dokumentierten 80 Fällen stattgefunden habe.
Die Beklagte hafte nach § 8 Abs. 2 UWG für die Verstöße der Annahmestellen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel prozessordnungsgemäß begründet.
Sie hält ihre Sicherungsvorkehrungen nach wie vor für ausreichend, den Vorgaben des GlückStV zu genügen, bestreitet den Vortrag des Klägers zu den Testkäufen und verweist auf Unregelmäßigkeiten in der vorgelegten Dokumentation sowie auf Aussagen der minderjährigen Testkäuferinnen vor dem LG Münster (CBH 6: Protokoll vom 31.05. 2012 - Az. 022 0 37/11). Ergänzend trägt sie vor:
Das Testunternehmen „S. - T." sei offenbar ein Geschäftsbereich der b. S. GmbH, GF B. H. Dieser sei Anwalt, der hauptsächlich für Unternehmen tätig sei, die den Glückspielstaatsvertrag kippen wollten.
10 
Die in § 4 Abs. 3 GlückStV geforderte Sicherung erfolge auf verschiedenen Ebenen:
11 
- die Teilnahme Jugendlicher sei in den Teilnahmebedingungen ausgeschlossen;
12 
- die Annahmestellen würden geschult und überwacht;
13 
- Spielverträge mit Minderjährigen seien nach den Bedingungen unwirksam; eine Gewinnauszahlung erfolge nicht;
14 
- ein Vertrag mit einem Minderjährigen sei außerdem nach § 134 BGB nichtig;
15 
- ein Verstoß gegen § 4 GlückStV sei kein Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG.
16 
Ergänzend trägt die Beklagte später unter Zeugenbeweisantritt Details zu den von ihr veranlassten Testkäufen vor.
17 
Den Verstoß gegen den Jugendschutz habe der Kläger durch unerlaubte und in der Praxis unrealistische Methoden provoziert.
18 
Das Vorbringen zu neuen Testkäufen stelle eine nicht gemäß § 263 Nr. 1 ZPO gerechtfertigte Klageänderung dar (Greger, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 263 ZPO, Rn. 7), die nach § 533 ZPO unzulässig sei. Es sei offensichtlich verspätet; der Kläger verstoße damit gegen seine Prozessförderungspflicht, was als Nachlässigkeit i.S.d. § 531 Abs. 2 ZPO zu qualifizieren sei. Diesen Vortrag zuzulassen beeinträchtige unverhältnismäßig den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör. Sachdienlich sei die Klageerweiterung nicht, zumal die neuen Testkäufe einem anderen Schema folgten, so dass über die alten gleichwohl zu befinden sei. Das neue Vorbringen verzögere den Rechtsstreit.
19 
Die neuen Testkäufe seien wieder von RA H. unter Einsatz eines nahezu identischen Testteams durchgeführt worden. Den Testkäufen mangele es an jeglicher Objektivität und Neutralität des eingesetzten Testkaufteams. Zudem sei der Handlungsablauf der Tests fernab jeder Realität gestaltet und bewusst in Bezug auf eine Täuschung des Annahmestellenpersonals über das Alter der Testkäuferin manipuliert worden.
20 
Es bestünden Widersprüche zur Person der Testkäuferin. Die Minderjährigkeit werde nicht dargelegt und mit Nichtwissen bestritten; ebenso dass das Video tatsächlich P... M. darstelle und dass die Testkäufe tatsächlich ordnungsgemäß stattgefunden hätten. Eine akustisch klar verständliche Tonspur fehle. Das Erscheinungsbild lege ein Alter von mindestens 20 Jahren nahe. Überreicht worden seien Gewinnlose, wodurch das Annahmestellenpersonal über das Alter hinweggetäuscht worden sei. Auf Nachfrage habe sich die Testperson wahrheitswidrig als volljährig ausgegeben. Diese ganz unrealistisch gestaltete Testsituation lasse keinen Rückschluss auf den Regelbetrieb zu; die Testkäufe seien weder aussage-, noch beweiskräftig. Daraus sei der Rückschluss auf sachfremde Interessen der von RA H. regelmäßig vertretenen privaten Glücksspielanbieter zu ziehen.
21 
Die Beklagte habe umfangreich Testkäufe durch seriöse Unternehmen veranlasst. Diese Unternehmen suchten durch Verfahrensvorgaben, die die Beklagte vorträgt, ein neutrales Ergebnis zu gewinnen. Bei diesen Tests seien zwei von drei Annahmestellen völlig unauffällig gewesen, nur eine sei bereits einmal aufgefallen, was zu Sanktionen geführt habe. Seit 2010 sei sie nach einer Nachschulung unauffällig gewesen.
22 
Ein fehlerfreies System sei nicht möglich. Es gehe immer nur darum, die Zahl der Fehler zu minimieren. Die mittlerweile im Detail dargelegten Maßnahmen genügten in Verbindung mit dem Sanktionssystem und der Unverbindlichkeit der Spielverträge mit Minderjährigen den gesetzlichen Vorgaben.
23 
Der Kläger hätte seit der bereits 2012 erhobenen Rüge der Beklagten Gelegenheit zu weiteren Testkäufen gehabt, diese aber bewusst erst durchgeführt, als er in der mündlichen Verhandlung vom 12.12.2013 erkannt habe, dass der Senat die Beweiskraft seines Vortrags anders beurteilen könnte als das Erstgericht. Der Kläger überschreite die Grenzen zulässiger Prozesstaktik (Heßler, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., 2014, § 531 ZPO, Rn. 31). Die Einführung immer neuer Testkäufe sei unzulässig (BGH, Urteil vom 23.02.2006 - I ZR 272/02, Rz. 26 - Markenparfümverkäufe).
24 
Es gebe neutrale Testunternehmen, die nicht für die staatlichen Lotterieunternehmen tätig seien.
25 
Die Rechtsauffassung des Klägers zur sog. Sicherstellungpflicht des § 4 GlüStV und zur Haftung der Beklagten für die vorgetragenen Verstöße verkenne, dass § 4 GlüStV der Beklagten lediglich Organisationspflichten auferlege und die Beklagte nicht ohne weiteres für jeden Verstoß der Annahmestellenstellen haftbar sei.
26 
Eine Annahmestelle, die ein Lotterieprodukt an einen Minderjährigen verkaufe, verstoße gegen ihre Erlaubnis, handele also nicht nur gegen die ausdrückliche Anweisung der jeweiligen Lotteriegesellschaft, sondern verstoße selbst gegen gesetzliche Vorschriften im Rahmen einer Exzess-Handlung und riskiere hierbei ihre eigene Erlaubnis. Es stelle sich die Frage inwieweit die Beklagte hierfür verantwortlich gemacht werden könne. Der Kläger verlange Unmögliches. Der Sicherstellungsauftrag des § 4 GIüStV sei im Lichte des Grundgesetzes auszulegen. Verboten sei der Erwerb einer Gewinnchance. Dem trage die Beklagte schon dadurch Rechnung, dass ein Spielvertrag mit einem Jugendlichen nicht zustande komme. Ein Gewinnanspruch scheide damit aus und so auch der Spielanreiz.
27 
Die Beklagte beantragt in der Sache,
28 
die Klage abzuweisen.
29 
Der Kläger beantragt,
30 
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
31 
Er verteidigt das angegriffene Urteil unter Wiederholung seiner erstinstanzlichen Standpunkte gegen die Angriffe der Beklagten und stützt seine Klage hilfsweise auf neue Testkäufe vom 27. Dezember 2013. Er trägt weiter vor:
32 
Als BE 6 legt der Kläger eine CD mit der fotografischen und filmischen Dokumentation von drei Testkäufen am 27.12.2013 in M. vor, die die minderjährige Testkäuferin P. M. zeigen sollten, begleitet von E. A. sowie RA B. H., und als BE 7 bis BE 9 die Vorgangszusammenfassungen. Die Beklagte habe auf entsprechende Information nicht reagiert, so dass - tue sie dies auch gegenüber dem Senat nicht - sich ein Gericht mit diesen beschäftigen müsse, sei es im anhängigen Rechtsstreit oder in einem anderen.
33 
Klagegrund sei der Verkauf von Glücksspielprodukten an Minderjährige. Dieser Klagegrund habe sich durch die neuen tatsächlichen Ausführungen nicht geändert. Diesen Vortrag früher zu halten, sei dem Kläger nicht möglich gewesen. Mehrere gleichartige Verstöße bildeten aber einen einheitlichen Streitgegenstand.
34 
Selbst wenn man eine Klageerweiterung annähme, wäre diese sachdienlich. Die bestehenden Streitpunkte könnten miterledigt und dadurch ein neuer Prozess vermieden werden.
35 
Der Kläger hält die von ihm vorgetragenen Testkäufe für ordnungsgemäß und verwertbar. Er werde selbst nicht tätig, sondern nur auf Hinweise von Marktteilnehmern hin. Eine Lüge auf die Frage nach dem Alter sei bei Jugendlichen sozialtypisch. Zur Testkäuferin sei aufgrund eines Redaktionsversehens des Unterzeichners widersprüchlich vorgetragen worden. Die Testkäuferin sei Frau P. M. gewesen (vorläufiger BPA BE 13), tätig mit Einwilligung ihrer Eltern (BE 14). Deren Alter mit Nichtwissen zu bestreiten, sei nach den stattgehabten Vernehmungen dieser Zeugin unbeachtlich.
36 
Der Vortrag der Beklagten zu Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen sei ungenau. Der Kläger bestreitet den Vortrag über das Vorgehen der von der Beklagten herangezogenen Testinstitute, über deren Ergebnisse und zu den Kosten.
37 
Die Führungsebene der Beklagten habe über Jahre hinweg auf verfassungs- und unionsrechtswidriger Grundlage agiert und verteidige diese auch heute noch. Sie lasse damit jegliche Objektivität und Neutralität vermissen, genau das also, was sie RA H. und den Seinen vorwerfe.
38 
Es sei der b. S. GmbH nicht vorzuwerfen, dass ihr Geschäftsführer anwaltlich für private Glücksspielanbieter tätig sei. Der Kläger selbst werde nicht tätig, sondern stets aus Marktkreisen informiert.
39 
Die Beklagte sei auch nicht berechtigt, Gewinne an Minderjährige auszuzahlen. Diesen doppelten Rechtsverstoß wolle die Beklagte nun dem Kläger vorwerfen. Aus den Begleitkäufen könne nichts abgeleitet werden.
40 
Die zu anderen Testunternehmen von der Beklagten beschriebenen Maßnahmen träfen auch auf die b. S. GmbH zu. Auch deren Testkäufer agierten nach einer vorher festgelegten Regieanweisung. Einen vollständigeren Beweis als die Videodokumentation könne man nicht liefern. Die Beklagte verschweige die Ergebnisse ihrer Tests.
41 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im zweiten Rechtszug nimmt der Senat Bezug auf bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 13. November 2014.
42 
Der Senat hat Beweis erhoben, indem er am 13. November 2014 die Zeugen E. K. M., P. M., J. M. und E. H. A. uneidlich vernommen hat, wie aus der Sitzungsniederschrift (GA 542/550) ersichtlich.
II.
43 
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Sie führt zur Abweisung der Klage. Die ursprüngliche Klage ist zulässig, aber unbegründet (dazu A). Der Hilfsantrag ist unzulässig (dazu B).
A
44 
Die Klage des aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimierten Klägers (vgl. OLG München, WRP 2009, 1014, bei juris Rz. 22; OLG Hamm, WRP 2013, 1394, bei juris Rz. 26) ist mit dem Hauptklageantrag zulässig, aber unbegründet. Dabei kommt für den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch (BGH, Urteile vom 06. Februar 2014 - I ZR 86/12, bei juris Rz. 25, GRUR 2014, 363 - Peter Fechter; und vom 09. Juni 2011 - I ZR 17/10, MDR 2012, 299 - Computer Bild), den der Kläger geltend macht, dem Umstand keine entscheidende Bedeutung zu, dass während des Rechtsstreits der § 4 Abs. 3 GlüStV in der Fassung vom 15.12.2011 (GlüStV 2012) zum 01.07.2012 in Kraft getreten ist (vgl. Gesetz zu dem Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag (Erster Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland) und zu dem Staatsvertrag über die Gründung der GKL Gemeinsame Klassenlotterie der Länder vom 26.06.2012, GBl. 2012, S. 385, i.V.m. der Bekanntmachung des Staatsministeriums über das Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags vom 10.07.2012, GBl. 2012, S. 515; zur Verfassungskonformität BVerfG, NVwZ 2008, 1338; zur Vereinbarkeit mit Art 49, 56 AEUV EuGH, WRP 2010, 1338, 1564 - Sportwetten; BGH, WRP 2013, 515, Rn. 13 ff - Neuregelung des Glücksspielrechts in Schleswig-Holstein [Vorlagebeschluss zur Frage der Inkohärenz der Regelungen in Deutschland]). Denn der Kläger hat eine Rechtsverletzung, die, um einen lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruch tragen zu können, nach altem wie nach neuem Recht gegeben sein müsste, nicht bewiesen.
1.
45 
Gegenstand dieser Klage sind nach wie vor die vom Kläger ursprünglich zur Untermauerung seines Unterlassungsantrages behaupteten Verstoßfälle. Der Kläger hat nicht erklärt, dass er seine Klage auf diese nicht mehr stütze. Die Testkäufe vom 27. Dezember 2013 kann der Kläger hingegen nicht im Rahmen desselben Streitgegenstandes heranziehen, um seinen Antrag zu begründen. Der auf sie gestützte Vortrag führt einen neuen Klagegrund in den Rechtsstreit ein und stellt daher eine Klageänderung dar.
a)
46 
Der Streitgegenstand bestimmt sich durch den Klageantrag und den zu seiner Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt. Der Klagegrund wird durch die zu seiner Begründung vorgetragenen Verletzungsfälle gebildet. Mehrere mit der Klage vorgetragene gleichartige Verletzungshandlungen, auf die ein Unterlassungsantrag mit einem bestimmten Klageziel gestützt wird, bilden dabei einen einheitlichen Klagegrund. Hingegen stellt die spätere Einführung weiterer Verletzungshandlungen in einen Unterlassungsprozess auch ohne Änderung des Klageantrags eine Änderung des Streitgegenstands, d.h. eine Klageänderung dar (§ 263 ZPO), auch wenn sich aus den nachgeschobenen Verletzungsfällen dieselbe Verletzungsform ergibt (vgl. BGHZ 166, 253, bei juris Rz. 26 - Markenparfümverkäufe, m.w.N.).
b)
47 
So liegt der Fall hier. Der Kläger hatte sich zunächst auf vor Klageerhebung durchgeführte Testkäufe gestützt. Dieser Lebenssachverhalt war vor Klageerhebung abgeschlossen. Nunmehr führt der Kläger zusätzlich Testkäufe in das Verfahren ein, die erst nach der ersten mündlichen Verhandlung vor dem Senat erfolgt sind (am 27. Dezember 2013) und darüber hinaus mit den ursprünglichen in keinem natürlichen Zusammenhang stehen. Diese sind nicht Teil des ursprünglichen Streitgegenstandes geworden und somit im Hauptklageantrag nicht zu berücksichtigen.
2.
48 
Aus den vom Kläger ursprünglich vorgetragenen Verstoßhandlungen steht ihm der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu.
a)
49 
§ 4 GlüStV enthält Marktverhaltensregelungen im Interesse der Spielteilnehmer i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG (BGH, WRP 2008, 1376, Rn. 50 - Post-Wettannahmestelle; BGH, GRUR 2012, 193, Rn. 21 - Sportwetten im Internet II; BGH, WRP 2013, 515, Rn. 11 - Neuregelung des Glücksspielrechts in Schleswig-Holstein; OLG Hamburg, GRUR-RR 2012, 21, 25). Die UGP-RL klammert diesen Bereich aus (vgl Erwägungsgrund 9 S 2) und steht daher einer Anwendung des § 4 Nr. 11 nicht entgegen (BGH, GRUR 2011, 169, Rn. 19 - Lotterien und Kasinospiele). Verstöße gegen den GlüStV sind i.d.R. auch geeignet, die Interessen der Mitbewerber und der Verbraucher spürbar i.S.v. § 3 Abs. 1 UWG zu beeinträchtigen (OLG Koblenz, GRUR-RR 2010, 16, 20; KG, GRUR-RR 2010, 29, 31; so Köhler, in Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., 2014, Rn. 11.137c zu § 4 UWG; zu § 4 Abs. 3 GlüStV OLG Hamm, WRP 2013, 1394, bei juris Rz. 30).
b)
50 
Ein Verstoß gegen die dort statuierten Marktverhaltensregelungen scheidet entgegen der Auffassung der Beklagten nicht wegen einer Nichtigkeit der jeweiligen Spielverträge nach § 134 BGB aus. Eine etwaige Nichtigkeit des zivilrechtlichen Vertrags ändert nichts an der von der Klägerin behaupteten Teilnahme von Minderjährigen an Glücksspielen im Sinne der vorgenannten Regelungen (OLG Hamm, WRP 2013, 1394, bei juris Rz. 32, u.H. auf OLG München, Beschluss vom 27.04.2011 - 29 U 697/11). Schon mit der Hingabe des Geldes durch den Minderjährigen ist dessen Vermögen geschädigt; ein Ausgleich dieses Vermögensschadens ist ungewiss und hängt von verschiedenen Umständen ab. Es wäre daher mit dem Schutzzweck des Verbots der Teilnahme Minderjähriger an Glücksspielen nicht zu vereinbaren, sie allein auf einen bereicherungsrechtlichen Rückgewähranspruch zu verweisen und im Hinblick darauf von weiteren Schutzvorkehrungen abzusehen.
c)
51 
Die Klage ist auch nicht deshalb von vorneherein abzuweisen, weil die Begründung zu § 4 Abs. 3 GlüStV 2012 zwischen der unmittelbaren und der mittelbaren Verantwortung unterscheidet. Zwar treffen die Beklagte Organisations- und Direktionspflichten. Gleichwohl kann nach § 8 Abs. 2 UWG eine Zurechnung des Verhaltens der unmittelbar Verantwortlichen erfolgen (OLG Hamm, WRP 2013, 1394, bei juris Rz. 33, u.H. auf OLG Koblenz, Urteil vom 01.12.2010 - 9 U 258/10; vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil vom 27. November 2014 - 2 U 175/13).
d)
52 
Nach § 4 Abs. 3 S. 2, 3 GlüStV 2012 ist die Teilnahme von Minderjährigen an öffentlichen Glücksspielen unzulässig. Die Veranstalter haben sicherzustellen, dass Minderjährige von der Teilnahme ausgeschlossen sind. Dazu reicht es nicht aus, wenn ein Spieler nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Veranstalters erklären muss, 18 Jahre oder älter zu sein, dies aber erstmals bei Auszahlung von etwaigen Gewinnen überprüft wird. Die gesetzliche Regelung belässt es insofern nicht bei der allgemeinen Zielsetzung des § 1 Ziff. 3 GlüStV n.F. (Gewährleistung des Jugendschutzes), sondern konkretisiert diese Zielsetzung in § 4 Abs. 3 S. 2 und 3 GlüStV 2012 zu einem strikten Verbot der Teilnahme von Minderjährigen (VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 08. April 2013 - 6 S 11/13, ZfWG 2013, 179, bei juris Rz. 8; und vom 19. November 2012 - 6 S 342/12, VBlBW 2013, 105).
e)
53 
Der Kläger trägt nach allgemeinen Grundsätzen die Beweislast für die von ihm behaupteten Verstöße. Eine Beweislastumkehr unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer Dokumentations- bzw. Befundsicherungspflicht durch die Beklagte kommt hier nicht in Betracht. Für eine Dokumentations- oder Befundsicherungspflicht fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Dass Glücksspielveranstalter und Vermittler sicherzustellen haben, dass Minderjährige von der Teilnahme am öffentlichen Glücksspiel ausgeschlossen sind, bedeutet nicht, dass auch eine diesbezügliche Dokumentation erfolgen müsste. Eine solche Verpflichtung ist gerade nicht geregelt worden (OLG Hamm, WRP 2013, 1394, bei juris Rz. 36).
f)
54 
Der Kläger überspannt schon die Reichweite des Sicherstellungsgebotes in § 4 GlüStV. Anders als die Annahmestelle, die unmittelbar mit der Annahme von Lotteriescheinen und dem Verkauf von Losen betraut ist, treffen die Beklagte nur Organisations- und Direktionspflichten, also Pflichten, die darauf gerichtet sind, Verfahrens- und Kontrollstrukturen zu etablieren und dauerhaft umzusetzen, die bei Beachtung dazu führen, dass Minderjährige nicht an den von der Beklagten durchgeführten Glückspielen teilnehmen können. Zurecht weist die Beklagte diesbezüglich darauf hin, dass ein völlig verstoßfreies System in der Praxis für den Lotteriebetreiber nicht erreichbar ist. Aufgabe der Beklagten ist es, durch Sicherungen, Unterweisung, Kontrollen und Sanktionen nachhaltig darauf hinzuwirken, dass der durch § 4 Abs. 3 S. 2 und 3 GlückStV 2012 geforderte Jugendschutz bei der Durchführung ihrer Lotterien beachtet wird. Kommt es im Einzelfall gleichwohl zu Verfehlungen selbstständiger Annahmestellenbetreiber, so kann darin ein unlauteres Verhalten dieser liegen. Ausreißer begründen aber für sich genommen noch keinen Wettbewerbsverstoß der Beklagten. Allerdings kann eine größere Zahl von Verstoßen als Anzeichen dafür gelten, dass das von der Beklagten betriebene Sicherungssystem unzureichend ist. Dies festzustellen, ist eine Gesamtbetrachtung geboten.
g)
55 
Auf der Grundlage des entscheidungserheblichen Vorbringens der Parteien und des Ergebnisses der Beweisaufnahme kann der Senat am Maßstab des einschlägigen § 286 Abs. 1 ZPO nicht zu der Überzeugung gelangen, dass die Beklagte ihren Sicherstellungsauftrag verletzt habe. Denn die vom Kläger mit der Klage ursprünglich vorgetragenen Testkäufe sind untauglich, einen Wettbewerbsverstoß festzustellen. Der Senat geht zwar davon aus, dass es bei Testkäufen im Auftrag der b. S. GmbH zu Verstößen gegen das Verbot einer Teilnahme Jugendlicher an Lotterien der Beklagten gekommen ist. Es lässt sich jedoch nicht konkret feststellen, in welchen Fällen und folglich auch nicht, in welchem Umfang. Darüber hinaus sind die Testkäufe im Auftrag der b. S. GmbH prozessual unbrauchbar, weil auf Manipulation angelegt und damit rechtsmissbräuchlich.
aa)
56 
Wer auf unlautere Weise einen fremden Wettbewerbsverstoß veranlasst, handelt rechtsmissbräuchlich, wenn er Unterlassung begehrt (BGH, WRP 2012, 456, Rn. 34 - Delan). Während der normale Testkauf durch einen Mitbewerber oder einen von ihm Beauftragten selbst nicht unlauter ist, weil er nur die Bereitschaft des anderen zu einem bestimmten Verhalten offen legt, ist ein Testkauf dann unverwertbar, wenn er nur dazu dient, einen Mitbewerber „hereinzulegen“ (Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., 2014, Rn. 2.41 zu § 11 UWG [zitiert nach Beck online], u.H. auf BGH, GRUR 1992, 612 - Nicola; BGH, GRUR 1999, 1017, 1019 - Kontrollnummernbeseitigung). Die Provokation muss allerdings ursächlich für den Wettbewerbsverstoß sein; dies ist nicht der Fall, wenn der Verletzer den Verstoß auch sonst begangen hätte (BGH, GRUR 1985, 447, 450 - Provisionsweitergabe durch Lebensversicherungsmakler), aber dann anzunehmen, wenn das als unlauter gerügte Handeln durch Täuschung oder andere unredliche Verhaltensweisen erst bewirkt wird. In einem solchen Fall kann Unterlassung nicht verlangt werden, selbst wenn der provozierte Verstoß Interessen Dritter oder der Allgemeinheit verletzt (Köhler, a.a.O.).
57 
Dieses Verdikt trifft nicht nur denjenigen, der den Testkauf veranlasst hat, sondern auch sonstige nach § 8 Abs. 3 UWG Klagebefugte, die sich auf das rechtsmissbräuchlich entstandene Belastungsmaterial stützen. Zwar muss im Falle einer Treuwidrigkeit beim Testkauf die Klage eines anderen Mitbewerbers nicht stets scheitern (vgl. Köhler, a.a.O.). Vorliegend macht der Kläger einen Unterlassungsanspruch aber nicht als Mitbewerber geltend, sondern gleichsam als Stellvertreter im rechtlichen Interesse Dritter. Indem er sich dazu das Vorgehen eines anderen zu eigen macht, muss er auch den diesem Vorgehen innewohnenden Makel gegen sich gelten lassen. Denn der Unwertgehalt eines rechtsmissbräuchlichen Testkaufs haftet nicht (nur) dem Testkaufveranlasser an, sondern dem Material selbst, das aufgrund der Art und Weise seines Entstehens keinen Rückschluss auf das gewöhnliche Marktverhalten des in Anspruch Genommenen zulässt.
bb)
58 
Der gesamte Geschehensablauf, wie er sich aus den Akten und den Zeugenaussagen ergibt, belegt zur Überzeugung des Senats, dass die Testkäufe sich nicht auf ein neutrales Kauf- oder Spielverhalten beschränkt haben, sondern die Testkäuferinnen aktiv darauf hingewirkt haben, das Annahmestellenpersonal über ihr Alter zu täuschen, dass dieser Irrtum durch unterschwellig wirkende Zeichen zielgerichtet geschaffen und durch Lügen aufrecht erhalten wurde.
(1)
59 
Die Dokumentation K 1 allein reicht als Beleg für verwertbare Testkäufe nicht aus. Sie enthält lediglich Erklärungen der dokumentierenden Personen, genießt aber nicht die Vermutung der inhaltlichen Richtigkeit. Um Verstoßhandlungen zu beweisen, sind daher zusätzliche Beweiszeichen erforderlich, die belegen, dass die Dokumentation inhaltlich richtig ist. Über die näheren Umstände der Testkäufe gibt sie außerdem nicht abschließend Auskunft.
(2)
60 
In der Gesamtschau der Aussagen der Zeugen vor dem Senat und derjenigen vor dem Landgericht Münster, die aus dem von der Beklagten eingereichten Protokoll (CBH 6) ersichtlich sind, ist der Senat davon überzeugt, dass das jeweilige, nach der insoweit glaubhaften Aussage des Zeugen J. M. von RA B. H. entwickelte Testkaufszenario darauf ausgelegt war, etwaige Zweifel über das Alter der Testkäuferin beim Verkaufspersonal der geprüften Annahmestelle entweder gar nicht aufkommen zu lassen oder durch Zeichen oder Worte zu zerstreuen, um so zu einem aus Sicht des Initiators erfolgreichen Ergebnis zu kommen.
(2.1)
61 
Keiner der Zeugen konnte sich noch an konkrete Testkäufe erinnern. Schon dies steht einer genauen Feststellung dazu entgegen, wann und wo genau es zu Verstößen gekommen sei.
(2.2)
62 
Insgesamt unergiebig war die Aussage des Zeugen E. H. A., der zwar erklärt hat, er habe in den Annahmestellen nicht zu erkennen gegeben, dass er zu der Minderjährigen gehöre; dazu wie die Minderjährige zu einem Autoschlüssel in der Hand gekommen sei, könne er nichts mehr sagen. Seine Erklärung hierzu, er habe ihnen den manchmal eben gegeben, um die Hände zum Fotografieren frei zu haben, überzeugt den Senat nicht, da es näher liegende Aufbewahrungsmöglichkeiten gegeben hätte.
63 
Der Zeuge ist zudem als einziger noch bei der b. S. GmbH beschäftigt, steht daher im Lager des Initiators des Verfahrens und ist von diesem abhängig. Dies ist von Belang, weil die Aussage eines Zeugen nicht die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit besitzt, sondern ihre Glaubhaftigkeit entweder in der Zusammenschau mit anderen Umständen oder aus sich heraus erlangt.
(2.3)
64 
Gelegentlich wurde in der geprüften Annahmestelle der erwachsene Begleiter tätig, um dem Verkaufspersonal zu suggerieren, der Rubbelloskauf gehe in Ordnung.
65 
Die Zeugin E. K. M. hat auf Vorhalt glaubhaft bekundet, dass sich manchmal auch der hinter ihr stehende erwachsene Begleiter eingemischt habe, um Bedenken der Verkaufsperson zu zerstreuen. Weiter hat die Zeugin angegeben, dass auch in diesen Fällen eine fotografische Dokumentation stattgefunden habe.
66 
Die Zeugin P. M. hat dies, gleichfalls glaubhaft, bestätigt.
(2.4)
67 
Bei Testkäufen wurde ein Schlüsselbund mit einem Autoschlüssel eingesetzt, um den Eindruck zu erwecken, die Testkäuferin fahre das Auto, zu dem der Schlüssel gehöre, und sei volljährig.
68 
Der Einsatz des Autoschlüssels war schon vor dem Landgericht Münster zur Sprache gekommen.
69 
Zu dem Schlüsselbund mit einem Autoschlüssel hat die Zeugin P. M. unumwunden erklärt: „Dies war deshalb, um den Anschein zu erwecken, als ob ich schon 18 sei. Dies war entweder mein Bruder oder Herr A., der diese Taktik ausgegeben hat. Ich kann mich heute nicht mehr genau erinnern.“ Sie hat damit - glaubhaft - bekundet, dass das Szenario daraufhin hingestaltet gewesen sei, einen Verstoß zu erwirken.
70 
Der Zeuge J. M. hat eine dahin gehende Zielsetzung durch den Einsatz des Autoschlüssels nicht bestätigt, aber auch nicht klar verneint. Seine Erklärung, den Autoschlüssel habe die Minderjährige erhalten, wenn sie als erste habe im Auto sein wollen, insbesondere wenn es geregnet habe, deckt sich nicht mit den Lichtbildern in der Anlage K 1, auf denen zu erkennen ist, dass dergleichen auch bei Sonnenschein und im Sommer geschehen war. Auf den Vorhalt des Beklagtenvertreters hierzu konnte der Zeuge keine plausible Erklärung geben.
71 
Zu den Bildern, auf denen die Zeugin E. K. M. im Geschäft einen Schlüsselbund in der Hand hält, hat sie - gleichfalls glaubhaft - bekundet, man habe „auch neue Taktiken probiert“, was impliziert, dass es darum ging, durch die Gestaltung der Nachfragesituation die Verkaufsquote zu erhöhen. Mit ihrer Aussage, dazu habe vereinzelt gehört, wie die Verkäufer reagieren, wenn sie ein Rubbellos bestelle und einen Schlüssel in der Hand habe, hat sie dieses Ziel bestätigt und offen gelegt, dass es darum ging, nach Möglichkeit einen Verstoß herauszufordern.
72 
Der Zeuge A. hat dazu keine Aussage gemacht.
(2.5)
73 
Bei Testkäufen wurde über das Alter der Testkäuferin gelogen.
74 
Die Zeugin P. M. hat, wiederum ebenfalls glaubhaft, ausgesagt, sie habe auf die Frage nach ihrem Alter gelogen, indem sie sich als volljährig ausgegeben habe, obwohl sie dies noch nicht war. Wenn dann nach dem Ausweis gefragt worden sei, habe sie gesagt, sie habe ihn nicht dabei.
75 
Der Zeuge J. M. hat bestätigt, dass es „durchaus schon mal vorgekommen“ sei, dass „die Verkaufsperson den Ausweis der Minderjährigen verlangt hat und dann, wenn dieser nicht gegeben werden konnte, mit dem Erwachsenen, der dahinterstand, Kontakt aufgenommen habe im Hinblick auf die Frage, ob er dazugehört.“ Und weiter: „Da wurde dann auch schon mal ja gesagt.“, was schon zum Verkauf eines Rubbelloses an die Minderjährige geführt habe. Auch er habe auf Nachfrage bestätigt, dass die Minderjährige schon 18 sei. Er hat also bestätigt, dass Bedenken des Verkaufspersonals durch Lüge auch des Erwachsenen - und nicht nur der Minderjährigen - beseitigt wurden.
(2.6)
76 
Zur Abgabe der Lottoscheine haben die Zeugen unterschiedlich ausgesagt, wie es um die Abgabe durch eine Minderjährige gegangen sei.
cc)
77 
Solchermaßen durch aktive Täuschung über rechtswesentliche Eigenschaften des Käufers herausgeforderte Testkäufe lassen keinen hinreichend sicheren Rückschluss auf das Verhalten des Verkäufers im normalen Betrieb und schon gar keinen darauf zu, ob die Beklagte ihre Organisations- und Durchführungspflichten verletzt habe. Außerdem verhält sich derjenige treuwidrig, der einen Wettbewerbsverstoß durch aktive Täuschung herausfordert und diesen dann zum Gegenstand einer Beanstandung macht.
dd)
78 
Ohne dass es darauf noch ankäme, schwächen die solchermaßen absichtsvoll herbeigeführten Täuschungen auch den Beweiswert der Verstöße von Annahmestellen gegen die Vorgaben des Glückspielstaatsvertrages im Verhältnis zur Beklagen. Sie legen nahe, dass es sich bei den so herbeigeführten Verstößen um Vorgänge handelt, die weder einen Rückschluss auf die Abläufe im normalen Geschäftsbetrieb erlauben, noch die Schlussfolgerung, die Beklagte habe ihre beschriebenen Pflichten aus dem GlüStV verletzt.
ee)
79 
Mangels feststellbaren, prozesserheblichen Verstoßes braucht der Senat auch nicht über die Bedeutung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten für die Erfüllung ihrer Organisations- und Überwachungspflicht zu entscheiden.
B
80 
Die hilfsweise erhobene Klage ist unzulässig. Sie stellt, wie unter A 1. dargelegt, eine Klageänderung dar. Diese erfüllt nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 533 ZPO.
1.
81 
Eine Klageänderung ist im zweiten Rechtszug nach § 533 ZPO nur zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich hält (Nr. 1) und die Klageänderung auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat (Nr. 2).
2.
82 
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
a)
83 
Die Beklagte hat der Klageänderung nicht zugestimmt. Sie bekämpft sie vielmehr als unzulässig.
b)
84 
Die Klageänderung ist nicht sachdienlich.
aa)
85 
Die Beurteilung der Sachdienlichkeit erfordert eine Berücksichtigung, Bewertung und Abwägung der beiderseitigen Interessen. Nach ständiger Rechtsprechung zu dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Berufungsrecht (BGHZ 143, 189, 197 f., m.w.N.) kommt es für die Frage der Sachdienlichkeit allein auf die objektive Beurteilung an, ob und inwieweit die Zulassung der Klageänderung den sachlichen Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausräumt und einem andernfalls zu gewärtigenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt. Maßgebend war der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit. Unter diesem Gesichtspunkt ist nicht die beschleunigte Erledigung des anhängigen Prozesses, sondern die Erledigung der Streitpunkte zwischen den Parteien entscheidend. Deshalb steht der Sachdienlichkeit einer Klageänderung nicht entgegen, dass im Falle ihrer Zulassung eine Beweiserhebung nötig und dadurch die Erledigung des Prozesses verzögert würde. Die Sachdienlichkeit kann hingegen bei der gebotenen prozesswirtschaftlichen Betrachtungsweise im allgemeinen verneint werden, wenn ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, für dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann.
86 
Dies gilt auch unter der Geltung des § 533 ZPO n.F. fort (BGH, Urteil vom 27. September 2006 - VIII ZR 19/04, NJW 2007, 2414, bei juris Rz. 10, m.w.N.). Rechnung zu tragen ist dabei indes der Grundentscheidung des Gesetzgebers in der Zivilprozessreform 2002, dass eine Klageänderung im zweiten Rechtszug grundsätzlich nicht zulässig sein soll und § 533 ZPO die - als solche eng auszulegenden - Ausnahme von diesem Grundsatz regelt (vgl. zum Normzweck BTDrs 14/4722, S 102).
bb)
87 
An diesem Maßstab gemessen ist die Klageänderung vorliegend nicht sachdienlich. Sie führte zur Beurteilung völlig neuen Prozessstoffs, nämlich neuer Testkäufe, die mit den früheren in keinem tatsächlichen Zusammenhang mehr stehen, erst auf die Ausführungen des Senats in der mündlichen Verhandlung von 12. Dezember 2013 hin in Auftrag gegeben wurden, einem anderen Szenario folgen als die zuvor vorgetragenen und mit einem anderen, prozessrechtlich zweifelhaften Beweismittel (einer heimlich aufgenommenen Videodokumentation) unterlegt sind. Hinsichtlich ihrer könnte das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden (s. zum Fehlen der Sachdienlichkeit bei neuem Streitstoff OLG Stuttgart, Urteil vom 28. Juli 2014 - 5 U 146/12, bei juris, u. H. auf Heßler, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., 2014, § 533 Rn. 6; OLG Nürnberg, Beschluss vom 09. Oktober 2014 - 3 U 1338/14).
cc)
88 
Darüber hinaus handelt es sich bei dem neuen Vortrag um Tatsachen, die der Senat seiner Entscheidung nicht nach § 529 Abs. 1 ZPO ohnehin zugrunde zu legen hätte.
(1)
89 
Es handelt sich insoweit um zweitinstanzlich neuen Vortrag.
(2)
90 
Dieser Vortrag ist von der Beklagten wirksam bestritten worden. Sie bestreitet unter anderem, dass die Testkäuferin P. M. gewesen sei und den Vortrag zum Ablauf der Testkäufe. Dieses Bestreiten ist nicht prozessual unbeachtlich. Denn der Vorgang entzieht sich der eigenen Kenntnis der Organe und der verantwortlichen Mitarbeiter der Beklagten sowie ihrer Sphäre und kann daher von ihr mit Nichtwissen bestritten werden. Dem Umstand, dass betroffene, rechtlich selbstständige Annahmestellen eine auf diese Testkäufe bezogene Unterwerfungserklärung abgegeben haben, bindet die Beklagte nicht. Die Erklärung mag aus prozessökonomischen Gründen abgegeben worden sein.
(3)
91 
Dieses streitige Vorbringen hätte der Kläger zwar nicht schon im ersten Rechtszug vortragen können. Denn die Testkäufe vom 27. Dezember 2013 wurden, wie schon aus dem Datum zu erkennen, erst während des zweiten Rechtszuges durchgeführt, so dass eine Nachlässigkeit im Sinne des § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ausscheidet (vgl. Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 30. Aufl., § 531 Rn. 1). Nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz neu entstandene Angriffs- und Verteidigungsmittel können ohne die sich aus § 531 Abs. 2 ZPO ergebenden Beschränkungen in das Berufungsverfahren eingeführt werden (vgl. BGHZ 182, 158 Tz. 91; BGH, Beschluss vom 22. April 2010 - I ZR 17/09, GRUR-RR 2010, 400, bei juris Rz. 7, m.w.N. - Simply the Best!; BGH, Urteil vom 06. Oktober 2005 - VII ZR 229/03, NJW-RR 2005, 1687 f.). Jederzeit zulässig sind damit nach Schluss der mündlichen Verhandlung aufgefundene oder entstandene Beweismittel (nova reperta und nova producta; Heßler, in: Zöller, ZPO, Rn. 29 zu § 531 ZPO, u.H. auf BGH, MDR 2011, 1254).
92 
§ 531 ZPO dient der Durchsetzung der allgemeinen Prozessförderungspflicht (§ 282 ZPO). Die Präklusionsvorschriften sollen die Partei zu alsbaldigem Vortrag anhalten, nicht aber zur raschen Realisierung materiell-rechtlicher Voraussetzungen (Heßler, a.a.O., Rn. 30, u.H. auf BGH, ProzRB 2004, 64 u 125; MDR 2006, 201; BGH, MDR 2009, 996; Skamel, NJW 2010, 271; a.A. Brandenb. OLG, OLGR 2005, 21).
93 
Dem Normzweck widerspräche es jedoch, könnte ein unter Verstoß gegen die Prozessförderungspflicht erst während des zweiten Rechtszuges von einer Partei herbeigeführter Sachverhalt, der keine unmittelbare Änderung der Rechtslage in Bezug auf den Streitgegenstand betrifft, sondern eine schlichte, aber streitige Änderung des Klagegrundes darstellt, noch in das Berufungsverfahren eingeführt werden. Daher kann sich eine Partei dann nicht darauf berufen, es sei ihr nicht möglich gewesen, Vortrag bereits in erster Instanz zu halten, wenn es in ihrer Sphäre gelegen hätte, die Tatsachen zu schaffen, die sie nunmehr neu vorträgt, um ihren Klageantrag zu stützen, wenn nicht sachliche Gründe ihr Verhalten auch im Lichte der Prozessförderungspflicht erklären. Zu einer sorgfältigen Prozessführung gehört es auch und vordringlich, die für die eigenen Angriffs- oder Verteidigungsmittel erforderlichen Entscheidungen rechtzeitig zu treffen. Für die Beurteilung, ob ein Sachvortrag verspätet im Sinne der zivilprozessualen Regelungen ist, kann es daher nicht auf den Zeitpunkt der inneren Entscheidungsfindung des Klägers und dessen Umsetzung ankommen. Ansonsten könnte jegliche Verspätung entschuldigt und das gesamte Verspätungs- und Präklusionssystem unterlaufen werden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 08. Oktober 2008 - VI-U (Kart) 42/06, bei juris Rz. 142).
(4)
94 
Der Vorwurf einer (hier sogar grob) nachlässigen Prozessführung ist dem Kläger zu machen. Zwar hat nicht er selbst die Testkäufe vom 27. Dezember 2013 durchgeführt. Er muss sich aber in prozessualer Hinsicht das Verhalten seines Informanten zurechnen lassen. Denn auf dessen Initiative hin wird er tätig, und auf sein Vorgehen stützt er sich (dazu schon oben). Schon vor Beginn des Rechtsstreites hätte der Kläger Anlass gehabt, eine Entscheidung darüber zu treffen, ob weitere Testkäufe in das Verfahren eingeführt werden sollten, diese ggf. durchführen zu lassen und sodann bereits mit der Klageschrift in den Rechtsstreit einzuführen. Dies zu prüfen, hätte für jede auf eine Prozessförderung bedachten Partei nahegelegen. Dass der Kläger bzw. das hinter ihm stehende Unternehmen gleichwohl bis nach dem Termin zur mündlichen Verhandlung zweiter Instanz zugewartet hat, ehe neue Testkäufe veranstaltet wurden, um diese zur Untermauerung des Unterlassungsantrages in den Rechtsstreit einführen zu können, ist vor diesem Hintergrund grob nachlässig, das Vorgehen selbst prozesstaktischer Natur. Prozesstaktik ist aber vor dem Hintergrund der Prozessförderungspflicht der Parteien und der im Interesse der redlichen Partei liegenden Zielsetzung des Zivilprozesses, den Rechtsstreit einer alsbaldigen Entscheidung zuzuführen, nicht schutzwürdig (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. September 2009 - VI ZR 149/08, VersR 2009, 1683, Rn. 3; vom 24. November 2009 - VII ZR 31/09, NJW 2010, 376, Rn. 9; vom 10. Juni 2010 - Xa ZR 110/09, NJW-RR 2011, 211, Rn. 27 f.; OLG Stuttgart, Urteil vom 02. Mai 2013 - 2 U 31/12; und Beschluss vom 11. Februar 2009 - 7 U 186/08, bei juris Rz. 9, VersR 2009, 1536; OLG Köln, Urteil vom 08. November 2013 - 19 U 99/12, bei juris Rz. 37; OLG Celle, Urteil vom 10. November 2010 - 9 U 65/10, bei juris Rz. 21; ferner Thür. OLG, Verf. vom 25. März 2010 - 1 U 1001/09, bei juris Rz. 11).
III.
95 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
96 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 51, 48 Abs. 1, 43 Abs. 1, 47 Abs. 1, 39 Abs. 1, 45 Abs. 3 GKG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO. Der Senat schätzt das klägerische Interesse an der Sache auf 200.000,- EUR, wobei zu berücksichtigen ist, dass er nicht nur das Interesse eines einzelnen Lotteriebetreibers vertritt und dass der Markt für Lotterielose ein Volumen von etlichen Milliarden Euro jährlich umfasst.
97 
Die Revision zuzulassen, besteht kein Grund im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung beschränkt sich in ihren tragenden Gründen auf eine Beurteilung des Einzelfalles auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
98 
Ruf
Holzer
Dr. Hofmann
Vorsitzender Richter
am Oberlandesgericht
Richter
       am Oberlandesgericht       
Richter
am Oberlandesgericht

ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 04. Dez. 2014 - 2 U 158/12

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Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 04. Dez. 2014 - 2 U 158/12 zitiert 19 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 540 Inhalt des Berufungsurteils


(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil1.die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,2.eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufh

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts


(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG 2004 | § 8 Beseitigung und Unterlassung


(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwider

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG 2004 | § 3 Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen


(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig. (2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtscha

Zivilprozessordnung - ZPO | § 531 Zurückgewiesene und neue Angriffs- und Verteidigungsmittel


(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen. (2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie1.einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 134 Gesetzliches Verbot


Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG 2004 | § 4 Mitbewerberschutz


Unlauter handelt, wer 1. die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;2. über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerb

Zivilprozessordnung - ZPO | § 533 Klageänderung; Aufrechnungserklärung; Widerklage


Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn1.der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und2.diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidu

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 48 Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten


(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten richten sich die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands, soweit nichts anderes bestimmt i

Zivilprozessordnung - ZPO | § 263 Klageänderung


Nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 282 Rechtzeitigkeit des Vorbringens


(1) Jede Partei hat in der mündlichen Verhandlung ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel, insbesondere Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweismittel und Beweiseinreden, so zeitig vorzubringen, wie es nach der Prozesslage einer sorgfä

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 51 Gewerblicher Rechtsschutz


(1) In Rechtsmittelverfahren des gewerblichen Rechtsschutzes (§ 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 14) und in Verfahren über Ansprüche nach dem Patentgesetz, dem Gebrauchsmustergesetz, dem Markengesetz, dem Designgesetz, dem Halbleiterschutzgesetz und dem Sort

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG 2004 | § 11 Verjährung


(1) Die Ansprüche aus den §§ 8, 9 Absatz 1 und § 13 Absatz 3 verjähren in sechs Monaten und der Anspruch aus § 9 Absatz 2 Satz 1 verjährt in einem Jahr. (2) Die Verjährungsfrist beginnt, wenn 1. der Anspruch entstanden ist und2. der Gläubiger von

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Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 04. Dez. 2014 - 2 U 158/12 zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).

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(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

Unlauter handelt, wer

1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4.
Mitbewerber gezielt behindert.

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.

(2) Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet.

(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:

1.
jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt,
2.
denjenigen rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, die in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b eingetragen sind, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt,
3.
den qualifizierten Einrichtungen, die in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind, oder den qualifizierten Einrichtungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2018/302 (ABl. L 60I vom 2.3.2018, S. 1) geändert worden ist, eingetragen sind,
4.
den Industrie- und Handelskammern, den nach der Handwerksordnung errichteten Organisationen und anderen berufsständischen Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben sowie den Gewerkschaften im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben bei der Vertretung selbstständiger beruflicher Interessen.

(4) Stellen nach Absatz 3 Nummer 2 und 3 können die Ansprüche nicht geltend machen, solange ihre Eintragung ruht.

(5) § 13 des Unterlassungsklagengesetzes ist entsprechend anzuwenden; in § 13 Absatz 1 und 3 Satz 2 des Unterlassungsklagengesetzes treten an die Stelle der dort aufgeführten Ansprüche nach dem Unterlassungsklagengesetz die Ansprüche nach dieser Vorschrift. Im Übrigen findet das Unterlassungsklagengesetz keine Anwendung, es sei denn, es liegt ein Fall des § 4e des Unterlassungsklagengesetzes vor.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Unlauter handelt, wer

1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4.
Mitbewerber gezielt behindert.

Nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet.

Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn

1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und
2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 272/02 Verkündet am:
23. Februar 2006
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : ja
BGHR : ja
Markenparfümverkäufe
Der Umfang der materiellen Rechtskraft einer Unterlassungsverurteilung ist beschränkt
auf den Streitgegenstand, über den entschieden worden ist. Dieser
wird durch die konkrete(n) Verletzungshandlung(en) begrenzt, aus der das Klagebegehren
hergeleitet worden ist. In Rechtskraft erwächst der in die Zukunft
gerichtete Verbotsausspruch nicht als solcher, sondern nur in seinem Bezug auf
die festgestellte(n) Verletzungshandlung(en).
Der markenrechtliche Unterlassungsanspruch kann, wenn Wiederholungsgefahr
gegeben ist, auf Handlungen verallgemeinert werden, die der Verletzungshandlung
im Kern gleichartig sind.
Die Schadensersatzpflicht wegen der Verletzung eines Markenrechts durch
gleichliegende Handlungen kann in der Regel bereits dann festgestellt werden,
wenn mindestens ein Verletzungsfall nachgewiesen wird. Erforderlich ist allerdings
, dass die Wahrscheinlichkeit einer Schädigung durch weitere rechtlich
gleich zu beurteilende Handlungen gegeben ist.
BGH, Urt. v. 23. Februar 2006 - I ZR 272/02 - OLG Bremen
LG Bremen
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. November 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann
und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und
Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 19. September 2002 unter Zurückweisung der weitergehenden Revision der Klägerin und der Anschlussrevision der Beklagten teilweise aufgehoben und insgesamt wie folgt neu gefasst: Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bremen vom 18. April 2002 wie folgt abgeändert: 1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Duftwässer der Marken "Davidoff", "Jil Sander", "JOOP!", "Lancaster", "Monteil", "Nikos" , "Boudoir" und "Chopard" einzuführen oder auszuführen und/oder anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu diesen Zwecken zu besitzen, soweit diese Duftwässer nicht unter dieser Marke von der Klägerin oder mit ihrer Zustimmung im In- land oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin zu 1 sämtlichen Schaden zu ersetzen hat, der ihr aus der festgestellten Verletzung der Marke "Chopard" entstanden ist und noch entstehen wird.
Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Von den Kosten der ersten Instanz trägt die Klägerin 18 %, die Beklagte 82 %.
Die Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens werden der Klägerin zu 19 %, der Beklagten zu 81 % auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin stellt Parfüms her und vertreibt sie im Wege eines selektiven Vertriebssystems. Für ihre eigenen Produkte benutzt sie die Marken "Lancaster" , "Nikos" und "Monteil". Daneben ist sie Lizenznehmerin der Marken "Chopard", "Jil Sander", "Davidoff", "Boudoir" und "JOOP!". Sie ist insoweit be- rechtigt, Ansprüche wegen Markenrechtsverletzungen im eigenen Namen geltend zu machen.
2
Am 25. April 2001 kaufte die Zeugin C. bei der Import-Parfümerie "B. ", Inhaber Dr. H. , in M. ein Parfüm Chopard "Mira-Bai" EdP NS 30 ml. Die Klägerin stellte fest, dass sie dieses Erzeugnis nach Istanbul geliefert hatte. Dr. H. teilte mit, dass die Beklagte seine Lieferantin gewesen sei.
3
Die Klägerin nimmt die Beklagte aufgrund dieses Vorfalls wegen Markenrechtsverletzung in Anspruch. Die Beklagte habe ein Parfüm der Marke "Chopard", das für den außereuropäischen Markt bestimmt gewesen sei, unbefugt in den europäischen Wirtschaftsraum eingeführt. Derartige Graumarktimporte seien bereits wiederholt Anlass für Auseinandersetzungen zwischen den Parteien gewesen. Es bestehe daher hinsichtlich aller im Klageantrag genannten Marken Wiederholungsgefahr.
4
Die Klägerin hat beantragt, 1. die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen , es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Duftwässer der Marken Davidoff, Jil Sander, JOOP!, Lancaster, Monteil, Nikos, Boudoir und Chopard einzuführen oder auszuführen und/oder anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu diesen Zwecken zu besitzen, soweit diese Duftwässer nicht unter dieser Marke von der Klägerin oder mit ihrer Zustimmung im Inland oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind; 2. festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen hat, der ihr aus den Verletzungshandlungen gemäß Ziff. 1. entstanden ist und noch entstehen wird.

5
Den darüber hinaus gestellten Auskunftsantrag haben die Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt.
6
Die Beklagte hat bestritten, dass die Klägerin das streitgegenständliche Parfüm Chopard "Mira-Bai" nach Istanbul versandt habe.
7
In einem bereits früher - ebenfalls bei dem Landgericht - rechtshängig gewordenen Rechtsstreit zwischen den Parteien wegen Markenrechtsverletzung (LG Bremen 12 O 10/01) hat die Klägerin u.a. beantragt, 1. die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen , es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Duftwässer der Marken Davidoff, Jil Sander, JOOP!, Lancaster, Monteil, Nikos und Chopard einzuführen oder auszuführen und/oder anzubieten , in den Verkehr zu bringen oder zu diesen Zwecken zu besitzen, soweit diese Duftwässer nicht unter dieser Marke von der Klägerin oder mit ihrer Zustimmung im Inland oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind. 2. … 3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen hat, der ihr aus den Verletzungshandlungen gemäß Ziff. 1 entstanden ist und noch entstehen wird.
8
Im Hinblick auf dieses Parallelverfahren hat das Landgericht im vorliegenden Rechtsstreit die Klage insgesamt als unzulässig angesehen, soweit die Parteien die Hauptsache nicht übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Mit Ausnahme der auf die Marke "Boudoir" bezogenen Klageanträge stehe der Klage der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit entgegen. Auf Duftwässer der Marke "Boudoir" beziehe sich das Parallelverfahren dagegen nicht.

Insoweit sei die Klage aber unbegründet, weil die erforderliche Wiederholungsgefahr nicht dargelegt sei.
9
Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Berufung eingelegt, mit der sie ihre in erster Instanz zuletzt gestellten Anträge weiterverfolgt hat. Sie hat geltend gemacht, eine anderweitige Rechtshängigkeit sei nicht gegeben. Es bestehe auch hinsichtlich des Parfüms "Boudoir" Wiederholungsgefahr, weil dieses - wie die anderen im Unterlassungsantrag genannten Parfüms - ein hochpreisiges Luxusprodukt sei.
10
Die Beklagte hat das landgerichtliche Urteil verteidigt.
11
Während des Berufungsverfahrens haben die Vorinstanzen im Parallelverfahren entschieden: Das Landgericht hat den Klageanträgen stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen ihre Verurteilung zur Unterlassung zurückgewiesen, der Berufung aber hinsichtlich des Antrags auf Feststellung der Schadensersatzpflicht stattgegeben und insoweit die Klage als unbegründet abgewiesen (OLG Bremen, Urt. v. 5.9.2002 - 2 U 78/01).
12
Im vorliegenden Verfahren hat das Berufungsgericht auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Landgerichts abgeändert und dem Unterlassungsantrag , soweit er sich auf Duftwässer der Marke "Boudoir" bezieht, stattgegeben. Die weitergehende Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen.
13
Mit ihrer (vom Senat zugelassenen) Revision begehrt die Klägerin, das Berufungsurteil aufzuheben, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist, und auch insoweit nach ihren Schlussanträgen in der Berufungsinstanz zu erkennen.

14
Die Beklagte hat Anschlussrevision eingelegt, soweit das Berufungsgericht sie - hinsichtlich Duftwässer der Marke "Boudoir" - zur Unterlassung verurteilt hat. Insoweit hat sie beantragt, das Berufungsurteil aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil zurückzuweisen.
15
Beide Parteien beantragen, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen.
16
Während des Revisionsverfahrens hat der Senat die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten gegen das im Parallelverfahren ergangene Berufungsurteil (OLG Bremen 2 U 78/01) durch Beschluss vom 3. April 2003 (I ZR 270/02) zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe:


17
A. Die Klage ist - wie die Revision mit Erfolg geltend macht - in vollem Umfang zulässig.
18
I. Das Berufungsgericht hat den Unterlassungsantrag zum größten Teil wegen anderweitiger Rechtshängigkeit der Klageansprüche als unzulässig angesehen. Das früher anhängig gewordene Parallelverfahren (2 U 78/01 = 12 O 10/01) sei allerdings durch einen anderen Vorfall als der vorliegende Rechtsstreit ausgelöst worden. Im Parallelverfahren sei es um den Vertrieb von Parfüm der Marke "JOOP! All about Eve" gegangen, das die Klägerin in den USA in den Verkehr gebracht habe. Das vorliegende Verfahren betreffe dage- gen den Verkauf eines Duftwassers Chopard "Mira-Bai" im Inland, das die Klägerin an einen Händler in Istanbul veräußert habe. Dieser neuerliche Wettbewerbsverstoß sei jedoch keine neue Begehungsform gegenüber dem im anderen Verfahren bereits untersagten wettbewerbswidrigen Verhalten. Der Urteilstenor im Verfahren 2 U 78/01 und der im vorliegenden Verfahren gestellte Antrag beträfen denselben prozessualen Anspruch, den Handel mit bestimmten Duftwässern zu unterlassen, soweit diese nicht von der Klägerin im Inland oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht worden seien.
19
Der Unterlassungsantrag sei nur zulässig hinsichtlich des Parfüms "Boudoir", das in der Parallelsache 2 U 78/01 nicht in den Urteilsausspruch aufgenommen worden sei.
20
II. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Unterlassungsantrag in vollem Umfang zulässig.
21
1. Der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) ist nach Erlass des Berufungsurteils im vorliegenden Verfahren hinfällig geworden, weil das im Parallelverfahren ergangene Urteil des Berufungsgerichts (2 U 78/01) dadurch rechtskräftig geworden ist, dass der Senat die gegen dieses Urteil erhobene Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zurückgewiesen hat.
22
2. Dem Unterlassungsantrag steht auch nicht der Einwand der Rechtskraft entgegen. Der Senat hat diese Prozessvoraussetzung von Amts wegen zu prüfen (vgl. BGHZ 123, 30, 32 - Indorektal II; BGH, Urt. v. 21.12.1988 - VIII ZR 277/87, NJW 1989, 2133, 2134). Der Umfang der materiellen Rechts- kraft der im Parallelverfahren 2 U 78/01 ergangenen Unterlassungsverurteilung ist beschränkt auf den dort entschiedenen Streitgegenstand, der mit durch die konkrete Verletzungshandlung begrenzt wird, aus der das Klagebegehren hergeleitet worden ist.
23
a) Nach § 322 Abs. 1 ZPO ist ein Urteil der Rechtskraft nur insoweit fähig , als über den durch die Klage erhobenen Anspruch entschieden worden ist. Der Umfang der materiellen Rechtskraft wird maßgeblich durch den Streitgegenstand , über den das Gericht entschieden hat, bestimmt. Die Rechtskraft ergreift grundsätzlich nur den geltend gemachten Anspruch in dem beantragten Umfang (vgl. BGH, Urt. v. 15.7.1997 - VI ZR 142/95, NJW 1997, 3019, 3020; Urt. v. 20.7.2005 - XII ZR 155/04, FamRZ 2005, 1538).
24
b) Der Streitgegenstand eines Unterlassungsverfahrens wird nicht nur durch das im Antrag umschriebene Klageziel begrenzt, sondern auch durch die konkrete(n) Verletzungshandlung(en), auf die der Antrag gestützt ist.
25
aa) Entscheidend für die Beurteilung der Frage, welchen Streitgegenstand ein Kläger mit einem Unterlassungsantrag zur Entscheidung gestellt und über welchen Streitgegenstand das Gericht entschieden hat, ist nicht allein der Wortlaut von Antrag und Urteilsausspruch. Der Streitgegenstand (der prozessuale Anspruch) wird durch den Klageantrag bestimmt, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. BGHZ 154, 342, 347 f. - Reinigungsarbeiten; BGH, Urt. v. 23.6.2005 - I ZR 227/02, GRUR 2005, 854, 855 = WRP 2005, 1173 - Karten-Grundsubstanz ). Nach dieser prozessrechtlichen Auffassung vom zweigliedrigen Streitgegenstand im Zivilprozess, der sich der Bundesgerichtshof angeschlossen hat (vgl. BGH, Urt. v. 26.9.2000 - VI ZR 279/99, NJW 2001, 157, 158 m.w.N.), kennzeichnet das Klageziel allein den Streitgegenstand nicht. Die Einheitlichkeit des Klageziels genügt deshalb nicht, um einen einheitlichen Streitgegenstand anzunehmen. Dies gilt auch für Unterlassungsanträge, auch wenn ein Schuldner ein bestimmtes Verhalten naturgemäß nur einmal unterlassen kann. So liegen z.B. bei gleichem Antragswortlaut verschiedene Streitgegenstände vor, wenn der Unterlassungsantrag zunächst auf Erstbegehungsgefahr, später wegen einer bestimmten Verletzungshandlung auch auf Wiederholungsgefahr gestützt wird (vgl. BGH, Urt. v. 26.4.1990 - I ZR 99/88, GRUR 1990, 687, 689 = WRP 1991, 16 - Anzeigenpreis II; Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht , 24. Aufl., § 12 UWG Rdn. 2.23; Fezer/Büscher, UWG, § 8 Rdn. 77; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 10 Rdn. 12; vgl. dazu auch Ullmann, WRP 1996, 1007, 1010; a.A. Ahrens/Ahrens, Der Wettbewerbsprozeß, 5. Aufl., Kap. 36 Rdn. 90 ff.).
26
bb) Der Klagegrund, der den Streitgegenstand einer Unterlassungsklage mit bestimmt, wird durch die zu seiner Begründung vorgetragenen Verletzungsfälle gebildet. Mehrere mit der Klage vorgetragene gleichartige Verletzungshandlungen , auf die ein Unterlassungsantrag mit einem bestimmten Klageziel gestützt wird, bilden dabei einen einheitlichen Klagegrund (vgl. dazu BGH, Urt. v. 18.4.1985 - I ZR 155/83, GRUR 1985, 980, 982 = WRP 1985, 484 - Tennisschuhe ). Es ist jedoch anerkannt, dass mit der späteren Einführung weiterer Verletzungshandlungen in einen Unterlassungsprozess ohne Änderung des Klageantrags eine Änderung des Streitgegenstands, d.h. eine Klageänderung (§ 263 ZPO), verbunden ist, auch wenn sich aus den nachgeschobenen Verletzungsfällen dieselbe Verletzungsform ergibt (vgl. BGH, Urt. v. 9.7.1998 - I ZR 67/96, Umdruck S. 8 f. [unveröffentlicht]; Köhler in Hefermehl/Köhler/ Bornkamm aaO § 12 UWG Rdn. 2.29; Teplitzky aaO Kap. 46 Rdn. 17; Ahrens/ Jestaedt aaO Kap. 23 Rdn. 4; a.A. KG GRUR 1999, 370, 371; Ahrens/Ahrens aaO Kap. 36 Rdn. 50 f.; wie hier - in st. Rspr. - österr. OGH ÖBl. 1980, 24 f. - Hinterglasbilder - und GRUR Int. 1986, 352, 354 - Baedekers Reiseführer). Damit ist ausgeschlossen, dass ein Kläger bei entsprechend weiter Fassung seines Unterlassungsbegehrens ohne Kostenrisiko einen Unterlassungsprozess durch Vortrag immer neuer gleichartiger (etwa auch neu ermittelter oder durch weitere Testkäufe provozierter) Verletzungshandlungen verschleppen kann. Der Kläger wird umgekehrt auch nicht gezwungen, alle ihm bekannten Verletzungshandlungen in das Verfahren einzuführen und damit den Verfahrensstoff auszuweiten, nur um zu vermeiden, dass dieses Vorbringen durch die Rechtskraft des Urteils präkludiert wird.
27
cc) Eine Rechtfertigung, dem Klagegrund eines Unterlassungsantrags ohne weiteres alle Verletzungshandlungen zuzurechnen, die den zur Begründung des Antrags dargelegten Verletzungshandlungen gleichartig sind, folgt auch nicht aus der sog. Kerntheorie. Die Kerntheorie bezieht sich auf den Umfang der Rechtskraft eines Unterlassungsurteils und besagt, dass aus dem Urteil auch wegen solcher Verstöße gegen das Unterlassungsgebot vollstreckt werden kann, die den Kern der Verbotsform unberührt lassen (vgl. BGHZ 5, 189, 193 f. - Zwilling; 126, 287, 296 - Rotes Kreuz; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 322 Rdn. 115). Die nach der Kerntheorie angenommene Rechtskraftwirkung setzt allerdings - schon im Hinblick auf die Bindung des Gerichts an den gestellten Antrag (§ 308 Abs. 1 ZPO) - voraus, dass auch kerngleiche Abweichungen von der konkreten Verletzungsform, wie sie vom materiellrechtlichen Unterlassungsanspruch mit umfasst sind (vgl. BGH, Urt. v. 29.6.2000 - I ZR 29/98, GRUR 2000, 907, 909 = WRP 2000, 1258 - Filialleiterfehler ), mit Streitgegenstand gewesen sind und die gerichtliche Entscheidung über den Streitgegenstand daher solche Abweichungen von der konkreten Ver- letzungsform mit verboten hat (vgl. BGH, Urt. v. 30.3.1989 - I ZR 85/87, WRP 1989, 572, 574 - Bioäquivalenz-Werbung, insoweit nicht in BGHZ 107, 136; Teplitzky aaO Kap. 57 Rdn. 12; Ahrens/Ahrens aaO Kap. 36 Rdn. 71; Rüßmann in Festschrift für Lüke, 1997, S. 675, 684; a.A. OLG Düsseldorf GRUR 1994, 81, 82 = WRP 1993, 487). Die Annahme, dass das Unterlassungsbegehren grundsätzlich auch auf das Verbot kerngleicher Abweichungen von der konkreten Verletzungsform gerichtet ist, bezieht sich jedoch nur auf die mit dem Klageantrag begehrte Rechtsfolge und hat mit der Abgrenzung des Klagegrunds, aus dem diese Rechtsfolge hergeleitet wird, nichts zu tun.
28
dd) Der Klagegrund als der Lebenssachverhalt, auf den der Antrag gestützt ist, bleibt dementsprechend unverändert, wenn der Kläger seinen Antrag (und damit die aus dem Klagegrund hergeleitete Rechtsfolge) ausdrücklich weiter fasst, indem er die angegriffene Verletzungsform im Antrag stärker abstrahierend umschreibt (a.A. Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl., Rdn. 553a). Die Reichweite des Verbotsbegehrens ändert nichts daran, dass der Streitgegenstand und später die Reichweite der Rechtskraft des Unterlassungsurteils auf den Klagegrund bezogen bleibt.
29
c) Da der Urteilsgegenstand eines Unterlassungsurteils - wie (unter 2.a)) dargelegt - grundsätzlich maßgeblich durch den Streitgegenstand bestimmt wird, ist der Umstand, dass der Unterlassungsantrag auf einen bestimmten Klagegrund - die konkret benannte(n) Verletzungshandlung(en) - gestützt ist, auch für den Umfang der materiellen Rechtskraft des Unterlassungsurteils entscheidend. In Rechtskraft erwächst danach der in die Zukunft gerichtete Verbotsausspruch nicht als solcher, sondern nur in seinem Bezug auf die vom Gericht festgestellte(n) Verletzungshandlung(en) (vgl. BGH, Urt. v. 8.2.1963 - Ib ZR 76/61, GRUR 1963, 378, 381 = WRP 1963, 211 - Deutsche Zeitung; BGH, Urt. v. 11.11.1994 - V ZR 46/93, NJW 1995, 967; vgl. auch BGHZ 82, 299, 304 - Kunststoffhohlprofil II; BGH, Urt. v. 6.10.2005 - I ZR 266/02, GRUR 2006, 136 Tz. 19 = WRP 2006, 274 - Pressefotos; vgl. weiter Stein/Jonas/Leipold aaO § 322 Rdn. 104 f.; Schilken, Zivilprozessrecht, 4. Aufl., Rdn. 1019; Musielak, NJW 2000, 3593, 3596).
30
d) Die Rechtskraft des Urteils des Berufungsgerichts im Parallelverfahren (2 U 78/01) steht danach der Zulässigkeit des Unterlassungsantrags im vorliegenden Verfahren nicht entgegen. Beide Verfahren haben schon deshalb verschiedene Streitgegenstände, weil die später erhobene Unterlassungsklage des vorliegenden Verfahrens auf eine neue Verletzungshandlung gestützt worden ist.
31
3. Die Abweisung des Unterlassungsantrags als unzulässig stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Der Unterlassungsklage fehlt nicht (auch nicht teilweise) deshalb das Rechtsschutzbedürfnis , weil die Klägerin bereits im Parallelverfahren einen Unterlassungstitel erwirkt hat. Diese Frage ist auch im Revisionsverfahren ohne Rüge zu prüfen, weil das Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses ein von Amts wegen zu berücksichtigender Verfahrensmangel ist (vgl. BGH, Urt. v. 18.2.1998 - VIII ZR 376/96, NJW 1998, 1636, 1637).
32
Für eine Unterlassungsklage kann das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, wenn der Kläger bereits einen vollstreckbaren Titel besitzt (vgl. BGH, Urt. v. 3.12.1957 - I ZR 157/56, GRUR 1958, 359, 361 = WRP 1958, 318 - Sarex). Das Erfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses soll verhindern, dass Klagebegehren in das Stadium der Begründetheitsprüfung gelangen, die ersichtlich des Rechtsschutzes durch eine solche Prüfung nicht bedürfen (vgl. BGH, Urt. v. 24.2.2005 - I ZR 101/02, GRUR 2005, 519 = WRP 2005, 735 - Vitamin-Zell-Komplex, für BGHZ vorgesehen). Das Unterlassungsurteil im Parallelverfahren ist hier jedoch erst während des vorliegenden Revisionsverfahrens rechtskräftig geworden.
33
B. Hinsichtlich der Begründetheit der Klage hat die Revision teilweise Erfolg. Die Anschlussrevision ist dagegen zurückzuweisen. Der Senat kann aufgrund der getroffenen Feststellungen gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden (vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 29. 9.1993 - VIII ZR 107/93, WM 1994, 76, 77).
34
I. Der Unterlassungsantrag der Klägerin ist begründet.
35
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch hinsichtlich des Parfüms "Boudoir" zu, das nicht Gegenstand des Urteils in der Parallelsache 2 U 78/01 sei. Bereits die Herkunft des Parfüms aus dem Hause Vivienne Westwood begründe eine gewisse Exklusivität. Darüber hinaus werde die Marke "Boudoir" durch die Preise der unter ihr vertriebenen Waren (für das Parfüm 128,30 €, für das 50 mlGebinde Eau de Parfum 59,30 € und für den entsprechenden Badezusatz 32,20 €) von den für den Massenkonsum bestimmten Marken abgehoben. Die Marke "Boudoir" sei mithin den anderen im Klageantrag genannten Marken vergleichbar. Wegen der hinsichtlich eines Luxusparfüms ("Chopard") begangenen Markenrechtsverletzung habe die Klägerin grundsätzlich Anspruch auf einen Unterlassungstitel für alle gleichartigen Duftwässer, für die sie aktivlegitimiert sei und für die sie noch keinen Unterlassungstitel in einem Hauptsacheverfahren erwirkt habe.

36
2. Aus den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ergibt sich, dass der Unterlassungsanspruch, den die Klägerin wegen Verletzungen der Marke "Chopard" geltend machen kann (§ 14 Abs. 5 MarkenG), abweichend von der Ansicht des Berufungsgerichts nicht auf Verletzungen der Marke "Boudoir" beschränkt ist.
37
a) Das Berufungsgericht hat, von der Revisionserwiderung nicht angegriffen , festgestellt, dass die Beklagte durch die Belieferung der ImportParfümerie "B. " das Recht an der Marke "Chopard" verletzt hat, da das Markenrecht hinsichtlich dieser Ware noch nicht erschöpft war (§ 24 Abs. 1 MarkenG). Das Berufungsgericht ist zutreffend (stillschweigend) davon ausgegangen , dass sich die Beklagte nicht damit begnügen konnte zu bestreiten, dass die Klägerin das Parfüm nach Istanbul geliefert hatte. Die Beklagte hätte vielmehr darlegen und beweisen müssen, dass das Parfüm zuvor vom Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung erstmals im Inland oder sonst in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 23.10.2003 - I ZR 193/97, GRUR 2004, 156, 157 = WRP 2004, 243 - stüssy II).
38
b) Der sich aus der Verletzung der Marke "Chopard" ergebende Unterlassungsanspruch bezieht sich nicht nur auf Verletzungen dieser Marke.
39
Bei der Fassung eines Unterlassungsantrags sind im Interesse eines hinreichenden Rechtsschutzes gewisse Verallgemeinerungen zulässig, sofern auch in dieser Form das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt. Dies hat seinen Grund darin, dass eine Verletzungshandlung die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht nur für die identische Verletzungsform begründet, sondern auch für alle im Kern gleichartigen Verletzungs- handlungen (vgl. BGHZ 126, 287, 295 - Rotes Kreuz; BGH, Urt. v. 9.9.2004 - I ZR 93/02, GRUR 2005, 443, 446 = WRP 2005, 485 - Ansprechen in der Öffentlichkeit II, m.w.N.). Für Parfüms der Marke "Boudoir" hat das Berufungsgericht dementsprechend - entgegen der Ansicht der Anschlussrevision - rechtsfehlerfrei eine Begehungsgefahr angenommen. Das Berufungsgericht hat im Einzelnen dargelegt, dass ein Parfüm der Marke "Boudoir" als Luxusparfüm mit den Parfüms der anderen im Klageantrag genannten Marken gleichartig ist und die begangene Markenrechtsverletzung deshalb die Gefahr begründet, dass auch dieses Parfüm von der Beklagten unter Verletzung des Markenrechts vertrieben wird. Daraus folgt unter den Umständen des vorliegenden Falles zugleich, dass diese Gefahr auch für alle im Klageantrag genannten Marken besteht, da nach den getroffenen Feststellungen unter allen diesen Marken Luxusparfüms vertrieben werden.
40
Hat ein Beklagter ein bestimmtes Schutzrecht des Klägers verletzt, begründet dies allerdings nicht ohne weiteres die Vermutung, dass er auch andere dem Kläger zustehende oder von ihm berechtigt wahrgenommene Schutzrechte verletzen wird (vgl. - zum Patentrecht - BGHZ 117, 264, 272 f. - Nicola u.a.). Für die Annahme einer solchen Begehungsgefahr spricht hier aber die Lebenserfahrung: Wie das Berufungsgericht im Urteil des Parallelverfahrens 2 U 78/01 ausgeführt hat, ist es für die Beklagte als Außenseiter-Händler attraktiv , Duftwässer der Klägerin, die diese über ihr selektives Vertriebssystem absetzt , auf dem Graumarkt zu beschaffen, um so ihre Kunden auch mit solchen hochpreisigen, exklusiven Produkten beliefern zu können. Dabei wird sie versuchen , durch ein Angebot der verschiedenen Luxusparfüms die unterschiedlichen Kundenpräferenzen möglichst weitgehend abzudecken.

41
Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung widerspricht diese Beurteilung nicht dem Senatsurteil "Entfernung der Herstellungsnummer III" (Urt. v. 21.2.2002 - I ZR 140/99, GRUR 2002, 709, 711 = WRP 2002, 947). Aus dieser Entscheidung ergibt sich, dass aufgrund der Verletzung einer bestimmten Marke nicht zur Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs Auskunft darüber verlangt werden kann, ob auch bestimmte andere Marken verletzt worden sind. Dies hat seinen Grund darin, dass der Nachweis bestimmter Verletzungshandlungen nicht genügt, um einen Anspruch auf Auskunft über alle möglichen anderen Verletzungshandlungen zu begründen. Denn dies liefe darauf hinaus, einen rechtlich nicht bestehenden allgemeinen Auskunftsanspruch anzuerkennen und der Ausforschung unter Vernachlässigung allgemein gültiger Beweislastregeln Tür und Tor zu öffnen (vgl. BGHZ 148, 26, 35 - Entfernung der Herstellungsnummer II). Für einen Unterlassungsanspruch gelten diese Erwägungen nicht.
42
c) Mit Recht hat das Berufungsgericht den Unterlassungsausspruch gegen die Beklagte auch auf die Ausfuhr von Duftwasser der Marke Boudoir erstreckt. Auch hinsichtlich der anderen Marken (Davidoff, Jil Sander, JOOP!, Lancaster, Monteil, Nikos und Chopard) schließt der der Klägerin zustehende Unterlassungsanspruch die Ausfuhr als Benutzungsart ein. Aus der Feststellung , dass die Beklagte rechtsverletzende, nicht erschöpfte Markenware in Besitz hat und die geschützte Marke damit i. S. des § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG rechtswidrig benutzt, folgt das Verbot, diese Waren unter dem Zeichen der Klägerin im geschäftlichen Verkehr zu verwerten, was den Ausspruch des Verbots aller gemäß § 14 Abs. 3 MarkenG geltend gemachten Verwertungshandlungen zur Folge hat. Die Anschlussrevision zeigt keine durchgreifenden rechtlichen Erwägungen auf, den nach § 14 Abs. 3 Nr. 4 MarkenG verbotenen Export der Markenwaren hiervon auszunehmen.

43
II. Der Klägerin steht entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts wegen der Verletzung der Marke "Chopard" ein Anspruch auf Schadensersatz zu (§ 14 Abs. 6 MarkenG). Den gestellten Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht hat das Berufungsgericht jedoch im Ergebnis zu Recht überwiegend abgewiesen.
44
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten sei unbegründet, weil die Klägerin die Möglichkeit, dass ihr durch die festgestellte Markenrechtsverletzung ein Schaden entstanden sei, nicht dargetan habe. Die Klägerin habe den Erlös für das Testkaufprodukt bereits beim erstmaligen Inverkehrbringen erhalten. Sie lege nicht dar, dass sie aufgrund der festgestellten Markenrechtsverletzung Nachforschungen zur Ermittlung von Lücken ihres Vertriebssystems angestellt und hierfür Aufwendungen getätigt habe oder ihr durch die Markenrechtsverletzung ein sonstiger Vermögensschaden entstanden sei.
45
2. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht insgesamt unbegründet sei, weil es an der erforderlichen gewissen Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts fehle, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Eintritt eines Schadens durch die festgestellte Verletzung ihrer Marke "Chopard" steht hier schon deshalb fest, weil die Klägerin den Eingriff in ihr Markenrecht als ein vermögenswertes Recht nicht ohne Entgeltzahlung hinnehmen muss und insoweit jedenfalls Schadensersatz nach der Lizenzanalogie verlangen kann. Dafür ist unerheblich , ob eine Lizenzeinräumung in Betracht gekommen wäre (vgl. BGHZ 119, 20, 26 - Tchibo/Rolex II).

46
Die Beklagte hat diese Verletzungshandlung auch schuldhaft begangen. Sollte sie nicht vorsätzlich gehandelt haben, hat sie sich zumindest fahrlässig verhalten, indem sie die Prüfungspflichten, die sie nach den Umständen trafen, verletzt hat. Als gewerblicher Einkäufer von Markenparfüms war die Beklagte bei dem Bezug der vertriebsgebundenen Ware außerhalb des von der Klägerin organisierten Vertriebsweges gehalten zu prüfen, ob das ihr angebotene Markenparfüm bereits mit Zustimmung des Markeninhabers im Inland oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden ist. Dem Vorbringen der Klägerin, sie unternehme bei einem Bezug von Händlern, die nicht inländische Depositäre der Klägerin seien, keine ernsthaften Anstrengungen, einen markenrechtsverletzenden Vertrieb zu vermeiden, hat die Beklagte nicht widersprochen.
47
3. Die Klägerin kann jedoch aufgrund der festgestellten Verletzung der Marke "Chopard" nicht verlangen, dass auch die Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen möglicher anderer Handlungen, die in das Recht an der Marke "Chopard" eingegriffen haben, festgestellt wird. Die Schadensersatzpflicht wegen der Verletzung eines Markenrechts durch gleichliegende Handlungen kann allerdings in der Regel bereits dann festgestellt werden, wenn mindestens ein Verletzungsfall nachgewiesen wird (vgl. - zum Patentrecht - BGH, Urt. v. 30.4.1964 - Ia ZR 224/63, GRUR 1964, 496, 497 - Formsand II, m.w.N.; Benkard /Rogge, Patentgesetz, 9. Aufl., § 139 Rdn. 80). Erforderlich ist allerdings, dass die Wahrscheinlichkeit einer Schädigung durch weitere rechtlich gleich zu beurteilende Handlungen gegeben ist (vgl. - zu einem wettbewerbsrechtlichen Anspruch - BGH, Urt. v. 14.11.2002 - I ZR 137/00, GRUR 2003, 446, 447 = WRP 2003, 509 - Preisempfehlung für Sondermodelle). Die Feststellung der Schadensersatzpflicht besagt in diesen Fällen nur, dass der Verletzer dem Rechtsinhaber den durch die schuldhaft rechtswidrige Verletzung seines Rechts entstandenen und noch entstehenden Schaden zu ersetzen hat (vgl. - zum Patentrecht - BGHZ 117, 264, 278 f. - Nicola u.a.). Die Feststellung der weiteren zum Schadensersatz verpflichtenden Verletzungshandlungen ist dann dem Betragsverfahren überlassen. Voraussetzung dafür, dass die Schadensersatzpflicht auch hinsichtlich anderer Handlungen als der konkret festgestellten Verletzungshandlung festgestellt wird, ist jedoch, dass dabei über alle Einwendungen, die den Bestand des Klageanspruchs oder seine Durchsetzbarkeit berühren, abschließend entschieden werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 14.6.1988 - VI ZR 279/87, NJW 1989, 105, 106; Urt. v. 30.5.1995 - X ZR 54/93, GRUR 1995, 578, 581 - Steuereinrichtung II; Urt. v. 28.6.2005 - VI ZR 108/04, VersR 2005, 1159, 1160). Es muss deshalb feststehen, dass auch noch nicht festgestellte, aber vom Urteilsausspruch mit erfasste Verletzungshandlungen nicht anders als schuldhaft begangen worden sind (vgl. dazu auch - zum Patentrecht - BGH, Urt. v. 16.3.1956 - I ZR 62/55, GRUR 1956, 265, 269 - Rheinmetall -Borsig I). Davon kann in Fällen der vorliegenden Art nicht ausgegangen werden, weil die Umstände, unter denen Originalware, bei der das Markenrecht nicht erschöpft ist, erworben und weitervertrieben wird, durchaus unterschiedlich sein können. Auch bei dem beanstandeten Weitervertrieb vertriebsgebundener Markenparfüms der Klägerin bei nicht erschöpftem Markenrecht kann es dementsprechend Fallgestaltungen geben, in denen ein schuldhaftes Verhalten nicht vorliegt.
48
4. Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Klägerin auch nicht verlangen kann, dass die Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen einer Verletzung der anderen im Klageantrag zu 1 aufgeführten Marken festgestellt wird, da hinsichtlich dieser Marken keine Verletzungshandlung vorgetragen ist und das ausgesprochene Unterlassungsgebot allein darauf beruht, dass der Unterlas- sungsanspruch zulässig auf im Kern gleichartige Handlungen verallgemeinert worden ist.
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C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91a, § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Ullmann v.Ungern-Sternberg Bornkamm
Pokrant Schaffert
Vorinstanzen:
LG Bremen, Entscheidung vom 18.04.2002 - 12 O 544/01 -
OLG Bremen, Entscheidung vom 19.09.2002 - 2 U 41/02 -

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.

(2) Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet.

(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:

1.
jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt,
2.
denjenigen rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, die in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b eingetragen sind, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt,
3.
den qualifizierten Einrichtungen, die in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind, oder den qualifizierten Einrichtungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2018/302 (ABl. L 60I vom 2.3.2018, S. 1) geändert worden ist, eingetragen sind,
4.
den Industrie- und Handelskammern, den nach der Handwerksordnung errichteten Organisationen und anderen berufsständischen Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben sowie den Gewerkschaften im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben bei der Vertretung selbstständiger beruflicher Interessen.

(4) Stellen nach Absatz 3 Nummer 2 und 3 können die Ansprüche nicht geltend machen, solange ihre Eintragung ruht.

(5) § 13 des Unterlassungsklagengesetzes ist entsprechend anzuwenden; in § 13 Absatz 1 und 3 Satz 2 des Unterlassungsklagengesetzes treten an die Stelle der dort aufgeführten Ansprüche nach dem Unterlassungsklagengesetz die Ansprüche nach dieser Vorschrift. Im Übrigen findet das Unterlassungsklagengesetz keine Anwendung, es sei denn, es liegt ein Fall des § 4e des Unterlassungsklagengesetzes vor.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DESVOLKES
URTEIL
I ZR 86/12
Verkündet am:
6. Februar 2014
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Peter Fechter

a) Die einzelnen Bilder eines Films sind unabhängig vom Schutz des Films als
Filmwerk oder Laufbildfolge, wenn nicht als Lichtbildwerke nach § 2 Abs. 1
Nr. 5 UrhG, so doch jedenfalls als Lichtbilder nach § 72 UrhG geschützt. Der
Lichtbildschutz einzelner Filmbilder aus § 72 UrhG erstreckt sich nicht nur auf
die Verwertung der Bilder in Form von Fotos, sondern auch auf die Verwertung
der Bilder in Form des Films.

b) Rechtsfolge der Verwirkung nach § 242 BGB ist im Urheberrecht wie auch
sonst im Immaterialgüterrecht und im Wettbewerbsrecht allein, dass der
Rechtsinhaber seine Rechte im Hinblick auf bestimmte konkrete bereits begangene
oder noch andauernde Rechtsverletzungen nicht mehr durchzusetzen
vermag; ein Freibrief für künftige Rechtsverletzungen ist damit nicht verbunden
(Anschluss an BGH, Urteil vom 18. Januar 2012 - I ZR 17/11, GRUR
2012, 928 = WRP 2012, 1104 - Honda-Grauimport; Urteil vom 15. August
2013 - I ZR 188/11, GRUR 2013, 1161 = WRP 2013, 1465 - Hard Rock Cafe
[zur Veröffentl. in BGHZ bestimmt]; Fortführung von BGH, Urteil vom 30. Juni
1976 - I ZR 63/75, BGHZ 67, 56 - Schmalfilmrechte).

c) Verhält sich ein Rechtsinhaber gegenüber Zuwiderhandlungen gegen seine
Rechte längere Zeit untätig, obwohl er den Verletzungstatbestand kannte
oder doch kennen musste, können dadurch allenfalls diejenigen Ansprüche
auf Schadensersatz und Bereicherungsausgleich verwirkt werden, die bis zu
einer Abmahnung des Verletzers durch den Rechtsinhaber entstanden waren
; nach einer Abmahnung durch den Verletzten muss der Verletzer wieder
damit rechnen, wegen künftiger Verletzungshandlungen auf Schadensersatz
oder Bereicherungsausgleich in Anspruch genommen zu werden (Bestätigung
von BGH, Urteil vom 15. November 1957 - I ZR 83/56, BGHZ 26, 52
- Sherlock Holmes; BGHZ 67, 56 - Schmalfilmrechte).

d) Eine Abkürzung der für Ansprüche wegen Verletzung eines nach dem Urheberrechtsgesetz
geschützten Rechts oder wegen Eingriffs in den Zuweisungsgehalt
eines solchen Rechts gemäß § 102 Satz 1 UrhG, §§ 195, 199
Abs. 1 BGB geltenden dreijährigen Verjährungsfrist durch Verwirkung kann
nur unter ganz besonderen Umständen angenommen werden (Anschluss an
BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 - EnZR 23/09, NJW 2011, 212 - Stromnetznutzungsentgelt
IV; Urteil vom 11. Oktober 2012 - VII ZR 10/11, NJW 2012,
3569; Urteil vom 29. Januar 2013 - EnZR 16/12, juris Rn. 13).
BGH, Urteil vom 6. Februar 2014 - I ZR 86/12 - KG Berlin
LG Berlin
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. September 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Dr. h.c. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff
und Dr. Koch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 24. Zivilsenats des Kammergerichts vom 28. März 2012 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben , als hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs (Antrag zu 1) und soweit hinsichtlich der Ansprüche auf Auskunftserteilung (Antrag zu 2), Wertersatz und Erlösherausgabe (Antrag zu 3), die sich auf Verletzungshandlungen beziehen, die in der Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 3. November 2011 vorgenommen worden sind, zum Nachteil der Kläger erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Kläger nehmen die beklagte Rundfunkanstalt wegen einer nach ihrer Ansicht erfolgten Verletzung urheberrechtlich geschützter Rechte an einer von dem Kameramann H. E. am 17. August 1962 gefertigten Filmaufnahme auf Unterlassung und Auskunftserteilung in Anspruch; darüber hinaus beantragen sie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Wertersatz und zur Erlösherausgabe.
2
H. E. hatte am 17. August 1962 von der Westberliner Seite der Berliner Mauer aus das Sterben und den Abtransport von Peter Fechter gefilmt, der bei seinem Fluchtversuch aus der damaligen DDR von Soldaten der Nationalen Volksarmee an der Ostberliner Seite der Berliner Mauer nahe des sogenannten Checkpoint Charlie angeschossen worden war. Er hat den Klägern mit Vereinbarung vom 22. April 2010 rückwirkend auf den Tag der Filmaufnahme die ausschließlichen Nutzungsrechte am Filmmaterial und das Recht eingeräumt , Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Schadensersatz und Bereicherungsausgleich im eigenen Namen geltend zu machen und einzuklagen.
3
Die Kläger haben behauptet, die Beklagte habe diese Aufnahmen unter anderem am 13. August 2010 in der Berliner Abendschau in einem Filmbeitrag gesendet. Sie habe die Filmaufnahmen darüber hinaus auf ihrer Internetseite zum Abruf zur Verfügung gestellt. Die Kläger haben die Beklagte wegen der Nutzung des Filmmaterials mit Schreiben vom 31. August 2010 abgemahnt.
4
Die Kläger haben mit ihrer - der Beklagten am 4. November 2011 zugestellten - Klage beantragt, 1. der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, die Filmaufnahmen über den Abtransport des am 17. August 1962 angeschossenen Peter Fechter an der Berliner Mauer nahe dem sogenannten Checkpoint Charlie wie ersichtlich aus den Standbildern nach Anlage K 1 zu vervielfältigen , öffentlich zugänglich zu machen oder im Fernsehrundfunk zu senden; 2. die Beklagte zu verurteilen, Auskunft über die Handlungen nach Ziffer 1 in den letzten zehn Jahren vor Klagezustellung zu erteilen und dabei Auskunft darüber zu erteilen, welche einzelnen Vervielfältigungs- und Sendehandlun- gen vorgenommen wurden sowie ob die Filmaufnahmen an Dritte weitergegeben wurden und welche Erlöse hierdurch erzielt wurden; 3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, Wertersatz für sämtliche Handlungen nach Antrag 1 in den letzten zehn Jahren vor Klagezustellung zu leisten sowie die erzielten Erlöse aus der Verwertung der Filmaufnahmen nach Anlage K 1 an die Kläger abzuführen.
5
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie behauptet, der Abtransport Peter Fechters sei nicht nur von H. E. , sondern auch von dem Kameramann H. S. gefilmt worden. Die von ihr ausgestrahlte Filmaufnahme habe nicht H. E. , sondern H. S. angefertigt. Darüber hinaus habe H. E. die ausschließlichen Nutzungsrechte an seinem Filmmaterial bereits im Jahr 1962 H. S. eingeräumt und habe sie daher im Jahr 2010 nicht mehr den Klägern einräumen können. Die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche seien jedenfalls verwirkt. H. E. habe fast fünfzig Jahre lang keine Ansprüche an den Filmaufnahmen geltend gemacht, obwohl derartige Aufnahmen hundertfach gesendet worden seien.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben (KG, ZUM-RD 2012, 321). Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision , deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgen die Kläger ihre Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe:


7
A. Das Berufungsgericht hat angenommen, die geltend gemachten Ansprüche seien unbegründet, weil sie jedenfalls verwirkt seien. Dazu hat es ausgeführt :
8
Die in Rede stehende Filmaufnahme sei nicht als Filmwerk und die einzelnen Filmbilder seien auch nicht als Lichtbildwerke urheberrechtlich geschützt , da es sich lediglich um dokumentierende Aufnahmen und nicht um persönliche geistige Schöpfungen handele. An der Filmaufnahme bestehe auch kein Leistungsschutzrecht für Laufbilder, weil die Filmaufnahmen vor dem Inkrafttreten des Urheberrechtsgesetzes am 1. Januar 1966 geschaffen worden seien und Laufbilder zu diesem Zeitpunkt urheberrechtlich nicht geschützt gewesen seien.
9
Es könne offenbleiben, ob das an den einzelnen Filmbildern bestehende Leistungsschutzrecht aus § 72 UrhG das Recht zur Verwertung der einzelnen Filmbilder in Form des Films umfasse. Selbst wenn ein solches Recht bestünde , seien Unterlassungsansprüche des H. E. gegen die Beklagte wegen einer Verletzung dieses Rechts jedenfalls verwirkt; das müssten sich auch die Kläger - sofern H. E. die ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Filmmaterial auf sie übertragen habe - von der Beklagten entgegenhalten lassen. Desgleichen seien Ansprüche auf Schadensersatz und Bereicherungsausgleich verwirkt und entsprechende Leistungsansprüche vorbereitende Auskunftsansprüche daher unbegründet.
10
B. Die Revision der Kläger hat Erfolg, soweit sie sich dagegen richtet, dass das Berufungsgericht den erhobenen Unterlassungsanspruch (Antrag zu 1) als unbegründet erachtet hat (dazu I). Soweit das Berufungsgericht die geltend gemachten Ansprüche auf Auskunftserteilung (Antrag zu 2), Wertersatz und Erlösherausgabe (Antrag zu 3) verneint hat, ist die Revision begründet, soweit sich diese Ansprüche auf Verletzungshandlungen beziehen, die in der Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 3. November 2011 vorgenommen worden sind (dazu II).
11
I. Der von den Klägern geltend gemachte Unterlassungsanspruch (Antrag zu 1) kann mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht verneint werden; das Berufungsurteil stellt sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar.
12
1. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob der von der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin in der Vergangenheit ausgestrahlte Film vom Sterben Peter Fechters von H. E. aufgenommen worden ist. Es hat gleichfalls offengelassen, ob gegebenenfalls H. E. den Klägern die ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Filmmaterial einräumen konnte und dem keine frühere Einräumung dieser Rechte durch H. E. an H. S. entgegenstand. Für die rechtliche Nachprüfung in der Revisionsinstanz ist zugunsten der Kläger davon auszugehen, dass diese Fragen zu bejahen sind.
13
2. Das Berufungsgericht hat angenommen, die in Rede stehende Filmaufnahme sei nicht als Filmwerk (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG) und die einzelnen Filmbilder seien auch nicht als Lichtbildwerke (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG) urheberrechtlich geschützt, da es sich lediglich um dokumentierende Aufnahmen und nicht um persönliche geistige Schöpfungen (§ 2 Abs. 2 UrhG) handele. An der Filmaufnahme bestehe auch kein Leistungsschutzrecht für Laufbilder (§§ 95, 94 UrhG), da die Filmaufnahmen vor Inkrafttreten des Urheberrechtsgesetzes am 1. Januar 1966 geschaffen worden seien und Laufbilder zu diesem Zeitpunkt urheberrechtlich nicht geschützt gewesen seien (§ 129 Abs. 1 UrhG). Gegen diese Beurteilung hat die Revision keine Rügen erhoben; sie lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen.
14
3. Das Berufungsgericht hat ferner offengelassen, ob das an den einzelnen Filmbildern bestehende Leistungsschutzrecht aus § 72 UrhG das Recht zur Verwertung der einzelnen Filmbilder in Form des Films umfasst. Es hat angenommen , selbst wenn ein solches Recht bestünde, seien Unterlassungsansprüche (§ 97 Abs. 1 UrhG) von H. E. gegen die Beklagte wegen der Verletzung dieses Rechts jedenfalls verwirkt (§ 242 BGB); das müssten sich auch die Kläger - für den Fall, dass H. E. die ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Filmmaterial auf sie übertragen habe - von der Beklagten entgegenhalten lassen (§§ 413, 404 BGB). Mit dieser Begründung kann der von den Klägern erhobene Unterlassungsanspruch nicht verneint werden.
15
a) Wie der Senat nach Verkündung des Berufungsurteils entschieden hat, ist Rechtsfolge der Verwirkung nach § 242 BGB im Immaterialgüterrecht allein , dass ein Schutzrechtsinhaber seine Rechte im Hinblick auf bestimmte konkrete bereits begangene oder noch andauernde Rechtsverletzungen nicht mehr durchzusetzen vermag; ein Freibrief für künftige Rechtsverletzungen ist damit nicht verbunden (BGH, Urteil vom 18. Januar 2012 - I ZR 17/11, GRUR 2012, 928 Rn. 23 = WRP 2012, 1104 - Honda-Grauimport; Urteil vom 15. August 2013 - I ZR 188/11, GRUR 2013, 1161 Rn. 21 und 79 = WRP 2013, 1465 - Hard Rock Café [zur Veröffentl. in BGHZ bestimmt]). Die Entscheidungen des Senats sind zwar zum Marken- und Wettbewerbsrecht ergangen; die dort aufgestellten Grundsätze zur Verwirkung gelten jedoch auch im Urheberrecht.
16
Wiederholte gleichartige Urheberrechtsverletzungen, die zeitlich unterbrochen auftreten, lösen danach jeweils einen neuen Unterlassungsanspruch aus und lassen die für die Beurteilung des Zeitmoments der Verwirkung maßgebliche Frist jeweils neu beginnen. Auch längere Untätigkeit des Rechtsinhabers gegenüber bestimmten gleichartigen Verletzungshandlungen kann kein berechtigtes Vertrauen des Rechtsverletzers begründen, der Rechtsinhaber dulde auch künftig sein Verhalten und werde weiterhin nicht gegen solche - jeweils neuen - Rechtsverletzungen vorgehen. Der Verwirkungseinwand, der auf einen im Vertrauen auf die Benutzungsberechtigung geschaffenen schutzwürdigen Besitzstand gegründet ist, darf nicht dazu führen, dass dem Benutzer eine zusätzliche Rechtsposition eingeräumt wird und die Rechte des nachTreu und Glauben nur ausnahmsweise und in engen Grenzen schutzwürdigen Rechtsverletzers über diese Grenzen hinaus erweitert werden (vgl. BGH, GRUR 2012, 928 Rn. 22 f. - Honda-Grauimport). Andernfalls würde die Verwirkung im Ergebnis das urheberrechtliche Nutzungsrecht selbst ergreifen, obwohl sie regelmäßig nur die aus der Urheberrechtsverletzung entstandenen Ansprüche ergreifen kann (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 1976 - I ZR 63/75, BGHZ 67, 56, 67 f. - Schmalfilmrechte).
17
b) Die vom Unterlassungsantrag der Kläger umfasste Verletzungsform ist das ohne ihre Zustimmung erfolgende Vervielfältigen, Öffentlich-Zugänglichmachen oder Senden der aus den vorgelegten Standbildern ersichtlichen Filmaufnahmen über den Abtransport des am 17. August 1962 angeschossenen Peter Fechter an der Berliner Mauer nahe dem sogenannten Checkpoint Charlie. Die für die Beurteilung des Zeitmoments der Verwirkung maßgebliche Frist hat daher mit jedem Vervielfältigen, Öffentlich-Zugänglichmachen oder Senden dieser Filmaufnahmen neu zu laufen begonnen. Die Kläger haben die Beklagte unter anderem wegen des angeblichen Sendens dieser Aufnahmen am 13. August 2010 bereits mit Schreiben vom 31. August 2010 abgemahnt. Unabhängig von den sonstigen Einzelumständen des Streitfalls kommt schon mangels eines relevanten Zeitmoments eine Verwirkung des von den Klägern geltend gemachten, allein in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruchs nicht in Betracht.
18
4. Die Abweisung des Unterlassungsantrags stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Es ist nicht auszuschließen, dass die Beklagte ein nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht verletzt hat (dazu a). Es kann auch nicht angenommen werden, dass die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr entfallen ist (dazu b).
19
a) Das Berufungsgericht hat die Frage offengelassen, ob Leistungsschutzrechte an Filmeinzelbildern nach § 72 UrhG das Recht zur Verwertung der Einzelbilder in Form des Films umfassen. Diese Frage ist zu bejahen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die Beklagte durch das Senden des Films am 13. August 2010 das urheberrechtlich geschützte Recht des Klägers an den Filmbildern verletzt hat.
20
aa) Die Einzelbilder eines Filmes sind unabhängig vom Schutz des Filmes als Filmwerk oder Laufbildfolge, wenn nicht als Lichtbildwerke nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG, so doch jedenfalls als Lichtbilder nach § 72 UrhG geschützt (vgl. Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., § 72 Rn. 5). Vor dem Inkrafttreten des Urheberrechtsgesetzes geschaffene Filmeinzelbilder genießen gemäß § 129 Abs. 1 UrhG den gleichen Schutz wie danach geschaffene, da Werke der Fotografie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Urheberrechtsgesetzes nach §§ 1, 3, 15 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Fotografie vom 9. Januar 1907 (Kunst-Urhebergesetz - KUG) urheberrechtlich geschützt waren.
21
bb) Der Lichtbildschutz aus § 72 UrhG erstreckt sich nicht nur auf die Verwertung der Einzelbilder in Form von Fotos, sondern auch auf die Verwertung der Einzelbilder in Form des Films.
22
Das folgt zum einen daraus, dass jede urheberrechtliche Nutzung der Bildfolge zwangsläufig eine urheberrechtliche Nutzung der einzelnen Bilder umfasst. Es kommt daher nicht darauf an, dass die Bilder - wie die Beklagte geltend macht - bei einer Ausstrahlung des Films nicht als einzelne Bilder sinnlich wahrnehmbar sein mögen. Es ergibt sich zum anderen daraus, dass der Film- hersteller zur filmischen Verwertung der bei Herstellung eines Filmwerks entstehenden Lichtbilder und Lichtbildwerke die Rechte des Lichtbildners benötigt (§ 89 Abs. 4 UrhG, § 91 UrhG aF; zum Begriff der „filmischen Verwertung“ vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2009 - I ZR 128/07, GRUR 2010, 620 Rn. 15 bis 18 = WRP 2010, 933 - Film-Einzelbilder). Dieser Rechte bedürfte er nicht, wenn der Lichtbildschutz nicht das Recht zur Verwertung der Einzelbilder in Form des Films umfasste (vgl. Schulze, GRUR 1994, 855, 860 mwN).
23
Die Beklagte macht ohne Erfolg geltend, damit werde über den Leistungsschutz an Filmeinzelbildern ein Schutz für Laufbilder erreicht, der zur Zeit der Entstehung des hier in Rede stehenden Films noch nicht bestanden habe. Die Bestimmung des § 95 UrhG begründet für Laufbilder einen Leistungsschutz des Filmherstellers und nicht einen Leistungsschutz der Filmurheber; geschützt wird die wirtschaftliche und organisatorische Leistung des Filmherstellers und nicht die gegenüber der schöpferischen Leistung des Urhebers eines Filmwerks weniger schöpferische Leistung des Urhebers von Laufbildern (vgl. Katzenberger in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 95 UrhG Rn. 3; Schulze in Dreier/Schulze aaO § 95 Rn. 2). Soweit der Leistungsschutz an Filmeinzelbildern aus § 72 UrhG mittelbar zu einem Schutz des Films führt, handelt es sich nicht um einen Schutz der wirtschaftlichen und organisatorischen Leistung des Filmherstellers; geschützt wird vielmehr allein die gegenüber der schöpferischen Leistung des Urhebers eines Lichtbildwerkes weniger schöpferische Leistung des Lichtbildners (vgl. zum Verhältnis des Leistungsschutzes an Fernsehsendungen zum Leistungsschutz an einzelnen Bildern der Sendung BGH, Beschluss vom 27. Februar 1962 - I ZR 118/60, BGHZ 37, 1, 10 - AKI).
24
b) Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen kann auch nicht angenommen werden, die für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr sei entfallen, weil das an den einzel- nen Filmbildern bestehende Leistungsschutzrecht aus § 72 Abs. 1 UrhG am 31. Dezember 2012 erloschen sei.
25
aa) Der auf Wiederholungsgefahr gestützte und in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch ist nur begründet, wenn die Wiederholungsgefahr zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Unterlassungsanspruch noch besteht. Durch eine begangene Rechtsverletzung wird eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr begründet, die regelmäßig nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2008 - I ZR 219/05, GRUR 2008, 996 Rn. 33 = WRP 2008, 1449 - Clone-CD). Die durch die begangene Verletzung eines Schutzrechts begründete tatsächliche Vermutung für die Gefahr einer erneuten Verletzung dieses Schutzrechts ist aber auch dann ausgeräumt, wenn dessen Schutzfrist abgelaufen ist. Eine solche Veränderung des Rechtsbestands eines Schutzrechts ist in der Revisionsinstanz auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erst nach der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz eingetreten ist (vgl. zum Markenrecht BGH, Urteil vom 24. Februar 2000 - I ZR 168/97, GRUR 2000, 1028, 1030 = WRP 2000, 1148 - Ballermann, mwN).
26
bb) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass das an den einzelnen Filmbildern bestehende Leistungsschutzrecht aus § 72 Abs. 1 UrhG am 31. Dezember 2012 erloschen wäre, wenn diese Filmbilder bereits am 17. August 1962 - dem Tag ihrer Aufnahme - erschienen wären.
27
(1) Die am 17. August 1962 aufgenommenen Filmeinzelbilder waren gemäß §§ 1, 3, 15 KUG urheberrechtlich als Werke der Fotografie geschützt.
28
(2) Der Schutz von Werken der Fotografie endete nach der damals maßgeblichen Fassung des § 26 KUG grundsätzlich mit dem Ablauf von 25 Jahren seit dem Erscheinen des Werkes (§ 26 Satz 1 KUG) und für den Fall, dass das Werk bis zum Tod des Urhebers noch nicht erschienen war, mit dem Ablauf von 25 Jahren seit dem Tod des Urhebers (§ 26 Satz 2 KUG).
29
(3) Durch das Gesetz zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des Urheberrechts vom 24. Juni 1985 wurde die Schutzfrist für Lichtbilder, die Dokumente der Zeitgeschichte sind, auf 50 Jahre nach dem Erscheinen des Lichtbilds und für den Fall, dass das Lichtbild innerhalb von 50 Jahren nach seiner Herstellung nicht erschienen war, auf 50 Jahre nach der Herstellung des Lichtbildes verlängert (§ 72 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 UrhG [1985]). Zugleich wurde bestimmt, dass die Frist mit dem Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem das für den Beginn der Frist maßgebliche Ereignis eingetreten ist (§ 72 Abs. 3 Satz 2, § 69 UrhG [1985]).
30
Diese Regelung ist auf die hier in Rede stehenden Lichtbilder anwendbar. Zum einen ist die Schutzfristverlängerung in entsprechender Anwendung der unmittelbar für Lichtbildwerke geltenden Übergangsregelung des § 137a Abs. 1 UrhG auch auf Lichtbilder anzuwenden, deren Schutzdauer am 1. Juli 1985 nach dem bis dahin geltenden Recht noch nicht abgelaufen war (vgl. OLG Hamburg, GRUR 1990, 717, 720; Katzenberger in Schricker/Loewenheim aaO § 137a UrhG Rn. 4); die 25-jährige Schutzdauer der am 17. August 1962 aufgenommenen Filmeinzelbilder war am 1. Juli 1985 selbst dann nicht abgelaufen , wenn sie bereits mit dem Tag der Aufnahme begonnen hat. Zum anderen handelt es sich bei diesen Lichtbildern um Dokumente der Zeitgeschichte, da sie eine historisch bedeutsame Situation wiedergeben (vgl. dazu OLG Hamburg , GRUR 1990, 717, 719 f.; Schulze in Dreier/Schulze aaO § 72 Rn. 35).
31
(4) Durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 23. Juni 1995 wurde die Schutzfrist für Lichtbilder mit Wirkung zum 1. Juli 1995 abermals neu geregelt. Gemäß § 72 Abs. 3 Satz 1 UrhG erlischt das Schutzrecht nunmehr 50 Jahre nach dem Erscheinen des Lichtbildes oder, wenn seine erste erlaubte öffentliche Wiedergabe früher erfolgt ist, nach dieser, jedoch bereits 50 Jahre nach der Herstellung, wenn das Lichtbild innerhalb dieser Frist nicht erschienen oder erlaubterweise öffentlich wiedergegeben worden ist.
32
Für Lichtbilder, die - wie die hier in Rede stehenden - vor dem 1. Juli 1995 geschaffen worden sind, gilt die Regelung, dass die Schutzfrist bereits mit der ersten erlaubten öffentlichen Wiedergabe beginnt, wenn diese vor dem Erscheinen erfolgte, allerdings erst seit dem 1. Juli 1995 (vgl. Schulze in Dreier/ Schulze aaO § 72 Rn. 37). Ansonsten würde die Schutzdauer vorher entstandener Rechte verkürzt, was der Übergangsregelung des § 137f Abs. 1 Satz 1 UrhG widerspräche.
33
cc) Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht angenommen werden, dass die Lichtbilder bereits am 17. August 1962 erschienen sind und ihr Schutz daher nach § 72 Abs. 3 UrhG, § 69 UrhG am 31. Dezember 2012 geendet hat.
34
(1) Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 UrhG ist ein Werk erschienen, wenn mit Zustimmung des Berechtigten Vervielfältigungsstücke des Werkes nach ihrer Herstellung in genügender Anzahl der Öffentlichkeit angeboten oder in Verkehr gebracht worden sind.
35
(2) Das Erscheinen eines Lichtbildes setzt danach voraus, dass das Lichtbild in körperlicher Form - etwa als Abzug - an die Öffentlichkeit gelangt (vgl. Schulze in Dreier/Schulze aaO § 72 Rn. 37); auch die Eingabe digitalisierter Bilder in elektronische Bildarchive kann danach als Erscheinen einzustufen sein (vgl. Maaßen, ZUM 1992, 338, 342 f.). Die Veröffentlichung eines Lichtbil- des in unkörperlicher Form - beispielsweise durch Sendung - genügtdagegen nicht.
36
(3) Die Lichtbilder sind danach - anders als das Landgericht und ihm folgend das Berufungsgericht wohl angenommen haben - nicht dadurch erschienen , dass der Film noch am Tag seiner Aufnahme am 17. August 1962 gesendet wurde. Es sind bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob und gegebenenfalls wann die Lichtbilder innerhalb von 50 Jahren nach ihrer Herstellung am 17. August 1962 erschienen sind. Es kann daher nicht beurteilt werden, ob ihre 50-jährige Schutzfrist zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Revisionsinstanz am 18. September 2013 abgelaufen war.
37
II. Das Berufungsgericht hat angenommen, Ansprüche auf Schadensersatz (§ 97 Abs. 2 UrhG) und Bereicherungsausgleich (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, § 818 Abs. 1 und 2 BGB) seien gleichfalls verwirkt und entsprechende Leistungsansprüche vorbereitende Auskunftsansprüche daher unbegründet. Die Kläger machen solche Ansprüche in Bezug auf Handlungen des Vervielfältigens , des Öffentlich-Zugänglichmachens und des Sendens in den letzten zehn Jahren vor Klagezustellung geltend. Da die Klage am 4. November 2011 zugestellt worden ist, beziehen sich diese Ansprüche demnach auf Handlungen im Zeitraum vom 3. November 2001 bis zum 3. November 2011. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, diese Ansprüche seien nicht begründet, hält der rechtlichen Nachprüfung nur insoweit stand, als diese sich auf Handlungen im Zeitraum vom 3. November 2001 bis zum 31. Dezember 2007 beziehen, nicht aber, soweit sie Handlungen im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 3. November 2011 betreffen.
38
1. Die Verwirkung schließt als ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) die illoyal verspätete Geltendmachung eines Rechts aus. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Recht verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment ) und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Umstandsmoment; vgl. BGHZ 67, 56, 67 - Schmalfilmrechte; Urteil vom 13. Februar 1981 - I ZR 43/79, GRUR 1981, 652, 653 - Stühle und Tische; Urteil vom 21. Februar 2012 - VIII ZR 146/11, NJW-RR 2012, 1227 Rn. 4; Urteil vom 19. Juni 2012 - II ZR 241/10, WM 2012, 1686 Rn. 22; Urteil vom 29. Januar 2013 - EnZR 16/12, juris Rn. 13).
39
2. Das Berufungsgericht hat für das Zeitmoment der von ihm angenommenen Verwirkung auf den gesamten Zeitraum von rund 48 Jahren abgestellt, während dessen die nunmehr gerichtlich verfolgten Ansprüche nicht geltend gemacht worden seien.
40
Die im vorliegenden Rechtsstreit verfolgten Ansprüche auf Wertersatz und Erlösherausgabe sind allerdings - wie ausgeführt - allein auf Verletzungshandlungen im Zeitraum vom 3. November 2001 bis zum 3. November 2011 gestützt. Da die Kläger die Beklagte wegen derartiger Verletzungshandlungen mit Schreiben vom 31. August 2010 abgemahnt haben, sind die nunmehr gerichtlich verfolgten Ansprüche lediglich während eines Zeitraums von längstens rund neun Jahren nicht geltend gemacht worden.
41
Das Berufungsgericht wollte mit seiner missverständlichen Formulierung aber offensichtlich darauf abstellen, dass der Rechtsinhaber zum Zeitpunkt der in Rede stehenden Verletzungshandlungen während eines Zeitraums von wenigstens rund 48 Jahren wegen gleichartiger Verletzungshandlungen keine Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz oder Bereicherungsausgleich geltend gemacht hatte. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerin die Filmsequenz in den ersten 20 bis 30 Jahren nach der Erstausstrahlung mehr als 100 Mal gesendet, ohne dass H. E. dagegen vorgegangen ist.
42
Soweit es die Frage der Verwirkung der geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz und Bereicherungsausgleich angeht, hat das Berufungsgericht für das Zeitmoment der Verwirkung ohne Rechtsfehler auf diese Zeitspanne von rund 48 Jahren abgestellt. Zwar lösen wiederholte gleichartige Urheberrechtsverletzungen , die zeitlich unterbrochen auftreten, jeweils neue Ansprüche nicht nur auf Unterlassung, sondern auch auf Schadensersatz und Bereicherungsausgleich aus. Der Grundsatz, dass mit jeder wiederholten gleichartigen Urheberrechtsverletzung die für die Beurteilung des Zeitmoments bei der Verwirkung maßgebliche Frist jeweils neu zu laufen beginnt (vgl. oben Rn. 15 f.), gilt allerdings nur für den Unterlassungsanspruch. Die für die Beurteilung des Zeitmoments der Verwirkung eines Anspruchs auf Schadensersatz oder Bereicherungsausgleich maßgebliche Frist kann bei wiederholten gleichartigen Verletzungshandlungen dagegen mit der ersten Verletzungshandlung beginnen. Eine längere Untätigkeit des Rechtsinhabers gegenüber bestimmten gleichartigen Verletzungshandlungen kann zwar kein berechtigtes Vertrauen des Rechtsverletzers begründen, der Rechtsinhaber dulde auch künftig sein Verhalten und werde weiterhin nicht gegen solche - jeweils neuen - Rechtsverletzungen vorgehen (vgl. oben Rn. 16). Sie kann aber ein berechtigtes Vertrauen des Rechtsverletzers begründen, der Rechtsinhaber werde wegen bereits eingetretener und von ihm geduldeter Rechtsverletzungen im Nachhinein keine Ansprüche auf Schadensersatz oder Bereicherungsausgleich mehr geltend machen.
43
3. Das Berufungsgericht hat hinsichtlich des Umstandsmoments der Verwirkung angenommen, die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe durch Dispositionen zugunsten von E. W. einen ausreichenden Besitz- stand geschaffen. Das Amtsgericht Charlottenburg hatte in einem von E. W. gegen die Rechtsvorgängerin der Beklagten, den Sender Freies Berlin, geführten Rechtsstreit mit Urteil vom 15. August 1996 rechtskräftig festgestellt , dass E. W. die ausschließlichen inländischen Nutzungsrechte an der Filmsequenz zustehen. E. W. hatte geltend gemacht, er habe diese Rechte von H. S. erworben. Der anschließende Schadensersatzprozess vor dem Landgericht Berlin hatte am 30. März 1999 mit einem Vergleich geendet. Darin hatte sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten verpflichtet, E. W. 500.000 DM zu zahlen; mit Zahlung dieses Betrages sollten auch hinsichtlich der hier in Rede stehenden Filmsequenz sämtliche Nutzungen durch sie in der Vergangenheit abgegolten sein und sollte ihr für die Zukunft eine begrenzte Nutzungsberechtigung eingeräumt werden.
44
Die Revision macht ohne Erfolg geltend, der Senatsentscheidung „Stühle und Tische“ (BGH, GRUR 1981, 652) liege unausgesprochen der Rechtssatz zugrunde, dass rechtsverletzende Umsätze in Höhe von 1% des jährlichen Gesamtumsatzes für die Begründung eines wertvollen Besitzstandes als notwendige Voraussetzung einer Verwirkung urheberrechtlicher Ansprüche nicht ausreichten. Der an E. W. bezüglich der Filmsequenz gezahlte Vergleichsbetrag in Höhe von 500.000 DM reiche danach für die Begründung eines wertvollen Besitzstands der Beklagten nicht aus, weil dieser Betrag im Vergleich zum Jahresbudget der Beklagten und schon allein unter Berücksichtigung des Jahresgehalts ihrer Intendantin von 220.000 € als Marginalie erscheine.
45
Aus der Senatsentscheidung „Stühle und Tische“ lässt sich der von der Revision formulierte Rechtssatz nicht ableiten. Der Senat hat Umsätze, die lediglich 1% des jährlichen Gesamtumsatzes eines Verletzers ausmachten, allein unter den in jenem Streitfall vorliegenden Umständen - und nicht etwa generell - für nicht ausreichend erachtet, um den für eine Verwirkung der geltend gemachten Unterlassungsansprüche erforderlichen wertvollen Besitzstand des Verletzers zu begründen (BGH, GRUR 1981, 652, 653 - Stühle und Tische).
46
Darüber hinaus setzt die Verwirkung von Ansprüchen auf Schadensersatz oder Bereicherungsausgleich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keinen schutzwürdigen Besitzstand voraus, wie er für die Verwirkung eines Unterlassungsanspruchs erforderlich ist. Voraussetzung ist vielmehr allein , dass der Schuldner auf Grund eines hinreichend lange dauernden Duldungsverhaltens des Rechtsinhabers darauf vertrauen durfte, dieser werde nicht mehr mit Zahlungsansprüchen wegen solcher Handlungen an ihn herantreten , die er auf Grund des geweckten Duldungsanscheins vorgenommen hat. Statt eines Besitzstands im Sinne der sachlich-wirtschaftlichen Basis für die künftige wirtschaftliche Betätigung des Verletzers, wie er für den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch entscheidend ist, genügt es, wenn der Schuldner sich bei seinen wirtschaftlichen Dispositionen darauf eingerichtet hat und einrichten durfte, keine Zahlung an den Gläubiger (mehr) leisten zu müssen (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2000 - X ZR 150/98, BGHZ 146, 217, 222 f. - Temperaturwächter; Urteil vom 31. Juli 2008 - I ZR 171/05, GRUR 2008, 1104 Rn. 36 = WRP 2008, 1532 - Haus & Grund II, jeweils mwN).
47
Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die Beklagte hat sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts jedenfalls im Blick auf die Zahlungen an E. W. darauf eingerichtet und durfte sich auch darauf einrichten, wegen der Nutzung dieses Filmmaterials nicht auch noch von anderen Personen auf Zahlung in Anspruch genommen zu werden.
48
4. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann aber nicht angenommen werden, dass unter diesen Umständen sämtliche Ansprüche der Klä- ger auf Schadensersatz und Bereicherungsausgleich verwirkt sind. Vielmehr sind allein die Ansprüche verwirkt, die auf Verletzungshandlungen beruhen, die in der Zeit bis zum 31. Dezember 2007 vorgenommen worden sind.
49
Verhält sich ein Rechtsinhaber gegenüber Zuwiderhandlungen gegen seine Rechte längere Zeit untätig, obwohl er den Verletzungstatbestand kannte oder doch kennen musste, können dadurch allenfalls diejenigen Ansprüche auf Schadensersatz und Bereicherungsausgleich verwirkt werden, die bis zu einer Abmahnung des Verletzers durch den Rechtsinhaber entstanden waren. Nach einer Abmahnung durch den Verletzten muss der Verletzer wieder damit rechnen , wegen künftiger Verletzungshandlungen auf Schadensersatz oder Bereicherungsausgleich in Anspruch genommen zu werden (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 1957 - I ZR 83/56, BGHZ 26, 52, 66 f. - Sherlock Holmes; BGHZ 67, 56, 67 - Schmalfilmrechte; vgl. auch OLG Hamburg, ZUM-RD 2002, 181, 200; Wild in Schricker/Loewenheim aaO § 97 UrhG Rn. 200; J.B. Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Aufl., § 102 UrhG Rn. 12). Danach sind im Streitfall jedenfalls diejenigen Ansprüche nicht verwirkt, die auf Verletzungshandlungen gestützt sind, die nach der Abmahnung vom 31. August 2010 vorgenommen worden sind.
50
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die hier in Rede stehenden Ansprüche auf Schadensersatz und Bereicherungsausgleich gemäß § 102 Satz 1 UrhG, §§ 195, 199 Abs. 1 BGB der (kurzen) regelmäßigen Verjährung von drei Jahren unterliegen und eine weitere Abkürzung dieser Verjährungsfrist durch Verwirkung nur noch unter ganz besonderen Umständen angenommen werden kann; dem Gläubiger soll die Regelverjährung grundsätzlich ungekürzt erhalten bleiben, um ihm die Möglichkeit zur Prüfung und Überlegung zu geben, ob er einen Anspruch gerichtlich geltend macht (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 20. Juli 2010, EnZR 23/09, NJW 2011, 212 - Stromnetznutzungsentgelt IV, mwN; Urteil vom 11. Oktober 2012, VII ZR 10/11, NJW 2012, 3569; Urteil vom 29. Januar 2013 - EnZR 16/12, juris Rn. 13). Da hier keine besonderen Umstände vorliegen, sind danach auch diejenigen Ansprüche nicht verwirkt, die zum Zeitpunkt der die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmenden Erhebung der Klage im Jahr 2011 nicht verjährt waren. Da die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, waren zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahr 2011 diejenigen Ansprüche verjährt, die auf Verletzungshandlungen gestützt sind, die bis zum 31. Dezember 2007 vorgenommen worden sind. Dagegen waren diejenigen Ansprüche, die auf Verletzungshandlungen gestützt sind, die seit dem 1. Januar 2008 vorgenommen worden sind, nicht verjährt und damit auch nicht verwirkt.
51
C. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Kläger unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als das Berufungsgericht hinsichtlich des Anspruchs auf Auskunftserteilung (Antrag zu 2) und soweit es hinsichtlich der Ansprüche auf Wertersatz und Erlösherausgabe (Antrag zu 3), die sich auf Verletzungshandlungen beziehen, die in der Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 3. November 2011 vorgenommen worden sind, zum Nachteil der Kläger erkannt hat. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da es noch weiterer Feststellungen insbesondere dazu bedarf, ob die von der Beklagten verwerteten Filme von H. E. angefertigt wurden und - gegebenenfalls - ob H. E. den Klägern die ausschließlichen Nutzungsrechte an diesen Filmen einräumen konnte; ist dies der Fall, kann im Blick auf den Unterlassungsanspruch ferner zu klären sein, ob die Filmbilder noch urheberrechtlich geschützt sind.
Bornkamm Pokrant Schaffert
Kirchhoff Koch
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 20.05.2011 - 15 O 573/10 -
KG Berlin, Entscheidung vom 28.03.2012 - 24 U 81/11 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DESVOLKES
URTEIL
I ZR 17/10 Verkündet am:
9. Juni 2011
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Computer-Bild
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 und 3; EGBGB Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10

a) In einer Werbeanzeige für ein Zeitschriftenabonnement, der ein Bestellformular beigefügt
ist, mit dem die Zeitschrift abonniert werden kann, muss gemäß § 312c
Abs. 1 BGB, Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB, § 312d Abs. 4 Nr. 3 BGB darauf
hingewiesen werden, dass im Falle einer Bestellung kein Widerrufsrecht besteht.

b) Zeitungen und Zeitschriften zählen nicht zu den Haushaltsgegenständen des täglichen
Bedarfs im Sinne des § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB.

c) Die Regelung des § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB gilt nicht für den herkömmlichen Versandhandel.

d) Die für Ratenlieferungsverträge gemäß § 505 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 und 3,
§ 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB geltende Bagatellgrenze von 200 € ist bei Fernabsatzverträgen
nicht entsprechend anwendbar.
Die Vorschrift des Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB über die Verpflichtung zur Belehrung
über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts ist im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG
dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.
BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - I ZR 17/10 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. Juni 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und
die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Koch und Dr. Löffler

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 3. Zivilsenat, vom 17. Dezember 2009 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist eine in die Liste nach § 4 UKlaG eingetragene qualifizierte Einrichtung. Die Beklagte ist der Springer-Verlag. Sie verlegt unter anderem die 14-tägig erscheinende Zeitschrift „Computer Bild“. Darin veröffentlichte sie im Juni 2008 eine Anzeige, in der sie für ein Jahresabonnement dieser Zeitschrift zum Preis von 91 € (mit DVD) oder 65 € (mit CD) warb. Die Bestellung konnte mit einer Postkarte oder einem Coupon, die der Anzeige beigefügt waren , aufgegeben werden. Angaben zum Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts enthielten weder die Anzeige noch die Postkarte oder der Coupon. Die Beklagte lässt ihren Abonnenten die Zeitschrift durch die Deutsche Post AG zustellen.
2
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte verstoße gegen ihre Verpflichtung nach § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB aF, Art. 240 EGBGB, § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV, § 312d Abs. 4 Nr. 3 BGB aF, die Verbraucher vor Abgabe der auf den Abschluss eines solchen Vertrags gerichteten Erklärung darauf hinzuweisen , dass ihnen kein Widerrufsrecht zustehe. Sie sieht darin zugleich einen Verstoß gegen § 3 UWG, weil es sich bei diesen Vorschriften um Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG handele. Die Klägerin nimmt die Beklagte gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG, § 8 Abs. 3 Nr. 3 und Abs. 1 Satz 1 UWG auf Unterlassung und gemäß § 5 UKlaG, § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG auf Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch.
3
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht (OLG Hamburg, AfP 2010, 582) das Urteil des Landgerichts unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, 1. es zu unterlassen, Verbraucher in Printmedien aufzufordern oder auffordern zu lassen, eine dort vorformulierte, auf den Abschluss eines Vertrages über die regelmäßig wiederkehrende Lieferung einer Zeitschrift gerichtete Erklärung mit Namen, Adresse und Unterschrift zu versehen und an ein ebenfalls dort bezeichnetes Postfach zu übersenden, ohne an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass ein Widerrufsrecht nicht besteht, wie geschehen in der mit dem Urteil verbundenen Anlage K 2; 2. an die Klägerin 214 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. November 2008 zu zahlen.
4
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe:


5
A. Das Berufungsgericht hat angenommen, die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten seien begründet, weil die Beklagte gegen ihre Verpflichtung aus § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB (aF), Art. 240 EGBGB, § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV, § 312d Abs. 4 Nr. 3 BGB (aF) verstoßen habe, hinsichtlich der beworbenen Zeitschriftenabonnements auf das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts hinzuweisen. Dazu hat es ausgeführt:
6
Die Regelung des § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB (aF) sei anwendbar, weil die beworbenen Verträge nach § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB Fernabsatzverträge seien. Der Ausnahmetatbestand des § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB greife nicht ein. Es handele sich nicht um Verträge über die Lieferung von „sonstigen Haushaltsgegenständen des täglichen Bedarfs“, weil es nicht um die einmalige Lieferung , sondern um das Jahresabonnement einer Zeitschrift gehe. Zudem liege auch keine „Lieferung im Rahmen häufiger und regelmäßiger Fahrten“ vor, denn dazu müsse das Unternehmen die Lieferung selbst ausführen; es genüge nicht, wenn es - wie hier - ein Logistikunternehmen wie die Deutsche Post AG damit beauftrage. Auch aus der verhältnismäßig geringen wirtschaftlichen Bedeutung der beworbenen Abonnements folge nicht, dass diese dem Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts entzogen seien.
7
Die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV überschreite nicht die Ermächtigungsgrundlage des Art. 240 EGBGB. Die Beklagte habe gegen ihre Verpflichtung aus § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV zur Information über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts verstoßen. Nach § 312d Abs. 4 Nr. 3 BGB (aF) bestehe hinsichtlich der beworbenen Zeitschriftenabonnements kein Widerrufsrecht. Hierauf werde weder in der Anzeige noch auf der Bestellpostkarte oder dem Bestellcoupon hingewiesen.
8
B. Die Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung (dazu
I) und Erstattung von Abmahnkosten (dazu II) begründet sind.
9
I. Die Klägerin kann von der Beklagten verlangen, dass sie es unterlässt, wie in der beanstandeten Zeitungsanzeige für Zeitschriftenabonnements zu werben, ohne auf das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts hinzuweisen.
10
1. Die Klägerin ist als in die Liste nach § 4 UKlaG eingetragene qualifizierte Einrichtung berechtigt, Unterlassungsansprüche wegen Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über Fernabsatzverträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG) und wegen Zuwiderhandlung gegen § 3 UWG8 Abs. 3 Nr. 3 und Abs. 1 Satz 1 UWG) geltend zu machen.
11
2. Die Klägerin hat ihren Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr gestützt und dazu eine ihrer Auffassung nach von der Beklagten im Juni 2008 begangene Zuwiderhandlung vorgetragen. Der Unterlassungsanspruch ist daher nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten der Beklagten nach dem zur Zeit der Begehung im Juni 2008 geltenden Recht gegen Bestimmungen über die Verpflichtung zur Widerrufsbelehrung bei Fernabsatzverträgen verstieß und wettbewerbswidrig war, weil es andernfalls an der Wiederholungsgefahr fehlt (dazu 3). Da der Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet ist, muss das beanstandete Verhalten der Beklagten zudem nach dem zur Zeit der Entscheidung im Juni 2011 geltenden Recht gegen diese Bestimmungen verstoßen und wettbewerbswidrig sein (dazu 4; st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 23/08, GRUR 2010, 652 Rn. 10 = WRP 2010, 872 - Costa del Sol, mwN).
12
3. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Beklagte mit der beanstandeten Werbung für Abonnements der Zeitschrift „Computer Bild“ gegen die im Juni 2008 bestehende Verpflichtung aus § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB aF, Art. 240 EGBGB, § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV, § 312d Abs. 4 Nr. 3 BGB aF verstoßen hat, die angesprochenen Verbraucher rechtzeitig vor Abgabe von deren Vertragserklärung darüber zu informieren, dass sie kein Widerrufsrecht haben (dazu a bis d). Die Beklagte hat damit zugleich gegen §§ 3, 4 Nr. 1 UWG verstoßen, weil es sich dabei um Vorschriften handelt, die auch dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (dazu e).
13
a) Der Unternehmer hat dem Verbraucher nach § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB aF rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung in einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel entsprechenden Weise klar und verständlich und unter Angabe des geschäftlichen Zwecks die Informationen zur Verfügung zu stellen, für die dies in der Rechtsverordnung nach Art. 240 EGBGB bestimmt ist.
14
aa) Die Vorschrift des § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB aF ist im Streitfall grundsätzlich anwendbar. Die Bestimmung gilt nur bei Fernabsatzverträgen. Fernabsatzverträge sind nach § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB unter anderem Verträge über die Lieferung von Waren, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden. Fernkommunikationsmittel sind nach § 312b Abs. 2 BGB Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden können; dazu gehören insbesondere Briefe. Die beanstandete Werbung des beklagten Unternehmens ist danach auf den Abschluss von Fernabsatzverträgen gerichtet, da die umworbenen Verbraucher das beworbene Jahresabonnement der Zeitschrift „Computer Bild“ durch Übersendung einer Postkarte oder eines Coupons bestellen können.
15
bb) Die Anwendung des § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB aF ist nicht nach § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung finden die Vorschriften über Fernabsatzverträge keine Anwendung auf Verträge über die Lieferung von Lebensmitteln, Getränken oder sonstigen Haushaltsgegenständen des täglichen Bedarfs, die am Wohnsitz, am Aufenthaltsort oder am Ar- beitsplatz eines Verbrauchers von Unternehmern im Rahmen häufiger und regelmäßiger Fahrten geliefert werden.
16
(1) Die beanstandete Werbung für ein Jahresabonnement der 14-tägig erscheinenden Zeitschrift „Computer Bild“ zielt nicht auf den Abschluss von Verträgen über die Lieferung eines Haushaltsgegenstands des täglichen Bedarfs. Zeitungen und Zeitschriften zählen nicht zu den Haushaltsgegenständen des täglichen Bedarfs im Sinne des § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB (aA Palandt/Grüneberg , BGB, 70. Aufl., § 312b Rn. 15; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312b Rn. 119).
17
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts erfasst § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB allerdings auch Verträge, die eine Verpflichtung zum fortlaufenden Bezug eines Haushaltsgegenstands des täglichen Bedarfs begründen. Dem Wortlaut dieser Bestimmung ist nicht zu entnehmen, dass sie lediglich bei Verträgen über die einmalige Lieferung eines solchen Haushaltsgegenstandes eingreift. Auch aus den Gesetzesmaterialien geht nicht hervor, dass diese Regelung nicht für Dauerbezugsverpflichtungen gelten soll. Nach der Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum Regierungsentwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge soll die Ausnahmebestimmung beispielsweise vorliegen, wenn sich ein Verbraucher jeden Morgen vom Bäcker seine Brötchen oder vom Milchgeschäft seine Milch liefern lässt (BT-Drucks. 14/3195, S. 30). Daraus ergibt sich, dass sich die Vorschrift auf Verträge zur regelmäßigen Lieferung von Haushaltsgegenständen des täglichen Bedarfs erstrecken kann. Es ist kein vernünftiger Grund erkennbar, weshalb die regelmäßige Lieferung von Brötchen oder Milch insoweit anders zu beurteilen sein sollte als die regelmäßige Lieferung einer Zeitung oder Zeitschrift.
18
Soweit die Gefahren einer langfristigen Bezugsbindung im Interesse des Verbraucherschutzes ein Widerrufsrecht erfordern, ist dieses durch die Bestimmungen über Ratenlieferungsverträge gewährleistet. Bei Verträgen mit einem Unternehmer, in denen die Willenserklärung des Verbrauchers auf den Abschluss eines Vertrags gerichtet ist, der die regelmäßige Lieferung von Sa- chen gleicher Art zum Gegenstand hat, steht dem Verbraucher nach § 505 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 und 3 BGB aF (jetzt § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 und 3 BGB), § 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zu, soweit die Summe aller vom Verbraucher bis zum frühestmöglichen Kündigungszeitpunkt zu entrichtenden Teilzahlungen 200 € übersteigt. Diese Regelung ist auf Zeitschriftenabonnementverträge anwendbar (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 2004 - I ZR 90/01, GRUR 2004, 522, 523 = WRP 2004, 608 - Zeitschriftenabonnement im Internet).
19
Der Einordnung der in Rede stehenden Zeitschrift als Haushaltsgegenstand des täglichen Bedarfs steht ferner nicht entgegen, dass sie nicht täglich, sondern 14-tägig erscheint. Maßgeblich ist nicht die Häufigkeit des Erwerbs, sondern die der Benutzung. Auch eine Tube Zahnpasta ist - wie die Revision zutreffend geltend macht - ein Haushaltsgegenstand des täglichen Bedarfs, auch wenn sie nicht täglich erworben wird.
20
Aus der Systematik des Gesetzes ergibt sich jedoch - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - dass § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB keine Verträge über die Lieferung von Zeitungen oder Zeitschriften erfasst. Die Vorschrift des § 312d Abs. 4 Nr. 3 BGB aF regelt, dass das dem Verbraucher bei Fernabsatzverträgen zustehende Widerrufsrecht, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, bei Fernabsatzverträgen zur Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten nicht besteht (dazu Rn. 36-38). Daraus ist zu schließen, dass Fernabsatzverträge zur Lieferung von Zeitungen und Zeitschriften nicht bereits nach § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB vom Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts ausgenommen sein sollen.
21
(2) Die Zeitschrift sollte auch nicht - wie von § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB weiter vorausgesetzt - von einem Unternehmer im Rahmen häufiger und regelmäßiger Fahrten geliefert werden.
22
Es kann offenbleiben, ob § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB nur eingreift, wenn die Haushaltsgegenstände des täglichen Bedarfs von demjenigen Unternehmer oder Mitarbeitern desjenigen Unternehmers, mit dem der Verbraucher den Fernabsatzvertrag geschlossen hat (vgl. § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB aF), geliefert werden, oder ob diese Bestimmung - wie die Revision geltend macht - auch dann eingreifen kann, wenn dieser Unternehmer die Haushaltsgegenstände von einem anderen Unternehmer an den Verbraucher liefern lässt. Für die letztgenannte Ansicht könnte der Umstand sprechen, dass in § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB nicht „von dem Unternehmer“, sondern „von Unternehmern“ die Rede ist und die deutsche Fassung des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (Fernabsatzrichtlinie ), dessen Umsetzung in das deutsche Recht § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB dient, gleichfalls nicht „von dem Lieferer“, mit dem der Verbraucher den Fernabsatzvertrag geschlossen hat (vgl. Art. 2 Nr. 1 Fernabsatzrichtlinie), sondern „von Händlern“ spricht. Auch in anderen sprachlichen Fassungen verwenden die Regelungen des Art. 2 Nr. 1 und des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Fernabsatzrichtlinie insoweit unterschiedliche Bezeichnungen (so beispielsweise in der englischen Fassung „supplier“ [Anbieter; Lieferer] und „regular roundsmen“ [Austräger] oder in der französischen Fassung „fournisseur“ [Anbieter; Lieferer] und „distributeurs“ [Auslieferer; Händler]).
23
Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Voraussetzungen des § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB jedenfalls dann nicht erfüllt sind, wenn der Unternehmer - wie hier die Beklagte - ein Logistikunternehmen wie die Deutsche Post AG mit der Auslieferung beauftragt; die Regelung gilt nicht für den herkömmlichen Versandhandel (MünchKomm.BGB/Wendehorst, 5. Aufl., § 312b Rn. 80; Staudinger/Thüsing, BGB, Neubearbeitung 2005, § 312b Rn. 77; Schmidt-Räntsch in Bamberger/Roth, Beck‘scher Online-Kommentar BGB, Stand: 1. März 2011, § 312b Rn. 51; Erman/Saenger, BGB, 13. Aufl., § 312b Rn. 16 und 17a; Palandt/Grüneberg aaO § 312b Rn. 15; Junker in jurisPK -BGB, 5. Aufl., § 312b Rn. 101; Ring in Anwaltkommentar BGB, § 312b Rn. 131; Jauernig/Stadler, BGB, 13. Aufl., § 312b Rn. 10; Micklitz in Micklitz/ Tonner, Vertriebsrecht, § 312b BGB Rn. 84; Lütcke aaO § 312b Rn. 120; Härting , Fernabsatzgesetz, § 1 FernabsG Rn. 138; Micklitz/Schirmbacher in Spindler /Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2. Aufl., § 312b BGB Rn. 60 und

62).


24
Nach dem Wortlaut des § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB und des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Fernabsatzrichtlinie sind nicht sämtliche Fernabsatzverträge über die Lieferung von Haushaltsgegenständen des täglichen Bedarfs, die am Wohnsitz, am Aufenthaltsort oder am Arbeitsplatz eines Verbrauchers geliefert werden, vom Anwendungsbereich der Vorschriften über Fernabsatzverträge ausgenommen, sondern nur die Verträge, bei denen diese Haushaltsgegenstände von Unternehmern oder Händlern im Rahmen häufiger und regelmäßiger Fahrten geliefert werden. Diese Einschränkung der Ausnahmebestimmung liefe weitgehend leer, wenn zu diesen Unternehmern oder Händlern auch Logistikunternehmen zu rechnen wären. Dann wäre der gesamte Versandhandel von Haushaltsgegenständen des täglichen Bedarfs den Vorschriften des Fernabsatzrechts von vornherein entzogen. Dies widerspräche aber dem mit diesen Bestimmungen verfolgten Ziel des Verbraucherschutzes.
25
cc) Jahresabonnements der hier in Rede stehenden Art sind, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, auch nicht im Blick auf ihre verhältnismäßig geringe wirtschaftliche Bedeutung von den Regelungen des Fernabsatzrechts ausgenommen.
26
Im Regierungsentwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge heißt es in der Begründung zu § 1 Abs. 3 Nr. 5 FernabsatzG - der (wortgleichen) Vorgängerregelung des § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB - bei solchen Verträgen über Hauslieferungen seien Informationen nicht nötig und ein Widerrufsrecht meist nicht zweckmäßig (BT-Drucks. 14/2658, S. 33). Dieser Begründung lässt sich entgegen der Ansicht der Revision nicht entnehmen, dass die Anwendbarkeit der Vorschriften des Fernabsatzrechts nach der Vorstellung des Gesetzgebers vom wirtschaftlichen Wert der geschlossenen Fernabsatzverträge abhängen sollte.
27
Auch aus dem Umstand, dass gemäß § 505 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 und 3, § 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB bei Ratenlieferungsverträgen - wie ausgeführt (vgl. Rn. 18) - ein Widerrufsrecht des Verbrauchers nur besteht, wenn die Summe aller vom Verbraucher bis zum frühestmöglichen Kündigungszeitpunkt zu entrichtenden Teilzahlungen 200 € übersteigt, folgt entgegen der Ansicht der Revision nicht, dass auch das Fernabsatzrecht bei Beträgen von weniger als 200 € von vornherein unanwendbar ist. Weder die Fernabsatzrichtlinie noch die deutschen Vorschriften über Fernabsatzverträge sehen bei Fernabsatzverträgen eine Bagatellgrenze für das Widerrufsrecht vor. Das Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen und das Widerrufsrecht bei Ratenlieferungsverträgen bestehen zudem aus unterschiedlichen Gründen und unabhängig voneinander (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge , BT-Drucks. 14/2658, S. 35 und 44). Eine entsprechende Anwendung der für Ratenlieferungsverträge geltenden Bagatellgrenze von 200 € auf Fernabsatzverträge kommt daher nicht in Betracht.
28
b) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV muss der Unternehmer dem Verbraucher gemäß § 312c Abs. 1 BGB Informationen über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts sowie die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung und die Rechtsfolgen des Widerrufs zur Verfügung stellen. Entgegen der Ansicht der Revision ist diese Regelung nicht deshalb unwirksam, weil sie die durch die Ermächtigungsgrundlage des Art. 240 EGBGB gezogenen Grenzen überschreitet, soweit sie eine Verpflichtung zur Information über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts vorsieht.
29
aa) Die Vorschrift des Art. 240 Nr. 1 EGBGB ermächtigt das Bundesministerium der Justiz, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates unter Beachtung der vorgeschriebenen Angaben nach der Fernab- satzrichtlinie festzulegen, über welche Einzelheiten des Vertrags vor Abschluss eines Fernabsatzvertrags zu informieren ist.
30
bb) Die Verpflichtung zur Information über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts ist nicht durch den Verordnungsgeber, sondern durch den parlamentarischen Gesetzgeber durch Art. 3 des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 7. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3102, 3104) in § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV eingefügt worden. Dem parlamentarischen Gesetzgeber ist es zwar grundsätzlich gestattet, eine Verordnung durch Gesetz zu ändern (BVerfG, Beschluss vom 13. September 2005, 2 BvF 2/03, BVerfGE 114, 196 Rn. 193 ff.). Auch er ist dabei jedoch an die Grenzen der Ermächtigungsgrundlage gebunden (BVerfGE 114, 196 Rn. 209).
31
cc) Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich aus Art. 240 Nr. 1 EGBGB nicht, dass der Verordnungsgeber ausschließlich dazu ermächtigt sein sollte, die in der Fernabsatzrichtlinie getroffenen Regelungen in deutsches Gesetzesrecht umzusetzen. Art. 240 Nr. 1 EGBGB ermächtigt den Verordnungsgeber festzulegen, über welche Einzelheiten eines Fernabsatzvertrags die Verbraucher vor dessen Abschluss zu informieren sind. Bei der Festlegung dieser Informationspflichten hat der Verordnungsgeber zwar die von der Fernabsatzrichtlinie vorgeschriebenen Angaben zu beachten; das hindert ihn jedoch nicht daran, weitergehende Informationspflichten vorzusehen.
32
dd) Anders als die Revision meint, lässt sich der Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts zu § 312c BGB nicht entnehmen, dass der Verordnungsgeber lediglich dazu ermächtigt sein sollte, in der nach Art. 240 EGBGB zu erlassenden Rechtsverordnung die gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 7 FernabsG bereits bestehende Verpflichtung zur Unterrichtung über das Bestehen eines Widerrufsrechts festzulegen.
33
Zwar heißt es in der Vorbemerkung zur Begründung von § 312c BGB, die Neufassung dieser Bestimmung beruhe insbesondere darauf, dass die sich bislang in § 2 FernabsG in den Absätzen 2 und 3 befindlichen Informationspflichten in die Verordnung über Informationspflichten nach Bürgerlichem Recht, dort § 1 Abs. 1 und 2 BGB-InfoV, ausgelagert würden (BT-Drucks. 14/6040, S. 168). Daraus folgt jedoch nicht, dass der Verordnungsgeber nicht zur Festlegung weiterer Informationspflichten ermächtigt werden sollte. Soweit in der Begründung zu Absatz 1 des § 312c BGB von bestehenden Informationspflichten die Rede ist, sind damit - entgegen der Darstellung der Revision - allein die bestehenden Informationspflichten aus der Verordnung über Informationspflichten von Reiseveranstaltern und der Verordnung über Kundeninformationspflichten gemeint (BT-Drucks. 14/6040, S. 168).
34
In der Vorbemerkung zur Begründung von Art. 4 (Änderung der Verordnung über Informationspflichten der Reiseveranstalter) heißt es, das Bundesministerium der Justiz werde mit den neuen Art. 240 bis 242 EGBGB ermächtigt, weitere Informationspflichten durch Rechtsverordnung zu regeln. Die neuen und die bestehenden Informationspflichten aus der Verordnung über Informationspflichten von Reiseveranstaltern und der Verordnung über Kundeninformationspflichten sollten in einer einheitlichen Verordnung zusammengefasst werden (BT-Drucks. 14/6040, S. 277). Dem ist zu entnehmen, dass es die Verordnungsermächtigung gestattet, unter Beachtung der in der Fernabsatzrichtlinie vorgeschriebenen Angaben und im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage weitere Informationspflichten beim Abschluss von Fernabsatzverträgen zu schaffen (vgl. auch Begründung zu Art. 240, BT-Drucks. 14/6040, S. 274).
35
ee) Der Verordnungsgeber war danach berechtigt, neben der nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. f Fernabsatzrichtlinie vorgeschriebenen Verpflichtung zur Information über das Bestehen eines Widerrufsrechts auch die in der Fernabsatzrichtlinie nicht vorgesehene Verpflichtung zur Information über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts festzuschreiben. Diese weitergehende Informationspflicht steht, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, mit der Fernabsatzrichtlinie in Einklang, da deren Art. 14 Satz 1 es den Mitgliedstaaten gestattet, in dem unter die Richtlinie fallenden Bereich mit dem EG-Vertrag in Einklang stehende strengere Bestimmungen zu erlassen oder aufrechtzuerhalten , um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher sicherzustellen.
36
c) Nach § 312d Abs. 4 Nr. 3 BGB aF besteht das Widerrufsrecht, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, nicht bei Fernabsatzverträgen zur Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten. Danach ist auch bei den in Rede stehenden Verträgen kein Widerrufsrecht gegeben.
37
aa) Die Regelung des § 312d Abs. 4 Nr. 3 BGB aF gilt auch für Fernabsatzverträge zur Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten im Rahmen eines Abonnements. Der Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312d Abs. 4 Nr. 3 BGB aF wird damit begründet, dass die Ware nach Benutzung oder ansonsten wertlos geworden und deshalb ein Widerrufsrecht für den Unternehmer nicht zumutbar sei (Regierungsentwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge , BT-Drucks. 14/2658, S. 44; vgl. zu § 312d Abs. 4 Nr. 3 BGB nF Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung , BT-Drucks. 16/10734, S. 10). Dies erklärt allerdings nur den Ausschluss des Widerrufsrechts bei Verträgen über die Lieferung einzelner Zeitschriften, nicht aber den Ausschluss des Widerrufsrechts bei Zeitschriftenabonnements (Lütcke aaO § 312d Rn. 86; Micklitz/Schirmbacher in Spindler/Schuster aaO § 312d BGB Rn. 25). Es kann aber nicht angenommen werden, dass diese Bestimmung nur den - praktisch bedeutungslosen - Fernabsatzvertrag über die Lieferung einer einzelnen Zeitung oder Zeitschrift erfassen soll. Diese Annahme verbietet sich schon deshalb, weil sich der Verweis auf andere Bestimmungen („soweit nicht ein anderes bestimmt ist“) auf das Widerrufsrecht bei Ratenlieferungsverträgen nach § 505 Abs. 1 Satz 1 BGB bezieht und damit nur für Zeitschriftenabonnements von Bedeutung ist (vgl. BT-Drucks. 14/2658, S. 44; BTDrucks. 16/10734, S. 10).
38
bb) Im Streitfall ist nicht „etwas anderes bestimmt“. Es besteht kein Widerrufsrecht nach § 505 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 und 3, § 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB (vgl. oben Rn. 18), weil die Summe aller vom Verbraucher bis zum frü- hestmöglichen Kündigungszeitpunkt zu entrichtenden Teilzahlungen 200 € nicht übersteigt. Dabei kann dahinstehen, ob die in Rede stehenden Verträge bereits vor Ablauf eines Jahres gekündigt werden können. Das beworbene Jahresabonnement der Zeitschrift kostet 91 € (mit DVD) oder 65 € (mit CD) und damit jedenfalls weniger als 200 €.
39
d) Die Beklagte hat gegen die Pflichten aus § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB aF, Art. 240 § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV verstoßen. Eine Information über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts weder in der Anzeige noch auf der Bestellpostkarte oder dem Bestellcoupon enthalten.
40
e) Die beanstandete Zeitungsanzeige verstieß damit zugleich gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG.
41
aa) Die vorstehend genannten Bestimmungen über die Verpflichtung zur Information über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts bei Fernabsatzverträgen über Zeitschriften stellen Vorschriften dar, die im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 66/08, GRUR 2010, 1142 Rn. 22 = WRP 2010, 2126 - Holzhocker, mwN).
42
bb) Das Verhalten der Beklagten ist auch geeignet, den Wettbewerb im Sinne des § 3 UWG 2004 zum Nachteil der Mitbewerber und der Verbraucher mehr als nur unerheblich zu beeinträchtigen. Den Verbrauchern werden damit Informationen vorenthalten, die sie für ihre geschäftliche Entscheidung benötigen. Das Fehlen einer Belehrung über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts begründet die Gefahr, dass die Verbraucher im Vertrauen auf das Bestehen eines Widerrufsrechts einen Vertrag über ein Jahresabonnement der Zeitschrift abschließen, den sie dann nicht widerrufen können.
43
4. Der in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch ist auch nach der zum Zeitpunkt der Entscheidung im Juni 2011 geltenden Rechtslage begründet. Die beanstandete Werbung für ein Abonnement der Zeitschrift „Computer Bild“ verstößt gegen die Verpflichtung aus § 312c Abs. 1 BGB, Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB, § 312d Abs. 4 Nr. 3 BGB, die angesprochenen Verbraucher rechtzeitig vor Abgabe einer Vertragserklärung darüber zu informieren, dass sie kein Widerrufsrecht haben (dazu a). Die Beklagte hat damit zugleich gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG verstoßen (dazu b).
44
a) Nach § 312c Abs. 1 BGB hat der Unternehmer den Verbraucher bei Fernabsatzverträgen nach Maßgabe des Art. 246 §§ 1 und 2 EGBGB zu unterrichten. Gemäß Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB muss der Unternehmer dem Verbraucher bei Fernabsatzverträgen rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung in einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel entsprechenden Weise klar und verständlich und unter Angabe des geschäftlichen Zwecks Informationen über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts sowie die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung und die Rechtsfolgen des Widerrufs zur Verfügung stellen. Nach § 312d Abs. 4 Nr. 3 BGB besteht das Widerrufsrecht, soweit nichts anderes bestimmt ist, nicht bei Fernabsatzverträgen zur Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten, es sei denn, dass der Verbraucher seine Vertragserklärung telefonisch abgegeben hat.
45
Da der Gesetzgeber die Verpflichtung zur Belehrung über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts nunmehr in Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB geregelt hat, stellt sich die Frage nach der Reichweite der Verordnungsermächtigung nicht mehr. Der Ausschluss des Widerrufsrechts bei Fernabsatzverträgen zur Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten greift nach der neuen Fassung des § 312d Abs. 4 Nr. 3 BGB zwar nicht mehr ein, wenn der Verbraucher seine Vertragserklärung telefonisch abgegeben hat. Diese Änderung ist im Streitfall jedoch ohne Bedeutung, weil die Klägerin sich lediglich gegen das Unterlassen einer Belehrung, dass kein Widerrufsrecht besteht, wen- det, wenn die Kunden ihre Bestellung mittels Postkarte oder Coupon aufgegeben haben. Im Übrigen sind die gesetzlichen Regelungen unverändert geblieben. Das beanstandete Verhalten der Beklagten verstößt daher nach wie vor gegen diese Vorschriften des Fernabsatzrechts (vgl. oben Rn. 13-39).
46
b) Auch aufgrund der Bestimmungen des am 30. Dezember 2008 in Kraft getretenen Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2949; UWG 2008) ist keine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage eingetreten. Die Änderungen in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG sind für den Streitfall ohne Bedeutung , da die beanstandete Werbung der Beklagten die Voraussetzungen einer Wettbewerbshandlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2004 wie auch einer geschäftlichen Handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2008 erfüllt. Die Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs (§ 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1 UWG) sind gleich geblieben. Die Bestimmung des § 4 Nr. 11 UWG ist in ihrem Wortlaut nicht geändert worden. Ihrer Anwendung steht im Streitfall auch nicht entgegen, dass die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken eine vollständige Angleichung des Rechts der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken bezweckt und in ihrem Anwendungsbereich daher - von ausdrücklich genannten Ausnahmen abgesehen - weder mildere noch strengere nationale Regelungen zulässt. Die hier in Rede stehenden Bestimmungen regeln Informationspflichten, die ihre Grundlage in der im Anhang II der Richtlinie 2005/29/EG aufgeführten Fernabsatzrichtlinie haben (vgl. BGH, GRUR 2010, 1142 Rn. 12 - Holzhocker, mwN). Die Verpflichtung zur Information über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts steht - wie ausgeführt (Rn. 35) - mit der Fernabsatzrichtlinie in Einklang. Das Verhalten der Beklagten ist auch geeignet, die Interessen von Mitbewerbern und Verbrauchern im Sinne des § 3 Abs. 1 und 2 Satz 1 UWG 2008 spürbar zu beeinträchtigen.
47
II. Der Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ist gleichfalls begründet.
48
1. Für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten kommt es allein auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung im Juli 2008 an (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 - I ZR 140/08, GRUR 2010, 1120 Rn. 17 = WRP 2010, 1495 - Vollmachtsnachweis).
49
2. Gemäß § 5 UKlaG ist auf das Verfahren § 12 Abs. 1 UWG anzuwenden. Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden, soweit die Abmahnung berechtigt ist. Die Abmahnung im Juli 2008 war berechtigt, da der Klägerin gegen die Beklagte wegen der beanstandeten Werbung - wie ausgeführt - sowohl nach dem UKlaG als auch nach dem UWG ein Unterlassungsanspruch zustand. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 291 BGB.
50
C. Danach ist die Revision gegen das Berufungsurteil auf Kosten der Beklagten (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen.
Bornkamm Pokrant Büscher
Koch Löffler
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 31.03.2009 - 315 O 455/08 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 17.12.2009 - 3 U 55/09 -

Nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet.

Unlauter handelt, wer

1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4.
Mitbewerber gezielt behindert.

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

(2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.

(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.

(4) Bei der Beurteilung von geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Geschäftliche Handlungen, die für den Unternehmer vorhersehbar das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die auf Grund von geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese geschäftlichen Handlungen oder die diesen zugrunde liegenden Waren oder Dienstleistungen besonders schutzbedürftig sind, sind aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe zu beurteilen.

Unlauter handelt, wer

1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4.
Mitbewerber gezielt behindert.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.

(2) Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet.

(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:

1.
jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt,
2.
denjenigen rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, die in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b eingetragen sind, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt,
3.
den qualifizierten Einrichtungen, die in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind, oder den qualifizierten Einrichtungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2018/302 (ABl. L 60I vom 2.3.2018, S. 1) geändert worden ist, eingetragen sind,
4.
den Industrie- und Handelskammern, den nach der Handwerksordnung errichteten Organisationen und anderen berufsständischen Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben sowie den Gewerkschaften im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben bei der Vertretung selbstständiger beruflicher Interessen.

(4) Stellen nach Absatz 3 Nummer 2 und 3 können die Ansprüche nicht geltend machen, solange ihre Eintragung ruht.

(5) § 13 des Unterlassungsklagengesetzes ist entsprechend anzuwenden; in § 13 Absatz 1 und 3 Satz 2 des Unterlassungsklagengesetzes treten an die Stelle der dort aufgeführten Ansprüche nach dem Unterlassungsklagengesetz die Ansprüche nach dieser Vorschrift. Im Übrigen findet das Unterlassungsklagengesetz keine Anwendung, es sei denn, es liegt ein Fall des § 4e des Unterlassungsklagengesetzes vor.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Koblenz vom 2. März 2010 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, es zu unterlassen, bei geschäftlichen Handlungen im Bereich des Glücksspielwesens Personen unter 18 Jahren (Minderjährigen) durch den Verkauf von sogenannten Rubbellosen die Teilnahme an öffentlichen Glücksspielen zu ermöglichen und/oder diese Handlung durch Dritte zu begehen.

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Beklagten zu 1) die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft zu vollstrecken ist an dem Beklagten zu 2) als gesetzlichem Vertreter der Beklagten zu 1).

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens der ersten Instanz tragen die Parteien wie folgt:

Die Gerichtskosten tragen der Kläger und die Beklagte zu 1) je zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt die Beklagte zu 1) zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt der Kläger zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) trägt der Kläger.

Im Übrigen tragen die Parteien die außergerichtlichen Kosten selbst.

Von den Gerichtskosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 25 % und die Beklagte zu 1) 75 %.

Die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt die Beklagte zu 1) zu 75 %, diejenigen der Beklagten zu 1) trägt der Kläger zu 25 %.

Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) trägt der Kläger.

Im Übrigen tragen die Parteien die außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte zu 1) kann die Vollstreckung in der Hauptsache durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 20.000,00 € abwenden. Die Parteien können die Vollstreckung wegen der Kosten durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden.

Die Abwendungsbefugnis der Parteien entfällt, wenn der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist ein am 30.09.2008 gegründeter Verein, dessen Aufgabenbereich sich aus § 3 der Vereinssatzung (K2) ergibt. Er nimmt die Beklagten auf Unterlassung in Anspruch mit der Begründung, eine minderjährige Testperson habe in zwei Fällen Rubbellose in Annahmestellen der Beklagten zu 1) gekauft.

2

Mitglieder des Klägers sind Unternehmen, die sich auf dem Glücksspielmarkt betätigen, so z.B. ...[A] AG, ...[B] GmbH, ...[C] GmbH, ...[D] GmbH, ...[E] GmbH, ...[E] UK Ltd., ...[F] GmbH, ...[G] GmbH, ...[H] GmbH & Co. KG, ...[I] B.V., ...[J] GmbH, ...[K] GmbH, ...[L] AG, ...[M] GmbH, der ...[N], der ...[O] e.V., der ...[P] und der ...[Q].

3

In Rheinland-Pfalz sind 17 Genehmigungen für gewerbliche Spielvermittler und 30 Genehmigungen für Lotterieeinnehmer erteilt worden. 7 Mitglieder des Klägers sind Inhaber einer Genehmigung in Rheinland-Pfalz.

4

Der Kläger nahm in der Vergangenheit seine Mitglieder nicht wegen Wettbewerbsverstößen in Anspruch. Er führte wettbewerbsrechtliche Verfahren zum großen Teil gegen staatliche Lotteriegesellschaften; in geringem Umfang (K18 – K22) ging er auch gegen andere private Glücksspielanbieter vor.

5

Die Beklagte zu 1) ist die Landeslotteriegesellschaft des Bundeslandes Rheinland-Pfalz und bietet ausschließlich in diesem Bundesland staatlich genehmigte Glücksspiele, u.a. die Lotterie „Lotto 6 aus 49“, Toto, Oddset und Keno an. Die Spielregeln für die von der Beklagten zu 1) angebotenen Glücksspiele sind unterschiedlich. Für die Teilnahme an Keno, Oddset und Toto ist eine Kundenkarte erforderlich.

6

Der Beklagte zu 2) ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 1).

7

Der Kläger hat vorgetragen, ihm gehöre eine erhebliche Anzahl von Unternehmen an, die auf dem Glücksspielmarkt tätig seien. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 20.07.2009 (Bl. 5 – 17) und vom 19.10.2009 (Bl. 159 – 171) Bezug genommen.

8

Er, der Kläger, verfolge seine satzungsmäßige Aufgaben und sei hierzu auch aufgrund seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung in der Lage. Er habe ein frei verfügbares Guthaben in sechsstelliger Höhe.

9

Auf Seiten der Beklagten zu 1) werde gegen die Vorschriften des Minderjährigenschutzes verstoßen, was auch die Interessen seiner Mitglieder berühre. Am 04.04.2009 habe die am …1992 geborene Testkäuferin ...[R] in den Annahmestellen der Beklagten zu 1) in ...[Y] (Lottoannahmestelle ...[S]) und ...[Z] (Tankstelle ...[T]) jeweils unproblematisch ein Rubbellos erwerben können. Es sei prozessual unzulässig, wenn die Beklagten dies mit Nichtwissen bestritten.

10

Der Beklagte zu 2) müsse als Geschäftsführer die geltend gemachten Wettbewerbsverstöße verhindern mit der Folge, dass er ebenfalls auf Unterlassung hafte.

11

Der Kläger hat in erster Instanz zusätzlich Ansprüche auf Auskunft und Gewinnabschöpfung geltend gemacht und beantragt,

12

1. die Beklagten zu verurteilen, es unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft zu vollstrecken ist an dem Beklagten zu 2) als dem gesetzlichen Vertreter der Beklagten zu 1), zu unterlassen, bei geschäftlichen Handlungen im Bereich des Glücksspielwesens Personen unter 18 Jahren (Minderjährigen) die Teilnahme an öffentlichen Glücksspielen zu ermöglichen und/oder dies Handlung durch Dritte zu begehen;

13

hilfsweise:

14

den Beklagten unter Androhung eines Zwangsgeldes bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft, zu vollstrecken an dem Beklagten zu 2) als dem gesetzlichen Vertreter der Beklagten zu 1), oder von Zwangshaft aufzugeben, geeignete Maßnahmen im Glücksspielwesen zu ergreifen, um das Verbot der Teilnahme von Personen unter 18 Jahre (Minderjährige) an öffentlichen Glücksspielen sicherzustellen und durchzusetzen.

15

2. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, ihm unter Vorlage einer geordneten Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben Auskunft darüber zu erteilen, welcher Gewinn aufgrund von Handlungen gemäß Ziffer 1. erzielt worden ist, durch Bekanntgabe des erreichten Umsatzes abzüglich eventueller Herstellungs- und Betriebskosten,

16

3. die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben nach Antrags 2. an Eides statt zu versichern,

17

4. an das Bundesverwaltungsamt, …, den Betrag, der sich aus der gemäß Antrag 2. erteilen Auskunft ergibt, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

18

Die Beklagten haben beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Sie haben die Auffassung vertreten, der Klageantrag sei zu unbestimmt und im Übrigen zu weit gefasst, da lediglich der Verkauf von Rubbellosen an Minderjährige beanstandet werde.

21

Der Kläger sei nicht aktivlegitimiert, weil seine Mitglieder zum Teil nicht in Rheinland-Pfalz tätig seien oder dort keine Konzession besäßen. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Ausführungen in dem Schriftsatz vom 21.09.2009 (Bl. 52/53).

22

Die behaupteten Testkäufe seien unzulässig. Der vorgetragene Ablauf werde bestritten. Bei mehr als 1.000 Kaufsituationen pro Woche liege es auf der Hand, dass sich das Verkaufspersonal der Annahmestellen an einzelne Geschäfte nicht mehr erinnern könne. Im Übrigen handele es sich um Ausreißer.

23

Der Kläger verhalte sich rechtsmissbräuchlich, weil er nur staatliche Lotteriegesellschaften in Anspruch nehme, die er als „natürliche Gegner“ betrachte. Gegen vielfältige und gravierende Wettbewerbsverstöße eigener Mitglieder, die teilweise illegal auf dem deutschen Glücksspielmarkt tätig seien, gehe er dagegen nicht vor. Es sei rechtsmissbräuchlich, wenn der Kläger, der die Regelung des Glücksspielstaatsvertrages für europarechtswidrig halte, von den staatlichen Lotteriegesellschaften, nicht aber von den eigenen Mitgliedern die Einhaltung dieser Vorschriften verlange.

24

Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Vorgehen des Klägers sei rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG. Mitglieder des Klägers seien teilweise ohne Konzession auf dem deutschen Markt tätig, böten Glücksspiele rechtswidrig im Internet an und verhielten sich auch sonst in erheblichem Ausmaß wettbewerbswidrig. Der von dem Kläger im vorliegenden Verfahren gerügte Verstoß sei weitaus weniger gravierend. Nachvollziehbare Gründe, warum der Kläger Verstöße seiner Mitglieder planmäßig dulde und ausschließlich gegen Nichtmitglieder vorgehe, seien nicht ersichtlich. Ihm gehe es unter dem Deckmantel des Gemeinschutzes lediglich um die Behinderung der staatlichen Lottogesellschaften.

25

Gegen dieses Urteil, das seinen Prozessbevollmächtigten am 05.03.2010 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 09.03.2010 Berufung eingelegt und ausgeführt, diese richte sich gegen ein Urteil des Landgerichts Koblenz mit dem Aktenzeichen 4 HK O 74/09. Eine Abschrift des tatsächlich angefochtenen Urteils (4 HK O 121/09) war der Berufungsschrift in der Anlage beigefügt. Mit Schriftsatz vom 31.03.2010, eingegangen bei Gericht am 01.04.2010, stellte der Kläger das Versehen klar.

26

Er behauptet, seine finanzielle Ausstattung sei angesichts der Höhe der liquiden Mittel und einer Nachschusspflicht der Mitglieder ausreichend, um die satzungsgemäßen Aufgaben wahrzunehmen und etwa entstehende Verfahrenskosten zu tragen.

27

Er verhalte sich nicht rechtsmissbräuchlich, da es keine rechtliche Verpflichtung gebe, gegen eigene Mitglieder wettbewerbsrechtlich vorzugehen. Im Übrigen würden – dies ist zwischen den Parteien unstreitig – auch von Seiten der staatlichen Lotteriegesellschaften Verfahren gegen seine Mitglieder geführt. Die Inanspruchnahme der sogenannten Blockgesellschaften beruhe auf der Struktur des Glücksspielmarktes in Deutschland und der Tatsache, dass die staatlichen Gesellschaften nicht ausreichend kontrolliert würden.

28

Jedenfalls fehle es daran, dass er gleichartige Verletzungshandlungen seiner Mitglieder planmäßig dulde. Soweit der Firma ...[E] GmbH ein Verstoß gegen die Vorschriften zum Schutz der Minderjährigen vorgeworfen werde, sei diese Firma bereits von Lotto Schleswig-Holstein gerichtlich in Anspruch genommen worden. Der Vortrag zu einem entsprechenden Verstoß der Firma …[B) sei unsubstantiiert und werde bestritten.

29

Da die Veranstalter von Glücksspielen nach den Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages sicher zu stellen hätten, dass Minderjährige von der Teilnahme ausgeschlossen seien, werde dieser Anspruch mit dem Hilfsantrag geltend gemacht, wobei es den Beklagten überlassen bleibe, auf welche Art und Weise dieser Verpflichtung Genüge getan werde.

30

Der Kläger beantragt,

31

1. die Beklagten zu verurteilen, es unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft zu vollstrecken ist an dem Beklagten zu 2) als dem gesetzlichen Vertreter der Beklagten zu 1), zu unterlassen, bei geschäftlichen Handlungen im Bereich des Glücksspielwesens Personen unter 18 Jahren (Minderjährigen) die Teilnahme an öffentlichen Glücksspielen zu ermöglichen und/oder diese Handlung durch Dritte zu begehen,

32

hilfsweise:

33

den Beklagten unter Androhung eines Zwangsgeldes bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft, zu vollstrecken an dem Beklagten zu 2) als dem gesetzlichen Vertreter der Beklagten zu 1), oder von Zwangshaft aufzugeben, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um das Verbot der Teilnahme von Personen unter 18 Jahren (Minderjährige) an öffentlichen Glücksspielen sicherzustellen und durchzusetzen.

34

Die Beklagten beantragen,

35

die Berufung zurückzuweisen.

36

Sie halten die Berufung wegen der Verwechslung des Aktenzeichens für unzulässig und behaupten weiterhin, dem Kläger fehlten die finanziellen Möglichkeiten, die Kosten der laufenden Verfahren einschließlich möglicher Kostenerstattungsansprüche zu tragen. Die behaupteten Testkäufe seien unzulässig, weil sie unter Verstoß gegen die Vorschriften des Jugendschutzgesetzes durchgeführt worden seien.

37

Dem Kläger gehe es lediglich um eine Schädigung der staatlichen Lotteriegesellschaften zugunsten seiner eigenen Mitglieder. Er nutze missbräuchlich die Privilegien der Verbandsklage nach § 8 Abs. 3 UWG aus. Mitglieder des Klägers, die Firmen ...[E] GmbH und …[B) verstießen gegen den Minderjährigenschutz. Im Übrigen sei das Verhalten der meisten Mitglieder des Klägers noch wesentlich gefährlicher, weil sie insgesamt illegal handelten, nämlich ohne Erlaubnis oder im Internet tätig seien.

38

Hinsichtlich des Hilfsantrags sei der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht gegeben.

39

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätzen nebst Anlagen und die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

40

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 18. August 2010 durch Vernehmung der Zeugen Rechtsanwalt ...[U] und ...[R] sowie ...[V]. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 27. Oktober 2010.

II.

41

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Die irrtümliche Falschbezeichnung des angefochtenen Urteils ist unschädlich, weil dadurch keine unbehebbaren Identitätszweifel entstanden. Vielmehr ergab sich aus der beigefügten Urteilsabschrift das zutreffende Aktenzeichen des angefochtenen Urteils (Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl., Rnr. 33 zu § 519 ZPO). Im Übrigen hat der Kläger noch innerhalb der Berufungsfrist die Falschbezeichnung korrigiert.

42

Gegen die Beklagte zu 1) hat die Berufung teilweise Erfolg.

43

Die Klage ist zulässig. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Hauptantrag hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 ZPO. Ein Verbotsantrag darf nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist dem Vollstreckungsgericht überlassen bliebe (BGH, WRP 2008, 98 ff m.w.N.). Genauso muss der Schuldner, der den Titel freiwillig befolgen will, hinreichend genau wissen, was ihm verboten ist.

44

Nach diesen Maßstäben ist der Klageantrag hinreichend bestimmt. Verboten sind alle Handlungen, die dazu führen, dass Minderjährige an öffentlichen Glücksspielen teilnehmen. Der Umfang dieses Verbots ist auch für den Schuldner ohne weiteres erkennbar.

45

Der Klageantrag ist auch nicht deshalb unbestimmt, weil lediglich der Wortlaut eines gesetzlichen Verbotstatbestands wiederholt wird. Der Klageantrag ist § 4 Abs. 3 S. 2 des Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV) nachgebildet, wonach die Teilnahme von Minderjährigen an öffentlichen Glücksspielen unzulässig ist. Dies führt jedoch nicht zur Unzulässigkeit des Klageantrags, weil die gesetzliche Regelung selbst hinreichend eindeutig und konkret gefasst ist. Dies ergibt sich schon daraus, dass ein Verstoß gegen § 4 Abs. 3 S. 2 GlüStV gemäß 13 Abs. 1 Nr. 2 des rheinland-pfälzischen Landesglücksspielgesetzes (LGlüG) bußgeldbewehrt ist. Bußgeldvorschriften unterliegen wie Strafvorschriften dem Bestimmtheitsgebot, damit die Normadressaten ihr Verhalten auf die Rechtslage einrichten können.

46

Der Kläger ist klagebefugt im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Er ist ein im Vereinsregister eingetragener rechtsfähiger Verein, dessen Zweck nach § 3 seiner Satzung die Förderung der beruflichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Förderung des lauteren Wettbewerbs und die Kontrolle der Einhaltung und der gesetzlichen Bestimmungen ist. Der Kläger ist, wie sich aus den von ihm geführten wettbewerbsrechtlichen Verfahren ergibt, im Rahmen des Satzungszwecks tätig. Bei einem ordnungsgemäß gegründeten und aktiv tätigen Verband wie dem Kläger spricht eine tatsächliche Vermutung für die Zweckverfolgung, die der Gegner grundsätzlich zu widerlegen hat (BGH, GRUR 2000, 1093).

47

Die Antragsbefugnis setzt weiter voraus, dass dem Verband eine erhebliche Zahl von Mitgliedern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt wie der Gegner vertreiben. Dies ist hier der Fall.

48

Der Begriff der Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art in diesem Sinne ist weit auszulegen (BGH, GRUR 2007, 809 f). Maßgebend ist die gemeinsame Zugehörigkeit zur gleichen Branche oder zumindest zu angrenzenden Branchen. Die beiderseitigen Waren oder Dienstleistungen müssen sich ihrer Art nach so gleichen oder nahestehen, dass der Absatz des einen Unternehmens durch ein wettbewerbswidriges Handeln des anderen beeinträchtigt werden kann. Hierzu genügt, dass eine nicht gänzlich unbedeutende potentielle Beeinträchtigung mit einer gewissen, wenn auch nur geringen Wahrscheinlichkeit in Betracht gezogen werden kann (BGH, a.a.O.).

49

Der sachlich relevante Markt ist vorliegend der des Glücksspielwesens. Dieser umfasst sämtliche Lotterien wie Zahlenlotterien und Loslotterien, aber auch Sport- und Pferdewetten, da sich das Angebot an denselben Kundenkreis richtet und die einzelnen Produkte für den angesprochenen Verkehrskreis jeweils substituierbar sind. Der räumliche Markt ist durch das in §§ 4 Abs. 1, 9 Abs. 4 Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) konstituierte Regionalitätsprinzip auf das Bundesland Rheinland-Pfalz beschränkt.

50

Die Antragsbefugnis setzt weiter voraus, dass eine erhebliche Zahl von Mitgliedern diese Voraussetzungen erfüllt. Erheblich im Sinne der Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Zahl der Mitglieder des Verbandes auf dem einschlägigen Markt dann, wenn sie als Unternehmen, bezogen auf den maßgeblichen Markt in der Weise repräsentativ sind, dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbandes ausgeschlossen werden kann. Dabei ist darauf abzustellen, ob die Zahl und die wirtschaftliche Bedeutung der branchenzugehörigen Verbandsmitglieder den Schluss darauf zulassen, dass nicht lediglich Individualinteressen einzelner, sondern objektiv gemeinsame („kollektive“) gewerbliche Interessen der Wettbewerber wahrgenommen werden. Ist der Markt eng und sind dementsprechend nur wenige Mitbewerber vorhanden, so können auch nur zwei oder sogar nur ein Unternehmen als Mitglied ausreichen (BGH, a.a.O.; OLG Köln, MD 2010, 647).

51

Der Senat hat bereits in dem Urteil vom 04.11.2009 in dem zwischen den Parteien geführten Verfahren 9 U 889/09 (WRP 2010, 148 ff.) entschieden, dass dem Kläger eine erhebliche Anzahl von Mitgliedern angehört, die auf dem gleichen Markt tätig sind wie die Beklagte zu 1).

52

In der Entscheidung ist folgendes ausgeführt:

53

„Der Kläger hat glaubhaft dargelegt, dass ihm u. a. die ...[A] AG, die ...[F] GmbH, der ...[N] e.V., die ...[B] GmbH, die ...[G] GmbH, die ...[H] GmbH & Co. KG, die …[K] GmbH und der ...[P] e.V. angehören. Dabei handelt es sich ausweislich der Bekundungen der jeweiligen Unternehmensspitze in den vom Kläger vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen um Unternehmen, die u. a. in Rheinland-Pfalz teils selbst Glücksspiel anbieten bzw. als Vermittler fungieren sowie um Interessenverbände solcher Unternehmen. Hinzu kommen die ...[E] GmbH und die ...[E] UK Ltd., die bundesweit online agieren sowie die …[I] B.V., die ...[D] GmbH, die beabsichtigt auch in Rheinland-Pfalz tätig zu werden, sobald eine Genehmigung vorliegt, und schließlich die …[L] AG, die eine Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit beabsichtigt.

54

Dass es sich bei den von den genannten Mitgliedern des Klägers angebotenen bzw. vermittelten Glücksspielen teilweise um Sportwetten handelt ist unerheblich, da diese, wie oben dargelegt, ebenfalls Teil des maßgeblichen Glücksspielmarktes sind.

55

Letztlich kommt es auch auf die konkrete Anzahl der relevanten Mitglieder des Klägers nicht entscheidend an. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt es vielmehr, wenn im Wege des Freibeweises festgestellt werden kann, dass es dem Verband bei der betreffenden Rechtsverfolgung nach der Struktur seiner Mitglieder um die ernsthafte kollektive Wahrnehmung der Mitgliederinteressen geht (BGH, GRUR 2009, 692 f. m. w. N. – zitiert nach juris). Das ist hier der Fall. Davon, dass der Kläger kollektiv die Interessen seiner Mitglieder wahrnimmt und nicht nur individuelle Einzelinteressen verfolgt, kann ausgegangen werden.

56

Insofern ist es unerheblich, dass einige der Mitglieder des Klägers (noch) keine Genehmigung für den Vertrieb oder die Vermittlung von Glücksspielen besitzen und daher ihre Tätigkeit (derzeit) nicht ausüben oder entgegen § 4 Abs. 4 GlüStV im Internet agieren. Auch bei diesen Mitgliedern handelt es sich jedenfalls um potentielle Mitbewerber der Beklagten. Für die Eigenschaft als Mitbewerber kommt es zudem allein auf das tatsächliche Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses an, unerheblich ist, ob die eigene Tätigkeit, die das Wettbewerbsverhältnis begründet, gesetzwidrig oder wettbewerbswidrig ist (vgl. GRUR 2005, 519 f. m. w. N. – zitiert nach juris). Die Anspruchsberechtigung der einzelnen Mitgliedsunternehmen des Klägers entfällt daher nicht aufgrund des von der Beklagten erhobenen Einwands der „unclean hands“, wonach die Aktivlegitimation im Einzelfall unter besonderen zusätzlichen Voraussetzungen ausgeschlossen sein kann, wenn der Gläubiger seinerseits in gleicher oder vergleichbarer Weise wettbewerbswidrig handelt. Dies folgt hier bereits aus den Besonderheiten des Glücksspielmarktes. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. GRUR 2009, 692 f. – zitiert nach juris) darf die Klagebefugnis von Verbänden auf oligopolistischen Märkten nicht unangemessen eingeschränkt werden. Aufgrund der Monopolstellung der staatlichen Blockgesellschaften herrscht im Bereich des Glücksspielwesens kein ausreichender Wettbewerb mit privaten Anbietern. Könnten Verbände nur gegen staatliche Lottogesellschaften vorgehen, wenn alle ihre Mitglieder legal handeln, blieben deren Wettbewerbsverstöße weitgehend ungeahndet. Der Einwand der „unclean hands“ ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, GRUR 1977, 494 ff. – zitiert nach juris) zudem von vornherein ausgeschlossen, wenn durch den geltend gemachten Verstoß zugleich die Interessen Dritter oder der Allgemeinheit berührt werden, was hier der Fall ist, da die Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrages insbesondere dem Interesse der Allgemeinheit, die Ausweitung der Spiel- und Wettsucht zu verhindern, dienen“.

57

Der Senat hält an dieser Auffassung fest. Die Beklagten sind demgegenüber der Auffassung, als Mitglieder im Sinne des § 8 Abs. 3 UWG dürften nur solche Unternehmen gewertet werden, die aufgrund einer behördlichen Erlaubnis in Rheinland-Pfalz auf dem Glücksspielmarkt tätig seien. Selbst wenn man hiervon ausgeht, hat der Kläger immerhin sieben Mitglieder, die diese Voraussetzungen erfüllen. Angesichts der starken Reglementierung des Glücksspielmarktes reicht diese Anzahl zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 UWG aus.

58

Der Kläger ist nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung in der Lage, seine satzungsmäßigen Aufgaben zu erfüllen. Ein im Sinne des § 8 Abs. 3 UWG klagebefugter Verband muss in der Lage sein, seine Fixkosten aus der Existenz, Grundausstattung und Grundbetätigung, Prozesskosten in Verfahren bis hin zur Revisionsinstanz und gegnerische Kostenerstattungsansprüche zu finanzieren. Die Beklagten bestreiten die hinreichende finanzielle Ausstattung des Klägers. Diese steht jedoch fest aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme.

59

Bei der Prüfung der finanziellen Ausstattung sind nicht nur Mitgliederbeiträge, sondern auch andere Einnahmen des Verbandes zu berücksichtigen. Geht es um die Deckung von Prozesskostenrisiken sind auch etwaige Kostenübernahmezusagen und Bürgschaften Dritter zu berücksichtigen (BGH, GRUR 1990, 282; Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., Rnr. 3.48 zu § 8 UWG).

60

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der Kläger nach seiner finanziellen Ausstattung zur Erfüllung seiner satzungsgemäßen Aufgaben in der Lage ist. Der Zeuge ...[U], der Geschäftsführer des Klägers, hat in der mündlichen Verhandlung am 27.10.2010 bekundet, dass der Kläger derzeit über ein Vermögen von ca. 380.000 € in Form eines Bankguthabens verfüge. Dieser Betrag setze sich zusammen aus Jahresbeiträgen und von ihm im Einzelfall von Mitgliedern angeforderten Beträgen. Grundlage der einzelnen Anforderungen sei eine Vereinbarung der Mitglieder bei Verbandsgründung, dass zur finanziellen Absicherung des Klägers Zahlungen auf Anforderung zu leisten seien, die nicht zurückgefordert werden könnten.

61

Die Aussage des Zeugen ...[U] ist eindeutig und vor dem Hintergrund der Interessenlage der Mitglieder des Klägers inhaltlich nachvollziehbar. Der Senat hat keinen Anlass, an der Richtigkeit der Aussage zu zweifeln, dass der Betrag von ca. 380.000 € dem Kläger uneingeschränkt zur Verfügung steht. Die Aussage ist daher glaubhaft.

62

Aufgrund dieses Guthabens ist die finanzielle Ausstattung des Klägers auch angesichts der laufenden gerichtlichen Verfahren, deren Zahl mit 23 angegeben wird, gesichert. Die Darlegungslast des Klägers geht nicht soweit, dass er im Einzelnen vortragen müsste, welche Kosten aufgrund der laufenden gerichtlichen Verfahren entstehen, noch entstehen können und in wie weit diese Kosten bereits beglichen sind. Insoweit ist eine exakte zahlenmäßige Darstellung bereits deshalb nicht möglich, weil in den einzelnen Fällen die Höhe der festzusetzenden Streitwerte nicht feststeht.

63

Das Erfordernis der hinreichenden finanziellen Ausstattung soll verhindern, dass Wettbewerbsverbände im Rahmen des UWG tätig sind, obwohl sie in finanzieller Hinsicht außer Stande sind, ihre selbst gesetzten Aufgaben zu erfüllen.

64

Dies ist hinsichtlich des Klägers nicht der Fall. Wie der Zeuge ...[U] glaubhaft bekundet hat, hat er in der Vergangenheit immer dafür gesorgt, dass ein sechsstelliger Betrag zur freien Verfügung des Verbandes gestanden hat, so dass die finanzielle Leistungsfähigkeit gesichert war. Geht man hiervon aus und berücksichtigt darüber hinaus einen derzeit frei zur Verfügung stehenden Betrag von 380.000 €, kann von einer unzureichenden finanziellen Ausstattung nicht die Rede sein.

65

Aus der Tatsache, dass sich der dem Kläger noch im September 2010 zur Verfügung stehende Betrag von 450.000 € sich in kurzer Zeit um 70.000 € verringert hat, kann nicht geschlossen werden, dass künftig die ausreichende finanzielle Ausstattung nicht gesichert ist. Dies wäre eine Spekulation ohne hinreichende tatsächliche Grundlage.

66

Der in dem vorliegenden Verfahren geltend gemachte Wettbewerbsverstoß berührt die Interessen der Mitglieder des Klägers. Diese sind, wie alle auf dem Glücksspielmarkt tätigen Unternehmen an § 4 Abs. 3 GlüStV gebunden und dürfen Minderjährige nicht an Glücksspielen teilnehmen lassen. Ein Verstoß gegen § 4 Abs. 3 GlüStV berührt nicht nur Interessen der Allgemeinheit, sondern verschafft dem zuwiderhandelnden Unternehmen einen ungerechtfertigten Vorsprung gegenüber seinen Mitbewerbern und beeinträchtigt auf diese Weise deren Interessen spürbar im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG.

67

Der Senat teilt nicht die Auffassung des Landgerichts, die Klage sei wegen Rechtsmissbrauchs im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG unzulässig.

68

Von einem Missbrauch im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG ist auszugehen, wenn sich der Gläubiger bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs von sachfremden Motiven leiten lässt. Diese müssen allerdings nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein. Ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele überwiegen (BGH, GRUR 2000, 454).

69

Das Landgericht hält das Vorgehen des Klägers für rechtsmissbräuchlich, weil er seit seiner Gründung grundsätzlich nur gegen Außenstehende, im Wesentlichen gegen staatliche Lotteriegesellschaften vorgegangen sei, nicht aber eigene Mitglieder in Anspruch nehme, deren wettbewerbswidriges Verhalten er planmäßig dulde.

70

Der Senat hat sich bereits im Urteil vom 04.11.2009 im Verfahren 9 U 889/09 (WRP 2010, 148 ff) mit dieser Frage auseinander gesetzt und ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers verneint. An dieser Auffassung hält der Senat auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Parteien im vorliegenden Verfahren fest.

71

Die Frage, ob die Auswahl des Verletzers durch den Anspruchsteller zur Annahme eines Rechtsmissbrauchs führen kann, ist umstritten. Teilweise wird diese Möglichkeit verneint mit der Begründung, es gebe keine Rechtsgrundlage für die Verpflichtung eines Verbands, gegen eigene Mitglieder vorzugehen. Außerdem führe die auf die Auswahl des Verletzers gegründete Annahme eines Rechtsmissbrauchs dazu, dass der Einwand der unclean hands abweichend von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Rahmen der Verbandsklage generell erheblich wäre (Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., Rnr. 4.21 zu § 8 UWG; OLG Schleswig, WRP 1996, 937).

72

Für die Entscheidung des Rechtsstreits kann offen bleiben, ob dieser Auffassung zu folgen ist. Auch nach bislang herrschender Ansicht kommt die Annahme eines Rechtsmissbrauchs wegen einer diskriminierenden Auswahl des Verletzers nur in Ausnahmefällen in Betracht.

73

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht es einem Verband ebenso wie dem einzelnen Gewerbetreibenden frei, ob und gegen welche Mitbewerber er Klage erheben will. Eine unzumutbare Benachteiligung des konkret angegriffenen Verletzers gegenüber anderen – etwa deshalb, weil nunmehr allein er die angegriffenen Handlungen unterlassen müsse – ist darin schon deshalb nicht zu sehen, weil es dem Verletzer offen steht, seinerseits gegen gleichartige Verletzungshandlungen seiner von dem Verband nicht angegriffenen Mitbewerber vorzugehen (BGH, GRUR 1997, 681 ff; BGH, GRUR 1997, 538 ff).

74

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine andere Beurteilung gerechtfertigt sein, wenn auf Seiten des Klägers sachfremde Erwägungen vorliegen. So kann ein Missbrauch der Klagebefugnis in Betracht kommen, wenn das Vorgehen eines Wettbewerbsvereins nur gegen einen von mehreren Verletzern, die alle denselben Wettbewerbsverstoß begangen haben, auf sachfremden Erwägungen beruht. Allerdings kann es selbst bei identischer Werbung grundsätzlich noch nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden, wenn ein Verband, der die Frage des Wettbewerbswidrigkeit eines bestimmten Verhaltens höchstrichterlich klären lassen will, zunächst gegen einen Dritten und nicht gegen ein eigenes Mitglied vorgeht (BGH, GRUR 1999, 515; BGH, GRUR 1997, 538; BGH, GRUR 2004, 793).

75

Auch in der Literatur wird ein Rechtsmissbrauch durchgängig an die Voraussetzungen geknüpft, dass der klagende Verband Außenstehende wegen Wettbewerbsverstößen in Anspruch nimmt, die er bei seinen eigenen Mitgliedern trotz geklärter Rechtslage duldet (Großkommentar-Erdmann, Rnr. 138 zu § 13; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 2. Aufl., Rnr. 324 zu § 8; Münchener Kommentar-Fritzsche, Rnr. 472 zu § 8 UWG; Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 6. Aufl., Kapitel 20, Rnr. 25; Gloy/Loschelder/Erdmann, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 4. Aufl., § 79, Rnr. 254).

76

Auch nach diesen Maßstäben ist die Klage nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG.

77

Der Kläger nimmt die Beklagten wegen eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 3 S. 2 GlüStV in Anspruch, wonach die Teilnahme von Minderjährigen an öffentlichen Glücksspielen unzulässig ist. Nach dem Vorbringen der Beklagten ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger gleichartige Verstöße seiner Mitglieder planmäßig duldet. Unstreitig hat die Firma ...[E] GmbH, ein Mitglied des Klägers, gegen § 4 Abs. 3 GlüStV verstoßen. Die fehlende Inanspruchnahme der Firma ...[E] GmbH durch den Kläger führt jedoch schon deshalb nicht zur Rechtsmissbräuchlichkeit der vorliegenden Klage, weil die Firma ...[E] GmbH wegen dieses Verstoßes bereits von einer anderen Lottogesellschaft in Anspruch genommen wurde. Die pauschale Behauptung der Beklagten, auch die Firma …[B) habe gegen Vorschriften zum Schutz Minderjähriger verstoßen, ist ohne nähere Erläuterung unsubstantiiert.

78

Soweit die Beklagten vortragen, Mitglieder des Klägers hätten sich in anderer Weise wettbewerbswidrig verhalten oder seien ohne Erlaubnis und damit illegal tätig, ist dies nicht geeignet, einen Rechtsmissbrauch im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG zu begründen. Sachfremde Erwägungen kommen in Betracht, wenn sich ein Kläger bei gleicher Sachlage ohne nachvollziehbare Gründe unterschiedlich verhält. Dies setzt voraus, dass es jeweils um denselben bzw. einen vergleichbaren Wettbewerbsverstoß geht. Nähme man diese Begrenzung nicht vor und führte jeweils einen Vergleich unterschiedlicher Wettbewerbsverstöße nach Schwere und Ausmaß durch, hätte dies zur Folge, dass im Rahmen der Verbandsklage der Einwand der unclean hands grundsätzlich zulässig wäre, und zwar auch in einem Fall, in dem der Wettbewerbsverstoß wie vorliegend auch Allgemeininteressen berührt und damit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zulässig ist (Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., Rnr. 2.39 zu § 11 UWG). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Gewährleistung des Jugendschutzes ein zentrales Anliegen des Gesetzgebers ist.

79

Der Vorwurf der Beklagten, der Kläger nehme sie und die anderen staatlichen Lotteriegesellschaften deshalb in Anspruch, weil er das staatliche Glücksspielmonopol ablehne, ist ebenfalls nicht geeignet, die Annahme eines Rechtsmissbrauchs zu begründen. Auch wenn der Kläger den bestehenden Rechtszustand für europarechtswidrig hält oder eine Änderung der Rechtslage anstrebt, nimmt ihm dies nicht die Befugnis, sich auf die geltenden Wettbewerbsvorschriften zu berufen (a.A. wohl: OLG Naumburg, Urteil vom 18.06.2010 – 10 U 91/09.HS; OLG Saarbrücken, Urteil vom 23. 06.2010 – 1 U 365/09-91). In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass eine Ablehnung des staatlichen Glücksspielmonopols nicht bedeutet, dass der Kläger auch die in § 3 Abs. 3 GlüStV enthaltenen Vorschriften zum Schutz der Minderjährigen ablehnt.

80

Der Annahme eines Rechtsmissbrauchs steht schließlich auch der Umstand entgegen, dass der Kläger die Inanspruchnahme der staatlichen Lotteriegesellschaften mit dem Argument begründet, aufgrund der Struktur des Glücksspielmarktes bestehe ein Kontrolldefizit hinsichtlich des Wettbewerbsverhaltens staatlicher Glückspielanbieter. Diese Erwägungen des Klägers sind jedenfalls nachvollziehbar. Aufgrund des staatlichen Monopols auf dem Glücksspielmarkt besteht zumindest die Gefahr eines Kontrolldefizits mit der Folge, dass dem Kläger der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs unter diesem Gesichtspunkt nicht gemacht werden kann (so auch: OLG Frankfurt, Urteil vom 05.11.2009 – 6 U 133/09, zitiert nach juris; KG, GRUR-RR 2010, 31).

81

Allein der Umstand, dass der Kläger in der Vergangenheit keines seiner Mitglieder wegen eines Wettbewerbsverstoßes gerichtlich in Anspruch genommen hat, reicht nicht aus, um die Annahme des Rechtsmissbrauchs zu begründen.

82

Die Organisation von Testkäufen im größeren Umfang durch den Kläger ist ebenfalls nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG. Der Kläger hat ohne dieses Instrument nicht die Möglichkeit, das von ihm behauptete wettbewerbswidrige Verhalten der staatlichen Lottogesellschaften im Bereich des Minderjährigenschutzes zu beweisen.

83

Die Beklagten beanstanden schließlich, dass der Kläger die Vorteile der Verbandsklage ausnutze. Diese Vorteile sind jedoch Folge der gesetzlichen Regelung und können den Vorwurf eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht begründen.

84

Die Klage ist gegenüber der Beklagten zu 1) überwiegend begründet.

85

Der Unterlassungsanspruch des Klägers ergibt sich aus §§ 8 Abs. 3 Nr. 2, 8 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 4 Abs. 3 S. 2 und 3 GlüStV. Die letztgenannte Vorschrift ist eine Marktverhaltensregel im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG.

86

Ein Verstoß gegen das Verbot der Teilnahme Minderjähriger an öffentlichen Glücksspielen liegt vor, denn die Zeugin ...[R] hat am 04.04.2009 in zwei Fällen in Lottoannahmestellen in Rheinland-Pfalz ein Rubbellos gekauft, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt erst 16 Jahre alt war.

87

Die Beklagten haben den behaupteten Ablauf der Testkäufe bestritten und darauf hingewiesen, dass angesichts der Vielzahl der Geschäftsvorgänge sich das Personal der Annahmestellen an einzelne Vorfälle nicht erinnern könne. Dieses als Bestreiten mit Nichtwissen zu wertende Vorbringen der Beklagten ist prozessrechtlich auch unter Berücksichtigung des § 138 Abs. 4 ZPO zulässig. Die Beklagten haben den Grund für ihre Unkenntnis nachvollziehbar und für den Senat hinreichend dargelegt.

88

Der Kläger hat den behaupteten Ablauf der Testkäufe jedoch bewiesen. Die Zeugen ...[R] und ...[V] haben glaubhaft und im Kern übereinstimmend bekundet, dass am 04.04.2009 an die Zeugin ...[R] in den Lotto Annahmestellen ...[S], ...[Y], und in der Lotto Annahmestelle Tankstelle ...[T], ...[Z], jeweils ein Rubbellos verkauft worden ist, obwohl sie erst 16 Jahre alt war. Die Zeugen haben den Ablauf der Testkäufe geschildert und erklärt, sie könnten sich an die hier in Rede stehenden Vorfälle erinnern, obwohl sie in der Zwischenzeit zahlreiche weitere Testkäufe durchgeführt hätten. Die Zeugin ...[R] hat in diesem Zusammenhang angegeben, sie habe sich auch anhand der Unterlagen, die bei Durchführung der Testkäufe erstellt worden seien, auf den Termin vorbereitet.

89

Der Senat glaubt den beiden Zeugen. Der Zeuge …[V] hat die Auftragsvergabe durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers offen gelegt. Allein diese vertragliche Verbindung rechtfertigt nicht die Annahme, der Zeuge habe nicht die Wahrheit gesagt. Vielmehr haben beide Zeugen, wie sich aus den vorgelegten Unterlagen ergibt, die Testkäufe jeweils mit Erläuterungen und Fotos dokumentiert. Für eine nachträgliche Manipulation dieser Unterlagen, die die Aussagen der Zeugen stützen, bestehen keine Anhaltspunkte. Soweit die Beklagten Unterschiede in Einzelheiten zwischen den Aussagen der Zeugen rügen, ändert dies an der entscheidenden Übereinstimmung der beiden Aussagen im Kernbereich nichts.

90

Beide Zeugen waren nach dem Eindruck des Senats bemüht, ihre Erinnerung an die behaupteten Vorgänge so umfassend wie möglich wieder zu geben. Auch Nachfragen des Senats und der Prozessbevollmächtigten wurden bereitwillig und in der Sache nachvollziehbar beantwortet.

91

Das Ergebnis dieser Testkäufe ist auch im Verfahren verwertbar, denn sie sind nicht in unlauterer Weise erlangt worden. Testmaßnahmen sind dann unlauter, wenn die Testperson lediglich die Absicht verfolgt, den Mitbewerber „hereinzulegen“ oder mit verwerflichen Mitteln, insbesondere mit strafbaren oder sonstigen rechtswidrigen Handlungen auf einen Wettbewerbsverstoß hinwirkt (Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., Rnr. 10.162 zu § 4 UWG).

92

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Nach dem Erscheinungsbild der Zeugin …[R], das auf den zu den Akten gereichten Fotos dokumentiert ist, hatte das Personal der Lottoannahmestelle durchaus Anlass, nach dem Alter der Zeugin zu fragen. Nach der Aussage der Zeugin ist nicht davon auszugehen, dass diese das Personal zum Verkauf der Lose an sie überreden musste (Piper/Ohly, UWG, 4. Aufl., Rnr. 221 zu § 8 UWG). Die Testkäufe sind auch nicht als verwerflich anzusehen, weil die Zeugin für ihre Mitwirkung eine Entlohnung erhalten hat. Ohne eine solche Entlohnung wäre die Gewinnung von Jugendlichen als Testkäufer kaum möglich.

93

Die Auffassung der Beklagten, der Kläger habe sich ordnungswidrig im Sinne des § 28 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 4 Jugendschutzgesetz (JuSchG) verhalten, weil er das Verhalten der Zeugin, das zur Teilnahme an dem Glücksspiel führte, gefördert habe, trifft nicht zu. Das in § 4 Abs. 2 JuSchG enthaltene Verbot für Minderjährige, an Spielen mit Gewinnmöglichkeit teilzunehmen, findet auf Lotteriespiele wie Lotto, Glücksspirale, SKL, NKL und Rubbelloslotterien keine Anwendung (Scholz/Liesching, Jugendschutz, 4. Aufl., Rnr. 9 zu § 6 JuSchG). Den Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 13 Abs. 1 Nr. 2 LGlüG, der lediglich das Verbot enthält, entgegen § 4 Abs. 3 S. 2 GlüStV Minderjährige an öffentlichen Glücksspielen teilnehmen zu lassen, hat der Kläger nicht verwirklicht.

94

Für das Verhalten des Personals der Lotterieannahmestellen haftet die Beklagte zu 1) nach § 8 Abs. 2 UWG. Die Beklagte zu 1) vermittelt über diese Annahmestellen ihre Glücksspielprodukte. Diese sind trotz ihrer rechtlichen Selbständigkeit Beauftragte im Sinne des § 8 Abs. 2 UWG mit der Folge, dass auf Seiten der Beklagten zu 1) eine Erfolgshaftung ohne Entlastungsmöglichkeit besteht. Auch der Einwand, bei den festgestellten Verstößen handele es sich um „Ausreißer“, ist damit unbeachtlich (Landgericht Wiesbaden, Urteil vom 14.10.2009 – 12 U 42/09, zitiert nach juris).

95

Der Unterlassungsanspruch des Klägers besteht aber nicht im beantragten Umfang. Mit Recht machen die Beklagten geltend, das Verbot könne nicht auf die Teilnahme an allen öffentlichen Glücksspielen, sondern lediglich auf den Verkauf von Rubbellosen bezogen werden.

96

Für den weitergehenden Antrag fehlt es an der für den Unterlassungsanspruch erforderlichen Wiederholungsgefahr. Diese beschränkt sich zwar nicht auf die genau identische Verletzungsform, sondern umfasst alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen (BGH, GRUR 2003, 446). Die von der Beklagten zu 1) angebotenen Glücksspiele unterliegen jedoch unstreitig unterschiedlichen Spielregeln. Eine im Kern gleichartige Verletzungshandlung hat der Kläger nicht dargelegt. Dasselbe gilt für Umstände, die die Annahme einer Erstbegehungsgefahr hinsichtlich aller angebotenen Glücksspiele rechtfertigten.

97

In Bezug auf andere Glücksspiele besteht auch keine Erstbegehungsgefahr. Soweit der Kläger dies aus den Ergebnissen der sogenannten „Mystery-Shopping-Tour“ herleitet, hat die Beklagte die Ergebnisse dieser Testkäufe bestritten. Der Kläger ist damit hinsichtlich der behaupteten Erstbegehungsgefahr beweisfällig geblieben.

98

Die Klage gegenüber dem Beklagten zu 2) ist unbegründet, weil er für den festgestellten Wettbewerbsverstoß nicht haftet. Auch im Bereich des Wettbewerbsrechts haften die Organe juristischer Personen, wie Geschäftsführer einer GmbH, grundsätzlich nur dann, wenn sie entweder persönlich die Rechtsverletzung begangen oder die eines anderen gekannt und pflichtwidrig nicht verhindert haben. Eine widerlegliche Vermutung für die Kenntnis des Organs besteht bei zentralen Produkt- oder Marketingentscheidungen (OLG Köln, Urteil vom 24.08.2007 – 6 U 92/07, zitiert nach juris; BGH, GRUR 2009, 849).

99

Nach diesen Maßstäben besteht vorliegend keine Haftung des Beklagten zu 2), weil er die im Rahmen der alltäglichen Geschäftstätigkeit der Lottoannahmestellen begangenen Wettbewerbsverstöße nicht kannte und auch nicht kennen musste. Aus der von dem Kläger in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12.07.2007 (GRUR 2007, 890 „Jugendgefährdende Medien bei eBay“) ergibt sich keine weitergehende Haftung von Organen einer juristischen Person. Der Bundesgerichtshof hat in der genannten Entscheidung ausgeführt, dass derjenige, der durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr die Gefahr schafft, dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Markteilnehmern verletzen, wettbewerbsrechtlich dazu verpflichtet ist, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass diese Verpflichtung den Betreiber einer Internetplattform trifft. Die Frage der Organhaftung ist nicht Gegenstand der Entscheidung.

100

Der Hilfsantrag, mit dem der Kläger die Verurteilung der Beklagten begehrt, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um das Verbot der Spielteilnahme Minderjähriger sicher zu stellen, ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

101

Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist nach Auffassung des Senats gegeben. Insbesondere handelt es sich nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne des § 40 VwGO, auch wenn der Klageantrag der Regelung des § 4 Abs. 3 S. 3 GlüStV nachgebildet ist. Öffentlich-rechtliche Vorschriften können als Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG im Rahmen von Wettbewerbsstreitigkeiten Bedeutung haben, ohne dass dies zur Unzulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs führte.

102

Die Klage ist jedoch im Hilfsantrag unbegründet. Der Kläger macht gegen die Beklagten einen Leistungsanspruch („geeignete Maßnahmen zu ergreifen“) geltend. Ein Leistungsanspruch kann sich als Beseitigungsanspruch aus § 8 Abs. 1 UWG ergeben. Dieser setzt jedoch voraus, dass durch die Verletzungshandlung ein fortdauernder Störungszustand entstanden ist, der sich für den Verletzten als eine sich ständig erneuernde und fortwirkende Quelle der Störung darstellt (Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., Rnr. 1.76 zu § 8 UWG). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

103

Der Senat lässt die Revision nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu, da die Oberlandesgerichte Naumburg, Hamm und Saarbrücken hinsichtlich der Frage des Rechtsmissbrauchs (§ 8 Abs. 4 UWG) und teilweise auch hinsichtlich der Klagebefugnis (§ 8 Abs. 3 UWG) eine abweichende Auffassung vertreten.

104

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.000,00 € festgesetzt. Die höhere Festsetzung der ersten Instanz beruht darauf, dass dort zusätzlich ein Gewinnabschöpfungsanspruch nach § 10 UWG geltend gemacht wurde.

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Vorsitzenden der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Rottweil vom 15. November 2013 (Az,: 5 O 1/13 KfH) wird

z u r ü c k g e w i e s e n:

2. Auf die Berufung der Beklagten Ziffer 1 wird das Urteil des Vorsitzenden der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Rottweil vom 15. November 2014 (Az.: 5 O 1/13 KfH) in Ziffer 3 des Tenors und im Kostenpunkt unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels

a b g e ä n d e r t und wie folgt n e u  g e f a s s t:

Die Klage wird im Antrag Ziffer 3 abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien wie folgt:

a) Von den Kosten des ersten Rechtszugs tragen

die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Auslagen der Klägerin die Klägerin zu 2/3, die Beklagten Ziffer 1 bis 3 je zu 1/10 und die Beklagten Ziffer 2 und Ziffer 3 als Gesamtschuldner im Übrigen;

die außergerichtlichen Auslagen der Beklagten Ziffer 1 bis Ziffer 3 diese je selbst zu 1/3 und die Klägerin zu 2/3.

b) Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen

die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Auslagen der Klägerin diese zu ¾ und die Beklagte Ziffer 1 zu ¼,

die außergerichtlichen Auslagen der Beklagten Ziffer 1 diese zu 2/5 und die Klägerin zu 3/5 und

die außergerichtlichen Auslagen der Beklagten Ziffer 2 und Ziffer 3 die Klägerin.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten Ziffer 1 wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung aus jedem Unterlassungsanspruch durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,- EUR abzuwenden sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Jeder Partei wird ferner nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen sich aus dem Kostenpunkt durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des durch den die Vollstreckung Betreibenden vollsteckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht der Vollstreckende vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des beizutreibenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert:

Für den ersten Rechtszug

659.518,93 EUR,

davon im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Bekl. Ziff. 1

 210.000,- EUR

im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Bekl. Ziff. 2

239.518,93 EUR,

und im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Bekl. Ziff. 3

231.000,- EUR;

für das Berufungsverfahren

343.400,- EUR,

davon im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Bekl. Ziff. 1

179.000,- EUR

und im Verhältnis zwischen der Klägerin und den Bekl. Ziff. 2 und Ziff. 3 

je 85.400,- EUR.

Gründe

 
I.
Die Klägerin begehrt Unterlassung aus Wettbewerbsrecht, Auskunft, Schadensersatzfeststellung und Zahlung.
Wegen des Sachverhalts wird auf die Feststellungen in dem Urteil des Vorsitzenden der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Rottweil vom 15. November 2013 (Az.: 5 O 1/13) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme unter Abweisung im Übrigen teilweise aus §§ 8, 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG stattgegeben und ausgeführt:
Aufgrund der glaubhaften Aussage des Zeugen S... sei das Gericht davon überzeugt, dass der Beklagte zu 2 bei einem Gespräch mit dem Zeugen am 12.11.2012 die untersagten, unlauteren Äußerungen getätigt habe.
Ziel des Gesprächs sei gewesen, den Zeugen S... für eine Tätigkeit für die Beklagte zu 1 abzuwerben. Zu diesem Zweck seien die Klägerin bzw. ihre Partnergesellschaften sowie deren Produkte in vergleichender und unlauterer Weise herabgesetzt worden.
Der Beklagte zu 3 müsse sich die Äußerungen des Beklagten zu 2 aufgrund seines Verhaltens bei dem besagten Gespräch zurechnen lassen.
Der Anspruch richte sich gemäß § 8 Abs. 2 UWG auch gegen die Beklagte zu 1. Die Beklagten zu 2 und 3 seien zwar keine Mitarbeiter der Beklagten zu 1 aber Beauftragte i.S.v. § 8 Abs. 2 UWG. Aus Ziffer 11 des Kooperationsvertrages A 2 lasse sich ersehen, dass die Firma G... UG seitens der Beklagten zu 1 eine Courtage bzw. Courtageabrechnung erhalte. Andererseits erhalte die Beklagte zu 1 einen Anteil an den jeweiligen Provisionen als Vergütung. Dies zeige, dass die Firma G... UG in die Vertriebsorganisation der Beklagten zu 1 eingegliedert sei und deren Erfolg auch der Beklagten zu 1 zugutekomme. Im Rahmen des Kooperationsvertrages habe eine Einflussmöglichkeit bestanden. Die Gewinnung neuer Mitarbeiter zähle, wie § 11 Abs. 2 des Kooperationsvertrags zeige, zu der Tätigkeit. Ein entsprechender Vertrag verbinde die Beklagte Ziffer 1 und den Beklagten Ziffer 3.
Die Äußerungen gemäß Klageantrag Ziff. 1 a) aa) und bb) seien weder unwahr noch herabsetzend. Den Bezug zu § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB Vl habe auch der Zeuge S... - zutreffend - gesehen. Durch Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 21.03.2012 sei der Beklagten zu 2) aufgegeben worden, Beiträge in Höhe von insgesamt 72.565,03 EUR zu zahlen, durch Bescheid vom 29.05.2013 herabgesetzt auf 32.651,28 EUR.
Die Äußerung gemäß Klageantrag Ziff. 1 a) cc) sei nicht so gefallen, wie von der Klägerin geltend gemacht. Der Bezug sei vom Zeugen auf die Scheinselbständigkeit bekundet worden. Eine Antragsänderung sei nicht erfolgt.
10 
Entsprechend gelte dies für Klageantrag Ziff. 1 a) dd). Der Zeuge habe ausgesagt, der Beklagte zu 2 habe geäußert, „dass ich als Mitarbeiter und meine Kollegen von der Klägerin beschissen würden". Demgegenüber begehre die Klägerin die Unterlassung der Äußerung, „von der Klägerin und ihren Außendienstmitarbeitern würde man nur beschissen". Abgesehen davon, dass der Zeuge die Verstärkung der Äußerung durch das Wort „nur" nicht bestätigt habe, betreffe die Formulierung des Klageantrags auch jeden Dritten, insbesondere also Kunden der Klägerin.
11 
Klageantrag Ziff. 2 sei gegen die Beklagten zu 2 und 3 begründet, nicht gegen die Beklagte zu 1, da die Zurechnungsnorm nur den Abwehranspruch erfasse.
12 
Klageantrag Ziff. 3 sei begründet, weil das Verhalten der Beklagten zu 2 und 3 insoweit gegen §§ 3, 4 Nr. 10 UWG verstoße.
13 
Klageantrag Ziff. 5 (Tenor Ziff. 4) sei begründet, weil auch insoweit ein Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 10 UWG vorliege. Der Zeuge habe eine Aufforderung zum Vertragsbruch (Verstoß gegen § 86 HGB) glaubhaft bekundet, die eine gezielte Behinderung der Klägerin i.S.v. § 4 Nr. 10 UWG sei.
14 
Eine eindeutige Aufforderung gemäß Klageantrag Ziff. 4 habe der Zeuge S... nicht bestätigt. Der Antrag sei unbegründet.
15 
Klageantrag Ziff. 6 sei aus § 9 UWG begründet.
16 
Die Klageerweiterung scheitere jedenfalls an dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten Ziffer 2.
17 
Gegen dieses Urteil haben die Klägerin und die Beklagte Ziffer 1 form- und fristgerecht Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel jeweils fristgerecht begründet.
18 
Die Klägerin trägt vor:
19 
„1. Zunächst bitten wir den Senat damit einverstanden zu sein, daß wir unser gesamtes Vorbringen der Vorinstanz hiermit in Bezug nehmen. Damit ersparen wir allen Verfahrensbeteiligten Lese- und Schreibarbeiten.
20 
2. Ferner haben wir uns bei der Formulierung des Berufungsantrags bemüht, diesen kurz und bündig zu halten. Wenn uns dies nach der Auffassung des Senats nicht hinreichend gelungen sein sollte, so bitten wir um Ausübung des Fragerechts oder jedenfalls nach Maßgabe unserer Berufungsbegründung unseren Antrag auszulegen
21 
3. Schließlich stellen wir die rechtliche und tatsächliche Beurteilung des Falles in die Beurteilung des Senats. Zusätzlich dazu bitten wir folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen.“
22 
Sodann wendet sich die Klägerin gegen eine Klageabweisung, die darin zu sehen sei, dass die Anträge eingeschränkt würden durch den Satz „im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren".
23 
Der Klageantrag zu 1. a) aa) sei keineswegs „weder unwahr noch herabsetzend" (LGU 9). Zum Beleg der Stellung als Selbstständige legt die Klägerin den Handelsvertretervertrag des Zeugen vor.
24 
Die Behauptung, die Handelsvertreter der Klägerin, und damit der Zeuge, seien nicht selbständig, sondern einem Angestellten gleichgestellt, sei eine unsachliche und unwahre Beeinflussung des Gesprächspartners. Auch heute noch sei in allen Bevölkerungsschichten die negative Beurteilung von angestellten Versicherungsvertretern anzutreffen. Auf die Selbstständigkeit werde in den Kreisen des Zeugen, wie den Beklagten Ziffer 2 und 3 bekannt, großer Wert gelegt.
25 
Die Alternativen 1 a) cc) und dd) seien von dem Zeugen letztlich bestätigt worden und überschritten die Grenze des Zulässigen.
26 
Die Äußerungen unter Ziffer 1 b) seien vom Zeugen bestätigt worden. Zur Argumentation des angegriffenen Urteils unter Ziffer 2.2, zweiter Absatz wolle man sich nicht äußern.
27 
Gemäß § 8 Abs. 2 UWG bestehe ein Beseitigungsanspruch. Die Äußerungen wirkten fort, und die Klägerin habe ein geschütztes Interesse daran, in Erfahrung zu bringen, wem gegenüber welche Behauptungen oder Werturteile getroffen worden seien, um die schädlichen Wirkungen zu beseitigen. Mit Schadensersatzansprüchen habe dies nichts zu tun. Der Gesichtspunkt des Schadensersatzes sei im Antrag Ziffer 6 bereits erfasst.
28 
Die Beklagte Ziffer 1 setze sich in ihrer Berufung mit den Urteilsgründen nicht auseinander. Die Zurechnung habe das Landgericht aufgrund der Kooperationsvereinbarung zutreffend bejaht (vgl. BGH, Urteil vom 07.10.2009 - I ZR 109/06, Rz. 21, 24 und 25). Allein die auf Seite 1 des Vertrages abgebildete Präambel erfülle die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme nach § 8 Abs. 2 UWG. Sie formuliere das Ziel der Begründung einer „Partnerschaft", die Übernahme von „administrativen Vorgängen" durch die Beklagte zu 1 und die Weitergabe von Vertriebsunterstützung von der Beklagten zu 1 an die Firma G... UG. § 11 nenne ausdrücklich die Gewinnung beziehungsweise Zuführung neuer Vertriebspartner (Makler) als Vertragsziel.
29 
Die Klägerin beantragt zu ihrer eigenen Berufung,
30 
unter Abänderung des Urteils des LG Rottweil vorn 15.11.2013 - 5 0 1/13 KfH - nach den in der letzten mündlichen Verhandlung zuletzt gestellten Anträge zu entscheiden, - bis auf die bereits zuerkannten Anträge und bis auf die der Ziffern 1 a) bb) und 4 der Klageschrift sowie bis auf den Zahlungsantrag vom 19.1.2013, die nicht mehr gestellt werden.
31 
Zur Berufung der Beklagten Ziffer 1 beantragt sie (17. Februar 2014),
32 
diese zurückzuweisen.
33 
Die Beklagte Ziffer 1 beantragt,
34 
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen
35 
und zu ihrer eigenen Berufung,
36 
unter teilweiser Abänderung des am 15. November 2013 verkündeten Urteils des Landgericht Rottweil, Az.: 5 0 1/13 KfH, die Klage gegen die Beklagte zu 1. abzuweisen.
37 
Sie verteidigt das angegriffene Urteil unter Wiederholung ihrer erstinstanzlichen Standpunkte gegen die Angriffe der Klägerin und trägt zu ihrer eigenen Berufung vor:
38 
Die Beklagte Ziffer 1 hafte nicht über § 8 Abs. 2 UWG für das Verhalten des Beklagten zu 2. und des Beklagten zu 3. Das Urteil werde in diesem Umfang zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt.
39 
Die Beklagten Ziffer 2 und 3 seien selbstständige Versicherungsmakler (§ 93 ff HGB) und nicht Versicherungsvertreter. Sie seien nur dem Kunden gegenüber verpflichtet. Der Kooperationsvertrag ergebe nichts anderes. Einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit des Beklagten zu 2. und 3 habe die Beklagte zu 1 nicht. Insbesondere gebe es kein ausdrückliches oder konkludentes Auftragsverhältnis, wonach die Beklagten zu 2 und 3 neue Kooperationspartner für die Berufungsklägerin akquirieren sollten. Dies sei kein vereinbartes Aufgabenfeld. Natürlich sei die Berufungsklägerin bereit, bei Empfehlungen und Zuführung neuer Kooperationspartner den Empfehlungsgeber partizipieren zu lassen.
40 
Der Beseitigungsanspruch umfasse lediglich den Widerruf und die Unverwertbarkeit, etwa von Werbemitteln. In der Regel erledige sich die Beseitigung bereits durch die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs gerade bei wettbewerbswidrigen Tatsachenbehauptungen. Der Auskunftsanspruch sei angebunden an den verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch.
41 
In einem Schriftsatz vom 11. November 2014 erwidert die Beklagte Ziffer 1 auf das klägerische Vorbringen vom 17. Februar 2014, insbesondere zu § 8 Abs. 2 UWG unter Rechtsprechungs- und Literaturhinweisen.
42 
Die Beklagten Ziffer 2 und Ziffer 3 beantragen,
43 
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
44 
Sie verteidigen das angegriffene Urteil gegen die klägerische Berufung und tragen vor:
45 
Die zeitliche Befristung verstehe die Klägerin falsch. Sie beziehe sich nur auf die Ordnungsmittelandrohung.
46 
Auf den gerichtlichen Hinweis vom 21.06.2013 sei keine Antragsänderung erfolgt. Der Zeuge S... sei kaum in der Lage gewesen, das Geschehen während der Besprechung mit den Beklagten zu 2 und zu 3 für Dritte nachvollziehbar in eigenen Worten zu schildern. Das Gericht habe ihn großzügig unterstützt.
47 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im zweiten Rechtszug wird auf die im Berufungsverfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift vom 20. November 2014 Bezug genommen. Soweit der Schriftsatz der Beklagten Ziffer 1 vom 24. November 2014 neuen Sachvortrag enthält, ist dieser verspätet; der Schriftsatz gibt keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
II.
A
48 
Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist statthaft, aber dennoch nur zulässig, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klageanträge Ziffer 1 a) aa), cc) und dd) und die Teilabweisung der Klageanträge, Ziffer 2 und Ziffer 6 richtet.
49 
1. Die Klageanträge zu Ziffer 1 a) bb), 2, 4 und 7 werden von der Klägerin nicht weiterverfolgt.
50 
2. Klageantrag Ziffer 1 a) aa) (alle Beklagten mit Ordnungsmittelandrohung zu verurteilen, es zu unterlassen, sich direkt, indirekt, sinngemäß, ganz oder teilweise über die Klägerin oder ihre Außendienstmitarbeiter zu äußern wie: die Außendienstmitarbeiter der Klägerin seien „scheinselbständig").
51 
Insoweit ist die Berufung zulässig. Die Klägerin verfolgt diesen abgewiesenen Klageantrag weiter.
52 
3. Klageantrag Ziffer 1 a) cc) (alle Beklagten mit Ordnungsmittelandrohung zu verurteilen, es zu unterlassen, sich direkt, indirekt, sinngemäß, ganz oder teilweise über die Klägerin oder ihre Außendienstmitarbeiter zu äußern wie: Außendienstmitarbeiter der Klägerin besäßen keine „Wertigkeit" und würden „in die Röhre gucken", weil sie keine eigenen Kunden erwerben und diese da her später auch nicht würden verkaufen können).
53 
Auch insoweit ist die Berufung zulässig. Die Klägerin verfolgt auch diesen abgewiesenen Klageantrag weiter.
54 
4. Klageantrag Ziffer 1 a) dd) (alle Beklagten mit Ordnungsmittelandrohung zu verurteilen, es zu unterlassen, sich direkt, indirekt, sinngemäß, ganz oder teilweise über die Klägerin oder ihre Außendienstmitarbeiter zu äußern wie: von der Klägerin und ihren Außendienstmitarbeitern werde man nur „beschissen")
55 
Auch insoweit ist die Berufung zulässig. Die Klägerin verfolgt auch diesen abgewiesenen Klageantrag weiter.
56 
5. Klageanträge Ziffer 1 b) aa) bis dd) (je Unterlassung), 3 (alle Beklagten unter Ordnungsmittelandrohung zu verurteilen, es zu unterlassen, sich zu Zwecken der Abwerbung von Außendienstmitarbeitern der Klägerin in der Art zu äußern, wie es im obigen Antrag Ziff. 1 beschrieben ist) und 5 (alle Beklagten unter Ordnungsmittelandrohung zu verurteilen, es zu unterlassen, Mitarbeiter der Klägerin zu veranlassen, schon vor einer Beendigung des Handelsvertretervertrages für ein Wettbewerbsunternehmen, wie z.B. für die beklagte Firma F... GmbH, tätig zu werden, oder dies zu versuchen - Urteilstenor des Landgerichts Ziffern 1, 3 und 4).
57 
Die Berufung gegen diese landgerichtlichen Aussprüche ist mangels Beschwer der Klägerin unzulässig. Soweit die Klägerin den Passus „bis zu insgesamt zwei Jahren" als Teilabweisung ihrer Klage angreift, verkennt sie, dass dieser - wie von den Beklagten Ziffer 2 und 3 ausgeführt - nicht die Unterlassungspflicht befristet, sondern die Ordnungshaftandrohung beschränkt. Es liegt also kein minus gegenüber dem Sachantrag der Klägerin vor.
58 
Die Ordnungsmittelandrohung selbst greift die Klägerin nicht an.
59 
6. Klageantrag Ziffer 2 (alle Beklagten - und zwar jeden für sich - zu verurteilen, der Klägerin in schriftlicher Form Auskunft zu erteilen, gegenüber welchen Personen (Name und vollständige Anschrift) welche der in obiger Ziff. 1 der Klageanträge beschriebenen Äußerungen wörtlich oder sinngemäß gefallen sind).
60 
Auch insoweit ist die Berufung zulässig. Indem das Landgericht die Klageanträge Ziffer 1 a) aa) bis dd) abgewiesen und einen Auskunftsanspruch gegen die Beklagte Ziffer 1 insgesamt verneint hat, ist die Klägerin beschwert.
61 
7. Klageantrag Ziffer 6 (Schadensersatzfeststellung gegen die Beklagten Ziffer 2 und Ziffer 3)
62 
Dieser Anspruch wurde vom Landgericht in Ziffer 5 des Tenors zwar formal zugesprochen. Durch die Bezugnahme auf die Anträge Ziffer 1 bis 5 hatte die Klägerin insoweit aber mehr verlangt, als vom Landgericht mit der Bezugnahme auf Ziffer 1 bis 4 des Tenors seines Urteils zugesprochen. Soweit der Klageanspruch materiell abgewiesen wurde ist die Klägerin auch in Bezug auf den Klageantrag Ziffer 6 beschwert und ihre Berufung zulässig.
B
63 
Soweit zulässig, ist die Berufung der Klägerin unbegründet. Denn ihre Klage ist schon nur teilweise zulässig und, soweit zulässig, hinsichtlich der übrigen vom Landgericht abgewiesenen Klageanträge unbegründet.
1.
64 
Mit dem oben wiedergegebenen Vorspann zu ihrer Berufungsbegründung kann die Klägerin die landgerichtlichen Feststellungen nicht in Zweifel ziehen. Es ist auch nicht Aufgabe des Senates, über einen Hinweis nach § 139 ZPO eine Partei zu weiterem Berufungsvortrag zu veranlassen, die sich vollständig oder zu Teilen des Streitgegenstandes ausdrücklich darauf beschränkt, auf ihren erstinstanzlichen Vortrag pauschal Bezug zu nehmen, nur weil sie damit die erstinstanzlich getroffenen Feststellungen nicht in Zweifel zieht.
2.
65 
Der Klageantrag Ziffer 1 a) aa) ist zulässig, aber unbegründet. Der Angriff gegen die Abweisung dieses Klageantrages verfängt nicht.
a)
66 
Die Klägerin zieht die Feststellung des Landgerichts nicht in Zweifel, dass die mit diesem Antrag angegriffenen Äußerungen sich auf den sozialversicherungsrechtlichen Status der Handelsvertreter der Klägerin bezogen haben.
b)
67 
Die Aussage, diese seien Scheinselbstständige, enthält bereits keine Tatsachenbehauptung, sondern gibt eine im Einzelfall schwierig zu beurteilende rechtliche Würdigung wieder. Die Aussage enthält zwar auch einen tatsächlichen Kern, ist aber zugleich von Elementen der Wertung und des Meinens geprägt. Ihre Zulässigkeit richtet sich daher - mit den im Lauterkeitsrecht zu beachtenden Besonderheiten - nach den für Meinungsäußerungen geltenden Maßstäben und nicht nach den strengeren, die für Tatsachenbehauptungen gelten. Daher liegt, entgegen der vom Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführten Auffassung, auch der nur unter strengen Voraussetzungen mögliche Ausnahmefall einer wahren und gleichwohl unlauteren Tatsachenbehauptung nicht vor.
68 
Hinzu kommt, dass die Deutsche Rentenversicherung den Beklagten Ziffer 2, der die Aussagen getroffen hat, als rentenversicherungspflichtig Beschäftigten angesehen hat. Dies hat das Landgericht unangegriffen festgestellt. Von daher ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht auch den tatsächlichen Gehalt der Aussagen als nicht unwahr angesehen hat. Selbst wenn daran keine Rechtsmeinung des Beklagten Ziffer 2 geknüpft gewesen wäre, könnte der Hinweis auf diesen Umstand nicht lauterkeitsrechtlich beanstandet werden. Allein dass eine für eine Partei negative Beeinflussung eines Gesprächspartners erfolgt, macht eine Aussage nicht schon unlauter.
69 
Auf den von der Klägerin nunmehr vorgelegten - unstreitig gebliebenen - Vertrag kommt es nicht an. Denn es gehört zum Wesen einer Scheinselbstständigkeit, dass nach den Vertragsabreden formal der Anschein einer Selbstständigkeit gegeben ist.
3.
70 
Zu den Klageanträgen Ziffer 1 a) cc) und dd) deutet die Berufung lediglich eine von der landgerichtlichen abweichende Interpretation der Beweisaufnahme an, ohne auch nur Gründe dafür vorzutragen. Damit vermag sie die aus sich heraus nicht zu beanstandenden landgerichtlichen Feststellungen nicht in Zweifel zu ziehen, noch die rechtliche Würdigung des Landgerichts zu erschüttern.
71 
Sich zur Argumentation des angegriffenen Urteils unter Ziffer 2.2, zweiter Absatz (LGU 9 zur unterbliebenen Antragsänderung), nicht zu äußern, stellt keinen Berufungsangriff dar.
4.
72 
Den Klageantrag Ziffer 2 hat das Landgericht gegen die Beklagte Ziffer 1 zurecht abgewiesen. Dieser Klageantrag ist zwar zulässig. Er geht aber schon in seiner Formulierung zu weit. Auskunft darüber, welche der in Tenor Ziff. 1 beschriebenen Äußerungen wörtlich oder sinngemäß gefallen sind, bedeutet eine Auskunft unabhängig davon, wer sich wann und wem gegenüber in der in Bezug genommenen Weise geäußert hat. Ein so weitgehender Anspruch steht der Klägerin gegen keinen der Beklagten zu. Ein Auskunftanspruch über eine Äußerung kann allenfalls gegen denjenigen bestehen, der sich entsprechend geäußert oder sich die Äußerungen eines Dritten zurechnen zu lassen hat, aber nicht bezogen auf einen bestimmten Äußerungsinhalt schlechthin.
73 
Eine beschränkende Auslegung des Antrages ist auch aus dem Vortrag der Klägerin heraus nicht möglich. Zum einen ist der Wortlaut des Antrages eindeutig. Zum anderen bliebe zumindest die Auslegung möglich, dass die Klägerin die Auskunft in Bezug auf Äußerungen aller Vertriebspartner der Beklagten Ziffer 1 begehrt oder nur in Bezug auf die Beklagten Ziffer 2 und / oder 3. Dieser Punkt wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert, ohne dass eine Klarstellung erfolgt wäre.
b)
74 
Daher kann offen bleiben, ob das Landgericht eine Zurechnung im Verhältnis zu Lasten der Beklagten Ziffer 1 in Bezug auf den Auskunftsanspruch zutreffend verneint hat.
5.
75 
Auch ein weitergehender Anspruch der Klägerin auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht besteht nicht. Der Klageantrag Ziffer 6 ist - worauf die Klägerin durch den Senat hingewiesen wurde - schon unzulässig, da nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr 2 ZPO. Er bezeichnet die Handlung, aus der sich der Schadensersatz herleitet, nicht konkret genug. Außerdem bezieht er sich ausdrücklich auf die Klageanträge Ziffer 1 bis 5, also auch auf den Auskunftsanspruch (Klageantrag Ziffer 2). Insoweit fehlt der Klägerin das Rechtsschutzbedürfnis.
76 
Außerdem fehlt der Klägerin das Rechtsschutzbedürfnis, soweit sich dieser Antrag auf die nicht weiterverfolgten Klageanträge Ziffer 1 a) bb) und Ziffer 4 bezieht, soweit eine Feststellung in Bezug auf den Auskunftanspruch (Antrag Ziffer 2) begehrt wird und soweit ein unzulässiger Unterlassungsanspruch erhoben wird (Antrag Ziffer 3), obwohl dieser letztgenannte Anspruch dem Kläger durch das Landgericht teilweise rechtskräftig zugesprochen wurde (auch auf diese Aspekte wurde die Klägerin fruchtlos hingewiesen).
III.
77 
Die Berufung der Beklagten Ziffer 1 ist zulässig. Sie ist begründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung der Beklagten Ziffer 1 in Ziffer 3 des landgerichtlichen Urteilstenors richtet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
A
78 
Die Klage ist mit dem erstinstanzlich zugesprochenen Klageantrag Ziffer 3 (Urteilstenor Ziffern 3) unzulässig. Soweit das Landgericht die Beklagte Ziffer 1 darüber hinaus verurteilt hat, ist die Klage zulässig.
79 
Für den Klageantrag Ziffer 3 fehlt der Klägerin das Rechtsschutzbedürfnis. Das mit den unter Ziffer 1 gestellten Klageanträgen erstrebte Verbot erfasst die darin beschriebenen Verhaltensweisen auch dann, wenn sie dazu dienen, Außendienstmitarbeiter der Klägerin abzuwerben. Zwar unterlegt die Klägerin den Klageantrag Ziffer 3 mit einer anderen rechtlichen Begründung. Weder der Streitgegenstand noch der Lauterkeitskern verändern sich dadurch jedoch, so dass der gesamte mit dem Klageantrag Ziffer 3 vorgebrachte Streitgegenstand in den Klageanträgen Ziffer 1 bereits enthalten ist.
80 
Dahinstehen kann von daher, dass die Klägerin den Klageantrag Ziffer 1 a) bb) nicht mehr stellt, so dass auch die Bezugnahme im Klageantrag Ziffer 3 konsequenterweise anzupassen wäre, statt diesen erneut wie zuletzt vor dem Landgericht zu stellen.
B
81 
Soweit die Verurteilung der Beklagten auf zulässigen Klageanträgen beruht, ist ihre Berufung auch nicht aus materiell-rechtlichen Gründen erfolgreich. Insbesondere greift die Rüge nicht, das Landgericht habe zu Unrecht eine Verantwortlichkeit der Beklagten Ziffer 1 aus § 8 Abs. 2 UWG hergeleitet.
1.
82 
§ 8 Abs. 2 UWG, statuiert gegen den Unternehmensinhaber in Bezug auf wettbewerbsrechtliche Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche - und nur um solche geht es bei der Berufung der Beklagten - bei Zuwiderhandlungen seiner Mitarbeiter und Beauftragten eine Erfolgshaftung ohne Entlastungsmöglichkeit (Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., Rn. 2.32 ff. zu § 8 auch zum Folgenden unter Hinweis auf die nachfolgend Zitierten; BGH, GRUR 2000, 907, 909 – Filialleiterfehler; BGH, GRUR 2011, 543, Rn 13 – Änderung der Voreinstellung III). Der Unternehmensinhaber kann sich also nicht darauf berufen, er habe die Zuwiderhandlung seines Mitarbeiters oder Beauftragten nicht gekannt oder nicht verhindern können (vgl. BGH, GRUR 1995, 605, 607 – Franchise-Nehmer; Köhler, GRUR 1991, 344, 345 f.). Da er die Vorteile der arbeitsteiligen Organisation in Anspruch nimmt, hat er auch die damit verbundenen Risiken zu tragen (vgl. BGH, GRUR 2007, 994, Rn. 19 – Gefälligkeit; BGH, GRUR 2009, 597, Rn 15 – Halzband; BGH, GRUR 2009, 1167, Rn 21 – Partnerprogramm). Darauf, ob diese Risiken im Einzelfall für ihn tatsächlich beherrschbar sind, kommt es nicht an (Köhler, GRUR 1991, 344, 346). Daher kann er sich auch nicht darauf berufen, er habe dem Mitarbeiter in dem fraglichen Bereich Entscheidungsfreiheit eingeräumt (BGH, GRUR 2000, 907, 909 – Filialleiterfehler) oder der Mitarbeiter habe weisungswidrig gehandelt (Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., Rn. 2.32 ff. zu § 8).
83 
Um diesen Zweck zu erreichen, ist eine weite Auslegung der Tatbestandsmerkmale „in einem Unternehmen“ und „Mitarbeiter“ und „Beauftragte“ geboten (vgl. BGH, GRUR 1995, 605, 607 – Franchise-Nehmer; BGH, GRUR 2009, 1167, Rn 21 – Partnerprogramm; s. auch schon OLG Stuttgart, GRUR-RR 2009, 343, 346).
84 
Unter den Mitarbeiterbegriff fallen auch freie Mitarbeiter (Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., Rn. 2.40 zu § 8). Beauftragter ist jeder, der, ohne Mitarbeiter zu sein, für das Unternehmen eines anderen auf Grund eines vertraglichen oder anderen Rechtsverhältnisses tätig ist. Er muss aber in die betriebliche Organisation dergestalt eingliedert sein, dass einerseits der Erfolg seiner Handlung zumindest auch dem Unternehmensinhaber zugute kommt, andererseits dem Unternehmensinhaber ein bestimmender und durchsetzbarer Einfluss jedenfalls auf die beanstandete Tätigkeit eingeräumt ist (so Köhler, a.a.O., Rn. 2.41 zu § 8, auch zum Folgenden, u.H. auf BGH, GRUR 1995, 605, 607 – Franchise-Nehmer; BGH, GRUR 2005, 864, 865 – Meißner Dekor II; BGH, GRUR 2011, 543, Rn 11, 13 – Änderung der Voreinstellung III; BGH, WRP 2011, 881, Rn. 54 – Sedo). Beauftragter eines Unternehmens ist dagegen nicht, wer von diesem lediglich eine Leistung bezieht, die er im eigenen Namen an Endkunden anbietet, sofern er in der Gestaltung seines Vertriebskonzepts sowie seiner Verkaufskonditionen grundsätzlich frei ist. Denn in diesem Fall fehlt es an der Möglichkeit eines bestimmenden und durchsetzbaren Einflusses des Unternehmens auf den Vertragspartner (BGH, GRUR 2011, 542, Rn 13, 14 – Änderung der Voreinstellung III). Ausreichend für eine Stellung als Beauftragter ist es aber, wenn sich der Unternehmensinhaber einen bestimmenden und durchsetzbaren Einfluss hätte sichern können und müssen (BGH, GRUR 2009, 1167, Rn. 21 – Partnerprogramm; OLG Köln, GRUR-RR 2006, 205, 206; OLG Stuttgart, NJW-RR 2009, 913, 916). Unterlässt er dies, handelt er auf eigenes Risiko (zu mehrstufigen Beziehungen s. BGHZ 28, 1, 12 f. – Buchgemeinschaft II: OLG Stuttgart, WM 1998, 2054; Köhler, a.a.O., Rn. 2.43 zu § 8).
85 
Es genügt, dass der Handelnde, auch wenn er selbstständig ist, die Interessen des Geschäftsinhabers wahrnehmen soll (vgl. Köhler, a.a.O., Rn. 2.44 zu § 8, m.w.N. und zu Einzelfällen in Rn. 45 ff.; ders. in: GRUR 1991, 344, 348). Die bloße Wahl der Rechtsform bleibt also dann unerheblich, wenn sich der Unternehmer durch sie der rechtlichen Zugriffsmöglichkeiten begibt, aber gleichwohl die Leistungen wirtschaftlich und faktisch für sich nutzt.
2.
86 
So liegt der Fall, wie vom Landgericht festgestellt, hier. Die Gesamtschau, in der auch von der Klägerin hervorgehobene Umstand eine Rolle spielt, dass die Beklagte Ziffer 1 den Vertrag nur auszugsweise vorgelegt hat, führt zur Überzeugung des Senates dazu, dass die Beklagte Ziffer 1, die sich als Versicherungsmaklerpool bezeichnet, mit allen ihren Versicherungsmaklern so verflochten ist, dass die Anwerbung eines neuen Vermittlers sowohl ihr als auch dem diesen anwerbenden Vermittler wirtschaftlich zugute kommt und lauterkeitsrechtlich trotz der formalen Trennung von einer Einheit im Sinne der oben wiedergegebenen Zurechnungsmaßstäbe auszugehen ist.
87 
Zurecht stellt das Landgericht auf den Kooperationsvertrag ab (A 2, auszugsweise GA 125 f.), aus dem sich eine wirtschaftliche Verbindung der Beklagten Ziffer 1 zu den Versicherungsmaklern ergibt, mit denen solche Verträge bestehen. Unbeschadet der Frage, ob diese damit als Mitarbeiter im Unternehmen der Beklagten Ziffer 1 anzusehen sind, besteht zwischen ihnen und der Beklagten Ziffer 1 jedenfalls eine derart enge wirtschaftliche Verflechtung und ein gleichlaufendes wirtschaftliches Geschäfts- und Provisionsinteresse, dass zumindest eine Beauftragung in dem oben beschriebenen Sinne besteht.
88 
Der Senat verkennt nicht, dass sich die Beklagte Ziffer 1 in der Ziffer 11 offen gehalten hat, ob sie sich rechtlich binden lassen wolle. Die Ziffer 11 wird aber begleitet durch das in der Präambel aufgeführte Ziel der verflochtenen Zusammenarbeit. Obgleich die Beklagte Ziffer 1 eine solche in Abrede stellt, räumt sie doch ein, bereit zu sein, bei Empfehlungen und Zuführung neuer Kooperationspartner, den Empfehlungsgeber partizipieren zu lassen. Dies wissen ihre Kooperationspartner.
89 
Vor diesem Hintergrund stellt sich ihr Annahmerecht, auf das sie auch in der mündlichen Verhandlung abgestellt hat, in Bezug auf die im Rahmen des § 8 Abs. 2 UWG zurechnungsrelevanten Gesichtspunkte als eine Gestaltung dar, die nach außen hin eine Trennung darstellen soll, obgleich in der vertraglichen Umsetzung eine wirtschaftliche Verknüpfung gewollt und gegeben ist. Eine solche durch andere Vertragsbestimmungen oder die Vertragspraxis überwölbte Formalposition steht der Zurechnung nicht entgegen.
90 
Verfehlt ist demgegenüber der Hinweis darauf, dass der Versicherungsvermittler im Interesse des Kunden tätig wird und nicht im Interesse des Versicherers. Zum einen wird die Beklagte Ziffer 1 nicht als Versicherer in Anspruch genommen, zum anderen richtet sich die Klage auf Aussagen, die nicht das Rechtsverhältnis und den Pflichtenkreis der Versicherungsmakler zu ihren Beratung suchenden Kunden betreffen.
IV.
91 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO, die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 51 Abs. 1, 47 Abs. 1, 43 Abs. 1, 48 Abs. 1, 39 Abs. 1 GKG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO. Das Landgericht übergeht die unterschiedliche Prozessbeteiligung der einzelnen Beklagten und wohl auch den Umstand, dass eine Gesamtschuld nur in Ansehung der Schadensersatzfeststellung eingeklagt wurde, Unterlassungs- und Auskunftansprüche hingegen gegen jeden Beklagten gesondert.
92 
Es ist von folgenden Wertansätzen auszugehen:
93 
Klageantrag
Wert in EUR
1 a)   
50.000,-, davon Teilantrag aa)
20.000, die übrigen je 10.000,-.
1 b)   
50.000,-, davon Teilantrag aa)
20.000,-, die übrigen je 10.000,-.
2       
10.000,-
3       
50.000,-
4       
30.000,-
5       
20.000,-
6 (nur gegen Bekl. 2 und 3, solidarisch) 
21.000,-
7       
  8.518,93
94 
Dies führt unter Beachtung des Umfanges der jeweiligen Berufung zu den festgesetzten Werten, wobei der Senat für den Angriff gegen die vermeintliche Befristung in jedem Streitverhältnis 3.000,- EUR ansetzt.
95 
Ein Grund, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Rechtlich erschöpft sich die Entscheidung des Senates in einer Würdigung des Einzelfalles. Ob der Sache für eine Partei, beispielsweise für die Organisation ihres Unternehmens, grundsätzliche Bedeutung zukommt, ist im Rahmen des § 543 ZPO nicht zu berücksichtigen.

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15. November 2012 - 3 K 1120/12 - geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 18. April 2012 wird ab dem Zeitpunkt der Zustellung dieses Beschlusses an den Antragsgegner angeordnet, soweit diese Verfügung das terrestrische Sportwettenangebot der Antragstellerin betrifft.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Antragstellerin und der Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen je zur Hälfte.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die in Österreich ansässige Antragstellerin veranstaltet über die Internetseite ... Sportwetten und betreibt Werbung hierfür. Weiter bietet sie in einer Annahmestelle in ... über Vermittler Sportwetten an. Mit auf § 9 Abs. 1 S. 2 und 3 Nr. 3 GlüStV in der bis zum 30.06.2012 gültigen Fassung (im Folgenden: GlüStV a.F.) gestützten Verfügung vom 18.04.2012 untersagte das Regierungspräsidium Karlsruhe der Antragstellerin, in Baden-Württemberg unerlaubt öffentliches Glücksspiel zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen (Ziff. 1 der Verfügung), gab ihr auf, die untersagten Tätigkeiten unverzüglich und dauerhaft einzustellen sowie die Einstellung dem Regierungspräsidium Karlsruhe schriftlich mitzuteilen (Ziff. 2) und drohte für den Fall, dass die Antragstellerin den Verpflichtungen aus Ziffern 1 und 2 der Verfügung nicht binnen zwei Wochen nach Bekanntgabe der Verfügung nachkomme, ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,-- EUR an (Ziff. 3). Zur Begründung wurde ausgeführt, die Veranstaltung bzw. Vermittlung von Glücksspiel in Baden-Württemberg erfolge ohne die erforderliche Erlaubnis. Eine solche könne sowohl für die im Internet als auch für die terrestrisch angebotenen Glücksspiele auch nicht erteilt werden, da die Antragstellerin Glücksspiel über das Internet veranstalte bzw. vermittle, dies aber nach § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. nicht zulässig sei. Das Anbieten von Glücksspiel über das Internet unter Verstoß gegen die einschlägigen Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrages führe dazu, dass die Antragstellerin auch für das terrestrisch angebotene Glücksspiel als unzuverlässig anzusehen sei, so dass auch hier von vornherein eine Erlaubnisfähigkeit ausscheide. Das Glücksspielangebot verstoße auch gegen weitere Vorgaben des Glücksspielstaatsvertrages und sei damit sowohl im Hinblick auf den terrestrischen Bereich als auch im Internet nicht erlaubnisfähig. Die Antragstellerin biete bei Sportwetten sowohl im Internet als auch terrestrisch unter Verstoß gegen § 21 GlüStV a.F. Wetten auf Einzelereignisse innerhalb der Sportveranstaltung an. Ebenso biete sie Wetten während des laufenden Sportereignisses an. Das Angebot der Antragstellerin sei auch wegen Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 GlüStV a.F. nicht zulässig. Denn sie biete auf ihrer Internetseite Spielern Boni in Höhe von bis zu 80 % des Gewinnes an, wenn diese auf mindestens fünf Ereignisse gleichzeitig wetteten. Dies sei mit dem Verbot der Anreizwerbung und der in § 1 GlüStV a.F. verankerten Zielsetzung nicht vereinbar. Weiter stehe der Zulässigkeit des Angebots der Antragstellerin entgegen, dass bei den Spielen im Internet der Jugendschutz nicht sichergestellt sei. Ein Spieler müsse nur erklären, 18 Jahre oder älter zu sein, überprüft werde dies aber erstmals bei Auszahlung etwaiger Gewinne, wobei Gewinne von Minderjährigen nicht einmal ausbezahlt würden. Mit der Internetseite werbe die Antragstellerin gleichzeitig für unerlaubtes Glücksspiel, was gemäß § 5 Abs. 4 GlüStV a.F. verboten sei, gemäß § 5 Abs. 3 GlüStV a.F. sei Werbung für öffentliches Glücksspiel im Internet verboten. Auch die Werbung für ihr Angebot im Sportwettbüro verstoße gegen § 5 Abs. 4 GlüStV a.F.. Zugleich verstoße sie damit gegen § 5 Abs. 3 GlüStV a.F..
Die Antragstellerin hat hiergegen am 10.05.2012 Klage vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben und gleichzeitig beantragt, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Verfügung anzuordnen. Mit Beschluss vom 15.11.2012 hat das Verwaltungsgericht diesen Antrag abgelehnt.
Nach Inkrafttreten des neuen Glückspielstaatsvertrages zum 01.07.2012 (Gesetz zu dem Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag (1. Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland) und zu dem Staatsvertrag über die Gründung der GKL Gemeinsame Klassenlotterie der Länder vom 26.06.2012, GBl. 2012 S. 385 i.V.m. der Bekanntmachung des Staatsministeriums über das Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages vom 10.07.2012 - GBl. 2012 S. 515, im Folgenden: GlüStV n.F.) hat die Antragstellerin eine Konzession nach §§ 4a ff., 10 a GlüStV n.F. beantragt.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat im tenorierten Umfang Erfolg. Die von der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung fristgemäß (§ 146 Abs. 4 S. 1 VwGO) dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 S. 4 VwGO), geben dem Senat insoweit Anlass, den angefochtenen Beschluss zu ändern und auf den Antrag der Antragstellerin die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 18.04.2012 insoweit anzuordnen (2.). Im Übrigen bleibt die Beschwerde ohne Erfolg (1.).
Der Senat kann dabei seiner Prüfung ausschließlich die Rechtslage ab Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages zugrundelegen. Zwar kommt es für die Entscheidung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO maßgeblich auf die Erfolgsaussichten der von der Antragstellerin erhobenen Klage an, deren Gegenstand die einen Dauerverwaltungsakt darstellende Verfügung des Antragsgegners vom 18.04.2012 im gesamten Zeitraum seit ihrem Erlass ist, nachdem die Antragstellerin bislang ihren Klageantrag nicht zeitlich begrenzt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 05.01.2012 - 8 B 62.11 -, NVwZ 2012, 510). Die angefochtene Verfügung trifft auch eine unbefristete Regelung, die selbst für den Fall einer Änderung der Sach- und Rechtslage Fortgeltung beansprucht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17.10.2012 - 8 B 61 bis 63/12 -, juris). Ihre Rechtmäßigkeit bestimmt sich dabei nach der Sach- und Rechtslage zum jeweiligen Zeitpunkt innerhalb des Wirksamkeitszeitraums und kann daher zeitabschnittsweise geprüft und beurteilt werden (BVerwG, a.a.O.). Nachdem aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass von der angefochtenen Verfügung für die Vergangenheit der Antragstellerin nachteilige Rechtswirkungen ausgehen, welche die rückwirkende Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigen würden, ist der Antrag der Antragstellerin dahingehend zu verstehen (§ 88 VwGO), dass diese Vollstreckungsschutz nur für die Zukunft geltend macht, sodass auch nur die Erfolgsaussichten der von der Antragstellerin erhobenen Klage ex nunc und damit unter Zugrundelegung des ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages zu beurteilen sind.
1. Die Anfechtungsklage der Antragstellerin wird voraussichtlich für den hier entscheidungserheblichen Zeitraum keinen Erfolg haben, soweit ihr Sportwettenangebot im Internet betroffen ist.
Der Antragsgegner hat die angefochtene Verfügung auf § 9 Abs. 1 S. 2 und 3 Nr. 3 GlüStV a.F. gestützt. § 9 Abs. 1 S. 2 und 3 Nr. 3 GlüStV n.F. entspricht dieser Regelung. Danach kann der Antragsgegner u.a. die Veranstaltung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür untersagen. Die Untersagung der Veranstaltung ist rechtmäßig, wenn der Veranstalter keine Erlaubnis für die Veranstaltung von Glücksspielen hat und deren Veranstaltung auch nicht erlaubnisfähig ist, es sei denn, die fehlende Genehmigungsfähigkeit könnte durch Nebenbestimmungen zu einer etwaigen Konzession beseitigt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.10.2012 - a.a.O.; Urteil vom 01.06.2011 - 8 C 4.10 -, juris).
Die Voraussetzungen für eine Untersagungsverfügung liegen im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats vor. Die Antragstellerin verfügt über keine Erlaubnis des Antragsgegners zur Veranstaltung von Sportwetten im Internet. Dass die (behauptete) österreichische Sportwettenkonzession der Antragstellerin nicht ausreichend ist, hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt. Die Veranstaltung von Sportwetten durch die Antragstellerin über das Internet laufen auch dem materiell-rechtlichen Verbot des § 4 Abs. 3 S. 2, 3 GlüStV n.F. zuwider (vgl. bereits Senatsbeschluss vom 19.11.2012 - 6 S 342/12 -, VBlBW 2013, 105). Nach dieser Vorschrift ist die Teilnahme von Minderjährigen an öffentlichen Glücksspielen unzulässig. Die Veranstalter haben sicherzustellen, dass Minderjährige von der Teilnahme ausgeschlossen sind. Der Antragsgegner hat aber festgestellt, dass nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragstellerin ein Spieler zwar erklären muss, 18 Jahre oder älter zu sein. Dies werde aber nicht überprüft. Eine Überprüfung des Alters finde erstmals bei Auszahlung von etwaigen Gewinnen statt. Minderjährige könnten demnach durch die unwahre Angabe, 18 Jahre oder älter zu sein, an den angebotenen Glücksspielen teilnehmen, was in der Anonymität des Internets besonders leicht sei. Wenn die Minderjährigen verlieren würden, komme dies dem Anbieter zugute. Wenn die Minderjährigen gewinnen würden, würden die Gewinne nicht ausbezahlt. Dem ist die Antragstellerin weder im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht noch im Beschwerdeverfahren entgegengetreten. Die damit fehlende Genehmigungsfähigkeit könnte auch nicht durch Nebenbestimmungen zu einer etwaigen Konzession beseitigt werden. Auch bei Verwaltungsakten, auf die wie hier kein Anspruch besteht, kann durch Nebenbestimmungen sichergestellt werden, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 36 RdNr. 47). Dabei hat die zuständige Behörde bei Fehlen einer Genehmigungsvoraussetzung die in ihrem Ermessen stehende Entscheidung zu treffen, ob anstelle der Ablehnung des Antrags der Versuch gemacht werden soll, die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen durch Nebenbestimmungen sicherzustellen. Dabei darf die Behörde aber wesentliche Voraussetzungen des in Frage stehenden Verwaltungsakts nicht auf Nebenbestimmungen „abschieben“ und damit letztlich offenlassen (Kopp/Ramsauer, a.a.O., RdNr. 46). Zu den wesentlichen Voraussetzungen gehört aber, dass Minderjährige keinen Zugang haben. Denn die gesetzliche Regelung belässt es insofern nicht bei der allgemeinen Zielsetzung des § 1 Ziff. 3 GlüStV n.F. (Gewährleistung des Jugendschutzes), sondern konkretisiert diese Zielsetzung in § 4 Abs. 3 S. 2 und 3 GlüStV n.F. zu einem strikten Verbot der Teilnahme von Minderjährigen.
Der Antragsgegner hat die Untersagungsverfügung insoweit auch ermessensfehlerfrei erlassen. Er hat insbesondere den Gesichtspunkt des Jugendschutzes bereits in der Untersagungsverfügung selbständig tragend berücksichtigt. § 4 Abs. 3 S. 2 und 3 GlüStV n.F. entsprechen § 4 Abs. 3 S. 2 und 3 GlüStV a.F. (ebenso: § 27 Abs. 1 GlüSpG Schleswig-Holstein), so dass sich auch nicht die Frage stellt, ob die Untersagungsverfügung ermessensfehlerhaft (geworden) ist, weil die Ermessenserwägungen einer veränderten Rechtslage nicht Rechnung tragen und ob und inwieweit bei unveränderter Rechtslage ein Nachschieben und Ersetzen von Ermessenserwägungen möglich ist und im Verwaltungsprozess berücksichtigt werden darf.
10 
Vor diesem Hintergrund ist die angefochtene Verfügung auch insoweit rechtmäßig, als die Werbung für dieses unerlaubte Glücksspiel untersagt wird (vgl. auch § 5 Abs. 5 GlüStV n.F., entsprechend § 5 Abs. 4 GlüStV a.F.), ohne dass es darauf ankommt, ob die Antragstellerin auch noch gegen § 5 Abs. 3 GlüStV n.F. (vgl. § 5 Abs. 3 GlüStV a.F.) verstößt.
11 
2. Die Anfechtungsklage der Antragstellerin wird aber voraussichtlich für den hier entscheidungserheblichen Zeitraum Erfolg haben, soweit ihr terrestrisch vertriebenes Sportwettenangebot betroffen ist. Nach § 9 Abs. 1 S. 2 GlüStV n.F. (entsprechend: § 9 Abs. 1 S. 2 GlüStV a.F.) kann der Antragsgegner die erforderlichen Anordnungen erlassen, um darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleibt und damit der Antragstellerin auch den Vertrieb der von ihr veranstalteten Sportwetten über Vermittlungsstellen in Baden-Württemberg sowie hierauf bezogene Werbung untersagen.
12 
Die Voraussetzungen hierfür liegen aber nicht vor. Der Senat geht davon aus, dass eine Sportwettenveranstaltungskonzession nach §§ 4 a ff. GlüStV n.F. auch den Vertrieb dieser Sportwetten über eine zugelassene Vermittlungsstelle nach § 10 a Abs. 5, 4 Abs. 1 S. 1 GlüStV n.F. umfassen würde. Fehlt es - wie hier - an einer solchen Veranstaltungserlaubnis, stellt sich - wie oben ausgeführt - bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Untersagungsverfügung zunächst die Frage nach der Erlaubnisfähigkeit.
13 
Hiervon ist aber auszugehen. Insbesondere ergibt sich aus den Feststellungen des Antragsgegners kein Verstoß des terrestrischen Sportwettenangebots der Antragstellerin gegen § 21 GlüStV n.F.. Nach § 21 Abs. 4 S. 2 GlüStV n.F. sind Wetten während laufender Sportereignisse zwar unzulässig. Nach § 21 Abs. 4 S. 3 Hs. 1 GlüStV n.F. können davon abweichend aber Sportwetten, die Wetten auf das Endergebnis sind, während des laufenden Sportereignisses zugelassen werden. Der Antragsgegner hat lediglich festgestellt, dass die Antragstellerin Wetten während des laufenden Sportereignisses anbietet, aber nicht, ob es sich um zulässige Endergebniswetten i.S.d. § 21 Abs. 4 S. 3 Hs. 1 GlüStV n.F. handelt oder um während eines Sportereignisses nicht zulässige Wetten auf einzelne Vorgänge (Ereigniswetten). Insoweit hat der Antragsgegner zwar festgestellt, dass die Antragstellerin Wetten auf Einzelereignisse innerhalb der Sportveranstaltung anbietet, aber nicht, ob sie dies auch während eines Sportereignisses macht (vgl. auh § 21 Abs. 1 S. 1: erlaubnisfähige Wetten auf die den Ausgang von Abschnitten von Sportereignissen). Weitere Feststellungen, die eine Untersagung des terrestrischen Angebots der Antragstellerin rechtfertigten, hat der Antragsgegner nicht getroffen.
14 
Soweit der Antragsgegner darüber hinaus darauf abstellt, dass der Antragstellerin derzeit eine Erlaubnis nach §§ 4 Abs. 5, 4 a ff., 10 a GlüStV n.F. nicht erteilt werden kann, weil sie auch nicht erlaubtes und nicht erlaubnisfähiges Glücksspiel anbietet (s. dazu unter 1.), verkennt er, dass die Einhaltung der Verpflichtung des Konzessionsbewerbers, kein (sonstiges) unerlaubtes Glücksspiel zu veranstalten oder zu vermitteln (§ 4 b Abs. 2 S. 3 Ziff. 6 GlüStV n.F.), nach der eigenen Regelungskonzeption des neuen Glücksspielstaatsvertrages (zunächst) durch Nebenbestimmungen zur Konzession sicherzustellen ist (§ 4 c Abs. 2 GlüStV n.F.), aber keine Untersagungsverfügung rechtfertigt (vgl. bereits Senat, a.a.O.).
15 
Die angefochtene Verfügung ist voraussichtlich auch insoweit rechtswidrig, als sie der Antragstellerin Werbung für den Vertrieb ihrer terrestrischen Produkte untersagt. Unter der Geltung des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages liegt unerlaubtes Glücksspiel, dessen Bewerbung untersagt werden darf (vgl. auch § 5 Abs. 5 GlüStV n.F.), nicht vor, wenn das Angebot erlaubnisfähig ist (Senat, Beschl. vom 19.11.2012, a.a.O.). Ob für das terrestrische Angebot der Antragstellerin auch im Internet geworben wird und damit die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 GlüStV n.F. erfüllt sein könnten, lässt sich den Feststellungen des Antragsgegners nicht entnehmen.
16 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.
17 
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
18 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Auf den Antrag der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 03. Februar 2012 - 1 K 2280/11 - geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 15. August 2011 wird ab dem Zeitpunkt der Zustellung dieses Beschlusses an den Antragsgegner angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Antragstellerin ist die Fußballspielbetriebsgesellschaft des Vereins xxx. Sie betreibt auch den Internetauftritt des Vereins (xxx). Zwischen der Antragstellerin und der Firma xxx, Malta (im Folgenden: xxx), besteht ein Sponsoringvertrag. Die Firma xxx bietet - neben terrestrischen Glücksspielangeboten - Onlineglücksspiele in Form von Sportwetten, sonstigen Wetten und Casinospielen an. Auf der Internetseite des Vereins ist das Logo „xxx“ eingefügt, das mit der Internetseite xxx verlinkt ist, über die das Onlineangebot der Firma xxx erfolgt. Bei Heimspielen des Vereins, von denen in der Regel in Fernsehübertragungen berichtet wird, sind Banner für „xxx“ bzw. „xxx“ an den Stadionbanden angebracht.
Mit auf § 9 Abs. 1 Satz 2 und 3 Nr. 3 GlüStV in der bis zum 30.06.2012 gültigen Fassung (im Folgenden: GlüStV a.F.) gestützten Verfügung vom 15.08.2011 untersagte das Regierungspräsidium Karlsruhe der Antragstellerin jegliche Werbung in Baden-Württemberg für unerlaubtes Glücksspiel, insbesondere für die Firma xxx, gab ihr auf, bereits begonnene Werbemaßnahmen einzustellen (Ziff. 1 der Verfügung) und die Einstellung der Werbetätigkeiten dem Regierungspräsidium Karlsruhe unverzüglich schriftlich mitzuteilen (Ziff. 2). Für den Fall, dass die Antragstellerin dieser Verpflichtung bis zwei Wochen nach Bekanntgabe der Verfügung nicht nachgekommen sein sollte, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,-- EUR angedroht (Ziff. 3).
Zur Begründung wurde ausgeführt, gemäß § 5 Abs. 4 GlüStV a.F. sei Werbung für unerlaubtes Glücksspiel verboten. § 5 Abs. 3 GlüStV a.F. verbiete jegliche Werbung im Internet für Glücksspiel. Nach § 21 Abs. 2 GlüStV a.F. sei Bandenwerbung für Sportwetten nicht zulässig. Hiergegen verstoße die Antragstellerin durch die - zwischenzeitlich eingestellte - Verwendung des verlinkten Internetlogos der Firma xxx und der Banner im Stadion. Die Firma xxx verfüge über keine Erlaubnis für die Veranstaltung bzw. Vermittlung von Sportwetten und anderen Glücksspielen in Baden-Württemberg. Der Erteilung einer solchen Erlaubnis stehe das staatliche Glücksspielmonopol entgegen. Unabhängig davon könne eine Erlaubnis nicht erteilt werden, weil die Firma xxx ihre Glücksspiele unter Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. über das Internet anbiete.
Die Antragstellerin hat hiergegen Klage vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben (1 K 2262/11) und beantragt, die aufschiebende Wirkung dieser Klage gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Verfügung anzuordnen. Mit Beschluss vom 03.02.2012 hat das Verwaltungsgericht diesen Antrag abgelehnt. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der vorliegenden Beschwerde.
Nach Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrags zum 01.07.2012 (Gesetz zu dem Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag (Erster Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland) und zu dem Staatsvertrag über die Gründung der GKL Gemeinsame Klassenlotterie der Länder vom 26.06.2012, GBl. 2012 S. 385 in Verbindung mit der Bekanntmachung des Staatsministeriums über das Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags vom 10.07.2012, GBl. 2012 S. 515, im Folgenden: GlüStV n.F.) hat die Firma xxx eine Konzession nach §§ 4a ff., 10a GlüStV n.F. beantragt. Die Antragstellerin hat auf Anfrage mitgeteilt, dass sie Vollstreckungsschutz nur ex nunc begehrt.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat Erfolg. Die von der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung fristgemäß (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO), geben dem Senat Anlass, den angefochtenen Beschluss zu ändern und auf den Antrag der Antragstellerin die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 15.08.2011 im tenorierten Umfang anzuordnen.
Der Senat kann dabei seiner Prüfung ausschließlich die Rechtslage ab Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags zugrundelegen. Zwar kommt es für die Entscheidung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO maßgeblich auf die Erfolgsaussichten der von der Antragstellerin erhobenen Klage an, deren Gegenstand die einen Dauerverwaltungsakt darstellende Verfügung des Antragsgegners vom 15.08.2011 im gesamten Zeitraum seit ihrem Erlass ist, nachdem die Antragstellerin bislang ihren Klageantrag nicht zeitlich begrenzt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 05.01.2012 - 8 B 62/11 -, NVwZ 2012, 510). Die angefochtene Verfügung trifft auch eine unbefristete Regelung, die selbst für den Fall einer Änderung der Sach- und Rechtslage Fortgeltung beansprucht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17.10.2012 - 8 B 61-63/12 -, juris). Ihre Rechtmäßigkeit bestimmt sich dabei nach der Sach- und Rechtslage zum jeweiligen Zeitpunkt innerhalb des Wirksamkeitszeitraums und kann daher zeitabschnittsweise geprüft und beurteilt werden (BVerwG, a.a.O.). Die Antragstellerin macht aber Vollstreckungsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO im Beschwerdeverfahren ausdrücklich nur für die Zukunft geltend, so dass in diesem Verfahren auch nur die Erfolgsaussichten der von der Antragstellerin erhobenen Klage ex nunc und damit unter Zugrundelegung des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags zu beurteilen sind. Es bedarf vor diesem Hintergrund auch keiner Entscheidung, ob die Wirkungen des vorliegenden Beschlusses, der grundsätzlich ex tunc wirken würde, in zeitlicher Hinsicht auch deshalb auf den Zeitpunkt seiner Zustellung an den Antragsgegner zu beschränken sind, weil von der angefochtenen Verfügung für die Vergangenheit keine der Antragstellerin nachteiligen Rechtswirkungen mehr ausgehen, sich die Anfechtungsklage mithin insofern erledigt haben könnte und es deshalb insoweit schon am Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage fehlen würde oder ob solche Rechtswirkungen noch bestehen und diese auch die rückwirkende Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigen würden, vorausgesetzt die - für den Zeitraum vor dem 01.07.2012 am Maßstab des alten Glücksspielstaatsvertrages zu messende - angefochtene Verfügung würde sich auch für diesen Zeitraum als rechtswidrig erweisen.
Jedenfalls für den hier entscheidungserheblichen Zeitraum wird die Anfechtungsklage der Antragstellerin voraussichtlich Erfolg haben.
Die angegriffene Verfügung erweist sich dabei - ohne zeitliche Einschränkung - bereits insofern als ermessensfehlerhaft, als mit ihr Werbung für nicht von der Firma xxx angebotenes unerlaubtes Glücksspiel untersagt wurde bzw. deren Einstellung verlangt wurde. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV a.F. kann der Antragsgegner die erforderlichen Anordnungen zur Erfüllung der nach dem Glücksspielstaatsvertrag begründeten Verpflichtungen erlassen. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin beabsichtigt hat, Werbung für andere Anbieter zu machen, hat der Antragsgegner nicht ermittelt. Sie sind auch nicht ersichtlich. Damit hat der Antragsgegner aber insofern sein Entschließungsermessen entgegen dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung (§ 114 Satz 1 VwGO) ausgeübt; denn es bestand bereits kein Anlass für ein behördliches Einschreiten.
10 
Soweit sich die angefochtene Verfügung auf Werbemaßnahmen für die Firma xxx bezieht, erweist sie sich jedenfalls für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum als ermessensfehlerhaft, weil die Ermessenserwägungen der veränderten Rechtslage auf Grund des Inkrafttretens des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags nicht Rechnung tragen. Die angefochtene Verfügung trifft, wie bereits ausgeführt, eine unbefristete Regelung, die auch für den vorliegenden Fall einer Änderung der Rechtslage Fortgeltung beansprucht. Ihre Rechtmäßigkeit bestimmt sich dabei nach der Rechtslage zum jeweiligen Zeitpunkt innerhalb des Wirksamkeitszeitraums und kann daher zeitabschnittsweise geprüft und beurteilt werden. Liegt wie hier eine Ermessensentscheidung vor und ändert sich der rechtliche Rahmen für die untersagten Tätigkeiten, muss die Untersagungsverfügung in ihren Erwägungen zum Ermessen, das sich am gesetzlichen Zweck der Ermächtigung zu orientieren hat (§ 114 Satz 1 VwGO), die veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen berücksichtigen, um (weiterhin) rechtmäßig zu sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.06.2011 - 8 C 2.10 -, NVwZ 2011, 1328). Hieran fehlt es. Die Berücksichtigung der veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen könnte - was vorliegend aber nicht erfolgt ist - im Rahmen der Ermessenserwägungen dadurch geschehen, dass gesetzliche Änderungen einschlägiger materiell-rechtlicher Vorschriften bereits im Entwurfsstadium als ermessensrelevante Gesichtspunkte berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17.10.2012 - 8 B 61-63/12 -, a.a.O.). Ob auch das (spätere) Nachschieben und Ersetzen von Ermessenserwägungen mit Blick auf die geänderte Rechtslage verwaltungsverfahrensrechtlich möglich ist und im Verwaltungsprozess berücksichtigt werden kann, bedarf hier keiner Entscheidung (vgl. dazu BVerwG, a.a.O.). Denn entsprechende, tragfähige Erwägungen hat der Antragsgegner auch nachträglich nicht angestellt.
11 
1. Der Antragsgegner hat die angefochtene Verfügung zum einen auf §§ 9 Abs. 1 Satz 2 und 3 Nr. 3, 5 Abs. 4 GlüStV a. F. gestützt. Danach kann der Antragsgegner die Werbung für unerlaubtes Glücksspiel untersagen.
12 
a) Der Antragsgegner hat die Annahme, die Antragstellerin werbe für unerlaubtes Glücksspiel, zum einen damit begründet, dass die Firma xxx nicht über die erforderliche Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 GlüStV a.F. verfüge und ihr eine solche wegen des faktischen Glücksspielmonopols des § 10 Abs. 2 GlüStV a.F. (vgl. jetzt § 10 Abs. 2 GlüStV n.F.) auch nicht erteilt werden könne. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass für den Bereich der auch von der Firma xxx angebotenen Sportwetten durch die Experimentierklausel (§ 10a GlüStV n.F.) § 10 Abs. 2 GlüStV n.F. durchbrochen wird. Ist die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten für private Dritte erlaubnisfähig, kann sich der Antragsgegner nach Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages - ungeachtet etwaiger europarechtlicher oder verfassungsrechtlicher Bedenken - auf § 10 Abs. 2 GlüStV aber nur noch insoweit berufen, als es dabei nicht um Sportwetten oder Lotterien und Ausspielungen nach den Vorschriften des dritten Abschnitts des Vertrages geht (§ 10 Abs. 6 GlüStV n.F.), bezogen auf das Angebot der Firma xxx also nur noch für einen Teilbereich.
13 
b) Soweit die angefochtene Verfügung weiter davon ausgeht, dass die Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 GlüStV a.F. (jetzt § 5 Abs. 5 GlüStV n.F.) erfüllt seien, weil der Firma xxx keine Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 GlüStV a.F. erteilt worden ist und auch wegen des Verstoßes gegen das umfassende Verbot für das Veranstalten und Vermitteln von Glücksspielen über das Internet nach § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. auch nicht erteilt werden kann, lässt die angefochtene Verfügung bereits unberücksichtigt, dass diese Bestimmung der Erlaubnisfähigkeit des terrestrischen Sportwettenangebots der Firma xxx nicht entgegensteht. Auch soweit die Firma xxx Sportwetten über das Internet anbietet, hat sich mit Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages die Rechtslage aber geändert. Zwar enthält § 4 Abs. 4 GlüStV n.F. dieselbe Regelung wie § 4 Abs. 4 GlüStV a.F.. Unter den Voraussetzungen der §§ 10a, 4 Abs. 5 GlüStV n.F. kann aber die Veranstaltung und Vermittlung u.a. von Sportwetten im Internet erlaubt werden.
14 
aa) Damit ist zunächst die Frage aufgeworfen, ob über das Internet angebotene Sportwetten dann schon unerlaubt im Sinne des § 5 Abs. 4 GlüStV a.F. bzw. § 5 Abs. 5 GlüStV n.F. sind, wenn hierfür (noch) keine Erlaubnis erteilt wurde - wie der Antragsgegner meint - oder ob insoweit auf die Erlaubnisfähigkeit abzustellen ist. Insofern kann nach Auffassung des Senats nichts anderes gelten als im Fall des Erlaubnisvorbehalts des § 4 Abs. 1 GlüStV a.F.. Unerlaubtes Glücksspiel im Sinne dieser Vorschrift setzt aber neben dem Fehlen einer Erlaubnis auch das Fehlen der Erlaubnisfähigkeit voraus. Bei Zweifeln über die Beachtung von Vorschriften über die Art und Weise der Gewerbetätigkeit kommen zunächst Nebenbestimmungen in Betracht (BVerwG, Urteil vom 01.06.2011 - 8 C 2.10 -, NVwZ 2011, 1328; vgl. dazu auch Senat, Beschluss vom 20.01.2011 - 6 S 1685/10 -, ZfWG 2011, 136). Dies ergibt sich aus Folgendem: Dem Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV n.F. kommt nicht derselbe materielle Gehalt zu wie dem ausnahmslosen Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV a.F.. Vielmehr kommt mit der Neuregelung zum Ausdruck, dass die besonderen Gefahren, die von einem Glücksspielangebot im Internet ausgehen, nicht mehr nur bei einem generellen Verbot beherrschbar erscheinen, sondern ihnen gerade (auch) dadurch begegnet werden kann (vgl. § 4 Abs. 5 GlüStV n.F.: „Zur besseren Erreichung der Ziele des § 1“), dass unter bestimmten Voraussetzungen einzelne Glücksspielarten wie Sportwetten auch über das Internet angeboten werden.
15 
bb) Das Angebot von Sportwetten über das Internet kann dann aber nicht schon unerlaubt i.S.d. § 5 Abs. 4 GlüStV a.F. bzw. § 5 Abs. 5 GlüStV n.F. sein, wenn hierfür (noch) keine Genehmigung vorliegt, sondern nur dann, wenn es derzeit nicht erlaubnisfähig ist, z.B. weil es wirksamen materiell-rechtlichen Verboten wie § 4 Abs. 3 Satz 2 GlüStV n.F. entgegenläuft (möglicherweise weitergehend OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. vom 24.08.2012 - 1 S 44.12 -, juris). Feststellungen hierzu hat der Antragsgegner nicht getroffen. Soweit der Antragsgegner demgegenüber darauf abstellt, dass der Firma xxx derzeit eine Erlaubnis nach §§ 4 Abs. 5, 4 a ff, 10 a GlüStV n.F. nicht erteilt werden kann, weil sie nach wie vor nach dem Glücksspielstaatsvertrag nicht erlaubnisfähige, unter anderem gegen das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV n.F. verstoßende Glücksspiele anbietet, verkennt er, dass die Einhaltung der Verpflichtung des Konzessionsbewerbers, kein (sonstiges) unerlaubtes Glückspiel zu veranstalten oder zu vermitteln (§ 4b Abs. 2 Satz 3 Ziff. 6 GlüStV n.F.) nach der eigenen Regelungskonzeption des neuen Glücksspielstaatsvertrags (zunächst) durch Nebenbestimmungen zur Konzession sicherzustellen ist (§ 4c Abs. 2 GlüStV n.F.).
16 
c) Der Antragsgegner hätte mithin erwägen müssen, ob und wie er einschreitet, wenn wie hier Werbung für einen Anbieter von Glücksspielen erfolgt, dessen Angebot zwar ohne Erlaubnis erfolgt, zum Teil aber erlaubnisfähig ist und dieser eine Konzession beantragt hat. Hieran fehlt es.
17 
2. Es erscheint dem Senat bereits zweifelhaft, ob der Antragstellerin auch gestützt auf §§ 9 Abs. 1 Satz 2, 5 Abs. 3 GlüStV a.F. Werbung für öffentliches Glücksspiel unter anderem im Internet verboten werden sollte und durfte, nachdem sie die Internetpräsenz im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung eingestellt hatte. Zum anderen erscheint zweifelhaft, ob dies auch vom Tenor der Verfügung umfasst ist und ob bei Abweichung von Tenor und Gründen der Verfügung insofern eine wirksame Verpflichtung der Antragstellerin begründet wurde. Dies kann aber letztlich dahingestellt sein. § 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV n.F. übernimmt zwar das grundsätzliche Werbeverbot für öffentliches Glücksspiel im Internet. § 5 Abs. 3 Satz 2 GlüStV n.F. eröffnet aber die Möglichkeit, Werbung z.B. für Sportwetten unter anderem im Internet zu erlauben. Insofern gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. Dass die Antragstellerin bislang (wohl) eine solche Internetwerbeerlaubnis noch nicht beantragt hat, kann nicht zu ihrem Nachteil sein, nachdem der Erlass der Werberichtlinie, die der Entscheidung über die Internetwerbeerlaubnis zugrundegelegt werden soll, noch aussteht.
18 
3. Die Begründung der angefochtenen Verfügung geht weiter davon aus, dass der Antragstellerin nach §§ 9 Abs. 1 Satz 2, 21 Abs. 2 Satz 2 GlüStV a.F. auch die Bandenwerbung für Sportwetten bei der Übertragung von Fußballspielen in Telemedien verboten werden sollte. Insofern werden mit Blick auf die hiervon abweichende Tenorierung des Bescheides dieselben Fragen aufgeworfen wie im Fall des Internetwerbeverbots. Auch stellt sich die Frage, ob überhaupt auf § 21 Abs. 2 Satz 2 GlüStV a.F. rekurriert werden konnte, wenn - wie hier - der mit Bandenwerbung beworbene Anbieter nicht nur Sportwetten anbietet und auch nicht nur für die von ihm angebotenen Sportwetten geworben wird. Dies kann aber ebenfalls dahinstehen. Jedenfalls für den hier streitgegenständlichen Zeitraum erweist sich die angefochtene Verfügung auch insofern als ermessensfehlerhaft. Denn der neue Glücksspielstaatsvertrag enthält kein ausdrückliches Verbot der Bandenwerbung mehr. Die angefochtene Verfügung enthält keinerlei Ermessenserwägungen dazu, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sie auch unter dieser veränderten rechtlichen Ausgangslage aufrechterhalten bleiben soll. Entsprechende Erwägungen hat der Antragsgegner auch nach Erlass der Verfügung nicht angestellt.
19 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
20 
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
21 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Die Ansprüche aus den §§ 8, 9 Absatz 1 und § 13 Absatz 3 verjähren in sechs Monaten und der Anspruch aus § 9 Absatz 2 Satz 1 verjährt in einem Jahr.

(2) Die Verjährungsfrist beginnt, wenn

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(3) Schadensersatzansprüche verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung, spätestens in 30 Jahren von der den Schaden auslösenden Handlung an.

(4) Andere Ansprüche verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in drei Jahren von der Entstehung an.

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.

(2) Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet.

(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:

1.
jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt,
2.
denjenigen rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, die in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b eingetragen sind, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt,
3.
den qualifizierten Einrichtungen, die in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind, oder den qualifizierten Einrichtungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2018/302 (ABl. L 60I vom 2.3.2018, S. 1) geändert worden ist, eingetragen sind,
4.
den Industrie- und Handelskammern, den nach der Handwerksordnung errichteten Organisationen und anderen berufsständischen Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben sowie den Gewerkschaften im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben bei der Vertretung selbstständiger beruflicher Interessen.

(4) Stellen nach Absatz 3 Nummer 2 und 3 können die Ansprüche nicht geltend machen, solange ihre Eintragung ruht.

(5) § 13 des Unterlassungsklagengesetzes ist entsprechend anzuwenden; in § 13 Absatz 1 und 3 Satz 2 des Unterlassungsklagengesetzes treten an die Stelle der dort aufgeführten Ansprüche nach dem Unterlassungsklagengesetz die Ansprüche nach dieser Vorschrift. Im Übrigen findet das Unterlassungsklagengesetz keine Anwendung, es sei denn, es liegt ein Fall des § 4e des Unterlassungsklagengesetzes vor.

Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn

1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und
2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 19/04 Verkündet am:
27. September 2006
Kirchgeßner,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Mit dem in § 533 Nr. 1 ZPO bestimmten Merkmal der Sachdienlichkeit einer Klageänderung
in der Berufungsinstanz ist die entsprechende Zulassungsschranke der §§ 523,
263 ZPO in der bis zum 31. Januar 2001 geltenden Fassung unverändert in das neue
Berufungsrecht übernommen worden.
Zu den Tatsachen, auf die gemäß § 533 Nr. 2 ZPO eine Klageänderung gestützt werden
kann, weil sie das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die
Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat, gehören auch solche, die
bereits in erster Instanz vorgetragen waren, von dem erstinstanzlichen Gericht aber als
unerheblich beurteilt worden sind und deshalb im Urteilstatbestand keine Erwähnung
gefunden haben; kommt es aus der allein maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts
aufgrund der Klageänderung auf diese Tatsachen an, bestehen erhebliche Zweifel an
der Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen, die das Berufungsgericht
nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO zu eigenen Feststellungen berechtigen
und verpflichten (im Anschluss an BGH, Urteil vom 19. März 2004 – V ZR 104/03,
BGHZ 158, 295, 309 f.).

b) Das Gericht verletzt seine Hinweispflicht aus § 139 Abs. 2 ZPO, wenn es ohne vorherigen
Hinweis eine Klage mangels Aktivlegitimation des Klägers abweist, nachdem es
zuvor durch eine Beweisaufnahme zu erkennen gegeben hat, dass es die Klage für
schlüssig hält.
BGH, Urteil vom 27. September 2006 - VIII ZR 19/04 - OLG Hamm
LG Bielefeld
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. September 2006 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richter Wiechers
und Dr. Wolst sowie die Richterinnen Hermanns und Dr. Milger

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 3. Dezember 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Beklagte bot im November 1999 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung 550 Ölgemälde aus dem 18. bis 20. Jahrhundert für 280.000 DM zum Kauf an. Am 3. Dezember 1999 schlossen der Zeuge F. – der Ehemann der Klägerin – und der Beklagte einen entsprechenden Kaufvertrag. Bei der Übergabe der Bilder am 9. Dezember 1999 wurde der Vertrag auf Veranlassung des Zeugen F. von den Beteiligten ohne Wissen der Klägerin auf diese als Käuferin umgeschrieben. Am selben Tag beglich der Zeuge F. auch den Kaufpreis – ob vollständig oder nur teilweise ist streitig – mit Mitteln, die er zuvor von der Klägerin als Darlehen erhalten hatte.
2
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Rückzahlung von 280.000 DM nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe von 433 Bildern, die der Beklagte dem Zeugen F. nach ihrem Vortrag nur übergeben hat. Das Landgericht hat die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation der Klägerin abgewiesen. Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung hat die Klägerin Ansprüche auch aus abgetretenem Recht des Zeugen F. geltend gemacht und die Feststellung begehrt, dass sich der Beklagte mit der Annahme der 433 Bilder in Annahmeverzug befinde. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr zweitinstanzliches Begehren nur noch aus abgetretenem Recht des Zeugen F. weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt :
4
Es könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass es sich bei der Zahlung des Kaufpreises um eine Leistung der Klägerin im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB gehandelt habe, weil aus der maßgeblichen Sicht des Beklagten eine solche nur gegeben sei, wenn die Geldzahlung nach der Umschreibung des Kaufvertrags auf die Klägerin erfolgt sei; dies habe sie nicht zur vollen Überzeugung des Senats bewiesen. Für einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB wegen einer behaupteten Täuschung des Zeugen F. durch den Beklagten über die Anzahl und die Qualität der verkauften Gemälde fehle es schon nach dem eigenen Vortrag der Klägerin an einem Schaden, weil durch den Verlust des dem Zeugen F. dar- lehensweise überlassenen Geldes ohne gleichwertige Gegenleistung nur dieser , nicht aber die Klägerin geschädigt worden sein könne.
5
Soweit die Klägerin ihre Klageforderung im Berufungsverfahren auch auf abgetretenes Recht des Zeugen F. gestützt habe, liege darin eine nach § 533 ZPO nicht zulässige Klageänderung. Nach § 533 Nr. 2 ZPO könne eine Klageänderung nur zugelassen werden, wenn diese auf Tatsachen gestützt werden könne, die der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin zugrunde zu legen habe. Das sei hier nicht der Fall. Bei Berücksichtigung der Klageänderung müsse der Frage nachgegangen werden, ob ein abgetretener Anspruch des Zeugen F. wegen eines gegen ihn gerichteten Anspruchs aus § 179 BGB nicht durchsetzbar sei. Im Rahmen des § 179 BGB stellten sich die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen, ob der Kaufvertrag sittenwidrig, wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten oder infolge Wandelung rückabzuwickeln sei. Dies könne nur aufgrund eines Sachverhalts entschieden werden, den der Senat derzeit nicht zu beurteilen habe. Voraussichtlich wären weitere Feststellungen durch Vernehmung von Zeugen oder die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Wert der Kunstwerke erforderlich. Daraus folge, dass die Klageänderung auch nicht als sachdienlich angesehen werden könne, was weitere Voraussetzung ihrer Zulassung sei, nachdem der Beklagte in die Änderung nicht eingewilligt habe.
6
Ob das Landgericht die Klage nicht ohne vorherigen Hinweis an die Klägerin mangels Schlüssigkeit habe abweisen dürfen, nachdem es zuvor aufwändig Beweis erhoben habe, könne dahinstehen, weil sich ein möglicher Verfahrensfehler nicht ausgewirkt habe. Selbst wenn die Klägerin einen solchen Hinweis zum Anlass genommen hätte, sich auf eine Abtretung zu berufen, wäre eine Klageänderung auch vom Landgericht nicht zuzulassen gewesen. Es sei davon auszugehen, dass der Beklagte wie auch in zweiter Instanz der Klage- änderung widersprochen hätte; die Sachdienlichkeit wäre in gleicher Weise zu verneinen gewesen, wie es in der Berufungsinstanz der Fall sei.

II.

7
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen des § 533 ZPO für eine Klageänderung in der Berufungsinstanz rechtsfehlerhaft verneint.
8
1. Im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen , dass die Geltendmachung eines Anspruchs aus abgetretenem Recht auch bei einem einheitlichen Klageziel einen anderen Streitgegenstand darstellt als die Geltendmachung aus eigenem Recht (BGH, Urteil vom 17. November 2005 – IX ZR 8/04, NJW-RR 2006, 275 = WM 2006, 592 unter A II 2 b bb; Senatsurteil vom 4. Mai 2005 – VIII ZR 93/04, NJW 2005, 2004 unter II 3; Urteil vom 13. April 1994 – XII ZR 168/92, NJW-RR 1994, 1143 = WM 1994, 1545 unter II 1; Urteil vom 29. November 1990 – I ZR 45/89, NJW 1991, 1683 unter I 2 a), weil der der Klage zugrunde gelegte Lebenssachverhalt im Kern geändert wird, wenn die Klage statt auf eigenes auf fremdes Recht gestützt wird. Die deshalb durch die zusätzliche Geltendmachung des Anspruchs aus abgetretenem Recht eingetretene nachträgliche (Eventual-)Klagenhäufung (§ 260 ZPO) ist wie eine Klageänderung im Sinne der §§ 263, 533 ZPO zu behandeln (BGHZ 158, 295, 305; Senatsurteil vom 15. Juni 2005 – VIII ZR 74/04, WM 2005, 2057 unter II 5; BGH, Urteil vom 10. Januar 1985 – III ZR 93/83, NJW 1985, 1841 unter 4).
9
2. Die Revision rügt jedoch zu Recht, dass die Annahme des Berufungsgerichts , die Klageänderung sei nicht sachdienlich (§ 533 Nr. 1 ZPO), von Rechtsfehlern beeinflusst ist. Das Revisionsgericht kann zwar die Verneinung der Sachdienlichkeit nur darauf überprüfen, ob das Berufungsgericht den Begriff der Sachdienlichkeit verkannt oder die Grenzen seines Ermessens überschritten hat (Senatsurteil vom 15. Juni 2005, aaO; BGH, Urteil vom 19. Oktober 1999 – XI ZR 308/98, NJW 2000, 143, unter II 2 b; BGHZ 123, 132, 137). Das ist hier jedoch der Fall, weil das Berufungsgericht einerseits für die Beurteilung wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat und andererseits Gesichtspunkte in die Abwägung eingeflossen sind, die so nicht hätten berücksichtigt werden dürfen.
10
a) Die Beurteilung der Sachdienlichkeit erfordert eine Berücksichtigung, Bewertung und Abwägung der beiderseitigen Interessen (BGH, Urteil vom 19. Oktober 1999, aaO, unter II 2 a). Nach ständiger Rechtsprechung zu dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Berufungsrecht (Senatsurteil vom 15. Juni 2005, aaO, unter II 5 a; BGHZ 143, 189, 197 f. m.w.Nachw.) kommt es für die Frage der Sachdienlichkeit allein auf die objektive Beurteilung an, ob und inwieweit die Zulassung der Klageänderung den sachlichen Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausräumt und einem andernfalls zu gewärtigenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt. Maßgebend ist der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit. Unter diesem Gesichtspunkt ist nicht die beschleunigte Erledigung des anhängigen Prozesses, sondern die Erledigung der Streitpunkte zwischen den Parteien entscheidend. Deshalb steht der Sachdienlichkeit einer Klageänderung nicht entgegen, dass im Falle ihrer Zulassung Beweiserhebungen nötig werden und dadurch die Erledigung des Prozesses verzögert würde. Die Sachdienlichkeit kann vielmehr bei der gebotenen prozesswirtschaftlichen Betrachtungsweise im allgemeinen nur dann verneint werden, wenn ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann.
11
Daran hat sich durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl I 1887) nichts geändert. Denn mit den in § 533 Nr. 1 ZPO bestimmten Merkmalen der Einwilligung des Gegners oder der Sachdienlichkeit wollte der Gesetzgeber die bereits nach bisherigem Recht (§ 523 ZPO a.F. in Verbindung mit § 263 ZPO) geltenden Zulässigkeitsvoraussetzungen einer zweitinstanzlichen Klageänderung übernehmen (BT-Drucks. 14/4722, S. 102).
12
b) Das Oberlandesgericht hat bei seiner Würdigung der Sachdienlichkeit außer Acht gelassen, dass der von der Klägerin in der Berufung neu geltend gemachte Anspruch aus abgetretenem Recht entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung unmittelbar an den vorherigen Prozessstoff anknüpft. Die Klägerin hatte, wie die Revision zu Recht geltend macht, bereits in erster Instanz zu den vom Beklagten angeblich gegebenen Zusicherungen, dem Ablauf der Vertragsverhandlungen , der Übergabe der Bilder und des Geldes, zum wahren Wert der Bilder sowie zu einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung vorgetragen und sich auf Gewährleistungsansprüche berufen. Das Landgericht hatte auch bereits Beweis erhoben über die Umstände des Kaufvertragsabschlusses am 3. Dezember 1999 und der nachträglichen Vertragsgestaltung, die Höhe des gezahlten Kaufpreises und die Zahl der zur Erfüllung übergebenen Bilder durch Vernehmung des Zeugen F. und durch kommissarische Vernehmung des Zeugen L. V. in Rumänien. Dass es darauf aus der Sicht des Berufungsgerichts für die Abweisung des Anspruchs der Klägerin aus eigenem Recht nicht ankam, hindert die Sachdienlichkeit der Klageänderung nicht; der bisherige Vortrag der Parteien und die dazu bereits gewonnenen Beweisergebnisse können gleichwohl bei der Verhandlung und Entscheidung über den von der Klägerin neu geltend gemachten Anspruch aus abgetretenem Recht verwertet werden. Der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit spricht deshalb für die Sachdienlichkeit der Klageänderung. Anders als das Berufungsgericht meint, steht dieser nach dem oben (unter a) Ausgeführten auch nicht entgegen, dass die Klageänderung weitere Feststellungen durch Vernehmung von Zeugen oder die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich macht.
13
3. Die Klageänderung kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch auf Tatsachen gestützt werden, die dieses seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hatte (§ 533 Nr. 2 ZPO).
14
Dabei kann offen bleiben, ob die von der Revision als rechtsfehlerhaft gerügte Ansicht des Berufungsgerichts zutrifft, bei Berücksichtigung der Klageänderung müsse der Frage nachgegangen werden, ob der abgetretene Anspruch des Zeugen F. wegen eines gegen ihn gerichteten Anspruchs aus § 179 BGB nicht durchsetzbar sei. Auch über einen – die Klageforderung hindernden – möglichen Gegenanspruch des Beklagten gegenüber dem Zeugen F. kann aufgrund der Tatsachen entschieden werden, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hatte.
15
a) Für einen solchen Anspruch kommt es darauf an, ob und mit welchem Inhalt das zunächst zwischen dem Zeugen F. und dem Beklagten abgeschlossene und sodann auf die Klägerin "umgeschriebene" Geschäft – vorbehaltlich des Fehlens der Vertretungsmacht des Zeugen F. – wirksam zustande gekommen ist, ob es infolge Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nichtig ist oder ob Erfüllungs- oder Schadensersatzansprüchen des Beklagten aus diesem Geschäft die Sachmängeleinrede entgegensteht. Das Landgericht hat dazu zwar keine Tatsachen festgestellt (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) in dem Sinne, dass es aufgrund einer freien Beweiswürdigung gemäß § 286 Abs. 1 ZPO die Entscheidung getroffen hat, die insoweit behaupteten Tatsachen seien wahr oder nicht wahr. Denn darauf kam es nach der materiell-rechtlichen Beurteilung des – nach mehrfachem Richterwechsel – letztlich erkennenden Einzelrichters beim Landgericht nicht an.
16
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gelangt jedoch mit dem zulässigen Rechtsmittel grundsätzlich der gesamte aus den Akten ersichtliche Prozessstoff erster Instanz ohne weiteres in die Berufungsinstanz. Das Berufungsgericht darf also auch schriftsätzlich angekündigtes, entscheidungserhebliches Parteivorbringen berücksichtigen, das von dem erstinstanzlichen Gericht für unerheblich erachtet worden ist, auch wenn es im Urteilstatbestand keine Erwähnung gefunden hat (BGHZ 158, 295, 309; 158, 269, 278, 280 ff.). Die Klägerin hatte – wie oben (unter 2 b) bereits ausgeführt – zu den tatsächlichen Umständen, aus denen sie die Sittenwidrigkeit des Vertrags wegen eines groben Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung (§ 138 Abs. 1 und 2 BGB), dessen Anfechtbarkeit wegen arglistiger Täuschung (§ 123 Abs. 1 BGB) oder jedenfalls die Berechtigung eines Wandelungsverlangens (§§ 462, 459 ff. BGB in der bis zum 31. Januar 2001 geltenden Fassung) herleitet, schon in erster Instanz vorgetragen. Der entsprechende Vortrag in der Berufungsbegründung war daher nicht neu im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO. Kommt es aus der allein maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts aufgrund der Klageänderung für die Entscheidung auf Tatsachen an, die – wie hier – in dem erstinstanzlichen Urteil trotz entsprechenden Parteivortrags nicht festgestellt sind, bestehen erhebliche Zweifel an der Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen , die das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO zu eigenen Feststellungen berechtigen und verpflichten (vgl. BGHZ 158, 295, 310).
17
b) Neu war in der Berufungsinstanz allerdings die Behauptung der Klägerin , der Zeuge F. habe einen ihm zustehenden Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises an sie abgetreten. Dieser Vortrag war aber, wie die Revision zu Recht rügt, nach § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen, weil er im ersten Rechtszug infolge eines Verfahrensmangels nicht geltend gemacht worden ist; er war daher vom Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zu berücksichtigen.
18
aa) Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die erstinstanzliche Klageabweisung wegen mangelnder Schlüssigkeit ohne vorherigen Hinweis an die Klägerin verfahrensfehlerhaft war, nachdem das Landgericht zuvor in anderer Besetzung aufwändig Beweis erhoben hatte. Die Frage ist zu bejahen.
19
Nach § 139 Abs. 2 ZPO darf das Gericht seine Entscheidung auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat oder den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien, nur stützen , wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Die Hinweispflicht dient vor allem der Vermeidung von Überraschungsentscheidungen und besteht auch gegenüber der anwaltlich vertretenen Partei, wenn der Prozessbevollmächtigte der substantiierungspflichtigen Partei ersichtlich darauf vertraut, dass sein schriftlicher Vortrag ausreicht (BGHZ 127, 254, 260; BGH, Urteil vom 25. Juni 2002 – X ZR 83/00, NJW 2002, 3317 unter II 2 a; Urteil vom 18. Mai 1994 – IV ZR 169/93, NJW-RR 1994, 1085 unter 3 b; Urteil vom 4. Juli 1989 – XI ZR 45/88, BGHR ZPO § 139 Abs. 1 Anwaltsprozess 3 m.w.Nachw.). Deshalb hat das Berufungsgericht auf Bedenken hinzuweisen und Gelegenheit zur Ergänzung des Sachvortrags zu geben, wenn es anders als das erstinstanzliche Gericht das Klagevorbringen nicht als schlüssig ansieht (BGH, Urteil vom 16. Mai 2002 - VII ZR 197/01, NJW-RR 2002, 1436 unter II 1). Ein Hinweis ist weiter geboten, wenn ein Gericht von seiner in einer gerichtlichen Verfügung geäußerten Auffassung später abweichen will (BGH, Urteil vom 25. Juni 2002, aaO). Nichts anderes kann gelten, wenn es die Klage mangels Sachbefugnis des Klägers als unschlüssig abweisen will, obwohl es zuvor durch Anordnung einer Beweisaufnahme konkludent zu erkennen gegeben hat, dass es die Klage für schlüssig und insbesondere die Aktivlegitimation des Klägers für gegeben hält (OLG Saarbrücken, MDR 2003, 1372 f.; OLG Bamberg, NJWRR 1998, 1608 f.; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 139 Rdnr. 30; Musielak /Stadler, ZPO, 4. Aufl., § 139 Rdnr. 8).
20
So liegt der Fall hier. Die Parteien konnten die Anordnung der Vernehmung des von der Klägerin benannten Zeugen F. in der mündlichen Verhandlung vom 11. August 2000 und die aufgrund Beweisbeschluss vom 30. Juli 2001 erfolgte Vernehmung des von dem Beklagten gegenbeweislich benannten Zeugen V. in Rumänien nur dahin verstehen, dass das Landgericht jedenfalls nach der persönlichen Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 11. August 2000 von der Schlüssigkeit ihres Klagevorbringens und damit auch von ihrer Aktivlegitimation ausging. Nach Eingang der Aussage des Zeugen V. ist nicht erneut mündlich verhandelt, sondern nach § 128 ZPO das schriftliche Verfahren angeordnet worden. Weder von Seiten des Gerichts noch von Seiten des Beklagten ist in diesem Stadium die Schlüssigkeit des Klagevorbringens im Hinblick auf die Aktivlegitimation der Klägerin erneut thematisiert worden. Vor diesem Hintergrund stellte sich das landgerichtliche Urteil für die Klägerin als Überraschungsentscheidung dar.
21
bb) Dies hat die Klägerin, wie die Revision zutreffend geltend macht, mit ihrer Berufungsbegründung gerügt (§§ 529 Abs. 2 Satz 1, 520 Abs. 3 ZPO) und vorgetragen, sie und der Zeuge F. seien sich bereits vor Klageerhebung einig gewesen, dass alle in Betracht kommenden Rückforderungsansprüche, auch soweit sie in der Person des Zeugen F. entstanden sein sollten, der Klägerin zustehen sollten. Gleichzeitig hat sie eine aktuelle Abtretungsvereinbarung vorgelegt und ausgeführt, auf einen Hinweis des Landgerichts hin wäre zur Klarstellung bereits im ersten Rechtszug (nochmals) die Abtretung erklärt worden.
22
cc) Der Berücksichtigung der auf eine Verletzung von § 139 Abs. 2 ZPO durch das Landgericht gestützten Verfahrensrüge und der mit der Rüge vorgetragenen neuen Tatsachen durch das Berufungsgericht stand auch nicht der Schutzzweck von § 139 ZPO entgegen. Zwar soll die Vorschrift grundsätzlich der betroffenen Partei nur die Möglichkeit geben, sich zu dem gegebenen Streitgegenstand umfassend zu äußern. Das Gericht darf nicht auf neue, in dem Vortrag der Parteien noch nicht andeutungsweise enthaltene Klagegründe hinweisen (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2003 – I ZR 17/01, NJW-RR 2004, 495, unter II 1 c bb). Das schließt jedoch nicht aus, dass die Partei auf einen zulässigen und gebotenen Hinweis nach § 139 ZPO, der die Schlüssigkeit ihres bisherigen Vorbringens in Frage stellt, von sich aus – im Rahmen von § 263 ZPO – einen neuen Klagegrund in das Verfahren einführt (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2003, aaO; Urteil vom 7. Dezember 2000 – I ZR 179/98, NJW 2001, 2548, unter III 1 b und c; Urteil vom 25. November 1992 – XII ZR 116/91, NJW 1993, 597, unter 2 b und c; zum Parteiwechsel BGHZ 91, 132, 134). Auch diese Reaktionsmöglichkeit wird vom Schutzzweck des § 139 ZPO umfasst.

III.

23
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; das Urteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da es zu dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch aus abgetretenem Recht weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Ball Wiechers Dr. Wolst Hermanns Dr. Milger
Vorinstanzen:
LG Bielefeld, Entscheidung vom 09.08.2002 - 3 O 232/00 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 03.12.2003 - 8 U 181/02 -

Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn

1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und
2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 17/09
vom
22. April 2010
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. April 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof.
Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Koch

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 5. Zivilsenat, vom 10. Dezember 2008 gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gründe:


1
Die Beklagte macht zu Recht eine entscheidungserhebliche Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG geltend.
2
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte im Rahmen einer Werbeaktion mit dem Werbeslogan "Simply the Best!" unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Alleinstellungswerbung irreführend geworben hat.
3
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
4
Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen (OLG Hamburg OLG-Rep 2009, 781).
5
Die Nichtzulassungsbeschwerde wendet sich mit Recht dagegen, dass das Berufungsgericht den in der Berufungsverhandlung am 29. November 2008 vorgelegten Testbericht der Stiftung Warentest unter Verletzung des Verfahrensgrundrechts der Beklagten aus Art. 103 Abs. 1 GG auf rechtliches Gehör als gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO verspätet und deshalb nicht mehr berücksichtigungsfähig angesehen hat. Die Vorlage des Testberichts war schon deshalb nicht im Sinne der genannten Vorschrift verspätet, weil dieser Bericht erst im Juni 2008 veröffentlicht worden war und bereits aus diesem Grund in dem Mitte 2007 abgeschlossenen Verfahren erster Instanz nicht hätte geltend gemacht werden können. Ob das Berufungsgericht die Vorlage des Testberichts aus einem anderen Grund als verspätet hätte zurückweisen können, kann schon deshalb dahinstehen, weil eine mit dem vom Gericht dafür angegebenen Grund nicht zu rechtfertigende Zurückweisung nicht mit anderer Begründung aufrechterhalten werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 4.5.2005 - XII ZR 23/03, NJWRR 2005, 1007, 1008; BGHZ 166, 227 Tz. 19).
6
Das Berufungsgericht hat die Nichtberücksichtigung des vorgelegten Testberichts allerdings auch damit zu begründen versucht, dass dieser Bericht einen substantiierten Vortrag nicht zu ersetzen vermöge. Dem steht jedoch entgegen , dass der Testbericht den Rasierer der Beklagten mit einer Gesamtbewertung von 1,4 (sehr gut) ohne weiteres erkennbar und deutlich als Testsieger vor dem Rasierer der Klägerin ausweist, der - insbesondere wegen seines erheblich schlechteren Abschneidens bei der Handhabung - insgesamt nur mit 1,8 (gut) bewertet wurde.
7
Die Nichtberücksichtigung des durch den Test, den die Stiftung Warentest durchgeführt und im Juni 2008 veröffentlicht hat, zu diesem Zeitpunkt für die Beklagte in Form des Testberichts neu entstandenen Beweismittels lässt sich ferner nicht mit der vom Berufungsgericht des Weiteren angestellten Erwägung rechtfertigen, die Beklagte habe bereits zum Zeitpunkt der Werbeaktion im Jahr 2006 Anhaltspunkte dafür haben müssen, auf welche tatsächliche Grundlage sie ihre Alleinstellungsbehauptung habe stützen können, und hätte entsprechende Umstände deshalb auch rechtzeitig in den Rechtsstreit einführen müssen. Die Bestimmung des § 531 ZPO regelt allein die Zurückweisung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln, die bereits während des Rechtsstreits erster Instanz bestanden haben und entweder in diesem ausgeschlossen worden sind (Abs. 1) oder aber infolge eines Fehlers des Gerichts oder unter Verletzung der der Partei obliegenden Prozessförderungspflicht nicht berücksichtigt oder vorgebracht worden sind (Abs. 2; vgl. Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 30. Aufl., § 531 Rdn. 1). Im Hinblick auf die erhebliche Beschwer für die säumige Partei verbietet sich auch eine ausdehnende Auslegung dieser Bestimmung (vgl. BGHZ 166, 227 Tz. 17). Dementsprechend können nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz neu entstandenen Angriffs- und Verteidigungsmittel ohne die sich aus § 531 Abs. 2 ZPO ergebenden Beschränkungen jederzeit in das Berufungsverfahren eingeführt werden (vgl. BGH, Urt. v. 6.10.2005 - VII ZR 229/03, NJW-RR 2005, 1687 f.; BGHZ 182, 158 Tz. 91; Zöller/Heßler aaO § 531 Rdn. 29 m.w.N.).
Bornkamm Pokrant Büscher
Schaffert Koch
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 14.06.2007 - 315 O 1/07 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 10.12.2008 - 5 U 129/07 -

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

(1) Jede Partei hat in der mündlichen Verhandlung ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel, insbesondere Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweismittel und Beweiseinreden, so zeitig vorzubringen, wie es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht.

(2) Anträge sowie Angriffs- und Verteidigungsmittel, auf die der Gegner voraussichtlich ohne vorhergehende Erkundigung keine Erklärung abgeben kann, sind vor der mündlichen Verhandlung durch vorbereitenden Schriftsatz so zeitig mitzuteilen, dass der Gegner die erforderliche Erkundigung noch einzuziehen vermag.

(3) Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, hat der Beklagte gleichzeitig und vor seiner Verhandlung zur Hauptsache vorzubringen. Ist ihm vor der mündlichen Verhandlung eine Frist zur Klageerwiderung gesetzt, so hat er die Rügen schon innerhalb der Frist geltend zu machen.

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 17. September 2008 - Az. 4 O 258/07 - wird gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 2.622,59 EUR

Gründe

 
I.
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO).
Zur Begründung wird auf die Ausführungen im Beschluss des Senats vom 16. Oktober 2008 Bezug genommen. Die hiergegen erhobenen Einwände im Schriftsatz vom 20. November 2008 führen zu keiner anderen Beurteilung.
1.
Der Senat hält daran fest, dass die Beklagte nicht gegen eine Aufklärungs- oder Beratungspflicht verstoßen hat.
Wie bereits im Hinweisbeschluss vom 16.10.2008 ausgeführt wurde, trifft den Versicherer in der vorliegenden Konstellation grundsätzlich keine Hinweis- und Beratungspflicht. Etwas anderes folgt hier auch nicht aus der vom Kläger zitierten Entscheidung des OLG Köln vom 12.11.1996 – Az. 9 U 17/96 – (VersR 1997, 1530). Diese Entscheidung geht ebenfalls von dem Grundsatz aus, dass es regelmäßig alleinige Sache des Versicherungsnehmers ist, sich um einen ausreichenden Versicherungsschutz, insbesondere auch um eine genügende Versicherungssumme zu kümmern und insoweit den zu versichernden Wert des Objekts richtig zu ermitteln. Auch danach trifft den Versicherer nur unter besonderen Umständen eine Beratungspflicht. Diese besonderen Umstände lagen in dem Fall, über den das OLG Köln zu befinden hatte, darin, dass für den Versicherungsnehmer nicht erkennbar war, nach welcher Versicherungsform die Versicherungssumme zu bestimmen war, ob also der Zeitwert, der gemeine Wert oder der Neuwert zu Grunde zu legen war, weil nach dem ausgefüllten Antragsformular verschiedene Optionen im Raum standen. Wegen dieser Unklarheit hat das OLG Köln angenommen, dass der Vertreter des Versicherers verpflichtet gewesen wäre, den Versicherungsnehmer auf die Beziehung zwischen Versicherungsform und Versicherungssumme hinzuweisen und die Zusammenhänge zu erläutern. Im vorliegenden Fall ist aber nicht ersichtlich, dass eine entsprechende Unklarheit bestand. Aus den einschlägigen besonderen Versicherungsbedingungen (§ 18 Nr.2 Abs.1 VHB 84) ist auch für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne weiteres ersichtlich, dass der Versicherungswert grundsätzlich nach dem Wiederbeschaffungspreis von Sachen gleicher Art und Güte im neuwertigen Zustand (Neuwert) zu bemessen ist, die Hausratversicherung also grundsätzlich eine Neuwertversicherung ist. Besondere Umstände, nach denen dies hier unklar hätte sein können, sind nicht ersichtlich und können insbesondere auch nicht aus der Äußerung des Beklagtenvertreters im Termin vom 10.4.2008 hergeleitet werden, wonach bei den Vertragsgesprächen deutlich gemacht worden sei, dass es bei der Festlegung der Versicherungssumme darum gehe, was der gesamte Hausrat Wert sei. Der Einlassung kann gerade nicht entnommen werden, auf welchen Wertmaßstab dabei abgestellt wurde. Entgegen der Interpretation des Klägers hat die Beklagte damit auch nicht zugestanden, dass dem Kläger bei den Gesprächen der Zeitwert als der maßgebliche Versicherungswert angegeben wurde. Nachdem der Kläger auch selbst nicht behauptet, dass die Versicherungssumme nicht dem Neuwert des Hausrates entsprach, konnten auch sonst keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Versicherungswert unzutreffend bestimmt wurde. Im weiteren Verlauf der Vertragsbeziehungen gaben die Hinweise der Beklagten auf eine möglicherweise erforderliche Anpassung der Versicherungssumme dem Kläger hinreichenden Anlass, sich darüber zu informieren, ob sein Versicherungsschutz noch ausreicht. Insoweit wird auf die Ausführungen im Beschluss vom 16.10.2008 Bezug genommen.
2.
Auch die zuletzt hilfsweise eingeführte Begründung, der Schaden am Hausrat sei in Wahrheit höher als vom Landgericht festgestellt, verhilft dem Kläger nicht zum Erfolg. Das hat sowohl sachliche als auch prozessuale Gründe.
a) Die Parteien haben in erster Instanz den Streit um die Höhe des entstandenen Schadens durch gegenseitiges Nachgeben beigelegt, indem sie einen Betrag von 5.200,- EUR unstreitig gestellt haben. Diese Einigung ist nach den Erklärungen der Parteien verbindlich. Die Schriftsätze enthalten keinerlei Einschränkungen. Insbesondere geht daraus nicht hervor, dass diese Regelung nicht endgültig, sondern nur für die erste Instanz gelten solle, im Falle einer Berufung aber eine Erweiterung vorbehalten bleibe. Die Übereinkunft stellt zwar keinen förmlichen Prozessvergleich dar, wohl aber erfüllt sie den Tatbestand eines materiell-rechtlichen Vergleichs gemäß § 779 BGB. Dadurch wurde der Inhalt des Schuldverhältnisses, aus dem der Kläger seine Ansprüche herleitet, verbindlich festgelegt und der Kläger ist daran gebunden. Wenn er also jetzt in der Berufung geltend macht, sein Zahlungsanspruch sei höher, weil der Schaden am Hausrat über 5.200,- EUR liege, entspricht dies nicht der durch den Vergleich geschaffenen Rechtslage.
b) Ungeachtet dieser Rechtsfolgen kann das geänderte Vorbringen des Klägers aber auch prozessual nicht mehr zur Grundlage der Verhandlung und Entscheidung im Berufungsverfahren gemacht werden, weil neue Tatsachen vom Berufungsgericht nur berücksichtigt werden dürfen, wenn ein Zulassungsgrund gegeben ist (§§ 529 Abs.1 Nr.2, 531 Abs.2 ZPO).
Tatsachen sind gemäß § 531 Abs.2 ZPO neu, wenn sie erstmals im Berufungsverfahren vorgebracht werden. Dazu zählt auch das Vorbringen, das die Partei im ersten Rechtszug zunächst vorgetragen, später jedoch wieder fallen gelassen hat (BGH NJW 1998, 2977); also trägt der Kläger eine neue Tatsache vor, indem er seine ursprüngliche Behauptung, der Schaden liege über 5.200,- EUR, wieder aufgreift.
Gründe, dieses neue Angriffsmittel zuzulassen, sind nicht gegeben. Weder wurde die Höhe des Schadens vom Landgericht übersehen oder für unerheblich gehalten (§ 531 Abs.2 Nr.1 ZPO), noch war der Kläger wegen eines Verfahrensmangels daran gehindert, den höheren Schaden geltend zu machen (§ 531 Abs.2 Nr.2 ZPO). Das Vorbringen ist auch nicht gemäß § 531 Abs.2 Nr.3 ZPO zuzulassen. Der Kläger hat in erster Instanz nicht nur aus Nachlässigkeit, sondern ganz bewusst auf die Behauptung eines höheren Schadens verzichtet, um eine Beweisaufnahme zu vermeiden. Neues Vorbringen ist aber grundsätzlich ausgeschlossen, soweit eine Partei ihr bekannte Tatsachen nicht vorgetragen hat, obwohl ihr dies möglich gewesen wäre und sie die Relevanz des betreffenden Vorbringens für das Urteil erkannt hat (Ball in Musielak, ZPO, 6 . Aufl., § 531 Rn. 19). Der Kläger kann sich auch nicht damit entschuldigen, dies sei aus prozesstaktischen Gründen geschehen. Eine Prozesstaktik ist regelmäßig kein legitimer Grund, erhebliches Vorbringen zurückzuhalten (Heßler in Zöller, ZPO, 27. Aufl., § 531 Rn.32). Es muss nicht allgemein entschieden werden, ob der Novenausschluss gemäß § 531 Abs.2 ZPO und die allgemeine Prozessförderungspflicht gemäß § 282 ZPO die Parteien ausnahmslos dazu zwingen, ihre in erster Instanz eingeführten Angriffs- und Verteidigungsmittel uneingeschränkt aufrecht zu erhalten oder ob es ihnen möglich ist, einvernehmlich oder einseitig Streitstoff oder Beweismittel vorerst zu beschränken, um diese im Falle einer Berufung in zweiter Instanz gegebenenfalls wieder aufzugreifen. Selbst wenn man Letzteres für zulässig halten würde, hätte dies hier vorausgesetzt, dass sich der Kläger das Wiederaufgreifen seines Vorbringens in zweiter Instanz in seiner Prozesserklärung vorbehalten hat. Da ein solcher Vorbehalt nicht ersichtlich ist, musste die Beklagte nicht damit rechnen, dass sie mit dem in erster Instanz fallen gelassenen Vortrag nochmals im Berufungsverfahren konfrontiert wird. Eine Zulassung des neuen Vorbringens des Klägers gemäß § 531 Abs.2 Nr.3 ZPO scheidet also aus.
II.
10 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) In Rechtsmittelverfahren des gewerblichen Rechtsschutzes (§ 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 14) und in Verfahren über Ansprüche nach dem Patentgesetz, dem Gebrauchsmustergesetz, dem Markengesetz, dem Designgesetz, dem Halbleiterschutzgesetz und dem Sortenschutzgesetz ist der Wert nach billigem Ermessen zu bestimmen.

(2) In Verfahren über Ansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und nach dem Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(3) Ist die Bedeutung der Sache für den Beklagten erheblich geringer zu bewerten als der nach Absatz 2 ermittelte Streitwert, ist dieser angemessen zu mindern. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts hinsichtlich des Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruchs keine genügenden Anhaltspunkte, ist insoweit ein Streitwert von 1 000 Euro anzunehmen. Dieser Wert ist auch anzunehmen, wenn die dem Rechtsstreit zugrunde liegende Zuwiderhandlung angesichts ihrer Art, ihres Ausmaßes und ihrer Folgen die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern oder sonstigen Marktteilnehmern in nur unerheblichem Maße beeinträchtigt. Der nach Satz 2 oder Satz 3 anzunehmende Wert ist auch maßgebend, wenn in den dort genannten Fällen die Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung nebeneinander geltend gemacht werden.

(4) Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist der sich aus den Absätzen 2 und 3 ergebende Wert in der Regel unter Berücksichtigung der geringeren Bedeutung gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen.

(5) Die Vorschriften über die Anordnung der Streitwertbegünstigung (§ 12 Absatz 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, § 144 des Patentgesetzes, § 26 des Gebrauchsmustergesetzes, § 142 des Markengesetzes, § 54 des Designgesetzes, § 22 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen) sind anzuwenden.

(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten richten sich die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands, soweit nichts anderes bestimmt ist. In Musterfeststellungsklagen nach Buch 6 der Zivilprozessordnung und in Rechtsstreitigkeiten aufgrund des Unterlassungsklagengesetzes darf der Streitwert 250 000 Euro nicht übersteigen.

(2) In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Der Wert darf nicht über eine Million Euro angenommen werden.

(3) Ist mit einem nichtvermögensrechtlichen Anspruch ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Anspruch, und zwar der höhere, maßgebend.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.