I. Die Parteien streiten nach nachträglichem Widerspruch und Widerruf um Ansprüche aus einem kapitalbildenden Lebensversicherungsvertrag, der mit Vertragsbeginn 01.02.1997 abgeschlossen und zum Ablauftermin 31.01.2009, 24:00 Uhr, regulär abgerechnet wurde.
Der Kläger schloss gemäß Versicherungsvorschlag vom 22.11.1996 (Anlage K 12) und Antrag vom 23.11.1996 (Anlage K 13) bei der Beklagten einen Vertrag über eine kapitalbildende Lebensversicherung mit einer Vertragslaufzeit von 12 Jahren und monatlichen Beiträgen von 493,20 DM (252,17 €) ab. Auf den Versicherungsschein vom 03.02.1997 mit Anschreiben und weiteren Anlagen (Anlage K 14) wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 27.01.2009 (Anlage K 2) rechnete die Beklagte die Versicherung zum vereinbarten Ablauftermin 01.02.2009 mit einer Versicherungssumme von 37.070,00 € zzgl. Überschussbeteiligung von 6.287,60 € und Beteiligung an den Bewertungsreserven von 119,71 €, insgesamt also 43.477,31 €, ab und zahlte diesen Betrag an den Kläger aus. An Beiträgen hatte der Kläger insgesamt 36.312,48 € entrichtet.
Mit Anwaltsschreiben vom 11.11.2009 (Anlage K 3) erklärte der Kläger Widerspruch nach § 5a und 8 VVG a. F. und verlangte Rückzahlung sämtlicher Prämien zzgl. einer Verzinsung in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, die die Beklagte verweigerte (Anlage K 4). Mit Schreiben vom 06.04.2010 (Anlagen K 5 und K 6) berechnete und bezifferte der Kläger seinen behaupteten Anspruch auf einen Endsaldo von 9.587,50 €, die jetzt eingeklagte Hauptforderung. Mit weiterem Schreiben vom 26.04.2010 (Anlage K 7) erklärte der Kläger ergänzend den Widerruf des Vertrags gemäß §§ 455, 355 BGB.
Der Kläger behauptet, dass der Vertragsschluss nach dem Policenmodell erfolgt sei und ihm auch nach erfolgter Vertragsbeendigung bei Erklärung seines Widerspruchs im Jahr 2009 aus europarechtlichen Gründen noch ein Widerspruchsrecht gemäß § 5 a VVG a. F. zugestanden habe. Daneben stützte er seine Forderung auf einen „Widerruf nach der Preisangabenverordnung“ und auf Schadensersatzansprüche wegen behaupteter „Kick-Backs“.
Die Beklagte tritt der Klage entgegen. Sie hält einen Vertragsschluss nach dem Antragsmodell für gegeben, bei dem § 5 a VVG a. F. nicht anwendbar sei. Dem Kläger stünde aus verschiedenen Gründen auch kein Widerrufsrecht in Hinblick auf die unterjährliche Zahlung von Versicherungsbeiträgen gegen Ratenzahlungszuschläge zu. Es bestünden außerdem keine Schadensersatzansprüche wegen „Kick-Backs“, vorsorglich wird hierzu die Einrede der Verjährung erhoben.
Ergänzend wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Landgerichts Traunstein Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es darauf abgestellt, dass in Anbetracht der Vertragsunterlagen ein Vertragsschluss nach dem Antragsmodell, nicht nach dem Policenmodell vorliege. Hinsichtlich eines etwaigen Schadensersatzanspruchs aus c.i.c. greife die Verjährungseinrede durch. Im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen Klageanspruch zum Einen weiter auf den Widerruf nach §§ 495, 355 BGB stützt - auf den im angefochtenen Urteil überhaupt nicht eingegangen wird. Daneben und in erster Linie macht er geltend, dass entgegen der Auffassung des Landgerichts der Vertrag im Policenmodell abgeschlossen worden sei, da er nicht alle Vertragsunterlagen bereits bei Antragstellung erhalten habe. Die Anlage GW: Garantierte Rückkaufswerte und garantierte beitragsfreie Versicherungssummen sei erst mit dem Versicherungsschein übersandt worden. Der Widerspruch nach § 5 a VVG a. F., der zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung führe, habe deshalb - vor dem Hintergrund inzwischen des Urteils des EuGH vom 19.12.2013, C 209/12, des Urteils des BGH vom 07.05.2014, Az. IV ZR 76/11, und weiterer inzwischen hierzu ergangener Entscheidungen des BGH - im Jahr 2009 noch wirksam erklärt werden können. Eine Verwirkung des Anspruchs scheide aus. Schließlich verfolgt er mit der Berufung auch den geltend gemachten Schadensersatzanspruch weiter; Verjährung liege nicht vor. Auf die Berufungsbegründung vom 22.09.2011 (Bl. 73/89 d. A.) und die weiteren Schriftsätze des Klägers im Berufungsverfahren samt Anlagen wird Bezug genommen.
Der Kläger beantragt im Berufungsverfahren:
I.
Unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Traunstein vom 29.07.2011, Az.: 1 O 3768/10, wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 9.587,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2010 zu bezahlen.
II.1.
Unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Traunstein vom 29.07.2011, Az.: 1 O 3768/10, wird die Beklagte verurteilt, dem Kläger die außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren für den Widerspruch gem. §§ 13, 14 RVG, Nr. 2300 VV in Höhe von 1.122,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.11.2010 zu bezahlen.
II.2.
Die Beklagte wird weiter unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Traunstein vom 29.07.2011, Az.: 1 O 3768/10, verurteilt, dem Kläger die außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren für den Widerruf gem. §§ 13.14 RVG Nr. 2300 VV in Höhe von 751,84 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.11.2010 zu bezahlen.
Für den Fall, dass sich auch das Oberlandesgericht München nicht der Auffassung des Klägers anschließen kann, verlangt dieser, dass es die Sache gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV dem EuGH mit folgender Fragestellung vorlegt:
III.1.
Verlangen Art. 31 und Anhang II.A. der Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG und 90/619 EWG (3. Lebensversicherung) (Abl. EG L 360 vom 09. Dezember 1992, S 1 ff.) bzw. Art. 36 Abs. 1 und Anhang III. A. der Richtlinie Lebensversicherungen (Abl. EG L 345/1 vom 19. Dezember 2002, S. 1 ff.) dass der Versicherungsnehmer vor Abgabe seiner Willenserklärung die vorgeschriebenen vorvertraglichen Informationen vom Versicherer erhält?
III.2.
Verstößt eine nationale Regelung, derzufolge die unterlassene Übermittlung der vorvertraglichen Informationen lediglich durch ein Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers sanktioniert wird, gegen Art. 31 und Anhang II.A. der Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Lebensversicherung) (Abl. EG L 360 vom 9. Dezember 1992, S. 1 ff.) bzw. Art. 36 Abs. 1 und Anhang III.A. der Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 05. November 2002 über Lebensversicherungen (Abl. EG L 345/1 vom 19. Dezember 2002, S. 1 ff.) und gegen die vom EuGH in der Rechtssache Heininger (Rs. C-481/99, Slg. 2001, I-9945) Iaufgestellten Grundsätze sowie gegen den Grundsatz der „wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionierung“ (Art. 4 Abs. 3 EUV) und das Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 1 S. 3 EUV, Art. 47 S. 1 EuGRCh), wenn der Versicherungsnehmer sein Widerrufsrecht verliert, weil er aufgrund verspäteter Widerrufsbelehrung den Vertrag nicht widerrufen, sondern nur gekündigt hat?
III.3.
Für den Fall, dass die ersten beiden Fragen zu bejahen sind: Muss nach dem Unionsrecht eine nationale Regelung, derzufolge das Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers trotz unterlassender Übermittlung der Informationen und trotz unterlassener Belehrung über sein Widerrufsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt, unangewendet bleiben?
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte tritt der Berufung entgegen und beruft sich im Wesentlichen weiterhin darauf, dass der Lebensversicherungsvertrag nach dem Antragsmodell geschlossen worden sei. Letztlich komme es hierauf gar nicht an, da ein etwaiges zeitlich unbefristetes Rücktritts- oder Widerspruchsrecht jedenfalls verwirkt wäre. Im Einzelnen wird auf den Beklagtenschriftsatz vom 16.01.2012 (Bl. 100/103 d. A.) und die weiteren Schriftsätze der Beklagten im Berufungsverfahren samt Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hatte zunächst eine Zurückweisung der Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO beabsichtigt (Hinweisbeschluss vom 09.11.2011, Bl. 94/96 d. A.), in der Folge davon abgesehen (Hinweis gemäß Verfügung vom 20.03.2012, Bl. 105/107 d. A.) und am 26.06.2012 sowie - nach zwischenzeitlicher Aussetzung des Verfahrens (Beschluss vom 16.10.2012, Bl. 133/135 d. A.) - am 21.04.2015 mündlich verhandelt. Auf die Protokolle dieser Verhandlungen (Bl. 112/114 d. A. und Bl. 147/151 d. A.) sowie auf die weiteren Hinweise des Senats (Beschluss vom 03.08.2012, Bl. 120/122 d. A., Verfügung vom 24.09.2012, Bl. 127/128 d. A., Verfügung vom 09.02.2015, Bl. 139/140 d. A.), insbesondere zur Frage der Verwirkung, wird Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
1.
Die Berufung ist zulässig. Die binnen der Berufungsbegründungsfrist eingegangene Berufungsbegründung vom 22.09.2011 greift das landgerichtliche Urteil zwar bezüglich des Widerspruchsrechts nach § 5 a VVG a. F. und der Schadensersatzansprüche (noch) nicht in einer hinreichend auf den konkreten Streitfall zugeschnittenen Weise (vgl. BGH, Beschluss vom 27.01.2015 - VI ZB 40/14 -, MDR 2015, 416, Leitsatz zu 1. und Rn. 7 bei juris) an. Da in ihr der Klageanspruch aber auch auf den schon erstinstanzlich vorgetragenen Widerruf nach §§ 495, 355 BGB gestützt wird und diese etwaige Anspruchsgrundlage im landgerichtlichen Urteil überhaupt nicht erwähnt ist, liegt insoweit ein zulässiger Berufungsangriff vor, unabhängig davon, ob die diesbezüglichen Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind (vgl. BGH a. a. O., Rn. 7 bei juris). Damit ist die Berufung insgesamt zulässig.
2. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
2.1. Ein Rückgewähranspruch des Klägers nach §§ 495, 355 BGB a. F. in Hinblick auf den Widerruf kommt nicht in Betracht, und zwar schon deshalb, weil der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 06.02.2013, Az. IV ZR 230/12, VersR 2013, 341, entschieden hat, dass es sich bei einer vertraglich vereinbarten unterjährigen Zahlungsweise der Versicherungsprämien nicht um eine Kreditgewährung in Form eines entgeltlichen Zahlungsaufschubs nach § 1 Abs. 2 VerbrKrG, § 499 Abs. 1 BGB a. F. handelt, und diese Rechtsprechung inzwischen mehrfach bestätigt hat (z. B. BGH, Urteil vom 25.02.2015, Az. IV ZR 171/12). Er teilt also die diesbezügliche Auffassung des Senats, auf die mit Beschluss vom 09.11.2011 hingewiesen wurde. Im Übrigen wäre nach den bei Vertragsschluss im Jahr 1997 anzuwendenden Vorschriften (§ 1 Abs. 2, § 7 VerbrKrG) ein etwaiges Widerrufsrecht zur Zeit der Erklärung des Widerrufs im Jahr 2010 bereits erloschen gewesen. Auf die Darlegungen dazu im Hinweis des Senats vom 09.11.2011 wird Bezug genommen.
2.2. Schadensersatzansprüche des Klägers in Hinblick auf behauptete Kick-Back-Zahlungen scheiden ebenfalls aus. Der 4. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, dem der Senat folgt, hat erst vor kurzem ausdrücklich entschieden, dass die Rechtsprechung zu den Aufklärungspflichten einer anlageberatend tätigen Bank über Innenprovisionen und von ihr vereinnahmten Rückvergütungen nur in Fällen einer Kapitalanlageberatung durch die Bank gilt - und damit nicht in Versicherungsvermittlungsfällen wie hier (BGH, Urteil vom 03.09.2014, Az. IV ZR 145/12, Rn. 10 bei juris). Auf die Frage einer etwaigen Verjährung kommt es also nicht mehr an.
2.3. Dem Kläger stehen auch keine bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsansprüche gemäß §§ 812, 818 BGB wegen des erfolgten Widerspruchs nach § 5 a VVG a. F. zu.
2.3.1. Die Berufung rügt allerdings zu Recht, dass das Landgericht angenommen hat, dass der streitgegenständliche Vertrag nach dem Antragsmodell abgeschlossen wurde. Der Vertragsschluss ist nach dem Policenmodell erfolgt.
Nach § 10 a VAG a. F. i. V. m. Abschnitt I der Anlage D zum VAG, Ziffer 2. d), gehörten zu den bei Antragstellung zu erteilenden Verbraucherinformationen, wenn nicht nach dem Policenmodell verfahren wurde, bei Lebensversicherungen unter anderem die Angaben über das Ausmaß, in dem die Leistungen nach den Buchstaben b und c - also die Rückkaufswerte und beitragsfreien Versicherungssummen - garantiert sind. Dabei waren die garantierten Mindestbeträge konkret anzugeben, die Verweisung auf eine übersichtliche Tabelle genügte (Prölss in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., Rn. 47 und 43 a zu § 5 a).
Dass eine solche Verbraucherinformation vorliegend noch nicht bei Antragstellung, sondern erst mit Übersendung des Versicherungsscheins erfolgt ist, ergibt sich aus diesem selbst, der mit Anschreiben und weiteren Anlagen als Anlagenkonvolut K 14 (im Original) vorgelegt wurde: Im Anschreiben ist aufgeführt, dass als Anlage eine „Anlage GW: Garantiewerte“ beiliegt. Im Versicherungsschein selbst auf Seite 2 steht unter der Überschrift „Garantierte Rückkaufswerte und garantierte beitragsfreie Versicherungssummen“: „In § 7 AVB wird beschrieben, wie die Rückkaufswerte und die beitragsfreien Versicherungssummen zu Ihrer Versicherung ermittelt werden. Sie erreichen mindestens die bei Vertragsschluss vereinbarten Werte. Eine tabellarische Übersicht dieser Garantiewerte finden sie in Anlage GW.“ Auf Seite 3 des Versicherungsscheins folgt unter „Sonstige Anlagen“: „# (Zeichen für Abweichung des Versicherungsscheins vom Antrag) Anlage GW: Garantierte Rückkaufswerte und garantierte beitragsfreie Versicherungssummen“. Anschließend folgt unter „Verbraucherinformationen“: „Zu der gesetzlich vorgeschriebenen Verbraucherinformation vor bzw. bei Vertragsschluss gehören die garantierten Rückkaufswerte und die garantierten beitragsfreien Versicherungssummen zu ihrer Versicherung, die Ihnen in Anlage GW mitgeteilt werden. Die übrigen zu erteilenden Informationen haben Sie bei Antragstellung in der mit der Antragsdurchschrift verbundenen 'Verbraucherinformation zu Ihrer kapitalbildenden Lebensversicherung' erhalten. ...“ Schließlich liegt dann die „Anlage GW zum Versicherungsschein Nr. ...“ bei, in der die betroffenen garantierten Werte datums- und betragsmäßig tabellarisch aufgeführt sind.
In den Antragsunterlagen vom 23.11.1996 (Anlage K 13, im Original) ist dementsprechend eine betragsmäßige Darstellung der Garantiewerte nicht enthalten, dem Antrag sind nur die Versicherungsbedingungen mit dem einschlägigen § 7 AVB beigeheftet; diese Klausel enthält keine konkreten Beträge oder Berechnungen. Lediglich der diesem Antrag vorangegangene „Vorschlag für eine kapitalbildende Lebensversicherung“ vom 22.11.1996 (Anlage K 12) enthält eine entsprechende Garantiewerttabelle wie der spätere Versicherungsschein. Diese ist allerdings nicht nach datierten Terminen, sondern nach Versicherungsjahren gestaffelt und weicht in den Einzelbeträgen teilweise um einen Euro von den Beträgen, die in der späteren Anlage GW enthalten sind, ab; die Berechnung erfolgt im Anschluss an eine Beispielrechnung; auf der ersten Seite des Vorschlags ist zudem der Hinweis enthalten, dass nach Erhalt des Versicherungsscheins die dort genannten Werte, Angaben und dortigen Anlagen rechtlich verbindlich seien.
Da also nicht alle erforderlichen Verbraucherinformationen bereits bei Antragstellung erteilt wurden, liegt gemäß § 5 a Abs. 1 VVG a. F. ein Vertragsschluss nach dem Policenmodell vor, der Kläger hätte gemäß § 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a. F. ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt werden müssen, damit die Widerspruchsfrist zu laufen beginnt.
2.3.2. Das ist nicht geschehen. Denn die damals auch dem Versicherungsschein beiliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen enthalten zwar in § 4 Abs. 2 eine inhaltlich ohne Weiteres ausreichende Belehrung, es fehlt jedoch an der von § 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a. F. ausdrücklich verlangten drucktechnisch deutlichen Form.
Auf ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach Ablauf eines Jahres nach Zahlung der ersten Prämie gemäß § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F. kann sich die Beklagte nach dem aktuellen Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht berufen, da diese Vorschrift im Bereich der Lebensversicherung aufgrund richtlinienkonformer einschränkender Auslegung unter Beachtung des Urteils des EuGH vom 19.12.2013, C-209/12, nicht anwendbar ist, so BGH, Urteil vom 07.05.2014, Az. IV ZR 76/11. Gegen diese BGH-Entscheidung hat zwar die dort beklagte Versicherung Verfassungsbeschwerde erhoben, die beim Bundesverfassungsgericht unter dem Az. 1 BvR 1674/14 geführt wird, und über die noch nicht entschieden ist. Anders als in einer Vielzahl von Parallelfällen hält der Senat aber aus den nachfolgenden Gründen hier ausnahmsweise keine weitere Aussetzung des Verfahrens für veranlasst.
2.3.3. Auf die Frage der Anwendbarkeit des § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F. kommt es im Ergebnis nämlich nicht an. Denn der Senat sieht im vorliegenden Fall auch bei Annahme der Unanwendbarkeit von § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F. die Ausübung des Widerspruchsrechts bzw. die Geltendmachung eines Bereicherungsanspruchs erst fast 13 Jahre nach Vertragsbeginn und 9 Monate nach dem vereinbarten Vertragsende und vollständiger vereinbarungsgemäßer Abwicklung als rechtsmissbräuchlich an, § 242 BGB; er ist der Auffassung, dass dieser Einzelfallbewertung das eben genannte Urteil vom 07.05.2014 und weitere Entscheidungen zu ähnlichen Fallgestaltungen nicht entgegenstehen.
Im Urteil vom 07.05.2014 hat der BGH zur dortigen Fallgestaltung zwar ausgeführt, dass es hinsichtlich einer Verwirkung am Umstandsmoment fehle, da sich die Beklagte mangels ordnungsgemäßer Widerspruchsbelehrung nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen könne. Im Ausüben des Bereicherungsanspruchs liege aus demselben Grund auch keine widersprüchliche und damit unzulässige Rechtsausübung. Widersprüchliches Verhalten sei nach der Rechtsordnung grundsätzlich zulässig und nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sei oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen ließen (BGH vom 07.05.2014, a. a. O., Rn. 39, 40 bei juris). In einem späteren, zu § 8 VVG a. F. bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung ergangenen Urteil vom 17.12.2014, Az. IV ZR 260/11, hat der BGH ebenfalls dem von der dortigen Beklagten erhobenen Verwirkungseinwand den Erfolg versagt - unter bloßer Verweisung auf die vorangegangene Entscheidung. Er hat allerdings nicht ausdrücklich ausgesprochen, dass generell ein Rechtsmissbrauch bzw. Verstoß gegen Treu und Glauben immer dann ausscheidet, wenn ein Informations- oder Belehrungsverstoß vorliegt. Auch hat er auf der anderen Seite im Urteil vom 16.07.2014 (Az. IV ZR 73/13, VersR 2014, 1065), in dem es um die Vereinbarkeit des Policenmodells insgesamt mit Europarecht ging, auf Grundlage derselben allgemeinen Grundsätze zum Rechtsmissbrauch bzw. widersprüchlichen Verhalten unter Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls einem ordnungsgemäß belehrten Versicherungsnehmer nach jahrelanger Durchführung des Versicherungsvertrages die Berufung auf dessen Unwirksamkeit nach Treu und Glauben versagt (vgl. Rn. 33 ff. bei juris).
Der Senat entnimmt dieser Rechtsprechung zu § 242 BGB insgesamt, dass im hier betroffenen Bereich eines europarechtlich begründeten Widerspruchs-, Widerrufs- oder Rücktrittsrechts bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung eine Verwirkung bzw. unzulässige Rechtsausübung durch den Versicherungsnehmer zwar nur selten in Betracht kommen wird, aber dennoch auch dann eine konkrete Einzelfallprüfung zu erfolgen hat und diese Rechtsinstitute nicht per se alleine deshalb zwingend ausscheiden (vgl. auch Wendt, RuS 2014, 585 ff., 588 unter „Ausblick“). Da die Ausführungen des BGH in dieser Hinsicht aber möglicherweise auch anders interpretierbar sind und der Senat dann von der Rechtsprechung des BGH abweichen würde, wird - beschränkt auf diese Fragestellung - die Revision zugelassen.
2.3.4. Hier liegen beachtliche Einzelumstände vor, die nach Auffassung des Senats sowohl das Umstandsmoment einer Verwirkung begründen als auch die Geltendmachung des Widerspruchsrechts bzw. des Bereicherungsanspruchs nach so langer Zeit als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen, so dass dem Klageanspruch der Einwand von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB entgegensteht.
Zunächst unterscheidet sich die hier zu beurteilende Fallgestaltung schon darin maßgeblich von der des BGH im Urteil vom 07.05.2014, als dem Widerspruch nicht eine Kündigung des betroffenen Vertrages voranging, sondern dieser über die gesamte vorgesehene Vertragslaufzeit von 12 Jahren vereinbarungsgemäß durchgeführt wurde und entsprechend zum Vertragsende die vereinbarte Versicherungsleistung - unbeanstandet - voll ausbezahlt wurde. Der Kläger hat sich also zum Einen während der laufenden vertraglichen Beziehung zu keiner Zeit vom Vertragsschluss distanziert oder zu lösen versucht, zum Anderen hat er am vorgesehenen Vertragsende auch nicht nur einen - regelmäßig unter der regulären Versicherungsleistung liegenden - Rückkaufswert erhalten, sondern die volle vertragliche Gegenleistung.
Er hat mit dieser auch weit mehr als die einbezahlten Beiträge vereinnahmt. Diese betrugen insgesamt 36.312,48 €, die Versicherungsleistung 43.477,31 €, also 7.164,83 € mehr. Die geltend gemachte Klageforderung von 9.780,50 € beinhaltet keinen Anspruch auf Beitragsrückerstattung, sondern beruht allein darauf, dass der Kläger über die im nationalen Bereicherungsrecht gemäß § 818 Abs. 1 BGB vorgesehene Herausgabepflicht für gezogene Nutzungen eine Verzinsung sämtlicher Beiträge in (zeitlich gestaffelter) Höhe zwischen 6,13% und 9,5% für sich beansprucht - also eine Verzinsung, die er sichtlich bei einer anderen damals etwa zur Auswahl stehenden, vergleichbaren Lebensversicherung nie hätte erzielen können. Erkennbares Ziel des Klägers ist also nicht, etwaige Nachteile seiner damaligen Auswahlentscheidung zu kompensieren, sondern seine Rendite zulasten der Versichertengemeinschaft zu maximieren.
Zudem besteht im vorliegenden Fall die - im Rahmen der Erörterung in der mündlichen Verhandlung angesprochene - Besonderheit, dass der Kläger hier durch die reguläre Abwicklung nach der vollen vereinbarten Laufzeit von 12 Jahren die Versicherungsleistung offenbar einkommensteuerfrei erhalten hat - laut Abrechnung (Anlage K 2) erfolgte die Auszahlung der 43.477,31 € im Februar 2009 abzugsfrei; die vor 2005 abgeschlossene kapitalbildende Lebensversicherung hatte die für die Steuerfreiheit erforderliche Versicherungsdauer von mindestens 12 Jahren sowie eine weit über der Mindestzeit von 5 Jahren liegende Beitragszahlungsdauer und einen Todesfallschutz in der nötigen Höhe von mindestens 60% der Beitragssumme (vgl. auch Nr. 14 A (1) der Verbraucherinformation, Anlage K 13). Der Kläger distanziert sich mit seinem nachträglich im November 2009 erklärten Widerspruch und der Klageforderung zwar nun von seiner ursprünglichen Anlageentscheidung und will eine höhere Verzinsung seiner Beiträge erstreiten - allerdings erst, nachdem er den ihm durch den speziellen Vertrag eröffneten Steuervorteil in Anspruch genommen hat.
Schließlich hat der Kläger nicht nur den mit der Lebensversicherung verbundenen Risikoschutz in Anspruch genommen, sondern diese daneben auch als Kreditsicherheit verwendet, nämlich an die D. K. AG abgetreten (vgl. unbestrittener Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 16.01.2012, Seite 3, Bl. 102 d. A.) - sich den schwebend unwirksamen Vertrag also auch insoweit wie einen wirksamen zunutze gemacht.
Auf Seiten und zugunsten der beklagten Versicherung ist demgegenüber zu berücksichtigen, dass ihr Fehlverhalten einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung weniger schwer wiegen dürfte als in anderen Fällen. Der Kläger hatte bereits mit dem Antrag sowohl die Versicherungsbedingungen wie auch - abgesehen von der „Anlage GW“ - die Verbraucherinformationen erhalten (vgl. Anlage K 13). Zudem war ihm die dann mit dem Versicherungsschein übermittelte Information über die garantierten Rückkaufswerte und garantierten beitragsfreien Versicherungssummen in bezifferter, tabellarischer Form bei Antragsstellung keineswegs vorenthalten worden, sondern in nahezu identischer Fassung mit dem Versicherungsvorschlag (Anlage K 12) mitgeteilt worden. Insofern bestand kein sachliches, sondern ein lediglich „formelles“ Informationsdefizit. Im Antrag direkt über der Unterschrift auf Seite 3 war der Kläger in einem gesonderten Kästchen im Fettdruck unter der Überschrift „Wichtige Hinweise“ auch bereits deutlich darauf hingewiesen worden, dass er innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Erhalt des Versicherungsscheins vom Versicherungsvertrag zurücktreten oder ihm widersprechen könne. Unter Ziffer 4. der zugehörigen Verbraucherinformation wurde näher erläutert, wann ein Rücktritts- und wann ein Widerspruchsrecht gegeben sei, wobei für die Einzelheiten der Rechtsausübung auf § 4 AVB verwiesen wurde. Dort sind beide Vertragslösungsrechte inhaltlich völlig ausreichend dargestellt. Aus der Erläuterung in Ziffer 4. der Verbraucherinformation wird auch deutlich, dass die Beklagte vorliegend (letztlich unzutreffend, aber nicht unverständlich) von einem Vertragsschluss im Antragsmodell ausging. Die dann gemäß § 8 Abs. 5 VVG a. F. erforderliche Rücktrittsbelehrung hätte sie mit der Antragsgestaltung nach Auffassung des Senats auch ordnungsgemäß erteilt. An der tatsächlich erforderlichen Widerspruchsbelehrung gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a. F. fehlte es zwar nicht inhaltlich, allerdings aber hinsichtlich der drucktechnisch deutlichen Hervorhebung, da die Versicherungsbedingungen mit § 4 AVB auch dem Versicherungsschein nochmals beilagen, diese Klausel aber nicht besonders hervorgehoben ist. Darüber, dass die Beklagte dem Kläger das Recht zugestand, sich binnen 14 Tagen ab Erhalt des Versicherungsscheins vom Vertrag auf die eine oder andere Weise wieder zu lösen, konnte bei diesem allerdings kein ernsthafter Zweifel bestehen. Dies musste ihm auch bei nur flüchtiger Durchsicht seiner Unterlagen ohne Weiteres klar sein.
Es darf bei der Bewertung richtigerweise auch nicht außer Acht bleiben, dass durch das Verhalten des Klägers bei der Beklagten schutzwürdiges Vertrauen auf die Beständigkeit der vertraglichen Bindung begründet wurde. Die Beklagte muss sich grundsätzlich für ihre gesamte Kalkulation - insbesondere in Hinblick auf Rückstellungen für die Überschussbeteiligung - darauf verlassen können, dass langfristig angelegte Vertragsbeziehungen nicht plötzlich nach vielen Jahren rückabgewickelt werden müssen. Daneben ist außerdem das Vertrauen der Beklagten in den grundsätzlichen Bestand des vom deutschen Gesetzgeber gesetzten Rechts (hier § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F.) - auch bei etwaigen Zweifeln an der Europarechtskonformität - schutzwürdig und entsprechend zu berücksichtigen (vgl. Allgemein zum Vertrauensschutz in Hinblick auf das Urteil des BGH vom 07.05.2014, Az. IV ZR 76/11, auch Bürkle in VersR 2015, 398). Der Beklagten grundsätzlich und generell allein wegen eines Belehrungsfehlers jegliche Schutzwürdigkeit abzusprechen, geht nach Auffassung des Senats im Hinblick auf die gegebenen Besonderheiten des Einzelfalls fehl.
Der Kläger verwendet vorliegend das Instrument eines „ewigen“ Widerspruchsrechts auf europarechtlicher Grundlage letztlich dafür, um sich trotz Kenntnis von einem anfänglich eingeräumten Vertragslösungsrecht erst nach sehr langem Abwarten und Abschöpfen aller mit dem Abschluss der betroffenen kapitalbildenden Lebensversicherung verbundenen Vorteile nachträglich von dieser Entscheidung loszusagen, um über das nationale Bereicherungsrecht nunmehr eine erheblich höhere Verzinsung bzw. Rendite - nun ohne Risiko - zu erreichen und sich so einen erheblichen Sondervorteil zu verschaffen, nicht nur auf Kosten der Beklagten, sondern auch zulasten der Versichertengemeinschaft. Unredliche Absichten oder ein Verschulden des Klägers sind für die Annahme von unzulässiger Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens zwar nicht erforderlich, vgl. BGH, Urteil vom 16.07.2014, Az. IV ZR 73/13 RdN. 37 m. w. N.. Gleichwohl ist bei den vorliegenden, geschilderten Umständen auch eine entsprechende subjektive Komponente beim Kläger zu bejahen. Denn er zielt mit seinem Vorgehen offensichtlich auf eine bloße Renditeerhöhung nach langjähriger Vertragsdurchführung ab; ein solches Ziel unter Berufung auf die auf eine Stärkung der Information des Versicherungsnehmers vor Vertragsschluss ausgerichteten europarechtlichen Vorgaben erreichen zu können, entspricht nicht der Zwecksetzung dieser Vorgaben (hierzu auch sogleich unten). Dieser Gesichtspunkt muss richtigerweise auch auf dieser Ebene und nicht erst auf der Rechtsfolgenseite bei Berechnung der Höhe eines etwaigen Rückgewähranspruchs berücksichtigt werden.
2.3.5. Der Senat hält in Hinblick auf die Problematik des Rechtsmissbrauchs gemäß § 242 BGB keine Vorlage an den EuGH für geboten, da ein sog. „acte éclairé“ vorliegt - verpflichtet zu einer Vorlage ist er angesichts der Zulassung der Revision ohnehin nicht.
Der EuGH hat das Rechtsmissbrauchsverbot als allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts im Urteil vom 05.07.2007, Kofoed, C-321/05, Slg. 2007, I-5795, Rn. 37, 38, ausdrücklich anerkannt. In anderen Entscheidungen, wie den vom BVerfG im Nichtannahmebeschluss vom 02.02.2015, Az. 2 BvR 2437/14, (zu BGH, Urteil vom 16.07.2014, Az. IV ZR 73/13), zitierten vom 02.05.1996, Paletta, C-206/94, Slg. 1996, I-2357, Rn. 25, oder vom 21.07.2011, Oguz, C-186/10, Slg. 2011, I-6957, Rn. 24, 25 m. w. N., hat der EuGH wiederholt klargestellt, dass aus seiner Rechtsprechung hervorgehe, dass die betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf die Normen des Unionsrechts nicht gestattet ist und dass die nationalen Gerichte in jedem Einzelfall dem missbräuchlichen oder betrügerischen Verhalten der Betroffenen auf der Grundlage objektiver Kriterien Rechnung tragen können, um ihnen gegebenenfalls die Berufung auf das einschlägige Unionsrecht zu verwehren. Bei der Beurteilung eines solchen Verhaltens hätten diese Gerichte allerdings die Ziele der fraglichen unionsrechtlichen Bestimmungen zu beachten.
Ähnliches ergibt sich aus der im Urteil des BGH vom 16.07.2014 (a. a. O., Rn. 42) zitierten Rechtssache „Diamantis“ (EuGH, Urteil vom 23.03.2000, Diamantis, C-373/97, Slg. 2000, I-1705). Der dortige Leitsatz zu 1 lautet wie folgt: „1 Die mißbräuchliche oder betrügerische Berufung auf Gemeinschaftsrecht ist nicht gestattet. Es kann daher nicht als gemeinschaftsrechtswidrig angesehen werden, dass nationale Gerichte eine Bestimmung des nationalen Rechts anwenden, um zu beurteilen, ob ein sich aus einer Gemeinschaftsbestimmung ergebendes Recht mißbräuchlich ausgeübt wird. Jedoch darf die Anwendung einer solchen nationalen Rechtsvorschrift nicht die volle Wirksamkeit und die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten beeinträchtigen.“
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den konkreten Einzelfall obliegt dem nationalen Gericht. Die grundsätzliche Zuständigkeit des nationalen Gerichts für die Entscheidung derartiger Fragen hat der EuGH erst kürzlich erneut bestätigt. Er hat in einem Vorabentscheidungsverfahren zum Geschmacksmusterrecht, Urteil vom 13.02.2014, C-479/12, GRUR 2014, 368, das u. a. zur Frage der Möglichkeit der Verwirkung eines (nach deutschem Recht begründeten) Unterlassungsanspruchs vorgelegt worden war, ausdrücklich klargestellt, dass - sofern die zugrundeliegende europarechtliche Regelung dazu schweigt - neben der Verjährung auch die Verwirkung dem nationalen Recht unterliege, das unter Beachtung des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes angewendet werden müsse (vgl. dortiger Tenor Ziffer 4. sowie Rn. 23, 45 ff, 49).
Im streitgegenständlichen Fall beeinträchtigt die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben nach dem deutschen Recht weder die Wirksamkeit noch die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts. Die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung enthalten in den einschlägigen Bestimmungen und Erwägungsgründen zu den zu erteilenden Informationen und zum Rücktrittsrecht (vgl. Urteil des EuGH vom 19. Dezember 2013, C-209/12, VersR 2014, 225, zu § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F.) keine Regelungen zur Frage der Verwirkung, sondern schweigen insoweit. Der vom EuGH in diesem Urteil (a. a. O., Rn. 25) dargelegte Zweck der Dritten Richtlinie Lebensversicherung, eine genaue Belehrung des Versicherungsnehmers über sein Rücktrittsrecht vor Abschluss des Vertrages sicherzustellen, wird nicht berührt, wenn im Einzelfall aufgrund der besonderen Gesamtumstände einem Versicherungsnehmer, der vom Versicherer zwar nicht vollständig dem geltenden nationalen Recht entsprechend ordnungsgemäß belehrt wurde, nach über einem Jahrzehnt dauernder Durchführung des Vertrages, beiderseits vollständiger Leistungserbringung und weiteren in die Abwägung einzubeziehenden besonderen Umständen die Geltendmachung eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs unter Berufung auf die europarechtlich begründete Nichtanwendbarkeit der (an sich für den Fall fehlerhafter Belehrung vorgesehenen) einjährigen Ausschlussfrist des § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F. auf das Zustandekommen des Vertrages verwehrt wird. Ebensowenig wird der weitere in der genannten EuGH-Entscheidung angesprochene Zweck einer hinreichenden Auswahlmöglichkeit aufgrund ausreichender Information (a. a. O., Rn. 24) berührt. Abgesehen davon, dass diese Zielsetzung nach 12 Jahren ohnehin nicht mehr nachholbar ist, lag im hier zu entscheidenden Fall ein sachliches Informationsdefizit gar nicht vor. Der Kläger hatte auch eine nur marginal abweichende Informationen über die Garantiewerte inhaltlich durch den Versicherungsvorschlag bereits bei Antragstellung erhalten. Eine trotz der hier gegebenen Umstände und trotz eines Ablaufs wie hier noch eingeräumte Lösungsmöglichkeit würde dem Versicherungsnehmer vielmehr die Möglichkeit eröffnen, seine - stets in gewissem Umfang spekulative - Entscheidung für eine bestimmte Lebens- oder Rentenversicherung nachträglich mit dem Wissensvorsprung um die zwischenzeitlichen Entwicklung zu revidieren - wobei er daneben über viele Jahre nicht nur den vorgesehenen Versicherungsschutz, sondern auch weitere erhebliche Vorteile genossen hätte. Eine derartige Zweckbestimmung enthalten die zugrundeliegenden Richtlinien ganz offensichtlich nicht; eine solche Zielsetzung ist auch nicht schützenswert.
Über all diese Erwägungen hinaus ist außerdem anzumerken, dass - worauf auch das BVerfG im Nichtannahmebeschluss vom 02.02.2015, 2 BvR 2437/14, Rn. 47, hingewiesen hat - weder der EuGH noch das neuere europäische Richtlinienrecht dem Verbraucherschutz einen absoluten Vorrang gegenüber anderen Zielen und Zwecken einräumen, sondern diesem durchaus Grenzen setzen, vgl. z. B. EuGH im Urteil vom 10.04.2008, Hamilton, C-412/06, Slg. 2008, I-2383, Rn. 39, 40, oder auch die Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher, durch die der Verbraucherschutz für Fernabsatz- und Haustürgeschäfte reformiert wurde, und die in Artikel 10 Abs. 1 nunmehr ausdrücklich selbst bei mangelhafter Belehrung eine zeitliche Befristung des Widerrufsrechts auf 12 Monate nach Ablauf der ursprünglichen Widerrufsfrist vorsieht. Dies wird - vgl. Vorbemerkung (43) - explizit mit der Gewährleistung der Rechtssicherheit begründet.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision war - wie oben ausgeführt, beschränkt auf die Frage der Verwirkung - zuzulassen, § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.