Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 03. Sept. 2014 - 2 Ws 411/14

ECLI:ECLI:DE:OLGKOBL:2014:0903.2WS411.14.0A
03.09.2014

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Tenor

Die sofortige Beschwerde des Untergebrachten gegen den Beschluss der großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in Diez vom 21. Juli 2014 wird als unbegründet auf seine Kosten (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO) verworfen.

Gründe

1

1. Durch den angefochtenen Beschluss hat die große Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in Diez nach Einholung eines schriftlichen Prognosegutachtens des Sachverständigen Dr. V. und Durchführung der mündlichen Anhörung des Untergebrachten und des Sachverständigen die durch Urteil des Landgerichts Koblenz vom 29. Oktober 2007, rechtskräftig seit dem 6. November 2007, angeordnete Sicherungsverwahrung nicht für erledigt erklärt, nicht zur Bewährung ausgesetzt und ihre Fortdauer angeordnet.

2

Durch das genannte Urteil war der Beschwerdeführer wegen „sexuellen Missbrauchs von Kindern“ in drei Fällen - es handelte sich, wie von der Strafkammer in der rechtlichen Würdigung ausgeführt, um drei Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern im Wiederholungsfall nach § 176a Abs. 1 StGB - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten (Einzelstrafen: einmal zwei Jahre sechs Monate und zweimal zwei Jahre) verurteilt worden. Die zugrundeliegenden Taten hatte der damals 66 Jahre alte Untergebrachte am 21. Oktober 2006 und am 25. Oktober 2006 zum Nachteil zweier damals sechs und sieben Jahre alter Mädchen begangen. Die Kinder hatte er in der Wohnung ihrer Großmutter in G. beim gemeinsamen Kaffeetrinken mit der Mutter der Kinder kennengelernt. Er lockte erst das sieben Jahre alte Mädchen in seine im selben Haus gelegene Wohnung und manipulierte bis zur Störung durch die jüngere Schwester an der nackten Scheide des Kindes, das sich im Schlafzimmer vor einen Spiegel hatte stellen müssen. Danach setzte er sich das Kind im Wohnzimmer auf den Schoß. Als das Mädchen seiner Aufforderung, die Zunge herauszustrecken nachgekommen war, drückte er diese durch Berührung mit seiner Zunge in dessen Mund. Anschließend wandte er sich der jüngeren Schwester zu, zog auch sie auf seinen Schoß und gab ihr einen Zungenkuss. Vier Tage später besuchte er die Mutter der Kinder in deren Wohnung in W.. Unter dem Vorwand, Süßigkeiten aus dem Auto holen zu wollen, begab er sich mit der 6-Jährigen in den Keller des Hauses und gab dem Kind erneut einen Zungenkuss. Dieses Mädchen nässte nach den Vorfällen nachts wieder ein. Beide Mädchen waren noch im Zeitpunkt der Hauptverhandlung durch das Tatgeschehen verängstigt.

3

Die daneben angeordnete Unterbringung in der Sicherungsverwahrung hatte die Strafkammer auf § 66 Abs. 1 StGB a.F. gestützt, weil der Untergebrachte vor den Anlasstaten bereits zweimal wegen einschlägiger Taten zu Freiheitsstrafen von mindestens einem Jahr verurteilt worden war und diese vollständig verbüßt hatte:

4

Durch Urteil vom 4. Juli 2000, rechtskräftig seit demselben Tag, verhängte das Landgericht Koblenz im Verfahren 2060 Js 41727/99 - 4 KLs eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten gegen ihn wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen (§ 176 Abs. 1 StGB) und wegenschweren sexuellen Missbrauchs von Kindern (§ 176 Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F., § 176 Abs. 2 Nr. 1 StGB n.F.). Er hatte sich kurz vor Weihnachten 1998 in seiner Wohnung in K. mit einem fünf Jahre alten Mädchen in die Badewanne gesetzt, wo das Kind seinen Penis in den Mund nehmen und ihn oral bis zu Samenerguss befriedigen musste. Außerdem hatte er im August 1999 zwei sechs und neun Jahre alte Mädchen in seiner Wohnung in O. nacheinander hochgehoben und ihnen dabei oberhalb der Kleidung an die Scheide gefasst.

5

Nachdem diese Freiheitsstrafe bis zum 23. Juli 2002 vollständig vollstreckt war, hielt sich der unter Führungsaufsicht stehende Untergebrachte am 13. Juli 2003 im Schwimmbad in M. auf. Dort versprach er einem neun Jahre alten Mädchen ein Eis, das ihm daraufhin zu den Schließfächern folgte. Er zog das Mädchen, dem es kalt war, dicht an sich, rubbelte es am ganzen Körper, küsste es auf Gesicht und Mund und berührte mit seiner Zunge die Lippen des Kindes. Das Amtsgericht Mayen verurteilte ihn daraufhin im Verfahren 2060 Js 54703/03 - 3 Ds am 24. März 2004 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern (§ 176 Abs. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr. Das Urteil wurde am 19. Juli 2004 rechtskräftig. Bei zutreffender rechtlicher Bewertung wäre die Tat als schwerer sexueller Missbrauch von Kindern im Wiederholungsfall (§ 176a Abs. 1 Nr. 4 StGB a.F., § 176a Abs. 1 StGB n.F.) zu werten gewesen. Die Freiheitsstrafe wurde vom 2. November 2004 bis zum 1. November 2005 vollstreckt. Die bereits dargestellten Anlasstaten ereigneten sich nur knapp elf Monate später.

6

2. Die angefochtene Entscheidung entspricht im Ergebnis der Sach- und Rechtlage. Die nicht ausgeführte Beschwerde rechtfertigt keine andere Beurteilung.

7

a) Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer dem Verteidiger von hier aus bekannt gegebenen Stellungnahme vom 6. August 2014 folgendes ausgeführt (VH Bl. 670 ff.):

8

„1. Es liegt kein Fall rückwirkender Verlängerung der Höchstfrist oder nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vor, so dass sich die Frage der Fortdauer materiell nicht (auch) nach Art. 316f Abs. 2 S. 2-4 EGStGB, sondern nach Art. 316f Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 S. 1, 316e Abs. 1 S. 2 EGStGB i.V.m. § 67d Abs. 2 StGB richtet.

9

Diese Voraussetzungen liegen bei dem Untergebrachten vor.

10

2. Eine die Aussetzung der Maßregel zur Bewährung begründende Gefährlichkeitsprognose ist dem Untergebrachten nicht zu stellen.

11

a) Dies gilt ungeachtet der - von der Strafvollstreckungskammer verneinten - Frage, ob der vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 04.05.2011 - 2 BvR 2365/09 u.a. - begründete Maßstab, wonach der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der Regel nur bei der aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleitenden Gefahr schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten (BVerfG, a.a.O., Rdnr. 172) - trotz der entgegenstehenden Intention des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 17/11388, 24) - auch nach Inkrafttreten der Neuregelungen zur Sicherungsverwahrung am 01.06.2013 weiterhin Geltung beansprucht (so für die primäre Anordnung in „Altfällen“ BGH, Urt. v. 12.06.2013 - 5 StR 129/13 -, BeckRS 2013, 11732; Urt. v. 23.04.2013 - 5 StR 617/12 -, BeckRS 2013, 09608). Denn der Untergebrachten erfüllt weiterhin die Voraussetzungen auch dieses verschärften Maßstabs. Insbesondere sind Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern (vgl. OLG Koblenz, 1. Senat, Beschl. v. 13.04.2011 - 1 Ws 218/11 -) und erst recht solche des schweren sexuellen Missbrauchs (vgl. BGH, a.a.O.; BVerfG, Beschl. v. 29.10.2013 - 2 BvR 1119/12 -, BeckRS 2013, 58073) grundsätzlich als schwere Sexualstraftaten in diesem Sinne anzusehen.

12

Hierzu und hinsichtlich der von dem Untergebrachten zu befürchtenden Straftaten nehme ich auf den Beschluss des Senates vom 13.05.2014 - 2 Ws 14/13 - (Bd. II, Bl. 452 VH) Bezug.

13

b) Zureichende Anhaltspunkte dafür, dass mittlerweile eine abweichende Einschätzung gerechtfertigt wäre, liegen nicht vor. Vielmehr ist der Sachverständige Dr. V. in seinem Gutachten vom 29.04.2014 nachvollziehbar und überzeugend zu dem Ergebnis gelangt, dass von dem Untergebrachten weiterhin ein mittelgradig bis hochgradiges Rückfallrisiko für den sexuellen Missbrauch präpubertärer Mädchen ausgeht (Bd. II, 545, 636 VH).

14

Bei dem Untergebrachten besteht eine nicht heilbare pädophile Störung, die für diesen mangels tragfähiger Vermeidungsstrategien nicht hinreichend zu steuern ist. Die gesundheitlichen Einschränkungen des Untergebrachten stellen keinen das Risiko mindernden Faktor dar (Bd. II, Bl. 616, 636 VH). Die hohen Anforderungen an Betreuung und Kontrolle (vgl. Bd. III, Bl. 633, 639f.) sind in Freiheit derzeit nicht gewährleistet, da kein geordneter Empfangsraum, insbesondere keine Einrichtung des betreuten Wohnens aktuell zur Aufnahme des Untergebrachten, zur Verfügung steht noch in hinreichender Weise dessen erforderliche Distanz zu Kindern gewährleistet werden kann. Es ist weiterhin zu befürchten, dass der Untergebrachte diesen Kontakt suchen, jedenfalls aber nicht hinreichend ausweichen wird. Der Sachverständige Dr. V. ist überzeugend zu dem Schluss gekommen, dass der Untergebrachte Bestätigung und Freude nur noch im Umgang mit Tieren und Kindern erleben könne (Bd. III, Bl. 629 VH). Dies ist mit Blick darauf, dass der Untergebrachte sich wiederholt von Frauen enttäuscht sah (Bd. III, Bl. 592f. VH), sich keine Beziehung mehr vorstellen könne (Bd. III, Bl. 589 VH), er der Meinung ist, es gäbe keine echten Freunde (Bd. III, Bl. 600 VH), und er selbst vermute, bei Kindern und seinen Tieren einen Ausgleich für seine Enttäuschungen gesucht zu haben (Bd. III, Bl. 581 VH) ohne Weiteres plausibel und begründet die Gefahr, dass der Untergebrachte sich erneut Kindern zur Befriedigung seiner Bedürfnisse zuwenden wird. Der Sachverständige ist nachvollziehbar zu dem Schluss gelangt, dass die paranoide Einstellung seiner Umgebung gegenüber in der Zusammenschau mit der pädophilen Störung einen kaum zu beeinflussenden dynamischen Risikofaktor darstellt (Bd. III, Bl. 629 VH). Dies wird dadurch verschärft, dass der Untergebrachte bislang keine nachhaltige Einsicht in den Umfang und die Folgen seines Fehlverhaltens gewonnen hat. So erweist er sich hinsichtlich mehrerer Taten nach wie vor als Tatleugner (vgl. Bd. III, Bl. 591f., 594, 596f. VH) und zeigt mangelndes Problembewusstsein und fehlende Opferempathie etwa dadurch, dass er erhebliche Folgen eines Kindesmissbrauchs vornehmlich in Fällen des Eindringens sehe (Bd. III, Bl. 595 VH) und es „Nachwehen“ seiner Taten mitunter nicht gegeben haben könne, da nichts passiert sei (Bd. III, Bl. 598 VH).

15

Vor diesem Hintergrund ist auch die Feststellung des Sachverständigen plausibel, dass die bei Frau M. durchgeführte Therapie nicht über eine nur ansatzweise Einstellungsänderung hinausgeführt habe (Bd. III, Bl. 615 VH).

16

Die Betreuung durch den externen Therapeuten B. befindet sich auch den Angaben des Untergebrachten selbst zufolge noch in einer Anfangsphase (vgl. Bd. III, Bl. 651 VH), ohne dass dem Untergebrachten überhaupt das Ziel der Therapie klar ist (vgl. Bd. III, Bl. 600 VH).

17

3. Der weitere Vollzug der Maßregel ist auch nicht unverhältnismäßig, so dass unter diesem Gesichtspunkt eine Aussetzung des Vollzugs oder eine Erledigterklärung der Maßregel zu erfolgen hätte.

18

Die Voraussetzungen des § 67d Abs. 2 S. 2 StGB, wonach das Gericht die weitere Vollstreckung der Maßregel zur Bewährung aussetzt, wenn diese unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Abs. 1 Nr. 1 StGB angeboten worden ist, liegen nicht vor.

19

Vorliegend fehlt es bereits an einer derartigen Anordnung unter Fristsetzung.

20

4. Es besteht auch weiterhin keine Veranlassung zu einer Anordnung gem. § 67d Abs. 2 S. 2 2. Halbs. StGB.

21

a) Eine grundsätzlich in Betracht kommende Gruppentherapie lässt sich in Einklang mit der Einschätzung des Sachverständigen Dr. V. (vgl. Bd. III, Bl. 632 VH) effektiv nicht gegen den Willen des Untergebrachten durchsetzen. Eine Einzeltherapie durch einen externen Therapeuten wird gewährt.

22

b) Hinsichtlich der in dem angefochtenen Beschluss der Strafvollstreckungskammer nahe gelegten Vollzugslockerungen scheidet eine Anordnung gem. § 67d Abs. 2 S. 2 2. Halbs. StGB schon deshalb aus, weil es sich hierbei nicht um Betreuungsmaßnahmen i.S.d. - allein von § 67d Abs. 2 S. 2 StGB in Bezug genommenen - § 66c Abs. 1Nr. 1 StGB, sondern um vollzugsöffnende Maßnahmen i.S.d. § 66c Abs. 1Nr. 3 StGB handelt.

23

5. Schließlich vermag auch die Überschreitung der einjährigen Prüffrist des § 67e Abs. 2 StGB dem Rechtsmittel vorliegend nicht zum Erfolg zu verhelfen.

24

Es liegt nicht bereits in jeder Verzögerung des Geschäftsablaufs, die zu einer Fristüberschreitung führt, eine Grundrechtsverletzung (BVerfG, NStZ-RR 2005, 92, 93). Die Missachtung der Prüffristen begründet einen solchen Verstoß jedoch, wenn ihr eine nicht mehr vertretbare Fehlhaltung gegenüber dem das Grundrecht sichernden Verfahrensrecht zugrunde liegt, die auf eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts schließen lässt (BVerfG, a.a.O., 93). Allerdings führt selbst eine Grundrechtsverletzung nicht per se zur Freilassung des untergebrachten; vielmehr hat eine Abwägung unter Berücksichtigung des Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor zu erwartenden erheblichen Rechtsgutsverletzungen zu erfolgen, wobei dieses noch nicht zurücktritt, wenn das grundrechtlich gebotene Verfahren um einige Monate verzögert wurde (BVerfG, a.a.O., 94). Namentlich in Ansehung des zwischenzeitlich eingeholten Sachverständigengutachtens liegt keine Verzögerung vor, die eine grundlegende Fehlhaltung des Gerichts gegenüber den Grundrechten des Untergebrachten offenbarte und das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit zurücktreten ließe.

25

b) Ergänzend bemerkt der Senat:

26

aa) Der Bundesgerichtshof hat seine Rechtsprechung zur Fortgeltung des vom Bundesverfassungsgericht für die Weitergeltung des § 66 StGB verlangten Maßstabes strikter Verhältnismäßigkeit für vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung des Abstandsgebotes am 1. Juni 2013 tatrichterlich abgeurteilte Taten (BGH, Urteil 5 StR 610/12 vom 23.04.2013, NStZ 2013, 522; Urteil 5 StR 617/12 vom 23.04.2013, NStZ-RR 2014, 43; Urteil 5 StR 129/13 vom 12.06.2013, NStZ 2013, 524) inzwischen auf alle bis zum 31. Mai 2013 begangenen Taten, d.h. auch die erst nach Inkrafttreten des Gesetzes abgeurteilten, ausgedehnt (BGH, Urteil 5 StR 563/13 vom 11.03.2014, Rn. 14 zit. nach juris, NStZ 2014, 263). Dieser für die Anordnung der Sicherungsverwahrung für Altfälle mit Taten vor dem 1. Juni 2013 geltende Grundsatz gilt auch für Fortdaueranordnungen. Gemäß Art. 316f Abs. 2 Satz 1 EGStGB sind auf diese Fälle - soweit in Abs. 3 nichts anderes bestimmt ist - die bis zum 31. Mai 2013 geltenden Vorschriften über die Sicherungsverwahrung (nach Maßgabe der hier nicht einschlägigen Sätze 2 bis 4) anzuwenden. Dies ist gemäß Art. 316e Abs. 1 Satz 1 und 2 EGStGB sowohl für Fälle vor als auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) § 67d Abs. 2 Satz 1 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 160), soweit er zur Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung bis zu zehn Jahren ermächtigt. Diese Bestimmung war bis zum 31. Mai 2013 nur mit der Maßgabe „strikter Verhältnismäßigkeit“ anzuwenden (BVerfG, Urteil 2 BvR 2365/09 u.a. vom 04.05.2011, BGBl. Teil 1, 2011, Nr. 26, S. 1003-1005, Entscheidungstenor II. 1. b. sowie Rn. 172 zit. nach juris), die das Bundesverfassungsgericht gemäß § 35 BVerfGG wegen ihrer Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz infolge Verletzung des Abstandsgebots einschränkend verlangt hat. Indem der Gesetzgeber auf die bisherige Vorschriften abgestellt hat, hat er die bis 31. Mai 2013 geltende Rechtslage, mithin auch die Einschränkung aufgrund der Weitergeltungsanordnung fortgeschrieben (vgl. zur Anordnung der Sicherungsverwahrung BGH aaO Rn. 13 zit. nach juris).

27

bb) Nicht alle „erheblichen Straftaten“, durch welche die Opfer „seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, sind auch „schwere Gewalt- oder Sexualstraftaten im Sinne der Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts (BGH, Beschluss 4 StR 362/11 vom 27.09.2011, Rn. 9 zit. nach juris, NStZ-RR 2012, 109). Neben Taten des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB (vgl. BGH, Urteil 5 StR 617/12 vom 23.04.2013 mwN) können aber auch Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176 Abs. 1 StGB „schwere Sexualstraftaten“ im Sinne der Weitergeltungsanordnung sein (BGH, Urteil 1 StR 465/12 vom 19.02.2013, Rn. 37 ff. zit. nach juris, NStZ-RR 2013, 204; Senat, Beschluss 2 Ws 164/13 vom 13.05.2013, in vorliegender Sache VH Bl. 452 ff.; OLG Koblenz, Beschluss 1 Ws 218/11 vom 13.04.2011). Erst recht gilt dies für Wiederholungstaten im Sinne des § 176a Abs. 1 StGB (BGH aaO Rn. 40 zit. nach juris), wie sie hier sowohl in den drei Anlasstaten als auch der dem Urteil des Amtsgerichts Mayen vom 24. März 2004 zugrundeliegenden Tat gegeben sind. Der Gesetzgeber hat die Rückfalltat als Verbrechen ausgestaltet und damit eine Wertung zur Tatschwere getroffen (BGH aaO).

28

Dass hier aus konkreten Umständen in der Person und dem Verhalten des Untergebrachten eine Gefahr schwerer Sexualstraftaten im vorgenannten Sinn abzuleiten ist, hat der Senat im Beschluss 2 Ws 164/13 vom 13. Mai 2013 (VH Bl. 452, 454, 454R) im Einzelnen dargelegt. Von dem Untergebrachten drohen aufgrund seiner von allen Sachverständigen (Dr. B., VH Bl. 6; Prof. Dr. G., VH Bl. 110 f.; Dipl. Psych. G., VH Bl. 302 f., Dr. V., VH Bl. 608) diagnostizierten und nicht korrigierbaren Pädophilie (ICD-10: F65.4) mit Orientierung auf präpubertäre Mädchen sowohl Taten des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB wie dem Oralverkehr im Fall 1 der Vorverurteilung vom 4. Juli 2000 als auch Wiederholungstaten des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176a Abs. 1 StGB, die nach den in der genannten Vorentscheidung des Senats ausführlich dargelegten, erschwerenden Tatumständen ebenfalls schwere Sexualstraftaten im Sinne der Weitergeltungsanordnung sind.

29

cc) Auf Anforderung des Senats hat die Justiz- und Sicherungsverwahrungsanstalt Diez den Vollzugs- und Eingliederungsplan vom 27. August 2014 vorgelegt (VH Bl. 681 ff.), der dem Untergebrachten am 2. September 2014 ausgehändigt worden ist (VH Bl. 680).

30

Danach hat der Untergebrachte die Anfang März 2014 begonnene Einzeltherapie bei dem externen Psychotherapeuten B. am 29. Juli 2014 nach 19 Sitzungen abgebrochen. Da der Untergebrachte jedwede Form der Gruppentherapie kategorisch ablehnt, war die Fortsetzung dieser kognitiv-behavorial ausgerichteten Einzeltherapie von dem Sachverständigen Dr. V. als derzeit einziger erfolgversprechender psychotherapeutischer Ansatzpunkt ausdrücklich empfohlen worden, um eine Verbesserung des Steuerungsverhaltens des Untergebrachten in Risikosituationen und eine sexuelle Selbstregulation zu erreichen (Gutachten S. 88, VH Bl. 632). Da der Untergebrachte in dieser Therapie eine Offenheit für eine Auseinandersetzung mit den Anlassdelikten zeigte, schätzte auch der externe Therapeut die Behandlung bis zuletzt als zur Reduzierung des Rückfallrisikos erfolgversprechend ein (Vollzugs- und Eingliederungsplan S. 13, VH Bl. 693). Da sich der Verurteilte auch weiterhin gegen gruppentherapeutische Angebote, psychiatrische Behandlungsmaßnahmen (die von dem Sachverständigen Dr. V. in Erwägung gezogene antiandrogene Behandlung) und die Teilnahme an sozialen Trainingsmaßnahmen sperrt (Vollzugs- und Eingliederungsplan S. 11 ff., 15, VH Bl. 691 ff., 695), finden Behandlungsmaßnahmen seit dem Abbruch der Einzeltherapie nicht mehr statt.

31

Es besteht indes kein Anlass, gemäß §§ 67 d Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 StGB eine von der Vollzugsbehörde durchzuführende Betreuungsmaßnahme nach § 66c Abs. 1 Nr. 1 StGB unter Fristsetzung anzuordnen. Denn dem Untergebrachten wird gegenwärtig eine den Anforderungen des § 66 c Abs.1 Nr. 1 StGB genügende Betreuung angeboten (vgl. hierzu Senat, Beschluss 2 Ws 266/14 vom 13.06.2014; KG, Beschluss 2 Ws 327, 333/13 vom 04.09.2013, zit. n. juris Rn. 105 ff - NStZ 2014, 273 ff.). Sie besteht ausweislich des Vollzugs- und Eingliederungsplan vom 27. August 2014 in intensiven Betreuungsmaßnahmen, seine Mitarbeitsbereitschaft wieder zu wecken (§ 66c Abs. 1 Nr. 1 lit. a). Der dem Untergebrachten seit dem 9. Juli 2014 allgemein zugewiesene Betreuungsbeamte soll ihn nunmehr in regelmäßigen Gesprächen motivieren, seine gegenwärtig ablehnende Haltung gegenüber der psychotherapeutischen Behandlung aufzugeben und sich sodann zur Wiederaufnahme probatorischer Gespräche mit einem externen Therapeuten an den Anstaltspsychologen wenden (Vollzugs- und Eingliederungsplan S. 11, 13, VH Bl. 691, 693). Ausweislich des Begleitschreibens der Justiz- und Sicherungsverwahrungsanstalt vom 2. September 2014 finden die Gespräche des Betreuungsbeamten mit dem Untergebrachten in der Regel wöchentlich, mithin in engmaschiger Folge, statt (VH Bl. 680). Außerdem ist dem Untergebrachten am 27. August 2014 von dem Anstaltspsychiater angeboten worden, sich zur Verbesserung seiner sozialen Integrationsfähigkeit (die Voraussetzung jeglichen sozialen Trainings und jeder Gruppentherapie ist) einem von ihm und der Anstaltsseelsorgerin geleiteten Gesprächskreis über allgemeine Themen anzuschließen, der in Kürze beginnen soll. Nach Bekunden verhaltenen Interesses wurde ihm ein weiteres Gespräch mit dem Anstaltspsychiater zu diesem Thema angeboten (Vollzugs- und Eingliederungsplan S. 15, VH Bl. 695). Um den Untergebrachten zur Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten einer antiandrogenen Behandlung zu motivieren, wurde ihm aufgegeben, sich in der Sprechstunde des Psychiaters zu melden (Vollzugs- und Eingliederungsplan S. 13, VH Bl. 693). Es ist davon auszugehen, dass der dem Untergebrachten allgemein zugewiesene Betreuungsbeamte in den regelmäßigen Gesprächen mit dem Untergebrachten diesen auch zu motivieren versuchen wird, an dem vorgenannten Gesprächskreis teilzunehmen und die Sprechstunde des Psychiaters aufzusuchen. Danach wird auch aus Sicht des Senats derzeit alles Erforderliche getan, den Untergebrachten zu erfolgversprechenden Behandlungsmaßnahmen zu motivieren.

32

Der Senat weist die Justiz- und Sicherungsverwahrungsanstalt darauf hin, dass auch die Motivationsmaßnahmen zu dokumentieren sind (§ 8 Abs. 3 Satz 3 LSVVollzG).

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Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 29. Okt. 2013 - 2 BvR 1119/12

bei uns veröffentlicht am 29.10.2013

Tenor Der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 18. April 2012 - 2 Ws 295/12 - und der Beschluss des Landgerichts Aachen vom 27. Februar 2012 - 33 StVK 415/11 K - verletzen den Beschwerdeführer
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 03. Sept. 2014 - 2 Ws 411/14.

Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 17. Nov. 2017 - 1 Ws (s) 328/17

bei uns veröffentlicht am 17.11.2017

Tenor Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Stendal vom 15. September 2017 (508 StVK 234/17 (K)) aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Behandlung und Entsche

Referenzen

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

(1) Die bisherigen Vorschriften über die Sicherungsverwahrung sind in der ab dem 1. Juni 2013 geltenden Fassung anzuwenden, wenn die Tat oder mindestens eine der Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden soll (Anlasstat), nach dem 31. Mai 2013 begangen worden ist.

(2) In allen anderen Fällen sind, soweit Absatz 3 nichts anderes bestimmt, die bis zum 31. Mai 2013 geltenden Vorschriften über die Sicherungsverwahrung nach Maßgabe der Sätze 2 bis 4 anzuwenden. Die Anordnung oder Fortdauer der Sicherungsverwahrung auf Grund einer gesetzlichen Regelung, die zur Zeit der letzten Anlasstat noch nicht in Kraft getreten war, oder eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung, die nicht die Erledigung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus voraussetzt, oder die Fortdauer einer solchen nachträglich angeordneten Sicherungsverwahrung ist nur zulässig, wenn beim Betroffenen eine psychische Störung vorliegt und aus konkreten Umständen in seiner Person oder seinem Verhalten eine hochgradige Gefahr abzuleiten ist, dass er infolge dieser Störung schwerste Gewalt- oder Sexualstraftaten begehen wird. Auf Grund einer gesetzlichen Regelung, die zur Zeit der letzten Anlasstat noch nicht in Kraft getreten war, kann die Anordnung der Sicherungsverwahrung nur vorbehalten werden, wenn beim Betroffenen eine psychische Störung vorliegt und die in Satz 2 genannte Gefahr wahrscheinlich ist oder, wenn es sich bei dem Betroffenen um einen Heranwachsenden handelt, feststeht. Liegen die Voraussetzungen für eine Fortdauer der Sicherungsverwahrung in den in Satz 2 genannten Fällen nicht mehr vor, erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt; mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Die durch die Artikel 1, 2 Nummer 1 Buchstabe c Doppelbuchstabe cc und Nummer 4 sowie die Artikel 3 bis 6 des Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2425) geänderten Vorschriften sind auch auf die in Absatz 2 Satz 1 genannten Fälle anzuwenden, § 67c Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Strafgesetzbuches jedoch nur dann, wenn nach dem 31. Mai 2013 keine ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c des Strafgesetzbuches angeboten worden ist. Die Frist des § 119a Absatz 3 des Strafvollzugsgesetzes für die erste Entscheidung von Amts wegen beginnt am 1. Juni 2013 zu laufen, wenn die Freiheitsstrafe zu diesem Zeitpunkt bereits vollzogen wird.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

5 StR 129/13

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 12. Juni 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
12. Juni 2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Prof. Dr. Sander,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt S.
als Verteidiger,
Rechtsanwalt Su.
als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bautzen vom 9. Oktober 2012 wird mit der Maßgabe verworfen, dass die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entfällt.
Der Angeklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen, jedoch wird die Gebühr um ein Achtel ermäßigt. Die gerichtlichen Auslagen und notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers im Revisionsverfahren hat zu einem Achtel die Staatskasse zu tragen. Die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen hat der Angeklagte zu tragen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Dagegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Sie erzielt mit der Sachrüge nur einen geringer gewichtigen Teilerfolg.
2
1. Nach den Feststellungen lernte der wegen Vergewaltigung vorbestrafte Angeklagte nach Vollverbüßung der deswegen verhängten Freiheitsstrafe von vier Jahren im Jahr 2007 die später getötete L. kennen. Die Beziehung war streitbeladen bis hin zu handgreiflichen Ausein- andersetzungen. Gleichwohl wünschte sich L. vom Angeklagten ein Kind und wurde 2009 schwanger. Da der Angeklagte das Kind nicht wollte, verschlechterte sich die Beziehung nochmals gravierend. Im August 2009 schlug der Angeklagte L. und trat sie heftig gegen den Bauch. Deshalb zog sie aus der gemeinsamen Wohnung in Berlin aus und bezog eine Wohnung in Bautzen.
3
Am 18. März 2010 wurde die gemeinsame Tochter geboren. Kurz vor der Geburt hatten L. und der Angeklagte wieder persönlichen Kontakt. Der Angeklagte war bei der Geburt anwesend. Es folgten gegenseitige Besuche an den Wochenenden und gemeinsame Ausflüge. Dennoch war auch diese Zeit geprägt von weiterenStreitigkeiten. L. unterhielt Beziehungen zu mehreren Männern. Dies war für den An- geklagten „schwer zu verkraften“ (UA S. 13). Im September2011 ging sie eine Beziehung ein, die ernster war als die vorherigen. Vor diesem Hintergrund bedrohte der Angeklagte sie mit einem Messer.
4
Am Wochenende vom 16. bis 18. Dezember 2011 besuchte der Angeklagte L. . Am Sonntagabend kam es zum Streit. Dem Angeklagten wurde dabei bewusst, dass eine Beziehung nicht mehr bestand und der neue Lebensgefährte auch in der Betreuung der Tochter seinen Platz einnahm. „Diese Situation war für den Angeklagten aufgrund seiner Ich-bezogenen Persönlichkeit nicht hinnehmbar“ (UA S. 20). Er schlug L. mit einem Hammer zweimal auf den Kopf. Nachdem sie zu Boden gestürzt war, würgte er sie mit großer Kraftanstrengung und trotz heftiger Gegenwehr, bis sie keine Lebenszeichen mehr von sich gab. Er „hatte die Tat an diesem Abend nicht konkret vorausgeplant, die latente Bereitschaft dazu war in ihm bereits seit einiger Zeit vorhanden und wurde in der sich konkret ergebenden Situation in die Tat umgesetzt“ (UA S. 20).
5
2. Die Schwurgerichtskammer hat die Tat als Mord bewertet, weil der Angeklagte aus niedrigen Beweggründen gehandelt habe. Sachverständig beraten hat sie angenommen, dass seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit weder ausgeschlossen noch erheblich beeinträchtigt gewesen sei. Eine kombinierte Persönlichkeitsstörung verbunden mit deutlich geminderter Frustrationstoleranz, verstärkter Kränkbarkeit, Geltungsbedürfnis, begrenzter Konfliktfähigkeit, Verlustangst, Selbstmitleid erreiche nicht die nach §§ 20, 21 StGB erforderliche Schwere.
6
3. Der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung stand. Die Annahme des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe ist tragfähig begründet.
7
a) Beweggründe sind niedrig im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und daher besonders, d.h. in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag, verachtenswert sind. Die Beurteilung erfordert eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 1. März 2012 – 3 StR 425/11, NStZ 2012, 691, und vom 24. Januar 2006 – 5 StR 410/05, NStZ-RR 2006, 140, jeweils mwN). Subjektiv muss der Täter die tatsächlichen Umstände, welche die Niedrigkeit der Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung in sein Bewusstsein aufgenommen und erkannt haben sowie – auch bei affektiver Erregung und gefühlsmäßigen oder triebhaften Regungen, wie Wut und Eifersucht – in der Lage gewesen sein, sie gedanklich zu beherrschen und zu steuern (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urteil vom 1. März 2012 aaO). Gerade bei einer Tötung, die geschieht, weil sich die Intimpartnerin vom Täter abwendet, können tatauslösend und -bestimmend auch Gefühle der Verzweiflung, der inneren Ausweglosigkeit und erlittenen Unrechts sein, die eine Bewertung als „niedrig“ im Sinne der Mordqualifikation fraglich erscheinen lassen (BGH, Urteile vom 14. Dezember 2000 – 4 StR 375/00, StV 2001, 228, und vom 2. Mai 1990 – 3 StR 11/90, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 18).
8
b) Die Annahme des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe durch das Landgericht wird diesen Maßstäben gerecht. Die Schwurgerichtskammer bezieht in ihre Würdigung ein, dass Gefühlsregungen wie Wut und Eifersucht in der Regel nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht kommen , wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, was am ehesten der Fall ist, wenn diese Gefühlsregungen jeglichen nachvollziehbaren Grundes entbehren (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2012 aaO). Sie stellt insoweit darauf ab, dass der Angeklagte „das Abwenden der L. von ihm und die neue Beziehung von ihr sowie die Beaufsichtigung des Kindes durch den neuen Partner“ verhindern wollte (UA S. 33). Er habe sie „aus eigensüchtigen Motiven, nämlich aus den narzisstischen Zügen re- sultierender Wut und Eifersucht“ getötet (UA S. 44). Namentlich vor dem Hin- tergrund des festgestellten gravierenden, bereits die Trennung begründenden Fehlverhaltens des Angeklagten gegenüber seiner Partnerin im Vorfeld der Tat hält sich dies ungeachtet von deren ambivalentem Verhalten, das ersichtlich auch maßgeblich von einer gewissen Achtung seiner Vaterrolle gegenüber dem gemeinsamen Kind bestimmt war, noch innerhalb des dem Tatgericht zustehenden Beurteilungsspielraums (vgl. BGH, Urteile vom 10. Mai 2005 – 1 StR 30/05, und vom 25. Juli 2006 – 5 StR 97/06, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 47).
9
c) Auch die subjektive Seite des Mordmerkmals ist rechtsfehlerfrei belegt. Insbesondere erkennt die sachverständig beratene Schwurgerichtskammer , dass die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten der Annahme der subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals entgegenstehen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Januar 1996 – 3 StR 588/95, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 32, Urteil vom 25. Juli 2006 – 5 StR 97/06, aaO). Sie schließt dies indessen mit rechtlich nicht zu beanstandenden Erwägungen aus, weil der Angeklagte, der die Tötung im Vorfeld angekündigt hatte, durchaus in der Lage gewesen war, die maßgeblichen Umstände zu erkennen und seinen Impulsen zu widerstehen (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 1978 – 2 StR 504/78, BGHSt 28, 210, 212 mwN). Soweit das Landgericht bei der Bewertung der Persönlichkeitsstörung des Angeklagten die einer jugendrechtlichen Sanktion zugrundeliegenden Umstände ungeachtet ihrer Unverwertbarkeit nach §§ 63, 51 BZRG herangezogen hat, schließt der Senat sicher aus, dass sich dies auf die vom Landgericht vorgenommene Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.
10
4. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung kann hingegen entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts schon deswegen keinen Bestand haben, weil das Landgericht insoweit die nicht verwertbare jugendrechtliche Sanktion heranzieht. Der Senat vertritt darüber hinaus die Auffassung , dass die Maßregelanordnung hier von vornhereinnicht erfolgen kann. Auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots im Recht der Sicherungsverwahrung am 1. Juni 2013 (BGBl. I 2012, 2425) ist für „Altfälle“ weiterhin auf der Grundlage des bisherigen Maßstabs strikter Verhältnismäßigkeit (BVerfGE 128, 326) zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2013 – 5 StR 617/12). Danach ist die Anordnung von Sicherungsverwahrung auf der Grundlage des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB neben der Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe jedenfalls nicht unerlässlich (vgl. BGH, Urteile vom 10. Januar 2013 – 3 StR 330/12 – und vom 25. Juli 2012 – 2 StR 111/12, BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 8; Beschluss vom 9. Januar 2013 – 1 StR 558/12). Dies führt zum Wegfall des Maßregelausspruchs.
11
5. Die Kosten- und Auslagenentscheidung trägt dem Umstand Rechnung , dass der Angeklagte mit seinem Rechtsmittel einen ausdrücklich erstrebten Teilerfolg erzielt hat.
Basdorf Sander Schneider
König Bellay
5 StR 617/12

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 23. April 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
23. April 2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Prof. Dr. Sander,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dölp,
Richter Prof. Dr. König
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 12. Juli 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten – unter Freispruch im Übrigen – wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person, und wegen sexuellen Missbrauch eines Kindes in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die vom Generalbundesanwalt vertretene, auf die Nichtanordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wirksam beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
1. Der Angeklagte und seine damalige Lebensgefährtin, die Zeugin S. P. , waren mit der Mutter der am 27. April 1995 geborenen Nebenklägerin F. übereingekommen, dass die Nebenklägerin während der Nachtschichten ihrer Mutter bei ihnen übernachten durfte. Während der Übernachtungsbesuche der Nebenklägerin, die von März bis Mai 2007 stattfanden, kam es in vier Fällen dazu, dass der Angeklagte sich dem Kind, das zumeist bei ihm im Wohnzimmer auf der Couch schlief, sexuell näherte. Dabei drang er jeweils mit einem Finger in die Scheide der Nebenklägerin ein.
4
Die am 4. Januar 2001 geborene Zeugin W. war mit der Tochter des Angeklagten J. P. sowie seinem Stiefsohn F. P. befreundet. Nach der Trennung des Angeklagten von der Zeugin S. P. kam es im Zeitraum von Herbst 2009 bis zur Festnahme des Angeklagten am 12. Dezember 2011 zu einer Vielzahl von gemeinsamen Übernachtungsbesuchen der drei Kinder bei dem Angeklagten. Die Kinder teilten sich dabei jeweils das Bett im Schlafzimmer des Angeklagten. In drei Fällen legte sich der Angeklagte neben die Zeugin W. und nahm im Beisein der schlafenden Kinder J. und F. sexuelle Handlungen an ihr vor (Streicheln am unbedeckten Geschlechtsteil des Kindes, Lecken zwischen den Schamlippen, Schenkelverkehr).
5
2. Das Landgericht hat die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 StGB im Hinblick auf einschlägige Vorverurteilungen des Angeklagten bejaht.
6
Er war bereits am 11. August 1992 durch das Landgericht Berlin wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit sexueller Nötigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden, die vollständig vollstreckt wurde. Gegenstand der Verurteilung waren von Sommer 1991 bis Februar 1992 begangene Missbrauchstaten zum Nachteil der damals zwölfjährigen Stieftochter aus seiner zur Tatzeit bereits mehrere Jahre geschiedenen zweiten Ehe sowie zum Nachteil der achtjährigen Tochter einer befreundeten Familie. Alle Taten ereigneten sich bei Übernachtungen der Kinder in seiner Wohnung oder bei Übernachtungen des Angeklagten bei der befreundeten Familie. In einigen Fällen versuchte der Angeklagte, mit seinem Glied in die Scheide des jeweiligen Kindes einzudringen, was ihm zumindest bis in den Scheidenvorhof gelang.
7
Am 14. September 1999 war der Angeklagte erneut wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt worden, die er wiederum vollständig verbüßte. Die im Zeitraum November 1998 bis März 1999 begangenen Taten richteten sich gegen die beiden elf und zwölf Jahre alten Töchter zweier befreundeter Familien. Auch hier nutzte der Angeklagte jeweils Übernachtungsbesuche der Kinder in seiner Wohnung für sexuelle Handlungen aus. Dabei kam es jeweils auch zum vaginalen Geschlechtsverkehr.
8
3. Die sachverständig beratene Strafkammer ist zu dem Schluss gekommen , dass bei dem Angeklagten ein Hang bestehe, „seinen Geschlechts- trieb in strafbarer Weise mit präpubertären Mädchen zu befriedigen“ (UA S. 59). Die materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung hat sie gleichwohl verneint, da es – gemessen an dem nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (BVerfGE 128, 326) anzulegenden strengen Prüfungsmaßstab – an der erforderlichen Prognose schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten fehle, die den Angeklagten für die Allgemeinheit gefährlich machten. Sie stellt dabei maßgeblich auf Umstände des Einzelfalls ab.

II.


9
Diese Begründung für das Absehen von der Anordnung der Sicherungsverwahrung hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
10
1. Im Ansatz zu Recht geht das Landgericht davon aus, dass die Regelungen über die Anordnung der Sicherungsverwahrung, die entsprechend dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (aaO) wegen Verletzung des Abstandsgebots mit dem Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG unvereinbar sind und lediglich befristet weitergelten, während der Übergangszeit nur nach Maßgabe einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung angewandt werden dürfen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist in der Regel nur unter der Voraussetzung gewahrt , dass eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist (BVerfGE aaO S. 406).
11
2. Jedoch ist bereits zu beanstanden, dass das Landgericht keine Feststellungen dazu trifft, welche Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Kindern mit welcher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. In diesem Zusammenhang wären insbesondere auch die entsprechenden Ausführungen des Sachverständigen darzulegen und zu würdigen gewesen, die das Urteil vollständig verschweigt. Soweit das Landgericht davon ausgeht, dass die „abnehmende Intensität sexueller Praktiken“ des Angeklagten „ge- gen die zu stellende Gefährlichkeitsprognose im Sinne erheblicher Sexual- straftaten“ (UA S. 60) spreche, hätte es hierzu näherer, ebenfalls die Ergeb- nisse des Sachverständigen einbeziehender Darlegungen bedurft, inwieweit es sich hierbei um eine – unabhängig von zufälligen Tatumständen bestehende – verfestigte Tendenz in Verhalten und Persönlichkeit des Angeklag- ten handelt, aufgrund derer eine für die Anordnung der Sicherungsverwahrung erforderliche Wahrscheinlichkeit der Begehung schwerer Sexualstraftaten nicht besteht.
12
3. Zumindest Taten des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176a Abs. 1 Nr. 1 StGB, wie der Angeklagte sie zum Nachteil der Nebenklägerin begangen hat, sind im Hinblick auf die für die Tatopfer oftmals gewichtigen psychischen Auswirkungen und die hohe Strafdrohung unabhängig von körperlicher Gewaltanwendung – unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls – grundsätzlich als schwere Sexualstraftaten im Sinne der Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts zu werten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Oktober 2011 – 5 StR 267/11, NStZ-RR 2012, 9, vom 2. August 2011 – 3 StR 208/11, BGHR StGB § 66 Strikte Verhältnismäßigkeit 1, vom 11. August 2011 – 3 StR 221/11, vom 26. Oktober 2011 – 2 StR 328/11, StV 2012, 212, und Urteile vom 28. März 2012 – 2 StR 592/11, NStZ-RR 2012, 272, und vom 19. Februar 2013 – 1 StR 275/12).Die vom Landgericht genannten Umstände rechtfertigen eine Ausnahme von diesem Grundsatz nicht.
13
Dass der Angeklagte – außer dem Auseinanderdrücken der Beine der Zeugin W. – keine Gewalt gegen seine Opfer angewendet hat und dies mithin – auch unter Berücksichtigung seiner Vortaten – zukünftig nicht hinreichend konkret zu erwarten sein dürfte, ist für die Einordnung der Delikte als schwere Sexualstraftaten unerheblich (vgl. BGH, Urteil vom 19. Februar 2013 aaO). Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (aaO) nennt die Gefahr schwerer Sexualstraftaten ausdrücklich und selbständig neben derjenigen schwerer Gewaltstraftaten als mögliche Anordnungsgrundlage der Sicherungsverwahrung. Schon ohne Gewaltanwendung ist die durch § 176a StGB geschützte sexuelle Entwicklung des Kindes in schwerwiegender Weise gefährdet; im Hinblick auf die unzureichenden Verstandes- und Widerstandskräfte kindlicher Opfer erübrigt sich häufig die Anwendung nötigender Mittel im Rahmen sexueller Übergriffe.
14
Auch der Umstand, dass der Angeklagte bei erkennbarer Ablehnung seiner Opfer von diesen abließ, ist ohne große Aussagekraft. Schon bei seinen früheren Taten hatte der Angeklagte die sexuelle Handlung beendet, wenn das Opfer Schmerzen oder Ablehnung äußerte. Dies hatte ihn indes weder bei den früheren noch bei den verfahrensgegenständlichen Taten davon abgehalten, weitere Taten gegen jeweils dieselben Opfer zu begehen.
15
Inwieweit die Tatsache, dass die Übernachtungen seiner Opfer bei dem Angeklagten nicht durch seine Initiative zustande gekommen sind, seine Gefährlichkeit maßgeblich berühren soll, erhellt sich nicht. Dass es dem Angeklagten künftig deutlich erschwert sein könnte, vergleichbare günstige Gelegenheiten zu sexuellen Handlungen an Kindern zu finden und auszunutzen , ist nicht ausgeführt. Auch der Umstand, dass der Angeklagte – aktuell – eine Beziehung zu einer Frau mit einer erwachsenen Tochter unterhält, bietet hierfür keinen hinreichenden Anhaltspunkt. Bei den bisherigen Tatopfern handelte es sich mehrheitlich nicht um die Töchter seiner Partnerinnen, sondern um diejenigen befreundeter Eltern, die ihm vertrauten.
16
Schließlich vermag auch die Erwägung der Strafkammer, die Taten seien im vorliegenden Fall für die Opfer ohne schwerwiegende langfristige Folgen geblieben, das Ergebnis nicht zu stützen. Denn hier werden Umstände der – inzwischen zurückliegenden – Einzelfälle angeführt, die nicht dem Verhalten des Angeklagten, sondern der Tatsache geschuldet sind, dass bei den konkreten Tatopfern jene Schäden, denen §§ 176, 176a StGB vorbeugen wollen, ausgeblieben zu sein scheinen. Zumindest mit Taten des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern ist typischerweise die Gefahr schwerwiegender psychischer Schäden verbunden. Es ist nahezu ausgeschlossen , hinsichtlich künftiger Taten konkrete seelische Schäden bei kindlichen Opfern zu prognostizieren (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2010 – 2 StR 10/10, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Erheblichkeit 7).
17
Die Ausführungen des Urteils zu einem möglichen Umdenken des An- geklagten „in Bezug auf den Umgang mit seiner sexuellen Neigung“ (UA S. 61), für welches das Landgericht Anhaltspunkte in der Wahl seiner aktuellen Partnerin und der Äußerung von Therapiebereitschaft sieht, lassen besorgen , dass es den ersten Ansatz für eine – nur in einem langfristigen therapeutischen Prozess erzielbare – Verhaltensänderung mit deren erwartbarem Erfolg gleichsetzt.

III.


18
Der Senat hebt das Urteil deshalb mit den zugehörigen Feststellungen auf, soweit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen worden ist. Die Einzelstrafen und die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe sind so milde, dass sie bestehen bleiben können. Der Senat schließt aus, dass sie niedriger ausgefallen wären, wenn das Tatgericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet hätte (vgl. BGH, Urteil vom 19. Februar 2013 – 1 StR 275/12 mwN).

IV.


19
Das neue Tatgericht ist verpflichtet, über die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung (BGBl. I 2012, 2425) am 1. Juni 2013 weiterhin auf der Grundlage des bisherigen Maßstabs strikter Verhältnismäßigkeit (BVerfGE 128, 326) zu entscheiden. Grundsätze des im Rechtsstaatsprinzip verankerten Vertrauensschutzes verbieten, einen Angeklagten in der Folge eines gerichtlichen Fehlers insoweit schlechter zu stellen, als er bei einem von ihm zu erwartenden rechtsfehlerfreien Urteil der Tatsacheninstanz gestanden hätte. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob und inwieweit der im Freiheitsgrundrecht verankerte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch künftig eine im Vergleich zu früherer Rechtsanwendung eingeschränkte Auslegung insbesondere des Gefährlichkeitsmaßstabs in § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB gebietet.
Basdorf Sander Schneider
Dölp König

Tenor

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 18. April 2012 - 2 Ws 295/12 - und der Beschluss des Landgerichts Aachen vom 27. Februar 2012 - 33 StVK 415/11 K - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 und Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht Köln zurückverwiesen.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

1

Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen Beschlüsse, welche die Fortdauer seiner bereits über zehn Jahre andauernden Unterbringung in der Sicherungsverwahrung betreffen.

I.

2

1. Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 9. November 1993 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit homosexuellen Handlungen in 29 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Strafe wurde nach Verbüßung von zwei Dritteln mit Wirkung zum Juni 1995 zunächst zur Bewährung ausgesetzt. Durch Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 23. Dezember 1997 wurde der Beschwerdeführer erneut wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Darüber hinaus wurde die Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Aussetzung des aus dem früheren Urteil noch zu vollstreckenden Strafrestes zur Bewährung wurde widerrufen. Seit dem 21. März 2002 wird die Sicherungsverwahrung vollzogen.

3

2. Zur Vorbereitung der Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung holte das Landgericht Aachen ein Sachverständigengutachten ein. In diesem Gutachten vom 27. Juli 2011 stellte die Sachverständige ein "mittleres Risiko für ein rückfälliges Verhalten" des Beschwerdeführers fest. Die Rückfallwahrscheinlichkeit für den Anlassdelikten vergleichbare Taten liege in einem Beobachtungszeitraum von sieben Jahren bei 23 % und in einem Beobachtungszeitraum von zehn Jahren bei 39 %. Im Anhörungstermin vom 19. Oktober 2011 erklärte die Sachverständige, wegen der stabilen pädosexuellen Ausrichtung bestehe "eine hochgradige Gefahr erneuter schwerer Sexualstraftaten".

4

3. Durch angegriffenen Beschluss vom 27. Februar 2012 lehnte es das Landgericht Aachen ab, die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 67d Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 StGB zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären. Zur Begründung führte das Landgericht aus, bei dem Beschwerdeführer sei eine stabile homosexuelle Pädophilie zu diagnostizieren, die aufgrund der erheblichen Manifestierung der Persönlichkeitsstörung und der bestehenden Delinquenz eine psychische Störung im Sinne des § 1 ThUG darstelle. Zudem bestehe aufgrund konkreter Umstände in dem Verhalten und der Person des Beschwerdeführers eine hochgradige Gefahr, dass der Beschwerdeführer weitere schwerste Sexualstraftaten begehen werde. Die zu besorgenden Taten hätten für Kinder und Jugendliche schwere - vor allem psychische - Folgen. Nach den zutreffenden Ausführungen der Sachverständigen sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer außerhalb des Maßregelvollzugs schnell in Situationen geraten werde, in denen er erneut schwerste Taten gegenüber Kindern und Jugendlichen begehen werde.

5

4. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde wurde durch ebenfalls angegriffenen Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 18. April 2012 verworfen. Es spreche insbesondere gegen die Entlassung des Beschwerdeführers, dass dieser nach der Haftentlassung 1995 trotz begonnener Therapie und unter Bewährung stehend wieder rückfällig geworden sei. Da die sexuelle Präferenz als solche nicht veränderbar sei, komme es entscheidend auf die Erarbeitung von Strategien zur Rückfallvermeidung an. Der Beschwerdeführer habe jedoch keine Fortschritte gemacht und verfüge nur über ein schwach ausgeprägtes Unrechtsbewusstsein. Es unterliege keinem Zweifel, dass die pädosexuelle Orientierung des Beschwerdeführers eine psychische Störung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThUG sei. Aufgrund der stabilen homosexuellen Pädophilie bestehe eine hohe Gefahr erneuter Taten des sexuellen Missbrauchs von Kindern ähnlich den Anlasstaten.

II.

6

Der Beschwerdeführer sieht sich durch die angegriffenen Entscheidungen in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 GG sowie Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzt. Die angegriffenen Entscheidungen berücksichtigten die durch das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 4. Mai 2011 (BVerfGE 128, 326 ff.) aufgestellten Vorgaben nicht. Dem Beschwerdeführer seien während des Vollzugs der Sicherungsverwahrung unzureichende Behandlungsangebote gemacht worden. Vor diesem Hintergrund sei das Vertrauensschutzgebot verletzt. Außerdem fehle es an einer Auseinandersetzung mit der Möglichkeit einer Aussetzung der Sicherungsverwahrung unter Auflagen und Weisungen.

III.

7

1. Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat in seiner Stellungnahme den seitherigen weiteren Vollzugsverlauf skizziert.

8

2. Der Generalbundesanwalt vertritt in seiner Stellungnahme die Ansicht, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig, weil der Beschwerdeführer den angegriffenen oberlandesgerichtlichen Beschluss nicht vollständig vorgelegt habe. Sie sei überdies unbegründet. Das Vorliegen einer hohen Rückfallwahrscheinlichkeit sei aufgrund einer Einzelfallprüfung in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt worden. Die von den Fachgerichten nicht näher problematisierte Annahme der Gefahr schwerster Sexualstraftaten halte verfassungsrechtlicher Nachprüfung noch Stand. Die Instanzgerichte hätten ferner jedenfalls inzident festgestellt, dass die Instrumente der Führungsaufsicht vorliegend nicht geeignet seien, einen hinreichenden Schutz vor schweren Sexualstraftaten zu gewährleisten.

9

3. Die Akten des Ausgangsverfahrens und das Vollstreckungsheft haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

IV.

10

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG) und auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung vorliegen. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zu Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (vgl. BVerfGE 128, 326 <388 ff.>). Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet.

11

1. Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde ergeben sich nicht aus dem Umstand, dass die Seite 2 des angegriffenen oberlandesgerichtlichen Beschlusses nicht eingereicht wurde.

12

Zwar gehört es zu einer hinreichenden Substantiierung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG, dass Dokumente so vorgelegt werden, dass dem Bundesverfassungsgericht die Prüfung der Verfassungsbeschwerde ohne weitere Ermittlungen möglich ist (vgl. BVerfGE 93, 266 <288>). Dem ist vorliegend aber Genüge getan. Zur Überprüfung der gerügten Verfassungsverstöße bedurfte es der Vorlage der fehlenden Seite des Beschlusses des Oberlandesgerichts Köln nicht. Diese hatte erkennbar nicht die Prüfung der Voraussetzungen für die Fortdauer der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers zum Gegenstand, sondern beschränkte sich auf Darlegungen des bisherigen Verfahrensablaufs.

13

2. Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet. Der Beschluss des Landgerichts Aachen vom 27. Februar 2012 und der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 18. April 2012 verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG.

14

a) Das Bundesverfassungsgericht hat - neben den anderen Vorschriften über die Sicherungsverwahrung - auch § 67d Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 StGB in der hier maßgeblichen Fassung wegen Verstoßes gegen das Abstandsgebot für unvereinbar mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG erklärt (BVerfGE 128, 326). Zugleich hat es gemäß § 35 BVerfGG die Weitergeltung der Norm bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 31. Mai 2013, angeordnet. Danach darf § 67d Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 StGB während seiner Fortgeltung nur nach Maßgabe einer - insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen an die Gefahrenprognose und die gefährdeten Rechtsgüter - strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung angewandt werden (BVerfGE 129, 37<45 f.>).

15

aa) Die Verhältnismäßigkeit der Sicherungsverwahrung wird in der Regel nur unter der Voraussetzung gewahrt sein, dass eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist (BVerfGE 128, 326 <405 f.>; 129, 37 <46>).

16

bb) Soweit darüber hinaus ein nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG schutzwürdiges Vertrauen auf ein Unterbleiben der Anordnung oder Fortdauer der Sicherungsverwahrung beeinträchtigt wird, ist dies angesichts des damit verbundenen Eingriffs in das Freiheitsrecht des Betroffenen verfassungsrechtlich nur zum Schutz höchster Verfassungsgüter zulässig (vgl. BVerfGE 128, 326 <389>). In diesen Fällen tritt der legitime gesetzgeberische Zweck, die Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern zu schützen, weitgehend hinter das grundrechtlich geschützte Vertrauen auf ein Ende der Sicherungsverwahrung zurück. Der Eingriff in das Vertrauen des Betroffenen auf ein Ende der Sicherungsverwahrung nach Ablauf von zehn Jahren kann deshalb nur dann als verhältnismäßig angesehen werden, wenn eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist und die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK erfüllt sind (vgl. BVerfGE 128, 326 <399>; 129, 37 <46>).

17

b) Diesen Maßstäben werden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht. Der Beschwerdeführer konnte aufgrund der im Zeitpunkt der Anordnung der Sicherungsverwahrung durch Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 23. Dezember 1997 geltenden Rechtslage darauf vertrauen, dass die Sicherungsverwahrung spätestens nach Ablauf von zehn Jahren enden werde. Die Fortdauer der Sicherungsverwahrung über den 21. März 2012 hinaus erforderte daher die Feststellung, dass von dem Beschwerdeführer eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten ausgeht und er unter einer psychischen Störung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK leidet. Dies wird in den angegriffenen Beschlüssen dem Grunde nach nicht verkannt. Es fehlt jedoch an einer nachvollziehbaren Darstellung, dass diese Voraussetzungen vorliegend gegeben sind.

18

aa) Den angegriffenen Beschlüssen kann bereits nicht entnommen werden, dass von dem Beschwerdeführer die Gefahr der Begehung schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten ausgeht.

19

(1) Der Beschwerdeführer wurde in dem der Sicherungsverwahrung zugrundeliegenden Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 23. Dezember 1997 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 Abs. 1 StGB verurteilt. Derartige Sexualstraftaten zum Nachteil von Kindern lassen regelmäßig eine schwerwiegende Beeinträchtigung der sexuellen Entwicklung erwarten und weisen daher einen erheblichen Schuld- und Unrechtsgehalt auf (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2013 - 1 StR 93/11 -, juris, Rn. 16, 17). Selbst wenn bei erneuter Begehung vergleichbarer Taten durch den Beschwerdeführer eine Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs gemäß § 176a Abs. 1 und Abs. 6 Satz 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr in Betracht kommt und daher grundsätzlich vom Vorliegen einer schweren Sexualstraftat ausgegangen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 - 5 StR 267/11 -, NStZ-RR 2012, S. 9; Urteil vom 28. März 2012 - 2 StR 592/11 -, juris, Rn. 11 m.w.N.), ergibt sich hieraus nicht ohne Weiteres auch eine Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011. Bereits § 176a Abs. 2, Abs. 4 und Abs. 5 StGB regeln Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, die Mindestfreiheitsstrafen zwischen zwei und fünf Jahren vorsehen und daher im Vergleich zu § 176a Abs. 1 StGB mit erheblich höheren Strafdrohungen verbunden sind. Gleiches gilt für Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung gemäß § 177 Abs. 2 bis 4 StGB. In den Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern mit Todesfolge gemäß § 176b StGB und der sexuellen Nötigung oder Vergewaltigung mit Todesfolge gemäß § 178 StGB ist auf eine Mindestfreiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren zu erkennen.

20

(2) Vor diesem Hintergrund hätten die Gerichte in den angegriffenen Beschlüssen die Feststellung, von dem Beschwerdeführer gehe die Gefahr der Begehung schwerster Sexualstraftaten aus, nachvollziehbar begründen müssen. Daran fehlt es.

21

Das Landgericht verweist insoweit auf die Beurteilung der Sachverständigen. Diese geht in ihrem Gutachten vom 27. Juli 2011 aber lediglich davon aus, dass im Falle eines erneuten Rückfalls vom Beschwerdeführer ähnliche Taten wie die Anlasstaten zu erwarten seien. Warum es sich dabei um schwerste Sexualstraftaten handeln soll, erschließt sich aus dem Beschluss des Landgerichts nicht. Dieser verhält sich insbesondere nicht zu den Feststellungen der Sachverständigen, dass die Anlasstaten durch den Beschwerdeführer ohne Gewalteinwirkung oder körperliche Verletzungen der Opfer begangen wurden und Anhaltspunkte dafür, dass mit Gewaltsteigerungen zu rechnen wäre, nicht vorliegen. Vor diesem Hintergrund genügt der bloße Hinweis, dass mit schweren - vor allem psychischen - Folgen für die Opfer zu rechnen sei, zur Begründung der Annahme einer vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr schwerster Sexualstraftaten nicht.

22

Nichts anderes gilt für den Beschluss des Oberlandesgerichts, das sich hinsichtlich der Gefahr künftiger Straftaten auf die Feststellung beschränkt, es müsse davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer erneut Taten des sexuellen Missbrauchs von Kindern ähnlich der Anlasstaten begehen werde.

23

(3) Dem steht auch der Hinweis des Landgerichts nicht entgegen, dass die Merkmale der hochgradigen Gefahr und der schwersten Gewalt- oder Sexualstraftaten nicht isoliert voneinander zu betrachten seien, so dass es bei besonders hoher Rückfallgefahr ausreiche, wenn innerhalb des Rahmens der schwersten Gewalt- oder Sexualstraftaten die Begehung eines Deliktes im Raume stehe, das sich am unteren Rand dieser Bandbreite bewege.

24

Selbst wenn im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes des Betroffenen bei der Bestimmung der Eintrittswahrscheinlichkeit und der Schwere künftiger Delikte in engen Grenzen ein Weniger des einen durch ein Mehr des anderen ausgeglichen werden könnte, haben hierbei jedenfalls Delikte unterhalb der Schwelle schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten außer Betracht zu bleiben (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 11. Juli 2013 - 2 BvR 2302/11 u.a. -, juris, Rn. 137). Solange nicht festgestellt ist, dass die Delikte, deren Begehung künftig zu erwarten ist, überhaupt als schwerste Gewalt- oder Sexualstraftaten angesehen werden können, kommt es auf das Maß der Wahrscheinlichkeit der Begehung dieser Delikte nicht an. So liegt es hier.

25

bb) Da die angegriffenen Beschlüsse bereits deshalb das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG verletzen, weil es an einer nachvollziehbaren Feststellung der Gefahr schwerster Sexualstraftaten fehlt, kann dahinstehen, ob die Beschlüsse im Übrigen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des Erfordernisses einer hochgradigen Gefahr künftiger Straftaten. Die Sachverständige geht in ihrem Gutachten vom 27. Juli 2011 von einem mittleren Risiko für ein rückfälliges Verhalten des Beschwerdeführers aus und beziffert die Rückfallwahrscheinlichkeit abhängig vom Beobachtungszeitraum auf 23 bis 39 %. Demgegenüber erklärte sie im Rahmen der mündlichen Anhörung, bei dem Beschwerdeführer sei eine hochgradige Gefahr erneuter Sexualstraftaten festzustellen. Auch hierzu verhalten sich die angegriffenen Beschlüsse nicht.

26

3. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln ist daher aufzuheben. Die Sache ist an das Oberlandesgericht Köln zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).

27

4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung erfolgt in Einrichtungen, die

1.
dem Untergebrachten auf der Grundlage einer umfassenden Behandlungsuntersuchung und eines regelmäßig fortzuschreibenden Vollzugsplans eine Betreuung anbieten,
a)
die individuell und intensiv sowie geeignet ist, seine Mitwirkungsbereitschaft zu wecken und zu fördern, insbesondere eine psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutische Behandlung, die auf den Untergebrachten zugeschnitten ist, soweit standardisierte Angebote nicht Erfolg versprechend sind, und
b)
die zum Ziel hat, seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit so zu mindern, dass die Vollstreckung der Maßregel möglichst bald zur Bewährung ausgesetzt oder sie für erledigt erklärt werden kann,
2.
eine Unterbringung gewährleisten,
a)
die den Untergebrachten so wenig wie möglich belastet, den Erfordernissen der Betreuung im Sinne von Nummer 1 entspricht und, soweit Sicherheitsbelange nicht entgegenstehen, den allgemeinen Lebensverhältnissen angepasst ist, und
b)
die vom Strafvollzug getrennt in besonderen Gebäuden oder Abteilungen erfolgt, sofern nicht die Behandlung im Sinne von Nummer 1 ausnahmsweise etwas anderes erfordert, und
3.
zur Erreichung des in Nummer 1 Buchstabe b genannten Ziels
a)
vollzugsöffnende Maßnahmen gewähren und Entlassungsvorbereitungen treffen, soweit nicht zwingende Gründe entgegenstehen, insbesondere konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, der Untergebrachte werde sich dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen oder die Maßnahmen zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen, sowie
b)
in enger Zusammenarbeit mit staatlichen oder freien Trägern eine nachsorgende Betreuung in Freiheit ermöglichen.

(2) Hat das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung im Urteil (§ 66), nach Vorbehalt (§ 66a Absatz 3) oder nachträglich (§ 66b) angeordnet oder sich eine solche Anordnung im Urteil vorbehalten (§ 66a Absatz 1 und 2), ist dem Täter schon im Strafvollzug eine Betreuung im Sinne von Absatz 1 Nummer 1, insbesondere eine sozialtherapeutische Behandlung, anzubieten mit dem Ziel, die Vollstreckung der Unterbringung (§ 67c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1) oder deren Anordnung (§ 66a Absatz 3) möglichst entbehrlich zu machen.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Das Gericht kann jederzeit prüfen, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist. Es muß dies vor Ablauf bestimmter Fristen prüfen.

(2) Die Fristen betragen bei der Unterbringung
in einer Entziehungsanstalt sechs Monate,
in einem psychiatrischen Krankenhaus ein Jahr,
in der Sicherungsverwahrung ein Jahr, nach dem Vollzug von zehn Jahren der Unterbringung neun Monate.

(3) Das Gericht kann die Fristen kürzen. Es kann im Rahmen der gesetzlichen Prüfungsfristen auch Fristen festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag auf Prüfung unzulässig ist.

(4) Die Fristen laufen vom Beginn der Unterbringung an. Lehnt das Gericht die Aussetzung oder Erledigungserklärung ab, so beginnen die Fristen mit der Entscheidung von neuem.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Die bisherigen Vorschriften über die Sicherungsverwahrung sind in der ab dem 1. Juni 2013 geltenden Fassung anzuwenden, wenn die Tat oder mindestens eine der Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden soll (Anlasstat), nach dem 31. Mai 2013 begangen worden ist.

(2) In allen anderen Fällen sind, soweit Absatz 3 nichts anderes bestimmt, die bis zum 31. Mai 2013 geltenden Vorschriften über die Sicherungsverwahrung nach Maßgabe der Sätze 2 bis 4 anzuwenden. Die Anordnung oder Fortdauer der Sicherungsverwahrung auf Grund einer gesetzlichen Regelung, die zur Zeit der letzten Anlasstat noch nicht in Kraft getreten war, oder eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung, die nicht die Erledigung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus voraussetzt, oder die Fortdauer einer solchen nachträglich angeordneten Sicherungsverwahrung ist nur zulässig, wenn beim Betroffenen eine psychische Störung vorliegt und aus konkreten Umständen in seiner Person oder seinem Verhalten eine hochgradige Gefahr abzuleiten ist, dass er infolge dieser Störung schwerste Gewalt- oder Sexualstraftaten begehen wird. Auf Grund einer gesetzlichen Regelung, die zur Zeit der letzten Anlasstat noch nicht in Kraft getreten war, kann die Anordnung der Sicherungsverwahrung nur vorbehalten werden, wenn beim Betroffenen eine psychische Störung vorliegt und die in Satz 2 genannte Gefahr wahrscheinlich ist oder, wenn es sich bei dem Betroffenen um einen Heranwachsenden handelt, feststeht. Liegen die Voraussetzungen für eine Fortdauer der Sicherungsverwahrung in den in Satz 2 genannten Fällen nicht mehr vor, erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt; mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Die durch die Artikel 1, 2 Nummer 1 Buchstabe c Doppelbuchstabe cc und Nummer 4 sowie die Artikel 3 bis 6 des Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2425) geänderten Vorschriften sind auch auf die in Absatz 2 Satz 1 genannten Fälle anzuwenden, § 67c Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Strafgesetzbuches jedoch nur dann, wenn nach dem 31. Mai 2013 keine ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c des Strafgesetzbuches angeboten worden ist. Die Frist des § 119a Absatz 3 des Strafvollzugsgesetzes für die erste Entscheidung von Amts wegen beginnt am 1. Juni 2013 zu laufen, wenn die Freiheitsstrafe zu diesem Zeitpunkt bereits vollzogen wird.

(1) Die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) sind nur anzuwenden, wenn die Tat oder mindestens eine der Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden soll, nach dem 31. Dezember 2010 begangen worden ist. In allen anderen Fällen ist das bisherige Recht anzuwenden, soweit in den Absätzen 2 und 3 sowie in Artikel 316f Absatz 2 und 3 nichts anderes bestimmt ist.

(2) Sind die Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung nach § 66 des Strafgesetzbuches angeordnet werden soll, vor dem 1. Januar 2011 begangen worden und ist der Täter deswegen noch nicht rechtskräftig verurteilt worden, so ist § 66 des Strafgesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung anzuwenden, wenn diese gegenüber dem bisherigen Recht das mildere Gesetz ist.

(3) Eine nach § 66 des Strafgesetzbuches vor dem 1. Januar 2011 rechtskräftig angeordnete Sicherungsverwahrung erklärt das Gericht für erledigt, wenn die Anordnung ausschließlich auf Taten beruht, die nach § 66 des Strafgesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung nicht mehr Grundlage für eine solche Anordnung sein können. Das Gericht kann, soweit dies zur Durchführung von Entlassungsvorbereitungen geboten ist, als Zeitpunkt der Erledigung spätestens den 1. Juli 2011 festlegen. Zuständig für die Entscheidungen nach den Sätzen 1 und 2 ist das nach den §§ 454, 462a Absatz 1 der Strafprozessordnung zuständige Gericht. Für das Verfahren ist § 454 Absatz 1, 3 und 4 der Strafprozessordnung entsprechend anzuwenden; die Vollstreckungsbehörde übersendet die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichtes, die diese umgehend dem Gericht zur Entscheidung übergibt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug tritt Führungsaufsicht ein.

(4) § 1 des Therapieunterbringungsgesetzes vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300, 2305) ist unter den dortigen sonstigen Voraussetzungen auch dann anzuwenden, wenn der Betroffene noch nicht in Sicherungsverwahrung untergebracht, gegen ihn aber bereits Sicherungsverwahrung im ersten Rechtszug angeordnet war und aufgrund einer vor dem 4. Mai 2011 ergangenen Revisionsentscheidung festgestellt wurde, dass die Sicherungsverwahrung ausschließlich deshalb nicht rechtskräftig angeordnet werden konnte, weil ein zu berücksichtigendes Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung dem entgegenstand, ohne dass es dabei auf den Grad der Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit angekommen wäre.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

Das Bundesverfassungsgericht kann in seiner Entscheidung bestimmen, wer sie vollstreckt; es kann auch im Einzelfall die Art und Weise der Vollstreckung regeln.

9
1. Gemäß § 66 Abs. 3 Satz 1 und 2 i.V.m. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. muss die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergeben, dass er infolge eines Hangs zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder durch die schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, für die Allgemeinheit gefährlich ist. Nach der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bedarf es wegen der derzeit verfassungswidrigen Ausgestaltung der Si- cherungsverwahrung einer „strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung“, wenn sie gleichwohl angeordnet werden soll. Die Anordnung wird danach „in der Regel“ nur verhältnismäßig sein, wenn „eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist (BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 aaO, Tz. 172). Die darin liegende Einschränkung im Vergleich zu den nach bisherigem Recht geltenden Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung betrifft die Straftatenkataloge und die konkrete Beschreibung der Taten, auf die sich der Hang beziehen muss. Nicht alle „erheblichen Straftaten“, durch welche die Op- fer „seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden (vgl. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. bzw. § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB), sind auch „schwere Gewalt- oder Sexualstraftaten“ im Sinne der Anordnung des Bundesverfassungsgerichts zur Weitergeltung von § 66 StGB (BGH, Beschluss vom 2. August 2011 – 3 StR 208/11, Tz. 12). Ob die vom Bundesverfassungsgericht geforderte besonders strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit dazu führt, hinsichtlich der Taten, deren künftige Begehung durch den Täter als möglich erscheint, bestimmte Deliktsgruppen oder Begehungsweisen ohne Hinzutreten besonderer Umstände generell als nicht ausreichend für die Anordnung der Maßregel anzusehen (dies bejahend BGH, Urteil vom 7. Juli 2011 – 2 StR 184/11, Tz. 14, für Verstöße gegen das BtMG ohne konkrete Gefährdung von Leib oder Leben Dritter; verneinend BGH, Beschluss vom 4. August 2011 – 3 StR 235/11, Tz. 6, für schwere räuberische Erpressungen im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB), kann im vorliegenden Fall offen bleiben. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung kann hier schon deshalb keinen Bestand haben, weil sich das Landgericht bei der Beurteilung der Erheblichkeit der zu erwartenden Straftaten den Blick für die Besonderheiten des Falles verstellt hat. Daher kann auch dahinstehen, ob hinsichtlich des zweiten Elements der Gefährlichkeit, also der Wahrscheinlichkeit der Begehung einer erheblichen Straftat, ebenfalls ein gegenüber der bisherigen Rechtsanwendung strengerer Maßstab anzulegen ist (vgl. BGH, Urteil vom 4. August 2011 – 3 StR 175/11, Tz. 18; Beschluss vom 4. August 2011 – 3 StR 235/11, Tz. 5).

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

(1) Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung erfolgt in Einrichtungen, die

1.
dem Untergebrachten auf der Grundlage einer umfassenden Behandlungsuntersuchung und eines regelmäßig fortzuschreibenden Vollzugsplans eine Betreuung anbieten,
a)
die individuell und intensiv sowie geeignet ist, seine Mitwirkungsbereitschaft zu wecken und zu fördern, insbesondere eine psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutische Behandlung, die auf den Untergebrachten zugeschnitten ist, soweit standardisierte Angebote nicht Erfolg versprechend sind, und
b)
die zum Ziel hat, seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit so zu mindern, dass die Vollstreckung der Maßregel möglichst bald zur Bewährung ausgesetzt oder sie für erledigt erklärt werden kann,
2.
eine Unterbringung gewährleisten,
a)
die den Untergebrachten so wenig wie möglich belastet, den Erfordernissen der Betreuung im Sinne von Nummer 1 entspricht und, soweit Sicherheitsbelange nicht entgegenstehen, den allgemeinen Lebensverhältnissen angepasst ist, und
b)
die vom Strafvollzug getrennt in besonderen Gebäuden oder Abteilungen erfolgt, sofern nicht die Behandlung im Sinne von Nummer 1 ausnahmsweise etwas anderes erfordert, und
3.
zur Erreichung des in Nummer 1 Buchstabe b genannten Ziels
a)
vollzugsöffnende Maßnahmen gewähren und Entlassungsvorbereitungen treffen, soweit nicht zwingende Gründe entgegenstehen, insbesondere konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, der Untergebrachte werde sich dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen oder die Maßnahmen zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen, sowie
b)
in enger Zusammenarbeit mit staatlichen oder freien Trägern eine nachsorgende Betreuung in Freiheit ermöglichen.

(2) Hat das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung im Urteil (§ 66), nach Vorbehalt (§ 66a Absatz 3) oder nachträglich (§ 66b) angeordnet oder sich eine solche Anordnung im Urteil vorbehalten (§ 66a Absatz 1 und 2), ist dem Täter schon im Strafvollzug eine Betreuung im Sinne von Absatz 1 Nummer 1, insbesondere eine sozialtherapeutische Behandlung, anzubieten mit dem Ziel, die Vollstreckung der Unterbringung (§ 67c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1) oder deren Anordnung (§ 66a Absatz 3) möglichst entbehrlich zu machen.