Oberlandesgericht Köln Urteil, 05. Mai 2015 - 15 U 193/14
Tenor
Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 13.11.2014 (14 O 315/14) dem Verfügungsbeklagten zu 2) unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt, über die im angefochtenen Urteil untersagten Passagen hinaus die weitere folgende Passage aus dem im I-Verlag erschienenen Buch von Dr. I2 T und U K „Vermächtnis – Die Kohl-Protokolle“ in diesem Buch oder anderweitig wörtlich oder sinngemäß zu veröffentlichen oder zu verbreiten:
Seite 96 f.: „XXX.“
Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird weiter unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 13.11.2014 (14 O 315/14) den Verfügungsbeklagten zu 1) und 3) unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt, über die im angefochtenen Urteil untersagten Passagen hinaus weitere folgende Passagen aus dem im I-Verlag erschienenen Buch von Dr. I2 T und U K „Vermächtnis – Die Kohl-Protokolle“ in diesem Buch oder anderweitig wörtlich oder sinngemäß zu veröffentlichen oder zu verbreiten:
Seite 49: „[...]XXX.“
Seite 61: „[...]XXX“
Seite 96 f.: Zu Christian Wulff:
„XXX.“
Seite 102 f.: u.a. zu Klaus Töpfer:
„XXX.“
Seite 110: Zu Manfred Stolpe:
„XXX.“
Seite 143: Zu Franz Josef Strauß:
„XXX“.“
Seite 164 f.: Zu Richard von Weizäcker:
„XXX.“
Seite 169: Zu Richard von Weizäcker:
„XXX.“
Seite 192: „XXX“
Seite 193: „XXX?“
Seite 198: zum jüdischen Weltkongress
„XXX.“
Seite 212 f.: „XXX“
Die Berufung der Verfügungsbeklagten zu 1) bis 3) gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 13.11.2014 (14 O 315/14) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Verfügungsbeklagten zu 1) bis 3) zu je 1/3.
1
Gründe
2I.
3Der Verfügungskläger (im Folgenden: Kläger) nimmt die Verfügungsbeklagten (im Folgenden: Beklagten) auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung von Äußerungen in Anspruch, die Gegenstand von Tonbandaufnahmen aus den Jahren 2001 und 2002 sind und von den Beklagten in dem am 7.10.2014 erschienenen Buch „Vermächtnis – Die Kohl-Protokolle“ veröffentlicht wurden. Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien sowie ihrer Anträge wird Bezug auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung genommen.
4Mit Urteil vom 13.11.2014 hat das Landgericht dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung überwiegend stattgegeben und ihn im Übrigen zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte zu 2) sei zur Unterlassung verpflichtet, weil er eine mit dem Kläger geschlossene Geheimhaltungsverpflichtung verletzt habe. Es habe eine konkludente Einigung zwischen den Parteien gegeben, wonach der Beklagte zu 2) Stillschweigen über solche Informationen bewahren müsse, die nicht vorbekannt waren bzw. bei denen keine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht vorlag. Die Bereitschaft des Beklagten zu 2), als Ghostwriter an den Memoiren des Klägers mitzuwirken und zu diesem Zwecke im Rahmen eines Auftragsverhältnisses Tonbandaufnahmen nach Weisungen des Klägers zu erstellen, sei eine konkludente Willenserklärung hinsichtlich einer Verschwiegenheitsverpflichtung. Der Kläger habe diese Erklärung konkludent durch Beginn der Zusammenarbeit angenommen. Die Beklagten zu 1) und 3) seien als Mittäter des Beklagten zu 2) zur Unterlassung verpflichtet, weil sie das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt hätten. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung (Bl. 762 ff. d.A.) Bezug genommen.
5Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Unterlassungsbegehren gegen den Beklagten zu 2) – entsprechend der vom Landgericht vorgenommenen Nummerierung der Anträge – hinsichtlich der Äußerung Nr. 43 sowie gegen die Beklagten zu 1) und 3) hinsichtlich der Äußerungen Nr. 9, 10, 43, 51, 61, 72, 81, 87, 100, 101, 104, 113 weiter. Die Beklagten greifen mit ihrer Berufung die Verurteilung zur Unterlassung – soweit vom Landgericht ausgesprochen – an und wollen die vollständige Abweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erreichen.
6Der Kläger macht geltend, die Tonbänder seien in den Jahren 2001 und 2002 allein zum Zwecke der Erstellung seiner Memoiren besprochen worden. Sie seien selbst nicht zur Veröffentlichung vorgesehen gewesen, sondern hätten als Stoffsammlung dienen sollen, die einer Endkontrolle durch ihn unterliegen sollte. Ausweislich der beiden Verlagsverträge vom 12.11.1999 sei der Beklagte zu 2) als jederzeit kündbarer Mitarbeiter und nicht etwa als Journalist für eine Interviewsituation verpflichtet worden, dem er, der Kläger, Zugang zu Archiven und zu Sperrfristen unterliegenden Unterlagen verschafft habe. Er habe sowohl in den bisher erschienenen Bänden der Memoiren als auch in dem unter Mitarbeit des Beklagten zu 2) erschienenen Werk „Mein Tagebuch“ bewusst Schärfen und Zuspitzungen vermieden, weil er keine „Bücher der Rache“ habe schreiben wollen. Da das Manuskript nach den Regelungen der Verlagsverträge vor Veröffentlichung von ihm durchgearbeitet, korrigiert und freigegeben werden sollte und dem Beklagten zu 2) keinerlei Urheberrechte zugebilligt wurden, ist der Kläger der Ansicht, die Beklagten seien aufgrund dieser Gesamtumstände nicht berechtigt, seine Äußerungen ohne Genehmigung und erst recht nicht zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil zu verwenden. Zu einem angeblich erklärten Einverständnis seinerseits mit einer Veröffentlichung durch den Beklagten zu 2) habe dieser zum einen außergerichtlich und gerichtlich wechselnde Angaben gemacht und zum anderen sei ein solches auch nicht erklärt worden. Der Kläger ist der Ansicht, hilfsweise sei die Unterlassungspflicht des Beklagten zu 2) aus den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bzw. aus einer Verletzung des Urheberrechts herzuleiten, da seine Zitate jedenfalls als Sprachwerk nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG schutzfähig seien.
7Der Kläger beantragt,
81. unter teilweise Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 13.11.2014 (14 O 315/14) dem Beklagten zu 2) unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, über die zuerkannten Passagen hinaus weitere folgende Passage aus dem im I-Verlag erschienenen Buch von Dr. I2 T und U K „Vermächtnis – Die Kohl-Protokolle“ in diesem Buch oder anderweitig wörtlich oder sinngemäß zu veröffentlichen oder zu verbreiten:
9Seite 96 f.: „XXX.“
102. unter teilweise Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 13.11.2014 (14 O 315/14) die Beklagten zu 1) und 3) unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, über die zuerkannten Passagen hinaus weitere folgende Passagen aus dem im I-Verlag erschienenen Buch von Dr. I2 T und U K „Vermächtnis – Die Kohl-Protokolle“ in diesem Buch oder anderweitig wörtlich oder sinngemäß zu veröffentlichen oder zu verbreiten:
11Seite 49: „[...]XXX.“
12Seite 61: „[...]XXX.“
13Seite 96 f.: Zu Christian Wulff:
14„XXX.“
15Seite 102 f.: u.a. zu Klaus Töpfer:
16„XXX.“
17Seite 110: Zu Manfred Stolpe:
18„XXX.“
19Seite 143: Zu Franz Josef Strauß:
20„XXX“.“
21Seite 164 f.: Zu Richard von Weizäcker:
22„XXX.“
23Seite 169: Zu Richard von Weizäcker:
24„XXX.“
25Seite 192: „XXX...“
26Seite 193: „XXX?“
27Seite 198: zum jüdischen Weltkongress
28„XXX
29.“
30Die Beklagten beantragen,
31das Urteil des Landgerichts Köln vom 13.11.2013 dahin abzuändern, dass die einstweilige Verfügung aufgehoben und der zu Grunde liegende Antrag auch im Übrigen zurückgewiesen wird.
32Die Parteien beantragen ferner, die jeweilige Berufung der Gegenseite zurückzuweisen.
33Die Beklagten sind der Ansicht, ein vertraglicher Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten zu 2) scheitere daran, dass eine Geheimhaltungsverpflichtung nicht, auch nicht konkludent, vereinbart worden und der Beklagte zu 2) als Journalist zur Verwertung der Äußerungen auch ohne Zustimmung des Klägers berechtigt sei. Der Kläger habe den konkreten Abschluss einer Geheimhaltungsverpflichtung schon nicht dargelegt und glaubhaft gemacht. Es habe kein konkretes Verhalten des Beklagten zu 2) gegeben, das als konkludentes Angebot zum Abschluss einer Verschwiegenheitsvereinbarung habe angesehen werden können. Das Landgericht habe auch keine Feststellungen dazu getroffen, durch welches konkrete Verhalten der Kläger wann und wo gegenüber dem Beklagten zu 2) eine Annahme dieses konkludenten Angebots erklärt habe oder nach welcher Verkehrssitte die Annahmeerklärung entbehrlich gewesen sein solle. Der im Verlagsvertrag durch den Beklagten zu 2) erklärte Verzicht auf die Urheberbenennung sei kündbar, wie auch inzwischen erfolgt, so dass sich der Kläger auf diesen Umstand nicht habe verlassen können. Die Tonbandaufzeichnungen seien nicht ausschließlich zum Zwecke der Stoffsammlung für die Memoiren erstellt worden, sondern sollten auch dem Zweck dienen, die Erinnerungen des Klägers für die Nachwelt aufzubewahren. Dies zeige sich schon daran, dass im Zuge der Aufnahmen auch andere, teilweise tagesaktuelle, Themen besprochen worden seien, die keine Aufnahme in die Memoiren hätten finden sollen. Auch der Zeuge Dr. T3 sei davon ausgegangen, dass er die Materialien später würde verwenden dürfen. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt geäußert, dass er eine Veröffentlichung nicht wünsche. Lediglich in wenigen Situationen – deren zugrundeliegende Äußerungen unstreitig nicht Eingang in das Buch gefunden haben – habe der Kläger gebeten, das Tonband abzustellen oder hinterher geäußert: „Das schreiben wir aber nicht“. Solche Äußerungen würden keinen Sinn ergeben, wenn der Beklagte zu 2) schon einer generellen Geheimhaltungsverpflichtung unterlegen hätte. Er habe vielmehr dem Beklagten zu 2) gegenüber erklärt: „Das kannst Du später mal schreiben“, womit eine Einwilligung hinsichtlich aller Äußerungen vorliege, die nicht zu den Memoiren gehörten. Die Beklagten sind der Ansicht, dass die Verlagsverträge hinsichtlich einer Geheimhaltungsverpflichtung eine ausdrücklich gelassene Lücke enthielten, so dass es dem Kläger als „Medienprofi“ oblegen hätte, diese zu schließen. Selbst wenn eine Veröffentlichungsherrschaft des Klägers anerkannt würde, beziehe sie sich nur auf die Memoiren und nicht auf sonstigen Äußerungen zu anderen, teilweise tagesaktuellen Geschehnissen. Der Verlagsvertrag des Beklagten zu 2) sei kein Vertrag mit Schutzwirkung für den Kläger und überdies könnten daraus nur Schadensersatzansprüche hergeleitet werden. Eine Verletzung des Rechts zur Selbstbestimmung über das gesprochene Wort liege ebenfalls nicht vor, weil das Buch unstreitig wahre Zitate enthalte, die der Kläger mit Wissen und Wollen ihrer Aufzeichnung für die Nachwelt auf Band gesprochen habe. Soweit das Landgericht dem Beklagten zu 2) die Veröffentlichung der Äußerungen des Klägers ohne eine Interessenabwägung im Einzelfall untersagt habe, verstoße dies gegen Art. 5 Abs. 1 GG. Darüber hinaus habe das Landgericht auch Werturteile des Beklagten zu 2) verboten, die jedenfalls von der Pflicht zur Geheimhaltung nicht umfasst sein könnten. Ein eventueller Bruch der Vertraulichkeit durch den Beklagten zu 2) könne den Beklagten zu 1) und 3) nicht ohne weiteres zugerechnet werden. An den betreffenden Äußerungen des Klägers bestehe ein hohes öffentliches Informationsinteresse, so dass er, bei dem nur die Sozialsphäre betroffen sei, eine Veröffentlichung durch die Beklagten hinzunehmen habe. Dem Antrag des Klägers fehle es – jedenfalls hinsichtlich des Beklagten zu 3) – an der erforderlichen Dringlichkeit.
34II.
35Die Berufung des Klägers ist begründet, so dass das landgerichtliche Urteil im Umfang der klägerischen Anfechtung abzuändern und die Verpflichtung der Beklagten zu 1) bis 3) auszusprechen war, auch die Veröffentlichung der weiteren vom Kläger beanstandeten Äußerungen zu unterlassen. Denn dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch in vollem Umfang zu. Die Berufung der Beklagten zu 1) bis 3) bleibt aus diesem Grunde ohne Erfolg.
36Im Einzelnen:
371. Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten zu 2) auf Unterlassung einer wörtlichen oder sinngemäßen Verbreitung bzw. Veröffentlichung der im erstinstanzlichen Urteil tenorierten sowie der mit der Berufung weitergehend beanstandeten Äußerungen.
38a. Der Kläger kann seinen Unterlassungsanspruch allerdings nicht unter Berufung auf die Grundsätze eines Vertrages zugunsten Dritter auf die Regelungen aus dem Verlagsvertrag zwischen dem Beklagten zu 2) und dem E-Verlag stützen. Nach § 328 Abs. 1 BGB kann zwar durch einen Vertrag zwischen dem Versprechendem und dem Versprechensempfänger eine Leistung an einen Dritten mit der Wirkung bedungen werden, dass der Dritte unmittelbar das Recht erwirbt, die Leistung zu fordern. Es ist jedoch nicht feststellbar, dass der Verlagsvertrag des Beklagten zu 2) mit dem E-Verlag unmittelbare Ansprüche des Klägers begründen soll:
39Aus § 8 des Verlagsvertrages des Beklagten zu 2) kann kein solcher Anspruch des Klägers auf Geheimhaltung hinsichtlich der Gesprächsinhalte hergeleitet werden. Denn sowohl ihrem Wortlaut als auch ihrem Sinn und Zweck nach bezieht sich die dort geregelte Geheimhaltungsverpflichtung darauf, dass und mit welchem Inhalt zwischen den dortigen Parteien ein Verlagsvertrag geschlossen wurde. Es sollte erkennbar verhindert werden, dass das geplante Buchprojekt, zu dessen Erstellung sich der Beklagte zu 2) verpflichtet hatte, frühzeitig der Öffentlichkeit bekannt wird bzw. dass bekannt wird, zu welchem Modalitäten sich der Beklagten zu 2) als Ghostwriter verpflichtet hatte. Die Informationen, die der Beklagte zu 2) im Rahmen seiner Tätigkeit vom Kläger erhalten würde, um auf dieser Grundlage das Manuskript für die Memoiren zu erstellen, sind aber weder „Vertragsabschluss“ noch „Bestimmung des Vertrages“ im Sinne von § 8 des Verlagsvertrages des Beklagten zu 2).
40Auch den weiteren Regelungen des Verlagsvertrages des Beklagten zu 2) ist ein unmittelbarer Anspruch des Klägers gegen den Beklagten zu 2) auf Geheimhaltung nicht mit hinreichender Bestimmtheit zu entnehmen: Nach § 1 Abs. 5 darf die Fertigstellung des Werkes zwar nur nach Zustimmung durch den Kläger erklärt werden und dieser ist nach § 1 Abs. 6 zu jeglichen Änderungen ohne Angabe von Gründen berechtigt. Weiter steht nach § 4 Abs. 2 das Manuskript im Eigentum des Klägers. Diese Regelungen, die nach § 1 Abs. 7 auch bei Kündigung oder sonstiger Beendigung des Vertrages fortbestehen, räumen zwar dem Kläger das alleinige Bestimmungsrecht über den Inhalt der Veröffentlichung zu. Es ist jedoch im Rahmen einer Auslegung nicht hinreichend sicher festzustellen, dass die Parteien damit einen Vertrag zugunsten Dritter im Sinne von § 328 Abs. 1 BGB abschließen wollten. Denn die entsprechenden Rechte des Klägers sind ebenfalls in § 4 Abs. 3 seines eigenen Verlagsvertrages als entsprechende Zusicherung des E-Verlages aufgeführt. Eine solche ausdrückliche Regelung eigener Ansprüche spricht dagegen, dass nach dem Willen der Parteien bereits im Verlagsvertrag des Beklagten zu 2) unmittelbare Rechte des Klägers gegen diesen begründet werden sollten.
41b. Letztlich kann diese Frage jedoch im Ergebnis dahinstehen. Denn der Kläger hat gegen den Beklagten zu 2) einen vertraglichen Unterlassungsanspruch (§ 241 BGB) aus einer konkludent geschlossenen Geheimhaltungsabrede, weil er die durch Unterschrift des Beklagten zu 2) unter den Verlagsvertrag geäußerte Bereitschaft, zu den dort geregelten Konditionen als Ghostwriter an der Erstellung der Memoiren mitzuwirken, als Angebot hinsichtlich einer Geheimhaltungsabrede verstehen durfte und sie seinerseits durch die im Beginn der Stoffsammlung liegende Aufnahme der Zusammenarbeit im Keller des klägerischen Hauses angenommen hat. Ob und in welchem Umfang dem tatsächlichen Verhalten einer Person der Wille zur Abgabe einer rechtsverbindlichen Erklärung bzw. zu deren Annahme zukommt, ist durch Auslegung des objektiv erkennbaren Willens sowie der erkennbaren äußeren Umstände zu ermitteln. Im vorliegenden Fall ergibt sich bei Würdigung der Gesamtumstände der Zusammenarbeit zwischen den Parteien, namentlich der Regelungen in den jeweiligen Verlagsverträgen sowie der Zweckbindung der in Form von Tonbandaufnahmen erfolgten Stoffsammlung ein erkennbarer Wille des Beklagten zu 2), sich gegenüber dem Kläger zu verpflichten, die im Rahmen der Tonbandaufnahmen gemachten Äußerungen nicht ohne Einwilligung des Klägers zu veröffentlichen sowie eine Annahme dieses Angebotes durch den Kläger.
42Im Einzelnen:
43aa. Dass der Beklagte zu 2) sich gegenüber dem Kläger vertraglich verpflichten wollte, den Inhalt der Stoffsammlung für die Memoiren gegenüber der Öffentlichkeit geheim zu halten, ergibt sich zunächst aus seiner Rolle im dreiseitigen Verhältnis zwischen ihm, dem Kläger und dem E-Verlag. Der Beklagte zu 2) hat sich durch seine Unterschrift unter den Verlagsvertrag zu einer Zusammenarbeit mit dem Kläger bereit erklärt, in der er weitgehend die Rolle eines anonym bleibenden Zuarbeiters einnahm. Er hatte keinen Anspruch darauf, mit dem Kläger tatsächlich bis zur endgültigen Fertigstellung des Manuskripts zusammenzuarbeiten (§ 1 Abs. 1 S. 3), er hatte die schriftliche Abfassung des Werkes nach den Vorgaben und Angaben des Klägers vorzunehmen (§ 1 Abs. 2), dem Kläger stand ein jederzeitiges Einsichtsrecht in das Manuskript zu (§ 1 Abs. 3), welches in seinem Eigentum stand (§ 4 Abs. 2), er hatte ein Recht zu jeglichen Änderungen und zur Erklärung der Fertigstellung (§ 2 Abs. 5 und 6) und schließlich hatte der Beklagte zu 2) in § 2 soweit zulässig auf eventuelle Urheberrechte verzichtet. Diese Regelungen machen in einer Gesamtschau deutlich, dass dem Kläger sämtliche Entscheidungsbefugnisse sowohl im Hinblick auf die Erstellung als auch auf die abschließende Fertigstellung des Werkes zustanden. Musste der Beklagte zu 2) damit jeglichen Änderungswünschen des Klägers sowohl im Hinblick auf den Inhalt des Manuskriptes als auch im Hinblick auf seine eigene Person nachkommen und konnte eine Fertigstellung des Werkes nur durch den Kläger erklärt werden, so folgt daraus, dass der Beklagte zu 2) durch seine Akzeptanz dieser vertraglichen Regelungen auch dem Kläger gegenüber die konkludente Erklärung abgab, nicht eigenmächtig mit dem Inhalt der Memoiren bzw. der Stoffsammlung zu verfahren. Angesichts der ihm in den Verträgen zugedachten „dienenden“ Stellung im Rahmen des Memoiren-Projektes konnte er auch nicht davon ausgehen, vom Kläger als Journalist wahrgenommen zu werden, der im Rahmen einer Interviewsituation Informationen zu einem bestimmten Themengebiet sammelt und mit diesen dann nach eigenem Gutdünken verfahren darf. Vielmehr war ihm aufgrund der Kenntnis der jeweiligen vertraglichen Regelungen klar, dass der Kläger ihn als einen letztlich austauschbaren Mitarbeiter ansehen musste, der Hilfestellung bei der Stoffsammlung und Formulierung erbringen sollte, jedoch keine eigenen Entscheidungen im Hinblick auf Art und Inhalt der Veröffentlichung treffen durfte.
44Das Zustandekommen einer konkludenten Geheimhaltungsabrede zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die jeweiligen Verlagsverträge in § 4 Abs. 2 S. 3 (Kläger) bzw. § 1 Abs. 4 S. 2 (Beklagter zu 2)) eine bewusste Lücke enthielten, die nur durch eine ausdrückliche Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) hätte geschlossen werden können. Denn die entsprechende Regelung, wonach die „Einzelheiten der Zusammenarbeit“ zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) „direkt besprochen“ werden sollten, bezieht sich sowohl ihrem Wortlaut als auch ihrem Sinn und Zweck nach auf die in der praktischen Zusammenarbeit auftretenden Fragen, wann, wo und wie konkret die Gespräche ablaufen oder wann welche Unterlagen übergeben bzw. zur Einsicht zur Verfügung gestellte werden sollten. Dagegen lässt sich den betreffenden Regelungen nicht entnehmen, dass eine Geheimhaltungsverpflichtung des Beklagten zu 2) nur dann bestehen sollte, wenn sie Gegenstand einer ausdrücklichen Regelung zwischen ihm und dem Kläger geworden war.
45bb. Für eine konkludent geäußerte Bereitschaft des Beklagten zu 2) zum Abschluss einer Geheimhaltungsabrede mit dem Kläger spricht des Weiteren auch die Zweckbindung der Tonbandaufnahmen. Diese Aufnahmen hatten keinen eigenständigen Zweck, insbesondere waren sie als solche nicht zur Veröffentlichung vorgesehen, sondern dienten vielmehr als Stoffsammlung für die zu erstellenden Memoiren des Klägers. Schon aus dieser Zweckbindung ergibt sich die objektiv erkennbare Pflicht des Beklagten zu 2), mit den betreffenden Äußerungen und Informationen vertraulich zu verfahren. Denn zum einen ist eine Stoffsammlung etwas Vorläufiges, bei der per definitionem noch nicht feststeht, ob und in welchem Umfang die einzelnen Teile jemals Eingang in das spätere Werk finden werden. Zum anderen bezog sich die Tätigkeit des Beklagten zu 2) auf eine Stoffsammlung für ein ganz bestimmtes Werk: Die Zusammenarbeit des Beklagten zu 2) mit dem Kläger war nicht etwa darauf gerichtet, ein kritisches Sachbuch zu schreiben oder geschichtliche Zusammenhänge aus historischer bzw. politischer Sicht zu beleuchten. Vielmehr war Ziel des Projektes, dass der Kläger seine (notwendigerweise subjektiv geprägten) Lebenserinnerungen zu Papier bringen sollte, womit ihm – unabhängig von den ausdrücklichen Regelungen in den Verlagsverträgen – schon der Natur der Sache nach das Letztbestimmungsrecht über den konkreten Inhalt der Veröffentlichung zustand. Auch der Beklagte zu 2) hat nicht in Abrede gestellt, dass dies in der Zusammenarbeit mit dem Kläger auch so gehandhabt wurde (vgl. Seite 49: „Hatte ich hundert Seiten beisammen, fuhr ich mit meinem Manuskript zur Begutachtung nach Oggersheim. Vorab lesen wollte Kohl nichts. Ihm war es wichtig, Zeile um Zeile gemeinsam durchzusehen. Um sicherzugehen, hatte der ewig Mißtrauische stets auch noch einen seiner persönlichen Referenten einbestellt. Schließlich galt es, für die Ewigkeit zu formulieren.“). Die sich damit aus der Zweckbindung der Stoffsammlung ergebende Geheimhaltungspflicht des Beklagten zu 2) bestand nicht nur gegenüber dem E-Verlag, dessen Memoiren-Projekt durch die (Vorab-) Veröffentlichung von Äußerungen des Klägers möglicherweise gefährdet worden wäre. Vielmehr bestand eine solche Pflicht auch gegenüber dem Kläger. Denn unabhängig von der Frage, ob der Kläger gegebenenfalls durch die Veröffentlichung einzelner – insbesondere der in ihrer Wortwahl mitunter drastischen – Äußerungen in Schwierigkeiten hätte geraten können, widersprach bereits aufgrund der Eigenschaft als Stoffsammlung und damit einer nur vorläufiger Zusammenstellung der Erinnerungen des Klägers jede Veröffentlichung dem gemeinsamen Vertragszweck „Erstellung der Memoiren“, zu dem der Beklagte zu 2) Hilfestellung zu leisten hatte.
46Soweit sich der Beklagte zu 2) in diesem Zusammenhang darauf beruft, die Gespräche mit dem Kläger seien thematisch gerade nicht auf die Memoiren beschränkt gewesen, sondern ihr Zweck sei weitergehend auch gewesen, die Erinnerungen des Klägers für die Nachwelt aufzubewahren, zumal auch andere, teilweise tagesaktuelle Themen besprochen worden seien, zwingt dies nicht zu einer abweichenden Bewertung. Denn zum einen ist zu berücksichtigen, dass die Memoiren des Klägers ausweislich § 1 Abs. 1 seines auch dem Beklagten zu 2) bekannten Verlagsvertrages wie folgt definiert sind:„Das Werk hat den Charakter der Autobiographie von Helmut Kohl. Es umfasst den Zeitraum von der Geburt bis zur Gegenwart und soll dem Leser einen nachhaltigen Eindruck von dem Menschen Helmut Kohl und seiner Zeit sowie dem „homo politicus“ Helmut Kohl und den politischen Ereignissen, die er wesentlich mitprägte, vermitteln“. Insofern enthält die Werkbeschreibung schon dem Wortlaut nach keine Einschränkung dahingehend, dass die Memoiren nicht auch gegebenenfalls Themen von im Zeitpunkt der Tonbandaufnahmen tagesaktueller Bedeutung mit umfassen können bzw. dass nicht auch durch die zu solchen Themen getätigten Äußerungen des Klägers dem Leser ein Eindruck von ihm als Mensch und Politiker vermittelt wird. Selbst die Bejahung einer zeitlichen und/oder inhaltlichen Beschränkung des Gegenstands der Memoiren und damit des Vertragszwecks stützt aber nicht die von den Beklagten gezogene Schlussfolgerung. Denn jedenfalls war im Zeitpunkt der Tonbandaufnahmen überhaupt nicht absehbar, welche der Äußerungen des Klägers in welchem Umfang in den späteren Memoiren Verwendung finden würden, so dass zu diesem Zeitpunkt auch kein Teil der Tonbandaufnahmen identifiziert werden konnte, für die die Geheimhaltungsverpflichtung des Beklagten zu 2) keine Geltung hätte beanspruchen sollen. Dass der Umfang des gemeinsamen Projektes sich gegenüber der ursprünglich in den Verlagsverträgen enthaltenen Annahmen erheblich ausgeweitet hat, ist schon daran zu erkennen, dass die Verlagsverträge von ca. 200 Stunden Gesprächen zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) sowie einem Manuskript von ca. 500 Seiten ausgingen, während die gemeinsamen Gespräche tatsächlich über 600 Stunden dauerten und die bisher erschienenen drei Bände der Memoiren ca. 2.300 Seiten umfassen, ohne dass das Projekt damit sein beabsichtigtes Ende gefunden hätte.
47Soweit der Beklagte zu 2) im Berufungsverfahren geltend macht (Bl. 949 d.A.), die Tonbandprotokolle seien auch im Zusammenhang mit dem Projekt „Mein Tagebuch“ gefertigt worden, so dass eine Zweckbindung an die Memoiren und eine eventuell diesbezüglich bestehende Geheimhaltungspflicht entfalle, greift auch dies nicht durch: Dabei kann dahinstehen, ob eine solche Schlussfolgerung angesichts der historischen Abläufe überhaupt gerechtfertigt ist. Denn im Vorwort des streitgegenständlichen Buches (vgl. Seite 29) führt der Beklagte zu 2) selbst aus, dass man gerade dabei war, die Gespräche hinsichtlich der Memoiren zu beginnen, als am XX.XX.1999 X M L2 zur Fahndung ausgeschrieben wurde und die sog. Spendenaffäre begann. Im Februar 2000 habe er dann mit dem Kläger vereinbart, rückwirkend ein Tagebuch für die Jahre 1998 bis 2000 zu schreiben (vgl. Seite 31). Dieses bestand jedoch zum einen nur teilweise aus Äußerungen des Klägers und wurde zum anderen im Spätsommer/Herbst 2000 auf den Markt gebracht, so dass im Anschluss daran die Gespräche für die Memoiren weitergingen (Seite 39: „Der Erfolgsautor will unbedingt weitermachen. „Den Menschen draußen im Lande“, wie er einst gerne sagte, gibt es noch viel zu erklären. Also auf ans Werk, zurück zu den Memoiren! Jetzt saß ich in der Kohl-Falle fest“). Nach den eigenen Schilderungen des Beklagten zu 2) ist damit allenfalls ein Teil der Stoffsammlung für das Projekt „Mein Tagebuch“ verwendet worden, denn ein nicht unerheblicher Teil der Gespräche fand erst nach Erscheinen dieses Werkes statt (vgl. Seite 40: „Allein 2001 haben wir uns einundsiebzigmal getroffen“). Im Übrigen behauptet der Beklagte zu 2) auch in diesem Zusammenhang nicht, dass die entsprechenden Veröffentlichungen in dem Werk „Mein Tagebuch“ ohne Einwilligung des Klägers erfolgt sind und damit als Rechtfertigung dafür dienen könnten, nunmehr im streitgegenständlichen Buch ebenfalls Äußerungen des Klägers ohne dessen Einwilligung zu veröffentlichen.
48Das damit aus den Gesamtumständen folgende Angebot des Beklagten zu 2) zum Abschluss einer Geheimhaltungsverpflichtung hat der Kläger durch Aufnahme der Zusammenarbeit auch angenommen.
49cc. Die damit vom Landgericht zutreffend angenommene konkludente Abrede des Klägers mit dem Beklagten zu 2) über eine Geheimhaltungsverpflichtung kann auch von den Berufungsangriffen nicht in Frage gestellt werden.
50(1) Der Einwand des Beklagten zu 2), sein Verzicht auf die Rechte aus § 13 UrhG, nämlich die Anerkennung der Urheberschaft bzw. Anbringung einer Urheberbezeichnung sei kündbar, so dass der Kläger sich auf die Geheimhaltung der Urheberschaft des Beklagten zu 2) nicht habe verlassen können (Bl. 832 d.A.), steht der Annahme einer konkludent vereinbarten Geheimhaltungspflicht nicht entgegen. Denn selbst wenn der Beklagte zu 2) den Vertrag mit dem Verlag gekündigt haben sollte, ist in der von ihm vorgelegten Aufhebungsvereinbarung vom 9.10./9.10.2009 (Anlage AG 11) unter Ziffer 4.2 geregelt: „Der Autor verzichtet ausdrücklich und unwiderruflich auf sein Nennungsrecht im Zusammenhang mit den Werken“. Darüber hinaus steht die Kündbarkeit eines Verzichts auf die Rechte nach § 13 UrhG nicht der Annahme entgegen, dass der Kläger das Verhalten des Beklagten zu 2) als konkludentes Angebot zum Abschluss einer Geheimhaltungsabrede verstehen durfte. Denn eine Kündigung des Verzichts auf die Rechte des § 13 UrhG hätte lediglich zur Folge, dass der Beklagte zu 2) Forderungen dahingehend stellen könnte, bei Veröffentlichung der Memoiren als Miturheber genannt zu werden. Dagegen ist mit dieser Kündigungsmöglichkeit aus Sicht eines objektiven Dritten in der Person des Klägers nicht die Erwartung verbunden, dass der als Ghostwirter engagierte Mitarbeiter eigenmächtig über die Stoffsammlung verfügen wird.
51(2) Unerheblich ist des Weiteren der Einwand des Beklagten zu 2), die Geheimhaltungsverpflichtung gemäß § 8 seines Verlagsvertrages enthalte keine Fortgeltungsklausel (Bl. 833 d.A.). Denn nicht diese Regelung, sondern die konkludente Geheimhaltungsabrede zwischen ihm und dem Kläger ist Grundlage des vertraglichen Unterlassungsanspruchs. Diese gilt auch nach Beendigung des Verlagsvertrages weiter, da unstreitig das gemeinsame Projekt, nämlich die Erstellung der klägerischen Memoiren, noch nicht abgeschlossen ist und es der Entscheidung des Klägers bzw. des E-Verlages obliegt, ob und gegebenenfalls mit welchem (neuen) Mitarbeiter der Kläger das Projekt fortsetzen wird. Auch der Umstand, dass der Verlagsvertrag des Beklagten zu 2) zwischenzeitlich mit einer entsprechenden Abgeltungsklausel aufgehoben wurde (vgl. Anlage AG 11), steht der Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs durch den Kläger nicht entgegen. Denn dieser Aufhebungsvertrag kann lediglich die Rechte und Pflichten zwischen dem Beklagten zu 2) und dem Verlag betreffen; eine Abgeltung von eventuellen Ansprüchen des Klägers ist – unabhängig von bestehenden rechtlichen Bedenken – in diesem Vertrag ersichtlich nicht beabsichtigt.
52(3) Entgegen der Ansicht des Beklagten zu 2) (Bl. 838 d.A.) unterliegt das Landgericht auch keinem unzulässigen Zirkelschluss, wenn es den dem Beklagten zu 2) gewährten Zugang zu Verschlußsachen des Bundeskanzleramtes bzw. zur Stasiakte des Klägers als weiteren Beleg für den konkludent geäußerten Willen nach einer Geheimhaltungspflicht ansieht. Unstreitig sind der Beklagte zu 2) und sein Umfeld einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden (Seite 48). Der einzige Sinn einer solchen Überprüfung besteht darin, von zuständiger Seite abschätzen zu können, ob die betreffende Person der von ihr erwarteten Geheimhaltungspflicht nachkommen wird. Der Beklagte zu 2) führt in seinem Vorwort selbst die Umstände aus, die in eindeutiger Weise für seine als selbstverständlich vorausgesetzte Verpflichtung zur Geheimhaltung sprechen und die er als solche auch erkannt und zutreffend eingeschätzt hat (Seite 48: „Als erster Journalist und Historiker überhaupt konnte ich Quellen einsehen, die noch Jahrzehnte kein Kollege zu Gesicht bekommen wird“). Soweit der Beklagte zu 2) in diesem Zusammenhang darauf abstellt, weder aus den geheimen Akten des Bundeskanzleramtes noch aus den Stasiakten des Klägers zitiert zu haben (Bl. 949, 951 d.A.), ist dies unerheblich. Denn vorliegend steht nicht das Verbot gerade solcher Zitate im Streit, sondern es ist der Umstand, dass der Beklagte zu 2) Zugang zu solch geheimen Unterlagen erhalten hat, als Anhaltspunkt für das Vorliegen einer konkludenten Geheimhaltungsvereinbarung zu werten.
53(4) Der Umstand, dass der Kläger während der Gespräche mit dem Beklagten zu 2) nicht ausdrücklich geäußert hat, keine „ungefilterte“ Veröffentlichung seiner Äußerungen zu wünschen, steht dem Abschluss einer konkludenten Geheimhaltungsverpflichtung ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass er im Zuge der Gespräche teilweise das Tonband hat abstellen lassen oder im Anschluss an Schilderungen erklärt hat „das schreiben wir aber nicht“ (vgl. Bl. 839 d.A.). Das Fehlen einer ausdrücklichen Erklärung ist schon deshalb unschädlich, weil es vorliegend gerade um den Abschluss einer Vereinbarung durch konkludentes Verhalten geht, welche keine ausdrückliche Willenserklärung erfordert. Auch wenn der Kläger im Einzelfall seine Äußerungen bereits im Moment der Tonbandaufnahme von einer Veröffentlichung ausnahm, kann daraus nicht im Umkehrschluss ein Einverständnis abgeleitet werden, dass alle anderen Äußerungen „so wie gesprochen“ veröffentlicht werden sollen. Die Bemerkung lässt sich zwangslos dahin denken, dass schon eine Aufnahme der entsprechenden Äußerung in den Memoiren-Entwurf auf keinen Fall die Billigung des Klägers finden würde. Erst recht tragen die Beklagten keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger – zumal vor endgültiger Fertigstellung des Gesamtprojektes „Memoiren“ – eine eigenmächtige Veröffentlichung durch den Beklagten zu 2) genehmigen wollte. Der Beklagte zu 2) hat das Procedere selbst so geschildert, dass er mit den fertigen Manuskriptteilen zum Kläger fuhr und man diese gemeinsam durchgearbeitet habe, wobei „notgedrungen so manches mit staatsmännischem Gestus zu glätten war“ (Seite 9). Selbst bei denjenigen Äußerungen, die der Kläger also nicht mit einem „Das schreiben wir aber nicht“ kommentiert hat, war demnach eine Veröffentlichung im Wortlaut bzw. ohne Freigabeentscheidung des Klägers objektiv erkennbar nicht vorgesehen.
542. Abweichend von der Entscheidung des Landgerichts ist dem Beklagten zu 2) auf die Berufung des Klägers die Veröffentlichung der Äußerung Nr. 43 auch hinsichtlich des Textteils „XXX“ zu untersagen.
55Zutreffend hat das Landgericht zwar die vertragliche Geheimhaltungspflicht des Beklagten zu 2) auf sämtliche vom Kläger im Rahmen der Gespräche mitgeteilte oder zur Verfügung gestellte Informationen bezogen soweit sie nicht vorbekannt waren oder der Kläger den Beklagten zu 2) von seiner Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden hatte. Jedoch ist unter Berücksichtigung der Reichweite der Geheimhaltungsverpflichtung des Beklagten zu 2) auch die vorstehend aufgeführte Äußerung zu untersagen. Denn die vom Beklagten zu 2) verwendete Formulierung „XXX“ nimmt die Wertung des Klägers auf, die dieser im Rahmen der geheimhaltungspflichtigen Gespräche geäußert hat. Die Formulierungen „XXX“ könnten zwar auch als eigene Wertung des Beklagten zu 2) angesehen werden, sie stehen jedoch im engen Kontext mit der Formulierung „XXX“ und lassen damit beim Leser der Eindruck entstehen, dass eine im Gespräch geäußerte Wertung des Klägers vom Beklagten zu 2) lediglich wiederholt wird. Gerade im vorliegenden Fall drängt sich dieser Eindruck deshalb auf, weil auch das wörtliche Zitat des Klägers am Beginn der Textstelle die betreffende Formulierung ebenfalls enthält („XXX“). Der Umstand, dass Christian Wulff im Jahre 2003 Ministerpräsident geworden ist, ist zwar eine allgemein bekannte Tatsache, ihre Veröffentlichung wird dem Beklagten zu 2) jedoch nicht generell, sondern lediglich im Kontext der hier streitgegenständlichen Textstelle untersagt.
563. Gegenüber dem Unterlassungsanspruch des Klägers kann sich der Beklagte zu 2) nicht auf seine Rechte aus Art. 5 Abs. 1 GG berufen. Denn auch das dem Beklagten zu 2) zustehende Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ändert nichts daran, dass die von ihm vorgenommene Veröffentlichung der Äußerungen des Klägers rechtswidrig ist. Zwar unterfällt auch die Mitteilung fremder Meinungen dem Schutzbereich dieser Regelung. Jedoch hat der Beklagte zu 2) aufgrund der im Verhältnis zum Kläger vertraglich übernommenen Verschwiegenheitsverpflichtung auf sein Recht zur freien Meinungsäußerung in zulässiger Weise verzichtet. Eine entsprechende vertragliche Verpflichtung eines Ghostwirters wäre sinnlos, wenn sie nachträglich durch ein Berufen auf Art. 5 Abs. 1 GG umgangen werden könnte. Insofern verletzt die fehlende Interessenabwägung den Beklagten zu 2) auch nicht in seinen Grundrechten.
57Soweit die Beklagten anführen, dass der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 10.3.1987 (VI ZR 244/85) trotz einer ausdrücklich getroffenen Geheimhaltungsvereinbarung zwischen dem dortigen Kläger und seinem Co-Autor gerade keine vertraglichen Unterlassungsansprüche geprüft habe, sondern lediglich deliktische Ansprüche wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit Durchführung einer entsprechenden Interessenabwägung im Einzelfall, führt dies im vorliegenden Fall zu keiner abweichenden Beurteilung. Der BGH hatte schon deshalb keinen Anlass mehr, sich mit Bestand oder Reichweite eines vertraglichen Unterlassungsanspruchs zu beschäftigen, weil die im dortigen Verfahren angefochtene landgerichtliche Entscheidung gegen den Co-Autor – nur zwischen diesem und dem Kläger bestand eine vertragliche Bindung – bereits rechtskräftig war und das Revisionsverfahren nur noch von der Verlagsgesellschaft sowie zwei Redakteuren betrieben wurde, denen der Co-Autor das (Tonband-)Material zur Verfügung gestellt hatte.
58Der Beklagte zu 2) kann auch nicht geltend machen, dass das Landgericht im Rahmen der bereits erstinstanzlich tenorierten Unterlassungsverpflichtungen unzulässigerweise eigene Werturteile des Beklagten zu 2) erfasst habe, so dass schon aus diesem Grunde die angefochtene Entscheidung abzuändern sei. Soweit die veröffentlichten Äußerungen aus eigenen Werturteilen des Beklagten zu 2) bestehen, kann in deren Veröffentlichung zwar grundsätzlich keine Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers liegen. Jedoch ist im vorliegenden Fall nicht eine etwaige Persönlichkeitsrechtsverletzung entscheidend, sondern vielmehr der Umstand, dass der Beklagte zu 2) aufgrund seiner Bindung an die vertragliche Geheimhaltungspflicht überhaupt keine Inhalte der Gespräche mit dem Kläger veröffentlichen darf. Werden die in diesen Gesprächen gewonnenen Informationen jedoch zum Gegenstand von Werturteilen gemacht, dann liegt darin gleichzeitig eine mittelbare Bekanntmachung des Gesprächsinhalts, die unzulässig ist. Wenn die Autoren beispielsweise ausführen: „Kurz: Helmut Kohl XXX. Er XXX“ (Seite 61), dann ist dies keine eigenständige Wertung ihrerseits, sondern eine wertende Wiedergabe der Mitteilung des Klägers, dass er zum damaligen Zeitpunkt eine XX.XXX DM-Spende von E2 wegen Geringfügigkeit zurückgewiesen hat. Entsprechendes gilt, wenn die wörtlichen Zitate des Klägers über Richard von Weizäcker mit dem Ausspruch kommentiert werden: „Mag XXX“, denn dadurch wird mittelbar die durch den Beklagten zu 2) eigentlich geheim zu haltende Tatsache wiedergegeben, dass der Kläger sich im Rahmen der Gespräche G über Herrn von Weizäcker geäußert hat. Insgesamt zeichnen sich die betreffenden Textstellen dadurch aus, dass die jeweiligen Wertungen der Autoren derart eng mit den entsprechenden Äußerungen des Klägers verbunden sind, dass eine Wiedergabe der Wertung ohne einen Bruch der vertraglichen Geheimhaltungspflicht nicht möglich ist.
594. Der Kläger hat ebenso einen Anspruch gegen die Beklagten zu 1) und 3) auf Unterlassung der in seinem Antrag aufgeführten Äußerungen aus §§ 823, 830, 1004 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, da die Veröffentlichung des vertraulich gesprochenen Wortes des Klägers sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt. Da dieser deliktische Anspruch gegenüber den Beklagten zu 1) und 3) in demselben Umfang besteht wie der vertragliche Unterlassungsanspruch gegenüber dem Beklagten zu 2), war die landgerichtliche Entscheidung auf die Berufung des Klägers entsprechend abzuändern und zu ergänzen.
60Im Einzelnen:
61a. Die Beklagten zu 1) und 3) sind zwar, anders als der Beklagte zu 2), nicht aufgrund einer vertraglichen Abrede mit dem Kläger zur Verschwiegenheit über die Äußerungen des Klägers verpflichtet. Ihre Unterlassungsverpflichtung resultiert vielmehr aus einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers in Form der Vertraulichkeitssphäre sowie des Rechtes am gesprochenen Wort. Jedoch ist auch ihnen die Veröffentlichung der beanstandeten Äußerungen umfassend zu untersagen, weil aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls – namentlich der Art der Informationsgewinnung sowie ihres Beitrags bei der Erstellung des streitgegenständlichen Buches – eine Abwägung der Persönlichkeitsrechte des Klägers mit dem entgegenstehenden Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG im Hinblick auf ein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse nicht zu erfolgen hat bzw. eine Abwägung unterstellt, diese zu Gunsten des Klägers ausfallen würde.
62b. Die Privatsphäre des Klägers ist vorliegend ungeachtet der Tatsache betroffen, dass er sich in den Gesprächen mit dem Beklagten zu 2) überwiegend zu seiner beruflichen Laufbahn geäußert hat. Denn vorliegend steht nicht die Preisgabe von Begebenheiten aus dem privaten oder beruflichen Leben des Klägers im Vordergrund, sondern die Privatheit seiner Gespräche mit dem Beklagten zu 2), die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen sind, sondern nur als Grundlage für das zu erstellende Manuskript dienen sollten. Abzustellen ist daher nicht auf die Verbreitung der in diesen Gesprächen gewonnenen Informationen, sondern auf den Umstand, dass die betreffenden Informationen als Äußerungen des Klägers weitergegeben wurden, obwohl er sie nicht für die Öffentlichkeit, sondern nur für den Beklagten zu 2) als seiner Hilfskraft im Rahmen der Erstellung der Memoiren zu dessen Unterrichtung gemacht hat.
63c. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 19.12.1978 – VI ZR 137/77, juris Rn. 14; Urt. v. 10.3.1987 – VI ZR 244/85, juris Rn. 14 f.; Urt. v. 30.9.2014 – VI ZR 490/12, juris Rn. 15) dürfen Aufzeichnungen mit vertraulichem Charakter im Hinblick auf das Recht am eigenen Wort grundsätzlich nur mit Zustimmung des Verfassers und nur in der von ihm gebilligten Weise veröffentlicht werden. Während sich der Umstand der Vertraulichkeit in den Entscheidungen vom 19.12.1978 (VI ZR 137/77) und vom 30.9.2014 (VI ZR 490/12) daraus ergab, dass ein Telefongespräch zwischen dem Kläger und seinem Parteikollegen abgehört und transskribiert worden war bzw. dass private Emails eines Politikers von seinem abhanden gekommenen Laptop veröffentlicht worden waren, handelt es sich bei der Entscheidung vom 10.3.1987 (VI ZR 244/85) um einen dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbaren Fall, in welchem ein Co-Autor unter Verstoß gegen eine vertragliche Geheimhaltungsabrede die Inhalte von den zur Stoffsammlung dienenden Gesprächen an die Presse weitergegeben hatte. Ein absolutes Verwertungsverbot für die Presse wird zwar aufgrund der für sie bestehenden Verfassungsgarantie auch dann nicht bejaht, wenn ihr Informant sich die Aufzeichnung in strafbarer Weise verschafft hat (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.1978 – VI ZR 137/77, juris Rn. 18). Jedoch sind zwei Ausnahmefälle anerkannt:
64aa. Ein Veröffentlichungsverbot wird zum einen dann angenommen, wenn es um die ungenehmigte Weitergabe von Tonbandaufzeichnungen in wörtlicher Rede geht, weil das Recht zur Selbstbestimmung über das gesprochene Wort verletzt wird. Soweit deshalb der Beklagte zu 2) Tonbandaufzeichnungen von den Äußerungen des Klägers ohne dessen Einwilligung an die Beklagten zu 1) und 3) weitergegeben hat und diese in wörtlicher Rede veröffentlicht wurden, hat er schon aus diesem Grund das Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt. Dasselbe hat auch für die Beklagten zu 1) und 3) zu gelten, denen bei Publikation unstreitig bekannt war, dass der Kläger eine Veröffentlichung seiner wörtlichen Rede von den Tonbandaufzeichnungen nicht wünschte (vgl. BGH, Urt. v. 10.3.1987 – VI ZR 244/85, juris Rn. 17 und 24). Daraus ergibt sich, dass die Wiedergabe wörtlicher Zitate des Klägers auch den Beklagten zu 1) und 3) unabhängig vom Grad eines eventuell bestehenden öffentlichen Informationsinteresses nicht gestattet ist.
65bb. Ein Veröffentlichungsverbot wird aber auch dann bejaht, wenn sich die Presse rücksichtslos über die schützenswerten Belange des Betroffenen hinwegsetzt. Ein solches rücksichtsloses Hinwegsetzen wird dann angenommen, wenn sich das Presseorgan am Rechtsbruch des Informanten beteiligt, ihm das Ausmaß der Bloßstellung des Klägers bewusst ist bzw. eine Veröffentlichung in dem Bewusstsein geschieht, dass die fraglichen Äußerungen ins Unreine gemacht wurden und nur als Stoffsammlung dienen sollten (vgl. BGH, Urt. v. 10.3.1987 – VI ZR 244/85, juris Rn. 23 f.). Diese Voraussetzungen sind auch im vorliegenden Fall gegeben, so dass den Beklagten zu 1) und 3) über die wörtlichen Zitate hinaus auch die Veröffentlichung aller sonstigen Äußerungen zu untersagen ist. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
66(1) Bei der Beurteilung der Frage eines rücksichtslosen Hinwegsetzens über die schützenswerten Belange des Klägers ist zunächst zu berücksichtigen, dass den Beklagten zu 1) und 3) die konkreten Umstände bekannt waren, unter denen der Beklagte zu 2) die Äußerungen des Klägers auf Tonband aufgenommen hat. Sie wussten, dass er für den Kläger als Ghostwriter tätig geworden und dass im Rahmen dieser Tätigkeit eine Stoffsammlung erstellt worden war, die nicht veröffentlicht werden, sondern lediglich als Grundlage der später zu verfassenden Bände der Memoiren dienen sollte. Sie wussten weiter, dass aufgrund eines Zerwürfnisses zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) deren gemeinsame Zusammenarbeit im Jahre 2009 beendet worden war und die ausstehenden Teile der Memoiren wenn überhaupt dann jedenfalls nicht unter Mithilfe des Beklagten zu 2) erstellt werden würden. Eine solche Kenntnis der Gesamtumstände kann zwar im Hinblick auf die Erlangung des Inhalts der Tonbänder nicht als vorsätzlicher Rechtsbruch eingestuft werden, weil die Beklagten zu 1) und 3) gegenüber dem Kläger eben keiner vertraglichen Geheimhaltungspflicht unterlagen. Der betreffende Sachverhalt geht jedoch auf der anderen Seite über das Szenario des bloßen Zuspielens von geheimen Informationen an „unbeteiligte“ Presseorgane qualitativ hinaus.
67(2) Für eine solche Bewertung der Rolle der Beklagten zu 1) und 3) spricht weiter auch ihre Beteiligung an der Erstellung des streitgegenständlichen Buches. Die Beklagten zu 1) und 3) haben vom Beklagten zu 2) nicht lediglich die Tonbandprotokolle „zugespielt“ bekommen, wie dies in der Entscheidung des BGH vom 30.9.2014 (VI ZR 490/12) der Fall war, sondern haben nach gemeinschaftlichem Abhören der gesamten Aufnahmen untereinander abgestimmt, welche Äußerungen der Protokolle auf welche Art und Weise in dem betreffenden Buch dargestellt werden sollten (vgl. S. 10: „Deshalb die hier vorgelegte Dokumentation, die im Teamwork entstanden ist. Wir – I2 T, der Hüter des Schatzes, der Ghostwriter der Kanzlermemoiren, der L 2001 und 2002 in schier endlosen Sitzungen befragte und der Journalist und Buchautor U K – haben uns noch einmal durch sein monumentales Vermächtnis gekämpft: die Kohl-Protokolle.“). Die den Beklagten zu 2) bindende Vertraulichkeitsabrede kann zwar – darauf hat bereits das Landgericht zutreffend hingewiesen – keine eigene vertragliche Verpflichtung der Beklagten zu 1) und 3) gegenüber dem Kläger begründen. Sie ist jedoch auch im Rahmen der Frage, in welchem Umfang das Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt wurde, zu berücksichtigen. Den Beklagten zu 1) und 3) war bekannt und bei der Veröffentlichung auch bewusst, dass der Kläger mit einer Veröffentlichung seiner Äußerungen nicht einverstanden war und der Beklagte zu 2) die mit ihm bestehende vertragliche Abrede sowie das in ihn gesetzte Vertrauen bei Einsicht in die einer Sperrfrist unterliegenden Unterlagen verletzt bzw. missbraucht hat. Im Hinblick auf die auch von den Beklagten zu 1) und 3) erkannte rechtliche Problematik wurden, wie der Justitiar der Beklagten zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht erklärt hat, in gemeinschaftlicher Arbeit gerade diejenigen Zitate ausgesucht und in einer Art und Weise im streitgegenständlichen Buch „verarbeitet“, wie sie aus Sicht der Beklagten noch zulässig sein würden.
68(3) Des weiteren war den Beklagten zu 1) und 3) auch bekannt, in welchem Ausmaß die Wiedergabe der Äußerungen den Kläger bloßstellen würde. Denn wie der Beklagte zu 2) im Vorwort des streitgegenständlichen Buches selbst ausführt (Seite 10: „(Den) Protokollen, deren Qualität nicht zuletzt in ihrer direkten Wörtlichkeit liegt ...“; Seite 58: „Nun aber wird nichts mehr gefiltert.“), beruhte das journalistische Interesse der Beklagten an den Äußerungen des Klägers unter anderem darauf, dass diese in ungewöhnlicher Offenheit und ohne die im politischen Bereich oftmals übliche sprachliche und inhaltliche Glättung gemacht wurden. Insofern ist die Motivation für eine Veröffentlichung den Beweggründen vergleichbar, die die Redakteure des „T2“ im Jahre 1978 veranlasst haben, den Wortlaut eines Telefonats zwischen dem Kläger und L3 C zu veröffentlichen, nämlich „um zu zeigen, welcher Sprache sich der Erstkläger als Kanzlerkandidat bedient, wenn er nicht vor dem Mikrofon steht“ (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.1978 – VI ZR 137/77, juris Rn. 25). Gerade solche Gründe hat der BGH in seiner Entscheidung vom 19.12.1978 als nicht ausreichend eingestuft, um eine Aufdeckung der Eigensphäre zu rechtfertigenden. Auch wenn die Motive der Beklagten zu 1) und 3) im vorliegenden Fall vielschichtiger gewesen sein mögen, ist bei der Bewertung des Eingriffes in die Vertraulichkeitssphäre des Klägers auch zu berücksichtigen, dass hinsichtlich eines Großteils der Äußerungen die erfolgte Veröffentlichung nicht dazu geeignet ist, politisches Zeitgeschehen sowie dessen Bewertung durch den Kläger zu schildern, sondern eher geschieht, um den Kläger in seiner „direkten Wörtlichkeit“ darzustellen. Dies wird insbesondere aus dem Umstand deutlich, dass die Mehrzahl der verwendeten Zitate keinem konkreten politischen oder historischen Ereignis zuzuordnen ist, sondern (teilweise despektierliche) Charakterisierungen oder auch Beschimpfungen des Klägers gegenüber seinen politischen Gegnern bzw. Weggefährten beinhalten.
69Ein weiteres Motiv der Beklagten bezüglich der Veröffentlichung ist darin zu sehen, dass es ihren Zielen widerspricht, die Familie des Klägers über die Art und Weise der Veröffentlichung bestimmen zu lassen (vgl. Seite 10: „Seine Frau, N L-S, will sich augenscheinlich die alleinige Deutungshoheit sichern und die Gesprächsprotokolle möglicherweise für Jahrzehnte wegschließen.“; Seite 56: „Die neue Frau an seiner Seite hat offenbar kein Interesse an einer Auseinandersetzung mit den Jahren 1995 bis 2002, die wir uns für den vierten Band vorgenommen hatte. … Und sie verlangt, darauf deutet alles für mich hin, nach der alleinigen Deutungshoheit über Helmut Kohls Leben.“). Auch dies zeigt, dass nicht die Aufdeckung politischer oder sonstiger Mißstände im Vordergrund der Veröffentlichung stand, sondern vielmehr der Umstand, dass die Beklagten zu 1) und 3) in Unterstützung des Beklagten zu 2) die von diesem reklamierte Position der Deutungshoheit in Anspruch nehmen wollten. Dafür sprechen auch die gegebenen zeitlichen Abläufe: Dem Beklagten zu 2) waren die betreffenden Äußerungen des Klägers sei dem Jahre 2001 bekannt und er hat zu diesem Zeitpunkt keinen Anlass gesehen, sie eigenmächtig an die Öffentlichkeit zu bringen. Vielmehr hatte er sich damit abgefunden, dass sie im Rahmen der ersten Bände der Memoiren „staatsmännisch geglättet“ wurden. Auch nach Aufkündigung der Zusammenarbeit des Klägers mit dem Beklagten zu 2) im Jahre 2009 haben die Beklagten keinen Anlass für eine Veröffentlichung gesehen, sondern es hat noch weitere fünf Jahre bis zur Geltendmachung des Herausgabeanspruchs hinsichtlich der Tonbänder durch den Kläger gedauert. Damit zeigen die Beklagten, dass sie sich rücksichtslos über die Interessen des Klägers hinwegsetzen, der kein Einverständnis mit einer solchen Veröffentlichung erklärt hat, indem sie für sich in Anspruch nehmen, die der Öffentlichkeit preiszugebenden Äußerungen des Klägers nach ihrem Ermessen auswählen zu können.
70In diesem Zusammenhang können sich die Beklagten zu 1) und 3) auch nicht auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 14.1.2014 (Ruusunen v. Finland - 73579/10) berufen. Denn der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar: Die Beschwerdeführerin hatte sich dagegen gewandt, wegen Verbreitung von die Persönlichkeitsrechte verletzenden Informationen zu einer Geldstrafe verurteilt worden zu sein, weil sie ein Buch über ihre 9 Monate dauernde Liebesbeziehung zum ehemaligen finnischen Ministerpräsidenten veröffentlicht hatte. Diese Verurteilung zu einer Geldstrafe war von den finnischen Gerichten darauf gestützt worden, dass das Buch Passagen enthielt, welche Einzelheiten der intimen Treffen der Beschwerdeführerin mit dem Premierminister schilderten und damit unzulässigerweise den Kernbereich seines Privatlebens verletzten. Der Umstand, dass der Premierminister zuvor selbst Teile seines Privatlebens veröffentlicht habe, würde nicht bedeuten, dass er überhaupt keinen Schutz in Anspruch nehmen könne. Diese Verurteilung zu einer Geldstrafe hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auch im Hinblick auf das Recht aus Art. 10 EMRK gebilligt.
71Daraus kann jedoch nicht der von Beklagten vertretene Schluss gezogen werden, dass die Veröffentlichung von Informationen, die Bereiche außerhalb des Sexuallebens der Betroffenen betreffen, im Lichte von Art. 10 EMRK von den nationalen Gerichten nicht untersagt werden darf. Der Vergleich des vorliegenden Sachverhalts mit Entscheidung des EMRK vom 14.1.2014 krankt schon daran, dass sich der ehemalige finnische Ministerpräsident und die Beschwerdeführerin nicht mit dem gemeinsamen Ziel getroffen haben, eine Stoffsammlung zu erstellen und auf Basis dieser Stoffsammlung ein Buch zu verfassen, bezüglich dessen Inhalts dem ehemaligen Ministerpräsidenten ein Letztentscheidungsrecht über Art und Umfang der enthaltenen Äußerungen zusteht.
72d. Der damit in der Art der Informationsgewinnung und –verarbeitung liegende rücksichtslose Verstoß der Beklagten zu 1) und 3) gegen die Privatsphäre des Klägers führt aber auch dann zur Unzulässigkeit der Veröffentlichung im tenorierten Umfang, wenn eine Güterabwägung mit der verfassungsrechtlich gleichfalls geschützten Meinungs- und Pressefreiheit vorgenommen wird. Denn an den betreffenden Äußerungen besteht kein derartig überragendes öffentliches Informationsinteresse, dass die von den Beklagten zu 1) und 3) vorgenommene Art der Informationsgewinnung und der darin liegende Eingriff in die Privatsphäre des Klägers gerechtfertigt wäre.
73Im Einzelnen:
74aa. Betroffen ist vorliegend die Privatsphäre des Klägers in Form der Vertraulichkeitssphäre und des Rechtes am gesprochenen Wort, die als besonders zu schützende Bereiche der persönlichen Selbstbestimmung und -verwirklichung anerkannt sind. Einem Eingriff in die Privatsphäre des Klägers steht nicht entgegen, dass dieser sich in den Gesprächen mit dem Beklagten zu 2) überwiegend zu seiner beruflichen Laufbahn geäußert hat. Denn vorliegend steht nicht die Preisgabe von Begebenheiten aus dem privaten oder beruflichen Leben des Klägers im Vordergrund, sondern die Privatheit seiner Gespräche mit dem Beklagten zu 2), deren Inhalt nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war, sondern „ins Unreine“ gesprochen wurde, um als Grundlage für das zu erstellende Manuskript zu dienen. Primär abzustellen ist daher nicht auf die Verbreitung der in diesen Gesprächen gewonnenen Informationen, sondern auf den Umstand, dass die betreffenden Informationen als Äußerungen des Klägers weitergegeben wurden, obwohl er sie nicht für die Öffentlichkeit, sondern nur für den Beklagten zu 2) als seiner Hilfskraft im Rahmen der Erstellung der Memoiren zu dessen Unterrichtung gemacht hat.
75bb. Hinsichtlich der Beklagten zu 1) und 3) ist das Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK und das Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Im Rahmen der Abwägung reicht jedoch zur Berufung auf die Kontroll- und Überwachungsfunktion der Medien nicht das Vorliegen eines Mißstandes von erheblichem Gewicht (vgl. BGH, Urt. v. 30.9.2014 – VI ZR 490/12) aus, um eine Veröffentlichung der entsprechenden Äußerung des Klägers zu rechtfertigen. Vielmehr muss vor dem Hintergrund der den Beklagten zu 2) treffenden Geheimhaltungspflicht und der Art und Weise der Informationsgewinnung der Beklagten zu 1) und 3) die jeweilige Information einen Inhalt aufweisen, dessen öffentliche Mitteilung zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen im Sinne von § 201 Abs. 2 S. 3 StGB geboten ist. Diesem Maßstab wird jedoch keine der vom Kläger mit seinem Verfügungsantrag angegriffenen Äußerungen gerecht, so dass sie bei Stattgabe der Berufung des Klägers sowie Zurückweisung der Berufung der Beklagten zu 1) und 3) sämtlich zu untersagen sind.
76Im Einzelnen:
77(1) Soweit bereits in der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts die Veröffentlichung einer Vielzahl von Äußerungen verboten wurde, bleibt die Berufung der Beklagten zu 1) und 3) ohne Erfolg.
78Die Äußerungen Nr. 1 – 6, 8, 11 – 16, 18 – 22, 24 – 26, 28 – 32, 36, 37, 40, 42, 45, 47, 48, 55 - 60, 62 - 66, 68, 71, 79, 82 - 84, 88 - 91, 95 - 98, 102, 103, 105, 107 – 111 und 115 enthalten wörtliche Zitate des Klägers, teilweise verbunden mit persönlichen Einschätzungen seinerseits, die jedoch schon keinen Mißstand von erheblichem Gewicht offenbaren und deren Veröffentlichung erst Recht nicht zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen erforderlich ist. Auch die Äußerungen Nr. 17, 23, 27, 33 - 35, 38, 39, 41, 43, 44, 46, 49, 50, 52 - 54, 67, 69, 73, 74 – 78, 80, 85, 86, 92, 99, 106 und 114 geben persönliche Einschätzungen des Klägers wieder, die jeweils mit der Schilderung eines Tatsachenkern verbunden sind. Auch sie offenbaren schon keinen Mißstand von erheblichem Gewicht und erst Recht ist ihre Veröffentlichung nicht zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen erforderlich. Schließlich enthalten auch die Äußerungen Nr. 70, 93, 94 und 112 die Schilderung tatsächlicher Geschehnisse durch den Kläger, an deren Offenbarung kein überragendes öffentliches Interesse besteht und bei denen daher der Vertraulichkeitssphäre des Klägers der Vorrang einzuräumen ist. Die Äußerung Nr. 70 befasst sich mit einem Streit des Klägers mit seinen Söhnen anlässlich der Beerdigung seiner Frau. Auch wenn der Kläger in seiner politischen Laufbahn sein Familienleben gegenüber der Presse geöffnet hat, besteht doch ein erheblicher Unterschied zwischen der willentlichen Veröffentlichung von Familienfotos der Kanzlerfamilie einerseits und der Mitteilung von Einzelheiten eines familieninternen Streits über die Gästeliste der Beerdigung andererseits. Eine Selbstöffnung des Klägers durch Veröffentlichung der Urlaubsfotos berechtigt keine Veröffentlichung dieser sehr persönlichen Äußerungen. Dass N2 U2 auf den G7-Gipfeln gerne einnickte, wenn es spät wurde und dabei beinah vom Stuhl kippte (Äußerung Nr. 93) bzw. die Minister X2 und H „immer ins Bett“ wollten (Äußerung Nr. 94), dient ausschließlich der Befriedigung der Neugier der Leser. Gleiches gilt für Äußerung Nr. 112, wonach Q C2 nach Einschätzung des Klägers „nicht einmal die Herausgeber der FAZ gekannt“ habe.
79(2) Soweit der Kläger mit seiner Berufung die Untersagung weiterer Äußerungen verlangt, die von der angefochtenen Entscheidung des Landgericht als zulässig erachtet wurden, hat sein Rechtsmittel unter Berücksichtigung der oben dargestellten Grundsätze Erfolg.
80(a) Äußerung Nr. 9 (Seite 49):
81Soweit der Beklagte zu 2) aus den Verschlusssachen des Bundeskanzleramtes berichtet, denen sich ein Telefonat zwischen K2 B und dem Kläger entnehmen lässt, in welchem ersterer um finanzielle Unterstützung der Palästinenser bittet, handelt es sich um eine wahre Tatsachenbehauptung, die einer Wertung durch den Beklagten zu 2) („XXX“) unterzogen wird. Der entsprechende Passus betrifft zwar keine Äußerung des Klägers. Seine Privatsphäre in Form der Vertraulichkeitssphäre ist aber dennoch betroffen, weil der Beklagte zu 2) aus Telefonaten des Klägers berichtet, die nach dessen Willen sowie aufgrund gesetzlicher Sperrfristen geheim bleiben sollten und der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden durften. Den Beklagten zu 1) und 3) waren diese Umstände bekannt und dennoch haben sie die fraglichen Angaben veröffentlicht, wobei sie sich nicht auf die Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen im oben dargelegten Sinne berufen können. Denn ob und in welcher Form die Führung der Palästinenser im damaligen Zeitpunkt den Kläger um finanzielle Unterstützung gebeten hat, ist für die öffentliche Diskussion schon deshalb ohne Belang, weil die Antwort des Klägers auf diese Bitte nicht mitgeteilt wird, seine Haltung zu der Finanzierungsbitte also offen bleibt. Erst recht ergibt sich aus diesem Telefonat keine Information, die zur Wahrung eines überragenden öffentlichen Interesses hätte mitgeteilt werden müssen.
82(b) Äußerung Nr. 10 (Seite 61):
83Soweit mit diesem Passus ein wörtliches Zitat des Klägers bzw. eine durch die Beklagten durchgeführte Zusammenfassung seiner Äußerungen mitgeteilt wird, ist die Veröffentlichung ebenfalls unzulässig. Zwar werden damit, worauf bereits das Landgericht zutreffend hingewiesen hat, Mißstände von erheblichem Ausmaß geschildert, nämlich das Einwerben von Parteispenden durch den Kläger, die er in einer bestimmten Höhe erwartete. Entsprechend der obigen Ausführungen reicht allein dies jedoch nicht aus, um im vorliegenden Fall den Eingriff in die Vertraulichkeitssphäre des Klägers zu rechtfertigen. Durch sie werden überragende öffentliche Interessen nicht wahrgenommen.
84(c) Äußerung Nr. 43 (Seite 96 f.):
85Es handelt sich bei dieser Äußerung – wie bereits oben ausgeführt – der Sache nach um eine zusammenfassende Wiedergabe der in den Tonbandaufnahmen zutage getretenen Einstellung des Klägers zum ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff und damit um ein wörtliches Zitat, welches schon keine besonderen Mißstände offenbart und deren Veröffentlichung erst recht nicht zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen erforderlich ist. Der emotional geprägte Groll des Klägers bzw seine Abneigung gegen Herrn Wulff mögen in dem geäußerten Ausmaß bisher der Öffentlichkeit unbekannt gewesen sein. Es ist jedoch nicht ersichtlich, welches überragende öffentliche Interesse mit der Veröffentlichung der entsprechenden Bemerkungen des Klägers gewahrt werden soll.
86(d) Gleiches gilt für Äußerung Nr. 51 (Seite 102 f.), einem wörtliche Zitat zu einem Zwischenfall hinsichtlich der Parteifinanzierung der saarländischen CDU sowie für die Äußerung Nr. 61 (Seite 110), einem wörtlichen Zitat zur angeblichen Stasi-Belastung von Manfred Stolpe. Zwar wird – worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat – jeweils ein erheblicher Mißstand thematisiert, jedoch sind keine überragenden öffentlichen Interessen erkennbar, zu deren Wahrnehmung das Zitat hätte veröffentlicht werden müssen.
87(e) Äußerung Nr. 72 (Seite 143):
88Es handelt sich bei dieser Äußerung um ein wörtliches Zitat, welche schon keine besonderen Mißstände offenbart und deren Veröffentlichung erst recht nicht zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen erforderlich ist. Mit welchem Ergebnis der Kläger aus seiner subjektiven Sicht die Haltung des verstorbenen CSU-Vorsitzenden Franz-Josef Strauß zu politisch Verfolgten und den Vereinten Nationen bewertete, ist aufgrund der rein persönlichen Prägung dieser Charakterisierung nicht geeignet, überragende öffentliche Interessen wahrzunehmen.
89(f) Äußerungen Nr. 81 (Seite 164 f.) und Nr. 87 (Seite 169 f.):
90Es handelt sich um wörtliche Zitat, welches das Ziel Richard von Weizäckers offenbart, zum damaligen Zeitpunkt Bundespräsident werden zu wollen. Daneben wird die Einschätzung des Klägers wiedergegeben, dass er die Äußerung eines solchen Wunsches vor dem Hintergrund der anstehenden Nachrüstungsdebatte für unangemessen hielt. Weder diese Äußerung noch die Äußerung Nr. 87, die sich mit der Einschätzung des Klägers zur Qualität seines Verhältnisses mit Richard von Weizäcker beschäftigt, ist geeignet, überragende öffentliche Interessen wahrzunehmen. Soweit das Landgericht darauf abstellt, dass das Verhältnis der beiden Politiker aufgrund der von diesen bekleideten höchsten Staatsämtern von öffentlichem Interesse sei, reicht dies angesichts der völlig allgemein gehaltenen Formulierungen nicht aus, um den Eingriff in die Vertraulichkeitssphäre des Klägers zu rechtfertigen.
91(g) Äußerung Nr. 100 (Seite 192):
92Entsprechend den Ausführungen des Landgerichts zur Äußerung Nr. 61 besteht an der Veröffentlichung dieses Zitates zwar durchaus ein erhebliches öffentliches Interesse, weil es die Haltung des Klägers zu den Mitgliedern der Waffen-SS verrät und die Formulierung „XXX“ – insbesondere in Verbindung mit der Charakterisierung „XXX“ – in tatsächlicher Hinsicht eine pauschale Verharmlosung dieses paramilitärischen Verbandes darstellt, der die bei einem ehemaligen Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland auch in vertraulicher Atmosphäre zu erwartende Sensibilität für dieses Thema ersichtlich fehlen dürfte. Jedoch gilt auch hier, dass die Veröffentlichung der Äußerung zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen nicht erforderlich ist. Gleiches gilt für die weiteren Äußerung Nr. 101 (Seite 193), Nr. 104 (Seite 198) und Nr. 113 (Seite 212 f.).
935. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Kosten für das Berufungsverfahren auf § 91 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz auf § 92 Abs. 2 ZPO. Der Kläger hat zwar die (teilweise) Abweisung seines Antrags hinsichtlich der Äußerungen Nr. 7, 39, 49, 86, 102 durch das angefochtene Urteil nicht mit der Berufung angegriffen, was zur Folge hat, dass er insoweit mit seinem Unterlassungsantrag unterlegen ist. Dies führt jedoch unter Anwendung der Grundsätze des § 92 Abs. 2 ZPO nicht zu einer Kostentragungspflicht des Klägers. Im Hinblick darauf, dass die teilweise Abweisung des Antrages in erster Instanz, die mit der Berufung des Klägers nicht angegriffen wurde, sich nur auf insgesamt fünf von 115 Äußerungen bezog und bei diesen überwiegend (Äußerungen Nr. 39, 49, 102) nicht die Veröffentlichung der Äußerung des Klägers, sondern nur die der erklärende Zusätze der Beklagten zu 2) und 3) vom Landgericht für zulässig erachtet wurden, handelt es sich um eine im Sinne von § 92 Abs. 2 ZPO verhältnismäßig geringfügige Zuvielforderung, die keine höheren Kosten veranlasst hat.
94Streitwert: 50.000 €
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Köln Urteil, 05. Mai 2015 - 15 U 193/14
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Köln Urteil, 05. Mai 2015 - 15 U 193/14
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenOberlandesgericht Köln Urteil, 05. Mai 2015 - 15 U 193/14 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
Tenor
I. Dem Verfügungsbeklagten zu 2) wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt, folgende Passagen aus dem im HEYNE-Verlag erschienenen Buch von Dr. Heribert Schwan und Tilman Jens „Vermächtnis – Die A-Protokolle“ in diesem Buch oder anderweitig wörtlich oder sinngemäß zu veröffentlichen oder zu verbreiten:
(die nachfolgende Nummerierung wurde seitens des Gerichts hinzugefügt und folgt der Reihenfolge im Antrag des Verfügungsklägers)
-Es folgt eine Aufstellung der Zitate-
Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegenüber dem Verfügungsbeklagten zu 2) zurückgewiesen.
II. Den Verfügungsbeklagten zu 1) und 3) wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung jeweils untersagt, folgende Passagen aus dem im HEYNE-Verlag erschienenen Buch von Dr. Heribert Schwan und Tilman Jens „Vermächtnis – Die A-Protokolle“ in diesem Buch oder anderweitig wörtlich oder sinngemäß zu veröffentlichen oder zu verbreiten:
-Es folgen Passagen aus dem Buch des HEYNE-Verlags-
Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegenüber den Verfügungsbeklagten zu 1) und 3) zurückgewiesen
III.
Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen der Kläger zu 1/6, der Beklagte zu 2) zu 1/3 und die Beklagten zu 1) und 3) zu jeweils ¼.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 3) trägt der Kläger zu je 1/12, im Übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
1
Tatbestand
2Der Verfügungskläger (nachfolgend Kläger) nimmt die Verfügungsbeklagten (nachfolgend Beklagten) auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung von Äußerungen des Klägers in Anspruch, die Gegenstand von Tonbandaufnahmen aus den Jahren 2001 und 2002 sind.
3Der Kläger ist Bundeskanzler a.D., der Beklagte zu 2) ist ein bekannter Journalist.
4Die Beklagten zu 2) und 3) sind Autoren des Buches „Vermächtnis Die A-Protokolle“ (nachfolgend Buch), das im „HEYNE-Verlag“, einer Verlagsmarke der Beklagten zu 1), erschien und am 07.10.2014 veröffentlicht wurde. Das Buch besteht zu ca. 10 % aus bislang unveröffentlichten wörtlichen Zitaten des Klägers, entnommen aus Tonbandprotokollen, die im Haus des Klägers in den Jahren 2001 – 2002 aufgezeichnet worden waren als Grundlage der Erstellung der Autobiographie des Klägers.
5Die Auswahl der in das Buch aufgenommenen Zitate des Klägers erfolgte – nach der Darstellung des Justiziars der Beklagten zu 1) in der mündlichen Verhandlung vom 30. Oktober 2014 – nach einer Sichtung der von dem Beklagten zu 2) zur Verfügung gestellten Tonbandabschriften durch die Beklagten in einer intensiven, mehrere Monate dauernden Diskussion, an der auch der Justiziar der Beklagten zu 1) teilnahm, und in der insbesondere besprochen wurde, hinsichtlich welcher Zitate ein öffentliches Interesse anzunehmen sei.
6Die Erstauflage des Buches ist zwischenzeitlich abverkauft.
7Von 1999 bis zur Aufkündigung der Zusammenarbeit seitens des Klägers im Jahr 2009 arbeitete der Beklagte zu 2) mit dem Kläger an den Memoiren des Klägers, Titel „Erinnerungen“, von welchen bislang drei Bände für die Zeit 1930 - 1994 erschienen sind. Ein die Memoiren abschließender vierter Band bzw. weitere Bände über die Zeit seit Oktober 1994 sind noch nicht erstellt.
8Im Hinblick auf die Erstellung der Memoiren und der Mitarbeit des Beklagten zu 2) hieran schlossen der Kläger sowie der Beklagte zu 2) jeweils mit dem herausgebenden Verlag, der Z GmbH & Co. (nachfolgend Verlag genannt) am 12.11.1999 schriftliche Verträge, die inhaltlich auf einander abgestimmt waren und größtenteils wortgleiche Formulierungen enthalten.
9Beide Verträge enthalten u.a. folgende übereinstimmenden Regelungen:
10Der Beklagte zu 2) verzichtet auf das Recht der Bestimmung der Urheberbezeichnung nach § 13 S. 1 UrhG und bringt keine eigene Urheberbezeichnung an dem Werk an, vielmehr wird der Kläger als Autor genannt. Die Fertigstellung des Werkes wird erst nach Zustimmung des Klägers erklärt. Dieser ist als Autor zu jeglichen Änderungen auch an dem erst teilweise erstellten Werk befugt.
11Ferner sichert der Verlag dem Kläger in dem Autorenvertrag zu, dass, soweit der Beklagte zu 2) Rechte an dem Werk inne hält, diese auf den Kläger übertragen werden. Auch ist der Kläger nach dem Autorenvertrag jederzeit berechtigt, die Zusammenarbeit mit dem Beklagten zu 2) zu beenden und einvernehmlich mit dem Verlag einen Ersatz für den Beklagten zu 2) bestimmen.
12Für die Zusammenarbeit zwischen dem Beklagten zu 2) und dem Kläger, der - für den Kläger kostenfrei - für eine Zusammenarbeit mit dem Kläger zur Verfügung zu stehen hatte, ist ferner in § 4 Abs. 2 des Autorenvertrages geregelt:
13„Der Verlag sichert zu, dass Herr Dr. Schwan persönlich die schriftliche Abfassung des Werkes bis zu seiner Fertigstellung nach den Vorgaben und Angaben des Autors übernimmt. Der Autor wird im Gegenzug Herrn Dr. Schwan entsprechenden Einblick in relevante Unterlagen geben und ihm in ausreichendem Maße für entsprechende Gespräche zur Verfügung stehen (mindestens 200 Stunden). Die einleitende Zusammenarbeit zwischen Herrn Dr. Schwan und dem Autor werden diese direkt besprechen"
14In dem zwischen dem Beklagten zu 2) und dem Verlag geschlossenen Vertrages vom 12.11.1999 (Anlage AG 4, Bl. 140-148 GA) war entsprechend vereinbart, dass der Beklagte zu 2) dem Verlag das ausschließliche, unwiderrufliche und räumlich unbeschränkte Nutzungsrecht an dem Werk für die Dauer des Urheberrechts übertrug mit der Maßgabe, diese Rechte an den Autor weiterzuübertragen. Der Beklagte zu 2) gestattet dem Autor ferner, das Werk unter seiner Autorenbezeichnung zu veröffentlichen. Vereinbart war auch, dass diese Regelungen auch bei Kündigung oder Beendigung des Vertrages fortbestehen sollten.
15Der Vertrag zwischen dem Verlag und dem Beklagten zu 2) enthält wörtlich u.a. folgende Bestimmungen:
16§ 1 Vertragsgegenstand
171. Herr Dr. Schwan verpflichtet sich, mindestens 200 Stunden für eine Zusammenarbeit mit dem Autor bis zur Fertigstellung des Manuskripts zur Verfügung zu stehen. Das Werk wird in seiner Endfassung etwa 500 Schreibmaschinenseiten … umfassen. Herr Dr. Schwan hat keinen Anspruch darauf, mit dem Autor tatsächlich bis zur endgültigen Fertigstellung des Manuskripts zusammenzuarbeiten.
182.Herr Dr. Schwan wird persönlich die schriftliche Abfassung des Werkes bis zu seiner Fertigstellung nach den Vorgaben und Angaben des Autors übernehmen.
193. Herr Dr. Schwan wird dem Autor zu jedem Zeitpunkt Einsicht in das bereits erstellte Manuskript geben.
204. Der Verlag sichert zu, dass der Autor im Gegenzug Herrn Dr. Schwan Einblick in relevante Unterlagen geben und ihm in ausreichendem Maße für entsprechende Gespräche zur Verfügung steht (mindestens 200 Stunden). Die Einzelheiten der Zusammenarbeit zwischen Herrn Dr. Schwan und dem Autor werden diese direkt besprechen.
215. Wird der Autor wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung in Anspruch genommen, wird Herr Dr. Schwan ihn bei der Abwehr dieser Ansprüche unterstützen. Herr Dr. Schwan stellt den Autor von sämtlichen Ansprüchen frei, die dieser durch eine Persönlichkeitsrechtsverletzung erleidet, die allein durch Herrn Dr. Schwan verursacht wurde…
22§ 3 Vergütung
231.Herr Dr. Schwan erhält für jedes verkaufte Exemplar des Werkes ein Honorar…
247. Als Honorarvorauszahlung erhält Herr Dr. Schwan einen Betrag von
25DM XXXX bei Vertragsschluss
26DM XXXX bei Ablieferung des Manuskripts..
27Der Vorschuss ist bei Erfüllung der Vertragspflichten von Herrn Dr. Schwan nicht rückzahlbar, aber mit den Honoraransprüchen von Herrn Dr. Schwan für die deutsche Ausgabe … verrechenbar.
28§ 8 Geheimhaltung
29Über diesen Vertragsabschluss sowie die Bestimmungen dieses Vertrages werden die Beteiligten Stillschweigen bewahren.
30Zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) wurden in der Folgezeit keine schriftlichen Vereinbarungen über die Zusammenarbeit und die Verwendung der dem Beklagten zu 2) bei dieser Zusammenarbeit mitgeteilten Informationen getroffen.
31Der Kläger stellte dem Beklagten zu 2) zahlreiche Unterlagen, so z.B. Briefverkehr, Redemanuskripte, Dokumente aus der Zeit als Bundeskanzler bzw. Oppositionsführer zu Durchsicht und Auswertung zur Verfügung. Hiervon umfasst waren auch zahlreiche Quellen, die der Wissenschaft und Forschung aufgrund der 30jährigen Sperrfrist für Archive noch für längere Zeit nicht zugänglich sein werden und dem Kläger zweckgebunden für seine Memoiren zur Verfügung gestellt wurden. Zugang zu diesen Quellen erhielt der Beklagte zu 2) erst nach einer eingehenden Sicherheitsüberprüfung, die sich auch auf die Ehefrau des Beklagten zu 2) erstreckte. Der Kläger gewährte dem Beklagten zu 2) ferner Einblick in die ihn betreffenden, 13 Bände umfassenden Ermittlungsunterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR („Stasi-Akte“), deren Veröffentlichung der Kläger in einem langwierigen Rechtsstreit hatte sperren lassen.
32An den Memoiren arbeitete neben dem Beklagten zu 2) auch der in dem Verfahren 14 O 612/12 LG Köln als Zeuge vernommene Dr. T mit, der die Erstellung des ersten Bandes der Memoiren (1930 bis 1960) übernommen hatte.
33In der Folgezeit führten der Kläger, der Beklagte zu 2) , teilweise auch der Zeuge Dr. T, stundenlange Gespräche im Keller des Hauses des Klägers. Aufgrund einer Absprache zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2), deren genauer Inhalt und rechtliche Einordnung zwischen den Parteien streitig sind, wurden mittels eines von dem Beklagten zu 2) beschafften Tonbandaufzeichnungsgerätes mit Mikrofon auf Tonbändern, die der Beklagte zu 2) jeweils mitbrachte, an über 100 Tagen während 630 Stunden die Ausführungen des Klägers zu Fragen und Stichworten des Beklagten zu 2) und des Zeugen Dr. T aufgenommen.
34Die Parteien sind sich einig, dass auf den Tonbändern zumindest teilweise das historische Vermächtnis des Klägers aufgezeichnet ist. Der Kläger sprach sehr ausführlich sein gesamtes Leben auf Band und zwar aus der Zeit vor der Übernahme höchster politischer Ämter sowie aus seiner Zeit als Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz und insbesondere aus den 16 Jahren, in denen er das Amt des Bundeskanzlers ausübte. Der Kläger äußerte sich darüber hinaus auch zu tagesaktuellen Themen und Politikern teilweise in drastischer, herabsetzender sowie umgangssprachlicher Ausdrucksweise. In seinen Memoiren sowie sonstigen bisherigen Publikationen hat der Kläger Äußerungen in dieser Schärfe und Deutlichkeit bewusst vermieden, um nicht partei- und regierungsschädigend zu agieren und keine „Bücher der Rache“ zu schreiben.
35Auch über die Erstellung der Tonbandaufnahmen und deren Verwendung haben der Kläger und der Beklagte zu 2) keine schriftlichen Vereinbarungen getroffen.
36Die streitgegenständlichen Tonbänder nahm der Beklagte zu 2) zur Vorbereitung der geplanten Buchveröffentlichung jeweils mit nach Hause. Er ließ dort die Tonbänder von seiner Schwester abschreiben. Die Abschrift hat einen Umfang von ca. 3000 Seiten.
37Aufgrund eines Unfalls im Jahr 2008, bei dem sich der Kläger eine schwere Kopfverletzung zuzog, musste der Kläger seine Arbeit an den Memoiren unterbrechen. In der Folgezeit kam es zu einem Zerwürfnis der Parteien, nachdem der Beklagte zu 2) ein Buch über die erste Ehefrau des Klägers veröffentlicht hatte, das der Kläger als Vertrauensbruch empfand. Der Kläger kündigte daraufhin die Zusammenarbeit mit dem Beklagten zu 2) auf. Dieser wurde von dem Verlag finanziell abgefunden.
38Nachdem der Beklagte zu 2) in einem Interview, veröffentlicht in der Zeitschrift „Der Spiegel 39/2012“ (Anlage zum Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten des Klägers vom 30.10.2014, Bl. 537f GA) für einen späteren Zeitpunkt die Veröffentlichung einer Biographie des Klägers unter Verwendung des Tonbandmaterials in Aussicht gestellt hatte, erhob der Kläger Klage auf Herausgabe der Originaltonbänder. Der Beklagte zu 2) wurde mit Urteil des Landgerichts Köln vom 12.12.2013 (AZ.: 14 O 612/12) nach Anhörung des Zeugen Dr. T zum Gegenstand und Zweck der Tonbandaufnahmen antragsgemäß verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten zu 2) hat das Oberlandesgericht Köln mit Urteil vom 08.08.2014 (AZ.: 6 U 20/14) zurückgewiesen. Der Beklagte zu 2) hat gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Köln Revision eingelegt, das Verfahren wird vom Bundesgerichtshof unter dem Az. V ZR 206/14 geführt.
39Wegen der Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichten Urteile des LG Köln vom 12.12.2013 (AZ.: 14 O 612/12) (Anlage AS 1, Bl. 27 – 45 GA), des OLG Köln vom 01.08.2014 (AZ.: 6 U 20/14) (Anlage AS 2, Bl. 46 – 64 GA) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme vom 10.10.2013, LG Köln 14 O 612/12 (Bl. 522 – 527 GA) Bezug genommen.
40Der Beklagte zu 2) hat im Wege der Zwangsvollstreckung zwischenzeitlich 200 Originaltonbänder an den Kläger herausgegeben (in dem Verfahren LG Köln 14 O 612/12 war deren Zahl mit 135 beziffert worden). Die Originalaufnahmen sind jedoch zu 4/5 unvollständig; die Stimme des Klägers ist lediglich auf ca. 40 Tonbändern zu hören. Der Beklagte zu 2) verfügt weiterhin über Abschriften der Tonbänder sowie von ihm erstellte, vollständige Tonbandkopien.
41In dem Verfahren vor der erkennenden Kammer Az. 14 O 286/14 nimmt der Kläger den Beklagten zu 2) auf Herausgabe der Abschriften und Tonbandkopien in Anspruch. Die Klageschrift ist am 25.9.2014 bei Gericht eingegangen. Mit Schriftsatz vom 10.10.2014, dem Beklagten zu 2) zu Händen seiner dortigen Prozessbevollmächtigten zugestellt am 27.10.2014, hat der Kläger im Rahmen der Klageerweiterung den auf Verletzung seines Persönlichkeitsrechts gestützten Antrag angekündigt,
42dem Beklagten zu untersagen, die auf Tonbändern, auf die Stimme des Klägers zu hören ist und die in den Jahren 2001 und 2002 vom Kläger besprochen wurden, befindlichen Lebenserinnerungen des Klägers zu verbreiten und/oder zu verwerten oder auf sonstige Weise zu nutzen.
43Vor Veröffentlichung des Buches am 07.10.2014 hat der Kläger gegenüber den Beklagten zu 1) und 2) jeweils einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt mit dem Antrag, die Veröffentlichung der Lebenserinnerungen des Klägers in dem streitgegenständlichen Buch zu untersagen. Die für Pressesachen zuständige 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln hat die Anträge mit Beschlüssen vom 07.10.2014 (Az.: 28 O 433/14 und 28 O 434/14) zurückgewiesen. Der Kläger hat die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Beschwerdeverfahren zurückgenommen, nachdem das Oberlandesgericht Köln darauf hingewiesen hatte, dass die Anträge in der Ursprungsfassung keine Aussicht auf Erfolg haben dürften und eine Antragsänderung in zweiter Instanz unzulässig sei.
44Mit Anträgen vom 10.10.2014 und 17.10.2014 beantragt der Kläger nunmehr die Untersagung der Veröffentlichung und Verbreitung von 115 konkret bezeichneten Textpassagen aus dem Buch.
45Der Kläger ist der Ansicht, die Veröffentlichung und Verbreitung der antragsgegenständlichen Passagen aus dem Buch stelle im Verhältnis zu dem Beklagten zu 2) eine Verletzung der vertraglich vereinbarten Geheimhaltungsverpflichtung dar, zudem verletze die Veröffentlichung und Verbreitung ihn in seinem Persönlichkeitsrecht. Hilfsweise beruft sich der Kläger bezüglich der Textpassagen auf die Verletzung seines Urheberrechts.
46Der Kläger behauptet, im Rahmen der zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) getroffenen Absprache über die Erstellung der Tonbandaufnahmen hätten sich der Kläger und der Beklagte zu 2) konkludent auch darüber geeinigt, dass der Beklagte zu 2) nicht zu einer Veröffentlichung der Informationen berechtigt sein sollte, welche der Kläger auf Band gesprochen habe. Die Absprache sei als gesonderte vertragliche Vereinbarung getroffen worden.
47Der Kläger ist der Ansicht, die Vereinbarung einer Verpflichtung des Beklagten zu 2) zur Verschwiegenheit sei konkludent möglich gewesen und habe insbesondere nicht den Abschluss einer ausdrücklichen Autorisierungsvereinbarung vorausgesetzt. Eine solche sei allenfalls notwendig, sofern ein Journalist im Rahmen eigenständiger Recherchen Interviews führe. Dies sei der vorliegenden Konstellation nicht vergleichbar, weil der Beklagte zu 2) - unstreitig - von dem Verlag als bezahlter Ghostwriter in die Erstellung der Materialsammlung eingebunden worden sei. Der Kläger meint, aus diesem Grund sei unerheblich, ob der Beklagte zu 2) neben seiner Ghostwritertätigkeit auch den Beruf eines Journalisten ausübe.
48Der Kläger ist weiter der Ansicht, dass eine Verpflichtung des Beklagten zu 2) zur Geheimhaltung sich auch daraus ergebe, dass unstreitig sowohl in dem Autorenvertrag zwischen dem Kläger und dem Verlag als auch in dem Vertrag zwischen dem Verlag und dem Beklagten zu 2) eine Geheimhaltung bezüglich der Vertragsbedingungen verabredet worden sei, aufgrund derer der Beklagte zu 2) nicht berechtigt gewesen sei, nach außen kund zu tun, dass und welche Informationen er von dem Kläger anlässlich der Gespräche zum Zweck der Erstellung der Memoiren erlangt habe.
49Der Kläger ist ferner der Ansicht, eine Verpflichtung des Beklagten zu 2) zur Verschwiegenheit über die von dem Kläger erhaltenen Informationen anlässlich der Tonbandaufnahmen folge auch daraus, dass diese zweckgebunden zur Erstellung der Memoiren dem Beklagten zu 2) mitgeteilt worden seien. Bezüglich der der Geheimhaltungsverpflichtung unterliegenden Verschlusssachen sowie der Stasi-Akten folge eine Verpflichtung zur Geheimhaltung bereits aus der Natur der Sache.
50Der Kläger ist schließlich der Ansicht, die wörtliche oder sinngemäße Wiedergabe seiner auf den Tonbändern aufgezeichneten Äußerungen, stelle eine schwerwiegende, rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts dar, die nicht durch das Recht der Beklagten zu 1) und 3) auf Meinungs- und Pressefreiheit gerechtfertigt sei. Die in seinem Wohnhaus auf der Grundlage der Vertraulichkeitsvereinbarung mit dem Beklagten zu 2) aufgenommenen Tonbandaufnahmen seien der Intimsphäre zuzuordnen, unabhängig vom Inhalt der Äußerungen, die zudem auch äußerst private Themen berührt hätten. Diese sei absolut geschützt und im Rahmen einer Interessenabwägung gegenüber den Interessen Dritter immer vorrangig.
51Der Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben, dass er abredewidrig die Tonbänder veröffentlichen wolle. Einer solchen Veröffentlichung zu seinen Lebzeiten habe er, der Kläger, auch zu keinem Zeitpunkt zugestimmt. Der Beklagte zu 2) habe bis zur Aufkündigung der Zusammenarbeit seitens des Klägers zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben, dass er eine Veröffentlichung der Tonbandaufnahmen beabsichtige.
52Hilfsweise stützt der Kläger seinen Unterlassungsanspruch auf § 97 Abs. 1 UrhG. Hierzu vertritt er die Auffassung, nicht nur die Tonbandaufnahmen als Ganzes sondern auch die veröffentlichten Zitate seien als Sprachwerke jeweils gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG schutzfähig.
53Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 30.10.2014 hat der Kläger den schriftsätzlich angekündigten Antrag, die Verfügungsbeklagte zu 1) zu verpflichten, die bereits auf den Weg gebrachten bzw. ausgelieferten Exemplare, die eine oder mehrere der im nachfolgenden Antrag genannten Buchauszüge enthalten, vom Auslieferer und aus dem Buchhandel einschließlich Zwischenbuchhandel zurückzurufen, zurückgenommen.
54Der Kläger beantragt nunmehr,
55den Verfügungsbeklagten jeweils unter Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu untersagen, folgende Passagen aus dem im HEYNE-Verlag erschienenen Buch von Dr. Heribert Schwan und Tilman Jens „Vermächtnis – Die A-Protokolle“ in diesem Buch oder anderweitig wörtlich oder sinngemäß zu veröffentlichen oder zu verbreiten:
56(die Nummerierung wurde seitens des Gerichts hinzugefügt und folgt der Reihenfolge im Antrag des Klägers)
57-Es folgen Passagen aus dem Buch des HEYNE-Verlags-
58Die Beklagten rügen die funktionale Unzuständigkeit der erkennenden Kammer.
59Sie beantragen,
60den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
61Die Beklagten behaupten, der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt erklärt, er wünsche nicht, dass seine auf Tonband aufgenommen Äußerungen nicht veröffentlicht werden sollten. Es habe lediglich zwei oder drei Situationen gegeben, in denen der Kläger ausdrücklich darum gebeten habe, das Tonband auszustellen, was dann auch erfolgt sei. Darüber hinaus habe es Themen gegeben, bei denen der Kläger entweder während des Gesprächs oder bei der Bearbeitung der von dem Beklagten zu 2) vorgelegten Manuskripte sinngemäß geäußert habe „das kannst du später mal schreiben“. Weitere, inhaltlich über derartige Aussagen hinausgehende Beschränkungen hinsichtlich der Veröffentlichung der auf den Tonbändern aufgezeichneten Äußerungen des Klägers habe es auch mündlich nicht gegeben.
62Zur Glaubhaftmachung nehmen die Beklagten Bezug auf die eidesstattliche Versicherung des Beklagten zu 2) vom 28.10.2014, Bl. 512 f GA.
63Die Beklagten sind der Ansicht, als Journalist sei der Beklagte zu 2) auch ohne Abstimmung mit dem Kläger berechtigt, die in seiner, des Beklagten zu 2), Gegenwart erfolgten Tonbandaufzeichnungen zu veröffentlichen und zu verbreiten. Der Kläger habe dies nur durch den Abschluss einer ausdrücklichen Autorisierungsvereinbarung verhindern können, welche unstreitig nicht geschlossen worden sei. Der Kläger habe gewusst, dass der Beklagte zu 2) die auf Tonband festgehaltenen Äußerungen des Klägers veröffentlichen werde, weil er – unstreitig - gewusst habe, dass der Beklagte zu 2) Journalist war.
64Die Beklagten sind der Ansicht, dass aus den seitens des Klägers und des Beklagten zu 2) mit dem Verlag jeweils geschlossenen Verträgen eine Verpflichtung des Beklagten zu 2) zur Geheimhaltung nicht herzuleiten sei, eine solche sei auch nicht zwischen dem Kläger und dem Beklagten 2) konkludent getroffen worden, wie die 28. Zivilkammer des Landgerichts zutreffend entschieden habe.
65Die Beklagten behaupten, an den veröffentlichten Zitaten des Klägers bestünde ein überragendes öffentliches Interesse sowohl im Hinblick auf die Person des Äußernden als herausragende Person der Zeitgeschichte als auch im Hinblick auf den Inhalt der Äußerungen. So widersprächen namentlich die Aussagen des Klägers zum Grund für den Mauerfall seinen bisherigen Äußerungen in der Öffentlichkeit zu diesem Thema. Die zeitgeschichtliche Dimension der Zitate werde auch im Hinblick auf die angefachte journalistische Diskussion deutlich. Diesbezüglich nehmen die Beklagten Bezug auf veröffentlichte Interviews und Stellungnahmen von Historikern und Journalisten zu diesem Thema (Anlage AG 5, AG 6, Bl. 294-300 GA).
66Die Beklagten sind der Ansicht, die Äußerungen des Klägers seien nicht der Privat- sondern der Sozialsphäre zuzuordnen, weil es sich um Stellungnahmen des Klägers zu seinem Wirken im politischen Leben und zu politischen Freunden und Feinden gehandelt habe. Im Hinblick auf die herausragende Stellung des Klägers als Politiker sei auch unter Berücksichtigung der mit der Veröffentlichung der Tonbandprotokolle einhergehende Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers im Hinblick auf die den Beklagten zustehende Meinungs- und Pressefreiheit nicht rechtswidrig.
67Die Beklagten sind ferner der Ansicht, die in dem Buch enthaltenen, streitgegenständlichen Textpassagen seien nicht geeignet, einen Unterlassungsanspruch des Klägers zu begründen, soweit darin Zitate enthalten sein, die nicht von dem Kläger stammten oder persönliche Wertungen und Stellungnahmen der Autoren enthielten. Auch im Übrigen bestünde kein Unterlassungsanspruch des Klägers, insbesondere auch nicht aus Urheberrecht, weil die Textpassagen, soweit sie wörtliche Zitate des Klägers darstellten, nicht urheberrechtlich schutzfähig seien. Dies gelte insbesondere hinsichtlich der drastischen Ausdrücke des Klägers, mit denen er politische Gegner bedacht habe. Bereits aufgrund der Kürze des jeweiligen Ausdrucks sei eine persönliche, geistige Schöpfung nicht erkennbar und von dem Kläger überdies nicht dargetan. Dies gelte auch, wenn die Schutzfähigkeit der Gesamtheit der auf Tonband gesprochenen Lebenserinnerungen zugestanden werden könne.
68Die Beklagten sind weiterhin der Ansicht, es fehle an einem Verfügungsgrund. Eine Dringlichkeit sei nicht mehr gegeben, weil der Kläger die zunächst zu Aktenzeichen 28 O 443/14 und 28 O 444/14 gestellten Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgenommen habe. Auch gegenüber dem Beklagten zu 3) sei kein Verfügungsgrund gegeben, weil der Kläger der erst mit Schriftsatz vom 17.10.2014 ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt habe und durch langes Zuwarten zu erkennen gegeben habe, dass eine Eilbedürftigkeit insoweit nicht vorliege.
69Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
70Die gegen die Beklagten zu 1) und 2) gerichteten, hier streitgegenständlichen Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sind zunächst bei der für Pressesachen zuständigen 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln zu Aktenzeichen 28 O 447/14 und 28 O 448/14 eingegangen. Im Hinblick auf den Sachzusammenhang mit dem bereits vor der 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln anhängigen Rechtsstreit 14 O 286/14 hat die 28. Zivilkammer das Verfahren an die 14. Zivilkammer abgegeben (AZ 14 O 315/14 und 14 O 316/14).
71Mit Beschluss vom 24.10.2014 hat die erkennende Kammer die Verfahren 14 O 315/14; 14 O 316/14 und 14 O 322/14 wegen Sachzusammenhangs miteinander verbunden.
72Entscheidungsgründe
73A.
74Die erkennende Kammer ist zur Entscheidung über die nunmehr verbundenen Verfahren 14 O 315/14 (zuvor 28 O 447/14 LG Köln), 14 O 316/14 (zuvor 28 O 448/14 LG Köln) und 14 O 322/14 gemäß Teil 1 B Ziffer 3 des Geschäftsverteilungsplans des Landgerichts Köln für das Geschäftsjahr 2014 zuständig. Danach sind mehrere Streitigkeiten zwischen denselben Parteien, die dasselbe Rechtverhältnis betreffen, von derselben Kammer zu bearbeiten, und zwar auch dann, wenn diese Kammer für einzelne Streitigkeiten nicht zuständig wäre. Werden in getrennten Verfahren Rechtsfolgen aus demselben tatsächlichen Sachverhalt hergeleitet, so sind alle Verfahren von derselben Kammer zu bearbeiten, und zwar auch dann, wenn diese Kammer für einzelne Streitigkeiten nicht zuständig wäre oder an den einzelnen Verfahren verschiedene Prozessparteien beteiligt sind. Nach Abtrennung von Klage, Widerklage oder von Teilen hiervon bleibt die Kammer zuständig, bei der die Sache ursprünglich eingetragen war.
75Die Zuständigkeit der Kammer nach diesen Grundsätzen wegen Sachzusammenhangs ergibt sich aus dem Sachzusammenhang zwischen den Verfahren einerseits und dem Sachzusammenhang zwischen dem Verfahren 14 O 316/14 (zuvor 28 O 448/14) und dem bereits zuvor bei der Kammer anhängigen Klageverfahren 14 O 286/14 andererseits.
76In dem Klageverfahren 14 O 286/14 hat der Kläger den Beklagten zu 2) zunächst nur gestützt auch auf Urheberrecht auf Herausgabe der Vervielfältigungsstücke der streitgegenständlichen Tonbänder in Anspruch genommen. Die Zuständigkeit der erkennenden Kammer für diese Streitigkeit folgt aus Teil 2 A Rn. 124 des Geschäftsverteilungsplans. Im Rahmen der Klageerweiterung vom 10.10.2014 hat der Kläger den Beklagten zu 2) auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung der Lebenserinnerungen des Klägers in dem streitgegenständlichen Buch in Anspruch genommen und diesen Antrag auf eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts gestützt. Durch die Klageerweiterung ist die Kammer auch für das einstweilige Verfügungsverfahren des Klägers gegen den Beklagten zu 2) zuständig geworden. Gegenstand des einstweiligen Verfügungsverfahrens zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) ist die damit in Zusammenhang stehende Untersagung der Veröffentlichung und Verbreitung der Lebenserinnerungen des Klägers, konkretisiert in 115 Textpassagen, die in Sachzusammenhang (Teil 1 B 3 Rn. 19, 20 des Geschäftsverteilungsplans) stehen, da die geltend gemachten Ansprüche dasselbe rechtliche Verhältnis zwischen denselben Parteien betreffen.
77Die Zuständigkeit der 28. Zivilkammer für die in Sachzusammenhang stehenden Verfügungsverfahren und das Streitverhältnis, das der Klageerweiterung in dem Klageverfahren 14 O 286/14 zugrundeliegt, scheidet schon deshalb aus, weil nach Teil 1 B 3 Rn. 26 des Geschäftsverteilungsplans auch nach einer etwaigen Abtrennung dieses Teils der Klage die Kammer zuständig bleibt, bei der die Sache ursprünglich eingetragen war, mithin die erkennende Kammer. Anlass, den gesamten Rechtsstreit 14 O 286/14 einschließlich des Herausgabeverlangens im Wege des Sachzusammenhangs der 28. Zivilkammer zuzuordnen, besteht aufgrund des Geschäftsverteilungsplans und auch sonst nicht.
78B.
79Der Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegenüber dem Beklagten zu 2) ist überwiegend begründet. Der Kläger hat vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß §§ 935ff, 940 ZPO vorliegen.
80I.
81Der Kläger hat gegenüber den Beklagten zu 2) im zuerkannten Umfang einen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung der streitgegenständlichen Textpassagen aus Vertrag wegen Verletzung der dem Beklagten zu 2) obliegenden Geheimhaltungsverpflichtung, § 241 S. 1 und 2 BGB.
82Im Rahmen der Einigung des Klägers und des Beklagten zu 2) über die Aufzeichnung der Ausführungen des Klägers zu Zwecken der Materialsammlung für seine Memoiren auf Tonband einigten sich der Kläger und der Beklagte zu 2) zugleich konkludent dahingehend, dass der Beklagte zu 2) über die von dem Kläger ihm anvertrauten Informationen und Einschätzungen, jedenfalls soweit sie nicht vorbekannt waren, Stillschweigen zu bewahren hat.
83Diese Vereinbarung war auch konkludent möglich. Entgegen der Ansicht der Beklagten setzt eine vertragliche Verpflichtung des Beklagten zu 2) zur Verschwiegenheit nicht den Abschluss einer ausdrücklichen Autorisierungsvereinbarung voraus.
84Die Tonbandaufzeichnungen sind nicht Ergebnis der journalistischen (Recherche-) Tätigkeit des Beklagten zu 2). Der Beklagte zu 2) wurde bei der Erstellung der Tonbandaufzeichnungen nicht als „Journalist und Historiker“ zugezogen und führte auch nicht im Rahmen eigener journalistischer Recherchen ein Interview mit dem Kläger. Vielmehr war der Beklagte zu 2) als von dem Verlag beauftragter und bezahlter, verdeckt arbeitender Schriftsteller (Ghostwriter), der aufgrund der mit dem Verlag getroffenen Vereinbarung nach außen hin nicht in Erscheinung treten durfte, mit der Erstellung der Materialsammlung für die Memoiren des Klägers betraut worden, wobei das auf Grundlage dieser Materialsammlung von dem Beklagten zu 2) zu erstellende Manuskript nach den gleichlautenden Vereinbarungen in den Verlagsverträgen vor einer Veröffentlichung der Endkontrolle durch den Kläger unterlag.
85Im Einzelnen:
861. Die Kammer hält auf Grundlage des Vortrags der Parteien im vorliegenden Verfahren an ihrer mit Urteil vom 12.12.2013 (Az: 14 O 612/12) begründeten Auffassung fest, dass die Erstellung der Tonbandaufnahmen nicht im rechtsfreien Raum oder im Rahmen einer Gefälligkeit von Seiten des Beklagten zu 2) erfolgte, sondern Gegenstand eines zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) vereinbarten Auftragsverhältnisses im Sinne von § 662 BGB war. Anlass von dieser Einschätzung abzuweichen besteht auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 01.08.2014 (6 U 20/14) nicht, da das Oberlandesgericht Köln dem Herausgabeanspruch des Klägers aus § 985 BGB stattgegeben, zugleich jedoch ausgesprochen hat, dass aufgrund der Interessenlage der Beteiligten viel dafür spräche, dass aus dem Vertragswerk auch ein schuldrechtlicher Herausgabeanspruch des Klägers folge, wobei der Rechtsgedanke des § 667 die BGB mit herangezogen werden könnte.
87a) Die Parteien haben bei der Einigung über die Vornahme der Tonbandaufzeichnungen mit Rechtsbindungswillen gehandelt (§§ 145, 151 BGB). Stehen, für den Beauftragten erkennbar, wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel, lässt dies regelmäßig auf Rechtsbindungswillen schließen (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl. , Einf.v. § 662 Rz. 4 m.w.N.). So liegt der Fall hier.
88Die Tonbandaufzeichnungen, die Grundlage des zu erstellenden Manuskripts für die Memoiren sein sollten, waren von erheblicher auch wirtschaftlicher Bedeutung für den Kläger. Sie waren die Grundlage für seine Memoiren. Schon der zunächst nur vorgesehene Aufwand von 200 Stunden für die Erstellung der Materialsammlung war auch für den Kläger außerordentlich umfangreich, zeitraubend und belastend. Auch gewährleistete erst die Aufzeichnung der Mitteilungen des Klägers auf Tonband die vertraglich vorgesehene Unabhängigkeit des Klägers von dem Beklagten zu 2) als Ghostwriter und dessen Austauschbarkeit für den Fall mangelnden weiteren Vertrauens. Sie ermöglichte dem Kläger, auch im Falle einer Beendigung der Zusammenarbeit mit dem Beklagten zu 2) ohne Zeitverzögerung und erneute Anstrengung auf die fixierte Materialsammlung zurückzugreifen. Diese Wertung gilt erst recht für die 630 Stunden, die insgesamt aufgezeichnet wurden.
89Das zwischen den Parteien vereinbarte Vertragsverhältnis ist als Auftragsverhältnis einzustufen, da die Materialsammlung im Interesse des Klägers als Auftraggebers und nach dessen Weisung erfolgte, wobei die Tätigkeit des Beklagten zu 2) für den Kläger kostenfrei sein sollte.
90Der Kläger war Auftraggeber i.S.v. § 662 BGB bezüglich der Tonbandaufzeichnungen, da diese unstreitig zu dem Zweck erfolgten, als Materialsammlung für die zu erstellenden Memoiren des Klägers zu dienen und die Bestimmung über Art und Umfang der Aufzeichnungen dem Kläger zustand und der Beklagte zu 2) nach den Weisungen des Klägers gehandelt hat. Beide Parteien haben im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf die Bekundungen des Zeugen Dr. T in dem Verfahren 14 O 612/12 als gerichtsbekannt Bezug genommen. Dieser hat u.a. ausgesagt, dass es der Kläger war, der entschied was auf den Tonbändern aufgezeichnet werden sollte. Dahinstehen kann, ob der Beklagte zu 2) auch in persönlichem, eigenen Interesse handelte, da der Annahme eines Auftragsverhältnisses nicht entgegensteht, dass der Beauftragte mit seiner Tätigkeit eigene Interessen mitverfolgt (BGHZ 16, 225 (273); Münch.Komm/Seiler, BGB § 662 Rz 23).
91Die vertragliche Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) gründet sich zunächst darauf, dass sowohl der Beklagte zu 2) wie auch der Kläger vertraglich gegenüber dem Verlag zur gegenseitigen Zusammenarbeit verpflichtet waren. Bereits in den Verlagsverträgen ist explizit vorgesehen, dass die Einzelheiten der Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) von diesen gesondert besprochen werden sollten. Die Verlagsverträge enthielten insoweit folglich keine abschließende Regelung, sondern sahen im Gegenteil ausdrücklich vor, dass der Kläger und der Beklagte zu 2) untereinander verbindlich regeln würden, wie sie zusammenarbeiten würden. Die schriftlichen Verträge des Verlages mit dem Kläger und dem Beklagten zu 2) waren mithin bereits so angelegt, dass der Kläger und der Beklagte zu 2) eine vertraglich bindende Vereinbarung auch in Form eines Auftragsverhältnisses treffen würden, mit der in den Verlagsverträgen so ausdrücklich zunächst nicht vorgesehenen Verpflichtung des Beklagten zu 2) zur Erstellung von Tonbandaufzeichnungen.
92Im Rahmen des zwischen den Parteien vereinbarten Vertragsverhältnisses haben der Kläger und der Beklagte zu 2) zugleich vertraglich vereinbart, dass die Äußerungen des Klägers auf den Tonbandprotokollen nicht ohne Zustimmung des Klägers von dem Beklagten zu 2) veröffentlicht oder verbreitet werden durften, § 151 S. 1 1. HS BGB.
93Die Bereitschaft des Beklagten zu 2), an der Materialsammlung für die Memoiren des Klägers als öffentlich nicht zu benennender Ghostwriter mitzuwirken und die Tonbandaufzeichnungen nach den Weisungen des Klägers durchzuführen, war als konkludente Willenserklärung gemäß §§ 133, 157 BGB aus Sicht des Klägers als Erklärungsempfängers dahin zu verstehen, dass der Beklagte zu 2) sich zur Verschwiegenheit über die ihm im Rahmen der Materialsammlung von Seiten des Klägers vertraulich mitgeteilten Informationen verpflichten wollte. Der Kläger hat diese Erklärung konkludent durch Zusammenarbeit mit dem Beklagten zu 2) angenommen.
94Die zum Abschluss eines Vertrages führenden Willenserklärungen der Parteien sind so auszulegen, wie sie bei verständiger Würdigung aus Sicht eines objektiven Dritten anstelle des Erklärungsempfängers verstanden worden wären, §§ 133, 157 BGB. Danach konnte der Kläger im Hinblick auf die Bedeutung, die die Materialsammlung für die Erstellung der Memoiren hatte, sowie auf die Bedeutung der mitzuteilenden Informationen die von Seiten des Beklagten zu 2) erklärte Bereitschaft, an den Tonbandaufzeichnungen mitzuwirken, nur so verstehen, dass der Beklagte zu 2) sich zur Verschwiegenheit hinsichtlich der von Seiten des Klägers anvertrauten Informationen verpflichten wollte. Denn der Beklagte hatte sich bereits – insoweit ausdrücklich und schriftlich – gegenüber dem Verlag bereit erklärt und verpflichtet, als Ghostwriter, d.h. als im Verborgenen Arbeitender, an den Memoiren des Klägers und den Vorarbeiten hierfür mitzuwirken. Da er nach außen hin in keiner Weise erkennbar sein sollte, dass und in welcher Form der Beklagte zu 2) an den Memoiren des Klägers mitgewirkt hatte, war denknotwendig, dass der Beklagte zu 2) Stillschweigen darüber bewahrte, dass er im Rahmen der erstellenden Memoiren Information von dem Kläger Tonbandprotokollen erhalten hatte und ferner, um welche Informationen es sich handelte. Aus diesem Grund konnte der Kläger erwarten und das Verhalten des Beklagen zu 2) nur so verstehen, dass der Beklagte zu 2) auch ihm, dem Kläger gegenüber, bereit war, hinsichtlich der mitgeteilten Informationen Stillschweigen zu bewahren, da die Verpflichtung zur Verschwiegenheit der erhaltenen Informationen einerseits mit einer Berechtigung zur Veröffentlichung derselben Informationen andererseits nicht zu vereinbaren ist.
95Hinzu kommt, dass im Rahmen der Materialsammlung dem Beklagten zu 2) Zugang zu Informationen gewährt werden sollte und gewährt wurde, bezüglich derer eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit bereits, auch für den Beklagten zu 2) erkennbar, immanent war. Dies gilt zum einen für die Stasi-Akte des Klägers, deren Inhalt Gegenstand der Tonbandprotokolle war und die der Kläger in einem langwierigen Rechtsstreit gegen eine Veröffentlichung hatte sperren lassen. Wenn dem Beklagten zu 2) als Mitarbeiter an den Memoiren gleichwohl eine vollständige Einblicknahme seitens des Klägers gewährt wurde, implizierte dies zugleich die berechtigte Erwartung des Klägers, dass der Beklagte nicht ohne Zustimmung des Klägers Äußerungen des Klägers hierzu veröffentlichten würde. Gleiches gilt hinsichtlich der Äußerungen des Klägers zu Geheimakten, die noch Jahrzehnte der Geheimhaltung unterliegen und zu denen der Beklagte zu 2) nur deshalb nach einer eingehenden Sicherheitsüberprüfung seines Leumunds und Lebenswandels (Buch S. 48) Zugang erlangte, weil diese dem Kläger zweckgebunden zur Erstellung seiner Memoiren zur Verfügung gestellt worden waren.
96Die Einblicknahme seitens des Beklagten zu 2) in solche Informationen konnte der Kläger als Erklärungsempfänger nur so verstehen, dass der Beklagte zu 2) bereit war, den Willen des Klägers selbst über die Veröffentlichung der in diesem Zusammenhang mitgeteilten Informationen zu achten und ohne Zustimmung des Klägers Stillschweigen zu bewahren.
97Genauso musste der Beklagte zu 2) dies verstehen. In Anbetracht der vertraglichen Situation mit dem Verlag einerseits und den ihm zugänglich gemachten Informationen andererseits, die weit über das Maß hinausgingen, was ein hochrangiger Politiker, insbesondere der Kläger, einem Journalisten ermöglichen wollte, konnte und durfte er nicht davon ausgehen, als "normaler" Journalist mit dem Kläger lediglich ein Interview zu führen.
98Der Beklagte zu 2) war auch deshalb nicht nur gegenüber dem Verlag, sondern auch gegenüber dem Kläger zur Verschwiegenheit verpflichtet, da die Verwertbarkeit dem Auftrag des Klägers von dem Beklagten zu 2) vorzunehmenden Tonbandaufzeichnungen durch eine vorzeitige Veröffentlichung der darin enthaltenen Informationen seitens des Beklagten zu 2) zumindest eingeschränkt wurde. Auch aus diesem Grund war der Beklagte zu 2) im Rahmen des Auftragsverhältnisses zur Rücksichtnahme verpflichtet auf die Interessen des Auftraggebers, die vorliegend zur Verschwiegenheit jedenfalls hinsichtlich der Informationen den Beklagten zu 2) verpflichteten, die von dem Kläger selbst noch nicht verwertet worden waren oder nicht verwertet werden sollten. Wenn und soweit, wie auf Seite 11, 58 des Buches ausgeführt, („A unplugged“, "A darf Klartext reden“) die nicht vorbekannten, wörtlichen Äußerungen auf den Tonbändern des Klägers veröffentlicht wurden, war nicht nur dem Verlag, sondern auch dem Kläger zumindest die Erstverwertung dieser Informationen für seine Memoiren nicht mehr möglich. Dies widerspricht der Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2), dass der Beklagte zu 2) die Tonbandaufzeichnungen im Interesse des Klägers vornehmen sollte und der Beklagte zu 2) im Rahmen der Materialsammlung und der Erstellung der Memoiren im Verhältnis zum Kläger lediglich eine untergeordnete, „dienende“ Funktion haben sollte. Auch aus diesem Grund war der Beklagte zu 2) verpflichtet, bis zur Freigabe seitens des Klägers Stillschweigen über die ihm anvertrauten, auf den Tonbändern fixierten Äußerungen des Klägers zu bewahren.
99b) Diese Verpflichtung zum Stillschweigen besteht auch noch heute, da auch nach Vortrag des Beklagten zu 2) der Inhalt der Tonbandaufzeichnungen lediglich zu 10 % in den Memoiren des Klägers verwertet wurde.
100So betreffen die in dem Buch veröffentlichen, streitgegenständlichen Textpassagen ganz überwiegend Äußerungen des Klägers zu Vorgängen und Personen bezüglich des Zeitraums nach 1994, der in den ersten drei Bänden der Memoiren noch nicht abgehandelt worden ist.
101c) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine ausdrückliche Verschwiegenheitsvereinbarung zwischen den Parteien nicht erforderlich war, da Grundlage für die Zusammenarbeit der Parteien bei der Materialsammlung die Erstellung der Memoiren durch den Beklagten zu 2) als Ghostwriter war, der nach außen hin nicht in Erscheinung treten durfte und für diese Tätigkeit bezahlt worden war. Da die Durchführung dieses Projektes nur bei Einhaltung der Verschwiegenheit, zu der sich der Beklagte zu 2) gegenüber dem Verlag zudem ausdrücklich verpflichtet hatte, möglich war, war die Mitwirkung des Beklagten an der Materialsammlung und damit auch an den Tonbandaufnahmen, die zudem auf Veranlassung des Klägers erfolgte, aus Sicht des Klägers nur so zu verstehen, dass der Beklagte zu 2) bereit war, das Geheimhaltungsinteresse des Klägers zu achten und damit auch die notwendige Verschwiegenheit einzuhalten.
102Die von dem Beklagten zu 2) beschriebene „geradezu atemberaubende Offenheit“ (Buch S. 19) des Klägers, ebenso wie die von dem Zeugen Dr. T bekundete außerordentlich vertrauensvolle Atmosphäre während der Tonbandaufzeichnungen belegen, dass der Kläger während der Erstellung der Tonbandaufzeichnungen von einer Verpflichtung des Beklagten zu 2) zur Verschwiegenheit auch tatsächlich ausging, und dies für den Beklagten zu 2) auch eindeutig erkennbar war.
103d) Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte zu 2) in der eidesstattlichen Versicherung erklärt hat, es habe mit dem Kläger keine vertraglichen Vereinbarungen über eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit gegeben und der Kläger habe nur in einzelnen Situationen erklärt, gewisse Themen könne er, der Beklagte zu 2) später mal veröffentlichen.
104Bereits der Umstand, dass der Kläger nach Vortrag des Beklagten zu 2) Anweisungen des Inhaltes erteilt hat, der Beklagte könne „später“ gewisse, von den Beklagten nicht näher bezeichnete Themen veröffentlichen, indiziert, dass der Kläger seiner Auffassung nach berechtigt war, darüber zu entscheiden, was zu welchem Zeitpunkt veröffentlicht werden sollte. Damit ist nicht zu vereinbaren, dass der Beklagte zu 2) nach seinem Vortrag völlig freie Hand gehabt habe, über eine Veröffentlichung nach eigenem Gutdünken zu entscheiden. Dies wäre aber die logische Konsequenz, wenn die Parteien keine vertraglichen Vereinbarungen über eine Verschwiegenheit des Beklagten zu 2) getroffen hätten. Vielmehr ist aufgrund des unstreitigen Sachverhalts davon auszugehen, dass das Verhalten des Beklagten zu 2) gegenüber dem Kläger im Rahmen der Erstellung der Tonbandaufnahmen den Erklärungswert hatte, dass sich der Beklagte zu 2) zur Verschwiegenheit gegenüber dem Kläger hinsichtlich der auf den Tonbändern aufgezeichneten Informationen verpflichten wollte und dass der Kläger diese Erklärung auch so verstanden hat.
105Wenn der Beklagte zu 2) seinem Verhalten einen anderen Erklärungswert beigemessen hat, worauf die eidesstattliche Versicherung des Beklagten hindeutet, oder insgeheim nicht bereit war, sich an die konkludent erklärte Bereitschaft zur Verschwiegenheit tatsächlich zu halten, so ist dieser Vorbehalt des Beklagten unbeachtlich, da er unstreitig dem Kläger gegenüber nicht erklärt worden ist (§ 116 S. 1 BGB).
106e) Die Verpflichtung des Beklagten zu 2) zur Verschwiegenheit entfiel auch nicht aufgrund der Aufkündigung der Zusammenarbeit des Klägers mit dem Beklagten zu 2) im Jahr 2009. Die Aufkündigung der Zusammenarbeit ließ die bereits eingegangenen Verpflichtungen unberührt und bezog sich nur auf die Erstellung des vierten Bandes der Memoiren. Die von dem Kläger und dem Beklagten zu 2) eingegangenen Verpflichtungen in Bezug auf die Erstellung der Tonbandaufzeichnungen, für die der Beklagte zu 2) einen von Seiten des Verlags garantierten, auf Honoraransprüche jedoch anrechenbaren Betrag von XXXX DM erhalten hatte, bestehen hingegen unverändert fort, wie auch die Vereinbarungen des Klägers und des Beklagten zu 2) hinsichtlich der ersten drei Bände der Memoiren mit dem Verlag.
1072. Aufgrund des mit dem Beklagten zu 2) geschlossenen Auftragsvertrages, der den Beklagten zugleich zur Verschwiegenheit über die ihm anvertrauten Informationen verpflichtete, hat der Kläger gemäß § 241 S. 2 BGB einen Anspruch auf Unterlassung der Weitergabe sämtlicher von dem Kläger stammender, auf den streitgegenständlichen Tonbändern festgehaltenen Informationen an Dritte, es sei denn, es handelte sich um solche, die entweder bereits vorbekannt waren (a) oder hinsichtlich derer der Kläger den Beklagten zu 2) von seiner Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden hatte (b).
108Dies gilt auch hinsichtlich derjenigen Äußerungen, die in Teil II des Buches „Tilman Jens: Komm, wir heben einen Schatz!“ enthalten sind, da auch insoweit die Veröffentlichung und Verbreitung der Äußerungen des Klägers auf (Mit-)Veranlassung und in (Mit-)Verantwortung des Beklagten zu 2) erfolgte. Denn die Auswahl (auch) der streitgegenständlichen 115 Textpassagen zum Zwecke ihrer Veröffentlichung durch die Beklagte zu 1) erfolgte in intensiver Zusammenarbeit aller Beklagter, wie der Justiziar der Beklagten zu 1) in der mündlichen Verhandlung vom 30. Oktober 2010 erläutert hat. Das Buch als solches ist, wie dementsprechend auch dem Vorwort (Seite 10) zu entnehmen ist, ein „Teamwork“ der Beklagten zu 2) und 3), weshalb sich der Beklagte zu 2) im Verhältnis zum Kläger die auf seine Veranlassung und mit seinem Einverständnis entstandenen Beiträge der Beklagten zu 1) und 3) zu der mit der Veröffentlichung und Verbreitung der Äußerung des Klägers einhergehenden Vertragsverletzungen als Mittäter zurechnen lassen muss.
109a) Auf vorbekannte Informationen und Tatsachen, die der Beklagte zu 2) nicht erstmalig im Rahmen der auf Tonband aufgenommenen Äußerungen des Klägers erfuhr, sondern von denen er bereits zuvor Kenntnis hatte, konnte der Kläger demgegenüber aus Sicht des Beklagten zu 2) mangels ausdrücklicher weitergehender Vereinbarung keine Verschwiegenheit erwarten, da diese Umstände nicht „geheim“ im Sinne von erstmals anvertraut waren und der Kläger deshalb auch kein Anspruch auf Vertraulichkeit erheben konnte.
110Dabei obliegt die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast, welche Umstände in diesem Sinne „vorbekannt“ waren und nicht der Verpflichtung zur Geheimhaltung unterlagen, dem Beklagten zu 2). Denn aufgrund der zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) vereinbarten Vertraulichkeit der Tonbandprotokolle war der Beklagte grundsätzlich zu einer auch nur sinngemäßen Wiedergabe von hierauf enthaltenen Äußerungen des Klägers nicht berechtigt.
111Ferner ist der Beklagte zu 2) nicht berechtigt, auch bezüglich vorbekannter Umstände, die Gegenstand der auf Tonband festgehaltenen Äußerungen des Klägers waren, Zitate des Klägers in wörtlicher oder indirekter Rede wiederzugeben oder zu beschreiben, in welcher Form sich der Kläger verhalten oder ausgedrückt hat. Denn die Art und Weise, wie sich jemand ausdrückt, hängt wesentlich von dem persönlichen Vertrauensverhältnis zu seinem Gesprächspartner ab. Unbefangen mitteilen wird sich nur, wer den Teilnehmerkreis kennt und ihn unter Kontrolle hat oder dies zumindest glaubt (vgl. BGH, Urt.v.10.03.1987- VI ZR 244/85 – BND-Interna, NJW 1987, 2667 – 2669, zit. nach juris Rn. 15). Gerade weil der Kläger aufgrund der vertraglich vereinbarten Verschwiegenheit sich unbefangen äußern konnte, Stimmungsschwankungen wie Verbitterung und Zorn nicht verhehlen musste, und sich darauf verlassen konnte, dass diese mangelnde Zurückhaltung nicht nach außen dringen würde, ist der Beklagte zu 2) auch bezüglich vorbekannter Informationen zur Verschwiegenheit über die Art und Weise, in der diese Äußerungen ihren Niederschlag auf den Tonbändern gefunden haben, verpflichtet.
112b) Äußerungen, bezüglich derer der Kläger den Beklagten zu 2) von seiner Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden hat, unterfallen gleichfalls nicht dem Unterlassungsanspruch des Klägers. Auch diesbezüglich gilt jedoch, dass die Darlegungs- und Glaubmachungslast nicht dem Kläger obliegt. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat nicht der Kläger vorzutragen und glaubhaft zu machen hat, dass mit Ausnahme der von Seiten des Klägers erteilten Anweisungen ansonsten keine Bindung des Beklagten zu 2) zur Verschwiegenheit vereinbart worden sei, sondern vielmehr hat der Beklagte zu 2) aufgrund der grundsätzlich vereinbarten Verpflichtung zur Verschwiegenheit darzulegen und glaubhaft zu machen, dass der Kläger zu den in das Buch aufgenommenen, den Tonbandprotokollen entnommenen Äußerungen des Klägers, sein Einverständnis mit einer Veröffentlichung und Verbreitung zum jetzigen Zeitpunkt erteilt hatte.
113Für ein solches Einverständnis hat der Beklagte zu 2) nichts substantiiert dargetan. Die „Themen“, hinsichtlich derer der Kläger, der eidesstattlichen Versicherung des Beklagten zu 2) zufolge erklärt habe, „dass kannst du später mal schreiben“, sind von den Beklagten zu 2) nicht näher konkretisiert worden. Hinzu kommt, dass ein mögliches, in den Jahren 2001/2002 erteiltes Einverständnis des Klägers mit einer späteren Veröffentlichung seiner Äußerung zu einem Zeitpunkt erfolgte, als zwischen den Parteien ein Verhältnis bestand, welches sowohl von dem Beklagten zu 2) als auch von dem Zeugen Dr. T übereinstimmend als außerordentlich vertrauensvoll beschrieben wurde. Der Beklagte zu 2) schildert sein Verhalten während der Aufzeichnung der Tonbandprotokolle wie folgt:
114„Als Ghostwriter kannst du kein Fass aufmachen. Ich habe mich angepasst, die mir ureigene Tugend des Neinsagens aufgegeben. Längst hatte das System K. auch von mir Besitz ergriffen. Ich dachte und fühlte fast schon wie A… Die Identitäten verschwammen bedenklich“ (Buch Seite 47)
115Wenn der Kläger auf der Grundlage der damals existierenden Vertrauensbeziehung zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) sein Einverständnis zur späteren Veröffentlichung vereinzelter Informationen erteilt haben sollte, wäre dieser Einverständniserklärung mit der vorzeitigen Beendigung der Zusammenarbeit der Parteien die Grundlage entzogen worden.
116Eine etwaige Zustimmung, die Materialien nach Abschluss der Memoiren weiter zu verwenden, setzte das Vertrauen des Klägers in die Fähigkeit des Beklagten zu 2) voraus, mit den vom Kläger zur Verfügung gestellten Materialien im Sinn des Klägers umzugehen. Entfiel das Vertrauen des Klägers in den Beklagten zu 2), entfiel auch die Grundlage für eine etwaige Zusage, die daher dem Beklagten zu 2 ) keine über die seinerzeit geschlossenen Verträge hinausgehenden Rechte verschaffen konnte. (so auch Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 1.8.2014, AZ. 6 U 20/14; S. 17, Bl. 62 GA). Aus diesen Gründen ist für die Entscheidung des vorliegenden Verfahrens nicht maßgeblich, ob und bezüglich welcher Themen der Kläger sein Einverständnis gegenüber dem Beklagten zu 2) zum damaligen Zeitpunkt erteilt haben mag. Der Beklagte zu 2) hat nicht dargetan und glaubhaft gemacht, dass der Kläger nach Aufkündigung der Zusammenarbeit mit dem Beklagten zu 2) im Jahr 2009 sein Einverständnis mit einer Veröffentlichung der Tonbandäußerungen erklärte. Das Gegenteil ergibt sich aus dem Verhalten des Klägers, der im Wege der einstweiligen Verfügung versuchte und mit dem vorliegenden Verfahren erneut versucht, die Veröffentlichung seiner Lebenserinnerungen und damit auch der Äußerungen auf den Tonbandprotokollen vor und nach Veröffentlichung des Buches mittels einstweiliger Verfügung untersagen zu lassen.
117c) Nach diesen Grundsätzen besteht ein Unterlassungsanspruch des Klägers hinsichtlich der streitgegenständlichen Textpassagen wie folgt:
118aa) Ein Unterlassungsanspruch des Klägers besteht auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung der auf Tonband aufgezeichneten Äußerungen zunächst hinsichtlich der nachfolgenden Textpassagen, die ausschließlich Äußerungen des Klägers in direkter oder indirekter Rede enthalten:
119Nr. 1 - 6, Nr. 8, Nr. 11-17, Nr. 20 - 22, Nr. 24-27, Nr. 29-34, Nr. 37, Nr. 40 - 42, Nr. 44 - 45, Nr. 47 – 48, Nr. 51 – 52, Nr. 54 – 56, Nr. 58 – 59, Nr. 61, Nr. 63 – 66, Nr. 68, Nr. 71, Nr. 74 – 83, Nr. 85, Nr. 88, Nr. 90, Nr. 92, Nr. 94 – 96, Nr. 98-99, Nr. 101, Nr. 103, Nr. 105-114
120bb) Ferner besteht ein Unterlassungsanspruch des Klägers auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung bezüglich nachfolgender Textpassagen, auch soweit neben den in direkter oder indirekter Rede wiedergegebenen Äußerungen des Klägers in den angegriffenen Textpassagen Erläuterungen von Autorenseite enthalten sind, da diese ausschließlich dazu dienen, zu verdeutlichen, auf wen oder was sich die ansonsten nicht zuzuordnende, da aus dem Zusammenhang gerissene, Äußerung des Klägers bezieht, beispielsweise:
121Nr. 18
122Nr. 19
123Nr. 35
124Ohne diese Einleitung wäre nicht nachzuvollziehen, worauf sich das nachfolgende wörtliche Zitat des Klägers, Herrn Q betreffend, bezog. Hinzu kommt, dass das Zitat des Klägers
125„(Es folgt ein Zitat …)“
126mitten im Satz beginnt und demzufolge eine vorangegangene, der Einleitung des Autors sinngleiche Erläuterung des Klägers Gegenstand der Tonbandprotokolle sein muss.
127Nr. 53
128Nr. 57
129Nr. 62
130Nr. 72 (S. 143 zu E) „(Es folgt ein Zitat)“ leitet das nachfolgende wörtliche Zitat des Klägers ein und erläutert dieses, gleiches gilt für die daran anschließende Einleitung des nächsten wörtlichen Zitat mit „(Es folgt ein Zitat) "
131Nr. 73
132Nr. 91
133Nr. 93
134Nr. 115
135cc) Ferner hat der Kläger Anspruch gegen den Beklagten zu 2) auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung auch solcher Textpassagen, die die Zitate des Klägers einleiten und dabei wiedergeben, in welcher Art der Kläger sich nach Ansicht des Autors geäußert hat, da die Verpflichtung des Beklagten zu 2) zur Verschwiegenheit sich nicht nur auf den Wortlaut der Äußerung als solche sondern aus o.g. Gründen auch auf die Art und Weise, wie sie erfolgte, bezieht. Denn Tonfall und Ausdrucksweise, ob spöttisch, scherzend oder herablassend, vermögen der Äußerung einen ganz unterschiedlichen Sinngehalt zu verleihen.
136Dies gilt beispielhaft für die Vorbemerkungen „Und zumindest die Art, wie er das sagt, ist schwer erträglich“ (Nr. 46) und „A schlägt zurück“ (Nr. 50).
137dd) Ein Unterlassungsanspruch des Klägers besteht des Weiteren hinsichtlich solcher Textpassagen, die die Äußerungen des Klägers zum Teil in wörtlicher oder indirekter Rede, zum Teil mit eigenen Worten des Autors wiedergeben, da es hinsichtlich der Verletzung der Geheimhaltungsverpflichtung keinen Unterschied macht, in welcher Form die von Seiten des Klägers erlangten, auf den Tonbandprotokollen festgehaltenen Äußerungen des Klägers wiedergegeben werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass die Tonbandprotokolle als Niederschrift 3000 Seiten umfassen und eine Wiedergabe der Äußerungen des Klägers, wenn auch nur ansatzweise der Zusammenhang noch verständlich sein sollte, in dem sie gefallen sind, die Autoren zumindest stellenweise zu komprimierter Zusammenfassung des genauen Wortlauts in eigenen Worten nötigte.
138Nach diesen Grundsätzen war der Beklagte zu 2) nicht berechtigt, die Informationen und Einschätzungen, die er von dem Kläger erhalten hatte, jedoch nicht vorbekannt waren, zusammenfassend wiederzugeben, da auch bei wertender, zusammenfassender Wiedergabe der Beklagte zu 2) mitteilte, welche Mitteilungen er von dem Kläger erhalten hatte und damit seine Verpflichtung zur Verschwiegenheit verletzte. Dies gilt auch, soweit der Autor zugleich mit der zusammenfassenden Wiedergabe seine persönliche Bewertung des Verhaltens oder der Äußerung des Klägers verband, soweit damit zugleich eine Mitteilung der von dem Kläger erhaltenen, auf den Tonbandprotokollen festgehaltenen Informationen verbunden war.
139Dies gilt für folgende Textpassagen:
140Nr. 10
141Bei dem Zitat des Klägers handelt es sich um ein solches, das gleichfalls auf den Tonbandprotokollen enthalten ist, wie sich aus der Anmerkung Nr. 3, Buch S. 61,237, ergibt. Die Bewertung des Autors „Kurz: A verlangte mehr. Er kannte die gängigen Sätze“ ist aus vorstehenden Gründen gleichfalls zu unterlassen, da sie in gleicher Weise wie das vorangegangene Zitat die von dem Kläger auf den Tonbandprotokollen mitgeteilte Informationen vermittelt, dass es eine dem Kläger bekannte Praxis von Parteispenden in einer bestimmten Höhe gegeben und der Kläger diese eingefordert habe.
142Der Beklagte zu 2) hat nicht vorgetragen, dass ihm diese Informationen bereits vorbekannt gewesen sei, hiergegen spricht bereits, dass in dem Buch in Anm. 3 (237) als Quelle ausschließlich Bezug genommen wird darauf, dass der Kläger diese Geschichte auf den Tonbandprotokollen zweimal erzählt habe (8.8.2001, 19.1.2002).
143Nr. 23
144Zu einer Wiedergabe der in wörtlicher bzw. indirekter Rede wiedergegebenen Äußerungen des Klägers war der Beklagte zu 2) bereits aus o.g. Gründen nicht berechtigt. Dies gilt aber auch für die im Anschluss erfolgte Zusammenfassung der Äußerungen des Klägers durch den Autor:
145„(Es folgt ein Zitat)“
146da auch durch diese Kommentierung unmittelbar die Information weitergegeben wird, dass der Kläger die zuvor Genannten in überheblicher, äußerst abwertender Form beurteilte.
147Gleiches gilt für die Textpassage Nr. 84 (S. 165f zu J)
148auch hinsichtlich des Zusatzes des Autors „Mag sein auch ein feindseliges Urteil wie dieses.“, da diese Bemerkung gerade die Information beinhaltet, in welcher Weise der Kläger sich über Herrn J geäußert hatte.
149Ebenso gilt dies für die Textpassage Nr. 104 (Seite 198 zum jüdischen Weltkongress).
150Neben den wörtlichen Zitaten ist auch die Bemerkung des Autors
151„(Es folgt ein Zitat)“
152wegen Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflicht zu unterlassen, da mit der Bewertung der Äußerungen des Klägers durch den Autor zugleich die Tatsacheninformationen über die auf den Tonbändern enthaltenen Äußerungen des Klägers mitgeteilt werden, namentlich, was, mit welchen Emotionen und welcher Einstellung der Kläger zu dem jüdischen Weltverband geäußert habe.
153Nr. 28 zu U
154Die Wiedergabe dieser Textpassage ist neben den wörtlichen Zitaten des Klägers auch unzulässig bezüglich des Abschnitts
155„(Es folgt ein Zitat)“
156da der Autor mit eigenen Worten die auf den Tonbandprotokollen geäußerte Ansicht des Klägers wiedergibt. Auch hier gilt, dass der Beklagte zu 2) nicht dargetan hat, dass ihm diese Ansicht des Klägers, insbesondere der Umstand, dass die Religionszugehörigkeit des Genannten Einfluss auf die Zusammenarbeit mit dem Kläger gehabt habe, vorbekannt gewesen sei.
157Gleiches gilt für Nr. 36 zu F
158Die Vorbemerkung des Autors
159„(Es folgt ein Zitat)“
160dient zum einen der Einleitung des ansonsten nicht verständlichen Zitats (siehe oben), die weitere Textpassage
161„(Es folgt ein Zitat)“
162gibt ersichtlich kurz gefasst die Wertung und Haltung des Klägers zu dem Genannten wieder, wie sie auf den Tonbandprotokollen geäußert worden war.
163Dies gilt ebenso für Nr. 87 (S. 169 zu J)
164„(Es folgt ein Zitat)“
165Der Beklagte zu 2) hat nicht dargetan, dass ihm das Verhalten Herrn Js gegenüber dem Kläger in der geschilderten Form vorbekannt bekannt gewesen wären, doch auch in dem Fall hätte er nicht Bezug nehmen dürfen auf den „Y“.
166Nr. 60 (S. 110) zu P u.A.
167Neben den in indirekter und direkter Rede wiedergegebenen Zitaten des Klägers ist auch der Zusatz des Autors
168„(Es folgt ein Zitat)“
169zu unterlassen, da damit die Einschätzung und Beurteilung des Verhaltens von Herrn P durch den Kläger, wie sie auf den Tonbandprotokollen ihren Niederschlag gefunden hat, wiedergegeben wird.
170Gleiches gilt für die in den Worten des Autors mitgeteilten Einschätzungen des Klägers in
171Nr. 67 (S. 116) zu L und K „(Zitat)“
172Nr. 69 (S. 117) zu M „(Zitat)“
173Nr. 89 (S. 171 zu N) „(Zitat)“
174Nr. 97 (S. 184 zum englischen Königshaus).
175Die in Textpassage Nr. 38 (S. 93) wiedergegebene Anekdote des Klägers aus dem Jahr 1976 verstößt gleichfalls gegen die Verpflichtung des Beklagten zu 2) zur Verschwiegenheit, da der Beklagte zu 2) nicht dargetan hat, dass ihm diese Geschichte vorbekannt gewesen sei.
176Der Beklagte ist insgesamt zur Unterlassung dieser Textpassage verpflichtet, ungeachtet der Tatsache, dass neben wörtlichen und indirekten Zitaten des Klägers die Episode auch in eigenen Worten des Autors zum Teil wiedergegeben wird, da ersichtlich die Schilderung mit eigenen Worten des Autors ausschließlich dazu dient, die von dem Kläger auf Tonband gesprochene Episode zusammenfassend und verkürzt wiederzugeben.
177Gleiches gilt für die Textpassage Nr. 70 (S. 123 zu Beerdigung von B):
178Auch soweit diese neben den wörtlichen Zitaten des Kläger eine Beschreibung des Anlasses und Verlaufs der familiären Auseinandersetzung mit den Worten des Autors enthält,
179„(Es folgt ein Zitat)“
180„handelt es sich um die Wiedergabe der Tonbanderzählung des Klägers, deren Details nicht vorbekannt waren. Hierauf wird auch in Anm. 12, Seite 123, 239 des Buches hingewiesen, wonach der jüngere Sohn des Klägers in seinem Buch den heftigen Streit mit dem Vater ausgeklammert habe.
181ee) Schließlich steht dem Kläger auch ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Textpassage Nr. 9 (S. 49, Herrn B2 betreffend) zu, auch wenn es sich vorliegend nicht um ein Zitat des Klägers, sondern ein Zitat Herrn B2s aus einem Telefongespräch mit dem Kläger handelt.
182Bei dieser Veröffentlichung der Information handelt es sich um einen besonders schweren Vertrauensbruch des Beklagten zu 2) in mehrfacher Hinsicht. Zur Verschwiegenheit über die in dieser Textpassage mitgeteilte Information war der Beklagte zu 2) in besonderem Maße verpflichtet. Denn, wie der Beklagte selbst schildert (Buch S. 48), war ihm Zugang zu dieser noch Jahrzehnte der Geheimhaltung unterliegenden Information auf Veranlassung des Klägers nach eingehender Sicherheitsüberprüfung ausschließlich zu dem Zweck gewährt worden, Aktenmaterial für die Arbeit an den Memoiren zu Rate ziehen zu können. Dabei wurde der Zugang zu den Informationen dem Beklagten zu 2) nicht als „Journalist und Historiker“ (so aber Buch Seite 48) sondern ausschließlich in seiner Funktion als Mitarbeiter des Klägers an den Memoiren gewährt. Auch für den Beklagten zu 2) war erkennbar, dass er zu einer Veröffentlichung der in diesem Rahmen gewonnenen Informationen nicht berechtigt sein sollte. Wenn es dem Beklagten zu 2) nach eigenem Gutdünken freistehen sollte, was er aus den geheimen Akten der Öffentlichkeit preisgeben wollte, hätte es einer Sicherheitsüberprüfung nicht bedurft.
183Die Verwertung dieser Informationen durch den Beklagten zu 2) zu eigenen Zwecken im Rahmen der Veröffentlichung des Buches stellt damit einen besonders schweren Vertrauensbruch dar, auch gegenüber dem Kläger, auf den der Vertrauensbruch seines Erfüllungsgehilfen, für dessen Zugang zu geheimen Informationen zum Zweck der Erstellung der eigenen Memoiren der Kläger sich gegenüber Dritten verwendet hatte, zurückfällt.
184d) Hinsichtlich der nachfolgenden Textpassagen besteht dagegen kein oder ein nur eingeschränkter Unterlassungsanspruch des Klägers:
185Nr. 7 (S. 37 über B)
186Bei der Textpassage „Ja gewiss, auch sie lehnte D ab wie kaum eine andere Frau dieser Welt“ handelt es sich nicht um eine auch nur sinngemäß wiedergegebene Äußerung des Kläger. Diese ist auch nicht den Tonbandprotokollen entnommen, sondern es handelt sich um eine Äußerung des Beklagten zu 2) in Zusammenhang mit der Erstellung nicht des streitgegenständlichen Buches sondern des von dem Kläger in Zusammenarbeit mit dem Beklagten zu 2) verfassten „Tagebuches“.
187Ein Unterlassungsanspruch des Klägers ist aus diesem Grunde weder unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Geheimhaltungspflichten noch aus dem Gesichtspunkt der Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers (§§ 823, 1004 BGB analog) noch aus Urheberrecht (§ 97 Abs. 1 UrhG) begründet.
188Ein eingeschränkter Unterlassungsanspruch besteht zu Gunsten des Klägers hinsichtlich der nachfolgenden Äußerungen Nr. 39, 43, 49, 86, 100, 102:
189Nr. 39 (Seite 94 zu C2)
190Der Kläger hat gegenüber den Beklagten zu 2) einen Anspruch auf Unterlassung der in direkter und indirekter Rede wiedergegebenen Tonbandäußerungen des Klägers, jedoch nicht hinsichtlich der Passage
191„Schwan fragt nach und will wissen, ob er ..glaube, dass es C2 war, der den einstigen Marinerichter hat fallen lassen“,
192da es sich hierbei nicht um eine Äußerung des Klägers, sondern um eine solche des Beklagten zu 2) handelte und der Kläger nicht dargetan hat, dass die Verpflichtung des Beklagten zu 2) so weit gehen sollte, auch die von dem Beklagten zu 2) an den Kläger gerichteten Fragen zu umfassen. Dies gilt im Hinblick darauf, dass Sinn und Zweck der Aufzeichnung der Tonbandgespräche die Materialsammlung für die Memoiren des Klägers war, für deren Auswertung die Fragestellungen des Beklagten zu 2) im Gegensatz zu den Äußerungen des Klägers keine Relevanz hatten.
193Nur soweit folglich die Fragen des Beklagten zu 2) eine zuvor gefallene Äußerung des Klägers wiederholend wiedergeben, unterfallen sie gleichfalls der Verpflichtung zur Verschwiegenheit.
194Aus diesem Grund kann der Kläger aus der Frage des Beklagten zu 2) lediglich Unterlassung der Bemerkung „im Ernst“ verlangen, da diese Bemerkung impliziert, dass sich der Kläger zuvor in diesem Sinne geäußert habe.
195Nr. 43 (s. 96 f zu R)
196Ein Unterlassungsanspruch des Klägers besteht lediglich hinsichtlich seiner in direkter oder indirekter Rede wiedergegebenen, auf Tonband festgehaltenen Äußerungen, auch soweit diese als „(Zitat)“ zusammengefasst werden sowie hinsichtlich der Einleitung des zweiten Zitats durch den Autor: „(Zitat)“, da hierdurch die Art und Weise, in welcher (aggressiven) Form der Kläger sich geäußert hat, mitgeteilt wird.
197Im Übrigen besteht bezüglich dieser Textpassage kein Unterlassungsanspruch des Klägers. Bei der Bemerkung des Autors
198„Auch er...“hat sich in letzter Zeit über den Ehrenwortgeber aus Ludwigshafen recht despektierlich geäußert“ handelt es sich zudem um Mitteilung einer allgemein bekannten Information.
199Bei der Bemerkung des Autors „Nun denn, R ist dann 2003 der Unkenrufen zum Trotz Ministerpräsident geworden – aber letztlich doch dramatisch gescheitert,... Er wird wohl als Null nur in die Geschichtsbücher eingehen“
200handelt es sich um eine Wertung des Autors, nicht des Klägers, die zudem nicht den Kläger betrifft sondern ausschließlich Herrn R.
201Nr. 49 (S. 102 U.a. zu C)
202Auch hier besteht lediglich ein Unterlassungsanspruch des Klägers, soweit seine Tonbandäußerungen in direkter oder indirekter Rede (dies gilt für: „(Zitat)“) wiedergegeben wurden. Hingegen besteht kein Unterlassungsanspruch, soweit der Autor in direkter/indirekter Rede nicht den Kläger, sondern Herrn C zitiert. Dies betrifft den Einschub
203„der gesagt hat, dass es keine Versöhnung geben könne, solange „A einen Gesetzesbruch hinter seinem Ehrenwort verbirgt“.
204Gleiches gilt für die Textpassage Nr. 86 (S. 167 – 169 zu J und I).
205Über die Wiedergabe der Äußerung des Klägers in direkter oder indirekter Rede hinaus besteht kein Unterlassungsanspruch des Klägers.
206Hinsichtlich der Worte des Autors „auch nach dem niedergeschlagenen Putsch vom September 1989 gab es permanent Ärger mit dem Staatsoberhaupt“
207ist bereits unklar, ob es sich hierbei um die Wiedergabe der Äußerungen des Klägers von den Tonbandprotokollen mit den eigenen Worten des Autors handelt oder ob dies nicht vielmehr eine in umgangssprachlicher Form zusammengefasste Schilderung der damaligen, allgemein bekannten Situation seitens des Autors. Da der Kläger nicht vorgetragen hat, ob es sich um eine seiner Äußerungen handelt und die sich auch nicht aus den Umständen ergibt, besteht insoweit kein Unterlassungsanspruch.
208Dies gilt auch für den Passus
209„A aber lehnte dies nicht zuletzt aus Rücksicht auf die in der CDU noch immer stark vertretenen Heimatvertriebenen fürs erste ab….. A hatte die Grenzfrage international eskalieren lassen, was aus psychologischen außenpolitischen Gründen besser unterblieben wäre“.
210Die Tatsache, dass der Kläger eine sofortige Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze vor der Wiedervereinigung abgelehnt hat, ist allgemein bekannt. Gleiches gilt für die Ansicht des damaligen Bundespräsidenten hierzu, die der Autor aus den Memoiren Js zitierte. Da die in indirekter Rede wiedergegebene Äußerung des Klägers „..das Buch, wie er sagte, niemals lesen werde“ Bezug nimmt auf die Memoiren des damaligen Bundespräsidenten J ist unklar, ob diese Bemerkung Inhalt der auf Tonband festgehaltenen Äußerungen war oder in anderem Zusammenhang gefallen ist.
211Da der Kläger dies nicht klargestellt hat und das Zitat auch nicht als Originalzitat aus den A-Protokollen im Text des Buches grafisch hervorgehoben wurde, besteht auch diesbezüglich kein Unterlassungsanspruch des Klägers.
212Schließlich kann der Kläger zwar Unterlassung der seine Einstellung wiedergebenden Bemerkungen
213„(Es folgt ein Zitat)“
214verlangen, nicht jedoch die auch auf der Grundlage vorbekannter Umständen mögliche Bewertung des Autors „obgleich Präsident und Kanzler inhaltlich in letzter Konsequenz nicht weit auseinanderlagen“.
215Nr. 100 (S. 192)
216Soweit in dieser Textpassage die Sachinformation wiedergegeben wird in Bezug auf den Sozialdemokraten X
217„hat er Mitglieder der Waffen-SS niemals „anständige Leute“ genannt“,
218besteht kein Unterlassungsanspruch des Klägers, da es sich diesbezüglich weder um eine den Tonbandprotokollen entnommene Äußerung des Klägers noch um eine aus sonstigen Gründen der Geheimhaltungsverpflichtung des Beklagten zu 2) unterliegenden Information, sondern um eine solche handelt, die zudem vorbekannt sein dürfte.
219Im Übrigen ist der Beklagte jedoch zur Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung dieser Textpassage verpflichtet, da diese in direkter und indirekter Rede Äußerungen des Klägers wiedergibt. Dies gilt auch, soweit die Äußerungen des Klägers mit eigenen Worten des Autors zusammengefasst werden:
220„(Es folgt ein Zitat)“
221und
222„(Es folgt ein Zitat)“,
223da die Bewertung des Autors zugleich mitgeteilt, welche Ansichten der Kläger vertrat.
2243. Soweit der Beklagte zu 2) vertraglich zur Verschwiegenheit über die Äußerungen des Klägers verpflichtet ist, handelte er bei der Veröffentlichung und Verbreitung der Äußerung des Klägers im o.g. Umfang auch rechtswidrig.
225Diese Veröffentlichung und Verbreitung der auf Tonband fixierten Äußerungen des Klägers ist, soweit ein Unterlassungsanspruch des Klägers aus o.g. Gründen besteht, auch nicht gemäß Art. 5 Abs. 1S. 1 GG als jederzeit zulässige freie Meinungsäußerung des Beklagten gerechtfertigt. Zwar zählt zu dem von Art. 5 Abs.1 S. 1 GG geschützten Kommunikationsprozess grundsätzlich auch die Mitteilung fremder Meinungen oder Behauptungen, da die Meinungsfreiheit nicht nur unter dem Vorbehalt des öffentlichen Interesses geschützt ist, sondern die Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers über die Entfaltung seiner Persönlichkeit in der Kommunikation mit anderen garantiert (OLG Köln, Urteil vom 19.11.2013 – 15 U 53/13, juris Rn. 52).
226Eine vertraglich übernommene Rücksichtnahmepflicht steht einer Rechtfertigung nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG jedoch entgegen (BGH, Urt. v. 24.01.2006 – XI ZR 384/03, NJW 2006, 830ff – zitiert nach juris Rn. 41; OLG München, Urt. v. 14.12.2012 – 5 U 2472/09, juris Rn. 102). Die Berufung auf Art. 5 GG erlaubt nicht die Verletzung von Pflichten, die der Beklagte vertraglich übernommen hat (BGH a.a.O). Denn die grundrechtlich geschützte Meinungs- und Pressefreiheit findet ihre Schranken in den allgemeinen Gesetzen, zu denen auch die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches gehören. Teil hiervon ist die Grundregel „pacta sunt servanda“, wonach eingegangene Verträge zu halten sind.
227Vorliegend machte der Beklagte zu 2) von seinem Selbstbestimmungsrecht in der Form Gebrauch, dass er sich zur Verschwiegenheit bezüglich der ihm anvertrauten Informationen verpflichtete und insoweit auf sein Recht zur freien Meinungsäußerung in zulässiger Form verzichtete.
228Die Textpassagen, hinsichtlich derer der Beklagte zu 2) zur Unterlassung aufgrund vertraglicher Vereinbarungen verpflichtet ist, sind auch nicht von solcher „Brisanz“ (Buch S. 106), dass ein Festhalten des Beklagten zu 2) an der vertraglich vereinbarten Vertraulichkeit nach Treu und Glauben nicht zumutbar wäre (§ 242 BGB). Insbesondere kann sich der Beklagte zu 2) für sein Interesse an der Entbindung von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit nicht auf das möglicherweise mit dem Zeitablauf schwindende öffentliche Interesse an den Tonbandprotokollen berufen (Buch S. 106). Diese Umstände, die bei der Abwägung über die Zulässigkeit einer Veröffentlichung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Klägers und der Meinungs- und Pressefreiheit der Beklagten zu 1) und 3) relevant sein können, kann der Beklagte zu 2) aus o.g. Gründen zur Rechtfertigung der von ihm begangenen Vertragsverletzung nicht geltend machen.
229Anhaltspunkte dafür, dass insoweit die Verpflichtung des Beklagten zu 2) wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein könnte (§ 134 BGB), sind nicht ersichtlich und von dem Beklagten zu 2) auch nicht dargetan. Insbesondere steht keine der von dem Beklagten zu 2) veröffentlichten Äußerungen des Klägers in Zusammenhang mit einer Straftat oder sind sonstige schwerwiegende Gründe ersichtlich, aufgrund derer der Beklagte nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Entbindung von der ihm obliegenden Geheimhaltungsverpflichtung verlangen könnte. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass der Beklagte zu 2) bei der Mitwirkung an den Memoiren des Klägers und der diesen zu Grunde liegenden Materialsammlung (durch den Verlag) in angemessener finanzieller Form beteiligt worden ist und allein für die Mitarbeit an den Materialsammlung von Anfang an ein garantiertes Mindesthonorar von XXXX DM erhalten hat, mit dem auch die Verpflichtung des Beklagten zu 2) zur Verschwiegenheit abgegolten worden ist.
2304. Soweit hingegen dem Kläger kein Unterlassungsanspruch gegenüber dem Beklagten zu 2) wegen Verletzung der vertraglichen Verpflichtung zur Verschwiegenheit zusteht, kann der Kläger gegenüber dem Beklagten zu 2) auch nicht aus sonstigem Rechtsgrund Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung der streitgegenständlichen Textpassagen verlangen.
231Ein Unterlassungsanspruch des Klägers gemäß §§ 823, 1004 BGB analog i.V.m. Art. 1, 2 GG wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers besteht hinsichtlich der nicht untersagten Textpassagen bereits deshalb nicht, da diese mit einer Ausnahme („das Buch, wie er sagte, niemals lesen werde") weder Äußerungen des Klägers in irgendeiner Form wiedergeben, noch die Person des Klägers betreffen.
232Die in indirekter Rede wiedergegebene Äußerung des Klägers
233„das Buch, wie er sagte, niemals lesen werde“ ist neutral formuliert und damit gleichfalls nicht geeignet, das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers in irgendeiner Form zu verletzen.
234Da die nicht untersagten Äußerungen nicht solche des Klägers darstellen, der Kläger mithin nicht Urheber dieser Textpassagen ist, kommt insoweit auch ein Unterlassungsanspruch des Klägers gemäß §§ 97 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG nicht in Betracht. Dies gilt mangels Darlegung der Schutzfähigkeit auch hinsichtlich des ohnehin nur in indirekter Rede wiedergegebenen Zitat des Klägers „das Buch, wie er sagte, niemals lesen werde“.
235C.
236Der Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, gerichtet auf die Untersagung der Veröffentlichung und Verbreitung der streitgegenständlichen Textpassagen gegenüber den Beklagten zu 1) und 3), ist überwiegend begründet. Der Kläger hat dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß §§ 935ff, 940 ZPO erfüllt sind.
2371. Wegen Verletzung vertraglicher Pflichten kann der Kläger allerdings keinen Unterlassungsanspruch gegenüber den Beklagten zu 1) und 3) geltend machen, auch wenn diese einen wesentlichen Beitrag zu der von dem Beklagten zu 2) begangenen Vertragsverletzung gegenüber dem Kläger geleistet haben, indem sie den Beklagten zu 2) gemeinschaftlich beraten und unterstützt haben hinsichtlich der veröffentlichten Auswahl der den Tonbandprotokollen entnommenen Zitate des Klägers und, im Fall des Beklagten zu 3), hierzu auch schriftlich beigetragen haben. Die Beklagten zu 1) und 3) haben jedoch keine vertraglichen Vereinbarungen mit dem Kläger bezüglich der Beachtung von Verschwiegenheitsverpflichtungen geschlossen, sondern sich lediglich die Bereitschaft des Beklagten zu 2) zum Vertragsbruch zu Nutze gemacht, so dass aus diesem Grund ein Unterlassungsanspruch des Klägers gemäß § 241 Abs. 1 S. 1 BGB ausscheidet.
2382. Dem Kläger steht jedoch gegenüber den Beklagten zu 1) und 3) hinsichtlich der streitgegenständlichen Textpassagen im zuerkannten Umfang ein Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1, 830 BGB, § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechtes im zuerkannten Umfang zu.
239Die Veröffentlichung des vertraulich gesprochenen Wortes des Klägers verletzt diesen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.
240Die Beklagten haben im bewussten und gewollten Zusammenwirken, damit als Mittäter im Sinne von § 830 Abs. 1 BGB, die Entscheidung über die Veröffentlichungen der Tonbandäußerungen des Klägers in dem Buch getroffen und umgesetzt. Bereits dem Vorwort des Buches (Seite 10) ist zu entnehmen, dass das Buch als „Teamwork“ der Beklagten zu 2) und 3) entstanden ist; die Beklagte zu 1) ist nicht lediglich Verlegerin einer ihr fertig präsentierten Abfassung, sondern war an der Bestimmung des Inhalts des Buches durch ihre Mitarbeiter maßgeblich beteiligt, wie der Justiziar der Beklagten zu 1) im Termin zur mündlichen Verhandlung nachdrücklich betont hat. Das Verhalten der Mitarbeiter als Verrichtungsgehilfen hat sich die Beklagte zu 1) gemäß § 831 Abs. 1 BGB zurechnen zu lassen.
241a) Die engere persönliche Lebenssphäre jedes Menschen genießt durch das in Art 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß §§ 823 Abs. 1, 826 und 1004 BGB Schutz vor Eingriffen Dritter. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH Urt.v. 08.05.2012 - VI ZR 217/08,VersR 2012, 994 Rn. 35; Urt. v. 30.12.2012 - VI ZR 4/12, juris Rn. 10; Urt.v. 11.12.2012, VI ZR 314/10 IM „Christoph“ GRUR 2013, 312 ff, zitiert nach juris Rn. 11 m.w.N.). Abwägungskriterien sind u.a. nach Maßgabe einer abgestuften Schutzbedürftigkeit bestimmter Sphäre, in denen sich die Persönlichkeit verwirklicht: neben der Intimsphäre die Privatsphäre und die Sozialsphäre. Als besonders zu schützende Bereiche der persönlichen Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung sind auch die Geheimsphäre und das Recht am gesprochenen Wort anerkannt (vgl. BND-Interna Urt. v. 10.03.1987 VI ZR 244/85, NJW 19 87,2667 -2669; zitiert nach juris Rn. 14; m.w.N.).
242aa) Eine Verletzung der absolut geschützten Intimsphäre kommt vorliegend nicht in Betracht, dieser hat sich der Kläger grundsätzlich begeben, indem er sich dem Beklagten zu 2) durch die gemeinsame Erstellung der Tonbandprotokolle geöffnet hat (vgl. LG Köln, Beschluss vom 7.10.2014 – 28 O 433/14).
243bb) Zur Privatsphäre gehören grundsätzlich alle Vorgänge und Lebensäußerungen innerhalb des privaten Bereichs. Die Privatsphäre umfasst sowohl in räumlicher als auch in thematischer Hinsicht den Bereich, zu dem andere grundsätzlich nur Zugang haben, soweit er ihnen gestattet wird; dies betrifft in thematischer Hinsicht Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als „privat“ eingestuft werden, etwa weil ihre öffentliche Erörterung als unschicklich, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen in der Umwelt auslöst (BGH BND- Interna a.a.O Rn. 14; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort-und Berichterstattung ,5. Aufl. 2003 Rn 5.56f m.w.N.). Grundsätzlich hat jeder, auch der in der Öffentlichkeit stehende Politiker, einen durch Art. 1 und 2 GG geschützten Anspruch auf Wahrung seiner Privatsphäre (OLG Karlsruhe, Urt.v. 18.11.2005, 14 U 169/05), zu der andere nur insoweit Zugang haben, als er ihnen den Einblick gestattet. In diesem Privatbereich muss er vor Kontrolle und Zensur durch die Öffentlichkeit sicher sein, sonst wäre die Basis gefährdet, auf der sich seine Persönlichkeit verwirklichen und entfalten kann. Alle Vorgänge und Äußerungen in dieser persönlichen Eigensphäre nehmen grundsätzlich am Schutz durch das Recht der Persönlichkeit auf solche Selbstbestimmung teil. Dabei verliert ein Privatgespräch seinen privaten Charakter nicht zwangsläufig durch die politischen Bezüge der Unterhaltung. Denn es hängt wesentlich von dem Kreis der Gesprächsteilnehmer ab, was und wie es gesagt wird; unbefangen kannten sich nur mitteilen, wer den Teilnehmerkreis unter Kontrolle hat, ihn jedenfalls kennt (BGH, Urteil vom 19.12.1978, VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120-130, zitiert nach juris Rn. 13).
244cc) Die Sozialsphäre betrifft den Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollzieht, so insbesondere das berufliche und politische Wirken des Individuums (vgl. BVerGE 101, 361, 382 – Caroline von Monaco II; BGH, Urt.v. 10.11.1994, AfP1995, 404, 407; Wenzel/Burkhardt a.a.O. Rn 65).
245dd) Die Geheimsphäre betrifft den Bereich menschlichen Lebens, der der Öffentlichkeit bei verständiger Würdigung nicht preisgegeben werden soll. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst auch das Recht am gesprochenen Wort, das die Selbstbestimmung über die eigene Darstellung der Person in der Kommunikation schützt (BVerfG, NJW 1980,2070; NJW 2002,3619 – Mitgehörtes Telefonat). Der Einzelne soll sich nach eigener Einschätzung situationsangemessen in der Kommunikation verhalten können. Dazu gehört auch, selbst zu bestimmen, ob der Kommunikationsinhalt einzig dem Gesprächspartner, einem bestimmten Personenkreis oder der Öffentlichkeit zugänglich sein soll. Damit erstreckt sich das Selbstbestimmungsrecht auch auf die Auswahl der Personen, die unmittelbar Kenntnis vom Gesprächsinhalt erhalten sollen. Das Recht schützt daher nicht nur vor einer Verdinglichung des Wortes durch Aufzeichnung auf Tonträger, sondern auch dagegen, dass ein Kommunikationspartner ohne Kenntnis des sich Äußernden eine dritte Person als Zuhörer eines Gespräch mit einbezieht (vgl. Wenzel, a.a.O Rn. 5.28a m.w.N.). Dabei wird der Schutz am gesprochenen Wort unabhängig von seinem Inhalt gewährt (BVerfG, Beschluss v. 08.12.2011, juris Rn. 19 m.w.N.).
246b) Festzuhalten ist zunächst, dass der Beklagte zu 2) durch die ungenehmigte Weitergabe der Tonbandaufzeichnungen an die Beklagten zu 1) und 3) in rechtswidriger Weise das allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers, sein Recht zur Selbstbestimmung über das gesprochene Wort, verletzt hat. Dies gilt auch dann, wenn der Beklagte zu 2) nicht die Tonbänder als solche den Beklagten zu 1) und 3) zur Verfügung gestellt haben sollte, sondern lediglich die 3000 Seiten umfassende Abschrift.
247Die ungenehmigte Weitergabe von Tonbandaufzeichnungen durch den Gesprächspartner, auch wenn das Gespräch mit Zustimmung des sich Mitteilenden aufgezeichnet worden ist, verletzt grundsätzlich das Recht der Person zur Selbstbestimmung über das gesprochene Wort. Das Festhalten der Stimme auf einem Tonträger, durch das nicht nur die Äußerungen ihrem Inhalt nach, sondern in allen Einzelheiten auch des Ausdrucks fixiert und aus der Sphäre einer von der Flüchtigkeit des Worts geprägten Unterhaltung herausgehoben sowie für eine jederzeitige Reproduzierbarkeit in einem gänzlich anderen Kreis und einer anderen Situation objektiviert und konserviert werden, stellt eine derart intensive „Verdinglichung“ der Persönlichkeit dar, dass über ihren Kopf hinweg nicht über derartige Aufzeichnungen verfügt werden darf (BGH Urt.v. 10.3.1987 , VI ZR 244/85 BND-Interna NJW 1987,2667-2669; zitiert nach juris Rn. 17 m.w.N.). Es liegt auf der Hand, dass auch deshalb die Persönlichkeit in ihrem Eigenwert durch solche Objektivierung erheblich stärker betroffen ist, als durch eine Indiskretionen über ein vertrauliches Gespräch (BGH Urt.v. 19.12.1978, VI ZR 137/77 , BGHZ 73, 120 – 130 Telefongespräch, zitiert nach juris Rn. 13 a.E.). Zum Schutz der Persönlichkeit dürfen Aufzeichnungen vertraulichen Charakters grundsätzlich nur mit Zustimmung des Verfassers und nur in der von ihm gebilligten Weise veröffentlicht werden (BGHZ 15, 249 (247); 36, 77 (83); BGH Urt.v. 19.12.1978, VI ZR 137/77 juris Rn. 14).
248Auch vorliegend liegt die Besonderheit der Tonbandaufzeichnungen darin, dass der Beklagte zu 2) zu der zwischen ihm und dem Kläger bestehenden Vertrauenssphäre, die durch die vertraglich vereinbarte Vertraulichkeitsabrede zusätzlich abgesichert war, maßgeblich mit beigetragen hat, indem er sich selbst gegenüber dem Kläger als besonders vertrauenswürdige Person präsentierte (Buch S. 47 „Ich habe mich angepasst, … längst hatte das System K. auch von mir Besitz ergriffen, ich dachte und fühlte fast schon die A“ ) und dadurch die Spontanität und Mitteilungsbereitschaft des Klägers förderte, welche der Kläger auch durch „geradezu atemberaubende Offenheit“ (Buch Seite 19) honoriert hat.
249Der Kläger hat auf den Tonbandprotokollen dem Beklagten zu 2) komplexe Einblicke in seine Person selbst, zu seiner inneren Einstellung zu seiner Familie, seinem Beruf, Freunden und politischen Feinden bis in die Wesenszüge seiner Gedankenwelt eröffnet. Auf den Tonbandprotokollen ist, wie der Beklagte zu 2) im Vorwort des Buches (Seite 17) ausführt, „seine (des Klägers) ganze Persönlichkeit erforscht und nachgezeichnet ..“
250Die Weitergabe dieser Tonbandprotokolle durch den Beklagten zu 2) war rechtswidrig, gleich, ob der Beklagte zu 2) sie den Beklagten zu 1) und zu 3) als Tonbänder überlassen oder ihnen (nur) die 3000 Seiten umfassenden Abschriften der Tonbänder zur Verfügung gestellt hat. Denn es handelt sich bei diesen Abschriften auch nach Darstellung des Beklagten zu 2) nicht lediglich um eigene Gesprächsnotizen, sondern um Wort-für-Wort Übertragungen der Tonbandprotokolle, bei denen auch Ausdrucksweise, Emotionen und Tonfall des Klägers mit protokolliert worden sind. Dies folgt bereits daraus, dass der Beklagte zu 3) in dem Buch in einer Vielzahl von Fällen die Ausdrucksweise, Gemütsverfassung und Reaktionen des Klägers detailliert beschreibt. (vgl. Buch S. 22 „er schlägt um sich wie ein angezählter Boxer“; (er) „knurrt“; S. 44 „mit den Tränen kämpfend ..“; Seite 95 „er äußert raunend einen Verdacht“; Buch S. 101 „besonders ungehalten reagiert A“; „Bei diesem Reizthema verstummt er, windet sich oder wird heftig..“; S. 127 „derer A nun … in spürbarer Rührung gedenkt,..“ S. 193 „ heizt A in zornigem Stakkato die Stimmung beim Memoirengespräch an..“)
251Auch in der weitergegebenen Abschrift der Tonbandprotokolle ist die Person des Klägers entsprechend verkörpert und wird gegenüber den Beklagten zu 1) und 3) bloßgestellt und in ihrer Substanz getroffen. Eine derart intensive Verfügung über die Persönlichkeit des Klägers ist als rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts zu bewerten.
252c) Auf dieser Grundlage ist das Verhalten der Beklagten zu 1) und 3) zu würdigen, die von dem Beklagten zu 2) an sie weitergegebenen Äußerungen zu veröffentlichen, obgleich ihnen bekannt war, dass der Kläger hiermit nicht einverstanden war. Dies ergibt sich bereits daraus, dass in dem Vorwort des Buches (Seite 10) als erklärte Absicht der Autoren angegeben wird, dem Versuch der „Kanzlerfamilie“ und der Ehefrau des Klägers, die Gesprächsprotokolle wegzuschließen, durch eine Veröffentlichung zuvorzukommen.
253Grundsätzlich gilt, dass es der Presse nicht schlechthin verwehrt ist, das, was ihr Informant ihr auf rechtswidrigem Weg zugetragen hat, zu veröffentlichen. Das durch die Verfassung in Art. 5 Abs. 2 GG gewährleistete Informationsrecht der Presse geht über die Freiheit des Bürgers, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten, hinaus. Würde der Presse ein absolutes Verwertungsverbot bezüglich solcher Informationen auferlegt, die nach ihrer Kenntnis, aber ohne ihre Beteiligung in rechtswidriger Weise erlangt wurden, so könnte ihre Kontrollaufgabe leiden, zu deren Funktion es gehört, auf Missstände von öffentlicher Bedeutung hinzuweisen (BVerGE 66, 116(137f); BGHZ 73, 120 (124 ff). Dabei darf die Presse nach eigenen publizistischen Kriterien entscheiden, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält. Von der Eigenart oder dem Niveau des Presseerzeugnisses oder der Berichterstattung hängt der Schutz nicht ab. Auch unterhaltende Beiträge, etwa über prominente Personen, nehmen am Schutz der Pressefreiheit teil. Auf das Gewicht des Informationsinteresses und auf die Weise, in der die Berichterstattung einen Bezug zu Fragen aufweist, welche die Öffentlichkeit wesentlich angehen, kommt es erst bei der Abwägung mit kollidierenden Persönlichkeitsrechten an (BVerfG, Beschluss v. 26.02.2008 1 BvR 1602/07 Bildberichterstattung, Caroline von Monaco III, BVerfGE 120, 180 – 223; zitiert nach juris Rn. 42 m.w.N.). Vorliegend ist aus diesen Gründen hinsichtlich der streitgegenständlichen Textpassagen, die von den Beklagten gemeinsam veröffentlicht wurden, für die Entscheidung von einem öffentliches Interesse, unabhängig vom konkreten Inhalt der Textpassagen, auszugehen.
254Bei der Abwägung der widerstreitenden Grundrechte, auf die sich der Kläger und die Beklagten zu 1) und 3) berufen können, ist davon auszugehen, dass die Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit und des Schutzes der Persönlichkeit nicht vorbehaltlos gewährleistet sind. Die Meinungs- und Pressefreiheit findet ihre Schranken nach Art. 5 Abs. 2 GG in den allgemeinen Gesetzen. Darunter sind alle Gesetze zu verstehen, die sich nicht gegen die von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG gewährleisteten Freiheitsrecht an sich richten, sondern dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen (vgl. BVerfGE 117, 244 (260)). Hierzu zählen die in § 823 Abs. 1 BGB verankerten Rechtsgrundsätze des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes sowie die im Range einfachen Bundesrechts stehende Vorschrift des Art. 8 Abs. 1 EMRK, in welcher das Recht auf Achtung des Privatlebens verankert ist. Bei der Bestimmung der Reichweite dieses Schutzes ist der situationsbezogene Umfang der berechtigten Privatheitserwartungen des Einzelnen zu berücksichtigen (vgl. BVerfG Beschluss v. 26.02.2008, 1 BvR 1602/07, zitiert nach juris Rn. 50-53 m.w.N.).
255Das aus Art. 2 Abs. 1 in Verb. m. Art 1 Abs. 1 GG hergeleitete verfassungsrechtliche Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit unterliegt der Schrankenregelung der verfassungsmäßigen Ordnung (Art. 2 Abs. 1, 2 HS GG), zu der neben den Grundrechten wie Art. 5 Abs. 1 GG auch die in Art. 10 EMRK verbürgte Äußerungsfreiheit zählt.
256Bei der Abwägung mit kollektiven Rechtsgütern ist davon auszugehen, dass in Art. 5 Abs. 1 GG eine Vermutung für die Zulässigkeit einer Berichterstattung der Presse, die zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen soll, verbürgt ist (BVerfG a.a.O Rn 58).
257Das Selbstbestimmungsrecht der Preise erfasst allerdings nicht auch die Entscheidung, wie das Informationsinteresse im Zuge der Abwägung mit kollidierenden Rechtsgütern zu gewichten und der Ausgleich zwischen den betroffenen Rechtsgütern herzustellen ist (BVerfG NJW 2001, 1921 (1922). Die Gewichtung der gegenläufigen Interessen der Betroffenen ist von den Gerichten vorzunehmen, wobei eine inhaltliche Bewertung der jeweiligen Veröffentlichungen als wertvoll oder wertlos, seriös und ernsthaft oder unseriös nicht vorgenommen werden darf, sondern sich die Prüfung auf die Feststellung zu beschränken hat, in welchem Ausmaß der Bericht ein Beitrag für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung zu erbringen vermag. (BVerfGE 120, 180 ff; zitiert nach juris Rn. 69).
258Die Gerichte haben zu beachten, dass die Garantie der Pressefreiheit nicht allein den subjektiven Rechten der Presse, sondern in gleicher Weise auch dem Schutz des Prozesses öffentlicher Meinungsbildung und damit der Meinungsbildungsfreiheit der Bürger dient. Äußerungen in der und durch die Presse wollen in der Regel zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen und haben daher zunächst die Vermutung der Zulässigkeit für sich, auch wenn sie die Rechtssphäre anderer berühren (BVerfGE 20, 162 (177). Bei der Abwägung sind die betroffenen unterschiedlichen Interessen und das Ausmaß ihrer Beeinträchtigung zu erfassen. Der „Kernbereich der Privatsphäre“ wird von einem besonderen Schutzinteresse des Betroffenen gekennzeichnet. Dieses ist gegenüber einem im Wesentlichen allein der Zerstreuung oder der Befriedigung von Neugier dienenden Informationsanliegen regelmäßig vorrangig (vgl. BGHZ 131, 322 (338); BGH Urt.v. 09.12.2003 – VI ZR 373/02, VersR 2004, 522 (523)).
259d) Die Abwägung des durch Art. 2 Abs. 1, Art 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Interesse des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufs mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten zu 1) und 3) auf Meinungs- und Pressefreiheit ist nach umstehenden Grundsätzen für jede der angegriffenen Textpassagen gesondert vorzunehmen. Gegenstand der Abwägung sind allerdings nur die Textpassagen, hinsichtlich derer ein Unterlassungsanspruch des Klägers gegenüber dem Beklagten zu 2) für begründet erachtet wurde, da die Veröffentlichung und Verbreitung derjenigen Textpassagen, zu denen der Beklagte zu 2) berechtigt war, auch von Seiten der Beklagten zu 1)und 2) nicht rechtswidrig sind.
260Dabei geht die Kammer davon aus, dass sämtliche streitgegenständlichen Äußerungen des Klägers der Privatsphäre des Klägers, insbesondere in ihrer besonderen Ausprägung der Vertraulichkeitssphäre (vgl. zu dieser Begrifflichkeit etwa jüngst BGH, Pressemitteilung zum Urteil vom 30.09.2014 – VI ZR 490/12), zuzuordnen sind. Denn die Aufnahme der Tonbandprotokolle erfolgte im privaten, häuslichen Umfeld des Wohnhauses des Klägers. Das Gespräch zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) basierte auf der vereinbarten Vertraulichkeit und erfolgte im berechtigten Vertrauen des Klägers darauf, dass nichts, was er auf Tonband sprach, ohne seine Zustimmung veröffentlicht werden würde, da ihm vertraglich die Endkontrolle über den Wortlaut der Memoiren zugesichert worden war (zu dieser Wertung auch für Mitteilungen, die über die Person des sich Äußernden selbst nichts aussagen, die aber einem Vertrauten in der Erwartung gemacht werden, dass er sie – jedenfalls in der abgegebenen Form – für sich behalten werde (vgl. insbesondere auch BGH, Urteil vom 10.03.1987 – VI ZR 244/85 – BND-Interna).
261Zu den Textpassagen im Einzelnen:
262Die Veröffentlichung und Verbreitung der nachfolgenden Textpassagen ist wegen der schwerwiegenden Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers, gegenüber der das öffentliche Interesse zurückzutreten hat, rechtswidrig:
263aa) Die Textpassagen
264Nr. 5 (S. 23 zu C)
265Nr. 6 (S. 23 zum Chemiegigant aus Ludwigshafen)
266Nr. 70 (S. 123 zur Beerdigung von B)
267verletzen das Recht des Klägers am Schutz des gesprochenen Wortes sowie die engste Privatsphäre des Klägers in besonderem Maße, da sie die Reaktion des Klägers auf den Selbstmord seiner Ehefrau und die familiäre Auseinandersetzung anlässlich der Beisetzung von Frau B thematisieren. Jeder Mensch, auch ein Politiker, hat jedoch das Recht, mit der Trauer über den Verlust eines nahen Angehörigen, sei es durch Tod oder Selbstmord, allein gelassen zu werden und kann verlangen, dass die im privaten, häuslichen Bereich geäußerten Reaktionen auf den Verlust und die Art und Weise, wie der Betroffene mit dem Verlust und den ausgesprochenen Beileidsbekundungen umgeht, nicht an die Öffentlichkeit getragen werden.
268bb) Die Textpassagen Nr. 1, 33, 44, 71, 88 betreffen gleichfalls die innerste Privatsphäre des Klägers, nämlich die Kommunikation mit und das Verhältnis zu seiner Ehefrau. Dies gilt auch, soweit in wörtlichen Zitaten nur die Äußerung der Ehefrau des Klägers und nicht die Reaktion des Klägers hierauf wiedergegeben wird, da die wörtlichen Zitate ersichtlich Teil eines Gesprächs zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau waren und der Wortlaut der Äußerung Rückschlüsse darauf zulässt, in welcher Weise der Kläger mit seiner Ehefrau kommuniziert hat, diese zum Teil Einfluss nehmend und beratend auf ihn eingewirkt hat und er ihrer Meinung Gewicht beigemessen hat. Gegenüber dem Recht des Klägers auf Schutz seiner Privatsphäre als Ehemann, die dem Kläger auch als Politiker zusteht, hat das öffentliche Interesse an einer Veröffentlichung zurückzutreten, zumal die mitgeteilten Informationen zu den Ansichten Frau Bs geringen Informations- und eher nur Unterhaltungswert haben.
269cc) Die Veröffentlichung der nachfolgenden Textpassagen stellt gleichfalls einen besonders schwerwiegenden Eingriff in die Privatsphäre des Klägers dar und beeinträchtigt den Schutz am gesprochenen Wort in besonders massiver Weise, die Rechtsverletzung überwiegt aus diesem Grund weshalb das öffentliche Interesse an den nachfolgenden Äußerungen:
270Nr. 2 – 4, Nr. 8, Nr. 11 - 13, Nr. 16 – 22, Nr. 24 – 27, Nr. 29, Nr. 30, Nr. 32, Nr. 36 f, Nr. 41, Nr. 47f, Nr. 49f, Nr. 52 – 54, Nr. 56 – 60, Nr. 62 – 66, Nr. 68, Nr. 73f, Nr. 80, Nr. 82f, Nr. 85, Nr. 90 f, Nr. 94f, Nr. 103, Nr. 106 – 112
271Es handelt sich dabei ausschließlich um wörtliche Zitate des Klägers, die, unabhängig von ihrem Inhalt, dem Schutz des gesprochenen Wortes unterfallen. Sie zeichnen sich durch eine drastische und umgangssprachliche Ausdrucksweise aus und bringen in z.T. abfälliger und herabsetzender Art und Weise die geringe Achtung des Klägers gegenüber den Erwähnten zum Ausdruck. Zu einem großen Teil wären die Ausdrücke, sofern der Kläger sie unmittelbar gegenüber den Betroffenen geäußert hätte, geeignet, den Tatbestand der Beleidigung zu erfüllen (§ 185 StGB).
272Die Veröffentlichung dieser Äußerungen des Klägers ist allein aufgrund der Ausdrucksweise in besonderem Maße geeignet, sein Ansehen in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen und das Verhältnis des Klägers zu den erwähnten Personen nachhaltig zu beeinträchtigen. Zu berücksichtigen ist, dass der Kläger sich zu dem Zeitpunkt der Äußerungen in einer Ausnahmesituation befunden hat, auf dem Höhepunkt der Parteispendenaffäre, isoliert von der Öffentlichkeit und weiten Teilen seiner eigenen Partei und getroffen von dem Selbstmord seiner Ehefrau, die von den Beklagten wie folgt skizziert wird:, „Sein gesellschaftliches Ansehen strebt gegen null (Buch S. 20). In dieser Situation „schüttet er (der Kläger) seinen Gesprächspartnern das Herz aus“, (S. 72) „schlägt um sich wie ein angezählter Boxer“ (S. 22) und verfasst eine „Enzyklopädie der süßen Rache“ (S. 84), in deren Folge ohne weitere Darstellung eines Zusammenhangs die angegriffenen Textpassagen hintereinander gereiht werden.
273Der Kläger hat diese „Entgleisungen“ (Buch S. 225) augenscheinlich in einem Zustand der Wut, Verbitterung und Rache geäußert in dem Gespräch mit dem Beklagten zu 2) und z.T. Dr. T, die er als seine Vertrauten ansah. Im privaten Umfeld jedoch, auf der Basis einer zugesagten Geheimhaltung der Äußerungen gegenüber Dritten, war auch der Kläger berechtigt, sich gehen zu lassen, seinen Emotionen freien Lauf zu lassen und unbesorgt auch vorschnelle, situationsbedingte Urteile über andere Politiker, politische Weggefährten und Feinde in einem „maßlose(n) Rückblick im Zorn“ (Buchs. 103) dieser zu äußern. Denn aufgrund der zugesicherten Endkontrolle konnte der Kläger gewiss sein, dass keine seiner Äußerungen in der Form ohne seine Zustimmung nach außen dringen würde. Dies gilt zumal der Kläger bereits im Zeitpunkt der Tonbandaufnahmen bezüglich „sehr freimütig(er)“ Äußerungen über damalige und auch heute teils noch aktive Politiker, wenn er ins Erzählen gekommen war, die Anweisung erteilt hatte, „Das schreiben wir aber nicht“, wie der Zeuge Dr. T bekundete.
274Bei der Abfassung der Memoiren bestand er dann auch darauf, „Zeile um Zeile gemeinsam durchzusehen. Um sicher zu gehen, hatte der ewig Misstrauische auch stets noch einen seiner persönlichen Referenten einbestellt. Schließlich galt es, für die Ewigkeit zu formulieren“ (Buch S. 49). Mit der Sicherheit dieser Kontrollmöglichkeit brauchte der Kläger beim Diktieren seiner Lebenserinnerungen auf Tonband kein Blatt vor den Mund zu nehmen.
275Der Schutz der Vertraulichkeitssphäre des Klägers an den vorstehenden Textpassagen überwiegt von den Beklagten zu 1) und 3) verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungsfreiheit.
276Die Äußerungen des Klägers haben keinen hohen „Öffentlichkeitswert“, abgesehen von dem öffentlichen Interesse, das ohnehin jeglicher Äußerung des Klägers als herausragendem Politiker der Zeitgeschichte entgegengebracht wird. Das öffentliche Interesse rechtfertigt aber nicht perse aus o.g. Gründen eine Veröffentlichung jeder dieser Äußerungen, weil dies auf eine komplette Verneinung des Schutzes der Privatsphäre und der Vertraulichkeitssphäre für den Kläger hinauslaufen würde.
277dd) Die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Textpassagen ist auch nicht aus sonstigen Gründen gerechtfertigt. Keine der streitgegenständlichen Textpassagen betrifft ein strafrechtlich relevantes Verhalten des Klägers. Die noch nicht veröffentlichte Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach an der Aufdeckung eines Missstands von erheblichem Gewicht ein überragendes öffentliches Interesse bestehen kann, das auch die Wiedergabe von direkter oder indirekter Rede rechtfertigt (vgl. die Pressemitteilung zu BGH , Urt. v. 30.09.2014 - VI ZR 490/12), ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Keine der hier streitgegenständlichen Textpassagen hat ein - über die Äußerung als solches - strafrechtlich relevantes Verhalten des Klägers zum Gegenstand. Hinzu kommt, dass die Äußerungen des Klägers nicht eingebettet in den Gesamtzusammenhang der 3000 Seiten umfassenden Abschriften der Tonbandprotokolle wiedergegeben werden, sondern ersichtlich wegen ihrer Auffälligkeit „herausgepickt“ und aneinandergereiht wurden. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagten zu 1) und 3) sich an dem Rechtsbruch des Beklagten zu 2) unterstützend und beratend beteiligt haben.
278Aus diesem Grunde ist die Veröffentlichung und Verbreitung der oben genannten Textpassagen wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers rechtswidrig.
279ee) Der Kläger hat ferner Anspruch auf Unterlassung folgender Textpassagen:
280Nr. 14f, Nr. 28, Nr. 31, Nr. 34f,, Nr. 40, Nr. 42f, Nr. 45f, Nr. 55, Nr. 67, Nr. 69, Nr. 75-77, Nr. 84, Nr. 89, Nr. 95-97, Nr. 96, Nr. 98, Nr. 99, Nr. 105, Nr. 114
281Bei diesen Textpassagen, die gleichfalls die auf Tonband festgehaltenen Äußerungen des Klägers in direkter oder indirekter Rede wiedergeben, handelt es sich um die private Selbsteinschätzung des Klägers (Nr. 14, 15, 31) sowie Einschätzungen seiner politischen Gegner und Weggefährten, die, auch soweit sie nicht in der drastischen Ausdrucksweise formuliert sind, dennoch eine negative Grundeinstellung des Klägers zu den Genannten zum Ausdruck bringen (beispielsweise Nr. 28 zu U „(Zitat)“, zu Q „(Zitat)“, Nr. 40 „(Zitat)") und geeignet sind, die Angesprochenen verächtlich zu machen, was auf den Kläger als Äußernden unmittelbar zurückfällt. Durch die Wiedergabe wird der Eindruck erweckt, dass der Kläger nicht in der Lage war, differenziert über politische Gegner zu urteilen.
282Die Wiedergabe dieser Textpassagen verletzt ebenfalls in erheblichem Umfang die Privatsphäre des Klägers und damit dessen Persönlichkeitsrecht gerade aufgrund der Wortwahl des Klägers und der auch in diesen Passagen ausgedrückten negativen Einstellung, die geeignet ist, die Achtung vor dem Kläger in der Öffentlichkeit sinken zu lassen. Aus diesem Grund hat der Kläger in besonderem Maße Anspruch auf Schutz der Vertraulichkeit seiner Äußerungen.
283Im Gegenzug ist das Öffentlichkeitsinteresse, auf das sich die Beklagten zu 1) und 3) berufen können, nicht von erheblichem Gewicht, da auch hier ein Sachzusammenhang nicht dargestellt wird und die Äußerungen als solche lediglich Unterhaltungswert haben, der gegenüber dem Anspruch des Klägers auf Persönlichkeitsschutz nachrangig ist.
284Hinsichtlich der Textpassage Nr. 38 (S.93 zu F, E)
285ist aus den Gründen, die bereits bezüglich des Beklagten zu 2) ausgeführt wurden, gleichfalls ein Unterlassungsanspruch des Klägers gegeben. Die in dieser Textpassagen wiedergegebene Anekdote des Klägers aus dem Jahr 1976 ist zwar stellenweise mit eigenen Worten des Autors verflochten, diese dienen aber ersichtlich nur dazu, die Erzählung des Klägers zu straffen und um ansonsten ohne Zusammenhang nebeneinander aufgereihte Zitate des Klägers in derber, umgangssprachlicher Wortwahl („Zitat“) zu verbinden. Dies stellt gleichfalls eine erhebliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers dar. Demgegenüber hat im Hinblick auf das Alter der Episode sowie des dargestellten Inhaltes die Geschichte keinen tagesaktuellen Bezug, sondern vielmehr nur einen gegenüber der Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers nachrangiges öffentliches Interesse an unterhaltender Information.
286Ein Unterlassungsanspruch des Klägers besteht ferner hinsichtlich der Textpassage Nr. 23 zu D.
287Bezüglich der in direkter Rede wiedergegebenen, drastischen und abfälligen Wertung des Klägers besteht ein Unterlassungsanspruch bereits, weil die Wiedergabe den Kläger erheblich in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Frau D war als Nachfolgerin des Klägers in politischen Ämtern im Jahr 2001/2002 aktiv und zählte damit zum Kreis derer, bezüglich derer der Kläger nach Bekundungen des Zeugen Dr. T ausdrücklich nicht wünschte, dass seine Äußerungen veröffentlicht würden. Dies belegt, dass der Kläger bereits zum damaligen Zeitpunkt nach seinem Wutausbruch seine Äußerung relativiert hat, es wegen der nur ausschnittweisen Wiedergabe der 3000 Seiten des Protokolls aber nicht dargestellt ist, denn die von dem Zeugen bekundeten Äußerungen des Klägers „das schreiben wir aber nicht“ finden sich an keiner Stelle des Buches.
288Auch soweit in dieser Textpassage und den Textpassagen Nr.60, 84, 89, 93, 97, 102 neben der Wiedergabe der Äußerungen des Klägers in direkter/indirekter Rede die abfälligen Äußerungen des Klägers mit eigenen Worten des Autors wiedergegeben werden, besteht gleichfalls ein Unterlassungsanspruch des Klägers, da es aus den oben unter B. ausgeführten Gründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, keinen Unterschied macht, ob die Äußerung des Klägers in direkter oder indirekter Rede oder mit den eigenen Worten des Autors, aber gleichem Sinngehalt wiederholt wird. Im Hinblick darauf, dass die Tonbandprotokolle 3000 Seiten umfassend, war eine Wiedergabe der Äußerungen des Klägers, wenn auch nur ansatzweise ein Zusammenhang noch verständlich sein sollte, stellenweise in komprimierter Form notwendig. Die Wiedergabe der Äußerung des Klägers und die Verletzung der Vertraulichkeitssphäre wird aber nicht dadurch gemindert, dass die Äußerungen des Klägers zusammengefasst wiedergegeben werden, vielmehr liegt darin insbesondere die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers, da ohne Darstellung des Tonfalls und Zusammenhangs der Äußerung die Möglichkeit der Verfälschung ihres Sinns besteht. So kann ein Schimpfwort, in leichtem Ton gesprochen, nicht als Beleidigung gemeint und zu verstehen sein, gedruckt jedoch eindeutig negativ wirken.
289Demgegenüber haben die Äußerungen über ihren Unterhaltungswert als solchen, der bezüglich der jetzigen Kanzlerin besonders ausgeprägt sein dürfte, keinen Informationsgehalt. Insbesondere die Textpassage Nr. 23 zu D enthält keinerlei Sachinformationen, die geeignet sein könnten, zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen. Dies gilt überdies auch hinsichtlich der Bemerkungen Nr. 2 und Nr. 3 über Frau D und Herrn G. Über die Information hinaus, dass der Kläger diesen Personen gegenüber im Zeitpunkt der Tonbandaufnahme negativ eingestellt wird, ist keinerlei weitere Information mitgeteilt worden. Die Tatsache jedoch, dass sich bis zum Jahr 2001/2002 eine Reihe von Politikern, auch aus der Partei des Klägers, von dem Kläger distanziert hatte, allen voran die jetzige Bundeskanzlerin Frau D in einem Beitrag in der FAZ Ende 1999, ist jedoch allgemein bekannt, ebenso wie das damalige gespannte Verhältnis des Klägers zu Frau D. Das öffentliche Interesse an den Äußerungen Nr. 2, 3, 23 beschränkt sich damit auf wenig mehr als einen Unterhaltungswert. Im Blick auf die drastische Schilderung, die der Kläger gewählt hat, und die mit einer Veröffentlichung dieser Formulierung einhergehende erhebliche Persönlichkeitsrechtverletzung des Klägers ist die Veröffentlichung dieser Textpassagen, sowie der oben genannten, rechtswidrig.
290Nr. 92 S. 181 zu Q4 u.a.
291Die wörtliche Wiedergabe der Äußerung, welche sichtlich eine äußerst drastische Wortwahl auszeichnet, stellt eine schwer wiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechtes des Klägers dar, die gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Veröffentlichung dieses Zitats überwiegt, auch wenn Thema des Zitats die Erörterung eines möglichen Termins für den Tag der deutschen Einheit ist (09.11.).
2923. Bezüglich der nachfolgenden Textpassagen besteht hingegen kein Unterlassungsanspruch des Klägers, da es sich entweder nicht um eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers handelt (dazu Nr. 9) oder die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers durch die Veröffentlichung seiner Äußerungen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und des Recht der Beklagten auf Meinungsfreiheit nicht überwiegt (Nr. 10ff):
293Nr. 9 Seite 49
294Die Textpassage beschreibt mit den Worten des Beklagten zu 2) einen Auszug aus dem zwischen dem Kläger und dem damaligen Palästinenserführer B2 geführten Telefongespräch, gibt jedoch nur die Bitte um finanzielle Unterstützung von Seiten B2s, nicht die Reaktion des Klägers hierauf wieder, weshalb dem Kläger unter keinem Gesichtspunkt, insbesondere auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes, ein Unterlassungsanspruch zusteht. Da die Beklagten zu 1) und 3) im Gegensatz zu dem Beklagten zu 2) sich nicht zur Geheimhaltung gegenüber dem Kläger verpflichtet hatten, kann der Kläger auch aus dem Umstand, dass einer generellen Geheimhaltungsverpflichtung unterliegende Informationen von Seiten der Beklagten zu 1) und 3) veröffentlicht wurden, keinen Unterlassungsanspruch herleiten.
295Nr. 10 S. 61
296Die Textpassage gibt teilweise das Zitat des Klägers aus einem Brief wieder, dass dieser bei Erstellung der Tonbandprotokolle wiederholt hat. Auch insoweit ist die Vertraulichkeitssphäre des Klägers durch die Veröffentlichung der Textpassage verletzt.
297Das öffentliche Interesse an einer Veröffentlichung überwiegt jedoch gegenüber der Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers, da die Textpassage thematisiert, wie Parteispenden von einem Politiker eingefordert wurden und welche Beträge für angemessen erachtet wurden. Die Frage der Parteienfinanzierung ist auch heute noch von tagesaktuellem Bezug, insbesondere vor dem Hintergrund des einige Jahre zurückliegenden Parteispendenskandals.
298Nr. 51 S. 102 f u.a. zu D2
299Die Textpassage beschreibt, wie die innerparteiliche Praktik der Parteifinanzierung geplant war und welche Umsetzungsschwierigkeiten bestanden. Zwar handelt es sich um ein wörtliches Zitat des Klägers, dieses ist jedoch in sachlich, neutral und ohne Ehrverletzungen formuliert, es betrifft zudem nicht den familiären oder privaten Kreis des Klägers, sondern seine politische Tätigkeit. Die Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers ist damit allein darin zu sehen, dass dieses Zitat wörtlich wiedergegeben wurde.
300Demgegenüber besteht ein erhebliches öffentliches Interesse daran, zu erfahren, wie auch zu früheren Zeitpunkten die Finanzierung der Partei des Klägers erfolgte. Die Textpassage kann Anlass zu einer öffentlichen Meinungsbildung und Diskussion darüber geben, ob die Einwerbung illegaler Parteispenden auch dadurch veranlasst worden sein konnte, dass Landesverbände der Partei nicht in der Lage waren, die ihnen zugedachte finanzielle Last aufzubringen.
301Nr. 61 (S. 110 zu H)
302Die in wörtlicher Rede wiedergegebenen Äußerung des Klägers betrifft den unterschiedlichen Umgang der Parteien mit einer möglichen „Stasi-Vergangenheit“ hochrangiger Parteimitglieder und ist auch heute, 25 Jahre nach dem Mauerfall, noch von erheblichem öffentlichen Interesse und geeignet, zu einer öffentlichen Diskussion und Meinungsbildung darüber beizutragen, welche Auswirkungen eine frühere Tätigkeit von Politikern für den Staatssicherheitsdienst der DDR heute noch hat oder haben sollte. Die Verletzung der Vertraulichkeitssphäre des Klägers durch die wörtliche Wiedergabe dieses Zitats tritt gegenüber dem überwiegenden öffentlichen Interesse, auf das sich die Beklagten berufen können, zurück.
303Nr. 72 zu E
304Da Gegenstand der Textpassage nicht die politische Einschätzung des Klägers über den damaligen CSU-Vorsitzenden E ist und in dem Zitat auch keine herabsetzenden Formulierungen von Seiten des Klägers wiedergegeben werden, „- ... Spott und Hohn“ äußerte ersichtlich nicht der Kläger sondern E -, überwiegt gegenüber der Verletzung der Vertraulichkeitssphäre des Klägers das öffentliche Interesse an einer Veröffentlichung dieses Zitats. Denn die Information darüber, welche Einstellung ein führendes Mitglieds der CSU in der Vergangenheit zu politisch Verfolgten hatte, ist geeignet, zu der aktuellen Diskussion in der Öffentlichkeit darüber beizutragen, wie einer solchen Haltung begegnet werden kann. Das Thema der politischen Verfolgung hat dabei auch unmittelbaren tagesaktuellen Bezug.
305Nr. 81 (S. 164 f) und Nr. 87 (S. 169) zu J )
306Bezüglich dieser beiden Textpassagen besteht eine Persönlichkeitsrechtverletzung des Klägers durch die Wiedergabe der wörtlichen Zitate des Klägers. Der Wortlaut, der veröffentlicht wurde, ist jedoch neutral und der Schilderung des Sachverhaltes angemessen. Im Gegensatz zu den eingangs aufgeführten Textpassagen geht mit einer Veröffentlichung nicht die Gefahr eines Ansehensverlustes in der Öffentlichkeit für den Kläger einher, weshalb die Persönlichkeitsrechtsverletzung durch die Veröffentlichung weniger schwerwiegend erscheint.
307Demgegenüber ist das Verhältnis der beiden Politiker zueinander, die zeitweilig die höchsten Staatsämter bekleideten, von erheblichem öffentlichem Interesse, auch wenn diese derzeit nicht mehr im Amt sind.
308Da Politiker für viele Teile der Öffentlichkeit Vorbildfunktion und Identifikationsfunktion haben, ist von besonderem Interesse, wenn deren öffentliche Darstellung mit der tatsächlichen nicht übereinstimmt. Deshalb ist der Umstand, dass der spätere Bundespräsident J in einer entscheidenden politischen Phase der Entscheidung über die Nachrüstung sein persönliches Karriereinteresse den Interessen der Bundesrepublik Deutschland voran stellte, ebenso geeignet, eine Diskussion in der Öffentlichkeit anzustoßen, wie das nach außen vorgegebene, tatsächlich aber nicht bestehende Einvernehmen zwischen dem damaligen Bundeskanzler und dem damaligen Bundespräsidenten im Zeitpunkt der Wiedervereinigung.
309Nr. 86 zu J und I
310Einen Unterlassungsanspruch hat der Kläger bezüglich dieser Textpassagen nur in geringem Umfang:
311-Es folgt ein Zitat-
312Bezüglich dieses Teils der Textpassage, die in umgangssprachlicher Ausdrucksweise die Verärgerung des Klägers über Herrn J ausdrückt, ansonsten aber keine Sachinformationen enthält, überwiegt die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers gegenüber einem öffentlichen Interesse an einer Äußerung mit lediglich Unterhaltungswert.
313Hinsichtlich des nachfolgenden Teils besteht jedoch ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung der Textpassage, beginnend mit:
314„Auch nach dem fehlgeschlagenen Putsch vom September 1989 gab es permanent Ärger mit dem Staatsoberhaupt ……besser unterblieben wäre.
315Da diese Äußerung die Wiedervereinigung und die Schwierigkeit ihrer Durchsetzung gegen Widerstände im Ausland und auch innenpolitisch zum Thema hat und damit von überragendem öffentlichen Interesse ist.
316Hingegen besteht bezüglich des letzten Teils der Textpassage, beginnend mit
317„(Zitat)“
318wiederum einen Unterlassungsanspruch des Klägers, da in dieser Passage ohne zusätzliche weitere Sachinformation in einem wörtlichen, teilweise umgangssprachlich formulierten Zitat des Klägers das wiederholt wird, was der Autor in dem vorangegangenen Beitrag bereits dargestellt hat und im Hinblick auf die bereits mitgeteilte Information das öffentliche Interesse an einem wörtlichen Zitat des Klägers gegenüber der Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers durch die Veröffentlichung und Verletzung der Vertraulichkeitssphäre zurücktritt.
319Nr. 100 S. 192
320Die Äußerung des Klägers „Das waren Feldsoldaten, anständige Leute! wird von den Beklagten in Bezug auf die Waffen-SS, jedoch ohne sonstigen Zusammenhang wiedergegeben. Eine Äußerung, die aus ihrem Kontext herausgerissen wird, kann sehr schnell in ihrer Bedeutung missverstanden werden, weshalb die Veröffentlichung dieser Äußerung eine erhebliche Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers darstellt.
321Auf der anderen Seite ist aufgrund der Greuel, die im Zweiten Weltkrieg insbesondere von Angehörigen der Waffen-SS verübt wurden, die Äußerung eines ehemaligen Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland, es habe sich um „anständige Leute“ gehandelt, von besonderem öffentlichem Interesse, da sie nicht nachvollziehbar erscheint und aus diesem Grund in der Öffentlichkeit die Diskussion über und eine Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit befördern kann. Das öffentliche Interesse an der Veröffentlichung dieses Zitats überwiegt deshalb die Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers und ist damit nicht rechtswidrig.
322Nr. 101 S.193
323Die Äußerung ist zu einem Zeitpunkt 2001/2002 gefallen, als u.a. die rechtsradikalen Verbrechen verübt und vorbereitet wurden, die heute Gegenstand gerichtlicher und politischer Aufarbeitung sind (NSU-Prozess). Die Äußerung des Klägers, die belegt, dass damalige hochrangige Politiker die Gefahr des Rechtsradikalismus verkannt und unterschätzt haben, hat aktuellen tagespolitischen Bezug und ist deshalb von hohem öffentlichen Interesse, demgegenüber die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers durch die Veröffentlichung dieses Zitats zurücktritt.
324Nr. 104 (S. 198 zum jüdischen Weltkongress)
325Das Zitat des Klägers „Mein Problem ist der jüdische Weltkongress. Denn das ist der Ausbund an Schäbigkeit“ , nimmt, wie dem Zusammenhang (Buch S. 197 – 198) zu entnehmen ist, Bezug auf ein Interview des damaligen WJC-Präsidenten, in welchem sich dieser negativ über den Kläger geäußert hatte, das Zitat des Klägers ist ersichtlich die Reaktion des Klägers auf den Vorhalt seitens des Beklagten zu 2). Damit ist klargestellt, dass diese Äußerung ebenso wenig wie die nachfolgende Äußerung des Klägers, „Überall, wo man als Deutscher in die Räder jüdischer Institutionen kommt, ist man als Deutscher sowieso in einer schwierigen Lage“. einen antisemitischen Hintergrund hat. Die „schwierige Lage“ ergibt sich vielmehr aus der schuldbeladenen deutschen Vergangenheit.
326Die Einschätzung des Autors, es handele sich bei dem zweiten Zitat nahezu um eine antisemitisches Klischee, ist eine Meinungsäußerung, die durch das Grundrecht der Beklagten auf Meinungsfreiheit gedeckt ist. Das Persönlichkeitsrecht des Klägers wird hierdurch nicht verletzt, da die Äußerung des Klägers im Zusammenhang wiedergegeben wurde und sich der Leser deshalb eine eigene Meinung darüber bilden kann, ob die Ansicht der Beklagten zutreffend ist oder nicht.
327Das öffentliche Interesse an der Frage, ob man als Deutscher Kritik an jüdischen Organisationen üben kann, und wenn ja, in welcher Form diese geäußert werden muss, um nicht den Vorwurf des Antisemitismus auf sich zu ziehen, ist von erheblichem öffentlichen Interesse, weshalb die Veröffentlichung des Zitats des Klägers nicht rechtswidrig ist.
328Nr. 113 (S. 212 f)
329Die Textpassage beschreibt aus Sicht des Klägers das Verhältnis von Politik und Presse. Die Ansicht des Klägers als ehemaligem Bundeskanzler, der Pressechef eines Bundeskanzlers müsse in einer Demokratie erpressen können, um nicht von der Presse seinerseits erpresst zu werden, ist von zentraler Bedeutung für das Verhältnis von Politik und Presse und damit von großem öffentlichen Interesse. Die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers durch die Veröffentlichung dieses Zitats tritt demgegenüber zurück, so dass die Veröffentlichung nicht rechtswidrig war.
3304. Ein Unterlassungsanspruch des Klägers gegen die Beklagten zu 1) und zu 3) gemäß §§ 97 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG besteht nicht. Es fehlt bereits an der dem Kläger obliegenden (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 12. Mai 2012 - I ZR 53/10 - Seilzirkus Rn. 24) Darlegung der Schutzfähigkeit der von den Beklagten übernommenen Äußerungen, die sich auch nicht aus den streitgegenständlichen Passagen von selbst ergibt.
331D.
332Die für die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch die vorausgegangene Rechtsverletzung indiziert (vgl. Wenzel, Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 12.8; OLG Karlsruhe, Urt.v. 18.11.2005, 14 U 169/05, NJW 2006,617 ff, zitiert nach juris Rn. 39). Diese kann grundsätzlich nur durch Abgabe einer ausreichend strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden (vgl. BGH , NJW 1996, 723; BGH NJW-RR 2002, 608 (609); eine solche haben die Beklagten indes nicht abgegeben.
333E.
334Es liegt auch ein Verfügungsgrund im Sinne von § 940 ZPO vor. Ein solcher ist gegeben, wenn u.a. zur Abwendung wesentlicher Nachteile eine einstweilige Regelung nötig erscheint. Grundsätzlich ist die Dringlichkeit gewahrt, wenn der Antragsteller binnen einer Monatsfrist seit Kenntnis der Rechtsverletzung einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stellt. Dies hat der Kläger vorliegend getan. Das Buch mit den streitgegenständlichen Textpassagen ist am 07.10.2014 veröffentlicht worden; der Kläger hat 3 bzw. 10 Tage nach der Veröffentlichung Anträge auf Erlass einstweiliger Verfügung gegenüber den Beklagten eingereicht.
335Die Rücknahme der zuvor gestellten Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Grundlage eines vorbeugenden Unterlassungsanspruchs seitens des Klägers im Beschwerdeverfahren ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht dringlichkeitsschädlich. Die Änderung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist im Beschwerdeverfahren nicht möglich. Deshalb konnte der Kläger in dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht nicht die jetzt gestellten Anträge auf Untersagung der konkret bezeichneten 115 Textpassagen nachholen. Der Kläger war aus diesem Grund nicht gehindert, seinen Antrag nach Kenntnis von der tatsächlichen Rechtsverletzung im Rahmen neuer Anträge, wie geschehen, innerhalb der Monatsfrist zu präzisieren.
336F.
337Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92, 269, 100 Abs. 1 ZPO und entspricht dem anteiligen Obsiegen und Unterliegen der Parteien.
338Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit unterbleibt. Urteile, die eine einstweilige Verfügung bestätigen oder erlassen, sind aus ihrer Natur heraus vorläufig vollstreckbar (Zöller/Vollkommer, ZPO, 30.Aufl. § 929 Rn. 1).
(1) Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere:
- 1.
Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme; - 2.
Werke der Musik; - 3.
pantomimische Werke einschließlich der Werke der Tanzkunst; - 4.
Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke; - 5.
Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen werden; - 6.
Filmwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen werden; - 7.
Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen.
(2) Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.
Tenor
I. Dem Verfügungsbeklagten zu 2) wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt, folgende Passagen aus dem im HEYNE-Verlag erschienenen Buch von Dr. Heribert Schwan und Tilman Jens „Vermächtnis – Die A-Protokolle“ in diesem Buch oder anderweitig wörtlich oder sinngemäß zu veröffentlichen oder zu verbreiten:
(die nachfolgende Nummerierung wurde seitens des Gerichts hinzugefügt und folgt der Reihenfolge im Antrag des Verfügungsklägers)
-Es folgt eine Aufstellung der Zitate-
Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegenüber dem Verfügungsbeklagten zu 2) zurückgewiesen.
II. Den Verfügungsbeklagten zu 1) und 3) wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung jeweils untersagt, folgende Passagen aus dem im HEYNE-Verlag erschienenen Buch von Dr. Heribert Schwan und Tilman Jens „Vermächtnis – Die A-Protokolle“ in diesem Buch oder anderweitig wörtlich oder sinngemäß zu veröffentlichen oder zu verbreiten:
-Es folgen Passagen aus dem Buch des HEYNE-Verlags-
Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegenüber den Verfügungsbeklagten zu 1) und 3) zurückgewiesen
III.
Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen der Kläger zu 1/6, der Beklagte zu 2) zu 1/3 und die Beklagten zu 1) und 3) zu jeweils ¼.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 3) trägt der Kläger zu je 1/12, im Übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
1
Tatbestand
2Der Verfügungskläger (nachfolgend Kläger) nimmt die Verfügungsbeklagten (nachfolgend Beklagten) auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung von Äußerungen des Klägers in Anspruch, die Gegenstand von Tonbandaufnahmen aus den Jahren 2001 und 2002 sind.
3Der Kläger ist Bundeskanzler a.D., der Beklagte zu 2) ist ein bekannter Journalist.
4Die Beklagten zu 2) und 3) sind Autoren des Buches „Vermächtnis Die A-Protokolle“ (nachfolgend Buch), das im „HEYNE-Verlag“, einer Verlagsmarke der Beklagten zu 1), erschien und am 07.10.2014 veröffentlicht wurde. Das Buch besteht zu ca. 10 % aus bislang unveröffentlichten wörtlichen Zitaten des Klägers, entnommen aus Tonbandprotokollen, die im Haus des Klägers in den Jahren 2001 – 2002 aufgezeichnet worden waren als Grundlage der Erstellung der Autobiographie des Klägers.
5Die Auswahl der in das Buch aufgenommenen Zitate des Klägers erfolgte – nach der Darstellung des Justiziars der Beklagten zu 1) in der mündlichen Verhandlung vom 30. Oktober 2014 – nach einer Sichtung der von dem Beklagten zu 2) zur Verfügung gestellten Tonbandabschriften durch die Beklagten in einer intensiven, mehrere Monate dauernden Diskussion, an der auch der Justiziar der Beklagten zu 1) teilnahm, und in der insbesondere besprochen wurde, hinsichtlich welcher Zitate ein öffentliches Interesse anzunehmen sei.
6Die Erstauflage des Buches ist zwischenzeitlich abverkauft.
7Von 1999 bis zur Aufkündigung der Zusammenarbeit seitens des Klägers im Jahr 2009 arbeitete der Beklagte zu 2) mit dem Kläger an den Memoiren des Klägers, Titel „Erinnerungen“, von welchen bislang drei Bände für die Zeit 1930 - 1994 erschienen sind. Ein die Memoiren abschließender vierter Band bzw. weitere Bände über die Zeit seit Oktober 1994 sind noch nicht erstellt.
8Im Hinblick auf die Erstellung der Memoiren und der Mitarbeit des Beklagten zu 2) hieran schlossen der Kläger sowie der Beklagte zu 2) jeweils mit dem herausgebenden Verlag, der Z GmbH & Co. (nachfolgend Verlag genannt) am 12.11.1999 schriftliche Verträge, die inhaltlich auf einander abgestimmt waren und größtenteils wortgleiche Formulierungen enthalten.
9Beide Verträge enthalten u.a. folgende übereinstimmenden Regelungen:
10Der Beklagte zu 2) verzichtet auf das Recht der Bestimmung der Urheberbezeichnung nach § 13 S. 1 UrhG und bringt keine eigene Urheberbezeichnung an dem Werk an, vielmehr wird der Kläger als Autor genannt. Die Fertigstellung des Werkes wird erst nach Zustimmung des Klägers erklärt. Dieser ist als Autor zu jeglichen Änderungen auch an dem erst teilweise erstellten Werk befugt.
11Ferner sichert der Verlag dem Kläger in dem Autorenvertrag zu, dass, soweit der Beklagte zu 2) Rechte an dem Werk inne hält, diese auf den Kläger übertragen werden. Auch ist der Kläger nach dem Autorenvertrag jederzeit berechtigt, die Zusammenarbeit mit dem Beklagten zu 2) zu beenden und einvernehmlich mit dem Verlag einen Ersatz für den Beklagten zu 2) bestimmen.
12Für die Zusammenarbeit zwischen dem Beklagten zu 2) und dem Kläger, der - für den Kläger kostenfrei - für eine Zusammenarbeit mit dem Kläger zur Verfügung zu stehen hatte, ist ferner in § 4 Abs. 2 des Autorenvertrages geregelt:
13„Der Verlag sichert zu, dass Herr Dr. Schwan persönlich die schriftliche Abfassung des Werkes bis zu seiner Fertigstellung nach den Vorgaben und Angaben des Autors übernimmt. Der Autor wird im Gegenzug Herrn Dr. Schwan entsprechenden Einblick in relevante Unterlagen geben und ihm in ausreichendem Maße für entsprechende Gespräche zur Verfügung stehen (mindestens 200 Stunden). Die einleitende Zusammenarbeit zwischen Herrn Dr. Schwan und dem Autor werden diese direkt besprechen"
14In dem zwischen dem Beklagten zu 2) und dem Verlag geschlossenen Vertrages vom 12.11.1999 (Anlage AG 4, Bl. 140-148 GA) war entsprechend vereinbart, dass der Beklagte zu 2) dem Verlag das ausschließliche, unwiderrufliche und räumlich unbeschränkte Nutzungsrecht an dem Werk für die Dauer des Urheberrechts übertrug mit der Maßgabe, diese Rechte an den Autor weiterzuübertragen. Der Beklagte zu 2) gestattet dem Autor ferner, das Werk unter seiner Autorenbezeichnung zu veröffentlichen. Vereinbart war auch, dass diese Regelungen auch bei Kündigung oder Beendigung des Vertrages fortbestehen sollten.
15Der Vertrag zwischen dem Verlag und dem Beklagten zu 2) enthält wörtlich u.a. folgende Bestimmungen:
16§ 1 Vertragsgegenstand
171. Herr Dr. Schwan verpflichtet sich, mindestens 200 Stunden für eine Zusammenarbeit mit dem Autor bis zur Fertigstellung des Manuskripts zur Verfügung zu stehen. Das Werk wird in seiner Endfassung etwa 500 Schreibmaschinenseiten … umfassen. Herr Dr. Schwan hat keinen Anspruch darauf, mit dem Autor tatsächlich bis zur endgültigen Fertigstellung des Manuskripts zusammenzuarbeiten.
182.Herr Dr. Schwan wird persönlich die schriftliche Abfassung des Werkes bis zu seiner Fertigstellung nach den Vorgaben und Angaben des Autors übernehmen.
193. Herr Dr. Schwan wird dem Autor zu jedem Zeitpunkt Einsicht in das bereits erstellte Manuskript geben.
204. Der Verlag sichert zu, dass der Autor im Gegenzug Herrn Dr. Schwan Einblick in relevante Unterlagen geben und ihm in ausreichendem Maße für entsprechende Gespräche zur Verfügung steht (mindestens 200 Stunden). Die Einzelheiten der Zusammenarbeit zwischen Herrn Dr. Schwan und dem Autor werden diese direkt besprechen.
215. Wird der Autor wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung in Anspruch genommen, wird Herr Dr. Schwan ihn bei der Abwehr dieser Ansprüche unterstützen. Herr Dr. Schwan stellt den Autor von sämtlichen Ansprüchen frei, die dieser durch eine Persönlichkeitsrechtsverletzung erleidet, die allein durch Herrn Dr. Schwan verursacht wurde…
22§ 3 Vergütung
231.Herr Dr. Schwan erhält für jedes verkaufte Exemplar des Werkes ein Honorar…
247. Als Honorarvorauszahlung erhält Herr Dr. Schwan einen Betrag von
25DM XXXX bei Vertragsschluss
26DM XXXX bei Ablieferung des Manuskripts..
27Der Vorschuss ist bei Erfüllung der Vertragspflichten von Herrn Dr. Schwan nicht rückzahlbar, aber mit den Honoraransprüchen von Herrn Dr. Schwan für die deutsche Ausgabe … verrechenbar.
28§ 8 Geheimhaltung
29Über diesen Vertragsabschluss sowie die Bestimmungen dieses Vertrages werden die Beteiligten Stillschweigen bewahren.
30Zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) wurden in der Folgezeit keine schriftlichen Vereinbarungen über die Zusammenarbeit und die Verwendung der dem Beklagten zu 2) bei dieser Zusammenarbeit mitgeteilten Informationen getroffen.
31Der Kläger stellte dem Beklagten zu 2) zahlreiche Unterlagen, so z.B. Briefverkehr, Redemanuskripte, Dokumente aus der Zeit als Bundeskanzler bzw. Oppositionsführer zu Durchsicht und Auswertung zur Verfügung. Hiervon umfasst waren auch zahlreiche Quellen, die der Wissenschaft und Forschung aufgrund der 30jährigen Sperrfrist für Archive noch für längere Zeit nicht zugänglich sein werden und dem Kläger zweckgebunden für seine Memoiren zur Verfügung gestellt wurden. Zugang zu diesen Quellen erhielt der Beklagte zu 2) erst nach einer eingehenden Sicherheitsüberprüfung, die sich auch auf die Ehefrau des Beklagten zu 2) erstreckte. Der Kläger gewährte dem Beklagten zu 2) ferner Einblick in die ihn betreffenden, 13 Bände umfassenden Ermittlungsunterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR („Stasi-Akte“), deren Veröffentlichung der Kläger in einem langwierigen Rechtsstreit hatte sperren lassen.
32An den Memoiren arbeitete neben dem Beklagten zu 2) auch der in dem Verfahren 14 O 612/12 LG Köln als Zeuge vernommene Dr. T mit, der die Erstellung des ersten Bandes der Memoiren (1930 bis 1960) übernommen hatte.
33In der Folgezeit führten der Kläger, der Beklagte zu 2) , teilweise auch der Zeuge Dr. T, stundenlange Gespräche im Keller des Hauses des Klägers. Aufgrund einer Absprache zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2), deren genauer Inhalt und rechtliche Einordnung zwischen den Parteien streitig sind, wurden mittels eines von dem Beklagten zu 2) beschafften Tonbandaufzeichnungsgerätes mit Mikrofon auf Tonbändern, die der Beklagte zu 2) jeweils mitbrachte, an über 100 Tagen während 630 Stunden die Ausführungen des Klägers zu Fragen und Stichworten des Beklagten zu 2) und des Zeugen Dr. T aufgenommen.
34Die Parteien sind sich einig, dass auf den Tonbändern zumindest teilweise das historische Vermächtnis des Klägers aufgezeichnet ist. Der Kläger sprach sehr ausführlich sein gesamtes Leben auf Band und zwar aus der Zeit vor der Übernahme höchster politischer Ämter sowie aus seiner Zeit als Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz und insbesondere aus den 16 Jahren, in denen er das Amt des Bundeskanzlers ausübte. Der Kläger äußerte sich darüber hinaus auch zu tagesaktuellen Themen und Politikern teilweise in drastischer, herabsetzender sowie umgangssprachlicher Ausdrucksweise. In seinen Memoiren sowie sonstigen bisherigen Publikationen hat der Kläger Äußerungen in dieser Schärfe und Deutlichkeit bewusst vermieden, um nicht partei- und regierungsschädigend zu agieren und keine „Bücher der Rache“ zu schreiben.
35Auch über die Erstellung der Tonbandaufnahmen und deren Verwendung haben der Kläger und der Beklagte zu 2) keine schriftlichen Vereinbarungen getroffen.
36Die streitgegenständlichen Tonbänder nahm der Beklagte zu 2) zur Vorbereitung der geplanten Buchveröffentlichung jeweils mit nach Hause. Er ließ dort die Tonbänder von seiner Schwester abschreiben. Die Abschrift hat einen Umfang von ca. 3000 Seiten.
37Aufgrund eines Unfalls im Jahr 2008, bei dem sich der Kläger eine schwere Kopfverletzung zuzog, musste der Kläger seine Arbeit an den Memoiren unterbrechen. In der Folgezeit kam es zu einem Zerwürfnis der Parteien, nachdem der Beklagte zu 2) ein Buch über die erste Ehefrau des Klägers veröffentlicht hatte, das der Kläger als Vertrauensbruch empfand. Der Kläger kündigte daraufhin die Zusammenarbeit mit dem Beklagten zu 2) auf. Dieser wurde von dem Verlag finanziell abgefunden.
38Nachdem der Beklagte zu 2) in einem Interview, veröffentlicht in der Zeitschrift „Der Spiegel 39/2012“ (Anlage zum Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten des Klägers vom 30.10.2014, Bl. 537f GA) für einen späteren Zeitpunkt die Veröffentlichung einer Biographie des Klägers unter Verwendung des Tonbandmaterials in Aussicht gestellt hatte, erhob der Kläger Klage auf Herausgabe der Originaltonbänder. Der Beklagte zu 2) wurde mit Urteil des Landgerichts Köln vom 12.12.2013 (AZ.: 14 O 612/12) nach Anhörung des Zeugen Dr. T zum Gegenstand und Zweck der Tonbandaufnahmen antragsgemäß verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten zu 2) hat das Oberlandesgericht Köln mit Urteil vom 08.08.2014 (AZ.: 6 U 20/14) zurückgewiesen. Der Beklagte zu 2) hat gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Köln Revision eingelegt, das Verfahren wird vom Bundesgerichtshof unter dem Az. V ZR 206/14 geführt.
39Wegen der Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichten Urteile des LG Köln vom 12.12.2013 (AZ.: 14 O 612/12) (Anlage AS 1, Bl. 27 – 45 GA), des OLG Köln vom 01.08.2014 (AZ.: 6 U 20/14) (Anlage AS 2, Bl. 46 – 64 GA) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme vom 10.10.2013, LG Köln 14 O 612/12 (Bl. 522 – 527 GA) Bezug genommen.
40Der Beklagte zu 2) hat im Wege der Zwangsvollstreckung zwischenzeitlich 200 Originaltonbänder an den Kläger herausgegeben (in dem Verfahren LG Köln 14 O 612/12 war deren Zahl mit 135 beziffert worden). Die Originalaufnahmen sind jedoch zu 4/5 unvollständig; die Stimme des Klägers ist lediglich auf ca. 40 Tonbändern zu hören. Der Beklagte zu 2) verfügt weiterhin über Abschriften der Tonbänder sowie von ihm erstellte, vollständige Tonbandkopien.
41In dem Verfahren vor der erkennenden Kammer Az. 14 O 286/14 nimmt der Kläger den Beklagten zu 2) auf Herausgabe der Abschriften und Tonbandkopien in Anspruch. Die Klageschrift ist am 25.9.2014 bei Gericht eingegangen. Mit Schriftsatz vom 10.10.2014, dem Beklagten zu 2) zu Händen seiner dortigen Prozessbevollmächtigten zugestellt am 27.10.2014, hat der Kläger im Rahmen der Klageerweiterung den auf Verletzung seines Persönlichkeitsrechts gestützten Antrag angekündigt,
42dem Beklagten zu untersagen, die auf Tonbändern, auf die Stimme des Klägers zu hören ist und die in den Jahren 2001 und 2002 vom Kläger besprochen wurden, befindlichen Lebenserinnerungen des Klägers zu verbreiten und/oder zu verwerten oder auf sonstige Weise zu nutzen.
43Vor Veröffentlichung des Buches am 07.10.2014 hat der Kläger gegenüber den Beklagten zu 1) und 2) jeweils einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt mit dem Antrag, die Veröffentlichung der Lebenserinnerungen des Klägers in dem streitgegenständlichen Buch zu untersagen. Die für Pressesachen zuständige 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln hat die Anträge mit Beschlüssen vom 07.10.2014 (Az.: 28 O 433/14 und 28 O 434/14) zurückgewiesen. Der Kläger hat die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Beschwerdeverfahren zurückgenommen, nachdem das Oberlandesgericht Köln darauf hingewiesen hatte, dass die Anträge in der Ursprungsfassung keine Aussicht auf Erfolg haben dürften und eine Antragsänderung in zweiter Instanz unzulässig sei.
44Mit Anträgen vom 10.10.2014 und 17.10.2014 beantragt der Kläger nunmehr die Untersagung der Veröffentlichung und Verbreitung von 115 konkret bezeichneten Textpassagen aus dem Buch.
45Der Kläger ist der Ansicht, die Veröffentlichung und Verbreitung der antragsgegenständlichen Passagen aus dem Buch stelle im Verhältnis zu dem Beklagten zu 2) eine Verletzung der vertraglich vereinbarten Geheimhaltungsverpflichtung dar, zudem verletze die Veröffentlichung und Verbreitung ihn in seinem Persönlichkeitsrecht. Hilfsweise beruft sich der Kläger bezüglich der Textpassagen auf die Verletzung seines Urheberrechts.
46Der Kläger behauptet, im Rahmen der zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) getroffenen Absprache über die Erstellung der Tonbandaufnahmen hätten sich der Kläger und der Beklagte zu 2) konkludent auch darüber geeinigt, dass der Beklagte zu 2) nicht zu einer Veröffentlichung der Informationen berechtigt sein sollte, welche der Kläger auf Band gesprochen habe. Die Absprache sei als gesonderte vertragliche Vereinbarung getroffen worden.
47Der Kläger ist der Ansicht, die Vereinbarung einer Verpflichtung des Beklagten zu 2) zur Verschwiegenheit sei konkludent möglich gewesen und habe insbesondere nicht den Abschluss einer ausdrücklichen Autorisierungsvereinbarung vorausgesetzt. Eine solche sei allenfalls notwendig, sofern ein Journalist im Rahmen eigenständiger Recherchen Interviews führe. Dies sei der vorliegenden Konstellation nicht vergleichbar, weil der Beklagte zu 2) - unstreitig - von dem Verlag als bezahlter Ghostwriter in die Erstellung der Materialsammlung eingebunden worden sei. Der Kläger meint, aus diesem Grund sei unerheblich, ob der Beklagte zu 2) neben seiner Ghostwritertätigkeit auch den Beruf eines Journalisten ausübe.
48Der Kläger ist weiter der Ansicht, dass eine Verpflichtung des Beklagten zu 2) zur Geheimhaltung sich auch daraus ergebe, dass unstreitig sowohl in dem Autorenvertrag zwischen dem Kläger und dem Verlag als auch in dem Vertrag zwischen dem Verlag und dem Beklagten zu 2) eine Geheimhaltung bezüglich der Vertragsbedingungen verabredet worden sei, aufgrund derer der Beklagte zu 2) nicht berechtigt gewesen sei, nach außen kund zu tun, dass und welche Informationen er von dem Kläger anlässlich der Gespräche zum Zweck der Erstellung der Memoiren erlangt habe.
49Der Kläger ist ferner der Ansicht, eine Verpflichtung des Beklagten zu 2) zur Verschwiegenheit über die von dem Kläger erhaltenen Informationen anlässlich der Tonbandaufnahmen folge auch daraus, dass diese zweckgebunden zur Erstellung der Memoiren dem Beklagten zu 2) mitgeteilt worden seien. Bezüglich der der Geheimhaltungsverpflichtung unterliegenden Verschlusssachen sowie der Stasi-Akten folge eine Verpflichtung zur Geheimhaltung bereits aus der Natur der Sache.
50Der Kläger ist schließlich der Ansicht, die wörtliche oder sinngemäße Wiedergabe seiner auf den Tonbändern aufgezeichneten Äußerungen, stelle eine schwerwiegende, rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts dar, die nicht durch das Recht der Beklagten zu 1) und 3) auf Meinungs- und Pressefreiheit gerechtfertigt sei. Die in seinem Wohnhaus auf der Grundlage der Vertraulichkeitsvereinbarung mit dem Beklagten zu 2) aufgenommenen Tonbandaufnahmen seien der Intimsphäre zuzuordnen, unabhängig vom Inhalt der Äußerungen, die zudem auch äußerst private Themen berührt hätten. Diese sei absolut geschützt und im Rahmen einer Interessenabwägung gegenüber den Interessen Dritter immer vorrangig.
51Der Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben, dass er abredewidrig die Tonbänder veröffentlichen wolle. Einer solchen Veröffentlichung zu seinen Lebzeiten habe er, der Kläger, auch zu keinem Zeitpunkt zugestimmt. Der Beklagte zu 2) habe bis zur Aufkündigung der Zusammenarbeit seitens des Klägers zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben, dass er eine Veröffentlichung der Tonbandaufnahmen beabsichtige.
52Hilfsweise stützt der Kläger seinen Unterlassungsanspruch auf § 97 Abs. 1 UrhG. Hierzu vertritt er die Auffassung, nicht nur die Tonbandaufnahmen als Ganzes sondern auch die veröffentlichten Zitate seien als Sprachwerke jeweils gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG schutzfähig.
53Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 30.10.2014 hat der Kläger den schriftsätzlich angekündigten Antrag, die Verfügungsbeklagte zu 1) zu verpflichten, die bereits auf den Weg gebrachten bzw. ausgelieferten Exemplare, die eine oder mehrere der im nachfolgenden Antrag genannten Buchauszüge enthalten, vom Auslieferer und aus dem Buchhandel einschließlich Zwischenbuchhandel zurückzurufen, zurückgenommen.
54Der Kläger beantragt nunmehr,
55den Verfügungsbeklagten jeweils unter Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu untersagen, folgende Passagen aus dem im HEYNE-Verlag erschienenen Buch von Dr. Heribert Schwan und Tilman Jens „Vermächtnis – Die A-Protokolle“ in diesem Buch oder anderweitig wörtlich oder sinngemäß zu veröffentlichen oder zu verbreiten:
56(die Nummerierung wurde seitens des Gerichts hinzugefügt und folgt der Reihenfolge im Antrag des Klägers)
57-Es folgen Passagen aus dem Buch des HEYNE-Verlags-
58Die Beklagten rügen die funktionale Unzuständigkeit der erkennenden Kammer.
59Sie beantragen,
60den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
61Die Beklagten behaupten, der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt erklärt, er wünsche nicht, dass seine auf Tonband aufgenommen Äußerungen nicht veröffentlicht werden sollten. Es habe lediglich zwei oder drei Situationen gegeben, in denen der Kläger ausdrücklich darum gebeten habe, das Tonband auszustellen, was dann auch erfolgt sei. Darüber hinaus habe es Themen gegeben, bei denen der Kläger entweder während des Gesprächs oder bei der Bearbeitung der von dem Beklagten zu 2) vorgelegten Manuskripte sinngemäß geäußert habe „das kannst du später mal schreiben“. Weitere, inhaltlich über derartige Aussagen hinausgehende Beschränkungen hinsichtlich der Veröffentlichung der auf den Tonbändern aufgezeichneten Äußerungen des Klägers habe es auch mündlich nicht gegeben.
62Zur Glaubhaftmachung nehmen die Beklagten Bezug auf die eidesstattliche Versicherung des Beklagten zu 2) vom 28.10.2014, Bl. 512 f GA.
63Die Beklagten sind der Ansicht, als Journalist sei der Beklagte zu 2) auch ohne Abstimmung mit dem Kläger berechtigt, die in seiner, des Beklagten zu 2), Gegenwart erfolgten Tonbandaufzeichnungen zu veröffentlichen und zu verbreiten. Der Kläger habe dies nur durch den Abschluss einer ausdrücklichen Autorisierungsvereinbarung verhindern können, welche unstreitig nicht geschlossen worden sei. Der Kläger habe gewusst, dass der Beklagte zu 2) die auf Tonband festgehaltenen Äußerungen des Klägers veröffentlichen werde, weil er – unstreitig - gewusst habe, dass der Beklagte zu 2) Journalist war.
64Die Beklagten sind der Ansicht, dass aus den seitens des Klägers und des Beklagten zu 2) mit dem Verlag jeweils geschlossenen Verträgen eine Verpflichtung des Beklagten zu 2) zur Geheimhaltung nicht herzuleiten sei, eine solche sei auch nicht zwischen dem Kläger und dem Beklagten 2) konkludent getroffen worden, wie die 28. Zivilkammer des Landgerichts zutreffend entschieden habe.
65Die Beklagten behaupten, an den veröffentlichten Zitaten des Klägers bestünde ein überragendes öffentliches Interesse sowohl im Hinblick auf die Person des Äußernden als herausragende Person der Zeitgeschichte als auch im Hinblick auf den Inhalt der Äußerungen. So widersprächen namentlich die Aussagen des Klägers zum Grund für den Mauerfall seinen bisherigen Äußerungen in der Öffentlichkeit zu diesem Thema. Die zeitgeschichtliche Dimension der Zitate werde auch im Hinblick auf die angefachte journalistische Diskussion deutlich. Diesbezüglich nehmen die Beklagten Bezug auf veröffentlichte Interviews und Stellungnahmen von Historikern und Journalisten zu diesem Thema (Anlage AG 5, AG 6, Bl. 294-300 GA).
66Die Beklagten sind der Ansicht, die Äußerungen des Klägers seien nicht der Privat- sondern der Sozialsphäre zuzuordnen, weil es sich um Stellungnahmen des Klägers zu seinem Wirken im politischen Leben und zu politischen Freunden und Feinden gehandelt habe. Im Hinblick auf die herausragende Stellung des Klägers als Politiker sei auch unter Berücksichtigung der mit der Veröffentlichung der Tonbandprotokolle einhergehende Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers im Hinblick auf die den Beklagten zustehende Meinungs- und Pressefreiheit nicht rechtswidrig.
67Die Beklagten sind ferner der Ansicht, die in dem Buch enthaltenen, streitgegenständlichen Textpassagen seien nicht geeignet, einen Unterlassungsanspruch des Klägers zu begründen, soweit darin Zitate enthalten sein, die nicht von dem Kläger stammten oder persönliche Wertungen und Stellungnahmen der Autoren enthielten. Auch im Übrigen bestünde kein Unterlassungsanspruch des Klägers, insbesondere auch nicht aus Urheberrecht, weil die Textpassagen, soweit sie wörtliche Zitate des Klägers darstellten, nicht urheberrechtlich schutzfähig seien. Dies gelte insbesondere hinsichtlich der drastischen Ausdrücke des Klägers, mit denen er politische Gegner bedacht habe. Bereits aufgrund der Kürze des jeweiligen Ausdrucks sei eine persönliche, geistige Schöpfung nicht erkennbar und von dem Kläger überdies nicht dargetan. Dies gelte auch, wenn die Schutzfähigkeit der Gesamtheit der auf Tonband gesprochenen Lebenserinnerungen zugestanden werden könne.
68Die Beklagten sind weiterhin der Ansicht, es fehle an einem Verfügungsgrund. Eine Dringlichkeit sei nicht mehr gegeben, weil der Kläger die zunächst zu Aktenzeichen 28 O 443/14 und 28 O 444/14 gestellten Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgenommen habe. Auch gegenüber dem Beklagten zu 3) sei kein Verfügungsgrund gegeben, weil der Kläger der erst mit Schriftsatz vom 17.10.2014 ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt habe und durch langes Zuwarten zu erkennen gegeben habe, dass eine Eilbedürftigkeit insoweit nicht vorliege.
69Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
70Die gegen die Beklagten zu 1) und 2) gerichteten, hier streitgegenständlichen Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sind zunächst bei der für Pressesachen zuständigen 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln zu Aktenzeichen 28 O 447/14 und 28 O 448/14 eingegangen. Im Hinblick auf den Sachzusammenhang mit dem bereits vor der 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln anhängigen Rechtsstreit 14 O 286/14 hat die 28. Zivilkammer das Verfahren an die 14. Zivilkammer abgegeben (AZ 14 O 315/14 und 14 O 316/14).
71Mit Beschluss vom 24.10.2014 hat die erkennende Kammer die Verfahren 14 O 315/14; 14 O 316/14 und 14 O 322/14 wegen Sachzusammenhangs miteinander verbunden.
72Entscheidungsgründe
73A.
74Die erkennende Kammer ist zur Entscheidung über die nunmehr verbundenen Verfahren 14 O 315/14 (zuvor 28 O 447/14 LG Köln), 14 O 316/14 (zuvor 28 O 448/14 LG Köln) und 14 O 322/14 gemäß Teil 1 B Ziffer 3 des Geschäftsverteilungsplans des Landgerichts Köln für das Geschäftsjahr 2014 zuständig. Danach sind mehrere Streitigkeiten zwischen denselben Parteien, die dasselbe Rechtverhältnis betreffen, von derselben Kammer zu bearbeiten, und zwar auch dann, wenn diese Kammer für einzelne Streitigkeiten nicht zuständig wäre. Werden in getrennten Verfahren Rechtsfolgen aus demselben tatsächlichen Sachverhalt hergeleitet, so sind alle Verfahren von derselben Kammer zu bearbeiten, und zwar auch dann, wenn diese Kammer für einzelne Streitigkeiten nicht zuständig wäre oder an den einzelnen Verfahren verschiedene Prozessparteien beteiligt sind. Nach Abtrennung von Klage, Widerklage oder von Teilen hiervon bleibt die Kammer zuständig, bei der die Sache ursprünglich eingetragen war.
75Die Zuständigkeit der Kammer nach diesen Grundsätzen wegen Sachzusammenhangs ergibt sich aus dem Sachzusammenhang zwischen den Verfahren einerseits und dem Sachzusammenhang zwischen dem Verfahren 14 O 316/14 (zuvor 28 O 448/14) und dem bereits zuvor bei der Kammer anhängigen Klageverfahren 14 O 286/14 andererseits.
76In dem Klageverfahren 14 O 286/14 hat der Kläger den Beklagten zu 2) zunächst nur gestützt auch auf Urheberrecht auf Herausgabe der Vervielfältigungsstücke der streitgegenständlichen Tonbänder in Anspruch genommen. Die Zuständigkeit der erkennenden Kammer für diese Streitigkeit folgt aus Teil 2 A Rn. 124 des Geschäftsverteilungsplans. Im Rahmen der Klageerweiterung vom 10.10.2014 hat der Kläger den Beklagten zu 2) auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung der Lebenserinnerungen des Klägers in dem streitgegenständlichen Buch in Anspruch genommen und diesen Antrag auf eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts gestützt. Durch die Klageerweiterung ist die Kammer auch für das einstweilige Verfügungsverfahren des Klägers gegen den Beklagten zu 2) zuständig geworden. Gegenstand des einstweiligen Verfügungsverfahrens zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) ist die damit in Zusammenhang stehende Untersagung der Veröffentlichung und Verbreitung der Lebenserinnerungen des Klägers, konkretisiert in 115 Textpassagen, die in Sachzusammenhang (Teil 1 B 3 Rn. 19, 20 des Geschäftsverteilungsplans) stehen, da die geltend gemachten Ansprüche dasselbe rechtliche Verhältnis zwischen denselben Parteien betreffen.
77Die Zuständigkeit der 28. Zivilkammer für die in Sachzusammenhang stehenden Verfügungsverfahren und das Streitverhältnis, das der Klageerweiterung in dem Klageverfahren 14 O 286/14 zugrundeliegt, scheidet schon deshalb aus, weil nach Teil 1 B 3 Rn. 26 des Geschäftsverteilungsplans auch nach einer etwaigen Abtrennung dieses Teils der Klage die Kammer zuständig bleibt, bei der die Sache ursprünglich eingetragen war, mithin die erkennende Kammer. Anlass, den gesamten Rechtsstreit 14 O 286/14 einschließlich des Herausgabeverlangens im Wege des Sachzusammenhangs der 28. Zivilkammer zuzuordnen, besteht aufgrund des Geschäftsverteilungsplans und auch sonst nicht.
78B.
79Der Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegenüber dem Beklagten zu 2) ist überwiegend begründet. Der Kläger hat vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß §§ 935ff, 940 ZPO vorliegen.
80I.
81Der Kläger hat gegenüber den Beklagten zu 2) im zuerkannten Umfang einen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung der streitgegenständlichen Textpassagen aus Vertrag wegen Verletzung der dem Beklagten zu 2) obliegenden Geheimhaltungsverpflichtung, § 241 S. 1 und 2 BGB.
82Im Rahmen der Einigung des Klägers und des Beklagten zu 2) über die Aufzeichnung der Ausführungen des Klägers zu Zwecken der Materialsammlung für seine Memoiren auf Tonband einigten sich der Kläger und der Beklagte zu 2) zugleich konkludent dahingehend, dass der Beklagte zu 2) über die von dem Kläger ihm anvertrauten Informationen und Einschätzungen, jedenfalls soweit sie nicht vorbekannt waren, Stillschweigen zu bewahren hat.
83Diese Vereinbarung war auch konkludent möglich. Entgegen der Ansicht der Beklagten setzt eine vertragliche Verpflichtung des Beklagten zu 2) zur Verschwiegenheit nicht den Abschluss einer ausdrücklichen Autorisierungsvereinbarung voraus.
84Die Tonbandaufzeichnungen sind nicht Ergebnis der journalistischen (Recherche-) Tätigkeit des Beklagten zu 2). Der Beklagte zu 2) wurde bei der Erstellung der Tonbandaufzeichnungen nicht als „Journalist und Historiker“ zugezogen und führte auch nicht im Rahmen eigener journalistischer Recherchen ein Interview mit dem Kläger. Vielmehr war der Beklagte zu 2) als von dem Verlag beauftragter und bezahlter, verdeckt arbeitender Schriftsteller (Ghostwriter), der aufgrund der mit dem Verlag getroffenen Vereinbarung nach außen hin nicht in Erscheinung treten durfte, mit der Erstellung der Materialsammlung für die Memoiren des Klägers betraut worden, wobei das auf Grundlage dieser Materialsammlung von dem Beklagten zu 2) zu erstellende Manuskript nach den gleichlautenden Vereinbarungen in den Verlagsverträgen vor einer Veröffentlichung der Endkontrolle durch den Kläger unterlag.
85Im Einzelnen:
861. Die Kammer hält auf Grundlage des Vortrags der Parteien im vorliegenden Verfahren an ihrer mit Urteil vom 12.12.2013 (Az: 14 O 612/12) begründeten Auffassung fest, dass die Erstellung der Tonbandaufnahmen nicht im rechtsfreien Raum oder im Rahmen einer Gefälligkeit von Seiten des Beklagten zu 2) erfolgte, sondern Gegenstand eines zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) vereinbarten Auftragsverhältnisses im Sinne von § 662 BGB war. Anlass von dieser Einschätzung abzuweichen besteht auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 01.08.2014 (6 U 20/14) nicht, da das Oberlandesgericht Köln dem Herausgabeanspruch des Klägers aus § 985 BGB stattgegeben, zugleich jedoch ausgesprochen hat, dass aufgrund der Interessenlage der Beteiligten viel dafür spräche, dass aus dem Vertragswerk auch ein schuldrechtlicher Herausgabeanspruch des Klägers folge, wobei der Rechtsgedanke des § 667 die BGB mit herangezogen werden könnte.
87a) Die Parteien haben bei der Einigung über die Vornahme der Tonbandaufzeichnungen mit Rechtsbindungswillen gehandelt (§§ 145, 151 BGB). Stehen, für den Beauftragten erkennbar, wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel, lässt dies regelmäßig auf Rechtsbindungswillen schließen (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl. , Einf.v. § 662 Rz. 4 m.w.N.). So liegt der Fall hier.
88Die Tonbandaufzeichnungen, die Grundlage des zu erstellenden Manuskripts für die Memoiren sein sollten, waren von erheblicher auch wirtschaftlicher Bedeutung für den Kläger. Sie waren die Grundlage für seine Memoiren. Schon der zunächst nur vorgesehene Aufwand von 200 Stunden für die Erstellung der Materialsammlung war auch für den Kläger außerordentlich umfangreich, zeitraubend und belastend. Auch gewährleistete erst die Aufzeichnung der Mitteilungen des Klägers auf Tonband die vertraglich vorgesehene Unabhängigkeit des Klägers von dem Beklagten zu 2) als Ghostwriter und dessen Austauschbarkeit für den Fall mangelnden weiteren Vertrauens. Sie ermöglichte dem Kläger, auch im Falle einer Beendigung der Zusammenarbeit mit dem Beklagten zu 2) ohne Zeitverzögerung und erneute Anstrengung auf die fixierte Materialsammlung zurückzugreifen. Diese Wertung gilt erst recht für die 630 Stunden, die insgesamt aufgezeichnet wurden.
89Das zwischen den Parteien vereinbarte Vertragsverhältnis ist als Auftragsverhältnis einzustufen, da die Materialsammlung im Interesse des Klägers als Auftraggebers und nach dessen Weisung erfolgte, wobei die Tätigkeit des Beklagten zu 2) für den Kläger kostenfrei sein sollte.
90Der Kläger war Auftraggeber i.S.v. § 662 BGB bezüglich der Tonbandaufzeichnungen, da diese unstreitig zu dem Zweck erfolgten, als Materialsammlung für die zu erstellenden Memoiren des Klägers zu dienen und die Bestimmung über Art und Umfang der Aufzeichnungen dem Kläger zustand und der Beklagte zu 2) nach den Weisungen des Klägers gehandelt hat. Beide Parteien haben im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf die Bekundungen des Zeugen Dr. T in dem Verfahren 14 O 612/12 als gerichtsbekannt Bezug genommen. Dieser hat u.a. ausgesagt, dass es der Kläger war, der entschied was auf den Tonbändern aufgezeichnet werden sollte. Dahinstehen kann, ob der Beklagte zu 2) auch in persönlichem, eigenen Interesse handelte, da der Annahme eines Auftragsverhältnisses nicht entgegensteht, dass der Beauftragte mit seiner Tätigkeit eigene Interessen mitverfolgt (BGHZ 16, 225 (273); Münch.Komm/Seiler, BGB § 662 Rz 23).
91Die vertragliche Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) gründet sich zunächst darauf, dass sowohl der Beklagte zu 2) wie auch der Kläger vertraglich gegenüber dem Verlag zur gegenseitigen Zusammenarbeit verpflichtet waren. Bereits in den Verlagsverträgen ist explizit vorgesehen, dass die Einzelheiten der Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) von diesen gesondert besprochen werden sollten. Die Verlagsverträge enthielten insoweit folglich keine abschließende Regelung, sondern sahen im Gegenteil ausdrücklich vor, dass der Kläger und der Beklagte zu 2) untereinander verbindlich regeln würden, wie sie zusammenarbeiten würden. Die schriftlichen Verträge des Verlages mit dem Kläger und dem Beklagten zu 2) waren mithin bereits so angelegt, dass der Kläger und der Beklagte zu 2) eine vertraglich bindende Vereinbarung auch in Form eines Auftragsverhältnisses treffen würden, mit der in den Verlagsverträgen so ausdrücklich zunächst nicht vorgesehenen Verpflichtung des Beklagten zu 2) zur Erstellung von Tonbandaufzeichnungen.
92Im Rahmen des zwischen den Parteien vereinbarten Vertragsverhältnisses haben der Kläger und der Beklagte zu 2) zugleich vertraglich vereinbart, dass die Äußerungen des Klägers auf den Tonbandprotokollen nicht ohne Zustimmung des Klägers von dem Beklagten zu 2) veröffentlicht oder verbreitet werden durften, § 151 S. 1 1. HS BGB.
93Die Bereitschaft des Beklagten zu 2), an der Materialsammlung für die Memoiren des Klägers als öffentlich nicht zu benennender Ghostwriter mitzuwirken und die Tonbandaufzeichnungen nach den Weisungen des Klägers durchzuführen, war als konkludente Willenserklärung gemäß §§ 133, 157 BGB aus Sicht des Klägers als Erklärungsempfängers dahin zu verstehen, dass der Beklagte zu 2) sich zur Verschwiegenheit über die ihm im Rahmen der Materialsammlung von Seiten des Klägers vertraulich mitgeteilten Informationen verpflichten wollte. Der Kläger hat diese Erklärung konkludent durch Zusammenarbeit mit dem Beklagten zu 2) angenommen.
94Die zum Abschluss eines Vertrages führenden Willenserklärungen der Parteien sind so auszulegen, wie sie bei verständiger Würdigung aus Sicht eines objektiven Dritten anstelle des Erklärungsempfängers verstanden worden wären, §§ 133, 157 BGB. Danach konnte der Kläger im Hinblick auf die Bedeutung, die die Materialsammlung für die Erstellung der Memoiren hatte, sowie auf die Bedeutung der mitzuteilenden Informationen die von Seiten des Beklagten zu 2) erklärte Bereitschaft, an den Tonbandaufzeichnungen mitzuwirken, nur so verstehen, dass der Beklagte zu 2) sich zur Verschwiegenheit hinsichtlich der von Seiten des Klägers anvertrauten Informationen verpflichten wollte. Denn der Beklagte hatte sich bereits – insoweit ausdrücklich und schriftlich – gegenüber dem Verlag bereit erklärt und verpflichtet, als Ghostwriter, d.h. als im Verborgenen Arbeitender, an den Memoiren des Klägers und den Vorarbeiten hierfür mitzuwirken. Da er nach außen hin in keiner Weise erkennbar sein sollte, dass und in welcher Form der Beklagte zu 2) an den Memoiren des Klägers mitgewirkt hatte, war denknotwendig, dass der Beklagte zu 2) Stillschweigen darüber bewahrte, dass er im Rahmen der erstellenden Memoiren Information von dem Kläger Tonbandprotokollen erhalten hatte und ferner, um welche Informationen es sich handelte. Aus diesem Grund konnte der Kläger erwarten und das Verhalten des Beklagen zu 2) nur so verstehen, dass der Beklagte zu 2) auch ihm, dem Kläger gegenüber, bereit war, hinsichtlich der mitgeteilten Informationen Stillschweigen zu bewahren, da die Verpflichtung zur Verschwiegenheit der erhaltenen Informationen einerseits mit einer Berechtigung zur Veröffentlichung derselben Informationen andererseits nicht zu vereinbaren ist.
95Hinzu kommt, dass im Rahmen der Materialsammlung dem Beklagten zu 2) Zugang zu Informationen gewährt werden sollte und gewährt wurde, bezüglich derer eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit bereits, auch für den Beklagten zu 2) erkennbar, immanent war. Dies gilt zum einen für die Stasi-Akte des Klägers, deren Inhalt Gegenstand der Tonbandprotokolle war und die der Kläger in einem langwierigen Rechtsstreit gegen eine Veröffentlichung hatte sperren lassen. Wenn dem Beklagten zu 2) als Mitarbeiter an den Memoiren gleichwohl eine vollständige Einblicknahme seitens des Klägers gewährt wurde, implizierte dies zugleich die berechtigte Erwartung des Klägers, dass der Beklagte nicht ohne Zustimmung des Klägers Äußerungen des Klägers hierzu veröffentlichten würde. Gleiches gilt hinsichtlich der Äußerungen des Klägers zu Geheimakten, die noch Jahrzehnte der Geheimhaltung unterliegen und zu denen der Beklagte zu 2) nur deshalb nach einer eingehenden Sicherheitsüberprüfung seines Leumunds und Lebenswandels (Buch S. 48) Zugang erlangte, weil diese dem Kläger zweckgebunden zur Erstellung seiner Memoiren zur Verfügung gestellt worden waren.
96Die Einblicknahme seitens des Beklagten zu 2) in solche Informationen konnte der Kläger als Erklärungsempfänger nur so verstehen, dass der Beklagte zu 2) bereit war, den Willen des Klägers selbst über die Veröffentlichung der in diesem Zusammenhang mitgeteilten Informationen zu achten und ohne Zustimmung des Klägers Stillschweigen zu bewahren.
97Genauso musste der Beklagte zu 2) dies verstehen. In Anbetracht der vertraglichen Situation mit dem Verlag einerseits und den ihm zugänglich gemachten Informationen andererseits, die weit über das Maß hinausgingen, was ein hochrangiger Politiker, insbesondere der Kläger, einem Journalisten ermöglichen wollte, konnte und durfte er nicht davon ausgehen, als "normaler" Journalist mit dem Kläger lediglich ein Interview zu führen.
98Der Beklagte zu 2) war auch deshalb nicht nur gegenüber dem Verlag, sondern auch gegenüber dem Kläger zur Verschwiegenheit verpflichtet, da die Verwertbarkeit dem Auftrag des Klägers von dem Beklagten zu 2) vorzunehmenden Tonbandaufzeichnungen durch eine vorzeitige Veröffentlichung der darin enthaltenen Informationen seitens des Beklagten zu 2) zumindest eingeschränkt wurde. Auch aus diesem Grund war der Beklagte zu 2) im Rahmen des Auftragsverhältnisses zur Rücksichtnahme verpflichtet auf die Interessen des Auftraggebers, die vorliegend zur Verschwiegenheit jedenfalls hinsichtlich der Informationen den Beklagten zu 2) verpflichteten, die von dem Kläger selbst noch nicht verwertet worden waren oder nicht verwertet werden sollten. Wenn und soweit, wie auf Seite 11, 58 des Buches ausgeführt, („A unplugged“, "A darf Klartext reden“) die nicht vorbekannten, wörtlichen Äußerungen auf den Tonbändern des Klägers veröffentlicht wurden, war nicht nur dem Verlag, sondern auch dem Kläger zumindest die Erstverwertung dieser Informationen für seine Memoiren nicht mehr möglich. Dies widerspricht der Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2), dass der Beklagte zu 2) die Tonbandaufzeichnungen im Interesse des Klägers vornehmen sollte und der Beklagte zu 2) im Rahmen der Materialsammlung und der Erstellung der Memoiren im Verhältnis zum Kläger lediglich eine untergeordnete, „dienende“ Funktion haben sollte. Auch aus diesem Grund war der Beklagte zu 2) verpflichtet, bis zur Freigabe seitens des Klägers Stillschweigen über die ihm anvertrauten, auf den Tonbändern fixierten Äußerungen des Klägers zu bewahren.
99b) Diese Verpflichtung zum Stillschweigen besteht auch noch heute, da auch nach Vortrag des Beklagten zu 2) der Inhalt der Tonbandaufzeichnungen lediglich zu 10 % in den Memoiren des Klägers verwertet wurde.
100So betreffen die in dem Buch veröffentlichen, streitgegenständlichen Textpassagen ganz überwiegend Äußerungen des Klägers zu Vorgängen und Personen bezüglich des Zeitraums nach 1994, der in den ersten drei Bänden der Memoiren noch nicht abgehandelt worden ist.
101c) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine ausdrückliche Verschwiegenheitsvereinbarung zwischen den Parteien nicht erforderlich war, da Grundlage für die Zusammenarbeit der Parteien bei der Materialsammlung die Erstellung der Memoiren durch den Beklagten zu 2) als Ghostwriter war, der nach außen hin nicht in Erscheinung treten durfte und für diese Tätigkeit bezahlt worden war. Da die Durchführung dieses Projektes nur bei Einhaltung der Verschwiegenheit, zu der sich der Beklagte zu 2) gegenüber dem Verlag zudem ausdrücklich verpflichtet hatte, möglich war, war die Mitwirkung des Beklagten an der Materialsammlung und damit auch an den Tonbandaufnahmen, die zudem auf Veranlassung des Klägers erfolgte, aus Sicht des Klägers nur so zu verstehen, dass der Beklagte zu 2) bereit war, das Geheimhaltungsinteresse des Klägers zu achten und damit auch die notwendige Verschwiegenheit einzuhalten.
102Die von dem Beklagten zu 2) beschriebene „geradezu atemberaubende Offenheit“ (Buch S. 19) des Klägers, ebenso wie die von dem Zeugen Dr. T bekundete außerordentlich vertrauensvolle Atmosphäre während der Tonbandaufzeichnungen belegen, dass der Kläger während der Erstellung der Tonbandaufzeichnungen von einer Verpflichtung des Beklagten zu 2) zur Verschwiegenheit auch tatsächlich ausging, und dies für den Beklagten zu 2) auch eindeutig erkennbar war.
103d) Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte zu 2) in der eidesstattlichen Versicherung erklärt hat, es habe mit dem Kläger keine vertraglichen Vereinbarungen über eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit gegeben und der Kläger habe nur in einzelnen Situationen erklärt, gewisse Themen könne er, der Beklagte zu 2) später mal veröffentlichen.
104Bereits der Umstand, dass der Kläger nach Vortrag des Beklagten zu 2) Anweisungen des Inhaltes erteilt hat, der Beklagte könne „später“ gewisse, von den Beklagten nicht näher bezeichnete Themen veröffentlichen, indiziert, dass der Kläger seiner Auffassung nach berechtigt war, darüber zu entscheiden, was zu welchem Zeitpunkt veröffentlicht werden sollte. Damit ist nicht zu vereinbaren, dass der Beklagte zu 2) nach seinem Vortrag völlig freie Hand gehabt habe, über eine Veröffentlichung nach eigenem Gutdünken zu entscheiden. Dies wäre aber die logische Konsequenz, wenn die Parteien keine vertraglichen Vereinbarungen über eine Verschwiegenheit des Beklagten zu 2) getroffen hätten. Vielmehr ist aufgrund des unstreitigen Sachverhalts davon auszugehen, dass das Verhalten des Beklagten zu 2) gegenüber dem Kläger im Rahmen der Erstellung der Tonbandaufnahmen den Erklärungswert hatte, dass sich der Beklagte zu 2) zur Verschwiegenheit gegenüber dem Kläger hinsichtlich der auf den Tonbändern aufgezeichneten Informationen verpflichten wollte und dass der Kläger diese Erklärung auch so verstanden hat.
105Wenn der Beklagte zu 2) seinem Verhalten einen anderen Erklärungswert beigemessen hat, worauf die eidesstattliche Versicherung des Beklagten hindeutet, oder insgeheim nicht bereit war, sich an die konkludent erklärte Bereitschaft zur Verschwiegenheit tatsächlich zu halten, so ist dieser Vorbehalt des Beklagten unbeachtlich, da er unstreitig dem Kläger gegenüber nicht erklärt worden ist (§ 116 S. 1 BGB).
106e) Die Verpflichtung des Beklagten zu 2) zur Verschwiegenheit entfiel auch nicht aufgrund der Aufkündigung der Zusammenarbeit des Klägers mit dem Beklagten zu 2) im Jahr 2009. Die Aufkündigung der Zusammenarbeit ließ die bereits eingegangenen Verpflichtungen unberührt und bezog sich nur auf die Erstellung des vierten Bandes der Memoiren. Die von dem Kläger und dem Beklagten zu 2) eingegangenen Verpflichtungen in Bezug auf die Erstellung der Tonbandaufzeichnungen, für die der Beklagte zu 2) einen von Seiten des Verlags garantierten, auf Honoraransprüche jedoch anrechenbaren Betrag von XXXX DM erhalten hatte, bestehen hingegen unverändert fort, wie auch die Vereinbarungen des Klägers und des Beklagten zu 2) hinsichtlich der ersten drei Bände der Memoiren mit dem Verlag.
1072. Aufgrund des mit dem Beklagten zu 2) geschlossenen Auftragsvertrages, der den Beklagten zugleich zur Verschwiegenheit über die ihm anvertrauten Informationen verpflichtete, hat der Kläger gemäß § 241 S. 2 BGB einen Anspruch auf Unterlassung der Weitergabe sämtlicher von dem Kläger stammender, auf den streitgegenständlichen Tonbändern festgehaltenen Informationen an Dritte, es sei denn, es handelte sich um solche, die entweder bereits vorbekannt waren (a) oder hinsichtlich derer der Kläger den Beklagten zu 2) von seiner Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden hatte (b).
108Dies gilt auch hinsichtlich derjenigen Äußerungen, die in Teil II des Buches „Tilman Jens: Komm, wir heben einen Schatz!“ enthalten sind, da auch insoweit die Veröffentlichung und Verbreitung der Äußerungen des Klägers auf (Mit-)Veranlassung und in (Mit-)Verantwortung des Beklagten zu 2) erfolgte. Denn die Auswahl (auch) der streitgegenständlichen 115 Textpassagen zum Zwecke ihrer Veröffentlichung durch die Beklagte zu 1) erfolgte in intensiver Zusammenarbeit aller Beklagter, wie der Justiziar der Beklagten zu 1) in der mündlichen Verhandlung vom 30. Oktober 2010 erläutert hat. Das Buch als solches ist, wie dementsprechend auch dem Vorwort (Seite 10) zu entnehmen ist, ein „Teamwork“ der Beklagten zu 2) und 3), weshalb sich der Beklagte zu 2) im Verhältnis zum Kläger die auf seine Veranlassung und mit seinem Einverständnis entstandenen Beiträge der Beklagten zu 1) und 3) zu der mit der Veröffentlichung und Verbreitung der Äußerung des Klägers einhergehenden Vertragsverletzungen als Mittäter zurechnen lassen muss.
109a) Auf vorbekannte Informationen und Tatsachen, die der Beklagte zu 2) nicht erstmalig im Rahmen der auf Tonband aufgenommenen Äußerungen des Klägers erfuhr, sondern von denen er bereits zuvor Kenntnis hatte, konnte der Kläger demgegenüber aus Sicht des Beklagten zu 2) mangels ausdrücklicher weitergehender Vereinbarung keine Verschwiegenheit erwarten, da diese Umstände nicht „geheim“ im Sinne von erstmals anvertraut waren und der Kläger deshalb auch kein Anspruch auf Vertraulichkeit erheben konnte.
110Dabei obliegt die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast, welche Umstände in diesem Sinne „vorbekannt“ waren und nicht der Verpflichtung zur Geheimhaltung unterlagen, dem Beklagten zu 2). Denn aufgrund der zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) vereinbarten Vertraulichkeit der Tonbandprotokolle war der Beklagte grundsätzlich zu einer auch nur sinngemäßen Wiedergabe von hierauf enthaltenen Äußerungen des Klägers nicht berechtigt.
111Ferner ist der Beklagte zu 2) nicht berechtigt, auch bezüglich vorbekannter Umstände, die Gegenstand der auf Tonband festgehaltenen Äußerungen des Klägers waren, Zitate des Klägers in wörtlicher oder indirekter Rede wiederzugeben oder zu beschreiben, in welcher Form sich der Kläger verhalten oder ausgedrückt hat. Denn die Art und Weise, wie sich jemand ausdrückt, hängt wesentlich von dem persönlichen Vertrauensverhältnis zu seinem Gesprächspartner ab. Unbefangen mitteilen wird sich nur, wer den Teilnehmerkreis kennt und ihn unter Kontrolle hat oder dies zumindest glaubt (vgl. BGH, Urt.v.10.03.1987- VI ZR 244/85 – BND-Interna, NJW 1987, 2667 – 2669, zit. nach juris Rn. 15). Gerade weil der Kläger aufgrund der vertraglich vereinbarten Verschwiegenheit sich unbefangen äußern konnte, Stimmungsschwankungen wie Verbitterung und Zorn nicht verhehlen musste, und sich darauf verlassen konnte, dass diese mangelnde Zurückhaltung nicht nach außen dringen würde, ist der Beklagte zu 2) auch bezüglich vorbekannter Informationen zur Verschwiegenheit über die Art und Weise, in der diese Äußerungen ihren Niederschlag auf den Tonbändern gefunden haben, verpflichtet.
112b) Äußerungen, bezüglich derer der Kläger den Beklagten zu 2) von seiner Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden hat, unterfallen gleichfalls nicht dem Unterlassungsanspruch des Klägers. Auch diesbezüglich gilt jedoch, dass die Darlegungs- und Glaubmachungslast nicht dem Kläger obliegt. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat nicht der Kläger vorzutragen und glaubhaft zu machen hat, dass mit Ausnahme der von Seiten des Klägers erteilten Anweisungen ansonsten keine Bindung des Beklagten zu 2) zur Verschwiegenheit vereinbart worden sei, sondern vielmehr hat der Beklagte zu 2) aufgrund der grundsätzlich vereinbarten Verpflichtung zur Verschwiegenheit darzulegen und glaubhaft zu machen, dass der Kläger zu den in das Buch aufgenommenen, den Tonbandprotokollen entnommenen Äußerungen des Klägers, sein Einverständnis mit einer Veröffentlichung und Verbreitung zum jetzigen Zeitpunkt erteilt hatte.
113Für ein solches Einverständnis hat der Beklagte zu 2) nichts substantiiert dargetan. Die „Themen“, hinsichtlich derer der Kläger, der eidesstattlichen Versicherung des Beklagten zu 2) zufolge erklärt habe, „dass kannst du später mal schreiben“, sind von den Beklagten zu 2) nicht näher konkretisiert worden. Hinzu kommt, dass ein mögliches, in den Jahren 2001/2002 erteiltes Einverständnis des Klägers mit einer späteren Veröffentlichung seiner Äußerung zu einem Zeitpunkt erfolgte, als zwischen den Parteien ein Verhältnis bestand, welches sowohl von dem Beklagten zu 2) als auch von dem Zeugen Dr. T übereinstimmend als außerordentlich vertrauensvoll beschrieben wurde. Der Beklagte zu 2) schildert sein Verhalten während der Aufzeichnung der Tonbandprotokolle wie folgt:
114„Als Ghostwriter kannst du kein Fass aufmachen. Ich habe mich angepasst, die mir ureigene Tugend des Neinsagens aufgegeben. Längst hatte das System K. auch von mir Besitz ergriffen. Ich dachte und fühlte fast schon wie A… Die Identitäten verschwammen bedenklich“ (Buch Seite 47)
115Wenn der Kläger auf der Grundlage der damals existierenden Vertrauensbeziehung zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) sein Einverständnis zur späteren Veröffentlichung vereinzelter Informationen erteilt haben sollte, wäre dieser Einverständniserklärung mit der vorzeitigen Beendigung der Zusammenarbeit der Parteien die Grundlage entzogen worden.
116Eine etwaige Zustimmung, die Materialien nach Abschluss der Memoiren weiter zu verwenden, setzte das Vertrauen des Klägers in die Fähigkeit des Beklagten zu 2) voraus, mit den vom Kläger zur Verfügung gestellten Materialien im Sinn des Klägers umzugehen. Entfiel das Vertrauen des Klägers in den Beklagten zu 2), entfiel auch die Grundlage für eine etwaige Zusage, die daher dem Beklagten zu 2 ) keine über die seinerzeit geschlossenen Verträge hinausgehenden Rechte verschaffen konnte. (so auch Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 1.8.2014, AZ. 6 U 20/14; S. 17, Bl. 62 GA). Aus diesen Gründen ist für die Entscheidung des vorliegenden Verfahrens nicht maßgeblich, ob und bezüglich welcher Themen der Kläger sein Einverständnis gegenüber dem Beklagten zu 2) zum damaligen Zeitpunkt erteilt haben mag. Der Beklagte zu 2) hat nicht dargetan und glaubhaft gemacht, dass der Kläger nach Aufkündigung der Zusammenarbeit mit dem Beklagten zu 2) im Jahr 2009 sein Einverständnis mit einer Veröffentlichung der Tonbandäußerungen erklärte. Das Gegenteil ergibt sich aus dem Verhalten des Klägers, der im Wege der einstweiligen Verfügung versuchte und mit dem vorliegenden Verfahren erneut versucht, die Veröffentlichung seiner Lebenserinnerungen und damit auch der Äußerungen auf den Tonbandprotokollen vor und nach Veröffentlichung des Buches mittels einstweiliger Verfügung untersagen zu lassen.
117c) Nach diesen Grundsätzen besteht ein Unterlassungsanspruch des Klägers hinsichtlich der streitgegenständlichen Textpassagen wie folgt:
118aa) Ein Unterlassungsanspruch des Klägers besteht auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung der auf Tonband aufgezeichneten Äußerungen zunächst hinsichtlich der nachfolgenden Textpassagen, die ausschließlich Äußerungen des Klägers in direkter oder indirekter Rede enthalten:
119Nr. 1 - 6, Nr. 8, Nr. 11-17, Nr. 20 - 22, Nr. 24-27, Nr. 29-34, Nr. 37, Nr. 40 - 42, Nr. 44 - 45, Nr. 47 – 48, Nr. 51 – 52, Nr. 54 – 56, Nr. 58 – 59, Nr. 61, Nr. 63 – 66, Nr. 68, Nr. 71, Nr. 74 – 83, Nr. 85, Nr. 88, Nr. 90, Nr. 92, Nr. 94 – 96, Nr. 98-99, Nr. 101, Nr. 103, Nr. 105-114
120bb) Ferner besteht ein Unterlassungsanspruch des Klägers auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung bezüglich nachfolgender Textpassagen, auch soweit neben den in direkter oder indirekter Rede wiedergegebenen Äußerungen des Klägers in den angegriffenen Textpassagen Erläuterungen von Autorenseite enthalten sind, da diese ausschließlich dazu dienen, zu verdeutlichen, auf wen oder was sich die ansonsten nicht zuzuordnende, da aus dem Zusammenhang gerissene, Äußerung des Klägers bezieht, beispielsweise:
121Nr. 18
122Nr. 19
123Nr. 35
124Ohne diese Einleitung wäre nicht nachzuvollziehen, worauf sich das nachfolgende wörtliche Zitat des Klägers, Herrn Q betreffend, bezog. Hinzu kommt, dass das Zitat des Klägers
125„(Es folgt ein Zitat …)“
126mitten im Satz beginnt und demzufolge eine vorangegangene, der Einleitung des Autors sinngleiche Erläuterung des Klägers Gegenstand der Tonbandprotokolle sein muss.
127Nr. 53
128Nr. 57
129Nr. 62
130Nr. 72 (S. 143 zu E) „(Es folgt ein Zitat)“ leitet das nachfolgende wörtliche Zitat des Klägers ein und erläutert dieses, gleiches gilt für die daran anschließende Einleitung des nächsten wörtlichen Zitat mit „(Es folgt ein Zitat) "
131Nr. 73
132Nr. 91
133Nr. 93
134Nr. 115
135cc) Ferner hat der Kläger Anspruch gegen den Beklagten zu 2) auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung auch solcher Textpassagen, die die Zitate des Klägers einleiten und dabei wiedergeben, in welcher Art der Kläger sich nach Ansicht des Autors geäußert hat, da die Verpflichtung des Beklagten zu 2) zur Verschwiegenheit sich nicht nur auf den Wortlaut der Äußerung als solche sondern aus o.g. Gründen auch auf die Art und Weise, wie sie erfolgte, bezieht. Denn Tonfall und Ausdrucksweise, ob spöttisch, scherzend oder herablassend, vermögen der Äußerung einen ganz unterschiedlichen Sinngehalt zu verleihen.
136Dies gilt beispielhaft für die Vorbemerkungen „Und zumindest die Art, wie er das sagt, ist schwer erträglich“ (Nr. 46) und „A schlägt zurück“ (Nr. 50).
137dd) Ein Unterlassungsanspruch des Klägers besteht des Weiteren hinsichtlich solcher Textpassagen, die die Äußerungen des Klägers zum Teil in wörtlicher oder indirekter Rede, zum Teil mit eigenen Worten des Autors wiedergeben, da es hinsichtlich der Verletzung der Geheimhaltungsverpflichtung keinen Unterschied macht, in welcher Form die von Seiten des Klägers erlangten, auf den Tonbandprotokollen festgehaltenen Äußerungen des Klägers wiedergegeben werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass die Tonbandprotokolle als Niederschrift 3000 Seiten umfassen und eine Wiedergabe der Äußerungen des Klägers, wenn auch nur ansatzweise der Zusammenhang noch verständlich sein sollte, in dem sie gefallen sind, die Autoren zumindest stellenweise zu komprimierter Zusammenfassung des genauen Wortlauts in eigenen Worten nötigte.
138Nach diesen Grundsätzen war der Beklagte zu 2) nicht berechtigt, die Informationen und Einschätzungen, die er von dem Kläger erhalten hatte, jedoch nicht vorbekannt waren, zusammenfassend wiederzugeben, da auch bei wertender, zusammenfassender Wiedergabe der Beklagte zu 2) mitteilte, welche Mitteilungen er von dem Kläger erhalten hatte und damit seine Verpflichtung zur Verschwiegenheit verletzte. Dies gilt auch, soweit der Autor zugleich mit der zusammenfassenden Wiedergabe seine persönliche Bewertung des Verhaltens oder der Äußerung des Klägers verband, soweit damit zugleich eine Mitteilung der von dem Kläger erhaltenen, auf den Tonbandprotokollen festgehaltenen Informationen verbunden war.
139Dies gilt für folgende Textpassagen:
140Nr. 10
141Bei dem Zitat des Klägers handelt es sich um ein solches, das gleichfalls auf den Tonbandprotokollen enthalten ist, wie sich aus der Anmerkung Nr. 3, Buch S. 61,237, ergibt. Die Bewertung des Autors „Kurz: A verlangte mehr. Er kannte die gängigen Sätze“ ist aus vorstehenden Gründen gleichfalls zu unterlassen, da sie in gleicher Weise wie das vorangegangene Zitat die von dem Kläger auf den Tonbandprotokollen mitgeteilte Informationen vermittelt, dass es eine dem Kläger bekannte Praxis von Parteispenden in einer bestimmten Höhe gegeben und der Kläger diese eingefordert habe.
142Der Beklagte zu 2) hat nicht vorgetragen, dass ihm diese Informationen bereits vorbekannt gewesen sei, hiergegen spricht bereits, dass in dem Buch in Anm. 3 (237) als Quelle ausschließlich Bezug genommen wird darauf, dass der Kläger diese Geschichte auf den Tonbandprotokollen zweimal erzählt habe (8.8.2001, 19.1.2002).
143Nr. 23
144Zu einer Wiedergabe der in wörtlicher bzw. indirekter Rede wiedergegebenen Äußerungen des Klägers war der Beklagte zu 2) bereits aus o.g. Gründen nicht berechtigt. Dies gilt aber auch für die im Anschluss erfolgte Zusammenfassung der Äußerungen des Klägers durch den Autor:
145„(Es folgt ein Zitat)“
146da auch durch diese Kommentierung unmittelbar die Information weitergegeben wird, dass der Kläger die zuvor Genannten in überheblicher, äußerst abwertender Form beurteilte.
147Gleiches gilt für die Textpassage Nr. 84 (S. 165f zu J)
148auch hinsichtlich des Zusatzes des Autors „Mag sein auch ein feindseliges Urteil wie dieses.“, da diese Bemerkung gerade die Information beinhaltet, in welcher Weise der Kläger sich über Herrn J geäußert hatte.
149Ebenso gilt dies für die Textpassage Nr. 104 (Seite 198 zum jüdischen Weltkongress).
150Neben den wörtlichen Zitaten ist auch die Bemerkung des Autors
151„(Es folgt ein Zitat)“
152wegen Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflicht zu unterlassen, da mit der Bewertung der Äußerungen des Klägers durch den Autor zugleich die Tatsacheninformationen über die auf den Tonbändern enthaltenen Äußerungen des Klägers mitgeteilt werden, namentlich, was, mit welchen Emotionen und welcher Einstellung der Kläger zu dem jüdischen Weltverband geäußert habe.
153Nr. 28 zu U
154Die Wiedergabe dieser Textpassage ist neben den wörtlichen Zitaten des Klägers auch unzulässig bezüglich des Abschnitts
155„(Es folgt ein Zitat)“
156da der Autor mit eigenen Worten die auf den Tonbandprotokollen geäußerte Ansicht des Klägers wiedergibt. Auch hier gilt, dass der Beklagte zu 2) nicht dargetan hat, dass ihm diese Ansicht des Klägers, insbesondere der Umstand, dass die Religionszugehörigkeit des Genannten Einfluss auf die Zusammenarbeit mit dem Kläger gehabt habe, vorbekannt gewesen sei.
157Gleiches gilt für Nr. 36 zu F
158Die Vorbemerkung des Autors
159„(Es folgt ein Zitat)“
160dient zum einen der Einleitung des ansonsten nicht verständlichen Zitats (siehe oben), die weitere Textpassage
161„(Es folgt ein Zitat)“
162gibt ersichtlich kurz gefasst die Wertung und Haltung des Klägers zu dem Genannten wieder, wie sie auf den Tonbandprotokollen geäußert worden war.
163Dies gilt ebenso für Nr. 87 (S. 169 zu J)
164„(Es folgt ein Zitat)“
165Der Beklagte zu 2) hat nicht dargetan, dass ihm das Verhalten Herrn Js gegenüber dem Kläger in der geschilderten Form vorbekannt bekannt gewesen wären, doch auch in dem Fall hätte er nicht Bezug nehmen dürfen auf den „Y“.
166Nr. 60 (S. 110) zu P u.A.
167Neben den in indirekter und direkter Rede wiedergegebenen Zitaten des Klägers ist auch der Zusatz des Autors
168„(Es folgt ein Zitat)“
169zu unterlassen, da damit die Einschätzung und Beurteilung des Verhaltens von Herrn P durch den Kläger, wie sie auf den Tonbandprotokollen ihren Niederschlag gefunden hat, wiedergegeben wird.
170Gleiches gilt für die in den Worten des Autors mitgeteilten Einschätzungen des Klägers in
171Nr. 67 (S. 116) zu L und K „(Zitat)“
172Nr. 69 (S. 117) zu M „(Zitat)“
173Nr. 89 (S. 171 zu N) „(Zitat)“
174Nr. 97 (S. 184 zum englischen Königshaus).
175Die in Textpassage Nr. 38 (S. 93) wiedergegebene Anekdote des Klägers aus dem Jahr 1976 verstößt gleichfalls gegen die Verpflichtung des Beklagten zu 2) zur Verschwiegenheit, da der Beklagte zu 2) nicht dargetan hat, dass ihm diese Geschichte vorbekannt gewesen sei.
176Der Beklagte ist insgesamt zur Unterlassung dieser Textpassage verpflichtet, ungeachtet der Tatsache, dass neben wörtlichen und indirekten Zitaten des Klägers die Episode auch in eigenen Worten des Autors zum Teil wiedergegeben wird, da ersichtlich die Schilderung mit eigenen Worten des Autors ausschließlich dazu dient, die von dem Kläger auf Tonband gesprochene Episode zusammenfassend und verkürzt wiederzugeben.
177Gleiches gilt für die Textpassage Nr. 70 (S. 123 zu Beerdigung von B):
178Auch soweit diese neben den wörtlichen Zitaten des Kläger eine Beschreibung des Anlasses und Verlaufs der familiären Auseinandersetzung mit den Worten des Autors enthält,
179„(Es folgt ein Zitat)“
180„handelt es sich um die Wiedergabe der Tonbanderzählung des Klägers, deren Details nicht vorbekannt waren. Hierauf wird auch in Anm. 12, Seite 123, 239 des Buches hingewiesen, wonach der jüngere Sohn des Klägers in seinem Buch den heftigen Streit mit dem Vater ausgeklammert habe.
181ee) Schließlich steht dem Kläger auch ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Textpassage Nr. 9 (S. 49, Herrn B2 betreffend) zu, auch wenn es sich vorliegend nicht um ein Zitat des Klägers, sondern ein Zitat Herrn B2s aus einem Telefongespräch mit dem Kläger handelt.
182Bei dieser Veröffentlichung der Information handelt es sich um einen besonders schweren Vertrauensbruch des Beklagten zu 2) in mehrfacher Hinsicht. Zur Verschwiegenheit über die in dieser Textpassage mitgeteilte Information war der Beklagte zu 2) in besonderem Maße verpflichtet. Denn, wie der Beklagte selbst schildert (Buch S. 48), war ihm Zugang zu dieser noch Jahrzehnte der Geheimhaltung unterliegenden Information auf Veranlassung des Klägers nach eingehender Sicherheitsüberprüfung ausschließlich zu dem Zweck gewährt worden, Aktenmaterial für die Arbeit an den Memoiren zu Rate ziehen zu können. Dabei wurde der Zugang zu den Informationen dem Beklagten zu 2) nicht als „Journalist und Historiker“ (so aber Buch Seite 48) sondern ausschließlich in seiner Funktion als Mitarbeiter des Klägers an den Memoiren gewährt. Auch für den Beklagten zu 2) war erkennbar, dass er zu einer Veröffentlichung der in diesem Rahmen gewonnenen Informationen nicht berechtigt sein sollte. Wenn es dem Beklagten zu 2) nach eigenem Gutdünken freistehen sollte, was er aus den geheimen Akten der Öffentlichkeit preisgeben wollte, hätte es einer Sicherheitsüberprüfung nicht bedurft.
183Die Verwertung dieser Informationen durch den Beklagten zu 2) zu eigenen Zwecken im Rahmen der Veröffentlichung des Buches stellt damit einen besonders schweren Vertrauensbruch dar, auch gegenüber dem Kläger, auf den der Vertrauensbruch seines Erfüllungsgehilfen, für dessen Zugang zu geheimen Informationen zum Zweck der Erstellung der eigenen Memoiren der Kläger sich gegenüber Dritten verwendet hatte, zurückfällt.
184d) Hinsichtlich der nachfolgenden Textpassagen besteht dagegen kein oder ein nur eingeschränkter Unterlassungsanspruch des Klägers:
185Nr. 7 (S. 37 über B)
186Bei der Textpassage „Ja gewiss, auch sie lehnte D ab wie kaum eine andere Frau dieser Welt“ handelt es sich nicht um eine auch nur sinngemäß wiedergegebene Äußerung des Kläger. Diese ist auch nicht den Tonbandprotokollen entnommen, sondern es handelt sich um eine Äußerung des Beklagten zu 2) in Zusammenhang mit der Erstellung nicht des streitgegenständlichen Buches sondern des von dem Kläger in Zusammenarbeit mit dem Beklagten zu 2) verfassten „Tagebuches“.
187Ein Unterlassungsanspruch des Klägers ist aus diesem Grunde weder unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Geheimhaltungspflichten noch aus dem Gesichtspunkt der Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers (§§ 823, 1004 BGB analog) noch aus Urheberrecht (§ 97 Abs. 1 UrhG) begründet.
188Ein eingeschränkter Unterlassungsanspruch besteht zu Gunsten des Klägers hinsichtlich der nachfolgenden Äußerungen Nr. 39, 43, 49, 86, 100, 102:
189Nr. 39 (Seite 94 zu C2)
190Der Kläger hat gegenüber den Beklagten zu 2) einen Anspruch auf Unterlassung der in direkter und indirekter Rede wiedergegebenen Tonbandäußerungen des Klägers, jedoch nicht hinsichtlich der Passage
191„Schwan fragt nach und will wissen, ob er ..glaube, dass es C2 war, der den einstigen Marinerichter hat fallen lassen“,
192da es sich hierbei nicht um eine Äußerung des Klägers, sondern um eine solche des Beklagten zu 2) handelte und der Kläger nicht dargetan hat, dass die Verpflichtung des Beklagten zu 2) so weit gehen sollte, auch die von dem Beklagten zu 2) an den Kläger gerichteten Fragen zu umfassen. Dies gilt im Hinblick darauf, dass Sinn und Zweck der Aufzeichnung der Tonbandgespräche die Materialsammlung für die Memoiren des Klägers war, für deren Auswertung die Fragestellungen des Beklagten zu 2) im Gegensatz zu den Äußerungen des Klägers keine Relevanz hatten.
193Nur soweit folglich die Fragen des Beklagten zu 2) eine zuvor gefallene Äußerung des Klägers wiederholend wiedergeben, unterfallen sie gleichfalls der Verpflichtung zur Verschwiegenheit.
194Aus diesem Grund kann der Kläger aus der Frage des Beklagten zu 2) lediglich Unterlassung der Bemerkung „im Ernst“ verlangen, da diese Bemerkung impliziert, dass sich der Kläger zuvor in diesem Sinne geäußert habe.
195Nr. 43 (s. 96 f zu R)
196Ein Unterlassungsanspruch des Klägers besteht lediglich hinsichtlich seiner in direkter oder indirekter Rede wiedergegebenen, auf Tonband festgehaltenen Äußerungen, auch soweit diese als „(Zitat)“ zusammengefasst werden sowie hinsichtlich der Einleitung des zweiten Zitats durch den Autor: „(Zitat)“, da hierdurch die Art und Weise, in welcher (aggressiven) Form der Kläger sich geäußert hat, mitgeteilt wird.
197Im Übrigen besteht bezüglich dieser Textpassage kein Unterlassungsanspruch des Klägers. Bei der Bemerkung des Autors
198„Auch er...“hat sich in letzter Zeit über den Ehrenwortgeber aus Ludwigshafen recht despektierlich geäußert“ handelt es sich zudem um Mitteilung einer allgemein bekannten Information.
199Bei der Bemerkung des Autors „Nun denn, R ist dann 2003 der Unkenrufen zum Trotz Ministerpräsident geworden – aber letztlich doch dramatisch gescheitert,... Er wird wohl als Null nur in die Geschichtsbücher eingehen“
200handelt es sich um eine Wertung des Autors, nicht des Klägers, die zudem nicht den Kläger betrifft sondern ausschließlich Herrn R.
201Nr. 49 (S. 102 U.a. zu C)
202Auch hier besteht lediglich ein Unterlassungsanspruch des Klägers, soweit seine Tonbandäußerungen in direkter oder indirekter Rede (dies gilt für: „(Zitat)“) wiedergegeben wurden. Hingegen besteht kein Unterlassungsanspruch, soweit der Autor in direkter/indirekter Rede nicht den Kläger, sondern Herrn C zitiert. Dies betrifft den Einschub
203„der gesagt hat, dass es keine Versöhnung geben könne, solange „A einen Gesetzesbruch hinter seinem Ehrenwort verbirgt“.
204Gleiches gilt für die Textpassage Nr. 86 (S. 167 – 169 zu J und I).
205Über die Wiedergabe der Äußerung des Klägers in direkter oder indirekter Rede hinaus besteht kein Unterlassungsanspruch des Klägers.
206Hinsichtlich der Worte des Autors „auch nach dem niedergeschlagenen Putsch vom September 1989 gab es permanent Ärger mit dem Staatsoberhaupt“
207ist bereits unklar, ob es sich hierbei um die Wiedergabe der Äußerungen des Klägers von den Tonbandprotokollen mit den eigenen Worten des Autors handelt oder ob dies nicht vielmehr eine in umgangssprachlicher Form zusammengefasste Schilderung der damaligen, allgemein bekannten Situation seitens des Autors. Da der Kläger nicht vorgetragen hat, ob es sich um eine seiner Äußerungen handelt und die sich auch nicht aus den Umständen ergibt, besteht insoweit kein Unterlassungsanspruch.
208Dies gilt auch für den Passus
209„A aber lehnte dies nicht zuletzt aus Rücksicht auf die in der CDU noch immer stark vertretenen Heimatvertriebenen fürs erste ab….. A hatte die Grenzfrage international eskalieren lassen, was aus psychologischen außenpolitischen Gründen besser unterblieben wäre“.
210Die Tatsache, dass der Kläger eine sofortige Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze vor der Wiedervereinigung abgelehnt hat, ist allgemein bekannt. Gleiches gilt für die Ansicht des damaligen Bundespräsidenten hierzu, die der Autor aus den Memoiren Js zitierte. Da die in indirekter Rede wiedergegebene Äußerung des Klägers „..das Buch, wie er sagte, niemals lesen werde“ Bezug nimmt auf die Memoiren des damaligen Bundespräsidenten J ist unklar, ob diese Bemerkung Inhalt der auf Tonband festgehaltenen Äußerungen war oder in anderem Zusammenhang gefallen ist.
211Da der Kläger dies nicht klargestellt hat und das Zitat auch nicht als Originalzitat aus den A-Protokollen im Text des Buches grafisch hervorgehoben wurde, besteht auch diesbezüglich kein Unterlassungsanspruch des Klägers.
212Schließlich kann der Kläger zwar Unterlassung der seine Einstellung wiedergebenden Bemerkungen
213„(Es folgt ein Zitat)“
214verlangen, nicht jedoch die auch auf der Grundlage vorbekannter Umständen mögliche Bewertung des Autors „obgleich Präsident und Kanzler inhaltlich in letzter Konsequenz nicht weit auseinanderlagen“.
215Nr. 100 (S. 192)
216Soweit in dieser Textpassage die Sachinformation wiedergegeben wird in Bezug auf den Sozialdemokraten X
217„hat er Mitglieder der Waffen-SS niemals „anständige Leute“ genannt“,
218besteht kein Unterlassungsanspruch des Klägers, da es sich diesbezüglich weder um eine den Tonbandprotokollen entnommene Äußerung des Klägers noch um eine aus sonstigen Gründen der Geheimhaltungsverpflichtung des Beklagten zu 2) unterliegenden Information, sondern um eine solche handelt, die zudem vorbekannt sein dürfte.
219Im Übrigen ist der Beklagte jedoch zur Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung dieser Textpassage verpflichtet, da diese in direkter und indirekter Rede Äußerungen des Klägers wiedergibt. Dies gilt auch, soweit die Äußerungen des Klägers mit eigenen Worten des Autors zusammengefasst werden:
220„(Es folgt ein Zitat)“
221und
222„(Es folgt ein Zitat)“,
223da die Bewertung des Autors zugleich mitgeteilt, welche Ansichten der Kläger vertrat.
2243. Soweit der Beklagte zu 2) vertraglich zur Verschwiegenheit über die Äußerungen des Klägers verpflichtet ist, handelte er bei der Veröffentlichung und Verbreitung der Äußerung des Klägers im o.g. Umfang auch rechtswidrig.
225Diese Veröffentlichung und Verbreitung der auf Tonband fixierten Äußerungen des Klägers ist, soweit ein Unterlassungsanspruch des Klägers aus o.g. Gründen besteht, auch nicht gemäß Art. 5 Abs. 1S. 1 GG als jederzeit zulässige freie Meinungsäußerung des Beklagten gerechtfertigt. Zwar zählt zu dem von Art. 5 Abs.1 S. 1 GG geschützten Kommunikationsprozess grundsätzlich auch die Mitteilung fremder Meinungen oder Behauptungen, da die Meinungsfreiheit nicht nur unter dem Vorbehalt des öffentlichen Interesses geschützt ist, sondern die Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers über die Entfaltung seiner Persönlichkeit in der Kommunikation mit anderen garantiert (OLG Köln, Urteil vom 19.11.2013 – 15 U 53/13, juris Rn. 52).
226Eine vertraglich übernommene Rücksichtnahmepflicht steht einer Rechtfertigung nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG jedoch entgegen (BGH, Urt. v. 24.01.2006 – XI ZR 384/03, NJW 2006, 830ff – zitiert nach juris Rn. 41; OLG München, Urt. v. 14.12.2012 – 5 U 2472/09, juris Rn. 102). Die Berufung auf Art. 5 GG erlaubt nicht die Verletzung von Pflichten, die der Beklagte vertraglich übernommen hat (BGH a.a.O). Denn die grundrechtlich geschützte Meinungs- und Pressefreiheit findet ihre Schranken in den allgemeinen Gesetzen, zu denen auch die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches gehören. Teil hiervon ist die Grundregel „pacta sunt servanda“, wonach eingegangene Verträge zu halten sind.
227Vorliegend machte der Beklagte zu 2) von seinem Selbstbestimmungsrecht in der Form Gebrauch, dass er sich zur Verschwiegenheit bezüglich der ihm anvertrauten Informationen verpflichtete und insoweit auf sein Recht zur freien Meinungsäußerung in zulässiger Form verzichtete.
228Die Textpassagen, hinsichtlich derer der Beklagte zu 2) zur Unterlassung aufgrund vertraglicher Vereinbarungen verpflichtet ist, sind auch nicht von solcher „Brisanz“ (Buch S. 106), dass ein Festhalten des Beklagten zu 2) an der vertraglich vereinbarten Vertraulichkeit nach Treu und Glauben nicht zumutbar wäre (§ 242 BGB). Insbesondere kann sich der Beklagte zu 2) für sein Interesse an der Entbindung von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit nicht auf das möglicherweise mit dem Zeitablauf schwindende öffentliche Interesse an den Tonbandprotokollen berufen (Buch S. 106). Diese Umstände, die bei der Abwägung über die Zulässigkeit einer Veröffentlichung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Klägers und der Meinungs- und Pressefreiheit der Beklagten zu 1) und 3) relevant sein können, kann der Beklagte zu 2) aus o.g. Gründen zur Rechtfertigung der von ihm begangenen Vertragsverletzung nicht geltend machen.
229Anhaltspunkte dafür, dass insoweit die Verpflichtung des Beklagten zu 2) wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein könnte (§ 134 BGB), sind nicht ersichtlich und von dem Beklagten zu 2) auch nicht dargetan. Insbesondere steht keine der von dem Beklagten zu 2) veröffentlichten Äußerungen des Klägers in Zusammenhang mit einer Straftat oder sind sonstige schwerwiegende Gründe ersichtlich, aufgrund derer der Beklagte nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Entbindung von der ihm obliegenden Geheimhaltungsverpflichtung verlangen könnte. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass der Beklagte zu 2) bei der Mitwirkung an den Memoiren des Klägers und der diesen zu Grunde liegenden Materialsammlung (durch den Verlag) in angemessener finanzieller Form beteiligt worden ist und allein für die Mitarbeit an den Materialsammlung von Anfang an ein garantiertes Mindesthonorar von XXXX DM erhalten hat, mit dem auch die Verpflichtung des Beklagten zu 2) zur Verschwiegenheit abgegolten worden ist.
2304. Soweit hingegen dem Kläger kein Unterlassungsanspruch gegenüber dem Beklagten zu 2) wegen Verletzung der vertraglichen Verpflichtung zur Verschwiegenheit zusteht, kann der Kläger gegenüber dem Beklagten zu 2) auch nicht aus sonstigem Rechtsgrund Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung der streitgegenständlichen Textpassagen verlangen.
231Ein Unterlassungsanspruch des Klägers gemäß §§ 823, 1004 BGB analog i.V.m. Art. 1, 2 GG wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers besteht hinsichtlich der nicht untersagten Textpassagen bereits deshalb nicht, da diese mit einer Ausnahme („das Buch, wie er sagte, niemals lesen werde") weder Äußerungen des Klägers in irgendeiner Form wiedergeben, noch die Person des Klägers betreffen.
232Die in indirekter Rede wiedergegebene Äußerung des Klägers
233„das Buch, wie er sagte, niemals lesen werde“ ist neutral formuliert und damit gleichfalls nicht geeignet, das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers in irgendeiner Form zu verletzen.
234Da die nicht untersagten Äußerungen nicht solche des Klägers darstellen, der Kläger mithin nicht Urheber dieser Textpassagen ist, kommt insoweit auch ein Unterlassungsanspruch des Klägers gemäß §§ 97 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG nicht in Betracht. Dies gilt mangels Darlegung der Schutzfähigkeit auch hinsichtlich des ohnehin nur in indirekter Rede wiedergegebenen Zitat des Klägers „das Buch, wie er sagte, niemals lesen werde“.
235C.
236Der Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, gerichtet auf die Untersagung der Veröffentlichung und Verbreitung der streitgegenständlichen Textpassagen gegenüber den Beklagten zu 1) und 3), ist überwiegend begründet. Der Kläger hat dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß §§ 935ff, 940 ZPO erfüllt sind.
2371. Wegen Verletzung vertraglicher Pflichten kann der Kläger allerdings keinen Unterlassungsanspruch gegenüber den Beklagten zu 1) und 3) geltend machen, auch wenn diese einen wesentlichen Beitrag zu der von dem Beklagten zu 2) begangenen Vertragsverletzung gegenüber dem Kläger geleistet haben, indem sie den Beklagten zu 2) gemeinschaftlich beraten und unterstützt haben hinsichtlich der veröffentlichten Auswahl der den Tonbandprotokollen entnommenen Zitate des Klägers und, im Fall des Beklagten zu 3), hierzu auch schriftlich beigetragen haben. Die Beklagten zu 1) und 3) haben jedoch keine vertraglichen Vereinbarungen mit dem Kläger bezüglich der Beachtung von Verschwiegenheitsverpflichtungen geschlossen, sondern sich lediglich die Bereitschaft des Beklagten zu 2) zum Vertragsbruch zu Nutze gemacht, so dass aus diesem Grund ein Unterlassungsanspruch des Klägers gemäß § 241 Abs. 1 S. 1 BGB ausscheidet.
2382. Dem Kläger steht jedoch gegenüber den Beklagten zu 1) und 3) hinsichtlich der streitgegenständlichen Textpassagen im zuerkannten Umfang ein Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1, 830 BGB, § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechtes im zuerkannten Umfang zu.
239Die Veröffentlichung des vertraulich gesprochenen Wortes des Klägers verletzt diesen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.
240Die Beklagten haben im bewussten und gewollten Zusammenwirken, damit als Mittäter im Sinne von § 830 Abs. 1 BGB, die Entscheidung über die Veröffentlichungen der Tonbandäußerungen des Klägers in dem Buch getroffen und umgesetzt. Bereits dem Vorwort des Buches (Seite 10) ist zu entnehmen, dass das Buch als „Teamwork“ der Beklagten zu 2) und 3) entstanden ist; die Beklagte zu 1) ist nicht lediglich Verlegerin einer ihr fertig präsentierten Abfassung, sondern war an der Bestimmung des Inhalts des Buches durch ihre Mitarbeiter maßgeblich beteiligt, wie der Justiziar der Beklagten zu 1) im Termin zur mündlichen Verhandlung nachdrücklich betont hat. Das Verhalten der Mitarbeiter als Verrichtungsgehilfen hat sich die Beklagte zu 1) gemäß § 831 Abs. 1 BGB zurechnen zu lassen.
241a) Die engere persönliche Lebenssphäre jedes Menschen genießt durch das in Art 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß §§ 823 Abs. 1, 826 und 1004 BGB Schutz vor Eingriffen Dritter. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH Urt.v. 08.05.2012 - VI ZR 217/08,VersR 2012, 994 Rn. 35; Urt. v. 30.12.2012 - VI ZR 4/12, juris Rn. 10; Urt.v. 11.12.2012, VI ZR 314/10 IM „Christoph“ GRUR 2013, 312 ff, zitiert nach juris Rn. 11 m.w.N.). Abwägungskriterien sind u.a. nach Maßgabe einer abgestuften Schutzbedürftigkeit bestimmter Sphäre, in denen sich die Persönlichkeit verwirklicht: neben der Intimsphäre die Privatsphäre und die Sozialsphäre. Als besonders zu schützende Bereiche der persönlichen Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung sind auch die Geheimsphäre und das Recht am gesprochenen Wort anerkannt (vgl. BND-Interna Urt. v. 10.03.1987 VI ZR 244/85, NJW 19 87,2667 -2669; zitiert nach juris Rn. 14; m.w.N.).
242aa) Eine Verletzung der absolut geschützten Intimsphäre kommt vorliegend nicht in Betracht, dieser hat sich der Kläger grundsätzlich begeben, indem er sich dem Beklagten zu 2) durch die gemeinsame Erstellung der Tonbandprotokolle geöffnet hat (vgl. LG Köln, Beschluss vom 7.10.2014 – 28 O 433/14).
243bb) Zur Privatsphäre gehören grundsätzlich alle Vorgänge und Lebensäußerungen innerhalb des privaten Bereichs. Die Privatsphäre umfasst sowohl in räumlicher als auch in thematischer Hinsicht den Bereich, zu dem andere grundsätzlich nur Zugang haben, soweit er ihnen gestattet wird; dies betrifft in thematischer Hinsicht Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als „privat“ eingestuft werden, etwa weil ihre öffentliche Erörterung als unschicklich, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen in der Umwelt auslöst (BGH BND- Interna a.a.O Rn. 14; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort-und Berichterstattung ,5. Aufl. 2003 Rn 5.56f m.w.N.). Grundsätzlich hat jeder, auch der in der Öffentlichkeit stehende Politiker, einen durch Art. 1 und 2 GG geschützten Anspruch auf Wahrung seiner Privatsphäre (OLG Karlsruhe, Urt.v. 18.11.2005, 14 U 169/05), zu der andere nur insoweit Zugang haben, als er ihnen den Einblick gestattet. In diesem Privatbereich muss er vor Kontrolle und Zensur durch die Öffentlichkeit sicher sein, sonst wäre die Basis gefährdet, auf der sich seine Persönlichkeit verwirklichen und entfalten kann. Alle Vorgänge und Äußerungen in dieser persönlichen Eigensphäre nehmen grundsätzlich am Schutz durch das Recht der Persönlichkeit auf solche Selbstbestimmung teil. Dabei verliert ein Privatgespräch seinen privaten Charakter nicht zwangsläufig durch die politischen Bezüge der Unterhaltung. Denn es hängt wesentlich von dem Kreis der Gesprächsteilnehmer ab, was und wie es gesagt wird; unbefangen kannten sich nur mitteilen, wer den Teilnehmerkreis unter Kontrolle hat, ihn jedenfalls kennt (BGH, Urteil vom 19.12.1978, VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120-130, zitiert nach juris Rn. 13).
244cc) Die Sozialsphäre betrifft den Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollzieht, so insbesondere das berufliche und politische Wirken des Individuums (vgl. BVerGE 101, 361, 382 – Caroline von Monaco II; BGH, Urt.v. 10.11.1994, AfP1995, 404, 407; Wenzel/Burkhardt a.a.O. Rn 65).
245dd) Die Geheimsphäre betrifft den Bereich menschlichen Lebens, der der Öffentlichkeit bei verständiger Würdigung nicht preisgegeben werden soll. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst auch das Recht am gesprochenen Wort, das die Selbstbestimmung über die eigene Darstellung der Person in der Kommunikation schützt (BVerfG, NJW 1980,2070; NJW 2002,3619 – Mitgehörtes Telefonat). Der Einzelne soll sich nach eigener Einschätzung situationsangemessen in der Kommunikation verhalten können. Dazu gehört auch, selbst zu bestimmen, ob der Kommunikationsinhalt einzig dem Gesprächspartner, einem bestimmten Personenkreis oder der Öffentlichkeit zugänglich sein soll. Damit erstreckt sich das Selbstbestimmungsrecht auch auf die Auswahl der Personen, die unmittelbar Kenntnis vom Gesprächsinhalt erhalten sollen. Das Recht schützt daher nicht nur vor einer Verdinglichung des Wortes durch Aufzeichnung auf Tonträger, sondern auch dagegen, dass ein Kommunikationspartner ohne Kenntnis des sich Äußernden eine dritte Person als Zuhörer eines Gespräch mit einbezieht (vgl. Wenzel, a.a.O Rn. 5.28a m.w.N.). Dabei wird der Schutz am gesprochenen Wort unabhängig von seinem Inhalt gewährt (BVerfG, Beschluss v. 08.12.2011, juris Rn. 19 m.w.N.).
246b) Festzuhalten ist zunächst, dass der Beklagte zu 2) durch die ungenehmigte Weitergabe der Tonbandaufzeichnungen an die Beklagten zu 1) und 3) in rechtswidriger Weise das allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers, sein Recht zur Selbstbestimmung über das gesprochene Wort, verletzt hat. Dies gilt auch dann, wenn der Beklagte zu 2) nicht die Tonbänder als solche den Beklagten zu 1) und 3) zur Verfügung gestellt haben sollte, sondern lediglich die 3000 Seiten umfassende Abschrift.
247Die ungenehmigte Weitergabe von Tonbandaufzeichnungen durch den Gesprächspartner, auch wenn das Gespräch mit Zustimmung des sich Mitteilenden aufgezeichnet worden ist, verletzt grundsätzlich das Recht der Person zur Selbstbestimmung über das gesprochene Wort. Das Festhalten der Stimme auf einem Tonträger, durch das nicht nur die Äußerungen ihrem Inhalt nach, sondern in allen Einzelheiten auch des Ausdrucks fixiert und aus der Sphäre einer von der Flüchtigkeit des Worts geprägten Unterhaltung herausgehoben sowie für eine jederzeitige Reproduzierbarkeit in einem gänzlich anderen Kreis und einer anderen Situation objektiviert und konserviert werden, stellt eine derart intensive „Verdinglichung“ der Persönlichkeit dar, dass über ihren Kopf hinweg nicht über derartige Aufzeichnungen verfügt werden darf (BGH Urt.v. 10.3.1987 , VI ZR 244/85 BND-Interna NJW 1987,2667-2669; zitiert nach juris Rn. 17 m.w.N.). Es liegt auf der Hand, dass auch deshalb die Persönlichkeit in ihrem Eigenwert durch solche Objektivierung erheblich stärker betroffen ist, als durch eine Indiskretionen über ein vertrauliches Gespräch (BGH Urt.v. 19.12.1978, VI ZR 137/77 , BGHZ 73, 120 – 130 Telefongespräch, zitiert nach juris Rn. 13 a.E.). Zum Schutz der Persönlichkeit dürfen Aufzeichnungen vertraulichen Charakters grundsätzlich nur mit Zustimmung des Verfassers und nur in der von ihm gebilligten Weise veröffentlicht werden (BGHZ 15, 249 (247); 36, 77 (83); BGH Urt.v. 19.12.1978, VI ZR 137/77 juris Rn. 14).
248Auch vorliegend liegt die Besonderheit der Tonbandaufzeichnungen darin, dass der Beklagte zu 2) zu der zwischen ihm und dem Kläger bestehenden Vertrauenssphäre, die durch die vertraglich vereinbarte Vertraulichkeitsabrede zusätzlich abgesichert war, maßgeblich mit beigetragen hat, indem er sich selbst gegenüber dem Kläger als besonders vertrauenswürdige Person präsentierte (Buch S. 47 „Ich habe mich angepasst, … längst hatte das System K. auch von mir Besitz ergriffen, ich dachte und fühlte fast schon die A“ ) und dadurch die Spontanität und Mitteilungsbereitschaft des Klägers förderte, welche der Kläger auch durch „geradezu atemberaubende Offenheit“ (Buch Seite 19) honoriert hat.
249Der Kläger hat auf den Tonbandprotokollen dem Beklagten zu 2) komplexe Einblicke in seine Person selbst, zu seiner inneren Einstellung zu seiner Familie, seinem Beruf, Freunden und politischen Feinden bis in die Wesenszüge seiner Gedankenwelt eröffnet. Auf den Tonbandprotokollen ist, wie der Beklagte zu 2) im Vorwort des Buches (Seite 17) ausführt, „seine (des Klägers) ganze Persönlichkeit erforscht und nachgezeichnet ..“
250Die Weitergabe dieser Tonbandprotokolle durch den Beklagten zu 2) war rechtswidrig, gleich, ob der Beklagte zu 2) sie den Beklagten zu 1) und zu 3) als Tonbänder überlassen oder ihnen (nur) die 3000 Seiten umfassenden Abschriften der Tonbänder zur Verfügung gestellt hat. Denn es handelt sich bei diesen Abschriften auch nach Darstellung des Beklagten zu 2) nicht lediglich um eigene Gesprächsnotizen, sondern um Wort-für-Wort Übertragungen der Tonbandprotokolle, bei denen auch Ausdrucksweise, Emotionen und Tonfall des Klägers mit protokolliert worden sind. Dies folgt bereits daraus, dass der Beklagte zu 3) in dem Buch in einer Vielzahl von Fällen die Ausdrucksweise, Gemütsverfassung und Reaktionen des Klägers detailliert beschreibt. (vgl. Buch S. 22 „er schlägt um sich wie ein angezählter Boxer“; (er) „knurrt“; S. 44 „mit den Tränen kämpfend ..“; Seite 95 „er äußert raunend einen Verdacht“; Buch S. 101 „besonders ungehalten reagiert A“; „Bei diesem Reizthema verstummt er, windet sich oder wird heftig..“; S. 127 „derer A nun … in spürbarer Rührung gedenkt,..“ S. 193 „ heizt A in zornigem Stakkato die Stimmung beim Memoirengespräch an..“)
251Auch in der weitergegebenen Abschrift der Tonbandprotokolle ist die Person des Klägers entsprechend verkörpert und wird gegenüber den Beklagten zu 1) und 3) bloßgestellt und in ihrer Substanz getroffen. Eine derart intensive Verfügung über die Persönlichkeit des Klägers ist als rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts zu bewerten.
252c) Auf dieser Grundlage ist das Verhalten der Beklagten zu 1) und 3) zu würdigen, die von dem Beklagten zu 2) an sie weitergegebenen Äußerungen zu veröffentlichen, obgleich ihnen bekannt war, dass der Kläger hiermit nicht einverstanden war. Dies ergibt sich bereits daraus, dass in dem Vorwort des Buches (Seite 10) als erklärte Absicht der Autoren angegeben wird, dem Versuch der „Kanzlerfamilie“ und der Ehefrau des Klägers, die Gesprächsprotokolle wegzuschließen, durch eine Veröffentlichung zuvorzukommen.
253Grundsätzlich gilt, dass es der Presse nicht schlechthin verwehrt ist, das, was ihr Informant ihr auf rechtswidrigem Weg zugetragen hat, zu veröffentlichen. Das durch die Verfassung in Art. 5 Abs. 2 GG gewährleistete Informationsrecht der Presse geht über die Freiheit des Bürgers, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten, hinaus. Würde der Presse ein absolutes Verwertungsverbot bezüglich solcher Informationen auferlegt, die nach ihrer Kenntnis, aber ohne ihre Beteiligung in rechtswidriger Weise erlangt wurden, so könnte ihre Kontrollaufgabe leiden, zu deren Funktion es gehört, auf Missstände von öffentlicher Bedeutung hinzuweisen (BVerGE 66, 116(137f); BGHZ 73, 120 (124 ff). Dabei darf die Presse nach eigenen publizistischen Kriterien entscheiden, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält. Von der Eigenart oder dem Niveau des Presseerzeugnisses oder der Berichterstattung hängt der Schutz nicht ab. Auch unterhaltende Beiträge, etwa über prominente Personen, nehmen am Schutz der Pressefreiheit teil. Auf das Gewicht des Informationsinteresses und auf die Weise, in der die Berichterstattung einen Bezug zu Fragen aufweist, welche die Öffentlichkeit wesentlich angehen, kommt es erst bei der Abwägung mit kollidierenden Persönlichkeitsrechten an (BVerfG, Beschluss v. 26.02.2008 1 BvR 1602/07 Bildberichterstattung, Caroline von Monaco III, BVerfGE 120, 180 – 223; zitiert nach juris Rn. 42 m.w.N.). Vorliegend ist aus diesen Gründen hinsichtlich der streitgegenständlichen Textpassagen, die von den Beklagten gemeinsam veröffentlicht wurden, für die Entscheidung von einem öffentliches Interesse, unabhängig vom konkreten Inhalt der Textpassagen, auszugehen.
254Bei der Abwägung der widerstreitenden Grundrechte, auf die sich der Kläger und die Beklagten zu 1) und 3) berufen können, ist davon auszugehen, dass die Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit und des Schutzes der Persönlichkeit nicht vorbehaltlos gewährleistet sind. Die Meinungs- und Pressefreiheit findet ihre Schranken nach Art. 5 Abs. 2 GG in den allgemeinen Gesetzen. Darunter sind alle Gesetze zu verstehen, die sich nicht gegen die von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG gewährleisteten Freiheitsrecht an sich richten, sondern dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen (vgl. BVerfGE 117, 244 (260)). Hierzu zählen die in § 823 Abs. 1 BGB verankerten Rechtsgrundsätze des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes sowie die im Range einfachen Bundesrechts stehende Vorschrift des Art. 8 Abs. 1 EMRK, in welcher das Recht auf Achtung des Privatlebens verankert ist. Bei der Bestimmung der Reichweite dieses Schutzes ist der situationsbezogene Umfang der berechtigten Privatheitserwartungen des Einzelnen zu berücksichtigen (vgl. BVerfG Beschluss v. 26.02.2008, 1 BvR 1602/07, zitiert nach juris Rn. 50-53 m.w.N.).
255Das aus Art. 2 Abs. 1 in Verb. m. Art 1 Abs. 1 GG hergeleitete verfassungsrechtliche Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit unterliegt der Schrankenregelung der verfassungsmäßigen Ordnung (Art. 2 Abs. 1, 2 HS GG), zu der neben den Grundrechten wie Art. 5 Abs. 1 GG auch die in Art. 10 EMRK verbürgte Äußerungsfreiheit zählt.
256Bei der Abwägung mit kollektiven Rechtsgütern ist davon auszugehen, dass in Art. 5 Abs. 1 GG eine Vermutung für die Zulässigkeit einer Berichterstattung der Presse, die zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen soll, verbürgt ist (BVerfG a.a.O Rn 58).
257Das Selbstbestimmungsrecht der Preise erfasst allerdings nicht auch die Entscheidung, wie das Informationsinteresse im Zuge der Abwägung mit kollidierenden Rechtsgütern zu gewichten und der Ausgleich zwischen den betroffenen Rechtsgütern herzustellen ist (BVerfG NJW 2001, 1921 (1922). Die Gewichtung der gegenläufigen Interessen der Betroffenen ist von den Gerichten vorzunehmen, wobei eine inhaltliche Bewertung der jeweiligen Veröffentlichungen als wertvoll oder wertlos, seriös und ernsthaft oder unseriös nicht vorgenommen werden darf, sondern sich die Prüfung auf die Feststellung zu beschränken hat, in welchem Ausmaß der Bericht ein Beitrag für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung zu erbringen vermag. (BVerfGE 120, 180 ff; zitiert nach juris Rn. 69).
258Die Gerichte haben zu beachten, dass die Garantie der Pressefreiheit nicht allein den subjektiven Rechten der Presse, sondern in gleicher Weise auch dem Schutz des Prozesses öffentlicher Meinungsbildung und damit der Meinungsbildungsfreiheit der Bürger dient. Äußerungen in der und durch die Presse wollen in der Regel zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen und haben daher zunächst die Vermutung der Zulässigkeit für sich, auch wenn sie die Rechtssphäre anderer berühren (BVerfGE 20, 162 (177). Bei der Abwägung sind die betroffenen unterschiedlichen Interessen und das Ausmaß ihrer Beeinträchtigung zu erfassen. Der „Kernbereich der Privatsphäre“ wird von einem besonderen Schutzinteresse des Betroffenen gekennzeichnet. Dieses ist gegenüber einem im Wesentlichen allein der Zerstreuung oder der Befriedigung von Neugier dienenden Informationsanliegen regelmäßig vorrangig (vgl. BGHZ 131, 322 (338); BGH Urt.v. 09.12.2003 – VI ZR 373/02, VersR 2004, 522 (523)).
259d) Die Abwägung des durch Art. 2 Abs. 1, Art 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Interesse des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufs mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten zu 1) und 3) auf Meinungs- und Pressefreiheit ist nach umstehenden Grundsätzen für jede der angegriffenen Textpassagen gesondert vorzunehmen. Gegenstand der Abwägung sind allerdings nur die Textpassagen, hinsichtlich derer ein Unterlassungsanspruch des Klägers gegenüber dem Beklagten zu 2) für begründet erachtet wurde, da die Veröffentlichung und Verbreitung derjenigen Textpassagen, zu denen der Beklagte zu 2) berechtigt war, auch von Seiten der Beklagten zu 1)und 2) nicht rechtswidrig sind.
260Dabei geht die Kammer davon aus, dass sämtliche streitgegenständlichen Äußerungen des Klägers der Privatsphäre des Klägers, insbesondere in ihrer besonderen Ausprägung der Vertraulichkeitssphäre (vgl. zu dieser Begrifflichkeit etwa jüngst BGH, Pressemitteilung zum Urteil vom 30.09.2014 – VI ZR 490/12), zuzuordnen sind. Denn die Aufnahme der Tonbandprotokolle erfolgte im privaten, häuslichen Umfeld des Wohnhauses des Klägers. Das Gespräch zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) basierte auf der vereinbarten Vertraulichkeit und erfolgte im berechtigten Vertrauen des Klägers darauf, dass nichts, was er auf Tonband sprach, ohne seine Zustimmung veröffentlicht werden würde, da ihm vertraglich die Endkontrolle über den Wortlaut der Memoiren zugesichert worden war (zu dieser Wertung auch für Mitteilungen, die über die Person des sich Äußernden selbst nichts aussagen, die aber einem Vertrauten in der Erwartung gemacht werden, dass er sie – jedenfalls in der abgegebenen Form – für sich behalten werde (vgl. insbesondere auch BGH, Urteil vom 10.03.1987 – VI ZR 244/85 – BND-Interna).
261Zu den Textpassagen im Einzelnen:
262Die Veröffentlichung und Verbreitung der nachfolgenden Textpassagen ist wegen der schwerwiegenden Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers, gegenüber der das öffentliche Interesse zurückzutreten hat, rechtswidrig:
263aa) Die Textpassagen
264Nr. 5 (S. 23 zu C)
265Nr. 6 (S. 23 zum Chemiegigant aus Ludwigshafen)
266Nr. 70 (S. 123 zur Beerdigung von B)
267verletzen das Recht des Klägers am Schutz des gesprochenen Wortes sowie die engste Privatsphäre des Klägers in besonderem Maße, da sie die Reaktion des Klägers auf den Selbstmord seiner Ehefrau und die familiäre Auseinandersetzung anlässlich der Beisetzung von Frau B thematisieren. Jeder Mensch, auch ein Politiker, hat jedoch das Recht, mit der Trauer über den Verlust eines nahen Angehörigen, sei es durch Tod oder Selbstmord, allein gelassen zu werden und kann verlangen, dass die im privaten, häuslichen Bereich geäußerten Reaktionen auf den Verlust und die Art und Weise, wie der Betroffene mit dem Verlust und den ausgesprochenen Beileidsbekundungen umgeht, nicht an die Öffentlichkeit getragen werden.
268bb) Die Textpassagen Nr. 1, 33, 44, 71, 88 betreffen gleichfalls die innerste Privatsphäre des Klägers, nämlich die Kommunikation mit und das Verhältnis zu seiner Ehefrau. Dies gilt auch, soweit in wörtlichen Zitaten nur die Äußerung der Ehefrau des Klägers und nicht die Reaktion des Klägers hierauf wiedergegeben wird, da die wörtlichen Zitate ersichtlich Teil eines Gesprächs zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau waren und der Wortlaut der Äußerung Rückschlüsse darauf zulässt, in welcher Weise der Kläger mit seiner Ehefrau kommuniziert hat, diese zum Teil Einfluss nehmend und beratend auf ihn eingewirkt hat und er ihrer Meinung Gewicht beigemessen hat. Gegenüber dem Recht des Klägers auf Schutz seiner Privatsphäre als Ehemann, die dem Kläger auch als Politiker zusteht, hat das öffentliche Interesse an einer Veröffentlichung zurückzutreten, zumal die mitgeteilten Informationen zu den Ansichten Frau Bs geringen Informations- und eher nur Unterhaltungswert haben.
269cc) Die Veröffentlichung der nachfolgenden Textpassagen stellt gleichfalls einen besonders schwerwiegenden Eingriff in die Privatsphäre des Klägers dar und beeinträchtigt den Schutz am gesprochenen Wort in besonders massiver Weise, die Rechtsverletzung überwiegt aus diesem Grund weshalb das öffentliche Interesse an den nachfolgenden Äußerungen:
270Nr. 2 – 4, Nr. 8, Nr. 11 - 13, Nr. 16 – 22, Nr. 24 – 27, Nr. 29, Nr. 30, Nr. 32, Nr. 36 f, Nr. 41, Nr. 47f, Nr. 49f, Nr. 52 – 54, Nr. 56 – 60, Nr. 62 – 66, Nr. 68, Nr. 73f, Nr. 80, Nr. 82f, Nr. 85, Nr. 90 f, Nr. 94f, Nr. 103, Nr. 106 – 112
271Es handelt sich dabei ausschließlich um wörtliche Zitate des Klägers, die, unabhängig von ihrem Inhalt, dem Schutz des gesprochenen Wortes unterfallen. Sie zeichnen sich durch eine drastische und umgangssprachliche Ausdrucksweise aus und bringen in z.T. abfälliger und herabsetzender Art und Weise die geringe Achtung des Klägers gegenüber den Erwähnten zum Ausdruck. Zu einem großen Teil wären die Ausdrücke, sofern der Kläger sie unmittelbar gegenüber den Betroffenen geäußert hätte, geeignet, den Tatbestand der Beleidigung zu erfüllen (§ 185 StGB).
272Die Veröffentlichung dieser Äußerungen des Klägers ist allein aufgrund der Ausdrucksweise in besonderem Maße geeignet, sein Ansehen in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen und das Verhältnis des Klägers zu den erwähnten Personen nachhaltig zu beeinträchtigen. Zu berücksichtigen ist, dass der Kläger sich zu dem Zeitpunkt der Äußerungen in einer Ausnahmesituation befunden hat, auf dem Höhepunkt der Parteispendenaffäre, isoliert von der Öffentlichkeit und weiten Teilen seiner eigenen Partei und getroffen von dem Selbstmord seiner Ehefrau, die von den Beklagten wie folgt skizziert wird:, „Sein gesellschaftliches Ansehen strebt gegen null (Buch S. 20). In dieser Situation „schüttet er (der Kläger) seinen Gesprächspartnern das Herz aus“, (S. 72) „schlägt um sich wie ein angezählter Boxer“ (S. 22) und verfasst eine „Enzyklopädie der süßen Rache“ (S. 84), in deren Folge ohne weitere Darstellung eines Zusammenhangs die angegriffenen Textpassagen hintereinander gereiht werden.
273Der Kläger hat diese „Entgleisungen“ (Buch S. 225) augenscheinlich in einem Zustand der Wut, Verbitterung und Rache geäußert in dem Gespräch mit dem Beklagten zu 2) und z.T. Dr. T, die er als seine Vertrauten ansah. Im privaten Umfeld jedoch, auf der Basis einer zugesagten Geheimhaltung der Äußerungen gegenüber Dritten, war auch der Kläger berechtigt, sich gehen zu lassen, seinen Emotionen freien Lauf zu lassen und unbesorgt auch vorschnelle, situationsbedingte Urteile über andere Politiker, politische Weggefährten und Feinde in einem „maßlose(n) Rückblick im Zorn“ (Buchs. 103) dieser zu äußern. Denn aufgrund der zugesicherten Endkontrolle konnte der Kläger gewiss sein, dass keine seiner Äußerungen in der Form ohne seine Zustimmung nach außen dringen würde. Dies gilt zumal der Kläger bereits im Zeitpunkt der Tonbandaufnahmen bezüglich „sehr freimütig(er)“ Äußerungen über damalige und auch heute teils noch aktive Politiker, wenn er ins Erzählen gekommen war, die Anweisung erteilt hatte, „Das schreiben wir aber nicht“, wie der Zeuge Dr. T bekundete.
274Bei der Abfassung der Memoiren bestand er dann auch darauf, „Zeile um Zeile gemeinsam durchzusehen. Um sicher zu gehen, hatte der ewig Misstrauische auch stets noch einen seiner persönlichen Referenten einbestellt. Schließlich galt es, für die Ewigkeit zu formulieren“ (Buch S. 49). Mit der Sicherheit dieser Kontrollmöglichkeit brauchte der Kläger beim Diktieren seiner Lebenserinnerungen auf Tonband kein Blatt vor den Mund zu nehmen.
275Der Schutz der Vertraulichkeitssphäre des Klägers an den vorstehenden Textpassagen überwiegt von den Beklagten zu 1) und 3) verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungsfreiheit.
276Die Äußerungen des Klägers haben keinen hohen „Öffentlichkeitswert“, abgesehen von dem öffentlichen Interesse, das ohnehin jeglicher Äußerung des Klägers als herausragendem Politiker der Zeitgeschichte entgegengebracht wird. Das öffentliche Interesse rechtfertigt aber nicht perse aus o.g. Gründen eine Veröffentlichung jeder dieser Äußerungen, weil dies auf eine komplette Verneinung des Schutzes der Privatsphäre und der Vertraulichkeitssphäre für den Kläger hinauslaufen würde.
277dd) Die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Textpassagen ist auch nicht aus sonstigen Gründen gerechtfertigt. Keine der streitgegenständlichen Textpassagen betrifft ein strafrechtlich relevantes Verhalten des Klägers. Die noch nicht veröffentlichte Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach an der Aufdeckung eines Missstands von erheblichem Gewicht ein überragendes öffentliches Interesse bestehen kann, das auch die Wiedergabe von direkter oder indirekter Rede rechtfertigt (vgl. die Pressemitteilung zu BGH , Urt. v. 30.09.2014 - VI ZR 490/12), ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Keine der hier streitgegenständlichen Textpassagen hat ein - über die Äußerung als solches - strafrechtlich relevantes Verhalten des Klägers zum Gegenstand. Hinzu kommt, dass die Äußerungen des Klägers nicht eingebettet in den Gesamtzusammenhang der 3000 Seiten umfassenden Abschriften der Tonbandprotokolle wiedergegeben werden, sondern ersichtlich wegen ihrer Auffälligkeit „herausgepickt“ und aneinandergereiht wurden. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagten zu 1) und 3) sich an dem Rechtsbruch des Beklagten zu 2) unterstützend und beratend beteiligt haben.
278Aus diesem Grunde ist die Veröffentlichung und Verbreitung der oben genannten Textpassagen wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers rechtswidrig.
279ee) Der Kläger hat ferner Anspruch auf Unterlassung folgender Textpassagen:
280Nr. 14f, Nr. 28, Nr. 31, Nr. 34f,, Nr. 40, Nr. 42f, Nr. 45f, Nr. 55, Nr. 67, Nr. 69, Nr. 75-77, Nr. 84, Nr. 89, Nr. 95-97, Nr. 96, Nr. 98, Nr. 99, Nr. 105, Nr. 114
281Bei diesen Textpassagen, die gleichfalls die auf Tonband festgehaltenen Äußerungen des Klägers in direkter oder indirekter Rede wiedergeben, handelt es sich um die private Selbsteinschätzung des Klägers (Nr. 14, 15, 31) sowie Einschätzungen seiner politischen Gegner und Weggefährten, die, auch soweit sie nicht in der drastischen Ausdrucksweise formuliert sind, dennoch eine negative Grundeinstellung des Klägers zu den Genannten zum Ausdruck bringen (beispielsweise Nr. 28 zu U „(Zitat)“, zu Q „(Zitat)“, Nr. 40 „(Zitat)") und geeignet sind, die Angesprochenen verächtlich zu machen, was auf den Kläger als Äußernden unmittelbar zurückfällt. Durch die Wiedergabe wird der Eindruck erweckt, dass der Kläger nicht in der Lage war, differenziert über politische Gegner zu urteilen.
282Die Wiedergabe dieser Textpassagen verletzt ebenfalls in erheblichem Umfang die Privatsphäre des Klägers und damit dessen Persönlichkeitsrecht gerade aufgrund der Wortwahl des Klägers und der auch in diesen Passagen ausgedrückten negativen Einstellung, die geeignet ist, die Achtung vor dem Kläger in der Öffentlichkeit sinken zu lassen. Aus diesem Grund hat der Kläger in besonderem Maße Anspruch auf Schutz der Vertraulichkeit seiner Äußerungen.
283Im Gegenzug ist das Öffentlichkeitsinteresse, auf das sich die Beklagten zu 1) und 3) berufen können, nicht von erheblichem Gewicht, da auch hier ein Sachzusammenhang nicht dargestellt wird und die Äußerungen als solche lediglich Unterhaltungswert haben, der gegenüber dem Anspruch des Klägers auf Persönlichkeitsschutz nachrangig ist.
284Hinsichtlich der Textpassage Nr. 38 (S.93 zu F, E)
285ist aus den Gründen, die bereits bezüglich des Beklagten zu 2) ausgeführt wurden, gleichfalls ein Unterlassungsanspruch des Klägers gegeben. Die in dieser Textpassagen wiedergegebene Anekdote des Klägers aus dem Jahr 1976 ist zwar stellenweise mit eigenen Worten des Autors verflochten, diese dienen aber ersichtlich nur dazu, die Erzählung des Klägers zu straffen und um ansonsten ohne Zusammenhang nebeneinander aufgereihte Zitate des Klägers in derber, umgangssprachlicher Wortwahl („Zitat“) zu verbinden. Dies stellt gleichfalls eine erhebliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers dar. Demgegenüber hat im Hinblick auf das Alter der Episode sowie des dargestellten Inhaltes die Geschichte keinen tagesaktuellen Bezug, sondern vielmehr nur einen gegenüber der Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers nachrangiges öffentliches Interesse an unterhaltender Information.
286Ein Unterlassungsanspruch des Klägers besteht ferner hinsichtlich der Textpassage Nr. 23 zu D.
287Bezüglich der in direkter Rede wiedergegebenen, drastischen und abfälligen Wertung des Klägers besteht ein Unterlassungsanspruch bereits, weil die Wiedergabe den Kläger erheblich in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Frau D war als Nachfolgerin des Klägers in politischen Ämtern im Jahr 2001/2002 aktiv und zählte damit zum Kreis derer, bezüglich derer der Kläger nach Bekundungen des Zeugen Dr. T ausdrücklich nicht wünschte, dass seine Äußerungen veröffentlicht würden. Dies belegt, dass der Kläger bereits zum damaligen Zeitpunkt nach seinem Wutausbruch seine Äußerung relativiert hat, es wegen der nur ausschnittweisen Wiedergabe der 3000 Seiten des Protokolls aber nicht dargestellt ist, denn die von dem Zeugen bekundeten Äußerungen des Klägers „das schreiben wir aber nicht“ finden sich an keiner Stelle des Buches.
288Auch soweit in dieser Textpassage und den Textpassagen Nr.60, 84, 89, 93, 97, 102 neben der Wiedergabe der Äußerungen des Klägers in direkter/indirekter Rede die abfälligen Äußerungen des Klägers mit eigenen Worten des Autors wiedergegeben werden, besteht gleichfalls ein Unterlassungsanspruch des Klägers, da es aus den oben unter B. ausgeführten Gründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, keinen Unterschied macht, ob die Äußerung des Klägers in direkter oder indirekter Rede oder mit den eigenen Worten des Autors, aber gleichem Sinngehalt wiederholt wird. Im Hinblick darauf, dass die Tonbandprotokolle 3000 Seiten umfassend, war eine Wiedergabe der Äußerungen des Klägers, wenn auch nur ansatzweise ein Zusammenhang noch verständlich sein sollte, stellenweise in komprimierter Form notwendig. Die Wiedergabe der Äußerung des Klägers und die Verletzung der Vertraulichkeitssphäre wird aber nicht dadurch gemindert, dass die Äußerungen des Klägers zusammengefasst wiedergegeben werden, vielmehr liegt darin insbesondere die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers, da ohne Darstellung des Tonfalls und Zusammenhangs der Äußerung die Möglichkeit der Verfälschung ihres Sinns besteht. So kann ein Schimpfwort, in leichtem Ton gesprochen, nicht als Beleidigung gemeint und zu verstehen sein, gedruckt jedoch eindeutig negativ wirken.
289Demgegenüber haben die Äußerungen über ihren Unterhaltungswert als solchen, der bezüglich der jetzigen Kanzlerin besonders ausgeprägt sein dürfte, keinen Informationsgehalt. Insbesondere die Textpassage Nr. 23 zu D enthält keinerlei Sachinformationen, die geeignet sein könnten, zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen. Dies gilt überdies auch hinsichtlich der Bemerkungen Nr. 2 und Nr. 3 über Frau D und Herrn G. Über die Information hinaus, dass der Kläger diesen Personen gegenüber im Zeitpunkt der Tonbandaufnahme negativ eingestellt wird, ist keinerlei weitere Information mitgeteilt worden. Die Tatsache jedoch, dass sich bis zum Jahr 2001/2002 eine Reihe von Politikern, auch aus der Partei des Klägers, von dem Kläger distanziert hatte, allen voran die jetzige Bundeskanzlerin Frau D in einem Beitrag in der FAZ Ende 1999, ist jedoch allgemein bekannt, ebenso wie das damalige gespannte Verhältnis des Klägers zu Frau D. Das öffentliche Interesse an den Äußerungen Nr. 2, 3, 23 beschränkt sich damit auf wenig mehr als einen Unterhaltungswert. Im Blick auf die drastische Schilderung, die der Kläger gewählt hat, und die mit einer Veröffentlichung dieser Formulierung einhergehende erhebliche Persönlichkeitsrechtverletzung des Klägers ist die Veröffentlichung dieser Textpassagen, sowie der oben genannten, rechtswidrig.
290Nr. 92 S. 181 zu Q4 u.a.
291Die wörtliche Wiedergabe der Äußerung, welche sichtlich eine äußerst drastische Wortwahl auszeichnet, stellt eine schwer wiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechtes des Klägers dar, die gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Veröffentlichung dieses Zitats überwiegt, auch wenn Thema des Zitats die Erörterung eines möglichen Termins für den Tag der deutschen Einheit ist (09.11.).
2923. Bezüglich der nachfolgenden Textpassagen besteht hingegen kein Unterlassungsanspruch des Klägers, da es sich entweder nicht um eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers handelt (dazu Nr. 9) oder die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers durch die Veröffentlichung seiner Äußerungen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und des Recht der Beklagten auf Meinungsfreiheit nicht überwiegt (Nr. 10ff):
293Nr. 9 Seite 49
294Die Textpassage beschreibt mit den Worten des Beklagten zu 2) einen Auszug aus dem zwischen dem Kläger und dem damaligen Palästinenserführer B2 geführten Telefongespräch, gibt jedoch nur die Bitte um finanzielle Unterstützung von Seiten B2s, nicht die Reaktion des Klägers hierauf wieder, weshalb dem Kläger unter keinem Gesichtspunkt, insbesondere auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes, ein Unterlassungsanspruch zusteht. Da die Beklagten zu 1) und 3) im Gegensatz zu dem Beklagten zu 2) sich nicht zur Geheimhaltung gegenüber dem Kläger verpflichtet hatten, kann der Kläger auch aus dem Umstand, dass einer generellen Geheimhaltungsverpflichtung unterliegende Informationen von Seiten der Beklagten zu 1) und 3) veröffentlicht wurden, keinen Unterlassungsanspruch herleiten.
295Nr. 10 S. 61
296Die Textpassage gibt teilweise das Zitat des Klägers aus einem Brief wieder, dass dieser bei Erstellung der Tonbandprotokolle wiederholt hat. Auch insoweit ist die Vertraulichkeitssphäre des Klägers durch die Veröffentlichung der Textpassage verletzt.
297Das öffentliche Interesse an einer Veröffentlichung überwiegt jedoch gegenüber der Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers, da die Textpassage thematisiert, wie Parteispenden von einem Politiker eingefordert wurden und welche Beträge für angemessen erachtet wurden. Die Frage der Parteienfinanzierung ist auch heute noch von tagesaktuellem Bezug, insbesondere vor dem Hintergrund des einige Jahre zurückliegenden Parteispendenskandals.
298Nr. 51 S. 102 f u.a. zu D2
299Die Textpassage beschreibt, wie die innerparteiliche Praktik der Parteifinanzierung geplant war und welche Umsetzungsschwierigkeiten bestanden. Zwar handelt es sich um ein wörtliches Zitat des Klägers, dieses ist jedoch in sachlich, neutral und ohne Ehrverletzungen formuliert, es betrifft zudem nicht den familiären oder privaten Kreis des Klägers, sondern seine politische Tätigkeit. Die Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers ist damit allein darin zu sehen, dass dieses Zitat wörtlich wiedergegeben wurde.
300Demgegenüber besteht ein erhebliches öffentliches Interesse daran, zu erfahren, wie auch zu früheren Zeitpunkten die Finanzierung der Partei des Klägers erfolgte. Die Textpassage kann Anlass zu einer öffentlichen Meinungsbildung und Diskussion darüber geben, ob die Einwerbung illegaler Parteispenden auch dadurch veranlasst worden sein konnte, dass Landesverbände der Partei nicht in der Lage waren, die ihnen zugedachte finanzielle Last aufzubringen.
301Nr. 61 (S. 110 zu H)
302Die in wörtlicher Rede wiedergegebenen Äußerung des Klägers betrifft den unterschiedlichen Umgang der Parteien mit einer möglichen „Stasi-Vergangenheit“ hochrangiger Parteimitglieder und ist auch heute, 25 Jahre nach dem Mauerfall, noch von erheblichem öffentlichen Interesse und geeignet, zu einer öffentlichen Diskussion und Meinungsbildung darüber beizutragen, welche Auswirkungen eine frühere Tätigkeit von Politikern für den Staatssicherheitsdienst der DDR heute noch hat oder haben sollte. Die Verletzung der Vertraulichkeitssphäre des Klägers durch die wörtliche Wiedergabe dieses Zitats tritt gegenüber dem überwiegenden öffentlichen Interesse, auf das sich die Beklagten berufen können, zurück.
303Nr. 72 zu E
304Da Gegenstand der Textpassage nicht die politische Einschätzung des Klägers über den damaligen CSU-Vorsitzenden E ist und in dem Zitat auch keine herabsetzenden Formulierungen von Seiten des Klägers wiedergegeben werden, „- ... Spott und Hohn“ äußerte ersichtlich nicht der Kläger sondern E -, überwiegt gegenüber der Verletzung der Vertraulichkeitssphäre des Klägers das öffentliche Interesse an einer Veröffentlichung dieses Zitats. Denn die Information darüber, welche Einstellung ein führendes Mitglieds der CSU in der Vergangenheit zu politisch Verfolgten hatte, ist geeignet, zu der aktuellen Diskussion in der Öffentlichkeit darüber beizutragen, wie einer solchen Haltung begegnet werden kann. Das Thema der politischen Verfolgung hat dabei auch unmittelbaren tagesaktuellen Bezug.
305Nr. 81 (S. 164 f) und Nr. 87 (S. 169) zu J )
306Bezüglich dieser beiden Textpassagen besteht eine Persönlichkeitsrechtverletzung des Klägers durch die Wiedergabe der wörtlichen Zitate des Klägers. Der Wortlaut, der veröffentlicht wurde, ist jedoch neutral und der Schilderung des Sachverhaltes angemessen. Im Gegensatz zu den eingangs aufgeführten Textpassagen geht mit einer Veröffentlichung nicht die Gefahr eines Ansehensverlustes in der Öffentlichkeit für den Kläger einher, weshalb die Persönlichkeitsrechtsverletzung durch die Veröffentlichung weniger schwerwiegend erscheint.
307Demgegenüber ist das Verhältnis der beiden Politiker zueinander, die zeitweilig die höchsten Staatsämter bekleideten, von erheblichem öffentlichem Interesse, auch wenn diese derzeit nicht mehr im Amt sind.
308Da Politiker für viele Teile der Öffentlichkeit Vorbildfunktion und Identifikationsfunktion haben, ist von besonderem Interesse, wenn deren öffentliche Darstellung mit der tatsächlichen nicht übereinstimmt. Deshalb ist der Umstand, dass der spätere Bundespräsident J in einer entscheidenden politischen Phase der Entscheidung über die Nachrüstung sein persönliches Karriereinteresse den Interessen der Bundesrepublik Deutschland voran stellte, ebenso geeignet, eine Diskussion in der Öffentlichkeit anzustoßen, wie das nach außen vorgegebene, tatsächlich aber nicht bestehende Einvernehmen zwischen dem damaligen Bundeskanzler und dem damaligen Bundespräsidenten im Zeitpunkt der Wiedervereinigung.
309Nr. 86 zu J und I
310Einen Unterlassungsanspruch hat der Kläger bezüglich dieser Textpassagen nur in geringem Umfang:
311-Es folgt ein Zitat-
312Bezüglich dieses Teils der Textpassage, die in umgangssprachlicher Ausdrucksweise die Verärgerung des Klägers über Herrn J ausdrückt, ansonsten aber keine Sachinformationen enthält, überwiegt die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers gegenüber einem öffentlichen Interesse an einer Äußerung mit lediglich Unterhaltungswert.
313Hinsichtlich des nachfolgenden Teils besteht jedoch ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung der Textpassage, beginnend mit:
314„Auch nach dem fehlgeschlagenen Putsch vom September 1989 gab es permanent Ärger mit dem Staatsoberhaupt ……besser unterblieben wäre.
315Da diese Äußerung die Wiedervereinigung und die Schwierigkeit ihrer Durchsetzung gegen Widerstände im Ausland und auch innenpolitisch zum Thema hat und damit von überragendem öffentlichen Interesse ist.
316Hingegen besteht bezüglich des letzten Teils der Textpassage, beginnend mit
317„(Zitat)“
318wiederum einen Unterlassungsanspruch des Klägers, da in dieser Passage ohne zusätzliche weitere Sachinformation in einem wörtlichen, teilweise umgangssprachlich formulierten Zitat des Klägers das wiederholt wird, was der Autor in dem vorangegangenen Beitrag bereits dargestellt hat und im Hinblick auf die bereits mitgeteilte Information das öffentliche Interesse an einem wörtlichen Zitat des Klägers gegenüber der Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers durch die Veröffentlichung und Verletzung der Vertraulichkeitssphäre zurücktritt.
319Nr. 100 S. 192
320Die Äußerung des Klägers „Das waren Feldsoldaten, anständige Leute! wird von den Beklagten in Bezug auf die Waffen-SS, jedoch ohne sonstigen Zusammenhang wiedergegeben. Eine Äußerung, die aus ihrem Kontext herausgerissen wird, kann sehr schnell in ihrer Bedeutung missverstanden werden, weshalb die Veröffentlichung dieser Äußerung eine erhebliche Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers darstellt.
321Auf der anderen Seite ist aufgrund der Greuel, die im Zweiten Weltkrieg insbesondere von Angehörigen der Waffen-SS verübt wurden, die Äußerung eines ehemaligen Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland, es habe sich um „anständige Leute“ gehandelt, von besonderem öffentlichem Interesse, da sie nicht nachvollziehbar erscheint und aus diesem Grund in der Öffentlichkeit die Diskussion über und eine Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit befördern kann. Das öffentliche Interesse an der Veröffentlichung dieses Zitats überwiegt deshalb die Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers und ist damit nicht rechtswidrig.
322Nr. 101 S.193
323Die Äußerung ist zu einem Zeitpunkt 2001/2002 gefallen, als u.a. die rechtsradikalen Verbrechen verübt und vorbereitet wurden, die heute Gegenstand gerichtlicher und politischer Aufarbeitung sind (NSU-Prozess). Die Äußerung des Klägers, die belegt, dass damalige hochrangige Politiker die Gefahr des Rechtsradikalismus verkannt und unterschätzt haben, hat aktuellen tagespolitischen Bezug und ist deshalb von hohem öffentlichen Interesse, demgegenüber die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers durch die Veröffentlichung dieses Zitats zurücktritt.
324Nr. 104 (S. 198 zum jüdischen Weltkongress)
325Das Zitat des Klägers „Mein Problem ist der jüdische Weltkongress. Denn das ist der Ausbund an Schäbigkeit“ , nimmt, wie dem Zusammenhang (Buch S. 197 – 198) zu entnehmen ist, Bezug auf ein Interview des damaligen WJC-Präsidenten, in welchem sich dieser negativ über den Kläger geäußert hatte, das Zitat des Klägers ist ersichtlich die Reaktion des Klägers auf den Vorhalt seitens des Beklagten zu 2). Damit ist klargestellt, dass diese Äußerung ebenso wenig wie die nachfolgende Äußerung des Klägers, „Überall, wo man als Deutscher in die Räder jüdischer Institutionen kommt, ist man als Deutscher sowieso in einer schwierigen Lage“. einen antisemitischen Hintergrund hat. Die „schwierige Lage“ ergibt sich vielmehr aus der schuldbeladenen deutschen Vergangenheit.
326Die Einschätzung des Autors, es handele sich bei dem zweiten Zitat nahezu um eine antisemitisches Klischee, ist eine Meinungsäußerung, die durch das Grundrecht der Beklagten auf Meinungsfreiheit gedeckt ist. Das Persönlichkeitsrecht des Klägers wird hierdurch nicht verletzt, da die Äußerung des Klägers im Zusammenhang wiedergegeben wurde und sich der Leser deshalb eine eigene Meinung darüber bilden kann, ob die Ansicht der Beklagten zutreffend ist oder nicht.
327Das öffentliche Interesse an der Frage, ob man als Deutscher Kritik an jüdischen Organisationen üben kann, und wenn ja, in welcher Form diese geäußert werden muss, um nicht den Vorwurf des Antisemitismus auf sich zu ziehen, ist von erheblichem öffentlichen Interesse, weshalb die Veröffentlichung des Zitats des Klägers nicht rechtswidrig ist.
328Nr. 113 (S. 212 f)
329Die Textpassage beschreibt aus Sicht des Klägers das Verhältnis von Politik und Presse. Die Ansicht des Klägers als ehemaligem Bundeskanzler, der Pressechef eines Bundeskanzlers müsse in einer Demokratie erpressen können, um nicht von der Presse seinerseits erpresst zu werden, ist von zentraler Bedeutung für das Verhältnis von Politik und Presse und damit von großem öffentlichen Interesse. Die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers durch die Veröffentlichung dieses Zitats tritt demgegenüber zurück, so dass die Veröffentlichung nicht rechtswidrig war.
3304. Ein Unterlassungsanspruch des Klägers gegen die Beklagten zu 1) und zu 3) gemäß §§ 97 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG besteht nicht. Es fehlt bereits an der dem Kläger obliegenden (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 12. Mai 2012 - I ZR 53/10 - Seilzirkus Rn. 24) Darlegung der Schutzfähigkeit der von den Beklagten übernommenen Äußerungen, die sich auch nicht aus den streitgegenständlichen Passagen von selbst ergibt.
331D.
332Die für die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch die vorausgegangene Rechtsverletzung indiziert (vgl. Wenzel, Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 12.8; OLG Karlsruhe, Urt.v. 18.11.2005, 14 U 169/05, NJW 2006,617 ff, zitiert nach juris Rn. 39). Diese kann grundsätzlich nur durch Abgabe einer ausreichend strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden (vgl. BGH , NJW 1996, 723; BGH NJW-RR 2002, 608 (609); eine solche haben die Beklagten indes nicht abgegeben.
333E.
334Es liegt auch ein Verfügungsgrund im Sinne von § 940 ZPO vor. Ein solcher ist gegeben, wenn u.a. zur Abwendung wesentlicher Nachteile eine einstweilige Regelung nötig erscheint. Grundsätzlich ist die Dringlichkeit gewahrt, wenn der Antragsteller binnen einer Monatsfrist seit Kenntnis der Rechtsverletzung einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stellt. Dies hat der Kläger vorliegend getan. Das Buch mit den streitgegenständlichen Textpassagen ist am 07.10.2014 veröffentlicht worden; der Kläger hat 3 bzw. 10 Tage nach der Veröffentlichung Anträge auf Erlass einstweiliger Verfügung gegenüber den Beklagten eingereicht.
335Die Rücknahme der zuvor gestellten Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Grundlage eines vorbeugenden Unterlassungsanspruchs seitens des Klägers im Beschwerdeverfahren ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht dringlichkeitsschädlich. Die Änderung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist im Beschwerdeverfahren nicht möglich. Deshalb konnte der Kläger in dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht nicht die jetzt gestellten Anträge auf Untersagung der konkret bezeichneten 115 Textpassagen nachholen. Der Kläger war aus diesem Grund nicht gehindert, seinen Antrag nach Kenntnis von der tatsächlichen Rechtsverletzung im Rahmen neuer Anträge, wie geschehen, innerhalb der Monatsfrist zu präzisieren.
336F.
337Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92, 269, 100 Abs. 1 ZPO und entspricht dem anteiligen Obsiegen und Unterliegen der Parteien.
338Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit unterbleibt. Urteile, die eine einstweilige Verfügung bestätigen oder erlassen, sind aus ihrer Natur heraus vorläufig vollstreckbar (Zöller/Vollkommer, ZPO, 30.Aufl. § 929 Rn. 1).
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Durch Vertrag kann eine Leistung an einen Dritten mit der Wirkung bedungen werden, dass der Dritte unmittelbar das Recht erwirbt, die Leistung zu fordern.
(2) In Ermangelung einer besonderen Bestimmung ist aus den Umständen, insbesondere aus dem Zwecke des Vertrags, zu entnehmen, ob der Dritte das Recht erwerben, ob das Recht des Dritten sofort oder nur unter gewissen Voraussetzungen entstehen und ob den Vertragschließenden die Befugnis vorbehalten sein soll, das Recht des Dritten ohne dessen Zustimmung aufzuheben oder zu ändern.
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
Der Urheber hat das Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft am Werk. Er kann bestimmen, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Haben mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht, so ist jeder für den Schaden verantwortlich. Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat.
(2) Anstifter und Gehilfen stehen Mittätern gleich.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
1
Der Berichtigungsbeschluss vom 30. September 2014 ist bereits eingearbeitet.Tatbestand:
- 1
- Der Kläger nimmt die Beklagten zu 1 und 3, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, auf Unterlassung angeblich persönlichkeitsrechtsverletzender Veröffentlichungen und auf Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren in Anspruch. Die Beklagte zu 1 ist die Verlegerin der BILD-Zeitung. Die frühere Beklagte zu 2 betreibt das Internet Portal www.bild.de. Die Beklagte zu 3 ist Verlegerin der "B.Z.".
- 2
- Der Kläger war von 1994 bis 1999 Staatssekretär im Umweltministerium eines deutschen Bundeslandes. 1999 wurde er Chef der Staatskanzlei. Von Oktober 2004 bis November 2009 war er Finanzminister. Im November 2009 wurde er zum Innenminister ernannt. Zugleich war er Mitglied des Landtags. Mitte der 90er Jahre unterhielt er zu einer Mitarbeiterin, Frau G., eine außereheliche Beziehung, aus der im Jahre 1997 die gemeinsame Tochter E. hervorging. Bis auf geringfügige Zahlungen leistete der Kläger für diese keinen Unterhalt. Auf Antrag von Frau G. erhielt E. bis Oktober 2003 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Den Vater des Kindes benannte Frau G. der zuständigen Behörde nicht. Im Jahre 2009 kam der private Laptop des Klägers abhanden. Die darauf befindliche E-Mail-Korrespondenz zwischen ihm und Frau G. wurde der Beklagten zu 1 zugespielt. Am 31. August 2010 führten drei Redakteure der Beklagten zu 1 ein Interview mit dem Kläger. Sie hielten ihm vor, dass sich aus an ihn gerichteten E-Mails der Frau G. ergebe, dass er der Vater von E. sei und für sie keinen regelmäßigen Unterhalt gezahlt habe. Es bestehe der Verdacht des Sozialbetrugs. Außerdem teilten sie dem Kläger mit, dass sie mit der Veröffentlichung einer Berichterstattung über diesen Sachverhalt zwei Tage warten würden; in der Zwischenzeit könne der Kläger seine Verhältnisse ordnen. Der Kläger erwirkte daraufhin eine einstweilige Verfügung, durch die der Beklagten zu 1 untersagt wurde, vier E-Mails wörtlich oder sinngemäß publizis- tisch zu nutzen, und die Fragen, ob der Kläger private oder intime Kontakte mit Frau G. hatte und ob er sich an einem Sozialleistungsbetrug beteiligt hatte, öffentlich zu erörtern. Am 20. September 2010 veröffentlichte die Beklagte zu 2 unter voller Namensnennung des Klägers auf ihrem Internetauftritt "bild.de" unter der Überschrift "Innenminister unter Druck/Sozialbetrug? Minister S. wehrt sich gegen Vorwürfe" einen Beitrag, der sich mit der Beziehung des Klägers mit Frau G., der Geburt der Tochter sowie der möglichen Erschleichung von Sozialleistungen befasst. In der Zeit zwischen dem 21. und dem 25. September 2010 erschienen in den Printmedien der Beklagten zu 1 und 3 sowie in dem Internetportal der Beklagten zu 2 ähnliche Berichte über den Vorgang. Am 23. September 2010 trat der Kläger von seinem Ministeramt zurück. Er gab in einem Zeitungsinterview bekannt, dass er der Vater von E. sei und die Unterhaltszahlungen für sie nachgeholt habe.
- 3
- Der Kläger hält die Verwertung der privaten E-Mails zum Zwecke der Berichterstattung für rechtswidrig. Er macht geltend, dass die E-Mails von seinem Laptop stammten, der ihm gestohlen worden sei. Das Landgericht hat die Beklagte zu 1 verurteilt, es zu unterlassen, den Inhalt folgender E-Mails in direkter oder indirekter Rede zu verbreiten oder verbreiten zu lassen (Klageantrag zu 13): - E-Mail vom 28. Oktober 1997 des Klägers an Frau G.: "Ich stehe als Vater nicht zur Verfügung". - E-Mail vom 29. November 2002 von Frau G. an den Kläger: "Ich habe totalen Horror was werden soll, ab dem nächsten Jahr, da geht das zu Ende mit dem Betrug mit dem Vorschuss (nicht die Strafrelevanz dessen für mich). Einerseits bin ich froh, andererseits hab ich dann gar nichts mehr, mit dem ich mich mit meinem Gewissen vor E. rausreden kann. Diese Bettelhaltung ist jedenfalls auch ein zusätzlicher absolut unhaltbarer Zustand (die 100 €, ab Oktober nächstes Jahr 150 €, sind Peanuts für Dich, ich brauche das inzwischen wirklich, symbolisch und auch materiell)". - E-Mail vom 25. Juni 2008 von Frau G. an den Kläger: "War gerade bei der Bank, sieht ganz und gar nicht gut aus und ich brauch jetzt zumindest eine Teilsumme, die du mir schuldest. Offen war der Stand Ende 2005, du wolltest mal meine Mails checken, ansonsten legen wir mal was fest gelegentlich. 2006 ist komplett offen, 2007 hast du mir 800 gegeben, 2008 auch offen. Ich glaub nicht, dass ich zu viel verlange, so eher im Gegenteil. Wie wollen wir das zukünftig handeln ? Will nicht mehr betteln müssen". - E-Mail vom 21. April 2004 von Frau G. an den Kläger: "Hallo R., bitte teile mir mit, wann ich den besprochenen Unterhaltbeitrag für E. bekomme. Mit Stand April sind es im Moment 1.850 €, die du schuldest, du Finanzminister".
- 4
- Das Landgericht hat die Beklagte zu 1 weiter zur Freistellung des Klägers von einer Forderung seines Rechtsanwalts in Höhe von 1.376,83 € verurteilt und festgestellt, dass der Rechtsstreit hinsichtlich des Klageantrags zu 4 in der Hauptsache erledigt ist. Mit dem am 9. September 2010 eingereichten Klageantrag zu 4 hatte der Kläger beantragt, die Beklagte zu 1 zu verurteilen, es zu unterlassen, die Frage der Vaterschaft des Klägers hinsichtlich des Kindes E., die Frage privater oder intimer Kontakte des Klägers zu Frau G., die Frage, ob diese zu Unrecht Sozialleistungen in Anspruch genommen hat und/oder "Sozialleistungsbetrug" begangen hat, sowie die Frage von Unterhaltsleistungen für das Kind E. im Zusammenhang mit dem Kläger öffentlich zu erörtern.
- 5
- Das Landgericht hat die Beklagte zu 3 verurteilt, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß über den Kläger zu äußern oder zu verbreiten (Klageantrag zu 12): aa. "Du hast wieder den Geburtstag vergessen ... Du schuldest uns 1.150 Euro ... Es ist ein Bruchteil dessen, was ihr zustehen würde von Dir, bitte verweigere ihr das nicht und bring mich nicht weiterhin in die Situation, betteln zu müssen, bitte". (22. Oktober 2003) "Bitte tue mir das nicht weiterhin an, lass mich nicht soo unglaublich hängen". (24. November 2003); bb. "Ich habe das ganze Jahr 2003 über keinen Pfennig von dir gesehen , Du weißt, dass ich seit geraumer Zeit keinerlei staatlichen Unterhalt mehr für sie bekomme". (25. November 2003); cc. Der Kläger soll darauf geantwortet haben: "Ich bring auch ein paar Euro vorbei" (2. Dezember 2003); dd. "Da ist das Geld von dir fest eingeplant und entspricht dem was ihr von einem an unterster Einkommensstufe befindlichen bzw. arbeitslosen Mann an Mindestunterhalt zustände". (16. Dezember 2003); ee. "Ist jetzt ziemlich genau 8 Jahre her, als Du aus meiner Wohnung gegangen, bist ... Im Juni wären es 2.700 Euro, im Juli 2.900 Euro, steck es einfach in den Briefkasten ..." (19. Mai 2005), wie in der "B.Z." vom 23.09.2010 "Wollte also nur mal an Deinen Schuldenstand erinnern, Herr Finanzminister: 2.100 Euro" geschehen; ff. "Wollte also nur mal an Deinen Schuldenstand erinnern, Herr Finanzminister : 2.100 Euro" (6. März 2005); wie in der "B.Z." vom 23.09.2010 "Wollte also nur mal an Deinen Schuldenstand erinnern, Herr Finanzminister: 2.100 Euro" und/oder wie in "http://www.bz- berlin.de/archiv/um-15-01-uhr-zog-s.-sich-aus-seiner-affaerearticle986907.html" geschehen.
- 6
- Das Landgericht hat die Beklagte zu 3 außerdem zur Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.999,32 € verurteilt. Im Übrigen hat es die - unter anderem auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 150.000 € - gerichtete Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichteten Berufungen der Beklagten zu 1 und 3 blieben ohne Erfolg. Auf die Berufung des Klägers hat das Kammergericht die Beklagte zu 1 zur Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.633,87 € und die Beklagte zu 3 zur Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.419,19 € verurteilt. Die weiterge- hende Berufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Mit den vom Senat zugelassenen Revisionen verfolgen die Beklagten zu 1 und 3 ihre Anträge auf vollständige Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
A.
- 7
- Das Berufungsgericht hat angenommen, dass sich der Klageantrag zu 4 durch den Rücktritt des Klägers vom Amt des Innenministers am 23. September 2010 erledigt habe. Der Unterlassungsantrag sei ursprünglich begründet gewesen und erst durch den nach Rechtshängigkeit erfolgten Rücktritt des Klägers von seinem Ministeramt unbegründet geworden. Erst der Rücktritt habe ein die Belange des Klägers überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit begründet. Bis zum Rücktritt komme dagegen dem Interesse des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit der Vorrang gegenüber dem Interesse der Beklagten zu 1 an einer Information der Öffentlichkeit zu. Die Berichterstattung stütze sich auf den Inhalt der zwischen dem Kläger und Frau G. gewechselten E-Mails. Die in den E-Mails erörterten Angelegenheiten beträfen die Privatsphäre des Klägers. Thematisch gehe es um seine Vaterschaft zu dem Kind E., um Unterhaltsforderungen und darauf erfolgte Zahlungen. Dies sei ein Bereich, zu dem andere nur Zugang hätten, soweit er ihnen gestattet würde. Verstärkt werde der Schutz der Privatsphäre durch den Umstand, dass die E-Mails erkennbar hätten geheim bleiben sollen und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen seien. Zu berücksichtigen sei weiter die rechtswidrige Informationsbeschaffung. Die E-Mails seien auf der Festplatte des im Oktober 2009 gestohlenen Laptops des Klägers gespeichert gewesen. Die vom Kläger gestellte Strafanzeige spreche dafür, dass der Laptop tatsächlich gestohlen worden sei. Aber auch wenn der Kläger das Gerät verloren habe, ändere sich an der Beurteilung nichts. Denn dann hätten Dritte den Datenträger unterschlagen. Auch wenn der Zugriff auf die Daten über ein "gehacktes" Passwort erfolgt sei, liege ein Vergehen des Ausspähens von Daten vor. Es seien zwar keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass Mitarbeiter der Antragsgegnerin an diesen Straftaten beteiligt gewesen seien oder im Zusammenhang mit der Beschaffung der Daten eine rechtswidrige Handlung begangen hätten. Die Redakteure der Beklagten zu 1 hätten aber aufgrund der Umstände erkannt, dass der Zugriff auf die Mails durch eine Straftat erfolgt sein müsse. Zwar falle auch die Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG. Die widerrechtliche Beschaffung einer Information indiziere aber einen nicht unerheblichen Eingriff in den Bereich eines anderen, besonders dann, wenn dieser Bereich wegen seiner Vertraulichkeit geschützt sei. In einer solchen Situation habe die Veröffentlichung grundsätzlich zu unterbleiben. Eine Ausnahme komme nur dann in Betracht, wenn die Bedeutung der Information für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für die öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile überwiege, welche der Rechtsbruch für den Betroffenen und die tat- sächliche Geltung der Rechtsordnung nach sich ziehe. Dies sei in der Regel dann nicht der Fall, wenn die widerrechtlich beschaffte Information Zustände oder Verhaltensweisen offenbare, die ihrerseits nicht rechtswidrig seien.
- 8
- Nach diesen Grundsätzen liege ein überwiegendes Publikationsinteresse nicht vor. Allerdings ergebe sich aus den E-Mails, dass Frau G. den Kläger für den Vater ihrer Tochter gehalten und Unterhaltszahlungen gefordert habe. Ersichtlich sei auch, dass Frau G. angenommen habe, durch die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz einen Betrug zu begehen. Auch habe der Kläger spätestens im November 2002 angenommen, Vater des Kindes zu sein. Auf der Grundlage dieses Sachverhalts stehe aber weder fest, dass der Kläger eine Straftat begangen habe, noch liege ein Mindestbestand an Beweistatsachen vor, der Voraussetzung für eine zulässige Verdachtsberichterstattung sei. Die Beweistatsachen sprächen nur dafür, dass Frau G. einen Betrug begangen habe. Denn sie habe trotz ihrer sich aus dem Unterhaltsvorschussgesetz ergebenden Verpflichtung den Kläger nicht als Vater benannt. Hinreichende Beweistatsachen, die auf eine Täterschaft oder Teilnahme des Klägers schließen ließen, lägen hingegen nicht vor. Auch wenn an dem Vorgang ein öffentliches Informationsinteresse bestehe, weil der Kläger jedenfalls ab November 2002 die Begehung eines Betrugs zum Nachteil der öffentlichen Hand geduldet habe, gebühre dem Schutzinteresse des Klägers der Vorrang. Er habe lediglich einen Rechtsverstoß geduldet, selbst aber keine Rechtsvorschriften verletzt. In besonderem Maße zu berücksichtigen sei auch, dass die E-Mails durch eine Straftat beschafft worden seien und der Eingriff wegen des erkennbaren Geheimhaltungsinteresses an der privaten Korrespondenz besonders intensiv sei.
- 9
- Mit dem Rücktritt des Klägers vom Amt des Innenministers sei die Berichterstattung jedoch zulässig geworden. Denn bei dem Rücktritt handle es sich um ein Ereignis, an dem ein hohes öffentliches Informationsinteresse bestehe. Das Informationsinteresse erstrecke sich dabei auch auf die Frage, welche Gründe zu dem Rücktritt geführt hätten und welche Vorwürfe gegen den Kläger erhoben worden seien. Ohne die Mitteilung der aus den E-Mails zu entnehmenden Informationen bliebe eine Berichterstattung über die Gründe des Rücktritts unvollständig und nicht verständlich.
- 10
- Die Beklagte zu 1 wende sich auch ohne Erfolg gegen ihre Verurteilung, die Wiedergabe von Zitaten aus den zwischen dem Kläger und Frau G. gewechselten E-Mails gemäß Klageantrag zu 13 zu unterlassen. Die sprachliche Fassung eines bestimmten Gedankeninhalts sei Ausdruck der Persönlichkeit des Verfassers. Soweit die E-Mails von Frau G. verfasst worden seien, ließen sie Rückschlüsse auf die persönliche Beziehung zum Kläger zu, weshalb auch sein Persönlichkeitsrecht betroffen sei. Den E-Mails sei ein rechtswidriges Verhalten des Klägers nicht zu entnehmen. Dies deute darauf hin, dass es sich nicht um Missstände von erheblichem Gewicht handle, an deren Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse bestehe. Aus diesen Gründen wende sich auch die Beklagte zu 3 ohne Erfolg gegen ihre Verurteilung zur Unterlassung der Wiedergabe von Zitaten aus den zwischen dem Kläger und Frau G. gewechselten E-Mails gemäß Klageantrag zu 12. Aufgrund der erlittenen Persönlichkeitsrechtsverletzung stehe dem Kläger gegen die Beklagten zu 1 und 3 weiterhin ein Anspruch auf Freistellung von den Gebührenforderungen seiner Rechtsanwälte zu.
B.
- 11
- Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Klageantrag zu 4 hat sich nicht in der Hauptsache erledigt; der den Gegenstand dieses Antrags bildende vorbeugende Unterlassungsantrag war zu keinem Zeitpunkt begründet. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Unterlassung der mit den Anträgen zu 12 und 13 angegriffenen Äußerungen gegen die Beklagten zu 1 und 3 zu. Aus diesem Grund kann er nicht die Freistellung von den Gebührenforderungen seiner Rechtsanwälte verlangen. I. Revision der Beklagten zu 1 1. Ursprünglicher Klageantrag zu 4
- 12
- Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die auf Feststellung der Erledigung des Klageantrags zu 4 gerichtete Klage unbegründet. Die Feststellung der Erledigung der Hauptsache setzt voraus, dass eine ursprünglich zulässige und begründete Klage durch ein nach Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist (vgl. BGH, Urteile vom 15. Januar 1982 - V ZR 50/81, BGHZ 83, 12, 13; vom 8. März 1990 - I ZR 116/88, NJW 1990, 3147, 3148). An diesen Voraussetzungen fehlt es vorliegend. Die Revision macht mit Erfolg geltend, dass dem Kläger zu keinem Zeitpunkt ein Anspruch gegen die Beklagte zu 1 zustand, es zu unterlassen, die Frage seiner Vaterschaft hinsichtlich E., die Frage privater oder intimer Kontakte zu Frau G., die Frage, ob diese zu Unrecht Sozialleistungen in Anspruch genommen und/oder "Sozialleistungsbetrug" begangen hat, oder die Frage von Unterhaltsleistungen für das Kind E. im Zusammenhang mit ihm öffentlich zu erörtern.
- 13
- a) Allerdings greift eine Berichterstattung, die sich auf den Inhalt der zwischen dem Kläger und Frau G. gewechselten E-Mails stützt und die vorbezeichneten Fragen thematisiert, in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers ein.
- 14
- aa) Betroffen sind zum einen die Ehre und soziale Anerkennung des Klägers. Denn die Bekanntgabe des Umstands, dass der Kläger für seine nichteheliche Tochter nur geringfügige Zahlungen erbracht hat, ist geeignet, sich abträglich auf sein Bild in der Öffentlichkeit auszuwirken.
- 15
- bb) Betroffen sind zum anderen die Vertraulichkeitssphäre und das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung. Beide genannten Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts schützen auch das Interesse des Kommunikationsteilnehmers daran, dass der Inhalt privater E-Mails nicht an die Öffentlichkeit gelangt (vgl. zur Vertraulichkeits- bzw. Geheimsphäre : Senatsurteile vom 19. Dezember 1978 - VI ZR 137/77, BGHZ 73,120, 121, 124 f.; vom 10. März 1987 - VI ZR 244/85, AfP 1987, 508, 509 f.; BVerfGE 54, 148, 153 f. mwN - Eppler-Zitat; zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung: BVerfGE 115, 166, 83 f., 187 ff.; EGMR, EuGRZ 2007, 415 Rn. 41, 43 f.). So umfasst das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht nur die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden , ob, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. Senatsurteile vom 29. April 2014 - VI ZR 137/13, AfP 2014, 325 Rn. 6; vom 5. November 2013 - VI ZR 304/12, BGHZ 198, 346 Rn. 11 = AfP 2014, 58; BVerfGE 84, 192, 194; BVerfG, VersR 2006, 1669 Rn. 31 f.; BVerfG, VersR 2013, 1425, 1427, jeweils mwN). Vielmehr erstreckt sich der Schutzbereich dieses Rechts auch auf Telekommunikationsverbindungsdaten einschließlich der jeweiligen Kommunikationsinhalte, soweit sie nach Abschluss des Kommunikationsvorgangs im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers gespeichert werden. Insoweit ergänzt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung den Schutz des Fernmeldegeheimnisses aus Art. 10 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 115, 166, 183 f., 187 ff.). Damit wird der besonderen Schutzwürdigkeit der Telekommunikationsumstände Rechnung getragen und die Vertraulichkeit räumlich distanzierter Kommunikation auch nach Beendigung des Übertragungsvorgangs gewahrt. Vom Schutz umfasst ist dabei zum einen das Interesse des Kommunikationsteilnehmers daran, dass der Inhalt der Kommunikation nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Geschützt wird aber auch sein Interesse daran, dass die Kommunikationsinhalte nicht in verkörperter Form für die Öffentlichkeit verfügbar werden und damit über den Kommunikationsinhalt hinaus auch die persönliche Ausdrucksweise des Kommunikationsteilnehmers nach außen dringt (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 1978 - VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 121 ff.). Denn jede sprachliche Festlegung eines bestimmten Gedankeninhalts lässt Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Verfassers zu (BGH, Urteil vom 25. Mai 1954 - I ZR 211/53, BGHZ 13, 334, 338).
- 16
- Weder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung noch die Vertraulichkeitssphäre gewähren aber einen absoluten Schutz; sie finden ihre Grenze vielmehr in den Rechten Dritter - beispielsweise auf Meinungs- und Medienfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK (vgl. Senatsurteile vom 29. April 2014 - VI ZR 137/13, AfP 2014, 325 Rn. 6 mwN; vom 10. März 1987 - VI ZR 244/85, AfP 1987, 508, 510; vom 19. Dezember 1978 - VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 124).
- 17
- cc) Die absolut geschützte Intimsphäre des Klägers ist dagegen nicht betroffen (vgl. zur Intimsphäre: Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, AfP 2012, 47 Rn. 11; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 25 f.). Die bloße Bekanntgabe der wahren Tatsache, dass der Kläger eine intime Beziehung mit Frau G. hatte, aus der ein Kind hervorgegangen ist, tangiert den unantastbaren Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung nicht. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn im Zeitpunkt der Einreichung des auf eine Erstbegehungsgefahr gestützten vorbeugenden Klageantrags zu 4 zu befürchten gewesen wäre, dass diesbezügliche Einzelheiten preisgegeben werden (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 66 = AfP 2014, 135; vom 29. Juni 1999 - VI ZR 264/98, AfP 1999, 350, 351; vom 5. Mai 1964 - VI ZR 64/63, NJW 1964, 1471, 1472; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wortund Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 49). Dies ist weder ersichtlich noch dargetan.
- 18
- b) Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers ist aber nicht rechtswidrig. Das von der Beklagten zu 1 verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit überwiegen das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit.
- 19
- aa) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. Senatsurteile vom 29. April 2014 - VI ZR 137/13, AfP 2014, 325 Rn. 8; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 22 = AfP 2014, 135).
- 20
- bb) Im Streitfall ist das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht der Beklagten zu 1 auf Meinungs- und Medienfreiheit abzuwägen. Dabei ist zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass die Informationen, deren Veröffentlichung er mit dem vorbeugenden Unterlassungsantrag verhindern wollte, von einem Dritten in rechtswidriger Weise beschafft worden sind. Zwar wird auch die Ver- öffentlichung rechtswidrig beschaffter oder erlangter Informationen vom Schutz der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) umfasst. Andernfalls wäre die Funktion der Presse als "Wachhund der Öffentlichkeit" beeinträchtigt, zu der es gehört, auf Missstände von öffentlicher Bedeutung hinzuweisen (vgl. Senatsurteile vom 10. März 1987 - VI ZR 244/85, AfP 1987, 508, 510; vom 19. Dezember 1978 - VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 124 ff.; BVerfGE 66, 116, 137 f.). Um der besonderen Schutzwürdigkeit der im Endgerät des Betroffenen gespeicherten Kommunikationsdaten und des insoweit bestehenden Ergänzungsverhältnisses von Art. 10 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG ausreichend Rechnung zu tragen, kommt es in diesen Fällen bei der Abwägung maßgeblich auf den Zweck der beanstandeten Äußerung und auf das Mittel an, mit dem der Zweck verfolgt wird. Dem Grundrecht der Meinungsfreiheit kommt umso größeres Gewicht zu, je mehr es sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelt. Der Gewährleistung des Art. 5 Abs. 1 GG kommt dagegen umso geringeres Gewicht zu, je mehr sich die Äußerung unmittelbar gegen ein privates Rechtsgut richtet und im privaten Verkehr in Verfolgung eigennütziger Ziele abgegeben wird (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 1978 - VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 127 ff.; BVerfGE 66, 116, 138 f.).
- 21
- Bei der Bewertung des Mittels, mit dem der Äußerungszweck verfolgt wird, ist zu berücksichtigen, dass es im Hinblick auf die Art der Erlangung der Information verschiedene Stufungen geben kann, einerseits etwa den vorsätzlichen Rechtsbruch, um die auf diese Weise verschaffte Information zu publizieren oder gegen hohes Entgelt weiterzugeben, andererseits die bloße Kenntniserlangung von einer rechtswidrig beschafften Information, bei der die Rechtswidrigkeit der Beschaffung möglicherweise auch bei Wahrung der publizistischen Sorgfaltspflicht nicht einmal erkennbar ist. In Fällen, in denen der Publizierende sich die Informationen widerrechtlich durch Täuschung in der Ab- sicht verschafft hat, sie gegen den Getäuschten zu verwerten, hat die Veröffentlichung grundsätzlich zu unterbleiben. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt nur in Betracht, wenn die Bedeutung der Information für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für die öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile überwiegt, die der Rechtsbruch für den Betroffenen und die Geltung der Rechtsordnung nach sich ziehen muss. Das wird in der Regel dann nicht der Fall sein, wenn die in der dargelegten Weise widerrechtlich beschaffte und verwertete Information Zustände oder Verhaltensweisen offenbart, die ihrerseits nicht rechtswidrig sind; denn dies deutet darauf hin, dass es sich nicht um Missstände von erheblichem Gewicht handelt, an deren Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht (BVerfGE 66, 116, 139).
- 22
- cc) Nach diesen Grundsätzen hat das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit gegenüber dem Recht der Beklagten zu 1 auf Meinungsund Medienfreiheit zurückzutreten.
- 23
- (1) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist keine Fallgestaltung gegeben, in der bereits im Hinblick auf die Art der Erlangung der Information von der grundsätzlichen Unzulässigkeit ihrer publizistischen Verwertung auszugehen wäre. Nach den getroffenen Feststellungen haben sich die Beklagten zu 1 und 3 die E-Mails nicht durch vorsätzlichen Rechtsbruch verschafft, um sie zu publizieren. Sie haben sich an dem Einbruch in die Vertraulichkeitssphäre des Klägers nicht beteiligt, auch wenn ihnen die Rechtswidrigkeit der Informationsbeschaffung nicht verborgen geblieben ist. Es begründet aber einen nicht unerheblichen Unterschied im Unrechtsgehalt, ob der Publizierende sich die Informationen widerrechtlich in der Absicht verschafft, sie gegen den Getäuschten zu verwerten, oder ob er, wie im Streitfall, aus dem erkannten Bruch der Vertraulichkeit lediglich Nutzen zieht. Dies gilt auch in Ansehung des Umstands , dass die grundsätzliche Bereitschaft der Presse, rechtswidrig erlangte Informationen zu verwerten, Dritte zu Einbrüchen in die Vertraulichkeitssphäre ermuntern kann (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 1978 - VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 127).
- 24
- (2) Abgesehen davon haben die Informationen, deren Verbreitung der Kläger mit seinem vorbeugenden Unterlassungsantrag verhindern wollte und deren Wahrheit er nicht in Frage stellt, einen hohen "Öffentlichkeitswert". Sie offenbaren einen Missstand von erheblichem Gewicht, an dessen Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht. Die der Beklagten zu 1 zugespielte E-Mail-Korrespondenz zwischen dem Kläger und Frau G. belegt, dass sich der Kläger, der von 1994 bis zu seinem Rücktritt im Jahre 2010 herausgehobene öffentliche Ämter bekleidete, über viele Jahre der wirtschaftlichen Verantwortung für seine Tochter E. entzogen hat. Er hat seine ehemalige Geliebte dadurch in die Situation gebracht, für die gemeinsame Tochter Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Anspruch zu nehmen, und es im eigenen persönlichen, wirtschaftlichen und politischen Interesse hingenommen, dass sie Leistungen bezog, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben waren.
- 25
- Gemäß § 1 Abs. 3 des Gesetzes zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfallleistungen (nachfolgend: Unterhaltsvorschussgesetz) besteht ein Anspruch auf Unterhaltsleistung nach diesem Gesetz u.a. dann nicht, wenn sich der Elternteil , bei dem das Kind lebt, weigert, die Auskünfte, die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlich sind, zu erteilen oder bei der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthalts des anderen Elternteils mitzuwirken. Zur Mitwirkung bei der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthalts des anderen Elternteils gehören grundsätzlich auch Angaben zur Bestimmung der Person des Vaters. Denn sie sind erforderlich, damit das Land Unterhaltsansprüche gegen den Vater nach § 7 UhVorschG auf sich überleiten und auf diesem Wege die Erstattung der vorgeleisteten Gelder von ihm verlangen kann (vgl. BVerwGE 89, 192, 195; BVerwG, NJW 2013, 2775 Rn. 11). Die Unterhaltsleistung nach dem Unterhaltsvorschussgesetz soll "ausbleibende Zahlungen" der Unterhaltsverpflichteten aus öffentlichen Mitteln übernehmen, um sie sodann von Amts wegen beim säumigen zahlungsverpflichteten Elternteil wieder einzuziehen. Die Gewährung von Unterhalt als Ausfallleistung für den Fall, dass ein Rückgriff auf den anderen Elternteil nicht möglich oder erfolgreich ist, soll die Ausnahme bleiben. Dies ergibt sich auch aus dem in § 7 UhVorschG normierten gesetzlichen Forderungsübergang, der den Nachrang der Unterhaltsleistung dadurch sichern soll, dass Unterhaltsansprüche des berechtigten Kindes "für die Zeit, für die ihm die Unterhaltsleistung nach diesem Gesetz gezahlt wird", auf das Land übergehen (BVerwG, NJW 2013, 2775 Rn. 22).
- 26
- Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat Frau G. ihren danach bestehenden Mitwirkungspflichten nicht genügt. Sie hat der für die Bewilligung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zuständigen Behörde den Kläger nicht als Vater von E. benannt, obwohl sie dessen Vaterschaft für gegeben hielt. Ihr war auch bekannt, dass deshalb die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz nicht vorlagen. Wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt, ergibt sich aus der an den Kläger gerichteten E-Mail der Frau G. vom 29. November 2002, dass sie ihre unvollständigen Angaben gegenüber der Behörde als Betrug wertete, deren Strafrelevanz nach Ablauf der maximalen Bezugsdauer von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz - anders als die Leistungen - nicht "zuende" gehe.
- 27
- Die Informationen, deren Verbreitung der Kläger mit seinem vorbeugenden Unterlassungsantrag verhindern wollte, offenbaren damit, dass der Kläger aus Eigeninteresse die wirtschaftliche Verantwortung für sein nichteheliches Kind auf den Steuerzahler abgewälzt hat. Ein derartiges Verhalten ist für die Beurteilung der persönlichen Eignung des Klägers als Finanz- und Innenminister und Landtagsabgeordneter von maßgeblicher Bedeutung. Als Minister und als Landtagsabgeordneter gehörte der Kläger zu den Personen des politischen Lebens, an deren Verhalten unter dem Gesichtspunkt demokratischer Transparenz und Kontrolle ein gesteigertes Informationsinteresse besteht. Sein Verhalten ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht seiner Privatsphäre zuzurechnen, zu der "Andere nur Zugang haben, soweit er ihnen gestattet wird". Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob dem Kläger selbst ein Strafvorwurf gemacht werden kann. Die Kontroll- und Überwachungsfunktion der Presse ist nicht auf die Aufdeckung von Straftaten beschränkt. 2. Klageantrag zu 13:
- 28
- Die Revision wendet sich auch mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts , die Beklagte zu 1 sei verpflichtet, es zu unterlassen, den Inhalt der vier im Tatbestand dieses Urteils im Einzelnen aufgeführten E-Mails in direkter oder indirekter Rede zu verbreiten.
- 29
- a) Durch die Veröffentlichung der vier E-Mails in direkter oder indirekter Rede werden der soziale Geltungsanspruch des Klägers und sein Interesse daran beeinträchtigt, den Inhalt seiner privaten Kommunikation mit Frau G. nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. Durch die Veröffentlichung der E-Mail des Klägers vom 28. Oktober 1997, wonach er als Vater nicht zur Verfügung stehe, ist darüber hinaus sein Interesse betroffen, dass die Kommunikationsinhalte nicht in verkörperter Form für die Öffentlichkeit verfügbar werden und damit über den Kommunikationsinhalt hinaus auch seine persönliche Ausdrucksweise nach außen dringt (vgl. die Ausführungen unter Ziffer 1. a) bb)).
- 30
- b) Die darin liegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers ist jedoch auch unter Berücksichtigung der Art und Weise der Informationserlangung nicht rechtswidrig. An der Wiedergabe der vier E-Mails, insbesondere der des Klägers vom 28. Oktober 1997, in direkter oder indirekter Rede besteht ein hohes Informationsinteresse der Öffentlichkeit, hinter dem das Schutzinteresse des Klägers zurückzutreten hat. Auch wörtliche Zitate, die - wie im Streitfall - geeignet sind, zu einer Bewertung des Zitierten beizutragen, fallen in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, AfP 2010, 145 Rn. 21). Dem wörtlichen Zitat kommt wegen seiner Belegfunktion ein besonderer Dokumentationswert im Rahmen einer Berichterstattung zu. Es dient als Tatsachenbehauptung dem Beleg und der Verstärkung des Aussagegehalts (vgl. BVerfG, AfP 2001, 295, 298) und hat deshalb eine besondere Überzeugungskraft (vgl. BVerfGE 54, 208, 217 f.). Aus diesem Grund kommt ihm eine erhebliche Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung zu.
- 31
- Dies gilt vorliegend in besonderem Maße. Der Kläger stand aufgrund der von ihm im maßgeblichen Zeitraum ausgeübten öffentlichen Ämter in sozialer Verantwortung für das Gemeinwesen. Die Aussage in seiner E-Mail vom 28. Oktober 1997 "Ich stehe als Vater nicht zur Verfügung" dokumentiert mit besonderer Klarheit, wie er mit der Verantwortung gegenüber seiner nichtehelichen Tochter und der Mutter seines Kindes - und damit mittelbar gegenüber der Allgemeinheit, die jedenfalls bis zur Veröffentlichung der streitgegenständlichen Informationen die daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen tragen musste - umgegangen ist. Durch die Wiedergabe dieser E-Mail in direkter oder indirekter Rede wird die zulässige Berichterstattung über das Verhalten des Klägers unterstrichen , ohne dass seine Persönlichkeit durch die Bekanntgabe seiner persönlichen Ausdrucksweise in unzulässiger Weise "preisgegeben" würde.
- 32
- Die wörtlichen Zitate aus den drei E-Mails der Kindesmutter sind ebenfalls vom überwiegenden Informationsinteresse der Öffentlichkeit gedeckt. Das Zitat der E-Mail vom 29. November 2002 beweist, dass der Kläger von der Inanspruchnahme der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz durch die Kindesmutter und dem Umstand wusste, dass diese ihr Verhalten für strafrechtlich relevant hielt. Die E-Mails vom 21. April 2004 und 25. Juni 2008 dokumentieren eindrucksvoll, mit welcher Intensität und Nachhaltigkeit der Kläger an seiner Haltung festgehalten hat. 3. Rechtsanwaltskosten
- 33
- Da die Unterlassungsansprüche gegen die Beklagte zu 1 unbegründet sind, stehen dem Kläger auch keine Ansprüche auf Freistellung von Gebührenforderungen seiner Rechtsanwälte zu. II. Revision der Beklagten zu 3 1. Klageantrag zu 12
- 34
- Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts , die Beklagte zu 3 sei verpflichtet, es zu unterlassen, die im Tatbestand dieses Urteils im Einzelnen aufgeführten Zitate aus den zwischen dem Kläger und Frau G. gewechselten E-Mails wörtlich oder sinngemäß zu verbreiten. Die in der publizistischen Verwertung der E-Mails liegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers ist nicht rechtswidrig, da das von der Beklagten zu 1 verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit überwiegen. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer I. 1. und 2. verwiesen. Das Interesse des Klägers, dass die Kommunikationsinhalte nicht in verkörperter Form für die Öffentlichkeit verfügbar werden und über den Kommunikationsinhalt hinaus auch seine persönliche Ausdrucksweise nach außen dringt, ist nur durch Wiedergabe seines wörtlichen Zitats vom 2. Dezember 2003 betroffen, wonach er auch ein paar Euro vorbeibringen werde. Im Übrigen handelt es sich um wörtliche Zitate der Kindesmutter. Sämtliche Zitate dienen als eindrucksvoller Beleg für die nachhaltige Weigerung des Klägers , die wirtschaftliche Verantwortung für sein nichteheliches Kind zu übernehmen und die Kosten stattdessen der Allgemeinheit aufzubürden. 2. Rechtsanwaltskosten
- 35
- Da der Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu 3 unbegründet ist, steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Freistellung von Gebührenforderungen seiner Rechtsanwälte zu.
III.
- 36
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 2, § 97 Abs. 1, § 565 Satz 1, § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Galke Wellner Diederichsen von Pentz Offenloch
LG Berlin, Entscheidung vom 28.06.2011 - 27 O 719/10 -
KG Berlin, Entscheidung vom 05.11.2012 - 10 U 118/11 -
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
1
Der Berichtigungsbeschluss vom 30. September 2014 ist bereits eingearbeitet.Tatbestand:
- 1
- Der Kläger nimmt die Beklagten zu 1 und 3, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, auf Unterlassung angeblich persönlichkeitsrechtsverletzender Veröffentlichungen und auf Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren in Anspruch. Die Beklagte zu 1 ist die Verlegerin der BILD-Zeitung. Die frühere Beklagte zu 2 betreibt das Internet Portal www.bild.de. Die Beklagte zu 3 ist Verlegerin der "B.Z.".
- 2
- Der Kläger war von 1994 bis 1999 Staatssekretär im Umweltministerium eines deutschen Bundeslandes. 1999 wurde er Chef der Staatskanzlei. Von Oktober 2004 bis November 2009 war er Finanzminister. Im November 2009 wurde er zum Innenminister ernannt. Zugleich war er Mitglied des Landtags. Mitte der 90er Jahre unterhielt er zu einer Mitarbeiterin, Frau G., eine außereheliche Beziehung, aus der im Jahre 1997 die gemeinsame Tochter E. hervorging. Bis auf geringfügige Zahlungen leistete der Kläger für diese keinen Unterhalt. Auf Antrag von Frau G. erhielt E. bis Oktober 2003 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Den Vater des Kindes benannte Frau G. der zuständigen Behörde nicht. Im Jahre 2009 kam der private Laptop des Klägers abhanden. Die darauf befindliche E-Mail-Korrespondenz zwischen ihm und Frau G. wurde der Beklagten zu 1 zugespielt. Am 31. August 2010 führten drei Redakteure der Beklagten zu 1 ein Interview mit dem Kläger. Sie hielten ihm vor, dass sich aus an ihn gerichteten E-Mails der Frau G. ergebe, dass er der Vater von E. sei und für sie keinen regelmäßigen Unterhalt gezahlt habe. Es bestehe der Verdacht des Sozialbetrugs. Außerdem teilten sie dem Kläger mit, dass sie mit der Veröffentlichung einer Berichterstattung über diesen Sachverhalt zwei Tage warten würden; in der Zwischenzeit könne der Kläger seine Verhältnisse ordnen. Der Kläger erwirkte daraufhin eine einstweilige Verfügung, durch die der Beklagten zu 1 untersagt wurde, vier E-Mails wörtlich oder sinngemäß publizis- tisch zu nutzen, und die Fragen, ob der Kläger private oder intime Kontakte mit Frau G. hatte und ob er sich an einem Sozialleistungsbetrug beteiligt hatte, öffentlich zu erörtern. Am 20. September 2010 veröffentlichte die Beklagte zu 2 unter voller Namensnennung des Klägers auf ihrem Internetauftritt "bild.de" unter der Überschrift "Innenminister unter Druck/Sozialbetrug? Minister S. wehrt sich gegen Vorwürfe" einen Beitrag, der sich mit der Beziehung des Klägers mit Frau G., der Geburt der Tochter sowie der möglichen Erschleichung von Sozialleistungen befasst. In der Zeit zwischen dem 21. und dem 25. September 2010 erschienen in den Printmedien der Beklagten zu 1 und 3 sowie in dem Internetportal der Beklagten zu 2 ähnliche Berichte über den Vorgang. Am 23. September 2010 trat der Kläger von seinem Ministeramt zurück. Er gab in einem Zeitungsinterview bekannt, dass er der Vater von E. sei und die Unterhaltszahlungen für sie nachgeholt habe.
- 3
- Der Kläger hält die Verwertung der privaten E-Mails zum Zwecke der Berichterstattung für rechtswidrig. Er macht geltend, dass die E-Mails von seinem Laptop stammten, der ihm gestohlen worden sei. Das Landgericht hat die Beklagte zu 1 verurteilt, es zu unterlassen, den Inhalt folgender E-Mails in direkter oder indirekter Rede zu verbreiten oder verbreiten zu lassen (Klageantrag zu 13): - E-Mail vom 28. Oktober 1997 des Klägers an Frau G.: "Ich stehe als Vater nicht zur Verfügung". - E-Mail vom 29. November 2002 von Frau G. an den Kläger: "Ich habe totalen Horror was werden soll, ab dem nächsten Jahr, da geht das zu Ende mit dem Betrug mit dem Vorschuss (nicht die Strafrelevanz dessen für mich). Einerseits bin ich froh, andererseits hab ich dann gar nichts mehr, mit dem ich mich mit meinem Gewissen vor E. rausreden kann. Diese Bettelhaltung ist jedenfalls auch ein zusätzlicher absolut unhaltbarer Zustand (die 100 €, ab Oktober nächstes Jahr 150 €, sind Peanuts für Dich, ich brauche das inzwischen wirklich, symbolisch und auch materiell)". - E-Mail vom 25. Juni 2008 von Frau G. an den Kläger: "War gerade bei der Bank, sieht ganz und gar nicht gut aus und ich brauch jetzt zumindest eine Teilsumme, die du mir schuldest. Offen war der Stand Ende 2005, du wolltest mal meine Mails checken, ansonsten legen wir mal was fest gelegentlich. 2006 ist komplett offen, 2007 hast du mir 800 gegeben, 2008 auch offen. Ich glaub nicht, dass ich zu viel verlange, so eher im Gegenteil. Wie wollen wir das zukünftig handeln ? Will nicht mehr betteln müssen". - E-Mail vom 21. April 2004 von Frau G. an den Kläger: "Hallo R., bitte teile mir mit, wann ich den besprochenen Unterhaltbeitrag für E. bekomme. Mit Stand April sind es im Moment 1.850 €, die du schuldest, du Finanzminister".
- 4
- Das Landgericht hat die Beklagte zu 1 weiter zur Freistellung des Klägers von einer Forderung seines Rechtsanwalts in Höhe von 1.376,83 € verurteilt und festgestellt, dass der Rechtsstreit hinsichtlich des Klageantrags zu 4 in der Hauptsache erledigt ist. Mit dem am 9. September 2010 eingereichten Klageantrag zu 4 hatte der Kläger beantragt, die Beklagte zu 1 zu verurteilen, es zu unterlassen, die Frage der Vaterschaft des Klägers hinsichtlich des Kindes E., die Frage privater oder intimer Kontakte des Klägers zu Frau G., die Frage, ob diese zu Unrecht Sozialleistungen in Anspruch genommen hat und/oder "Sozialleistungsbetrug" begangen hat, sowie die Frage von Unterhaltsleistungen für das Kind E. im Zusammenhang mit dem Kläger öffentlich zu erörtern.
- 5
- Das Landgericht hat die Beklagte zu 3 verurteilt, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß über den Kläger zu äußern oder zu verbreiten (Klageantrag zu 12): aa. "Du hast wieder den Geburtstag vergessen ... Du schuldest uns 1.150 Euro ... Es ist ein Bruchteil dessen, was ihr zustehen würde von Dir, bitte verweigere ihr das nicht und bring mich nicht weiterhin in die Situation, betteln zu müssen, bitte". (22. Oktober 2003) "Bitte tue mir das nicht weiterhin an, lass mich nicht soo unglaublich hängen". (24. November 2003); bb. "Ich habe das ganze Jahr 2003 über keinen Pfennig von dir gesehen , Du weißt, dass ich seit geraumer Zeit keinerlei staatlichen Unterhalt mehr für sie bekomme". (25. November 2003); cc. Der Kläger soll darauf geantwortet haben: "Ich bring auch ein paar Euro vorbei" (2. Dezember 2003); dd. "Da ist das Geld von dir fest eingeplant und entspricht dem was ihr von einem an unterster Einkommensstufe befindlichen bzw. arbeitslosen Mann an Mindestunterhalt zustände". (16. Dezember 2003); ee. "Ist jetzt ziemlich genau 8 Jahre her, als Du aus meiner Wohnung gegangen, bist ... Im Juni wären es 2.700 Euro, im Juli 2.900 Euro, steck es einfach in den Briefkasten ..." (19. Mai 2005), wie in der "B.Z." vom 23.09.2010 "Wollte also nur mal an Deinen Schuldenstand erinnern, Herr Finanzminister: 2.100 Euro" geschehen; ff. "Wollte also nur mal an Deinen Schuldenstand erinnern, Herr Finanzminister : 2.100 Euro" (6. März 2005); wie in der "B.Z." vom 23.09.2010 "Wollte also nur mal an Deinen Schuldenstand erinnern, Herr Finanzminister: 2.100 Euro" und/oder wie in "http://www.bz- berlin.de/archiv/um-15-01-uhr-zog-s.-sich-aus-seiner-affaerearticle986907.html" geschehen.
- 6
- Das Landgericht hat die Beklagte zu 3 außerdem zur Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.999,32 € verurteilt. Im Übrigen hat es die - unter anderem auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 150.000 € - gerichtete Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichteten Berufungen der Beklagten zu 1 und 3 blieben ohne Erfolg. Auf die Berufung des Klägers hat das Kammergericht die Beklagte zu 1 zur Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.633,87 € und die Beklagte zu 3 zur Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.419,19 € verurteilt. Die weiterge- hende Berufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Mit den vom Senat zugelassenen Revisionen verfolgen die Beklagten zu 1 und 3 ihre Anträge auf vollständige Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
A.
- 7
- Das Berufungsgericht hat angenommen, dass sich der Klageantrag zu 4 durch den Rücktritt des Klägers vom Amt des Innenministers am 23. September 2010 erledigt habe. Der Unterlassungsantrag sei ursprünglich begründet gewesen und erst durch den nach Rechtshängigkeit erfolgten Rücktritt des Klägers von seinem Ministeramt unbegründet geworden. Erst der Rücktritt habe ein die Belange des Klägers überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit begründet. Bis zum Rücktritt komme dagegen dem Interesse des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit der Vorrang gegenüber dem Interesse der Beklagten zu 1 an einer Information der Öffentlichkeit zu. Die Berichterstattung stütze sich auf den Inhalt der zwischen dem Kläger und Frau G. gewechselten E-Mails. Die in den E-Mails erörterten Angelegenheiten beträfen die Privatsphäre des Klägers. Thematisch gehe es um seine Vaterschaft zu dem Kind E., um Unterhaltsforderungen und darauf erfolgte Zahlungen. Dies sei ein Bereich, zu dem andere nur Zugang hätten, soweit er ihnen gestattet würde. Verstärkt werde der Schutz der Privatsphäre durch den Umstand, dass die E-Mails erkennbar hätten geheim bleiben sollen und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen seien. Zu berücksichtigen sei weiter die rechtswidrige Informationsbeschaffung. Die E-Mails seien auf der Festplatte des im Oktober 2009 gestohlenen Laptops des Klägers gespeichert gewesen. Die vom Kläger gestellte Strafanzeige spreche dafür, dass der Laptop tatsächlich gestohlen worden sei. Aber auch wenn der Kläger das Gerät verloren habe, ändere sich an der Beurteilung nichts. Denn dann hätten Dritte den Datenträger unterschlagen. Auch wenn der Zugriff auf die Daten über ein "gehacktes" Passwort erfolgt sei, liege ein Vergehen des Ausspähens von Daten vor. Es seien zwar keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass Mitarbeiter der Antragsgegnerin an diesen Straftaten beteiligt gewesen seien oder im Zusammenhang mit der Beschaffung der Daten eine rechtswidrige Handlung begangen hätten. Die Redakteure der Beklagten zu 1 hätten aber aufgrund der Umstände erkannt, dass der Zugriff auf die Mails durch eine Straftat erfolgt sein müsse. Zwar falle auch die Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG. Die widerrechtliche Beschaffung einer Information indiziere aber einen nicht unerheblichen Eingriff in den Bereich eines anderen, besonders dann, wenn dieser Bereich wegen seiner Vertraulichkeit geschützt sei. In einer solchen Situation habe die Veröffentlichung grundsätzlich zu unterbleiben. Eine Ausnahme komme nur dann in Betracht, wenn die Bedeutung der Information für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für die öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile überwiege, welche der Rechtsbruch für den Betroffenen und die tat- sächliche Geltung der Rechtsordnung nach sich ziehe. Dies sei in der Regel dann nicht der Fall, wenn die widerrechtlich beschaffte Information Zustände oder Verhaltensweisen offenbare, die ihrerseits nicht rechtswidrig seien.
- 8
- Nach diesen Grundsätzen liege ein überwiegendes Publikationsinteresse nicht vor. Allerdings ergebe sich aus den E-Mails, dass Frau G. den Kläger für den Vater ihrer Tochter gehalten und Unterhaltszahlungen gefordert habe. Ersichtlich sei auch, dass Frau G. angenommen habe, durch die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz einen Betrug zu begehen. Auch habe der Kläger spätestens im November 2002 angenommen, Vater des Kindes zu sein. Auf der Grundlage dieses Sachverhalts stehe aber weder fest, dass der Kläger eine Straftat begangen habe, noch liege ein Mindestbestand an Beweistatsachen vor, der Voraussetzung für eine zulässige Verdachtsberichterstattung sei. Die Beweistatsachen sprächen nur dafür, dass Frau G. einen Betrug begangen habe. Denn sie habe trotz ihrer sich aus dem Unterhaltsvorschussgesetz ergebenden Verpflichtung den Kläger nicht als Vater benannt. Hinreichende Beweistatsachen, die auf eine Täterschaft oder Teilnahme des Klägers schließen ließen, lägen hingegen nicht vor. Auch wenn an dem Vorgang ein öffentliches Informationsinteresse bestehe, weil der Kläger jedenfalls ab November 2002 die Begehung eines Betrugs zum Nachteil der öffentlichen Hand geduldet habe, gebühre dem Schutzinteresse des Klägers der Vorrang. Er habe lediglich einen Rechtsverstoß geduldet, selbst aber keine Rechtsvorschriften verletzt. In besonderem Maße zu berücksichtigen sei auch, dass die E-Mails durch eine Straftat beschafft worden seien und der Eingriff wegen des erkennbaren Geheimhaltungsinteresses an der privaten Korrespondenz besonders intensiv sei.
- 9
- Mit dem Rücktritt des Klägers vom Amt des Innenministers sei die Berichterstattung jedoch zulässig geworden. Denn bei dem Rücktritt handle es sich um ein Ereignis, an dem ein hohes öffentliches Informationsinteresse bestehe. Das Informationsinteresse erstrecke sich dabei auch auf die Frage, welche Gründe zu dem Rücktritt geführt hätten und welche Vorwürfe gegen den Kläger erhoben worden seien. Ohne die Mitteilung der aus den E-Mails zu entnehmenden Informationen bliebe eine Berichterstattung über die Gründe des Rücktritts unvollständig und nicht verständlich.
- 10
- Die Beklagte zu 1 wende sich auch ohne Erfolg gegen ihre Verurteilung, die Wiedergabe von Zitaten aus den zwischen dem Kläger und Frau G. gewechselten E-Mails gemäß Klageantrag zu 13 zu unterlassen. Die sprachliche Fassung eines bestimmten Gedankeninhalts sei Ausdruck der Persönlichkeit des Verfassers. Soweit die E-Mails von Frau G. verfasst worden seien, ließen sie Rückschlüsse auf die persönliche Beziehung zum Kläger zu, weshalb auch sein Persönlichkeitsrecht betroffen sei. Den E-Mails sei ein rechtswidriges Verhalten des Klägers nicht zu entnehmen. Dies deute darauf hin, dass es sich nicht um Missstände von erheblichem Gewicht handle, an deren Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse bestehe. Aus diesen Gründen wende sich auch die Beklagte zu 3 ohne Erfolg gegen ihre Verurteilung zur Unterlassung der Wiedergabe von Zitaten aus den zwischen dem Kläger und Frau G. gewechselten E-Mails gemäß Klageantrag zu 12. Aufgrund der erlittenen Persönlichkeitsrechtsverletzung stehe dem Kläger gegen die Beklagten zu 1 und 3 weiterhin ein Anspruch auf Freistellung von den Gebührenforderungen seiner Rechtsanwälte zu.
B.
- 11
- Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Klageantrag zu 4 hat sich nicht in der Hauptsache erledigt; der den Gegenstand dieses Antrags bildende vorbeugende Unterlassungsantrag war zu keinem Zeitpunkt begründet. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Unterlassung der mit den Anträgen zu 12 und 13 angegriffenen Äußerungen gegen die Beklagten zu 1 und 3 zu. Aus diesem Grund kann er nicht die Freistellung von den Gebührenforderungen seiner Rechtsanwälte verlangen. I. Revision der Beklagten zu 1 1. Ursprünglicher Klageantrag zu 4
- 12
- Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die auf Feststellung der Erledigung des Klageantrags zu 4 gerichtete Klage unbegründet. Die Feststellung der Erledigung der Hauptsache setzt voraus, dass eine ursprünglich zulässige und begründete Klage durch ein nach Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist (vgl. BGH, Urteile vom 15. Januar 1982 - V ZR 50/81, BGHZ 83, 12, 13; vom 8. März 1990 - I ZR 116/88, NJW 1990, 3147, 3148). An diesen Voraussetzungen fehlt es vorliegend. Die Revision macht mit Erfolg geltend, dass dem Kläger zu keinem Zeitpunkt ein Anspruch gegen die Beklagte zu 1 zustand, es zu unterlassen, die Frage seiner Vaterschaft hinsichtlich E., die Frage privater oder intimer Kontakte zu Frau G., die Frage, ob diese zu Unrecht Sozialleistungen in Anspruch genommen und/oder "Sozialleistungsbetrug" begangen hat, oder die Frage von Unterhaltsleistungen für das Kind E. im Zusammenhang mit ihm öffentlich zu erörtern.
- 13
- a) Allerdings greift eine Berichterstattung, die sich auf den Inhalt der zwischen dem Kläger und Frau G. gewechselten E-Mails stützt und die vorbezeichneten Fragen thematisiert, in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers ein.
- 14
- aa) Betroffen sind zum einen die Ehre und soziale Anerkennung des Klägers. Denn die Bekanntgabe des Umstands, dass der Kläger für seine nichteheliche Tochter nur geringfügige Zahlungen erbracht hat, ist geeignet, sich abträglich auf sein Bild in der Öffentlichkeit auszuwirken.
- 15
- bb) Betroffen sind zum anderen die Vertraulichkeitssphäre und das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung. Beide genannten Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts schützen auch das Interesse des Kommunikationsteilnehmers daran, dass der Inhalt privater E-Mails nicht an die Öffentlichkeit gelangt (vgl. zur Vertraulichkeits- bzw. Geheimsphäre : Senatsurteile vom 19. Dezember 1978 - VI ZR 137/77, BGHZ 73,120, 121, 124 f.; vom 10. März 1987 - VI ZR 244/85, AfP 1987, 508, 509 f.; BVerfGE 54, 148, 153 f. mwN - Eppler-Zitat; zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung: BVerfGE 115, 166, 83 f., 187 ff.; EGMR, EuGRZ 2007, 415 Rn. 41, 43 f.). So umfasst das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht nur die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden , ob, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. Senatsurteile vom 29. April 2014 - VI ZR 137/13, AfP 2014, 325 Rn. 6; vom 5. November 2013 - VI ZR 304/12, BGHZ 198, 346 Rn. 11 = AfP 2014, 58; BVerfGE 84, 192, 194; BVerfG, VersR 2006, 1669 Rn. 31 f.; BVerfG, VersR 2013, 1425, 1427, jeweils mwN). Vielmehr erstreckt sich der Schutzbereich dieses Rechts auch auf Telekommunikationsverbindungsdaten einschließlich der jeweiligen Kommunikationsinhalte, soweit sie nach Abschluss des Kommunikationsvorgangs im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers gespeichert werden. Insoweit ergänzt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung den Schutz des Fernmeldegeheimnisses aus Art. 10 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 115, 166, 183 f., 187 ff.). Damit wird der besonderen Schutzwürdigkeit der Telekommunikationsumstände Rechnung getragen und die Vertraulichkeit räumlich distanzierter Kommunikation auch nach Beendigung des Übertragungsvorgangs gewahrt. Vom Schutz umfasst ist dabei zum einen das Interesse des Kommunikationsteilnehmers daran, dass der Inhalt der Kommunikation nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Geschützt wird aber auch sein Interesse daran, dass die Kommunikationsinhalte nicht in verkörperter Form für die Öffentlichkeit verfügbar werden und damit über den Kommunikationsinhalt hinaus auch die persönliche Ausdrucksweise des Kommunikationsteilnehmers nach außen dringt (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 1978 - VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 121 ff.). Denn jede sprachliche Festlegung eines bestimmten Gedankeninhalts lässt Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Verfassers zu (BGH, Urteil vom 25. Mai 1954 - I ZR 211/53, BGHZ 13, 334, 338).
- 16
- Weder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung noch die Vertraulichkeitssphäre gewähren aber einen absoluten Schutz; sie finden ihre Grenze vielmehr in den Rechten Dritter - beispielsweise auf Meinungs- und Medienfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK (vgl. Senatsurteile vom 29. April 2014 - VI ZR 137/13, AfP 2014, 325 Rn. 6 mwN; vom 10. März 1987 - VI ZR 244/85, AfP 1987, 508, 510; vom 19. Dezember 1978 - VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 124).
- 17
- cc) Die absolut geschützte Intimsphäre des Klägers ist dagegen nicht betroffen (vgl. zur Intimsphäre: Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, AfP 2012, 47 Rn. 11; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 25 f.). Die bloße Bekanntgabe der wahren Tatsache, dass der Kläger eine intime Beziehung mit Frau G. hatte, aus der ein Kind hervorgegangen ist, tangiert den unantastbaren Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung nicht. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn im Zeitpunkt der Einreichung des auf eine Erstbegehungsgefahr gestützten vorbeugenden Klageantrags zu 4 zu befürchten gewesen wäre, dass diesbezügliche Einzelheiten preisgegeben werden (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 66 = AfP 2014, 135; vom 29. Juni 1999 - VI ZR 264/98, AfP 1999, 350, 351; vom 5. Mai 1964 - VI ZR 64/63, NJW 1964, 1471, 1472; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wortund Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 49). Dies ist weder ersichtlich noch dargetan.
- 18
- b) Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers ist aber nicht rechtswidrig. Das von der Beklagten zu 1 verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit überwiegen das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit.
- 19
- aa) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. Senatsurteile vom 29. April 2014 - VI ZR 137/13, AfP 2014, 325 Rn. 8; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 22 = AfP 2014, 135).
- 20
- bb) Im Streitfall ist das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht der Beklagten zu 1 auf Meinungs- und Medienfreiheit abzuwägen. Dabei ist zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass die Informationen, deren Veröffentlichung er mit dem vorbeugenden Unterlassungsantrag verhindern wollte, von einem Dritten in rechtswidriger Weise beschafft worden sind. Zwar wird auch die Ver- öffentlichung rechtswidrig beschaffter oder erlangter Informationen vom Schutz der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) umfasst. Andernfalls wäre die Funktion der Presse als "Wachhund der Öffentlichkeit" beeinträchtigt, zu der es gehört, auf Missstände von öffentlicher Bedeutung hinzuweisen (vgl. Senatsurteile vom 10. März 1987 - VI ZR 244/85, AfP 1987, 508, 510; vom 19. Dezember 1978 - VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 124 ff.; BVerfGE 66, 116, 137 f.). Um der besonderen Schutzwürdigkeit der im Endgerät des Betroffenen gespeicherten Kommunikationsdaten und des insoweit bestehenden Ergänzungsverhältnisses von Art. 10 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG ausreichend Rechnung zu tragen, kommt es in diesen Fällen bei der Abwägung maßgeblich auf den Zweck der beanstandeten Äußerung und auf das Mittel an, mit dem der Zweck verfolgt wird. Dem Grundrecht der Meinungsfreiheit kommt umso größeres Gewicht zu, je mehr es sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelt. Der Gewährleistung des Art. 5 Abs. 1 GG kommt dagegen umso geringeres Gewicht zu, je mehr sich die Äußerung unmittelbar gegen ein privates Rechtsgut richtet und im privaten Verkehr in Verfolgung eigennütziger Ziele abgegeben wird (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 1978 - VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 127 ff.; BVerfGE 66, 116, 138 f.).
- 21
- Bei der Bewertung des Mittels, mit dem der Äußerungszweck verfolgt wird, ist zu berücksichtigen, dass es im Hinblick auf die Art der Erlangung der Information verschiedene Stufungen geben kann, einerseits etwa den vorsätzlichen Rechtsbruch, um die auf diese Weise verschaffte Information zu publizieren oder gegen hohes Entgelt weiterzugeben, andererseits die bloße Kenntniserlangung von einer rechtswidrig beschafften Information, bei der die Rechtswidrigkeit der Beschaffung möglicherweise auch bei Wahrung der publizistischen Sorgfaltspflicht nicht einmal erkennbar ist. In Fällen, in denen der Publizierende sich die Informationen widerrechtlich durch Täuschung in der Ab- sicht verschafft hat, sie gegen den Getäuschten zu verwerten, hat die Veröffentlichung grundsätzlich zu unterbleiben. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt nur in Betracht, wenn die Bedeutung der Information für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für die öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile überwiegt, die der Rechtsbruch für den Betroffenen und die Geltung der Rechtsordnung nach sich ziehen muss. Das wird in der Regel dann nicht der Fall sein, wenn die in der dargelegten Weise widerrechtlich beschaffte und verwertete Information Zustände oder Verhaltensweisen offenbart, die ihrerseits nicht rechtswidrig sind; denn dies deutet darauf hin, dass es sich nicht um Missstände von erheblichem Gewicht handelt, an deren Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht (BVerfGE 66, 116, 139).
- 22
- cc) Nach diesen Grundsätzen hat das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit gegenüber dem Recht der Beklagten zu 1 auf Meinungsund Medienfreiheit zurückzutreten.
- 23
- (1) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist keine Fallgestaltung gegeben, in der bereits im Hinblick auf die Art der Erlangung der Information von der grundsätzlichen Unzulässigkeit ihrer publizistischen Verwertung auszugehen wäre. Nach den getroffenen Feststellungen haben sich die Beklagten zu 1 und 3 die E-Mails nicht durch vorsätzlichen Rechtsbruch verschafft, um sie zu publizieren. Sie haben sich an dem Einbruch in die Vertraulichkeitssphäre des Klägers nicht beteiligt, auch wenn ihnen die Rechtswidrigkeit der Informationsbeschaffung nicht verborgen geblieben ist. Es begründet aber einen nicht unerheblichen Unterschied im Unrechtsgehalt, ob der Publizierende sich die Informationen widerrechtlich in der Absicht verschafft, sie gegen den Getäuschten zu verwerten, oder ob er, wie im Streitfall, aus dem erkannten Bruch der Vertraulichkeit lediglich Nutzen zieht. Dies gilt auch in Ansehung des Umstands , dass die grundsätzliche Bereitschaft der Presse, rechtswidrig erlangte Informationen zu verwerten, Dritte zu Einbrüchen in die Vertraulichkeitssphäre ermuntern kann (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 1978 - VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 127).
- 24
- (2) Abgesehen davon haben die Informationen, deren Verbreitung der Kläger mit seinem vorbeugenden Unterlassungsantrag verhindern wollte und deren Wahrheit er nicht in Frage stellt, einen hohen "Öffentlichkeitswert". Sie offenbaren einen Missstand von erheblichem Gewicht, an dessen Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht. Die der Beklagten zu 1 zugespielte E-Mail-Korrespondenz zwischen dem Kläger und Frau G. belegt, dass sich der Kläger, der von 1994 bis zu seinem Rücktritt im Jahre 2010 herausgehobene öffentliche Ämter bekleidete, über viele Jahre der wirtschaftlichen Verantwortung für seine Tochter E. entzogen hat. Er hat seine ehemalige Geliebte dadurch in die Situation gebracht, für die gemeinsame Tochter Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Anspruch zu nehmen, und es im eigenen persönlichen, wirtschaftlichen und politischen Interesse hingenommen, dass sie Leistungen bezog, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben waren.
- 25
- Gemäß § 1 Abs. 3 des Gesetzes zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfallleistungen (nachfolgend: Unterhaltsvorschussgesetz) besteht ein Anspruch auf Unterhaltsleistung nach diesem Gesetz u.a. dann nicht, wenn sich der Elternteil , bei dem das Kind lebt, weigert, die Auskünfte, die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlich sind, zu erteilen oder bei der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthalts des anderen Elternteils mitzuwirken. Zur Mitwirkung bei der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthalts des anderen Elternteils gehören grundsätzlich auch Angaben zur Bestimmung der Person des Vaters. Denn sie sind erforderlich, damit das Land Unterhaltsansprüche gegen den Vater nach § 7 UhVorschG auf sich überleiten und auf diesem Wege die Erstattung der vorgeleisteten Gelder von ihm verlangen kann (vgl. BVerwGE 89, 192, 195; BVerwG, NJW 2013, 2775 Rn. 11). Die Unterhaltsleistung nach dem Unterhaltsvorschussgesetz soll "ausbleibende Zahlungen" der Unterhaltsverpflichteten aus öffentlichen Mitteln übernehmen, um sie sodann von Amts wegen beim säumigen zahlungsverpflichteten Elternteil wieder einzuziehen. Die Gewährung von Unterhalt als Ausfallleistung für den Fall, dass ein Rückgriff auf den anderen Elternteil nicht möglich oder erfolgreich ist, soll die Ausnahme bleiben. Dies ergibt sich auch aus dem in § 7 UhVorschG normierten gesetzlichen Forderungsübergang, der den Nachrang der Unterhaltsleistung dadurch sichern soll, dass Unterhaltsansprüche des berechtigten Kindes "für die Zeit, für die ihm die Unterhaltsleistung nach diesem Gesetz gezahlt wird", auf das Land übergehen (BVerwG, NJW 2013, 2775 Rn. 22).
- 26
- Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat Frau G. ihren danach bestehenden Mitwirkungspflichten nicht genügt. Sie hat der für die Bewilligung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zuständigen Behörde den Kläger nicht als Vater von E. benannt, obwohl sie dessen Vaterschaft für gegeben hielt. Ihr war auch bekannt, dass deshalb die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz nicht vorlagen. Wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt, ergibt sich aus der an den Kläger gerichteten E-Mail der Frau G. vom 29. November 2002, dass sie ihre unvollständigen Angaben gegenüber der Behörde als Betrug wertete, deren Strafrelevanz nach Ablauf der maximalen Bezugsdauer von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz - anders als die Leistungen - nicht "zuende" gehe.
- 27
- Die Informationen, deren Verbreitung der Kläger mit seinem vorbeugenden Unterlassungsantrag verhindern wollte, offenbaren damit, dass der Kläger aus Eigeninteresse die wirtschaftliche Verantwortung für sein nichteheliches Kind auf den Steuerzahler abgewälzt hat. Ein derartiges Verhalten ist für die Beurteilung der persönlichen Eignung des Klägers als Finanz- und Innenminister und Landtagsabgeordneter von maßgeblicher Bedeutung. Als Minister und als Landtagsabgeordneter gehörte der Kläger zu den Personen des politischen Lebens, an deren Verhalten unter dem Gesichtspunkt demokratischer Transparenz und Kontrolle ein gesteigertes Informationsinteresse besteht. Sein Verhalten ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht seiner Privatsphäre zuzurechnen, zu der "Andere nur Zugang haben, soweit er ihnen gestattet wird". Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob dem Kläger selbst ein Strafvorwurf gemacht werden kann. Die Kontroll- und Überwachungsfunktion der Presse ist nicht auf die Aufdeckung von Straftaten beschränkt. 2. Klageantrag zu 13:
- 28
- Die Revision wendet sich auch mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts , die Beklagte zu 1 sei verpflichtet, es zu unterlassen, den Inhalt der vier im Tatbestand dieses Urteils im Einzelnen aufgeführten E-Mails in direkter oder indirekter Rede zu verbreiten.
- 29
- a) Durch die Veröffentlichung der vier E-Mails in direkter oder indirekter Rede werden der soziale Geltungsanspruch des Klägers und sein Interesse daran beeinträchtigt, den Inhalt seiner privaten Kommunikation mit Frau G. nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. Durch die Veröffentlichung der E-Mail des Klägers vom 28. Oktober 1997, wonach er als Vater nicht zur Verfügung stehe, ist darüber hinaus sein Interesse betroffen, dass die Kommunikationsinhalte nicht in verkörperter Form für die Öffentlichkeit verfügbar werden und damit über den Kommunikationsinhalt hinaus auch seine persönliche Ausdrucksweise nach außen dringt (vgl. die Ausführungen unter Ziffer 1. a) bb)).
- 30
- b) Die darin liegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers ist jedoch auch unter Berücksichtigung der Art und Weise der Informationserlangung nicht rechtswidrig. An der Wiedergabe der vier E-Mails, insbesondere der des Klägers vom 28. Oktober 1997, in direkter oder indirekter Rede besteht ein hohes Informationsinteresse der Öffentlichkeit, hinter dem das Schutzinteresse des Klägers zurückzutreten hat. Auch wörtliche Zitate, die - wie im Streitfall - geeignet sind, zu einer Bewertung des Zitierten beizutragen, fallen in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, AfP 2010, 145 Rn. 21). Dem wörtlichen Zitat kommt wegen seiner Belegfunktion ein besonderer Dokumentationswert im Rahmen einer Berichterstattung zu. Es dient als Tatsachenbehauptung dem Beleg und der Verstärkung des Aussagegehalts (vgl. BVerfG, AfP 2001, 295, 298) und hat deshalb eine besondere Überzeugungskraft (vgl. BVerfGE 54, 208, 217 f.). Aus diesem Grund kommt ihm eine erhebliche Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung zu.
- 31
- Dies gilt vorliegend in besonderem Maße. Der Kläger stand aufgrund der von ihm im maßgeblichen Zeitraum ausgeübten öffentlichen Ämter in sozialer Verantwortung für das Gemeinwesen. Die Aussage in seiner E-Mail vom 28. Oktober 1997 "Ich stehe als Vater nicht zur Verfügung" dokumentiert mit besonderer Klarheit, wie er mit der Verantwortung gegenüber seiner nichtehelichen Tochter und der Mutter seines Kindes - und damit mittelbar gegenüber der Allgemeinheit, die jedenfalls bis zur Veröffentlichung der streitgegenständlichen Informationen die daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen tragen musste - umgegangen ist. Durch die Wiedergabe dieser E-Mail in direkter oder indirekter Rede wird die zulässige Berichterstattung über das Verhalten des Klägers unterstrichen , ohne dass seine Persönlichkeit durch die Bekanntgabe seiner persönlichen Ausdrucksweise in unzulässiger Weise "preisgegeben" würde.
- 32
- Die wörtlichen Zitate aus den drei E-Mails der Kindesmutter sind ebenfalls vom überwiegenden Informationsinteresse der Öffentlichkeit gedeckt. Das Zitat der E-Mail vom 29. November 2002 beweist, dass der Kläger von der Inanspruchnahme der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz durch die Kindesmutter und dem Umstand wusste, dass diese ihr Verhalten für strafrechtlich relevant hielt. Die E-Mails vom 21. April 2004 und 25. Juni 2008 dokumentieren eindrucksvoll, mit welcher Intensität und Nachhaltigkeit der Kläger an seiner Haltung festgehalten hat. 3. Rechtsanwaltskosten
- 33
- Da die Unterlassungsansprüche gegen die Beklagte zu 1 unbegründet sind, stehen dem Kläger auch keine Ansprüche auf Freistellung von Gebührenforderungen seiner Rechtsanwälte zu. II. Revision der Beklagten zu 3 1. Klageantrag zu 12
- 34
- Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts , die Beklagte zu 3 sei verpflichtet, es zu unterlassen, die im Tatbestand dieses Urteils im Einzelnen aufgeführten Zitate aus den zwischen dem Kläger und Frau G. gewechselten E-Mails wörtlich oder sinngemäß zu verbreiten. Die in der publizistischen Verwertung der E-Mails liegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers ist nicht rechtswidrig, da das von der Beklagten zu 1 verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit überwiegen. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer I. 1. und 2. verwiesen. Das Interesse des Klägers, dass die Kommunikationsinhalte nicht in verkörperter Form für die Öffentlichkeit verfügbar werden und über den Kommunikationsinhalt hinaus auch seine persönliche Ausdrucksweise nach außen dringt, ist nur durch Wiedergabe seines wörtlichen Zitats vom 2. Dezember 2003 betroffen, wonach er auch ein paar Euro vorbeibringen werde. Im Übrigen handelt es sich um wörtliche Zitate der Kindesmutter. Sämtliche Zitate dienen als eindrucksvoller Beleg für die nachhaltige Weigerung des Klägers , die wirtschaftliche Verantwortung für sein nichteheliches Kind zu übernehmen und die Kosten stattdessen der Allgemeinheit aufzubürden. 2. Rechtsanwaltskosten
- 35
- Da der Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu 3 unbegründet ist, steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Freistellung von Gebührenforderungen seiner Rechtsanwälte zu.
III.
- 36
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 2, § 97 Abs. 1, § 565 Satz 1, § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Galke Wellner Diederichsen von Pentz Offenloch
LG Berlin, Entscheidung vom 28.06.2011 - 27 O 719/10 -
KG Berlin, Entscheidung vom 05.11.2012 - 10 U 118/11 -
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unbefugt
- 1.
das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder - 2.
eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht.
(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt
- 1.
das nicht zu seiner Kenntnis bestimmte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen mit einem Abhörgerät abhört oder - 2.
das nach Absatz 1 Nr. 1 aufgenommene oder nach Absatz 2 Nr. 1 abgehörte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen im Wortlaut oder seinem wesentlichen Inhalt nach öffentlich mitteilt.
(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer als Amtsträger oder als für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter die Vertraulichkeit des Wortes verletzt (Absätze 1 und 2).
(4) Der Versuch ist strafbar.
(5) Die Tonträger und Abhörgeräte, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.