Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 02. Nov. 2018 - 6 UF 50/18

ECLI:ECLI:DE:OLGHAM:2018:1102.6UF50.18.00
bei uns veröffentlicht am02.11.2018

Tenor

Die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 27.04.2018 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bochum vom 21.03.2018 (57 F 17/18) in Verbindung mit dem Beschluss vom 03.04.2018 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000,00 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.


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Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 02. Nov. 2018 - 6 UF 50/18 zitiert 7 §§.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 70 Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde


(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat. (2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzlic

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 84 Rechtsmittelkosten


Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 68 Gang des Beschwerdeverfahrens


(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 59 Beschwerdeberechtigte


(1) Die Beschwerde steht demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. (2) Wenn ein Beschluss nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, steht die Beschwerde nur dem Antragsteller

Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen - FamGKG | § 45 Bestimmte Kindschaftssachen


(1) In einer Kindschaftssache, die 1. die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge,2. das Umgangsrecht einschließlich der Umgangspflegschaft,3. das Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse

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Oberlandesgericht Nürnberg Beschluss, 19. Juli 2018 - 11 UF 368/18

bei uns veröffentlicht am 19.07.2018

Tenor 1. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. 2. Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.000 € festgesetzt.

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Dez. 2017 - XII ZB 333/17

bei uns veröffentlicht am 20.12.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 333/17 vom 20. Dezember 2017 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja BGB §§ 1773 Abs. 1, 1882; EGBGB Art. 7 Abs. 1, 24 Abs. 1 Satz 1; FamFG § 99 Abs. 1; Brüssel IIa-VO Art. 8

Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 23. Juli 2015 - 5 WF 74/15

bei uns veröffentlicht am 23.07.2015

Tenor 1. Auf die Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Säckingen vom 14.04.2015 aufgehoben. 2. Gerichtskosten werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet. 3. Die R

Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 30. Jan. 2015 - 6 UF 155/13

bei uns veröffentlicht am 30.01.2015

Tenor Die Beschwerde des Mündels vom 29.03.2013 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Dortmund vom 13.08.2013 (Az.: 107 F 1078/12) wird zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens werden der Beschwerdeführerin auferlegt. Der Beschwe

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(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.

(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.

(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

Tenor

Die Beschwerde des Mündels vom 29.03.2013 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Dortmund vom 13.08.2013 (Az.: 107 F 1078/12) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

Der Beschwerdewert wird auf 3.000 € festgesetzt.


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(1) Die Beschwerde steht demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist.

(2) Wenn ein Beschluss nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, steht die Beschwerde nur dem Antragsteller zu.

(3) Die Beschwerdeberechtigung von Behörden bestimmt sich nach den besonderen Vorschriften dieses oder eines anderen Gesetzes.

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Säckingen vom 14.04.2015 aufgehoben.

2. Gerichtskosten werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

 
I.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Beendigung der Vormundschaft für einen allein eingereisten Ausländer wegen Erreichens der Volljährigkeit.
Der nach seinen eigenen Angaben am 01.01.1997 geborene Betroffene besitzt die algerische Staatsangehörigkeit. Er beantragt Asyl in Deutschland, wo er sich dauerhaft aufhalten möchte. Er meint, dass er Algerien habe verlassen müssen, da er zum Christentum konvertiert sei und nunmehr in seinem Heimatland um sein Leben fürchten müsse. Sein Vater habe wegen des Glaubenswechsels bereits versucht, ihn zu töten und seine Geschwister hätten den Kontakt zu ihm abgebrochen.
Mit Beschluss vom 09.09.2014 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Bad Säckingen festgestellt, dass die elterliche Sorge der Eltern des Betroffenen ruht. Gleichzeitig hat es für den Betroffenen Vormundschaft angeordnet und das Jugendamt Lörrach zum Vormund bestellt. Am 14.04.2015 hat das Familiengericht beschlossen, dass die Vormundschaft mit dem 18. Geburtstag des Betroffenen wegen Erreichens der Volljährigkeit beendet sei. Zur Begründung wird ausgeführt, dass auf den Betroffenen die Genfer Flüchtlingskonvention anzuwenden sei mit der Folge, dass sich der Personalstatus und damit auch das Erreichen der Volljährigkeit gemäß deren Art. 12 Abs. 1 nach deutschem Recht als dem Recht des Aufenthalts richten würden. Für Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Gegen diese dem Jugendamt Lörrach als Vormund am 17.04.2015 zugestellte - nicht der Abhilfe unterliegende, § 68 Abs. 1 Satz 2 FamFG - Entscheidung legte das Jugendamt Lörrach als gesetzlicher Vertreter des Betroffenen in dessen Namen Beschwerde ein. Darin wird geltend gemacht, dass der Betroffene erst am 01.01.2016 volljährig werde, da sich sowohl das Ende der Vormundschaft als auch der Minderjährigkeit nach seinem Heimatrecht richten würden. Nach algerischem Recht werde er erst mit Erreichen des 19. Lebensjahres volljährig.
Der Betroffene persönlich erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme. Er hat sich nicht geäußert.
Für weitere Einzelheiten wird auf den Akteninhalt, insbesondere die Schreiben und Berichte des Vormunds, verwiesen.
II.
Die Beschwerde des Betroffenen ist zulässig und begründet.
1. Die Beschwerde ist nach §§ 58 ff. FamFG zulässig. Insbesondere wurde sie durch das Jugendamt Lörrach als Vertreter des Betroffenen wirksam erhoben (a) und der Betroffene ist durch die Entscheidung beschwert (b).
a) Das Jugendamt legte die Beschwerde in seiner Funktion als Vormund in Vertretung für den Betroffenen ein. Diese Vertretungshandlung ist wirksam, da das Jugendamt entgegen den Feststellungen im angefochtenen Beschluss noch Vormund des Betroffenen ist und dementsprechend für ihn nach § 9 Abs. 2 FamFG das Beschwerderecht ausüben konnte.
10 
aa) Die Vormundschaft endete nicht mit der Zustellung des Beschlusses an den Vormund und den Betroffenen. Zwar spricht der angefochtene Beschluss die Beendigung der Vormundschaft aus und ein Beschluss wird nach § 40 FamFG grundsätzlich mit Bekanntgabe an den Beteiligten, für den er seinem Inhalt nach bestimmt ist, wirksam. Diese Wirkungen treten vorliegend aber nicht ein, weil es sich bei der Entscheidung um keinen richterlichen Gestaltungsakt, sondern um einen rein deklaratorischen Beschluss handelt. Das Familiengericht hat ausschließlich festgestellt, dass die Vormundschaft beendet ist (vgl. zu der hier gebotenen Differenzierung zwischen der Beendigung des Ruhens der elterlichen Sorge und des Endes der Vormundschaft Staudinger/Coester, BGB, Neubearbeitung 2009, § 1674 Rn. 22; jurisPK/Poncelet, BGB, 7. Auflage 2014, § 1674 Rn. 12 f.; BeckOK/Veit, BGB, Stand 01.05.2014, § 1674 Rn. 14).
11 
bb) Eine Beendigung der Vormundschaft, die das Jugendamt an der wirksamen Einlegung der Beschwerde hätte hindern können, ist nicht eingetreten.
12 
(1) Die Beendigung der Vormundschaft setzt im konkret zu entscheidenden Fall voraus, dass der Betroffene volljährig geworden ist. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob auf die Voraussetzungen, unter denen die Vormundschaft beendet ist, deutsches oder algerisches Recht Anwendung findet, da sich die Rechtsordnungen insofern nicht unterscheiden: Nach deutschem Recht endet die Vormundschaft gemäß §§ 1882, 1773 BGB mit dem Erreichen der Volljährigkeit. Gleiches gilt nach algerischem Recht, nach dem das Fürsorgebedürfnis und damit die Vormundschaft ebenfalls mit dem Erreichen der Volljährigkeit enden (vgl. Art. 87, 99 des algerischen Familiengesetzbuches).
13 
(2) Das Tatbestandsmerkmal der Volljährigkeit, die nach dem Ausgeführten zur Beendigung der Vormundschaft führt, richtet sich nicht unbedingt nach dem gleichen Recht wie die Voraussetzungen für die Vormundschaft (vgl. OLG München vom 08.06.2009 - 31 Wx 62/09, FamRZ 2009, 1062, juris Rn. 7; OLG München vom 17.11.2009 - 31 Wx 103/09, FamRZ 2010, 1095, juris Rn. 4 f.; a.A. offenbar OLG Bremen vom 24.05.2012 - 4 UF 43/12, FamRZ 2013, 312, juris Rn. 6 f.), sondern ist selbständig anzuknüpfen (vgl. BeckOK/Heiderhoff, a.a.O., Art. 24 EGBGB Rn. 9; s. auch MünchKomm/Lipp, BGB, 7. Auflage 2015, Art. 24 EGBGB Rn. 27).
14 
Im Anwendungsbereich des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch unterliegt die Volljährigkeit dem Personalstatut, da dieses nach deutschem Verständnis das auf die persönlichen Lebensverhältnisse anwendbare Recht im Bereich des Personen-, Familien- und Erbrechts regelt (vgl. zum Begriff des Personalstatuts Palandt/Thorn, BGB, 74. Auflage 2015, Art. 5 EGBGB Rn. 1; ausführlich auch MünchKomm/v. Hein, a.a.O., Art. 5 EGBGB Rn. 2). Dem Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch liegt die Auffassung zugrunde, dass das Personalstatut an die Staatsangehörigkeit anknüpft (vgl. insofern vor allem die Sonderregelungen in Art. 5 EGBGB; s. auch Staudinger/Bausback, BGB, Neubearbeitung 2013, Art. 5 EGBGB Rn. 1; Palandt/Thorn, a.a.O., Art. 5 EGBGB Rn. 1). Danach ist für die Beurteilung der Volljährigkeit des Betroffenen das algerische Recht maßgeblich, da er die algerische Staatangehörigkeit besitzt. Nach algerischem Recht tritt die Volljährigkeit erst mit Vollendung des 19. Lebensjahres ein (vgl. Art. 40 Abs. 2 algerischen Zivilgesetzbuches), mithin bezogen auf den Betroffenen erst am 01.01.2016.
15 
Der Anwendungsbereich des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch ist nicht gemäß Art. 3 EGBGB durch die vorrangige Anwendung einer Regelung der Europäischen Union (Art. 3 Nr. 1 EGBGB) oder einer völkerrechtlichen Vereinbarung (Art. 3 Nr. 2 EGBGB) ausgeschlossen. Insbesondere findet das Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.07.1951 - Genfer Flüchtlingskonvention - entgegen der Ansicht des Familiengerichts auf die Frage der Volljährigkeit von Flüchtlingen keine Anwendung, da Art. 12 Abs. 1 der Konvention diese Frage nicht regelt. Insofern kann dahinstehen, ob es sich bei dem Betroffenen um einen Flüchtling im Sinne von Art. 1 lit. A Nr. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention iVm. Art. 1 Nr. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31.01.1967 handelt, woran nach den bisherigen Darlegungen erhebliche Zweifel bestehen.
16 
(a) Nach Art. 12 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention bestimmt sich das Personalstatut jedes Flüchtlings nach dem Recht des Landes seines Wohnsitzes oder, in Ermangelung eines Wohnsitzes, nach dem Recht seines Aufenthaltslandes. Dabei ist in der Konvention nicht geregelt, welche Bereiche vom Begriff des Personalstatuts erfasst sind (vgl. ausführlich Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 8. Auflage 2000, S. 404; vgl. auch v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, 9. Auflage 2007, § 5 Rn. 4). Insofern ist eine Auslegung angebracht, die insbesondere unter Berücksichtigung der Folgen, die an die Volljährigkeit geknüpft sind, dazu führt, dass deren Eintritt nicht durch Art. 12 der Genfer Konvention geregelt ist.
17 
(b) Die Begriffe der Genfer Flüchtlingskonvention sind nicht nach dem jeweiligen Rechtsverständnis der einzelnen Länder zu verstehen. Vielmehr ist eine vertragsautonome Auslegung geboten, um das Ziel des Abkommens, eine einheitliche Behandlung der Flüchtlinge in allen Vertragsstaaten zu gewährleisten, erreichen zu können (ebenso v. Hoffmann/Thorn, a.a.O., § 5 Rn. 33 zur Frage der Auslegung des Begriffs „Wohnsitz“). Dabei ist zu sehen, dass der Begriff des Personalstatuts international nicht in gleicher Weise verstanden wird. So unterliegt z.B. die Erlangung der Geschäftsfähigkeit nach deutschem Verständnis dem Personalstatut (s. Ermann/Hohloch, BGB, 14. Auflage 2014, Art. 5 EGBGB Rn. 3), während sie im common law dem Geschäftsstatut zugeordnet wird (vgl. MünchKomm/v. Hein, a.a.O., Art. 5 EGBGB Rn. 4 m.w.N.), das durch die Genfer Konvention - abgesehen von deren hier nicht einschlägigen Art. 13 - nicht geregelt ist. Teilweise wird der Begriff des Personalstatuts eher formal nach dem Anknüpfungsmoment - also z.B. der Staatsangehörigkeit - definiert und damit auf die betroffene Person abgestellt, teilweise wird der Begriff aber auch materiellrechtlich bestimmt, wonach es entscheidend auf die Anknüpfungsgegenstände - also die Rechtsgebiete - ankommt (hierzu ausführlich MünchKomm/v.Hein, a.a.O., Art. 5 EGBGB Rn. 2). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze unterliegt die Frage der Volljährigkeit, die sich im Bereich des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch nach dem Personalstatut richtet, nicht zwingend auch dem Personalstatut im Sinne der Konvention.
18 
(c) Für von Hein (MünchKomm/v. Hein, a.a.O., Art. 5 EGBGB Rn. 6) ist Art. 12 der Genfer Flüchtlingskonvention nicht auf einen bestimmten Kreis von Anknüpfungsgegenständen beschränkt. Vielmehr werde die Staatangehörigkeit als Anknüpfungsmoment generell durch den Wohnsitz ersetzt. Er stellt damit auf den formell bestimmten Begriff des Personalstatuts ab. Er meint, es könne nicht angenommen werden, dass bei einer Person, die von ihrem Heimatstaat aus politischen oder sonstigen Gründen verfolgt werde, noch eine enge Verbindung zur Herkunftsrechtsordnung im kollisionsrechtlichen Sinne bestehe.
19 
(d) Eine solch weitgehende Auslegung ist indes nicht angebracht.
20 
(aa) Eine der wesentlichen Folgen der Volljährigkeit ist die Erlangung der unbeschränkten Geschäftsfähigkeit, vgl. §§ 2, 106 BGB. Die Anwendung der Konvention auf die Frage der Volljährigkeit würde in diesem Bereich zu dem Sinn und Zweck der Konvention zuwiderlaufenden Ergebnissen führen.
21 
Bei der Auslegung des Begriffs „Personalstatut“ im Sinne von Art. 12 der Genfer Konvention sind insbesondere deren Ziele zu berücksichtigen. Die Konvention dient dem Schutz von politischen, ethnischen oder religiösen Flüchtlingen. Zur Erreichung dieses Ziels wird ihr Rechtsstatus durch deren Art. 12 in weitem Umfang dem von Inländern gleichgestellt. Dadurch soll zum einen ihre Integration gefördert werden (MünchKomm/v. Hein, a.a.O., Art. 5 Anh II Rn. 18). Zum anderen soll zum Schutz der Flüchtlingsinteressen auf deren persönliche Rechtsbeziehungen nicht weiter das Recht des Landes Anwendung finden, in dem sie verfolgt werden oder von dem sie keinen Schutz erwarten können (so auch noch MünchKomm/v. Hein, a.a.O., Art. 5 EGBGB Rn. 6 und Art. 5 EGBGB Anh. II Rn. 18; vgl. auch Staudinger/Bausback, a.a.O., Anhang IV zu Art. 5 EGBGB Rn. 68).
22 
Diese Ziele sind aber nicht um ihrer selbst wegen zu erreichen, sondern am Alltag der Flüchtlinge auszurichten. Insofern ist es verfehlt, in jeder Beziehung die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit durch die an den Aufenthalt zu ersetzen (so aber MünchKomm/v. Hein, a.a.O., Art. 5 EGBGB Rn. 6 a.E.). Vielmehr sind die praktischen Folgen eines solchen Verständnisses nicht außer Acht zu lassen.
23 
In diesem Zusammenhang sind Flüchtlinge im Sinne der Konvention insbesondere davor zu schützen, dass sie gehalten sind, allein zur Bestreitung ihres Alltags ihre Flüchtlingseigenschaft offenzulegen und darzulegen. Dieses würde ihrer Integration entgegenstehen, indem sie stets auf einen Sonderstatus hinweisen müssten. Darüber hinaus wären sie zur Darlegung ihrer Volljährigkeit oder Minderjährigkeit gehalten, immer wieder von ihren oft traumatisierenden Erlebnissen zu berichten, die sie zur Flucht veranlasst haben. Dies würde die Gefahr von Retraumatisierungen nach sich ziehen und damit gerade dem Ziel des Flüchtlingsabkommens diametral entgegenstehen.
24 
Darüber hinaus wäre auch der Rechtsverkehr erheblich beeinträchtigt, wenn sich die Volljährigkeit und damit eben auch die Geschäftsfähigkeit nicht mehr allein nach zumeist klaren Umständen wie dem Aufenthalt oder der Staatsangehörigkeit richten würden, sondern nach dem der Auslegung zugänglichen und von komplexen Vorgängen geprägten Begriff des Flüchtlings im Sinne der Konvention. Eine Beweisführung wäre insofern erschwert und dem Flüchtling regelmäßig unzumutbar, weil sie wieder an die Umstände in seinem Heimatland anknüpfen würde, was durch die Anknüpfung an den Aufenthalt in Art. 12 der Genfer Flüchtlingskonvention gerade vermieden werden soll.
25 
(bb) Eine weitere Folge der Volljährigkeit ist die Beendigung der elterlichen Sorge. In diesem Kontext entstünde bei Anwendung von Art. 12 der Genfer Flüchtlingskonvention auf den Eintritt der Volljährigkeit im Einzelfall ein - nicht völlig theoretischer - untragbarer Konflikt. Ein nach Heimatrecht noch Minderjähriger, der - wie im vorliegenden Fall - nach deutschem Recht bereits als volljährig anzusehen wäre, könnte gegen seinen Willen aufgrund der Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nach Deutschland einreisen und dort seinen Aufenthalt begründen. Mit der Begründung des Aufenthalts würde er bei Anwendung von Art. 12 der Genfer Flüchtlingskonvention dann als volljährig anzusehen sein mit der Folge, dass er aus eigenem Entschluss wieder in seine Heimat zurückkehren könnte. Ab dem Zeitpunkt der Umsetzung dieses Entschlusses würde dann wieder das Heimatrecht eingreifen, so dass den Personensorgeberechtigten das Aufenthaltsbestimmungsrecht erneut zustünde und sie auf einem Verbleib im Zufluchtsland bestehen könnten.
26 
(cc) Die Anwendung von Art. 12 der Genfer Flüchtlingskonvention auf die Frage der Volljährigkeit ist auch nicht zur Vermeidung inakzeptabler Folgen für die Flüchtlinge erforderlich. Sollte die Volljährigkeit in einzelnen Ländern bereits zu einem solch frühen Zeitpunkt eintreten, dass dies in einem unerträglichen Widerspruch zum deutschen Rechtsverständnis stünde, wäre die Regelung über den sog. ordre public-Vorbehalt nicht anzuwenden (so in OLG Köln vom 04.09.1996 - 16 Wx 181/96, FamRZ 1997, 1240, juris Rn. 6).
27 
cc) Nach alledem ist die Beschwerde durch den Vormund als gesetzlicher Vertreter für den Betroffenen wirksam erhoben worden, da dieser unabhängig von dem angefochtenen Beschluss und in Anwendung des algerischen Rechts noch minderjährig ist.
28 
b) Der Betroffene ist durch die angefochtene Entscheidung auch beschwert im Sinne von § 59 FamFG.
29 
Nach § 59 FamFG steht die Beschwerde demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Dies ist bei einem unmittelbaren Eingriff in ein im Zeitpunkt der Entscheidung bestehendes subjektives Recht gegeben, indem der Beschluss das Recht aufhebt, beschränkt, mindert oder gefährdet, die Ausübung des Rechts stört oder erschwert oder eine Verbesserung der Rechtsstellung vorenthält (vgl. statt aller Zöller/Feskorn, ZPO, 30. Auflage 2014, § 59 FamFG Rn. 3 m.w.N.).
30 
Teilweise wird angenommen, dass eine Beschwerde gegen einen Beschluss betreffend die Beendigung der Vormundschaft nicht zulässig sei, weil der Entscheidung lediglich deklaratorische Bedeutung zukomme und sie damit nichts an der sich aus dem Gesetz ergebenden Rechtslage ändere (so Staudinger/Veit, BGB, Neubearbeitung 2014, § 1882 Rn. 22).
31 
Dies überzeugt indes nicht, da der angefochtenen Entscheidung ein Rechtsschein anhaftet, den es zu beseitigen gilt. Es existiert eine letztendlich mit einem Rechtskraftvermerk versehene Urkunde, die Rechtsklarheit schaffen soll, deren Inhalt aber möglicherweise nicht zutrifft. Insofern besteht ein schützenswertes Interesse - sei es der Eltern oder des Vormunds, sei es aber auch des Betroffenen selbst -, den Rechtsschein der Urkunde zu beseitigen, weil das Recht andernfalls durch den erlassenen Beschluss im Sinne der oben genannten Definition gestört würde.
32 
2. Die nach dem Dargelegten zulässige Beschwerde ist auch begründet. Der Betroffene ist nach algerischem Recht als minderjährig anzusehen.
33 
a) Die deutschen Gerichte sind für die Entscheidung unabhängig von der Frage, ob der Betroffene als Flüchtling im Sinne von Art. 1 lit. A Nr. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention anzusehen ist, entweder nach Art. 8 Abs. 1 EU-EheVO oder nach Art. 16 Abs. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. hierzu BGH vom 30.06.1982 - IVb ZB 626/80, FamRZ 1982, 996, juris Rn. 5) zuständig.
34 
b) Die Voraussetzungen für die Beendigung der Vormundschaft liegen entgegen der Annahme des Familiengerichts im angefochtenen Beschluss nicht vor. Wie bereits ausgeführt ist der Betroffene nach dem einschlägigen algerischen Recht noch als minderjährig anzusehen. Danach endet die Vormundschaft erst zum 01.01.2016.
III.
35 
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 3 FamFG.
36 
2. Die Rechtsbeschwerde wird nach § 70 Abs. 1 Nr. 1 FamFG zugelassen. Bei der Frage der Anwendbarkeit der Genfer Flüchtlingskonvention auf die Frage der Volljährigkeit handelt es sich um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 333/17
vom
20. Dezember 2017
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB §§ 1773 Abs. 1, 1882; EGBGB Art. 7 Abs. 1, 24 Abs. 1 Satz 1; FamFG
§ 99 Abs. 1; Brüssel IIa-VO Art. 8 Abs. 1; KSÜ Art. 2, 5, 6, 15 Abs. 1, 16 Abs. 1;
ErwSÜ Art. 1 Abs. 1, 13 Abs. 1; GFK Art. 12 Abs. 1

a) Kind im Sinne des § 99 FamFG kann auch eine Person sein, die das
18. Lebensjahr bereits vollendet hat, wenn diese nach dem insoweit anwendbaren
Recht noch minderjährig ist.

b) Ist der Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit sowohl für die internationale
Zuständigkeit als auch für die verfahrensgegenständliche Frage, ob die Vormundschaft
beendet ist, maßgeblich, so handelt es sich insoweit um eine
doppelrelevante Tatsache, für die im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung die
Minderjährigkeit als gegeben zu unterstellen ist.

c) Auch wenn das deutsche Gericht seine internationale Zuständigkeit bei Anordnung
einer Vormundschaft auf Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO stützt, ist die
hypothetische Zuständigkeit nach Art. 5 und 6 KSÜ ausreichend dafür, dass
gemäß Art. 15 Abs. 1 KSÜ deutsches Recht zur Anwendung kommt (im Anschluss
an Senatsbeschluss vom 16. März 2011 - XII ZB 407/10 - FamRZ
2011, 796).

d) Die Regelung in Art. 12 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention erfasst auch
die Frage der Volljährigkeit eines Flüchtlings, so dass sie die Staatsangehörigkeitsanknüpfung
des Art. 7 Abs. 1 EGBGB verdrängt.
ECLI:DE:BGH:2017:201217BXIIZB333.17.0


e) Der Anwendungsbereich des Haager Erwachsenenschutzübereinkommens ist nur für Schutzmaßnahmen eröffnet, die die Hilfsbedürftigkeit wegen einer psychischen oder körperlichen Behinderung oder Krankheit auffangen sollen, nicht aber bei der Vormundschaft wegen Minderjährigkeit.
f) Zu den Anforderungen an die Feststellung des Eintritts der Volljährigkeit nach ausländischem Recht (hier der Republik Guinea).
BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2017 - XII ZB 333/17 - OLG Hamm AG Bochum
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Dezember 2017 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des 6. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 15. Mai 2017 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Wert: 3.000 €

Gründe:

A.

1
Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, wann die Vormundschaft für einen als minderjähriger unbegleiteter Flüchtling nach Deutschland eingereisten Staatsangehörigen der Republik Guinea endet.
2
Der im Juni 1997 geborene Betroffene ist Staatsangehöriger der Republik Guinea. Nachdem er unbegleitet nach Deutschland eingereist war, stellte das Amtsgericht mit Beschluss vom 5. Mai 2014 das Ruhen der elterlichen Sorge fest, ordnete die Vormundschaft an und wählte die Beteiligte zu 1, eine Rechtsanwältin, als Vormund aus. Über eine Anerkennung des Betroffenen als Flüchtling ist noch nicht entschieden.
3
Mit Beschluss vom 28. Oktober 2016 hat das Amtsgericht festgestellt, dass die Vormundschaft beendet sei, weil der Betroffene mit Vollendung des 18. Lebensjahres volljährig geworden sei. Die vom Vormund namens des Be- troffenen eingelegte Beschwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

B.

4
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

I.

5
Dieses hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergebe sich aus Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO, weil der Betroffene seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland habe und sich für das Fortbestehen der Vormundschaft auf seine Minderjährigkeit berufe. Die Vormundschaft habe aber gemäß §§ 1773, 1882 BGB kraft Gesetzes mit Vollendung des 18. Lebensjahres geendet. Anordnung wie Beendigung der Vormundschaft richteten sich nach deutschem Recht, weil der Betroffene bei der Anordnung noch 16 Jahre alt gewesen und damit gemäß Art. 15 Abs. 1 des Haager Kinderschutzübereinkommens (KSÜ) deutsches Recht anwendbar gewesen sei. Dem stehe nicht entgegen, dass die Zuständigkeit der deutschen Gerichte aus der Brüssel IIa-VO und nicht aus Art. 5 ff. KSÜ folge.
6
Die Vorfrage der Volljährigkeit des Betroffenen sei hingegen gemäß Art. 7 EGBGB nach dem Recht des Staates zu beurteilen, dem der Betroffene angehöre. Eine vorrangige Bestimmung ergebe sich zum einen nicht aus den Bestimmungen des Haager Kinderschutzübereinkommens. Zum anderen hindere auch Art. 12 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) nicht die Anwendbarkeit von Art. 7 EGBGB, weil dieses Übereinkommen die Frage der Volljährigkeit ebenfalls nicht regele. Das dort genannte Personalstatut sei mit demjenigen in Art. 5 EGBGB nicht gleichzusetzen und erfasse daher nicht zwingend die Volljährigkeit. Eine Anknüpfung auch dieser Frage an die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Konvention würde den Rechtsverkehr von und mit Flüchtlingen erheblich erschweren, weil bis zu deren bestandskräftiger öffentlich-rechtlicher Anerkennung oftmals Jahre vergingen und bis dahin alle Gerichte gehalten wären , die Flüchtlingseigenschaft inzident - unter Umständen auch mit aufwändigen Beweisaufnahmen - zu prüfen. Erhebliche Probleme ergäben sich so beispielsweise für Arbeitgeber und Vermieter von Flüchtlingen, was dem Sinn und Zweck der Genfer Flüchtlingskonvention, nämlich der Förderung der Integration von Flüchtlingen, zuwider laufen würde.
7
Daher sei die Frage der Volljährigkeit des Betroffenen nach dem Recht der Republik Guinea zu beurteilen. Aus Art. 168 des Code de l´Enfant der Republik Guinea ergebe sich, dass die Volljährigkeit mit Vollendung des 18. Lebensjahres eintrete. Denn diese Vorschrift aus dem Jahr 2008 besage, dass ein Kind unter 18 Jahren nur mit Zustimmung seiner Eltern bzw. des Inhabers der elterlichen Gewalt Verträge abschließen könne, woraus zu folgern sei, dass es mit 18 eigenverantwortlich handeln könne. Art. 443 des Code Civil der Republik Guinea aus dem Jahr 1983, wonach die Volljährigkeit erst mit Vollendung des 21. Lebensjahres eintrete, stehe dem nicht entgegen. Denn nach Art. 6 Code Civil könne ein neueres Gesetz ein früheres auch stillschweigend aufheben. Bestätigt habe diese Rechtslage das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Guinea (auf Anfrage der Deutschen Botschaft in Conakry) mit Schreiben vom 3. Mai 2016 und die Botschaft der Republik Guinea in ihrer offiziellen, auf Grundlage der Rechtsauskunft ihres Justizministeriums abgegebenen Stellungnahme vom 30. September 2016. Damit habe sie ihre anderslautende Auskunft (Volljährigkeit mit Vollendung des 21. Lebensjahres) vom 19. September 2016 korrigiert. Andere Erkenntnisquellen zur Feststellung des ausländischen Rechts stünden nicht zur Verfügung. Der in Aussicht genommene Sachverständige habe als Ergebnis seiner Vorermittlungen mitgeteilt, dass nach seiner Meinung die Gesetzeslage klar und die in der Stellungnahme der Botschaft vom 30. September 2016 mitgeteilte Rechtsauffassung richtig sei. Gerichtsentscheidungen aus Guinea zur Frage der Volljährigkeit habe er nicht gefunden. Vor dem Hintergrund des ganz erheblichen Gewichts der offiziellen Verlautbarung der Botschaft der Republik Guinea bestünden keine Zweifel, dass nach dem Recht in Guinea die Volljährigkeit mit Vollendung des 18. Lebensjahres eintrete.

II.

8
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9
1. Im Ergebnis zu Recht ist das Oberlandesgericht von der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte ausgegangen, die unbeschadet des Wortlauts von § 72 Abs. 2 FamFG auch in den Verfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der Rechtsbeschwerdeinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (Senatsbeschluss BGHZ 203, 372 = FamRZ 2015, 479 Rn. 11).
10
a) Dabei kann zum einen offen bleiben, ob sich - wie das Oberlandesgericht angenommen hat (ebenso etwa OLG Bremen FamRZ 2017, 1227, 1228; OLG Karlsruhe FamRZ 2015, 1820, 1822; zweifelnd OLG Karlsruhe Beschluss vom 7. September 2017 - 18 WF 62/17 - juris Rn. 11 f.) - die internationale Zuständigkeit aus Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (ABl. EU Nr. L 338 S. 1; im Folgenden: Brüssel IIa-VO) ergibt. Hierfür müsste auch ein Minderjähriger, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, als Kind im Sinne dieser Norm einzustufen sein, was streitig ist (bejahend etwa OLG Koblenz FamRZ 2017, 1229; verneinend etwa Johannsen/Henrich Familienrecht 6. Aufl. § 99 FamFG Rn. 7; MünchKommFamFG/Gottwald 2. Aufl. Art. 8 EWG VO 2201/2003 Rn. 3; Zöller/Geimer ZPO 32. Aufl. Art. 8 EuEheVO Rn. 1; vgl. auch Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 38. Aufl. Art. 8 EuEheVO Rn. 1a; MünchKommBGB/Siehr 6. Aufl. Art. 8 EuEheVO Rn. 3; Siehr IPrax 2010, 583, 584 f.; v. Hein FamRZ 2015, 1822).
11
Zum anderen bedarf keiner Klärung, ob sich die internationale Zuständigkeit für die Aufhebung der auf der Grundlage des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19. Oktober 1996 (Kinderschutzübereinkommen - KSÜ; BGBl. 2009 II S. 602, 603) angeordneten Maßnahme aus Art. 5 und 6 iVm Art. 3 lit. c ergibt, obwohl dieses Abkommen gemäß Art. 2 KSÜ nur auf Kinder von ihrer Geburt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres anzuwenden ist.
12
Schließlich kann dahinstehen, ob die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte aus Art. 5 und 6 iVm Art. 3 lit. c des Haager Übereinkommens über den internationalen Schutz von Erwachsenen vom 13. Januar 2000 (Erwachsenenschutzübereinkommen - ErwSÜ; BGBl. 2007 II S. 323, 324) folgt. Dessen Anwendungsbereich bestimmt Art. 1 Abs. 1 ErwSÜ dahingehend, dass das Übereinkommen bei internationalen Sachverhalten auf den Schutz von Erwachsenen anzuwenden ist, die aufgrund einer Beeinträchtigung oder der Unzulänglichkeit ihrer persönlichen Eigenschaften nicht in der Lage sind, ihre Interessen zu schützen.
13
b) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgt nämlich selbst dann, wenn die nach § 97 FamFG vorrangigen völkerrechtlichen Vereinbarungen und Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft nicht eingreifen, jedenfalls aus § 99 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 iVm § 151 Nr. 4 FamFG (vgl. auch OLG Karlsruhe Beschluss vom 7. September 2017 - 18 WF 62/17 - juris Rn. 14).
14
Der Betroffene hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und mit der Vormundschaft geht es um eine der von § 99 FamFG erfassten Kindschaftssachen. Kind im Sinne der Vorschrift kann auch eine Person sein, die das 18. Lebensjahr bereits vollendet hat, sofern nach dem insoweit - etwa gemäß Art. 7 EGBGB - anwendbaren Recht damit nicht das Ende der Minderjährigkeit verbunden ist (vgl. OLG Karlsruhe Beschluss vom 7. September 2017 - 18 WF 62/17 - juris Rn. 14; BeckOK FamFG/Sieghörtner [Stand: 1. Oktober 2017] § 99 Rn. 23 mwN; Staudinger/Henrich BGB [2014] Art. 21 EGBGB Rn. 145; Zöller/Geimer ZPO 32. Aufl. Art. 8 EuEheVO Rn. 1; ohne Begründung aA Haußleiter/Gomille FamFG 2. Aufl. § 99 Rn. 2; Prütting/Helms/Hau FamFG 4. Aufl. § 99 Rn. 34). Denn die Kindschaftssachen im Sinne des § 99 FamFG stellen nicht auf die Vollendung des 18. Lebensjahres, sondern jeweils auf die Minderjährigkeit ab, wobei die Vorfrage des Eintritts der Geschäftsfähigkeit grundsätzlich gemäß Art. 7 Abs. 1 EGBGB wiederum selbständig an das Recht des Staates anzuknüpfen ist, dem die Person angehört. Dass der Begriff der Kindschaftssachen des § 99 FamFG enger - nämlich auf Personen unter 18 Jahren begrenzt - sein soll als der des § 151 FamFG, ist nicht ersichtlich.
15
Wann für den Betroffenen die Volljährigkeit eintritt, ist mithin sowohl für die internationale Zuständigkeit als auch für die verfahrensgegenständliche materiell -rechtliche Frage, ob die Vormundschaft beendet ist, maßgeblich. Es handelt sich insoweit um eine doppelrelevante Tatsache, so dass im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung die Minderjährigkeit als gegeben zu unterstellen ist (vgl.
BGHZ 212, 318 = NJW 2017, 827 Rn. 22 mwN; Keidel/Sternal FamFG 19. Aufl. § 3 Rn. 41; zur davon abzugrenzenden Frage, ob ein ausländischer Staat der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt, vgl. BGHZ 209, 290 = MDR 2016, 903 Rn. 23 mwN).
16
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
17
a) Nicht zu beanstanden ist, dass das Oberlandesgericht die Beschwerde des Betroffenen für zulässig gehalten und dabei insbesondere die hierfür nach § 59 FamFG erforderliche Beschwer bejaht hat. Diese scheitert nicht daran , dass jedenfalls nach deutschem Recht die Vormundschaft mit Eintritt der Volljährigkeit von Gesetzes wegen endet (§§ 1882, 1773 Abs. 1 BGB) und der amtsgerichtliche Beschluss, in dem dies bejaht wird, das Ende lediglich deklaratorisch feststellt. Denn wie das Oberlandesgericht zutreffend ausführt, ist der Betroffene durch die mit der gerichtlichen Feststellung verbundene Rechtsscheinwirkung in seinen Rechten beeinträchtigt, so dass ihm der Rechtsmittelzug zur Verfügung stehen muss, um diese Wirkung zu beseitigen (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2015, 1820, 1822; Erman/Schulte-Bunert BGB 15. Aufl. § 1882 Rn. 5; MünchKommBGB/Spickhoff 7. Aufl. § 1882 Rn. 16; aA Staudinger /Veit BGB [2014] §1882 Rn. 22).
18
b) Von Rechtsfehler beeinflusst ist hingegen die Annahme des Oberlandesgerichts , das Ende der Vormundschaft richte sich nach deutschem Recht. Vielmehr erscheint möglich, dass mangels vorrangiger Verweisung in das deutsche Recht insoweit gemäß Art. 24 Abs. 1 Satz 1 EGBGB das Recht der Republik Guinea zur Anwendung kommen muss.
19
aa) Anders als das Oberlandesgericht meint, führt der Umstand, dass der Betroffene bei Anordnung der Vormundschaft dem Haager Kinderschutzübereinkommen gemäß dessen Artikel 2 unterfiel, nicht ohne weiteres dazu, dass sich auch der Zeitpunkt des Endes der Vormundschaft nach deutschem Recht richtet.
20
Unerheblich ist hierfür, ob das Amtsgericht seine internationale Zuständigkeit bei Anordnung der Vormundschaft auf Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO gestützt hat. Denn die sogenannte hypothetische Zuständigkeit nach Art. 5 und 6 KSÜ war ausreichend dafür, dass gemäß Art. 15 Abs. 1 KSÜ deutsches Recht zur Anwendung kam (vgl. Senatsbeschluss vom 16. März 2011 - XII ZB 407/10 - FamRZ 2011, 796 Rn. 12, 30 ff.; Palandt/Thorn BGB 77. Aufl. Anh. Art. 24 EGBGB Rn. 21 mwN auch zur Gegenmeinung; Staudinger/v. Hein BGB [2014] Vorbem zu Art. 24 EGBGB Rn. 2c mwN). Das Erlöschen der elterlichen Verantwortung - zu der gemäß Art. 1 Abs. 2 KSÜ auch das durch die Vormundschaft begründete Sorgeverhältnis gehört - kraft Gesetzes bestimmt sich dann grundsätzlich gemäß Art. 16 Abs. 1 KSÜ nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes. Die vom Haager Kinderschutzübereinkommen hierdurch vorgenommene Verweisung in das deutsche Recht endete aber mit der Vollendung des 18. Lebensjahres, weil dieser Zeitpunkt nach Art. 2 KSÜ den Anwendungsbereich des Übereinkommens insgesamt begrenzt. Die letztlich auf das Haager Kinderschutzübereinkommen gestützte Annahme des Oberlandesgerichts , das Ende der Vormundschaft richte sich nach §§ 1882, 1773 Abs. 1 BGB, wäre daher nur zutreffend, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen in eben diesem Zeitpunkt geendet hätte. Dann nämlich fielen Vormundschaftsende und zeitliches Ende der Verweisung des Art. 16 Abs. 1 KSÜ zusammen, was für die Anwendbarkeit des aus dem gewöhnlichen Aufenthalt des Betroffenen folgenden deutschen Rechts ausreichend wäre.
21
Die Frage, ob die Minderjährigkeit des Betroffenen mit Vollendung des 18. Lebensjahres geendet hat, ist aber nach internationalem Privatrecht selb- ständig anzuknüpfen und lässt sich auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen nicht bejahen.
22
(1) Der Eintritt der Volljährigkeit mit Vollendung des 18. Lebensjahres folgt danach für den Betroffenen nicht aus § 2 BGB iVm - ggf. über § 2 Abs. 1 AsylG - Art. 12 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK; BGBl. 1953 II S. 559, 560), das für das Personalstatut eines Flüchtlings in das Recht seines Wohnsitzes und in Ermangelung eines solchen seines Aufenthaltslandes verweist.
23
Anders als das Oberlandesgericht meint, erfasst die Regelung in Art. 12 Abs. 1 GFK allerdings die Frage der Volljährigkeit des Flüchtlings. Richtig ist zwar, dass der Begriff des Personalstatuts in der Konvention selbst nicht definiert ist. Die Geschäftsfähigkeit und insbesondere die Frage der Volljährigkeit gehören jedoch sowohl aus deutscher Sicht als auch bei konventionsautonomer Auslegung zum Kernbereich des Personalstatuts (vgl. zum Ganzen v. Hein FamRZ 2015, 1822, 1823 mwN), so dass Art. 12 Abs. 1 GFK die Staatsangehörigkeitsanknüpfung des Art. 7 Abs. 1 EGBGB verdrängt (OLG Hamm Beschluss vom 3. Mai 2017 - 10 UF 6/17 - juris Rn. 12 ff.; v. Hein FamRZ 2015, 1822, 1823; Böhmer/Siehr/Verschraegen Das gesamte Familienrecht [Stand: August 2017] Art. 7 EGBGB Rn. 18 und Art. 5 EGBGB Rn. 24; Erman/Hohloch BGB 15. Aufl. Art. 7 EGBGB Rn. 2; MünchKommBGB/Lipp 6. Aufl. Art. 7 EGBGB Rn. 34; Palandt/Thorn BGB 77. Aufl. Anh. Art. 5 EGBGB Rn. 23; Staudinger/ Hausmann BGB [2013] Art. 7 EGBGB Rn. 20; aA OLG Karlsruhe FamRZ 2015, 1820, 1821; jurisPK-BGB/Ludwig [Stand: 1. März 2017] Art. 7 EGBGB Rn. 7). Dass dies zur Folge hat, dass der Tatrichter in Fällen wie dem vorliegenden die Flüchtlingseigenschaft eigenständig prüfen muss (Senatsurteil BGHZ 169, 240 = FamRZ 2007, 109), kann nicht ausschlaggebend dafür sein, die mit Art. 12 Abs. 1 GFK bezweckte rechtliche Entkoppelung des Flüchtlings von dem Natio- nalstaat, der ihm zur Flucht Anlass gegeben hat, nicht umzusetzen (vgl. auch Staudinger/Bausback BGB [2013] Anhang IV zu Art. 5 EGBGB Rn. 68). Mit der Genfer Flüchtlingskonvention sollten Flüchtlinge möglichst weitgehend integriert und den Einwohnern des Wohnsitzstaates praktisch gleichgestellt werden. Dies bedingt aber auch, die Frage ihrer Volljährigkeit nach dem Recht des Wohnsitzbzw. Aufenthaltslandes zu beurteilen (vgl. Staudinger/Bausback BGB [2013] Anhang IV zu Art. 5 EGBGB Rn. 47).
24
Eine nicht staatenlose Person wie der Betroffene des vorliegenden Verfahrens ist Flüchtling nach Art. 1 Abschnitt A Abs. 2 GFK iVm dem Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31. Januar 1967 (BGBl. 1969 II S. 1293, 1294), wenn sie sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will (vgl. auch § 3 Abs. 1 AsylG). Feststellungen dazu, ob dies auf den Betroffenen zutrifft, hat das Oberlandesgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - bislang nicht getroffen.
25
(2) Die Annahme des Oberlandesgerichts, die Volljährigkeit des Betroffenen ergebe sich aus dem wegen Art. 7 Abs. 1 Satz 1 EGBGB maßgeblichen Recht der Republik Guinea als dem Heimatrecht des Betroffenen, hält den Rügen der Rechtsbeschwerde nicht stand.
26
(a) Auf eine Verletzung ausländischen Rechts kann die Rechtsbeschwerde nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht gestützt werden. Der deutsche Tatrichter hat ausländisches Recht im Wege des Freibeweises zu er- mitteln. In welcher Weise er sich die notwendigen Kenntnisse verschafft, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Das Rechtsbeschwerdegericht überprüft insoweit auf entsprechende Verfahrensrüge nur, ob der Tatrichter sein Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt, insbesondere die sich anbietenden Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls hinreichend ausgeschöpft hat. An die Ermittlungspflicht sind dabei umso höhere Anforderungen zu stellen, je komplexer und je fremder im Vergleich zum deutschen das anzuwendende Recht ist. Bei Anwendung einer dem deutschen Recht verwandten Rechtsordnung und bei klaren Rechtsnormen sind die Anforderungen geringer (Senatsbeschluss vom 24. Mai 2017 - XII ZB 337/15 - FamRZ 2017, 1209 Rn. 13 f. mwN).
27
(b) Gemessen hieran ist das Oberlandesgericht ohne ausreichende Ermittlungen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Volljährigkeit (auch) nach dem Recht der Republik Guinea mit der Vollendung des 18. Lebensjahres eintrete.
28
Welches Volljährigkeitsalter nach dem Recht der Republik Guinea gilt, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung uneinheitlich beantwortet. Während einige Oberlandesgerichte von der Volljährigkeit erst mit Vollendung des 21. Lebensjahres ausgehen (OLG Karlsruhe Beschluss vom 7. September 2017 - 18 WF 62/17 - juris Rn. 28 ff.; OLG Brandenburg StAZ 2017, 111; OLG Bremen Beschluss vom 23. Februar 2016 - 4 UF 186/15 - juris Rn. 9 ff.), stimmen andere mit der angefochtenen Entscheidung überein (OLG Oldenburg Beschluss vom 5. September 2017 - 13 WF 76/17 - juris Rn. 14; OLG Hamm [10. Senat für Familiensachen] Beschluss vom 3. Mai 2017 - 10 UF 6/17 - juris Rn. 17 ff.). Dabei ist der Ausgangspunkt jeweils identisch, wonach gemäß dem - bislang nicht ausdrücklich aufgehobenen - Art. 443 des Code Civil der Republik Guinea die Volljährigkeit auf das vollendete 21. Lebensjahr festgesetzt wird (vgl. auch Henrich/Arnold in Bergmann/Ferid Internationales Ehe- und Kind- schaftsrecht [Stand: 1. März 2006] „Guinea“ S. 14, 33). Unterschiedlich wird hingegen eingeschätzt, welche rechtlichen Konsequenzen sich aus dem im Jahr 2008 eingeführten Code de l´Enfant der Republik Guinea und insbesondere aus dessen Art. 168 ergeben, der nach den tatrichterlichen Feststellungen besagt, dass ein Kind unter 18 Jahren nur mit Zustimmung seiner Eltern bzw. des Inhabers der elterlichen Gewalt Verträge abschließen kann. Teilweise wird der Code de l´Enfant allein als Gesetzeswerk gesehen, das die Rechte von Kindern in Guinea näher regele, nur Anwendung auf Personen unter 18 Jahren finde und keine Regelungen über den Eintritt der Volljährigkeit enthalte (vgl. OLG Bremen Beschluss vom 23. Februar 2016 - 4 UF 186/15 - juris Rn. 11). Demgegenüber wird zur Begründung einer mit diesem Gesetzeswerk verbundenen - nach Art. 6 Code Civil möglichen - stillschweigenden Änderung des Volljährigkeitsalters darauf verwiesen, dass das Gesetz unter anderem in Art. 271 ff. Bestimmungen zur Entlassung aus der elterlichen Sorge enthalte, die diejenigen im Code Civil zu dieser Materie ersetzten und zum Teil von ihnen abwichen (vgl. OLG Oldenburg Beschluss vom 5. September 2017 - 13 WF 76/17 - juris Rn. 13).
29
Das Oberlandesgericht hat sich auf die Mitteilungen des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Guinea vom 3. Mai 2016 und der Botschaft der Republik Guinea vom 30. September 2016 gestützt. Allerdings hatte Letztere noch unter dem 19. September 2016 erklärt, die Volljährigkeit werde „laut Zivilgesetzbuch mit 21 Jahren erreicht“. Angesichts dieser aus sich heraus unklaren Gesetzeslage, die zu divergierenden Beurteilungen in der obergerichtlichen Rechtsprechung geführt hat, und den unterschiedlichen Auskünften der Behörden Guineas durfte sich das Oberlandesgericht nicht mit der ersichtlich auf einer vorläufigen Einschätzung beruhenden Auskunft des in Aussicht genommenen Gutachters begnügen, ihm scheine die Gesetzeslage klar zu sein. Vielmehr sind bei dieser Sachlage an die Ermittlungspflicht höhere An- forderungen zu stellen, die es gebieten, ein aussagekräftiges Sachverständigengutachten einzuholen.
30
bb) Die Anwendbarkeit deutschen Rechts auf das Ende der Vormundschaft ergibt sich auch nicht aus Art. 13 Abs. 1 ErwSÜ, weil der Anwendungsbereich des Haager Erwachsenenschutzübereinkommens in einem Fall wie dem vorliegenden nicht eröffnet ist (aA v. Hein FamRZ 2015, 1822).
31
Nach Art. 1 Abs. 1 ErwSÜ ist dieses Übereinkommen bei internationalen Sachverhalten auf den Schutz von Erwachsenen anzuwenden, die aufgrund einer Beeinträchtigung oder der Unzulänglichkeit ihrer persönlichen Eigenschaften nicht in der Lage sind, ihre Interessen zu schützen. Zwar ist gemäß Art. 2 Abs. 1 ErwSÜ Erwachsener eine Person, die das 18. Lebensjahr vollendet hat, und können die von Artikel 1 in Bezug genommenen Maßnahmen laut Art. 3 lit. c ErwSÜ auch die Vormundschaft umfassen. Gleichwohl ist der Anwendungsbereich hier nicht eröffnet. Denn die Vormundschaft für den Betroffenen ist nicht wegen einer Beeinträchtigung oder Unzulänglichkeit iSd Art. 1 Abs. 1 ErwSÜ angeordnet worden. Die dort genannten Fähigkeiten sind nur persönlich , wenn sie zur Psyche oder zum Körper des Erwachsenen gehören, so dass nur Schutzmaßnahmen erfasst sind, die die Hilfsbedürftigkeit wegen einer psychischen oder körperlichen Behinderung oder Krankheit auffangen sollen (vgl. Lagarde BT-Drucks. 16/3250 S. 33; MünchKommBGB/Lipp 6. Aufl. Art. 1-4 ErwSÜ Rn. 11; Palandt/Thorn BGB 77. Aufl. Anh. Art. 24 EGBGB Rn. 2; Helms FamRZ 2008, 1995, 1996 und 1999; OLG Brandenburg StAZ 2017, 111; in diesem Sinn auch OLG Karlsruhe Beschluss vom 7. September 2017 - 18 WF 62/17 - juris Rn. 13). Um eine solche Hilfsbedürftigkeit handelt es sich bei der Minderjährigkeit jedoch nicht.
32
Nichts anderes folgt aus Art. 2 Abs. 2 ErwSÜ, der die Anwendung des Übereinkommens auf Maßnahmen sicherstellt, die hinsichtlich eines Erwachsenen zu einem Zeitpunkt getroffen worden sind, in dem er das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte (aA offensichtlich Staudinger/v. Hein BGB [2014] Vorbem zu Art. 24 EGBGB Rn. 35a). Auch insoweit geht es allein um Maßnahmen in dem von Art. 1 Abs. 1 ErwSÜ umschriebenen Rahmen. Denn mit Art. 2 Abs. 2 ErwSÜ soll der Fall geregelt werden, dass die zuständigen Behörden in Anwendung des Haager Kinderschutzübereinkommens Maßnahmen getroffen haben, die auf den Schutz eines behinderten Kindes abzielen, wobei sie vorsehen , dass diese Maßnahmen nach der Volljährigkeit des Kindes weiterhin durchgeführt werden oder mit seiner Volljährigkeit wirksam werden (Lagarde BT-Drucks. 16/3250 S. 33 f.); nach deutschem Recht kommen insoweit etwa eine gemäß § 1908 a BGB für einen 17-Jährigen eingerichtete, erst mit dem Eintritt seiner Volljährigkeit wirksam werdende Betreuung, oder ein nach dieser Norm vor Vollendung des 18. Lebensjahres angeordneter Einwilligungsvorbehalt in Betracht.
33
c) Selbst wenn - wozu das Oberlandesgericht keine Feststellungen getroffen hat - das für das Ende der für den Betroffenen angeordneten Vormundschaft ggf. gemäß Art. 24 Abs. 1 Satz 1 EGBGB anwendbare Recht der Republik Guinea eine den §§ 1882, 1773 Abs. 1 BGB vergleichbare Regelung enthalten sollte (vgl. dazu OLG Karlsruhe Beschluss vom 7. September 2017 - 18 WF 62/17 - juris Rn. 23, 25: Vormundschaft endet mit dem Eintritt der Volljährigkeit ), kann die angefochtene Entscheidung keinen rechtlichen Bestand haben. Denn in jedem Fall hält die Annahme des Oberlandesgerichts, dass der Betroffene mit Vollendung des 18. Lebensjahres volljährig geworden sei, rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
34
3. Die angefochtene Entscheidung ist daher gemäß § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben. Die Sache ist nach § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, das die erforderlichen Feststellungen auf der Grundlage ausreichender Ermittlungen zu treffen haben wird. Dose Klinkhammer Schilling Nedden-Boeger Guhling
Vorinstanzen:
AG Bochum, Entscheidung vom 28.10.2016 - 58 F 316/16 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 15.05.2017 - II-6 UF 175/16 -

Tenor

1. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

2. Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe

Die Entscheidung beruht auf §§ 67 Abs. 4, 81 Abs. 1, 84 FamFG. Die Beschwerde ist zurückgenommen worden.

Der am ...2000 geborene Beschwerdeführer, der guineischer Staatsangehöriger ist, hatte sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Erlangen vom 27.02.2000 gewandt, das die für ihn bestehende Vormundschaft wegen Volljährigkeit des Mündels beendet hatte. Er vertrat die Auffassung, dass nach dem Recht seines Heimatlandes die Volljährigkeit erst mit Vollendung des 21. Lebensjahres erreicht werde; dies ergebe sich aus dem guineischen Code civil, Titre XVI, Chapitre I: De la Majorite, Art. 443.

Der Senat hat zu der Frage, mit welchem Lebensalter nach dem Recht des Staates Guinea die Volljährigkeit in dem Sinne eintritt, dass die elterliche Sorge für die betroffene Person endet, ein Sachverständigengutachten eingeholt. Der Sachverständige Prof. Dr. A… D… vom Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung der Ludwig-Maximilians-Universität München kam in seinem Gutachten vom 19.06.2018 zusammenfassend zu folgendem Ergebnis: Die Geschäftsfähigkeit knüpfe nach dem Recht der Republik Guinea an die Staatsangehörigkeit der betreffenden Person an. Es lägen im guineischen Recht sich widersprechende gesetzliche Vorschriften zum Eintritt des Volljährigkeitszeitalters vor. Ein Normwiderspruch bestehe insbesondere zwischen Art. 443 des guineischen Code civil in der Fassung aus dem Jahr 1983, der das Volljährigkeitsalter auf die Vollendung des 21. Lebensjahres festlege, und dem Code de l´enfant guineen aus dem Jahr 2008, der in seinem Art. 1 den Begriff des Kindes auf Menschen begrenze, die noch nicht das 18. Lebensjahr erreicht hätten, und ferner in seinem Art. 168 regle, dass Personen unter 18 Jahren nicht geschäftsfähig seien. Dieser Normwiderspruch werde im guineischen Recht zwar nicht explizit aufgelöst. Bei Anwendung allgemeiner Methoden spreche jedoch einiges dafür, dass die Volljährigkeit nach guineischem Recht bereits mit der Vollendung des 18. Lebensjahres eintrete; insbesondere sei der Code de l´enfant guineen aus dem Jahr 2008 in Bezug auf die Frage der Volljährigkeit sowohl das spätere, als auch das speziellere Gesetz.

Nach Vorliegen des Sachverständigengutachtens hat der Beschwerdeführer seine Beschwerde zurückgenommen.

Im Hinblick auf die vorstehend dargelegten Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Rechtslage in Bezug auf den Eintritt der Volljährigkeit nach dem Recht des Heimatlandes des Beschwerdeführers erscheint es dem Senat angemessen, hier abweichend von der Regelkostenentscheidung nach § 84 Abs. 1 FamFG, wonach bei einer Beschwerderücknahme grundsätzlich der Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt, von der Erhebung von Gerichtskosten - einschließlich der Auslagen für die Einholung des Sachverständigengutachtens zum guineischen Recht - abzusehen.

Die Festsetzung des Verfahrenswerts richtet sich nach § 42 Abs. 2 FamGKG.

Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.

(1) In einer Kindschaftssache, die

1.
die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge,
2.
das Umgangsrecht einschließlich der Umgangspflegschaft,
3.
das Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes,
4.
die Kindesherausgabe oder
5.
die Genehmigung einer Einwilligung in einen operativen Eingriff bei einem Kind mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung (§ 1631e Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs)
betrifft, beträgt der Verfahrenswert 4 000 Euro.

(2) Eine Kindschaftssache nach Absatz 1 ist auch dann als ein Gegenstand zu bewerten, wenn sie mehrere Kinder betrifft.

(3) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.