Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 23. Juli 2015 - 5 WF 74/15

bei uns veröffentlicht am23.07.2015

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Säckingen vom 14.04.2015 aufgehoben.

2. Gerichtskosten werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

 
I.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Beendigung der Vormundschaft für einen allein eingereisten Ausländer wegen Erreichens der Volljährigkeit.
Der nach seinen eigenen Angaben am 01.01.1997 geborene Betroffene besitzt die algerische Staatsangehörigkeit. Er beantragt Asyl in Deutschland, wo er sich dauerhaft aufhalten möchte. Er meint, dass er Algerien habe verlassen müssen, da er zum Christentum konvertiert sei und nunmehr in seinem Heimatland um sein Leben fürchten müsse. Sein Vater habe wegen des Glaubenswechsels bereits versucht, ihn zu töten und seine Geschwister hätten den Kontakt zu ihm abgebrochen.
Mit Beschluss vom 09.09.2014 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Bad Säckingen festgestellt, dass die elterliche Sorge der Eltern des Betroffenen ruht. Gleichzeitig hat es für den Betroffenen Vormundschaft angeordnet und das Jugendamt Lörrach zum Vormund bestellt. Am 14.04.2015 hat das Familiengericht beschlossen, dass die Vormundschaft mit dem 18. Geburtstag des Betroffenen wegen Erreichens der Volljährigkeit beendet sei. Zur Begründung wird ausgeführt, dass auf den Betroffenen die Genfer Flüchtlingskonvention anzuwenden sei mit der Folge, dass sich der Personalstatus und damit auch das Erreichen der Volljährigkeit gemäß deren Art. 12 Abs. 1 nach deutschem Recht als dem Recht des Aufenthalts richten würden. Für Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Gegen diese dem Jugendamt Lörrach als Vormund am 17.04.2015 zugestellte - nicht der Abhilfe unterliegende, § 68 Abs. 1 Satz 2 FamFG - Entscheidung legte das Jugendamt Lörrach als gesetzlicher Vertreter des Betroffenen in dessen Namen Beschwerde ein. Darin wird geltend gemacht, dass der Betroffene erst am 01.01.2016 volljährig werde, da sich sowohl das Ende der Vormundschaft als auch der Minderjährigkeit nach seinem Heimatrecht richten würden. Nach algerischem Recht werde er erst mit Erreichen des 19. Lebensjahres volljährig.
Der Betroffene persönlich erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme. Er hat sich nicht geäußert.
Für weitere Einzelheiten wird auf den Akteninhalt, insbesondere die Schreiben und Berichte des Vormunds, verwiesen.
II.
Die Beschwerde des Betroffenen ist zulässig und begründet.
1. Die Beschwerde ist nach §§ 58 ff. FamFG zulässig. Insbesondere wurde sie durch das Jugendamt Lörrach als Vertreter des Betroffenen wirksam erhoben (a) und der Betroffene ist durch die Entscheidung beschwert (b).
a) Das Jugendamt legte die Beschwerde in seiner Funktion als Vormund in Vertretung für den Betroffenen ein. Diese Vertretungshandlung ist wirksam, da das Jugendamt entgegen den Feststellungen im angefochtenen Beschluss noch Vormund des Betroffenen ist und dementsprechend für ihn nach § 9 Abs. 2 FamFG das Beschwerderecht ausüben konnte.
10 
aa) Die Vormundschaft endete nicht mit der Zustellung des Beschlusses an den Vormund und den Betroffenen. Zwar spricht der angefochtene Beschluss die Beendigung der Vormundschaft aus und ein Beschluss wird nach § 40 FamFG grundsätzlich mit Bekanntgabe an den Beteiligten, für den er seinem Inhalt nach bestimmt ist, wirksam. Diese Wirkungen treten vorliegend aber nicht ein, weil es sich bei der Entscheidung um keinen richterlichen Gestaltungsakt, sondern um einen rein deklaratorischen Beschluss handelt. Das Familiengericht hat ausschließlich festgestellt, dass die Vormundschaft beendet ist (vgl. zu der hier gebotenen Differenzierung zwischen der Beendigung des Ruhens der elterlichen Sorge und des Endes der Vormundschaft Staudinger/Coester, BGB, Neubearbeitung 2009, § 1674 Rn. 22; jurisPK/Poncelet, BGB, 7. Auflage 2014, § 1674 Rn. 12 f.; BeckOK/Veit, BGB, Stand 01.05.2014, § 1674 Rn. 14).
11 
bb) Eine Beendigung der Vormundschaft, die das Jugendamt an der wirksamen Einlegung der Beschwerde hätte hindern können, ist nicht eingetreten.
12 
(1) Die Beendigung der Vormundschaft setzt im konkret zu entscheidenden Fall voraus, dass der Betroffene volljährig geworden ist. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob auf die Voraussetzungen, unter denen die Vormundschaft beendet ist, deutsches oder algerisches Recht Anwendung findet, da sich die Rechtsordnungen insofern nicht unterscheiden: Nach deutschem Recht endet die Vormundschaft gemäß §§ 1882, 1773 BGB mit dem Erreichen der Volljährigkeit. Gleiches gilt nach algerischem Recht, nach dem das Fürsorgebedürfnis und damit die Vormundschaft ebenfalls mit dem Erreichen der Volljährigkeit enden (vgl. Art. 87, 99 des algerischen Familiengesetzbuches).
13 
(2) Das Tatbestandsmerkmal der Volljährigkeit, die nach dem Ausgeführten zur Beendigung der Vormundschaft führt, richtet sich nicht unbedingt nach dem gleichen Recht wie die Voraussetzungen für die Vormundschaft (vgl. OLG München vom 08.06.2009 - 31 Wx 62/09, FamRZ 2009, 1062, juris Rn. 7; OLG München vom 17.11.2009 - 31 Wx 103/09, FamRZ 2010, 1095, juris Rn. 4 f.; a.A. offenbar OLG Bremen vom 24.05.2012 - 4 UF 43/12, FamRZ 2013, 312, juris Rn. 6 f.), sondern ist selbständig anzuknüpfen (vgl. BeckOK/Heiderhoff, a.a.O., Art. 24 EGBGB Rn. 9; s. auch MünchKomm/Lipp, BGB, 7. Auflage 2015, Art. 24 EGBGB Rn. 27).
14 
Im Anwendungsbereich des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch unterliegt die Volljährigkeit dem Personalstatut, da dieses nach deutschem Verständnis das auf die persönlichen Lebensverhältnisse anwendbare Recht im Bereich des Personen-, Familien- und Erbrechts regelt (vgl. zum Begriff des Personalstatuts Palandt/Thorn, BGB, 74. Auflage 2015, Art. 5 EGBGB Rn. 1; ausführlich auch MünchKomm/v. Hein, a.a.O., Art. 5 EGBGB Rn. 2). Dem Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch liegt die Auffassung zugrunde, dass das Personalstatut an die Staatsangehörigkeit anknüpft (vgl. insofern vor allem die Sonderregelungen in Art. 5 EGBGB; s. auch Staudinger/Bausback, BGB, Neubearbeitung 2013, Art. 5 EGBGB Rn. 1; Palandt/Thorn, a.a.O., Art. 5 EGBGB Rn. 1). Danach ist für die Beurteilung der Volljährigkeit des Betroffenen das algerische Recht maßgeblich, da er die algerische Staatangehörigkeit besitzt. Nach algerischem Recht tritt die Volljährigkeit erst mit Vollendung des 19. Lebensjahres ein (vgl. Art. 40 Abs. 2 algerischen Zivilgesetzbuches), mithin bezogen auf den Betroffenen erst am 01.01.2016.
15 
Der Anwendungsbereich des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch ist nicht gemäß Art. 3 EGBGB durch die vorrangige Anwendung einer Regelung der Europäischen Union (Art. 3 Nr. 1 EGBGB) oder einer völkerrechtlichen Vereinbarung (Art. 3 Nr. 2 EGBGB) ausgeschlossen. Insbesondere findet das Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.07.1951 - Genfer Flüchtlingskonvention - entgegen der Ansicht des Familiengerichts auf die Frage der Volljährigkeit von Flüchtlingen keine Anwendung, da Art. 12 Abs. 1 der Konvention diese Frage nicht regelt. Insofern kann dahinstehen, ob es sich bei dem Betroffenen um einen Flüchtling im Sinne von Art. 1 lit. A Nr. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention iVm. Art. 1 Nr. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31.01.1967 handelt, woran nach den bisherigen Darlegungen erhebliche Zweifel bestehen.
16 
(a) Nach Art. 12 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention bestimmt sich das Personalstatut jedes Flüchtlings nach dem Recht des Landes seines Wohnsitzes oder, in Ermangelung eines Wohnsitzes, nach dem Recht seines Aufenthaltslandes. Dabei ist in der Konvention nicht geregelt, welche Bereiche vom Begriff des Personalstatuts erfasst sind (vgl. ausführlich Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 8. Auflage 2000, S. 404; vgl. auch v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, 9. Auflage 2007, § 5 Rn. 4). Insofern ist eine Auslegung angebracht, die insbesondere unter Berücksichtigung der Folgen, die an die Volljährigkeit geknüpft sind, dazu führt, dass deren Eintritt nicht durch Art. 12 der Genfer Konvention geregelt ist.
17 
(b) Die Begriffe der Genfer Flüchtlingskonvention sind nicht nach dem jeweiligen Rechtsverständnis der einzelnen Länder zu verstehen. Vielmehr ist eine vertragsautonome Auslegung geboten, um das Ziel des Abkommens, eine einheitliche Behandlung der Flüchtlinge in allen Vertragsstaaten zu gewährleisten, erreichen zu können (ebenso v. Hoffmann/Thorn, a.a.O., § 5 Rn. 33 zur Frage der Auslegung des Begriffs „Wohnsitz“). Dabei ist zu sehen, dass der Begriff des Personalstatuts international nicht in gleicher Weise verstanden wird. So unterliegt z.B. die Erlangung der Geschäftsfähigkeit nach deutschem Verständnis dem Personalstatut (s. Ermann/Hohloch, BGB, 14. Auflage 2014, Art. 5 EGBGB Rn. 3), während sie im common law dem Geschäftsstatut zugeordnet wird (vgl. MünchKomm/v. Hein, a.a.O., Art. 5 EGBGB Rn. 4 m.w.N.), das durch die Genfer Konvention - abgesehen von deren hier nicht einschlägigen Art. 13 - nicht geregelt ist. Teilweise wird der Begriff des Personalstatuts eher formal nach dem Anknüpfungsmoment - also z.B. der Staatsangehörigkeit - definiert und damit auf die betroffene Person abgestellt, teilweise wird der Begriff aber auch materiellrechtlich bestimmt, wonach es entscheidend auf die Anknüpfungsgegenstände - also die Rechtsgebiete - ankommt (hierzu ausführlich MünchKomm/v.Hein, a.a.O., Art. 5 EGBGB Rn. 2). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze unterliegt die Frage der Volljährigkeit, die sich im Bereich des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch nach dem Personalstatut richtet, nicht zwingend auch dem Personalstatut im Sinne der Konvention.
18 
(c) Für von Hein (MünchKomm/v. Hein, a.a.O., Art. 5 EGBGB Rn. 6) ist Art. 12 der Genfer Flüchtlingskonvention nicht auf einen bestimmten Kreis von Anknüpfungsgegenständen beschränkt. Vielmehr werde die Staatangehörigkeit als Anknüpfungsmoment generell durch den Wohnsitz ersetzt. Er stellt damit auf den formell bestimmten Begriff des Personalstatuts ab. Er meint, es könne nicht angenommen werden, dass bei einer Person, die von ihrem Heimatstaat aus politischen oder sonstigen Gründen verfolgt werde, noch eine enge Verbindung zur Herkunftsrechtsordnung im kollisionsrechtlichen Sinne bestehe.
19 
(d) Eine solch weitgehende Auslegung ist indes nicht angebracht.
20 
(aa) Eine der wesentlichen Folgen der Volljährigkeit ist die Erlangung der unbeschränkten Geschäftsfähigkeit, vgl. §§ 2, 106 BGB. Die Anwendung der Konvention auf die Frage der Volljährigkeit würde in diesem Bereich zu dem Sinn und Zweck der Konvention zuwiderlaufenden Ergebnissen führen.
21 
Bei der Auslegung des Begriffs „Personalstatut“ im Sinne von Art. 12 der Genfer Konvention sind insbesondere deren Ziele zu berücksichtigen. Die Konvention dient dem Schutz von politischen, ethnischen oder religiösen Flüchtlingen. Zur Erreichung dieses Ziels wird ihr Rechtsstatus durch deren Art. 12 in weitem Umfang dem von Inländern gleichgestellt. Dadurch soll zum einen ihre Integration gefördert werden (MünchKomm/v. Hein, a.a.O., Art. 5 Anh II Rn. 18). Zum anderen soll zum Schutz der Flüchtlingsinteressen auf deren persönliche Rechtsbeziehungen nicht weiter das Recht des Landes Anwendung finden, in dem sie verfolgt werden oder von dem sie keinen Schutz erwarten können (so auch noch MünchKomm/v. Hein, a.a.O., Art. 5 EGBGB Rn. 6 und Art. 5 EGBGB Anh. II Rn. 18; vgl. auch Staudinger/Bausback, a.a.O., Anhang IV zu Art. 5 EGBGB Rn. 68).
22 
Diese Ziele sind aber nicht um ihrer selbst wegen zu erreichen, sondern am Alltag der Flüchtlinge auszurichten. Insofern ist es verfehlt, in jeder Beziehung die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit durch die an den Aufenthalt zu ersetzen (so aber MünchKomm/v. Hein, a.a.O., Art. 5 EGBGB Rn. 6 a.E.). Vielmehr sind die praktischen Folgen eines solchen Verständnisses nicht außer Acht zu lassen.
23 
In diesem Zusammenhang sind Flüchtlinge im Sinne der Konvention insbesondere davor zu schützen, dass sie gehalten sind, allein zur Bestreitung ihres Alltags ihre Flüchtlingseigenschaft offenzulegen und darzulegen. Dieses würde ihrer Integration entgegenstehen, indem sie stets auf einen Sonderstatus hinweisen müssten. Darüber hinaus wären sie zur Darlegung ihrer Volljährigkeit oder Minderjährigkeit gehalten, immer wieder von ihren oft traumatisierenden Erlebnissen zu berichten, die sie zur Flucht veranlasst haben. Dies würde die Gefahr von Retraumatisierungen nach sich ziehen und damit gerade dem Ziel des Flüchtlingsabkommens diametral entgegenstehen.
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Darüber hinaus wäre auch der Rechtsverkehr erheblich beeinträchtigt, wenn sich die Volljährigkeit und damit eben auch die Geschäftsfähigkeit nicht mehr allein nach zumeist klaren Umständen wie dem Aufenthalt oder der Staatsangehörigkeit richten würden, sondern nach dem der Auslegung zugänglichen und von komplexen Vorgängen geprägten Begriff des Flüchtlings im Sinne der Konvention. Eine Beweisführung wäre insofern erschwert und dem Flüchtling regelmäßig unzumutbar, weil sie wieder an die Umstände in seinem Heimatland anknüpfen würde, was durch die Anknüpfung an den Aufenthalt in Art. 12 der Genfer Flüchtlingskonvention gerade vermieden werden soll.
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(bb) Eine weitere Folge der Volljährigkeit ist die Beendigung der elterlichen Sorge. In diesem Kontext entstünde bei Anwendung von Art. 12 der Genfer Flüchtlingskonvention auf den Eintritt der Volljährigkeit im Einzelfall ein - nicht völlig theoretischer - untragbarer Konflikt. Ein nach Heimatrecht noch Minderjähriger, der - wie im vorliegenden Fall - nach deutschem Recht bereits als volljährig anzusehen wäre, könnte gegen seinen Willen aufgrund der Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nach Deutschland einreisen und dort seinen Aufenthalt begründen. Mit der Begründung des Aufenthalts würde er bei Anwendung von Art. 12 der Genfer Flüchtlingskonvention dann als volljährig anzusehen sein mit der Folge, dass er aus eigenem Entschluss wieder in seine Heimat zurückkehren könnte. Ab dem Zeitpunkt der Umsetzung dieses Entschlusses würde dann wieder das Heimatrecht eingreifen, so dass den Personensorgeberechtigten das Aufenthaltsbestimmungsrecht erneut zustünde und sie auf einem Verbleib im Zufluchtsland bestehen könnten.
26 
(cc) Die Anwendung von Art. 12 der Genfer Flüchtlingskonvention auf die Frage der Volljährigkeit ist auch nicht zur Vermeidung inakzeptabler Folgen für die Flüchtlinge erforderlich. Sollte die Volljährigkeit in einzelnen Ländern bereits zu einem solch frühen Zeitpunkt eintreten, dass dies in einem unerträglichen Widerspruch zum deutschen Rechtsverständnis stünde, wäre die Regelung über den sog. ordre public-Vorbehalt nicht anzuwenden (so in OLG Köln vom 04.09.1996 - 16 Wx 181/96, FamRZ 1997, 1240, juris Rn. 6).
27 
cc) Nach alledem ist die Beschwerde durch den Vormund als gesetzlicher Vertreter für den Betroffenen wirksam erhoben worden, da dieser unabhängig von dem angefochtenen Beschluss und in Anwendung des algerischen Rechts noch minderjährig ist.
28 
b) Der Betroffene ist durch die angefochtene Entscheidung auch beschwert im Sinne von § 59 FamFG.
29 
Nach § 59 FamFG steht die Beschwerde demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Dies ist bei einem unmittelbaren Eingriff in ein im Zeitpunkt der Entscheidung bestehendes subjektives Recht gegeben, indem der Beschluss das Recht aufhebt, beschränkt, mindert oder gefährdet, die Ausübung des Rechts stört oder erschwert oder eine Verbesserung der Rechtsstellung vorenthält (vgl. statt aller Zöller/Feskorn, ZPO, 30. Auflage 2014, § 59 FamFG Rn. 3 m.w.N.).
30 
Teilweise wird angenommen, dass eine Beschwerde gegen einen Beschluss betreffend die Beendigung der Vormundschaft nicht zulässig sei, weil der Entscheidung lediglich deklaratorische Bedeutung zukomme und sie damit nichts an der sich aus dem Gesetz ergebenden Rechtslage ändere (so Staudinger/Veit, BGB, Neubearbeitung 2014, § 1882 Rn. 22).
31 
Dies überzeugt indes nicht, da der angefochtenen Entscheidung ein Rechtsschein anhaftet, den es zu beseitigen gilt. Es existiert eine letztendlich mit einem Rechtskraftvermerk versehene Urkunde, die Rechtsklarheit schaffen soll, deren Inhalt aber möglicherweise nicht zutrifft. Insofern besteht ein schützenswertes Interesse - sei es der Eltern oder des Vormunds, sei es aber auch des Betroffenen selbst -, den Rechtsschein der Urkunde zu beseitigen, weil das Recht andernfalls durch den erlassenen Beschluss im Sinne der oben genannten Definition gestört würde.
32 
2. Die nach dem Dargelegten zulässige Beschwerde ist auch begründet. Der Betroffene ist nach algerischem Recht als minderjährig anzusehen.
33 
a) Die deutschen Gerichte sind für die Entscheidung unabhängig von der Frage, ob der Betroffene als Flüchtling im Sinne von Art. 1 lit. A Nr. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention anzusehen ist, entweder nach Art. 8 Abs. 1 EU-EheVO oder nach Art. 16 Abs. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. hierzu BGH vom 30.06.1982 - IVb ZB 626/80, FamRZ 1982, 996, juris Rn. 5) zuständig.
34 
b) Die Voraussetzungen für die Beendigung der Vormundschaft liegen entgegen der Annahme des Familiengerichts im angefochtenen Beschluss nicht vor. Wie bereits ausgeführt ist der Betroffene nach dem einschlägigen algerischen Recht noch als minderjährig anzusehen. Danach endet die Vormundschaft erst zum 01.01.2016.
III.
35 
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 3 FamFG.
36 
2. Die Rechtsbeschwerde wird nach § 70 Abs. 1 Nr. 1 FamFG zugelassen. Bei der Frage der Anwendbarkeit der Genfer Flüchtlingskonvention auf die Frage der Volljährigkeit handelt es sich um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung.

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Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 23. Juli 2015 - 5 WF 74/15 zitiert 12 §§.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 70 Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde


(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat. (2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzlic

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 81 Grundsatz der Kostenpflicht


(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 68 Gang des Beschwerdeverfahrens


(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 59 Beschwerdeberechtigte


(1) Die Beschwerde steht demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. (2) Wenn ein Beschluss nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, steht die Beschwerde nur dem Antragsteller

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 2 Eintritt der Volljährigkeit


Die Volljährigkeit tritt mit der Vollendung des 18. Lebensjahres ein.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 40 Wirksamwerden


(1) Der Beschluss wird wirksam mit Bekanntgabe an den Beteiligten, für den er seinem wesentlichen Inhalt nach bestimmt ist. (2) Ein Beschluss, der die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts zum Gegenstand hat, wird erst mit Rechtskraft wirksam. Dies i

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 9 Verfahrensfähigkeit


(1) Verfahrensfähig sind 1. die nach bürgerlichem Recht Geschäftsfähigen,2. die nach bürgerlichem Recht beschränkt Geschäftsfähigen, soweit sie für den Gegenstand des Verfahrens nach bürgerlichem Recht als geschäftsfähig anerkannt sind,3. die nach bü

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 106 Beschränkte Geschäftsfähigkeit Minderjähriger


Ein Minderjähriger, der das siebente Lebensjahr vollendet hat, ist nach Maßgabe der §§ 107 bis 113 in der Geschäftsfähigkeit beschränkt.

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(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.

(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.

(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(1) Verfahrensfähig sind

1.
die nach bürgerlichem Recht Geschäftsfähigen,
2.
die nach bürgerlichem Recht beschränkt Geschäftsfähigen, soweit sie für den Gegenstand des Verfahrens nach bürgerlichem Recht als geschäftsfähig anerkannt sind,
3.
die nach bürgerlichem Recht beschränkt Geschäftsfähigen, soweit sie das 14. Lebensjahr vollendet haben und sie in einem Verfahren, das ihre Person betrifft, ein ihnen nach bürgerlichem Recht zustehendes Recht geltend machen,
4.
diejenigen, die auf Grund dieses oder eines anderen Gesetzes dazu bestimmt werden.

(2) Soweit ein Geschäftsunfähiger oder in der Geschäftsfähigkeit Beschränkter nicht verfahrensfähig ist, handeln für ihn die nach bürgerlichem Recht dazu befugten Personen.

(3) Für Vereinigungen sowie für Behörden handeln ihre gesetzlichen Vertreter und Vorstände.

(4) Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters steht dem Verschulden eines Beteiligten gleich.

(5) Die §§ 53 bis 58 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(1) Der Beschluss wird wirksam mit Bekanntgabe an den Beteiligten, für den er seinem wesentlichen Inhalt nach bestimmt ist.

(2) Ein Beschluss, der die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts zum Gegenstand hat, wird erst mit Rechtskraft wirksam. Dies ist mit der Entscheidung auszusprechen.

(3) Ein Beschluss, durch den auf Antrag die Ermächtigung oder die Zustimmung eines anderen zu einem Rechtsgeschäft ersetzt oder die Beschränkung oder Ausschließung der Berechtigung des Ehegatten oder Lebenspartners, Geschäfte mit Wirkung für den anderen Ehegatten oder Lebenspartner zu besorgen (§ 1357 Abs. 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, auch in Verbindung mit § 8 Abs. 2 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), aufgehoben wird, wird erst mit Rechtskraft wirksam. Bei Gefahr im Verzug kann das Gericht die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses anordnen. Der Beschluss wird mit Bekanntgabe an den Antragsteller wirksam.

Die Volljährigkeit tritt mit der Vollendung des 18. Lebensjahres ein.

Ein Minderjähriger, der das siebente Lebensjahr vollendet hat, ist nach Maßgabe der §§ 107 bis 113 in der Geschäftsfähigkeit beschränkt.

(1) Die Beschwerde steht demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist.

(2) Wenn ein Beschluss nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, steht die Beschwerde nur dem Antragsteller zu.

(3) Die Beschwerdeberechtigung von Behörden bestimmt sich nach den besonderen Vorschriften dieses oder eines anderen Gesetzes.

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.