Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 28. Juni 2016 - I-24 U 170/15
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 24. September 2015 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung wegen des Räumungs- und Herausgabeanspruchs durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von € 10.000,00, die Vollstreckung wegen des Zahlungsanspruchs durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Entscheidungsgründe
2Die Berufung der Beklagten ist zulässig; insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517, 519 und 520 ZPO). In der Sache erweist sich das Rechtsmittel indes als erfolglos. Über die Hilfswiderklage ist nicht zu befinden.
3A
4Zulässigerweise kann die Klägerin die Beklagte auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Mietflächen an die Firma H. sowie auf Zahlung von € 25.357,73 nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in der erstinstanzlich titulierten Staffelung sowie auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.239,40 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. April 2015 in Anspruch nehmen.
5I. Die Klage erweist sich - wie auch vom Landgericht angenommen - als zulässig.
6Die Klägerin ist sowohl hinsichtlich des Zahlungsanspruchs als auch hinsichtlich des Räumungs- und Herausgabebegehrens prozessführungsbefugt. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin das streitgegenständliche Grundstück im Verlaufe dieses Rechtsstreits an die Firma H. veräußert hat und die Firma H. als Eigentümerin des Grundstücks im Grundbuch eingetragen worden ist.
71. Das Zahlungsbegehren der Klägerin hat Forderungen aus dem Zeitraum bis einschließlich Ende Januar 2015 zum Gegenstand, die auch unter Berücksichtigung des zwischen der Klägerin und der Firma H. vertraglich vereinbarten wirtschaftlichen Übergangs von Nutzen und Lasten zum 1. April 2015 wirtschaftlich der Klägerin zuzuordnen sind und daher von dieser beansprucht werden können.
82. Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, ist die Klägerin auch hinsichtlich des Räumungsbegehrens prozessführungsbefugt.
9Gemäß § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO hat die Veräußerung der in Streit befangenen Sache auf den Prozess keinen Einfluss, d.h. der Prozess wird zwischen den bisherigen Parteien unverändert fortgeführt. Der Rechtsvorgänger behält seine Prozessführungsbefugnis und darf den Rechtsstreit als Partei im eigenen Namen, in Prozessstandschaft, weiterführen, muss aber - wie hier erstinstanzlich hilfsweise erfolgt - wegen der veränderten materiellen Rechtslage Leistung an den Rechtsnachfolger verlangen, da nach materiellem Recht ein Urteil im Rechtsstreit um die Herausgabe der gekündigten Mietfläche nur auf Leistung an den Rechtsnachfolger ergehen darf. Erfolgt keine Umstellung des Klageantrags, so ist die Klage nicht wegen fehlender Prozessführungsbefugnis unzulässig, sondern wegen fehlender Sachbefugnis bzw. Aktivlegitimation unbegründet (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 1986, Az. VIII ZR 64/85, NJW 1986, 3206, 3207 unter Ziff. II Nr. 1 lit. b) aa)).
10II. Die Klägerin kann die Beklagte – wie erstinstanzlich ausgeurteilt – auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Mietflächen an die Firma H. in Anspruch nehmen – hierzu unter Teil A Ziff. II Nr. 1. Ferner steht der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von € 25.357,73 nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in der erstinstanzlich titulierten Staffelung – hierzu unter Teil A Ziff. II Nr. 2 – sowie ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen zu - hierzu unter Teil A Ziff. II Nr. 3.
111. Soweit sich die Beklagte gegen die Verurteilung zur Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Mietflächen wendet, erweist sich die Berufung als unbegründet.
12Die Klägerin kann die Beklagte auf der Grundlage von § 546 Abs. 1 BGB auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Mietflächen an die Firma H. in Anspruch nehmen. Denn die Klägerin hat das mit der Beklagten begründete Mietverhältnis bezüglich aller Mietflächen mit anwaltlichem Schreiben vom 29. März 2015 (Bl. 72-75 d. GA) gemäß § 543 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 Nr. 3 lit. b) BGB wirksam gekündigt.
13a) Der Wirksamkeit der Kündigung steht nicht entgegen, dass die Beklagte die Kündigung mit anwaltlichem Schreiben vom 2. April 2015 (Bl. 154 d. GA) „mangels Vorlage einer Originals-Vollmacht“ zurückgewiesen hat.
14Wie aus dem weiteren Inhalt des anwaltlichen Schreibens der Beklagten vom 2. April 2015 hervorgeht, war dem anwaltlichen Schreiben der Klägerin vom 29. März 2015 eine Original-Vollmacht beigefügt. Im anwaltlichen Schreiben der Beklagten vom 2. April 2015 heißt es insoweit wörtlich (vgl. Bl. 154 d. GA):
15„Es fehlt in der Vollmacht die Angabe der Vertretungsverhältnisse. Die Unterschrift stammt nicht von dem Geschäftsführer, die Echtheit der Unterschrift wird bestritten.“.
16Demgemäß bezieht sich der Widerspruch wegen Fehlens einer Original-Vollmacht nicht auf das körperliche Fehlen einer solchen Vollmacht, sondern auf das angebliche Fehlen der Angabe der Vertretungsverhältnisse und das Bestreiten der Echtheit der Urkunde.
17Mit beiden Angriffen vermag die Beklagte jedoch nicht durchzudringen.
18Wie sich aus der dem anwaltlichen Schreiben der Klägerin vom 29. März 2015 beigefügten Vollmachtsurkunde (Bl. 74 f. d. GA) ergibt, erfolgte die Bevollmächtigung durch die Klägerin und wurde „Für/For: D. GmbH“ von C. unterzeichnet. Dieser war Geschäftsführer der Klägerin, wie sich aus dem von ihr vorgelegten Handelsregisterauszug ergibt.
19C. hat anlässlich seiner informatorischen Anhörung am 3. September 2015 auf Vorhalt der Kopie der Vollmachtsurkunde vom 18. März 2015 (Bl. 74 f. d. GA) bestätigt, dass es sich um seine Unterschrift handele, und zum Vergleich der Unterschriften seinen Pass sowie seinen Führerschein vorgelegt und weitere Probeunterschriften geleistet (vgl. Bl. 236 f. d. GA). Zu diesem Vergleich hat das Landgericht im Protokoll festgehalten, dass die Unterschriften augenscheinlich optisch übereinstimmten (vgl. Bl. 237 d. GA).
20Vor diesem Hintergrund begegnet die Feststellung des Landgerichts, dass C. den Prozessbevollmächtigten der Klägerin bereits mit Unterzeichnung der Vollmachtsurkunde vom 18. März 2015 umfassende Vollmacht zur Erklärung der Kündigung des bestehenden Mietvertrages erteilt hat, keinen durchgreifenden Bedenken. Auch greift die Beklagte diese landgerichtliche Feststellung mit der Berufung nicht an.
21b) Die Kündigungserklärung ist der Beklagten unstreitig am 31. März 2015 zugegangen.
22c) Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung vom 29. März 2015 (Bl. 72 f. d. GA) befand sich die Beklagte im Sinne von § 543 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 Nr. 3 lit. b) BGB in Zahlungsverzug.
23aa) Das Kündigungsrecht des Vermieters entsteht, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 lit. b) BGB vorliegen. Maßgebender Zeitpunkt, zu dem die Kündigungsvoraussetzungen vorliegen müssen, ist der des Zugangs (§ 130 BGB) der Kündigungserklärung (Ehlert in: Beck´scher Online-Kommentar BGB, Stand: 1. August 2012, § 543 BGB Rdnr. 24d), hier der 31. März 2015.
24bb) Gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 lit. b) BGB liegt ein wichtiger Grund zur außerordentlichen fristlosen Kündigung insbesondere vor, wenn sich der Mieter in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug befindet, der die Miete für zwei Monate erreicht.
25Diese Voraussetzungen lagen am 31. März 2015, dem Tag des Zugangs der mit Schreiben vom 29. März 2015 erklärten außerordentlichen fristlosen Kündigung der Klägerin, vor.
26(1) Die von der Klägerin mit der Klageschrift sowie mit Schriftsatz vom 7. April 2015 (Bl. 69 ff. d. GA) vorgetragenen Rückstände der Beklagten in Bezug auf die vertraglich geschuldete Miete sind unstreitig. Sie stellen sich wie folgt dar:
27August 2012 € 25,00
28Januar 2013 + € 47,50
29Februar 2013 € 202,50
30März 2013 € 189,31
31Juli 2014 € 100,00
32August 2014 € 4.148,07
33September 2014 € 4.148,07
34Oktober 2014 € 4.148,07
35November 2014 € 4.148,07
36Dezember 2014 € 4.148,07
37Januar 2015 € 4.148,07
38Februar 2015 € 4.148,07
39März 2015 € 4.148,07
40Gesamtrückstand € 33.653,87.
41(2) Soweit die Beklagte mit der Berufung eingewandt hat, bereits im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung hätten ihre Gegenforderungen die offenen Mieten um € 20.476,48 überstiegen und sie habe ihr Zurückbehaltungsrecht jedenfalls zum Zeitpunkt der fristlosen Kündigung wirksam ausgeübt (vgl. Bl. 415 d. GA), erweist sich dieser Einwand unter jedem in Betracht kommenden rechtlichen Aspekt als unbegründet.
42(a) Zwar ist der Beklagten darin beizupflichten, dass sie mit am 19. März 2015 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz gleichen Datums (Bl. 55-57/58-60 d. GA), also vor Zugang der Kündigungserklärung, „im Hinblick auf das (…) vereinbarte Aufrechnungsverbot jedenfalls zumindest ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht“ hat (vgl. Bl. 56 d. GA), dies unter Berufung auf „Rückforderungsansprüche in Höhe von 40 Monaten x 1.775,08 € = 71.003,20 €“ für den Zeitraum von Januar 2012 bis August 2014 wegen nicht abgerechneter und nicht nachgewiesener Vorauszahlungen.
43Auch ist anerkannt, dass Zahlungsverzug im Sinne von § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB dann nicht eintritt, wenn dem Mieter gegenüber dem Anspruch auf Zahlung von Miete ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB zusteht und er dieses vor dem Zugang der Kündigungserklärung geltend macht (BGH, Urteil vom 18. Juli 2012, Az. VIII ZR 1/11, NJW 2012, 3089, 3089; Alberts in: Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer, Gewerberaummiete, 1. Aufl. 2015, § 543 BGB Rdnr. 50).
44Doch stand der Beklagten ein entsprechendes Zurückbehaltungsrecht wegen angeblicher Rückforderungsansprüche tatsächlich nicht zu.
45Dabei kann hier offen bleiben, ob die Parteien die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts (und die Aufrechnung) durch die in § 4 Nr. 3 S. 1 des Mietvertrages vorgesehene Regelung wirksam ausgeschlossen haben. Denn jedenfalls können Ansprüche, die - wie der von der Beklagten geltend gemachte Rückforderungsanspruch - auf Zahlung einer Geldsumme gerichtet sind, nicht im Wege des Zurückbehaltungsrechts eingewandt werden; hiermit muss der Mieter aufrechnen und zwar unter Beachtung des § 543 Abs. 2 S. 3 BGB (Blank in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 543 BGB Rdnr. 99). Wenn Forderung und Gegenforderung auf Geldleistung gerichtet sind, hätte die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts eine Zug-um-Zug-Verurteilung zur Folge (§ 274 BGB); diese Wirkung entspricht der der Aufrechnung. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts beinhaltet daher die Erklärung der Aufrechnung; der angeblich abweichende Wille ist unbeachtlich (Grüneberg in: Palandt, BGB, 72. Aufl. 2013, § 273 BGB Rdnr. 14).
46(b) Doch auch die Aufrechnung mit angeblichen Rückforderungsansprüchen in Höhe von € 71.003,20 hat hier - ungeachtet der zwischen den Parteien streitigen Frage nach dem Eingreifen des vertraglich vereinbarten Aufrechnungsverbotes - nicht zu einem dem Zahlungsverzug entgegen stehenden Erlöschen des Anspruchs der Klägerin auf Entrichtung des Mietzinses geführt.
47Denn die Aufrechnung führt nur dann zu einem im Rahmen von § 543 Abs. 2 S. 3 BGB relevanten Erlöschen der Mietzinsforderung, wenn die Aufrechnungslage bereits vor Zugang der Kündigungserklärung bestanden hat und die Gegenforderung nicht erst nachträglich entstanden oder fällig geworden ist (Alberts in: Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer, Gewerberaummiete, 1. Aufl. 2015, § 543 BGB Rdnr. 62). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Ein etwaiger Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung der im Zeitraum von Januar 2012 bis einschließlich August 2014 geleisteten Nebenkostenvorauszahlungen ist nicht vor Beendigung des Mietverhältnisses durch Zugang der Kündigungserklärung fällig geworden.
48Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann der Mieter die Vorauszahlungen, über die der Vermieter nicht fristgemäß abgerechnet hat, nur bei beendetem Mietverhältnis - dies ohne den zeitraubenden Umweg über eine (Stufen-) Klage auf Erteilung der Abrechnung - zurückverlangen. Diese ergänzende Vertragsauslegung beruht auf der Überlegung, dass der Vermieter sonst in der Lage wäre, die Fälligkeit eines Erstattungsanspruchs des Mieters nach Belieben hinauszuzögern, so dass die Abrechnungsfrist nach § 556 Abs. 3 S. 2 BGB praktisch bedeutungslos bliebe (BGH, Urteil vom 9. März 2005, Az. VIII ZR 57/04, zitiert nach juris, Rdnr. 12 und 16). Vor Beendigung des Mietverhältnisses besteht mangels ausfüllungsbedürftiger Regelungslücke kein Anlass für eine ergänzende Vertragsauslegung. Denn bei Fortdauer des Mietverhältnisses über den Zeitraum, auf den sich die Rückforderung des Mieters bezieht, ist der Mieter bei nicht fristgemäßer Abrechnung der abgelaufenen Periode durch das ihm zustehende Zurückbehaltungsrecht an laufenden Vorauszahlungen hinreichend geschützt (BGH, Urteil vom 29. März 2006, Az. VIII ZR 191/05, zitiert nach juris, Rdnr. 11 ff.; Urteil vom 6. Februar 2013, Az. VIII ZR 184/12, zitiert nach juris, Rdnr. 10).
49(c) Auch die Berufung der Beklagten auf ein etwaiges Zurückbehaltungsrecht wegen nicht fristgemäßer Erteilung einer (formell) wirksamen Abrechnung verhilft der Berufung nicht zum Erfolg.
50Selbst wenn die Klägerin unter Zugrundelegung des vertraglichen Abrechnungszeitraums vom 1. April eines jeden Jahres bis zum 31. März des jeweiligen Folgejahres für die Abrechnungszeiträume bis einschließlich 31. März 2014 nicht wirksam abgerechnet haben sollte, stünde die - zwischen den Parteien im Streit stehende - Verletzung der Verpflichtung zur Abrechnung der Annahme des Verzugs der Beklagten mit der Entrichtung der Miete im Sinne von § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 lit. b) BGB nicht entgegen.
51Denn ein etwaiges Zurückbehaltungsrecht der Beklagten aufgrund für die Vergangenheit nicht (formell) wirksam erteilter Nebenkostenabrechnungen erstreckt sich ausschließlich auf die vertraglichen Ansprüche der Klägerin auf Zahlung der (künftigen) Nebenkostenvorauszahlungen, nicht auch auf den vertraglich vereinbarten Mietzins selbst; insoweit besteht weder ein Gegenseitigkeitsverhältnis gemäß § 320 Abs. 1 S. 1 BGB noch Konnexität im Sinne des § 273 Abs. 1 BGB (OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. Juni 2001, Az. 24 U 168/00, zitiert nach juris, Rdnr. 6 m. w. Nachw.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 28. September 2000, Az. 10 U 179/99, zitiert nach juris, Rdnr. 5 f.; Lorenz in: Beck´scher Online-Kommentar BGB, Stand: 1. November 2015, § 273 BGB Rdnr. 34; OLG Koblenz, Urteil vom 20. Januar 1994, Az. 5 U 494/93, zitiert nach juris, Rdnr. 26).
52Selbst wenn sich die Beklagte also auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen nicht wirksam erteilter Nebenkostenabrechnungen in Bezug auf die Ansprüche der Klägerin auf Zahlung künftiger Nebenkostenvorauszahlungen für den Zeitraum von August 2014 bis März 2015 in Höhe von (vgl. Bl. 6: (€ 1.036,35 + € 236,63) x 1,19 =) € 1.514,85 monatlich berufen könnte, genügte der verbleibende Rückstand von € 2.633,22 monatlich über einen Zeitraum von acht aufeinanderfolgenden Monaten - mithin insgesamt (8 Monate x € 2.633,22 =) € 21.065,76 -, um im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung am 31. März 2015 einen Zahlungsrückstand der Beklagten zu begründen, der im Sinne von § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 lit. b) BGB in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, einem Betrag entspricht, der die Miete für zwei Monate in Höhe von (2 Monate x € 4.148,07 =) € 8.296,14 erreicht.
53Nach alledem ist der Kündigungstatbestand des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 lit. b) BGB erfüllt.
54d) Gemäß §§ 570, 578 Abs. 1 und 2 BGB steht dem Mieter gegen den auf § 546 Abs. 1 BGB basierenden Rückgabeanspruch des Vermieters kein Zurückbehaltungsrecht zu.
55e) Soweit die Beklagte auch in der Berufungsinstanz einwendet, der fristlosen Kündigung stehe § 242 BGB entgegen, für den neuen Eigentümer bestehe kein Titulierungsinteresse, bis heute werde das Mietverhältnis mit ihm fortgesetzt, kann ihr bereits insofern nicht gefolgt werden, als ein Mietverhältnis, in das die Firma H rechtsgeschäftlich bzw. gesetzlich hätte eintreten können, bereits nicht mehr bestand, als sie am 27. Juli 2015 als Eigentümerin des streitgegenständlichen Grundstücks im Grundbuch eingetragen wurde bzw. zum 1. April 2015 Nutzen und Lasten des Grundstücks wirtschaftlich auf sie übergingen. Die außerordentliche, fristlose Kündigung entfaltete mit Zugang der wirksamen Kündigungserklärung am 31. März 2015 ihre Wirkung.
56Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, hat die Beklagte ihre pauschale Behauptung, die jetzige Eigentümerin sei mit der Beendigung des Mietvertrages nicht einverstanden und wolle keine Räumung, weder substantiiert noch unter Beweis gestellt. Soweit die Beklagte erstinstanzlich Anzeichen dafür bemängelt hat, dass die Räumung vom neuen Eigentümer gewünscht sei (vgl. Bl. 234 d. GA), ist ihr entgegen zu halten, dass für die jetzige Eigentümerin… zwei Vertreter an dem der erstinstanzlichen Urteilsverkündung unmittelbar vorausgegangenen Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer des Landgerichts am 3. September 2015 teilgenommen haben (vgl. Bl. 236 d. GA). In ihrer Gegenwart wurde der Sach- und Streitstand erörtert; insbesondere hat das Landgericht in ihrer Gegenwart auf die Berechtigung der erklärten Kündigung des Mietverhältnisses hingewiesen (vgl. Bl. 237 d. GA). Einen dem Räumungs- und Herausgabeverlangen entgegenstehenden Willen haben die Vertreter der Eigentümerin im Termin offenbar gerade nicht zum Ausdruck gebracht. Vielmehr haben sie mit ihrer Anwesenheit Interesse am Ausgang dieses Rechtsstreits bekundet. Es bleibt der Beklagten unbenommen, sich mit der neuen Eigentümerin vertraglich zu binden.
57f) Nach alledem hat das Landgericht dem Räumungs- und Herausgabebegehren der Klägerin zu Recht entsprochen.
582. Auch soweit sich die Beklagte gegen die Verurteilung zur Zahlung von € 25.357,73 nebst Zinsen wendet, erweist sich die Berufung als unbegründet.
59Die Klägerin kann die Beklagte auf der Grundlage von § 535 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den mietvertraglichen Bestimmungen und §§ 286, 288 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BGB auf Zahlung des titulierten Betrages zuzüglich Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in der titulierten Staffelung in Anspruch nehmen.
60a) Der Senat hat von der grundsätzlichen Berechtigung der erstinstanzlich titulierten Klageforderung in Höhe von € 25.357,73 auszugehen. Denn die Beklagte hat ihre Berufung hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung rückständiger Mieten und Nebenkostenvorauszahlungen in zulässiger Weise auf den vom Landgericht für nicht durchgreifend erachteten Zurückbehaltungs- bzw. Aufrechnungseinwand beschränkt.
61aa) Die Beschränkung der Berufung auf den Aufrechnungseinwand bzw. das Zurückbehaltungsrecht ergibt sich aus der Berufungsbegründung vom 30. Dezember 2015.
62Die Beklagte hat - die Berufungsbegründung einleitend - klargestellt, dass das angefochtene Urteil insofern auf einer Rechtsverletzung beruhe, als angenommen werde, dass ihr „kein Zurückbehaltungsrecht oder keine Aufrechnung zustehe“ (vgl. Bl. 411 d. GA). Nachfolgend hat die Beklagte unter Ziff. I. Nr. 3 lit. b) die Zusammensetzung der „Forderungen der Klägerin“ - wie erstinstanzlich tituliert - aufgelistet und in der Entstehung bzw. dem grundsätzlichen Bestand unstreitig gestellt (vgl. Bl. 414 d. GA). Auch mit Schriftsatz vom 29. Januar 2016 hat die Beklagte nochmals festgehalten, dass die Mietforderungen der Klägerin unstreitig seien (vgl. Bl. 427 d. GA).
63bb) Die Beschränkung der Berufung auf den Aufrechnungseinwand bzw. das Zurückbehaltungsrecht ist prozessual zulässig.
64In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist anerkannt, dass ein Rechtsmittel auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden kann. Dies gilt nicht nur für verschiedene selbständige Klageansprüche oder quantitativ abgrenzbare Ansprüche, sondern auch für Verteidigungsmittel, sofern es sich hierbei um einen tatsächlich und rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs handelt (BGH, Urteil vom 12. Januar 1970, Az. VII ZR 48/68, zitiert nach juris, Rdnr. 9; Urteil vom 2. Juni 1966, Az. VII ZR 162/64, zitiert nach juris, Rdnr. 74).
65Die Zulässigkeit einer Beschränkung des Rechtsmittels eines zur Zahlung verurteilten Beklagten auf eine zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung wird in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ebenso bejaht (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 1999, Az. II ZR 47/98, NJW 1999, 2817, 2818; Urteil vom 13. Juni 2001, Az. VIII ZR 294/99, zitiert nach juris, Rdnr. 12 m. w. Nachw.) wie die Beschränkung des Rechtsmittels auf ein eingewandtes Zurückbehaltungsrecht (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juni 1999, Az. VII ZR 162/64, zitiert nach juris, Rdnr. 74).
66cc) Die wirksame Beschränkung eines Rechtsmittels auf einen Aufrechnungseinwand bzw. die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts hat zur Folge, dass das Rechtsmittelgericht das angefochtene Urteil gemäß §§ 308, 536 bzw. 559 ZPO nur aufheben oder abändern kann, soweit es angefochten ist, also nur hinsichtlich der Entscheidung der Vorinstanz über die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung bzw. das Zurückbehaltungsrecht (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juni 1966, Az. VII ZR 162/64, zitiert nach juris, Rdnr. 74). Soweit der Streitstoff von dem zulässig beschränkten Rechtsmittel nicht erfasst wird, unterliegt er dagegen nicht der Prüfungskompetenz des Rechtsmittelgerichts (BGH, Urteil vom 30. November 1995, Az. III ZR 240/94, NJW 1996, 527, 527 unter II.).
67Für den hier vorliegenden Fall, in dem vom Landgericht die Klageforderung bejaht und der Aufrechnungseinwand sowie das Zurückbehaltungsrecht mangels Zulässigkeit der Aufrechnung und der Zurückbehaltung verneint worden sind, bedeutet die Beschränkung der Berufung der Beklagten auf den Aufrechnungseinwand und das Zurückbehaltungsrecht, dass vom Senat nicht mehr die Entstehung bzw. der Bestand der Klageforderung, sondern nur noch der Aufrechnungseinwand und das Zurückbehaltungsrecht zu prüfen sind (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 1999, Az. II ZR 47/98, NJW 1999, 2817, 2818; Urteil vom 13. Juni 2001, Az. VIII ZR 294/99, zitiert nach juris, Rdnr. 14).
68b) Die erstinstanzlich titulierte Forderung in Höhe von € 25.357,73 ist nicht, auch nicht teilweise im Wege der Aufrechnung nach Maßgabe von §§ 389, 387, 388 S. 1 BGB erloschen. Denn eine aufrechenbare Gegenforderung besteht nicht.
69aa) Zwar hat die Beklagte bereits in erster Instanz – wie bereits dargelegt – „im Hinblick auf das (…) vereinbarte Aufrechnungsverbot jedenfalls zumindest ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht“ (vgl. Bl. 56 d. GA), dies unter Berufung auf „Rückforderungsansprüche in Höhe von 40 Monaten x 1.775,08 € = 71.003,20 €“ für den Zeitraum von Januar 2012 bis August 2014 wegen nicht abgerechneter und nicht nachgewiesener Vorauszahlungen.
70In der Berufungsinstanz hat die Beklagte im Sinne von § 388 S. 1 BGB ausdrücklich und im Sinne von § 533 ZPO zulässigerweise die Aufrechnung mit einer Forderung auf Rückzahlung der im Zeitraum von Januar 2012 bis einschließlich Juli 2014 geleisteten Nebenkostenvorauszahlungen erklärt.
71bb) Auch erweist sich die Aufrechnung entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung als zulässig.
72(1) Zwar kann der Mieter gemäß § 4 Nr. 3 S. 1 des am 18./19. April 2005 ursprünglich zwischen der B. GmbH i.L. und der Beklagten geschlossenen Mietvertrages gegenüber Mietforderungen mit einer Gegenforderung nur aufrechnen oder ein Minderungs- oder Zurückbehaltungsrecht des Mietzinses geltend machen, sofern die Gegenforderung bzw. das Minderungs- oder Zurückbehaltungsrecht unstreitig ist oder rechtskräftig festgestellt wurde.
73(2) Gegen die Wirksamkeit dieses in § 4 Nr. 3 S. 1 des Mietvertrages vereinbarten eingeschränkten Aufrechnungsverbotes gegenüber den Mietzinsansprüchen des Vermieters bestehen keine rechtlichen Bedenken; es erweist sich als wirksam.
74Für Geschäftsraummietverträge ist insoweit anerkannt, dass ein Ausschluss der Aufrechnung zulässig ist, soweit es sich nicht um rechtskräftig festgestellte oder unstreitige Gegenforderungen handelt (BGH, Urteil vom 27. Januar 1993, Az. XII ZR 141/91, NJW-RR 1993, 519, 520; OLG Düsseldorf, Urteil vom 8. Juni 2006, Az. 10 U 159/05, zitiert nach juris, Rdnr. 27; Urteil vom 25. Juli 2013, Az. 10 U 114/12, zitiert nach juris, Rdnr. 15 ff.; Urteil vom 4. März 2014, Az. 10 U 159/13, zitiert nach juris, Rdnr. 3; LG Berlin, Urteil vom 14. August 2012, Az. 29 O 297/11, zitiert nach juris, Rdnr. 127; OLG Köln, Urteil vom 15. Juli 2011, Az. 1 U 482/10, zitiert nach juris, Rdnr. 40; Ghassemi-Tabar in: Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer, Gewerberaum-miete, 1. Aufl. 2015, § 536 BGB Rdnr. 434 m. w. Nachw.). Gegen die Wirksamkeit des Aufrechnungsverbotes nach Maßgabe von § 307 BGB bestehen, sofern es sich überhaupt um einen Formularvertrag handelt, keine Bedenken. Gemäß § 309 Nr. 3 BGB ist nur ein solches Aufrechnungsverbot unwirksam, welches dem Vertragspartner des Verwenders die Befugnis nimmt, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenforderung aufzurechnen. Zwar ist die Beklagte gemäß §§ 310 Abs. 1, 14 BGB von dem persönlichen Anwendungsbereich der Vorschrift ausgenommen. Ist die Beschränkung der Aufrechnungsbefugnis auf unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen jedoch schon gegenüber einem Verbraucher zulässig, kann eine derartige Einschränkung des Aufrechnungseinwandes gegenüber einem Unternehmer bzw. einer Gesellschaft im Rahmen Allgemeiner Geschäftsbedingungen erst recht nicht als treuwidrige unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 BGB gewertet werden (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 8. Juni 2006, Az. 10 U 159/05, zitiert nach juris, Rdnr. 27 m. w. Nachw.).
75Der für das gewerbliche Mietrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat die AGB-rechtliche Unbedenklichkeit einer entsprechenden Klausel mit Urteil vom 15. Dezember 2010 (Az. XII ZR 132/09) in einem Mietvertrag mit einem selbständigen Kinderarzt nochmals ausdrücklich bestätigt (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2010, Az. XII ZR 132/09, zitiert nach juris, Rdnr. 21).
76(3) Die Aufrechnungsbeschränkung gilt auch nach Beendigung des Mietverhältnisses (OLG Köln, Urteil vom 15. Juli 2011, Az. 1 U 482/10, zitiert nach juris, Rdnr. 40; OLG Düsseldorf, Urteil vom 8. Juni 2006, Az. 10 U 159/05, zitiert nach juris, Rdnr. 28 f.; Urteil vom 29. April 2014, Az. 10 U 159/13, zitiert nach juris, Rdnr. 2). Denn der Schutzzweck des Aufrechnungsverbotes besteht darin, einseitig das Interesse des Vermieters daran zu sichern, dass dieser die laufenden Mieteinnahmen regelmäßig und ungeachtet von Einwendungen des Mieters erhält, die der Mieter auf wirkliche oder vermeintliche Gegenansprüche stützt, und ein langwieriges Prozessieren zur Durchsetzung der Mietansprüche möglichst weitgehend zu vermeiden. Das Interesse des Vermieters daran, die Mietforderungen möglichst problemlos durchsetzen zu können, endet auch nicht mit Beendigung des Mietverhältnisses. Es besteht deshalb kein Anlass, das vertraglich uneingeschränkt vereinbarte Aufrechnungsverbot abweichend von seinem Wortlaut einschränkend auszulegen. Andernfalls bestünde die Gefahr einer Besserstellung des vertragsuntreuen Mieters, welcher, insbesondere wenn er am Mietverhältnis nicht festhalten möchte, bereits Monate vor Beendigung des Vertrages unter Berufung auf Gegenforderungen seine Zahlungen einstellt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 8. Juni 2006, Az. 10 U 159/05, zitiert nach juris, Rdnr. 29 m. w. Nachw.; Urteil vom 29. April 2014, Az. 10 U 159/13, zitiert nach juris, Rdnr. 2).
77(4) Die Forderungen, mit denen die Beklagte gegen die Klageforderung aufrechnet, sind nicht rechtskräftig festgestellt. Auch erweisen sie sich insofern nicht als unstreitig, als die Klägerin ihre Berechtigung - von formell wirksamen Nebenkostenabrechnungen ausgehend - anzweifelt.
78Hielte man die Aufrechnung jedoch ausgehend hiervon aufgrund der mietvertraglichen Klausel für unzulässig, bedürfte es einer Auseinandersetzung mit den zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen im Rahmen der hier hilfsweise erhobenen Widerklage. Dies erscheint wenig interessengerecht.
79Denn zum einen liegen den zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen - wie noch zu zeigen sein wird - unstreitige Tatsachen zugrunde; Streit besteht allein hinsichtlich einzelner Rechtsfragen wie der Rückforderbarkeit von Nebenkostenvorauszahlungen nach Eintritt der Abrechnungsreife und der formellen Wirksamkeit von Nebenkostenabrechnungen. Zum anderen greift das vertraglich vereinbarte Aufrechnungsverbot über die in der Vertragsklausel genannten Fälle hinaus - auch im kaufmännischen Verkehr - auch dann nicht ein, wenn der Gegenanspruch, mit dem die Aufrechnung erklärt wird, entscheidungsreif ist (OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. April 2011, Az. 24 U 195/10, zitiert nach juris, Rdnr. 14; Urteil vom 25. Oktober 1996, Az. 22 U 56/96, NJW-RR 1997, 757, 758; BGH, Urteil vom 15. Februar 1978, Az. VIII ZR 242/76, zitiert nach juris, Rdnr. 11; Urteil vom 6. April 2011, Az. VIII ZR 31/09, zitiert nach juris, Rdnr. 14; Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23. Mai 2013, Az. 1 U 70/12, zitiert nach juris, Rdnr. 28; OLG Karlsruhe, Urteil vom 17. Januar 2006, Az. 17 U 168/04, NJW-RR 2006, 600, 601; Ghassemi-Tabar in: Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer, Gewerberaummiete, 1. Aufl. 2015, § 536 BGB Rdnr. 435). Entscheidungsreife Forderungen erweisen sich insoweit als Unterfall der unbestrittenen Forderung. Eine Bestimmung die - wie hier - nur die Aufrechnung mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen vorsieht, erfasst daher sinngemäß auch entscheidungsreife Forderungen. Auch bei Entscheidungsreife ist die Gegenforderung als „unbestritten“ im Sinne der Klausel anzusehen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. April 2011, Az. 24 U 195/10, zitiert nach juris, Rdnr. 14; Urteil vom 1. Oktober 2009, Az. 10 U 58/09, zitiert nach juris, Rdnr. 3).
80Entscheidungsreife ist bezüglich der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen gegeben.
81cc) Doch vermag sich die Beklagte im Wege der Aufrechnung auf keine entscheidungsreife Gegenforderung auf Rückzahlung der in der Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Juli 2014 geleisteten Nebenkostenvorauszahlungen zu berufen.
82(1) Die vorrangig zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung auf Rückzahlung der in der Zeit vom 1. Januar 2012 bis einschließlich 31. März 2013 geleisteten Nebenkostenvorauszahlungen scheitert daran, dass die jeweilige Abrechnungsperiode im Sinne der noch darzulegenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 2012, Az. VIII ZR 315/11, zitiert nach juris, Rdnr. 10) noch während des streitgegenständlichen, zum 31. März 2015 beendeten Mietverhältnisses abgelaufen ist.
83Ungeachtet der hier streitigen Frage nach der Erteilung formell wirksamer Nebenkostenabrechnungen durch die Klägerin kann dem Mieter nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bei Beendigung des Mietverhältnisses im Wege ergänzender Vertragsauslegung ein Anspruch auf Rückzahlung von Nebenkostenvorauszahlungen nur insoweit zugebilligt werden, als er während der Dauer des Mietverhältnisses nicht die Möglichkeit hatte, den Abrechnungsanspruch durch Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts an den laufenden Vorauszahlungen durchzusetzen (BGH, Urteil vom 26. September 2012, Az. VIII ZR 315/11, zitiert nach juris, Rdnr. 7). Bei Fortdauer des Mietverhältnisses besteht nach Auffassung des Bundesgerichtshofes kein Anlass für eine ergänzende Vertragsauslegung; der Mieter ist durch ein Zurückbehaltungsrecht an den laufenden Vorauszahlungen hinreichend geschützt, wenn der Vermieter die abgelaufene Periode nicht fristgerecht abrechnet. Ein Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der für die nicht fristgemäß abgerechneten Betriebskosten geleisteten Vorauszahlungen kommt in diesem Fall mangels Bestehens einer ausfüllungsbedürftigen Vertragslücke nicht in Betracht (BGH, Urteil vom 29. März 2006, Az. VIII ZR 191/05, NJW 2006, 2552, 2553 Rdnr. 12 ff.).
84Hier beansprucht die Beklagte im Wege der Aufrechnung die Rückzahlung der von ihr in der Zeit von Januar 2012 bis einschließlich Juli 2014 geleisteten Nebenkostenvorauszahlungen in einer Gesamthöhe von € 54.130,35. Unter Beachtung des zwischen den Parteien gelebten Abrechnungszeitraums vom 1. April eines jeden Jahres bis einschließlich 31. März des jeweiligen Folgejahres kann die Klägerin hinsichtlich der bis zum 31. März 2013 geleisteten Vorauszahlungen bereits aufgrund der von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wie vorstehend wiedergegeben aufgestellten Grundsätze keine Rückzahlung beanspruchen. Denn nach Ende des Abrechnungszeitraums zum 31. März 2013 und Ablauf der Abrechnungsfrist am 1. April 2014 bestand das Mietverhältnis noch bis zum 31. März 2015 fort, so dass die Beklagte insoweit von dem ihr zustehenden Zurückbehaltungsrecht hätte Gebrauch machen können und müssen, was sie rein tatsächlich zeitweise auch getan hat.
85(2) Hinsichtlich der vom 1. April 2013 bis einschließlich Juli 2014 geleisteten Vorauszahlungen scheitert die Rückforderbarkeit nicht bereits daran, dass die jeweilige Abrechnungsperiode im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 2012, Az. VIII ZR 315/11, zitiert nach juris, Rdnr. 10) noch während des Mietverhältnisses abgelaufen war. Denn das Mietverhältnis endete – wie bereits dargelegt – zum 31. März 2015. Die Frist zur Abrechnung der Nebenkostenvorauszahlungen für den Zeitraum vom 1. April 2013 bis zum 31. März 2014 endete am 31. März 2015 und war daher erst am 1. April 2015, mithin einen Tag nach Beendigung des Mietverhältnisses abgelaufen. Gleiches gilt für den Abrechnungszeitraum vom 1. April 2014 bis 31. März 2015. Über diesen Abrechnungszeitraum war zum 31. März 2016 abzurechnen. Auch der Ablauf dieser Abrechnungsfrist lag mithin nach dem Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses zum 31. März 2015.
86Für die Rückforderbarkeit der vom 1. April 2013 bis einschließlich Juli 2014 geleisteten Vorauszahlungen kommt es daher entscheidend darauf an, ob die Klägerin jeweils formell wirksam über die Nebenkosten abgerechnet hat. Dies ist der Fall.
87(a) Die von der Klägerin für den Zeitraum vom 1. April 2013 bis 31. März 2014 vorgelegte Nebenkostenabrechnung (Bl. 338-314 d. GA) erweist sich entgegen den landgerichtlichen Ausführungen und der seitens der Beklagten auch in der Berufungsinstanz vertretenen Auffassung als formell wirksam.
88(aa) Nach der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 23. November 1981, Az. VIII ZR 298/80, ist eine Betriebskostenabrechnung formell ordnungsgemäß und damit wirksam, wenn sie den allgemeinen Anforderungen des § 259 BGB entspricht, also eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthält. Unter geordneter Zusammenstellung ist dabei eine zweckmäßige und übersichtliche Aufgliederung in Abrechnungsposten zu verstehen. Was eine Nebenkostenabrechnung darüber hinaus im Einzelnen zu enthalten hat, ergibt sich aus ihrem Zweck. Sie soll den Mieter in die Lage versetzen, den Anspruch des Vermieters nachzuprüfen. Dazu muss er die Abrechnung gedanklich und rechnerisch nachvollziehen können. Diese Funktion erfüllt sie nur, wenn sowohl die Einzelangaben als auch die Abrechnung insgesamt klar, übersichtlich und aus sich heraus verständlich sind. Abzustellen ist dabei auf das durchschnittliche Verständnisvermögen eines juristisch und betriebswirtschaftlich nicht geschulten Mieters. Welche Angaben dabei im Einzelnen in der Nebenkostenabrechnung enthalten sein müssen, hängt in erster Linie von der Ausgestaltung des jeweiligen Vertragsverhältnisses ab. Soweit keine besonderen Abreden vorliegen, werden in Rechtsprechung und Literatur bei Gebäuden mit mehreren Einheiten regelmäßig folgende Mindestangaben verlangt:
89eine Zusammenstellung der Gesamtkosten, die Angabe und Erläuterung der zugrunde gelegten Verteilerschlüssel, die Berechnung des Anteils des Mieters und der Abzug der Vorauszahlungen des Mieters.
90Diese Anforderungen erscheinen für den Regelfall sachgerecht. Zu beachten ist dabei jedoch, dass die Pflichten zur Spezifizierung der abgerechneten Kosten nicht überspannt werden dürfen. Notwendig, aber auch ausreichend ist es, dass der Mieter die ihm angelasteten Kosten bereits aus der Abrechnung klar ersehen und überprüfen kann, so dass die Einsichtnahme in dafür vorliegende Belege nur noch zur Kontrolle und zur Behebung von Zweifeln erforderlich ist (BGH, Urteil vom 23. November 1981, Az. VIII ZR 298/80, zitiert nach juris, Rdnr. 11-18; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 4. Juli 2013, Az. 10 U 52/13, zitiert nach juris, Rdnr. 6; Urteil vom 27. März 2012, Az. 24 U 123/11, zitiert nach juris, Rdnr. 44).
91Mit Urteil vom 25. November 2009, Az. VIII ZR 322/08, hat der Bundesgerichtshof eine weitere Präzisierung vorgenommen. Danach muss die Abrechnung nicht aus sich heraus eine vollständige Überprüfung auf ihre materielle Richtigkeit erlauben, sondern nur so detailliert sein, dass der Mieter ersehen kann, welche Gesamtbeträge dem Vermieter in Rechnung gestellt worden sind und mit welchen Rechenschritten er daraus den auf den einzelnen Mieter entfallenden Betrag errechnet hat (BGH, Urteil vom 25. November 2009, Az. VIII ZR 322/08, zitiert nach juris, Rdnr. 14; vgl. auch BGH, Urteil vom 19. November 2008, Az. VIII ZR 295/07, zitiert nach juris, Rdnr. 21).
92Zuletzt mit Urteil vom 20. Januar 2016 (Az. VIII ZR 93/15) hat der Bundesgerichtshof betont, dass an die Abrechnung von Nebenkosten in formeller Hinsicht keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind (BGH, Urteil vom 20. Januar 2016, Az. VIII ZR 93/15, zitiert nach juris, Rdnr. 13). Der Mieter soll lediglich überprüfen können, ob die ihm in Rechnung gestellten Kosten dem Grunde nach umlagefähig sind, ob der richtige Umlageschlüssel verwendet wurde und die für die Abrechnungseinheit angesetzten Gesamtkosten der Höhe nach für ihn plausibel sind oder er Anlass sieht, die Richtigkeit der angesetzten Kosten durch eine Einsicht in die Belege zu überprüfen (BGH, Urteil vom 20. Januar 2016, Az. VIII ZR 93/15, zitiert nach juris, Rdnr. 18).
93Die Abgrenzung zwischen formeller Wirksamkeit einer Betriebskostenabrechnung einerseits und deren inhaltlicher Richtigkeit andererseits richtet sich vor diesem Hintergrund danach, ob der Mieter in der Lage ist, die Art des Verteilerschlüssels der einzelnen Kostenpositionen zu erkennen und den auf ihn entfallenden Anteil an den Gesamtkosten rechnerisch nachzuprüfen (formelle Wirksamkeit). Ob die abgerechneten Positionen dem Ansatz und der Höhe nach zu Recht bestehen oder sonstige Mängel der Abrechnung vorliegen, etwa ein falscher Anteil an den Gesamtkosten zu Grunde gelegt wird, betrifft die inhaltliche Richtigkeit (BGH, Urteil vom 19. November 2008, Az. VIII ZR 295/07, zitiert nach juris, Rdnr. 22; so zuletzt auch BGH, Urteil vom 20. Januar 2016, Az. VIII ZR 93/15, zitiert nach juris, Rdnr. 19).
94(bb) Den nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes an eine formell wirksame Nebenkostenabrechnung zu stellenden Anforderungen wird die hier zur Entscheidung stehende Nebenkostenabrechnung für den Zeitraum vom 1. April 2013 bis 31. März 2014 (Bl. 338 ff. d. GA) entgegen den Feststellungen des Landgerichts und entgegen der von der Beklagten auch in der Berufungsinstanz vertretenen Rechtsauffassung (vgl. Bl. 411 f. d. GA) gerecht. Denn die Umlage der der Klägerin entstandenen Gesamtkosten auf die Beklagte als Mieterin ist für den durchschnittlich gebildeten, juristisch und betriebswirtschaftlich nicht geschulten Mieter, auf dessen Verständnis es insoweit ankommt, auch ohne eine weitere Erläuterung rechnerisch durchaus nachvollziehbar.
95Wie die Klägerin zu Recht geltend macht (vgl. Bl. 307, 441 f. d. GA), ist der Abrechnung zu entnehmen, dass die Umlage anhand des Verhältnisses der Mietfläche zur (jeweiligen) Brutto(gesamt)fläche erfolgt. Insoweit heißt es in der Abrechnung wörtlich:
96„Umlage
97Bruttofläche“.
98Diese Bezeichnung des Umlageschlüssels erlaubt dem durchschnittlich gebildeten, juristisch und betriebswirtschaftlich nicht geschulten Mieter den Schluss, dass die Umlage der im Einzelnen bezeichneten Kostenpositionen nach dem Flächenverhältnis erfolgt.
99Auch beinhaltet die Abrechnung die konkrete Bezeichnung der Mietfläche - 289,89 m² bzw. 43,08 m² - und der hierzu jeweils in Bezug zu setzenden Gesamtfläche - „Gesamtanteile“ -, so dass der auf die Beklagte als Mieterin entfallende Kostenanteil rechnerisch nachvollzogen werden kann. Dass die jeweils in Bezug zu setzende Gesamtfläche je nach Kostenposition differiert und die Abrechnung unter der Bezeichnung „Gesamtanteile“ mindestens neun verschiedene Bezugsflächen beinhaltet, beraubt die Abrechnung nicht der insoweit allein maßgeblichen rechnerischen Nachvollziehbarkeit.
100cc) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Klägerin der Beklagten für den Abrechnungszeitraum vom 1. April 2013 bis einschließlich 31. März 2014 eine formell ordnungsgemäße und damit wirksame Abrechnung erteilt hat. Soweit die Beklagte mit der Klageerwiderung und auch in der Berufungsbegründung hat vortragen lassen, über die bis August 2014 geleisteten monatlichen Vorauszahlungen gebe es keinerlei Endabrechnungen und keine Nachweise (vgl. Bl. 59 und 413 d. GA), ist ihr entgegenzuhalten, dass sie die Nebenkostenabrechnung bezüglich des Zeitraums vom 1. April 2013 bis einschließlich 31. März 2014 (vgl. Bl. 338 ff. d. GA) jedenfalls mit dem klägerischen Schriftsatz vom 21. November 2015 erhalten hat (vgl. die ausgeführte gerichtliche Verfügung vom 22. November 2015, Bl. 299 d. GA). Dass der Abrechnung keine Kostenbelege beigefügt waren, ist unschädlich. Denn der Vermieter ist nicht verpflichtet, seiner Abrechnung die Kostenbelege beizufügen.
101(b) Auch die von der Klägerin für den Zeitraum vom 1. April 2014 bis 31. März 2015 berechtigterweise erstellte und in der mündlichen Verhandlung vom 24. Mai 2016 nunmehr vorgelegte Nebenkostenabrechnung (Bl. 504 f. d. GA) erweist sich als formell wirksam.
102(aa) Die Klägerin ist zur Abrechnung der im vorgenannten Zeitraum entstandenen Nebenkosten berechtigt und verpflichtet.
103Zwar hat sich im Verlaufe dieses Rechtsstreits ein Wechsel im Grundstückseigentum vollzogen; die Firma H. wurde am 27. Juli 2015 als Eigentümerin des streitgegenständlichen Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Auch richtet sich die Beantwortung der Frage, welche mietvertraglichen Rechte und Pflichten infolge eines Eigentumsübergangs nach § 566 BGB dem Veräußerer und welche dem Erwerber zuzuordnen sind, grundsätzlich nach dem Zeitpunkt des Entstehens bzw. der Fälligkeit des Anspruchs – hier also dem Zeitpunkt der Erteilung der Nebenkostenabrechnung. Erteilt wurde die den Zeitraum vom 1. April 2014 bis einschließlich 31. März 2015 betreffende Nebenkostenabrechnung erst mit Schreiben vom 29. März 2016, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Firma H. bereits als Eigentümerin des Grundstücks im Grundbuch eingetragen war.
104Doch hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 14. September 2000 entschieden, dass der frühere Eigentümer – hier die Klägerin – gegenüber dem Mieter bezüglich der zum Zeitpunkt des Wechsels im Grundeigentum abgelaufenen Abrechnungsperiode zur Abrechnung der Betriebskosten verpflichtet und zur Erhebung etwaiger Nachzahlungen berechtigt bleibt (vgl. BGH, Urteil vom 14. September 2000, Az. III ZR 211/99, zitiert nach juris, Rdnr. 14 f.; so auch BGH, Urteil vom 3. Dezember 2003, Az. VIII ZR 168/03, zitiert nach juris, Rdnr. 8, und Urteil vom 4. April 2007, Az. VIII ZR 219/06, zitiert nach juris, Rdnr. 13). Derjenige, der die Vorauszahlungen für einen Abrechnungszeitraum erhalten hat, soll auch die Abrechnung erteilen, zur Rückzahlung eines Guthabens verpflichtet und zur Geltendmachung eines Nachzahlungsbetrages berechtigt sein (BGH, Urteil vom 4. April 2007, Az. VIII ZR 219/06, zitiert nach juris, Rdnr. 13). Das strikte Festhalten am sogenannten Fälligkeitsprinzip würde die Abrechnung im Regelfall erschweren, da sich der Erwerber die erforderlichen Unterlagen vom Veräußerer unter Umständen erst beschaffen muss; im Übrigen können sich für den Erwerber erhebliche Hindernisse ergeben, wenn er mit dem Mieter über die Nebenkosten für bereits vor seinem Eigentumserwerb abgeschlossene Rechnungsperioden abrechnen soll. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Erwerber in der nun abzurechenden Periode die Vorauszahlungen nicht erhalten hat. Er müsste sich an den Veräußerer wenden und eventuelle Ansprüche möglicherweise gerichtlich durchsetzen (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2003, Az. VIII ZR 168/03, zitiert nach juris, Rdnr. 9).
105(bb) Die den Zeitraum vom 1. April 2014 bis 31. März 2015 betreffende Nebenkostenabrechnung erweist sich unter Zugrundelegung der vorstehend bereits zusammengefassten, vom Bundesgerichtshof vorgegebenen Anforderungen als formell wirksam.
106Die Umlage der der Klägerin entstandenen Gesamtkosten auf die Beklagte als Mieterin erfolgt ersichtlich nach dem Flächenverhältnis und ist für den durchschnittlich gebildeten, juristisch und betriebswirtschaftlich nicht geschulten Mieter auch bei dieser Abrechnung ohne eine weitere Erläuterung rechnerisch nachvollziehbar.
107Der Abrechnung ist zu entnehmen, dass die Umlage anhand des Verhältnisses der Mietfläche zur (jeweiligen) Brutto(gesamt)fläche erfolgt. Der in der fünften Spalte der Abrechnung ausgewiesene Anteil der Beklagten errechnet sich ersichtlich aus dem Verhältnis der mit 385,05 ausgewiesenen Mietfläche („Mietfläche in m²: 385,05“) zu der in der vierten Spalte der Abrechnung unter der Bezeichnung „VS“ (Verteilerschlüssel) jeweils aufgeführten Bezugsfläche.
108(3) Nach alledem vermag sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf eine Gegenforderung auf Rückzahlung der in der Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Juli 2014 geleisteten Nebenkostenvorauszahlungen zu berufen.
109(c) Von der Aufrechnung mit einer bereicherungsrechtlichen Gegenforderung mangels materieller Berechtigung der in den Abrechnungen jeweils ausgewiesenen Nachforderung hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich Abstand genommen. Die Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat insoweit erklärt, dass sie die materiell-rechtlichen Einwendungen, mit denen sie einen Bereicherungsanspruch aufgrund überzahlter Nebenkosten geltend gemacht habe, in diesem Rechtsstreit fallen lasse (vgl. Bl. 500 f. d. GA). Demgemäß beansprucht die Beklagte die Rückzahlung der geleisteten Vorauszahlungen ausschließlich unter dem Aspekt - wie nicht – gänzlich fehlender bzw. formell unwirksamer Abrechnungen.
110c) Die Zinsforderung basiert auf §§ 286, 288 Abs. 2 BGB.
1113. Auf der Grundlage von §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB in Verbindung mit §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB kann die Klägerin die Beklagte ferner auf Ersatz der vorgerichtlichen, mit € 1.239,40 bezifferten Rechtsanwaltskosten nebst Prozesszinsen in Anspruch nehmen.
112Zwar hat die Klägerin tatsächlich nicht ansatzweise dargelegt, welche die Rechtsanwaltskosten auslösende Tätigkeit ihre Prozessbevollmächtigten vorprozessual erbracht haben. Doch ist dem Landgericht entsprechend seiner Feststellungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils zu folgen, dass der Klägerin die streitgegenständlichen Kosten in Höhe von € 1.239,40 durch „die Erklärung der Kündigung durch ihre Prozessbevollmächtigten“, dies mit anwaltlichem Schreiben vom 29. März 2015 (Bl. 72 ff. d. GA), entstanden sind.
113Konkrete Einwendungen gegen diese Nebenforderung hat die Beklagte mit der Berufung nicht erhoben.
114B
115Über die Hilfswiderklage ist nicht zu befinden. Ihre Rechtshängigkeit ist rückwirkend entfallen.
116I. Die seitens der Beklagten erhobene Hilfswiderklage steht unter der Bedingung, dass die in erster Linie zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen nicht bereits durch die Aufrechnung verbraucht sind.
117Dies hat die Beklagte bereits im Rahmen der Berufungsbegründung (vgl. Bl. 415 d. GA, korrigiert gemäß Bl. 500 d. GA) zum Ausdruck gebracht, indem sie wörtlich hat ausführen lassen:
118„Die Widerklage ist somit wie folgt bedingt: Soweit der Senat davon ausgeht, dass das Aufrechnungsverbot wegen der Umstände des Falles nicht greift, wird die Widerklage auf den Betrag der Widerklageforderung in Höhe von 54.130,35 € beschränkt, der durch die Aufrechnung noch nicht verbraucht ist.“.
119In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Prozessbevollmächtigte der Beklagten nochmals klargestellt, dass Gegenstand der Widerklage nur das sein solle, was, wenn der Senat die Aufrechnung nicht durch das vertragliche Aufrechnungsverbot gehindert erachte, nach der Entscheidung über die Aufrechnung übrigbleibe.
120Mit dieser Formulierung hat sie hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, vorrangig aufrechnen und nur im Falle der Unzulässigkeit der Aufrechnung in voller Höhe Widerklage erheben zu wollen. Wenn und soweit durch die Entscheidung über die Aufrechnung kein Anspruch auf Rückzahlung von Nebenkostenvorauszahlungen übrig bleiben sollte, soll die Widerklage nach Vorstellung der Beklagten gegenstandslos sein.
121II. Eine derartige Bedingung der Hilfswiderklage ist prozessual zulässig.
122Ist ein Klageanspruch nach Grund und Betrag an sich unstreitig und macht der Kläger gegenüber dem Aufrechnungseinwand des Beklagten - wie hier (vgl. Bl. 200 d. GA) - geltend, die Aufrechnung gegen die Klageforderung sei vertraglich ausgeschlossen, so kann der Beklagte die in erster Reihe zur Aufrechnung gestellte Forderung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hilfsweise mit einer Widerklage verfolgen. Der Hauptantrag der hiesigen Beklagten auf Abweisung der Klage und ihr Hilfsantrag auf Verurteilung der Klägerin stehen in einem echten Eventualverhältnis. Die unstreitig entstandene Klageforderung ist jedenfalls dann begründet, wenn die Aufrechnung gegen diese Forderung wirksam ausgeschlossen und daher unzulässig ist. Die Klageforderung ist aber unbegründet, wenn die Aufrechnung zulässig und begründet sein sollte. Aus der Zulässigkeit bzw. der Unzulässigkeit der Aufrechnung ergibt sich das Eventualverhältnis zwischen Klage- und Widerklageforderung. Ist die Aufrechnung nicht zulässig, so kann die geltend gemachte Forderung der Beklagten nur im Wege der Widerklage verfolgt werden (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1961, Az. VIII ZR 64/60, BeckRS 1961, 31187733 unter Ziff. I. 1).
123III. Erweist sich die Aufrechnung - wie hier - als zulässig und bleibt - wie hier - durch die Entscheidung über die Aufrechnung kein Anspruch auf Rückzahlung von Nebenkostenvorauszahlungen übrig, wird die Widerklage gegenstandslos und die Rechtshängigkeit der Hilfswiderklage entfällt rückwirkend (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1961, Az. VIII ZR 64/60, BeckRS 1961, 31187733 unter Ziff. I. 1 a.E.).
124C
125Die Kostenentscheidung basiert auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
126Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 7 und Nr. 10, 711 ZPO.
127Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht ersichtlich. Als reine Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
128Gegenstandswert der Berufung: bis € 65.000,00
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 28. Juni 2016 - I-24 U 170/15
Urteilsbesprechung schreibenUrteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 28. Juni 2016 - I-24 U 170/15

Referenzen - Gesetze
Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 578 Mietverhältnisse über Grundstücke und Räume
Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 570 Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts
Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 566 Kauf bricht nicht Miete
Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 556 Vereinbarungen über Betriebskosten

Referenzen - Urteile
Urteil einreichenOberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 28. Juni 2016 - I-24 U 170/15 zitiert oder wird zitiert von 12 Urteil(en).