Landessozialgericht NRW Urteil, 18. Dez. 2014 - L 6 AS 1732/13

ECLI:ECLI:DE:LSGNRW:2014:1218.L6AS1732.13.00
18.12.2014

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 31.1.2013 geändert. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin unter Abänderung des Bescheides vom 29.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.7.2011, des Bescheides vom 23.2.2011 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 19.3.2011, dieser in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.7.2011 sowie des Änderungsbescheides vom 19.7.2011, des Bescheides vom 23.2.2011 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 29.3.2011 dieser in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.7.2011, des Bescheides vom 23.2.2011 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 29.3.2011 dieser in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.7.2011 Regelbedarf i.H.v. 291 EUR zuzüglich Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 2 SGB II i.H.v. 62 EUR monatlich für die Zeit vom 1.1.2011 bis 30.6.2011 abzüglich bereits erfolgter Zahlungen zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu 15 %. Die Revision wird zugelassen.


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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

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(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

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(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die1.das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,2.erwerbsfähig sind,3.hilfebedürftig sind und4.ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschla

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 22 Bedarfe für Unterkunft und Heizung


(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Le

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 20 Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts


(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des tägl

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 21 Mehrbedarfe


(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind. (2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrb

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Tenor Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13.03.2014 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Kläger wend

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(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

Tenor

Die Revision der Kläger gegen den Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger zu 1 für den Zeitraum vom 1.10.2006 bis 31.3.2007 ein Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zusteht. Streitig ist dabei insbesondere, ob die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit des Klägers zu 2 als Einkommen zu berücksichtigen ist.

2

Der ledige Kläger zu 1 ist am 1985 geboren. Er lebt mit seinem 1961 geborenen Vater (Kläger zu 2) in einem gemeinsamen Haushalt im Eigenheim des Klägers zu 2. Weiterhin lebt in diesem Haus die 1986 geborene Schwester, die über eigenes Einkommen verfügt und keine Ansprüche nach dem SGB II geltend macht. Der Kläger zu 2 bezieht eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer, die ab Juli 2005 in einer Höhe von monatlich 615,84 Euro gewährt wurde. Der Kläger zu 1 bezog bis August 2005 Arbeitslosengeld (Alg) nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch. Anschließend stand er im Bezug von Alg II. Von Juni bis September 2006 war er gegen Entgelt als Maler beschäftigt. Das dabei erzielte Entgelt deckte seinen Bedarf, sodass für diesen Zeitraum kein Anspruch auf Alg II geltend gemacht wurde.

3

Am 22.9.2006 beantragte der Kläger zu 1 die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II, weil er weder Einkommen erziele noch über Vermögen verfüge. Daraufhin bewilligte die Beklagte ihm mit Bescheid vom 8.11.2006 Alg II in Höhe von 400,64 Euro für den Oktober 2006 und in Höhe von monatlich 175,64 Euro für den Zeitraum von November 2006 bis März 2007. Die Beklagte ging dabei von einer Regelleistung für den Kläger zu 1 in Höhe von 276 Euro monatlich, sowie von einem Zuschlag von 80 Euro monatlich aus. Die Kosten der Unterkunft bezifferte sie für den Oktober 2006 mit 235,92 Euro und für den Zeitraum November 2006 bis März 2007 mit 10,92 Euro monatlich. Weiterhin berücksichtigte die Beklagte die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers zu 2 mit jeweils monatlich 191,28 Euro als Einkommen.

4

Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 2.2.2007). Nach der ab 1.7.2006 maßgeblichen Rechtslage bilde der Kläger zu 1 gemäß § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II als unter 25-jähriger mit seinem Vater eine Bedarfsgemeinschaft. Die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers zu 2 sei daher als Einkommen zu berücksichtigen. Die Rente in Höhe von monatlich 615,84 Euro sei jedoch um die Versicherungspauschale von 30 Euro, um die Aufwendungen für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung von 38,64 Euro monatlich auf 547,20 Euro monatlich zu bereinigen. Lege man bei dem Kläger zu 2 einen Bedarf in Höhe von 355,92 Euro monatlich zu Grunde (345 Euro monatliche Regelleistung und 10,92 Euro Kosten der Unterkunft), so sei der diesen Bedarf übersteigende Betrag von 191,28 Euro als Einkommen bei dem Kläger zu 1 zu berücksichtigen.

5

Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 10.7.2008; Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10.12.2008). Zur Begründung seines die Berufung zurückweisenden Beschlusses hat das LSG ausgeführt, die Klage des Klägers zu 2 sei bereits mangels Beschwer unzulässig gewesen. Zwar bilde er mit seinem Sohn, dem Kläger zu 1, eine Bedarfsgemeinschaft, jedoch stünden ihm keine eigenen Leistungen nach dem SGB II zu, weil er erwerbsunfähig sei. Verfahrensrechtlich zu Recht habe der Kläger zu 1 Leistungen nur an sich selbst geltend gemacht, weil die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden über Ansprüche des Klägers zu 2 auch keine Verfügung iS des § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch getroffen habe. Die Klage des Klägers zu 1 habe keinen Erfolg. Die Berücksichtigung des Einkommens des Klägers zu 2 folge aus seiner Mitgliedschaft in einer Bedarfsgemeinschaft mit dem Kläger zu 1. Nach § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II in der ab 1.7.2006 geltenden Fassung gehöre auch der im Haushalt lebende nicht erwerbsfähige Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, zur Bedarfsgemeinschaft. Der Gesetzgeber habe mit dem Gesetz vom 24.3.2006 die ursprüngliche Altersgrenze von 18 Jahren als Austrittsgrenze aus der Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern auf 25 Jahre angehoben, um bewusst keinen Anreiz mehr zum Auszug aus dem elterlichen Haushalt und zur Gründung eines eigenen Haushalts zu schaffen. Nach der gesetzgeberischen Konzeption des § 7 SGB II würden die Kläger zu 1 und zu 2 eine Bedarfsgemeinschaft bilden, die mit bürgerlich rechtlichen Unterhaltspflichten nicht zur Deckung gebracht werden könne. Es bestünden auch keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Regelung. Das Bundessozialgericht (BSG) habe entschieden, dass der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums berechtigt sei, typisierende Regelungen zu schaffen, bei denen das Eintreten Dritter auf Grund rechtlicher oder moralischer Verpflichtung typischerweise erwartet werden könne. So lägen die Verhältnisse hier, weil auch aus dem von der Verfassung geschützten tradierten Familienbild (Art 6 Abs 2 Grundgesetz ) folge, dass leibliche Eltern ihre bei ihnen wohnenden Kinder in Notsituationen unterstützen würden. Hieran habe der Gesetzgeber anknüpfen dürfen. Auch sei ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG nicht zu erkennen. Der Gesetzgeber habe bei der Neuregelung der Altersgrenze (25 Jahre) zum 1.7.2006 typischerweise davon ausgehen dürfen, dass Kinder bis zu 25 Jahren, die zusammen mit ihren Eltern in einem gemeinsamen Haushalt leben, Unterstützung innerhalb der Haushaltsgemeinschaft erhielten.

6

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer, vom Senat zugelassenen, Revision. Sie rügen eine Verletzung des § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II in der ab 1.7.2006 geltenden Fassung iVm § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II. Diese Regelungen verstießen gegen Verfassungsrecht. Insbesondere rügen sie eine Verletzung der Art 20 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG und Art 14 Abs 1 GG. Hinsichtlich des Klägers zu 1 liege eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips (Art 20 Abs 1 GG) vor. Bei ihm würden fiktive Unterhaltsleistungen des Klägers zu 2 berücksichtigt, die familienrechtlich überhaupt nicht bestünden. Nach § 1603 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) stehe dem Kläger zu 2 ein Selbstbehalt zu, den er mit seiner Erwerbsunfähigkeitsrente nicht erreiche. Der Anspruch des Klägers zu 1 auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts dürfe nicht von einem familienrechtlich nicht bestehenden Unterhaltsanspruch abhängig gemacht werden. Des Weiteren werde der Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG verletzt. Die gerügten Normen bewirkten, dass junge Erwachsene unter 25 Jahren auf staatliche Hilfe keinen oder nur geringeren Anspruch hätten, während Personen in derselben Lebenslage ab dem 25. Geburtstag Hilfe erhielten. Eine Änderung in den Verhältnissen trete aber durch die Vollendung des 25. Lebensjahres nicht ein. Es sei daher nicht nachvollziehbar, wieso Erwachsene, die nach dem 25. Lebensjahr bei ihren Eltern lebten, nicht in die Bedarfsgemeinschaft einbezogen werden müssten. Der Kläger zu 2 macht geltend, dass durch die Berücksichtigung seiner Erwerbsunfähigkeitsrente, die lediglich etwa 615 Euro monatlich betrage, sein durch Art 14 Abs 1 GG geschütztes Eigentum verletzt werde, weil ihm die wirtschaftliche Verfügungsmacht über diese Rente entzogen werde. Des Weiteren rügt der Kläger zu 2 eine Verletzung des Gleichheitssatzes, weil die Mutter des Klägers zu 1, die sich nicht um den Kläger zu 1 kümmere, in keiner Weise belastet werde. Er habe den Kläger zu 1 in seinem Haushalt aufgenommen und allein erzogen, mit der Konsequenz, dass seine Rente nunmehr als Einkommen bei seinem Sohn berücksichtigt werde. Im Übrigen sei auch davon auszugehen, dass § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II nunmehr insbesondere Frauen benachteilige, die in der Regel die Last der Alleinerziehung tragen würden. Insofern werde wegen der mittelbaren Diskriminierung durch diese Norm auch ein Verstoß gegen Art 3 Abs 2 GG gerügt. Der Kläger zu 1 macht im Revisionsverfahren darüber hinaus geltend, dass ihm die Regelleistung in Höhe von 100 vH (345 Euro) und nicht nur in Höhe von 276 Euro zustehen müsse.

7
Die Kläger beantragen,
1.
den Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Dezember 2008 und das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 10. Juli 2008 aufzuheben,
2.
die Beklagte unter Änderung ihres Bescheids vom 8. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Februar 2007 zu verurteilen, an den Kläger zu 1 höheres Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich zusätzlich 260,28 Euro für den Zeitraum vom 1. November 2006 bis 31. März 2007 zu zahlen.
8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Die Beklagte hält die Revision des Klägers zu 1 für unbegründet, diejenige des Klägers zu 2 für unzulässig. Der Kläger zu 2 werde durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert. Die Berechnung der Höhe des dem Kläger zu 1 zustehenden Alg II entspreche der nach dem 1.7.2006 geltenden Rechtslage. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Rechtslage bestünden nicht. Im Übrigen habe das BSG bereits entschieden, dass aus einer Inkongruenz zwischen zivilrechtlichen Unterhaltspflichten und öffentlich rechtlichen Einstandspflichten keine zwingende Verfassungswidrigkeit der sozialrechtlichen Regelungen folge (Hinweis auf das Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 2/08 R).

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers zu 2 ist unbegründet, weil dieser nicht klagebefugt ist (vgl unter 1.). Die Revision des Klägers zu 1 ist nicht begründet, denn die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, dass die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers zu 2 bei dem Kläger zu 1 als Einkommen zu berücksichtigen ist (vgl im Einzelnen unter 2.). Es bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass der Gesetzgeber in § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II davon ausging, dass zwischen dem im streitigen Zeitraum 21 Jahre alten Kläger zu 1 und seinem erwerbsunfähigen Vater (Kläger zu 2) eine Bedarfsgemeinschaft bestand(hierzu unter 3.).

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1. Die Revision des Klägers zu 2 ist unbegründet, denn der Kläger zu 2 ist nicht klagebefugt. Er kann sich keiner Verletzung seiner spezifisch rechtlichen Interessen durch die Berücksichtigung seiner Erwerbsunfähigkeitsrente als Einkommen seines Sohnes, des Klägers zu 1 (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 12a ff), berühmen. Das BSG hat klargestellt, dass es sich bei den Ansprüchen der Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft um Einzelansprüche handelt, die jeweils gesondert und einzeln von dem rechtlich Betroffenen gerichtlich geltend zu machen sind (grundlegend BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217, 219 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 12 ff). Der Kläger zu 2 kann keine eigenen rechtlichen Ansprüche im Rahmen des SGB II geltend machen, weil er vom Leistungsbezug gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2 iVm § 8 SGB II ausgeschlossen ist. Soweit er höhere Leistungen für seinen Sohn, den Kläger zu 1, fordert, steht das rechtliche Interesse hieran ausschließlich seinem Sohn zu. Dass bei dem Kläger zu 1 die Rente des Klägers zu 2 wegen ihrer Berücksichtigung als Einkommen zu einem geringeren Leistungssatz führt, berührt mithin lediglich die wirtschaftlichen Interessen des Klägers zu 2. Denn das BSG hat ebenfalls klargestellt, dass aus der Verklammerung von Personen zu Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft im SGB II keinerlei Rechtsansprüche der zusammenveranlagten Personen auf Unterhaltsleistungen bzw auf einen sozialrechtlichen Ausgleich der berücksichtigten Einkommensanteile entstehen (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 14 AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 29: "Es ist... nicht Aufgabe des SGB II, bis in jede Einzelheit für eine Verteilung der für das Existenzminimum der einzelnen Personen notwendigen Gelder zwischen allen Beteiligten zu sorgen"). So kann der Kläger zu 1 den bei ihm berücksichtigten Einkommensanteil aus der Erwerbsunfähigkeitsrente seines Vaters gegen diesen nicht (sozial-) rechtlich geltend machen, weshalb rechtliche Interessen des Klägers zu 2 hierdurch gerade nicht berührt werden können. Die bloß wirtschaftliche Reflexwirkung der Entscheidung gegenüber dem Kläger zu 1 auf den Gesamthaushalt der beiden Kläger schafft noch keine Klagebefugnis für den Kläger zu 2.

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2. Dem Kläger zu 1 stehen im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1.10.2006 bis 31.3.2007 keine höheren als die ihm durch den Bescheid vom 8.11.2006 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.2.2007) bewilligten Leistungen zu. Der Kläger zu 1 war nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG erwerbsfähig iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II. Der Kläger zu 1 war auch hilfebedürftig gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II. Bei Prüfung der Hilfebedürftigkeit war die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers zu 2 als Einkommen zu berücksichtigen. Der Kläger zu 2 war zwar als Bezieher einer Erwerbsunfähigkeitsrente wegen dauerhafter Erwerbsunfähigkeit vom Bezug der Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Dennoch bestand zwischen ihm und seinem im streitigen Zeitraum 21jährigen Sohn gemäß § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II eine Bedarfsgemeinschaft. Hiernach gehören zur Bedarfsgemeinschaft die im Haushalt lebenden Eltern eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (vgl § 7 Abs 3 SGB II idF des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24.3.2006, BGBl I 558; in Kraft ab 1.7.2006). Dass der Kläger zu 2 selbst keine Leistungen nach dem SGB II beziehen konnte, hindert nicht das Entstehen einer sogenannten gemischten Bedarfsgemeinschaft.

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Nach § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II(hier in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706) war das Einkommen des Vaters des Klägers zu 1 bei diesem als Einkommen zu berücksichtigen. § 9 Abs 2 Satz 2 bestimmt: Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen können, sind auf das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partner zu berücksichtigen. Zu Recht hat die Beklagte daher den Anteil der Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von 191,28 Euro, der den (fiktiven) Bedarf des Klägers zu 2 nach dem SGB II übersteigt, als Einkommen bei dem Kläger zu 1 berücksichtigt. Gegen die weitere Berechnung der Höhe der Leistungen des Klägers zu 1 sind weder Bedenken vorgetragen, noch nach dem Gesamtinhalt der Akten ersichtlich. Insbesondere bestehen auch keine (verfassungs-)rechtlichen Probleme, weil dem Kläger zu 1 lediglich eine Regelleistung in Höhe von 80 vH gemäß § 20 Abs 2 Satz 2 SGB II zuerkannt wurde. Es ist kein rechtlicher Ansatzpunkt erkennbar, nach dem der Kläger zu 1 wie ein Alleinstehender gemäß § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II behandelt werden könnte, mit der Konsequenz, dass ihm eine Regelleistung in Höhe von 100 vH zustehen würde. Der Kläger zu 1 soll vielmehr nach dem Willen des Gesetzgebers des SGB II - wie ausgeführt - gerade keine "eigene" Bedarfsgemeinschaft für sich bilden.

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3. Entgegen der Rechtsansicht der Revision ist die Vorschrift des § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II in der ab 1.7.2006 (aaO) geltenden Fassung auch nicht verfassungswidrig.

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a) Die Regelung des § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II(iVm § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II) verletzt nicht Art 1 iVm Art 20 Abs 1 GG. Dem Kläger zu 1 steht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ( Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09 -) aus Art 1 und Art 20 Abs 1 GG zwar ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zu. Das BVerfG hat jedoch auch betont, dass dem Gesetzgeber bei der genauen Ausgestaltung und Bezifferung des grundrechtlich zu gewährenden Existenzminimums ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht (aaO, RdNr 133). Im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums kann und darf der Gesetzgeber davon ausgehen, dass ein Hilfebedürftiger nach dem SGB II zunächst Hilfe von Anderen zu beanspruchen hat, was aus dem Grundsatz der Subsidiarität der steuerfinanzierten Leistungen nach dem SGB II folgt (vgl § 3 Abs 3 Satz 1 SGB II). Der Gesetzgeber war bei der Ausgestaltung des Subsidiaritätsgrundsatzes und dem Prinzip, dass Hilfebedürftige gehalten sind, jede Unterstützung von anderen einzuholen, nicht gehalten, an die Regelungen des zivilrechtlichen Unterhaltsrechts anzuknüpfen (zum Verhältnis von zivilrechtlichem Unterhaltsrecht und SGB II vgl Udsching, 18. Deutscher Familiengerichtstag, 2010, S 39 ff). Die Kläger weisen zwar zu Recht darauf hin, dass angesichts der geringen Höhe der Erwerbsunfähigkeitsrente von etwa 615 Euro monatlich ein zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch gemäß § 1603 Abs 1 BGB angesichts des Selbstbehalts des Klägers zu 2 wohl nicht bestanden hätte(zum Selbstbehalt von 1100 Euro - ggf abzüglich des Vorteils des Wohnens im eigenen Haus vgl Palandt/Diederichsen, BGB, 69. Aufl 2010, Einf v § 1601, RdNr 24).

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Der fürsorgerechtliche Gesetzgeber darf jedoch bei der Frage, ob der Einsatz staatlicher Mittel gerechtfertigt ist, von den Regelungen des Unterhaltsrechts abweichen und typisierend unterstellen, dass in einem Haushalt zusammenlebende Familienangehörige (die hier in gerader Linie verwandt sind) sich unterstützen. Dies hat der Senat im Einzelnen in seinem Urteil vom 13.11.2008 (B 14 AS 2/08 R - BSGE 102, 76 = SozR 4-4200 § 9 Nr 7; zustimmende Anmerkung von Schürmann, SGb 2009, 741) begründet. Der Gesetzgeber darf mithin (so das BSG, aaO, RdNr 35) bei der Gewährung von Sozialleistungen unabhängig von bestehenden bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflichten die Annahme von Hilfebedürftigkeit davon abhängig machen, ob sich für den Einzelnen typisierend aus dem Zusammenleben mit anderen Personen Vorteile ergeben, die die Gewährung staatlicher Hilfe nicht oder nur noch in eingeschränktem Umfang gerechtfertigt erscheinen lassen. Dabei kann allerdings nicht jedes Zusammenleben in einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft beachtlich sein. Nur wenn die Bindungen der Partner so eng sind, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann und sie sich so sehr füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen nicht dauernd getrenntlebender Ehegatten bzw der eingetragenen Lebenspartnerschaften, in denen Unterhaltsansprüche tatsächlich bestehen, vergleichbar (vgl BVerfGE 87, 234 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3). Der Gesetzgeber durfte hier typisierend unterstellen, dass Eltern, die mit ihren unter 25-jährigen Kindern in einem Haushalt zusammenleben, auch tatsächlich für diese aufkommen.

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Auch das Grundrecht des Klägers zu 2 auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (BVerfG aaO), das hier im Rahmen der Prüfung der Rechtsansprüche des Klägers zu 1 herangezogen werden kann, ist gewahrt. Bei der Berücksichtigung seiner Erwerbsunfähigkeitsrente bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit seines Sohnes im SGB II wurde bei dem Kläger zu 2 - unabhängig davon, dass für ihn keine Rechtspflicht zur Zahlung an den Sohn entstand - ein "fürsorgerechtlicher Selbstbehalt", der dem Existenzminimum im SGB II entspricht (zur Berücksichtigung des Existenzminimums als Selbstbehalt beim Erwachsenenunterhalt gemäß § 1603 BGB vgl auch Klinkhammer, FamRZ 2010, 845, 847)zu Grunde gelegt. Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nach dem SGB II wird nur der Einkommensanteil des Klägers zu 2 bei seinem Sohn als Einkommen berücksichtigt, der das dem Kläger zu 2 zustehende Existenzminimum nach den Bestimmungen des SGB II überschreitet. Insofern scheidet auch ein Verstoß gegen Art 1 IVm Art 20 Abs 1 GG aus.

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b) Auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG liegt nicht vor. Soweit die Revision geltend macht, die Altersgrenze von 25 Jahren sei willkürlich gewählt, ist den Klägern einzuräumen, dass auch bei 26- oder 27-jährigen Kindern, die weiterhin im Haushalt ihrer Eltern leben, eine Ersparnis der Generalkosten anfällt und die Lage in tatsächlicher Hinsicht nicht anders ist als bei Kindern unter 25 Jahren. Insofern ist der Revision zuzugestehen, dass das BVerfG in seinem Urteil vom 9.2.2010 (aaO) betont hat, dass aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums auch folgt, dass der Gesetzgeber die maßgeblichen Entscheidungen in einem transparenten Verfahren anhand sachgerechter Kriterien zu fällen hat (BVerfG, aaO, RdNr 139 ff). Ob dies allerdings für jede im SGB II gewählte Altersgrenze gilt, lässt sich dem Urteil des BVerfG nicht zweifelsfrei entnehmen. Hinzu kommt, dass dem Gesetzgeber im Rahmen des Art 3 Abs 1 GG bei sogenannten Stichtagsregelungen generell ein weiter Ermessensspielraum zusteht. Die mit der formellen Starrheit eines Stichtags verbundenen zwangsweise Härten sind grundsätzlich hinzunehmen (vgl BVerfGE 71, 364, 397 ff; 77, 308, 338; 80, 297, 311 = SozR 5795 § 4 Nr 8 S 27; BVerfGE 87, 1, 43, 47 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 12, 15). Der Gesetzgeber verfolgte mit der Einführung der 25-Jahresgrenze zudem verfassungsrechtlich legitime Zwecke (vgl BT-Drucks 16/688 S 13, zu Nr 2, zu Buchst b). Es sollte insbesondere verhindert werden, dass Kinder, die im Haushalt der Eltern leben, mit Erreichen der Volljährigkeit automatisch eine eigene Bedarfsgemeinschaft bilden (zu den Motiven des Gesetzgebers insoweit auch Wenner, SozSich 2005, 413, der aufzeigt, dass der Steuerzahler nach der früheren Regelung den Auszug aus dem Elternhaus zu finanzieren hatte).

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Soweit die Revision schließlich geltend macht, Art 3 Abs 2 GG werde verletzt, weil nur das Einkommen von Eltern berücksichtigt werde, die mit dem erwachsenen Kind in einem Haushalt leben, nicht hingegen dasjenige einer getrenntlebenden Ehefrau, die insofern privilegiert werde, so wird verkannt, dass zwischen dem Kläger zu 2 und einem getrenntlebenden bzw nicht im Haushalt lebenden Elternteil Unterschiede von "solcher Art und solchem Gewicht" bestehen (vgl hierzu BVerfGE 55, 72, 88; 84, 133, 157; 87, 1, 36 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7; BVerfGE 95, 39, 45; 102, 41, 54 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3 S 18; vgl auch BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 20 RdNr 14), die diese Ungleichbehandlung rechtfertigen. Der Gesetzgeber des SGB II durfte bei der Regelung der Bedarfsgemeinschaft gerade an den Gesichtspunkt anknüpfen, dass gemeinsam in einer Wohnung bzw in einem Haushalt zusammenlebende Verwandte in gerader Linie sich auch tatsächlich Unterhalt leisten. Lebt - wie hier - die Mutter des Klägers zu 1 nicht in dem Haushalt, so ist sie nach den fürsorgerechtlichen Regelungen gerade nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft. Dieser Unterschied rechtfertigt auch die je unterschiedliche Behandlung des Einkommens des Vaters und der Mutter des Klägers zu 1.

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c) Die Berücksichtigung der Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers zu 2 als Einkommen seines Sohnes verletzt schließlich auch nicht das Eigentumsgrundrecht des Klägers zu 2, was hier im Rahmen des Vorbringens des Klägers zu 1 zu würdigen ist. Hierbei ist nochmals klarzustellen, dass für den Kläger zu 2 aus der Berücksichtigung seiner Rente als Einkommen seines Sohnes im SGB II keinerlei rechtliche Pflichten erwachsen, seinen Sohn tatsächlich mit dem betreffenden Betrag auch zu unterstützten (vgl oben unter 1.). Darüber hinaus ist entgegen der Rechtsauffassung der Revision auch bereits der Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts des Art 14 Abs 1 GG nicht berührt. Durch die Berücksichtigung der Erwerbsunfähigkeitsrente als Einkommen bei dem Sohn wird allenfalls das Vermögen des Klägers zu 2 gefährdet, der eventuell moralisch - nicht rechtlich - sich verpflichtet fühlen könnte, seinen Sohn zu unterstützen. Berührt ist damit in keiner Weise die spezifische Substanz seiner ggf eigentumsgeschützten Rentenanwartschaft (zum Eigentumsschutz der Rentenanwartschaften vgl BVerfGE 53, 257, 291; 69, 272, 301 = SozR 2200 § 165 Nr 81 S 126). Das Vermögen als solches ist von Art 14 Abs 1 GG nicht geschützt (vgl insbesondere BVerfGE 78, 232, 243; 91, 207, 220; 95, 267, 300).

21

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen den Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger zu 1 für den Zeitraum vom 1.10.2006 bis 31.3.2007 ein Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zusteht. Streitig ist dabei insbesondere, ob die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit des Klägers zu 2 als Einkommen zu berücksichtigen ist.

2

Der ledige Kläger zu 1 ist am 1985 geboren. Er lebt mit seinem 1961 geborenen Vater (Kläger zu 2) in einem gemeinsamen Haushalt im Eigenheim des Klägers zu 2. Weiterhin lebt in diesem Haus die 1986 geborene Schwester, die über eigenes Einkommen verfügt und keine Ansprüche nach dem SGB II geltend macht. Der Kläger zu 2 bezieht eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer, die ab Juli 2005 in einer Höhe von monatlich 615,84 Euro gewährt wurde. Der Kläger zu 1 bezog bis August 2005 Arbeitslosengeld (Alg) nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch. Anschließend stand er im Bezug von Alg II. Von Juni bis September 2006 war er gegen Entgelt als Maler beschäftigt. Das dabei erzielte Entgelt deckte seinen Bedarf, sodass für diesen Zeitraum kein Anspruch auf Alg II geltend gemacht wurde.

3

Am 22.9.2006 beantragte der Kläger zu 1 die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II, weil er weder Einkommen erziele noch über Vermögen verfüge. Daraufhin bewilligte die Beklagte ihm mit Bescheid vom 8.11.2006 Alg II in Höhe von 400,64 Euro für den Oktober 2006 und in Höhe von monatlich 175,64 Euro für den Zeitraum von November 2006 bis März 2007. Die Beklagte ging dabei von einer Regelleistung für den Kläger zu 1 in Höhe von 276 Euro monatlich, sowie von einem Zuschlag von 80 Euro monatlich aus. Die Kosten der Unterkunft bezifferte sie für den Oktober 2006 mit 235,92 Euro und für den Zeitraum November 2006 bis März 2007 mit 10,92 Euro monatlich. Weiterhin berücksichtigte die Beklagte die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers zu 2 mit jeweils monatlich 191,28 Euro als Einkommen.

4

Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 2.2.2007). Nach der ab 1.7.2006 maßgeblichen Rechtslage bilde der Kläger zu 1 gemäß § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II als unter 25-jähriger mit seinem Vater eine Bedarfsgemeinschaft. Die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers zu 2 sei daher als Einkommen zu berücksichtigen. Die Rente in Höhe von monatlich 615,84 Euro sei jedoch um die Versicherungspauschale von 30 Euro, um die Aufwendungen für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung von 38,64 Euro monatlich auf 547,20 Euro monatlich zu bereinigen. Lege man bei dem Kläger zu 2 einen Bedarf in Höhe von 355,92 Euro monatlich zu Grunde (345 Euro monatliche Regelleistung und 10,92 Euro Kosten der Unterkunft), so sei der diesen Bedarf übersteigende Betrag von 191,28 Euro als Einkommen bei dem Kläger zu 1 zu berücksichtigen.

5

Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 10.7.2008; Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10.12.2008). Zur Begründung seines die Berufung zurückweisenden Beschlusses hat das LSG ausgeführt, die Klage des Klägers zu 2 sei bereits mangels Beschwer unzulässig gewesen. Zwar bilde er mit seinem Sohn, dem Kläger zu 1, eine Bedarfsgemeinschaft, jedoch stünden ihm keine eigenen Leistungen nach dem SGB II zu, weil er erwerbsunfähig sei. Verfahrensrechtlich zu Recht habe der Kläger zu 1 Leistungen nur an sich selbst geltend gemacht, weil die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden über Ansprüche des Klägers zu 2 auch keine Verfügung iS des § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch getroffen habe. Die Klage des Klägers zu 1 habe keinen Erfolg. Die Berücksichtigung des Einkommens des Klägers zu 2 folge aus seiner Mitgliedschaft in einer Bedarfsgemeinschaft mit dem Kläger zu 1. Nach § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II in der ab 1.7.2006 geltenden Fassung gehöre auch der im Haushalt lebende nicht erwerbsfähige Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, zur Bedarfsgemeinschaft. Der Gesetzgeber habe mit dem Gesetz vom 24.3.2006 die ursprüngliche Altersgrenze von 18 Jahren als Austrittsgrenze aus der Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern auf 25 Jahre angehoben, um bewusst keinen Anreiz mehr zum Auszug aus dem elterlichen Haushalt und zur Gründung eines eigenen Haushalts zu schaffen. Nach der gesetzgeberischen Konzeption des § 7 SGB II würden die Kläger zu 1 und zu 2 eine Bedarfsgemeinschaft bilden, die mit bürgerlich rechtlichen Unterhaltspflichten nicht zur Deckung gebracht werden könne. Es bestünden auch keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Regelung. Das Bundessozialgericht (BSG) habe entschieden, dass der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums berechtigt sei, typisierende Regelungen zu schaffen, bei denen das Eintreten Dritter auf Grund rechtlicher oder moralischer Verpflichtung typischerweise erwartet werden könne. So lägen die Verhältnisse hier, weil auch aus dem von der Verfassung geschützten tradierten Familienbild (Art 6 Abs 2 Grundgesetz ) folge, dass leibliche Eltern ihre bei ihnen wohnenden Kinder in Notsituationen unterstützen würden. Hieran habe der Gesetzgeber anknüpfen dürfen. Auch sei ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG nicht zu erkennen. Der Gesetzgeber habe bei der Neuregelung der Altersgrenze (25 Jahre) zum 1.7.2006 typischerweise davon ausgehen dürfen, dass Kinder bis zu 25 Jahren, die zusammen mit ihren Eltern in einem gemeinsamen Haushalt leben, Unterstützung innerhalb der Haushaltsgemeinschaft erhielten.

6

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer, vom Senat zugelassenen, Revision. Sie rügen eine Verletzung des § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II in der ab 1.7.2006 geltenden Fassung iVm § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II. Diese Regelungen verstießen gegen Verfassungsrecht. Insbesondere rügen sie eine Verletzung der Art 20 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG und Art 14 Abs 1 GG. Hinsichtlich des Klägers zu 1 liege eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips (Art 20 Abs 1 GG) vor. Bei ihm würden fiktive Unterhaltsleistungen des Klägers zu 2 berücksichtigt, die familienrechtlich überhaupt nicht bestünden. Nach § 1603 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) stehe dem Kläger zu 2 ein Selbstbehalt zu, den er mit seiner Erwerbsunfähigkeitsrente nicht erreiche. Der Anspruch des Klägers zu 1 auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts dürfe nicht von einem familienrechtlich nicht bestehenden Unterhaltsanspruch abhängig gemacht werden. Des Weiteren werde der Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG verletzt. Die gerügten Normen bewirkten, dass junge Erwachsene unter 25 Jahren auf staatliche Hilfe keinen oder nur geringeren Anspruch hätten, während Personen in derselben Lebenslage ab dem 25. Geburtstag Hilfe erhielten. Eine Änderung in den Verhältnissen trete aber durch die Vollendung des 25. Lebensjahres nicht ein. Es sei daher nicht nachvollziehbar, wieso Erwachsene, die nach dem 25. Lebensjahr bei ihren Eltern lebten, nicht in die Bedarfsgemeinschaft einbezogen werden müssten. Der Kläger zu 2 macht geltend, dass durch die Berücksichtigung seiner Erwerbsunfähigkeitsrente, die lediglich etwa 615 Euro monatlich betrage, sein durch Art 14 Abs 1 GG geschütztes Eigentum verletzt werde, weil ihm die wirtschaftliche Verfügungsmacht über diese Rente entzogen werde. Des Weiteren rügt der Kläger zu 2 eine Verletzung des Gleichheitssatzes, weil die Mutter des Klägers zu 1, die sich nicht um den Kläger zu 1 kümmere, in keiner Weise belastet werde. Er habe den Kläger zu 1 in seinem Haushalt aufgenommen und allein erzogen, mit der Konsequenz, dass seine Rente nunmehr als Einkommen bei seinem Sohn berücksichtigt werde. Im Übrigen sei auch davon auszugehen, dass § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II nunmehr insbesondere Frauen benachteilige, die in der Regel die Last der Alleinerziehung tragen würden. Insofern werde wegen der mittelbaren Diskriminierung durch diese Norm auch ein Verstoß gegen Art 3 Abs 2 GG gerügt. Der Kläger zu 1 macht im Revisionsverfahren darüber hinaus geltend, dass ihm die Regelleistung in Höhe von 100 vH (345 Euro) und nicht nur in Höhe von 276 Euro zustehen müsse.

7
Die Kläger beantragen,
1.
den Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Dezember 2008 und das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 10. Juli 2008 aufzuheben,
2.
die Beklagte unter Änderung ihres Bescheids vom 8. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Februar 2007 zu verurteilen, an den Kläger zu 1 höheres Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich zusätzlich 260,28 Euro für den Zeitraum vom 1. November 2006 bis 31. März 2007 zu zahlen.
8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Die Beklagte hält die Revision des Klägers zu 1 für unbegründet, diejenige des Klägers zu 2 für unzulässig. Der Kläger zu 2 werde durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert. Die Berechnung der Höhe des dem Kläger zu 1 zustehenden Alg II entspreche der nach dem 1.7.2006 geltenden Rechtslage. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Rechtslage bestünden nicht. Im Übrigen habe das BSG bereits entschieden, dass aus einer Inkongruenz zwischen zivilrechtlichen Unterhaltspflichten und öffentlich rechtlichen Einstandspflichten keine zwingende Verfassungswidrigkeit der sozialrechtlichen Regelungen folge (Hinweis auf das Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 2/08 R).

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers zu 2 ist unbegründet, weil dieser nicht klagebefugt ist (vgl unter 1.). Die Revision des Klägers zu 1 ist nicht begründet, denn die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, dass die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers zu 2 bei dem Kläger zu 1 als Einkommen zu berücksichtigen ist (vgl im Einzelnen unter 2.). Es bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass der Gesetzgeber in § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II davon ausging, dass zwischen dem im streitigen Zeitraum 21 Jahre alten Kläger zu 1 und seinem erwerbsunfähigen Vater (Kläger zu 2) eine Bedarfsgemeinschaft bestand(hierzu unter 3.).

11

1. Die Revision des Klägers zu 2 ist unbegründet, denn der Kläger zu 2 ist nicht klagebefugt. Er kann sich keiner Verletzung seiner spezifisch rechtlichen Interessen durch die Berücksichtigung seiner Erwerbsunfähigkeitsrente als Einkommen seines Sohnes, des Klägers zu 1 (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 12a ff), berühmen. Das BSG hat klargestellt, dass es sich bei den Ansprüchen der Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft um Einzelansprüche handelt, die jeweils gesondert und einzeln von dem rechtlich Betroffenen gerichtlich geltend zu machen sind (grundlegend BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217, 219 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 12 ff). Der Kläger zu 2 kann keine eigenen rechtlichen Ansprüche im Rahmen des SGB II geltend machen, weil er vom Leistungsbezug gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2 iVm § 8 SGB II ausgeschlossen ist. Soweit er höhere Leistungen für seinen Sohn, den Kläger zu 1, fordert, steht das rechtliche Interesse hieran ausschließlich seinem Sohn zu. Dass bei dem Kläger zu 1 die Rente des Klägers zu 2 wegen ihrer Berücksichtigung als Einkommen zu einem geringeren Leistungssatz führt, berührt mithin lediglich die wirtschaftlichen Interessen des Klägers zu 2. Denn das BSG hat ebenfalls klargestellt, dass aus der Verklammerung von Personen zu Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft im SGB II keinerlei Rechtsansprüche der zusammenveranlagten Personen auf Unterhaltsleistungen bzw auf einen sozialrechtlichen Ausgleich der berücksichtigten Einkommensanteile entstehen (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 14 AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 29: "Es ist... nicht Aufgabe des SGB II, bis in jede Einzelheit für eine Verteilung der für das Existenzminimum der einzelnen Personen notwendigen Gelder zwischen allen Beteiligten zu sorgen"). So kann der Kläger zu 1 den bei ihm berücksichtigten Einkommensanteil aus der Erwerbsunfähigkeitsrente seines Vaters gegen diesen nicht (sozial-) rechtlich geltend machen, weshalb rechtliche Interessen des Klägers zu 2 hierdurch gerade nicht berührt werden können. Die bloß wirtschaftliche Reflexwirkung der Entscheidung gegenüber dem Kläger zu 1 auf den Gesamthaushalt der beiden Kläger schafft noch keine Klagebefugnis für den Kläger zu 2.

12

2. Dem Kläger zu 1 stehen im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1.10.2006 bis 31.3.2007 keine höheren als die ihm durch den Bescheid vom 8.11.2006 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.2.2007) bewilligten Leistungen zu. Der Kläger zu 1 war nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG erwerbsfähig iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II. Der Kläger zu 1 war auch hilfebedürftig gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II. Bei Prüfung der Hilfebedürftigkeit war die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers zu 2 als Einkommen zu berücksichtigen. Der Kläger zu 2 war zwar als Bezieher einer Erwerbsunfähigkeitsrente wegen dauerhafter Erwerbsunfähigkeit vom Bezug der Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Dennoch bestand zwischen ihm und seinem im streitigen Zeitraum 21jährigen Sohn gemäß § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II eine Bedarfsgemeinschaft. Hiernach gehören zur Bedarfsgemeinschaft die im Haushalt lebenden Eltern eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (vgl § 7 Abs 3 SGB II idF des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24.3.2006, BGBl I 558; in Kraft ab 1.7.2006). Dass der Kläger zu 2 selbst keine Leistungen nach dem SGB II beziehen konnte, hindert nicht das Entstehen einer sogenannten gemischten Bedarfsgemeinschaft.

13

Nach § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II(hier in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706) war das Einkommen des Vaters des Klägers zu 1 bei diesem als Einkommen zu berücksichtigen. § 9 Abs 2 Satz 2 bestimmt: Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen können, sind auf das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partner zu berücksichtigen. Zu Recht hat die Beklagte daher den Anteil der Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von 191,28 Euro, der den (fiktiven) Bedarf des Klägers zu 2 nach dem SGB II übersteigt, als Einkommen bei dem Kläger zu 1 berücksichtigt. Gegen die weitere Berechnung der Höhe der Leistungen des Klägers zu 1 sind weder Bedenken vorgetragen, noch nach dem Gesamtinhalt der Akten ersichtlich. Insbesondere bestehen auch keine (verfassungs-)rechtlichen Probleme, weil dem Kläger zu 1 lediglich eine Regelleistung in Höhe von 80 vH gemäß § 20 Abs 2 Satz 2 SGB II zuerkannt wurde. Es ist kein rechtlicher Ansatzpunkt erkennbar, nach dem der Kläger zu 1 wie ein Alleinstehender gemäß § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II behandelt werden könnte, mit der Konsequenz, dass ihm eine Regelleistung in Höhe von 100 vH zustehen würde. Der Kläger zu 1 soll vielmehr nach dem Willen des Gesetzgebers des SGB II - wie ausgeführt - gerade keine "eigene" Bedarfsgemeinschaft für sich bilden.

14

3. Entgegen der Rechtsansicht der Revision ist die Vorschrift des § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II in der ab 1.7.2006 (aaO) geltenden Fassung auch nicht verfassungswidrig.

15

a) Die Regelung des § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II(iVm § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II) verletzt nicht Art 1 iVm Art 20 Abs 1 GG. Dem Kläger zu 1 steht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ( Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09 -) aus Art 1 und Art 20 Abs 1 GG zwar ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zu. Das BVerfG hat jedoch auch betont, dass dem Gesetzgeber bei der genauen Ausgestaltung und Bezifferung des grundrechtlich zu gewährenden Existenzminimums ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht (aaO, RdNr 133). Im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums kann und darf der Gesetzgeber davon ausgehen, dass ein Hilfebedürftiger nach dem SGB II zunächst Hilfe von Anderen zu beanspruchen hat, was aus dem Grundsatz der Subsidiarität der steuerfinanzierten Leistungen nach dem SGB II folgt (vgl § 3 Abs 3 Satz 1 SGB II). Der Gesetzgeber war bei der Ausgestaltung des Subsidiaritätsgrundsatzes und dem Prinzip, dass Hilfebedürftige gehalten sind, jede Unterstützung von anderen einzuholen, nicht gehalten, an die Regelungen des zivilrechtlichen Unterhaltsrechts anzuknüpfen (zum Verhältnis von zivilrechtlichem Unterhaltsrecht und SGB II vgl Udsching, 18. Deutscher Familiengerichtstag, 2010, S 39 ff). Die Kläger weisen zwar zu Recht darauf hin, dass angesichts der geringen Höhe der Erwerbsunfähigkeitsrente von etwa 615 Euro monatlich ein zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch gemäß § 1603 Abs 1 BGB angesichts des Selbstbehalts des Klägers zu 2 wohl nicht bestanden hätte(zum Selbstbehalt von 1100 Euro - ggf abzüglich des Vorteils des Wohnens im eigenen Haus vgl Palandt/Diederichsen, BGB, 69. Aufl 2010, Einf v § 1601, RdNr 24).

16

Der fürsorgerechtliche Gesetzgeber darf jedoch bei der Frage, ob der Einsatz staatlicher Mittel gerechtfertigt ist, von den Regelungen des Unterhaltsrechts abweichen und typisierend unterstellen, dass in einem Haushalt zusammenlebende Familienangehörige (die hier in gerader Linie verwandt sind) sich unterstützen. Dies hat der Senat im Einzelnen in seinem Urteil vom 13.11.2008 (B 14 AS 2/08 R - BSGE 102, 76 = SozR 4-4200 § 9 Nr 7; zustimmende Anmerkung von Schürmann, SGb 2009, 741) begründet. Der Gesetzgeber darf mithin (so das BSG, aaO, RdNr 35) bei der Gewährung von Sozialleistungen unabhängig von bestehenden bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflichten die Annahme von Hilfebedürftigkeit davon abhängig machen, ob sich für den Einzelnen typisierend aus dem Zusammenleben mit anderen Personen Vorteile ergeben, die die Gewährung staatlicher Hilfe nicht oder nur noch in eingeschränktem Umfang gerechtfertigt erscheinen lassen. Dabei kann allerdings nicht jedes Zusammenleben in einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft beachtlich sein. Nur wenn die Bindungen der Partner so eng sind, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann und sie sich so sehr füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen nicht dauernd getrenntlebender Ehegatten bzw der eingetragenen Lebenspartnerschaften, in denen Unterhaltsansprüche tatsächlich bestehen, vergleichbar (vgl BVerfGE 87, 234 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3). Der Gesetzgeber durfte hier typisierend unterstellen, dass Eltern, die mit ihren unter 25-jährigen Kindern in einem Haushalt zusammenleben, auch tatsächlich für diese aufkommen.

17

Auch das Grundrecht des Klägers zu 2 auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (BVerfG aaO), das hier im Rahmen der Prüfung der Rechtsansprüche des Klägers zu 1 herangezogen werden kann, ist gewahrt. Bei der Berücksichtigung seiner Erwerbsunfähigkeitsrente bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit seines Sohnes im SGB II wurde bei dem Kläger zu 2 - unabhängig davon, dass für ihn keine Rechtspflicht zur Zahlung an den Sohn entstand - ein "fürsorgerechtlicher Selbstbehalt", der dem Existenzminimum im SGB II entspricht (zur Berücksichtigung des Existenzminimums als Selbstbehalt beim Erwachsenenunterhalt gemäß § 1603 BGB vgl auch Klinkhammer, FamRZ 2010, 845, 847)zu Grunde gelegt. Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nach dem SGB II wird nur der Einkommensanteil des Klägers zu 2 bei seinem Sohn als Einkommen berücksichtigt, der das dem Kläger zu 2 zustehende Existenzminimum nach den Bestimmungen des SGB II überschreitet. Insofern scheidet auch ein Verstoß gegen Art 1 IVm Art 20 Abs 1 GG aus.

18

b) Auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG liegt nicht vor. Soweit die Revision geltend macht, die Altersgrenze von 25 Jahren sei willkürlich gewählt, ist den Klägern einzuräumen, dass auch bei 26- oder 27-jährigen Kindern, die weiterhin im Haushalt ihrer Eltern leben, eine Ersparnis der Generalkosten anfällt und die Lage in tatsächlicher Hinsicht nicht anders ist als bei Kindern unter 25 Jahren. Insofern ist der Revision zuzugestehen, dass das BVerfG in seinem Urteil vom 9.2.2010 (aaO) betont hat, dass aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums auch folgt, dass der Gesetzgeber die maßgeblichen Entscheidungen in einem transparenten Verfahren anhand sachgerechter Kriterien zu fällen hat (BVerfG, aaO, RdNr 139 ff). Ob dies allerdings für jede im SGB II gewählte Altersgrenze gilt, lässt sich dem Urteil des BVerfG nicht zweifelsfrei entnehmen. Hinzu kommt, dass dem Gesetzgeber im Rahmen des Art 3 Abs 1 GG bei sogenannten Stichtagsregelungen generell ein weiter Ermessensspielraum zusteht. Die mit der formellen Starrheit eines Stichtags verbundenen zwangsweise Härten sind grundsätzlich hinzunehmen (vgl BVerfGE 71, 364, 397 ff; 77, 308, 338; 80, 297, 311 = SozR 5795 § 4 Nr 8 S 27; BVerfGE 87, 1, 43, 47 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 12, 15). Der Gesetzgeber verfolgte mit der Einführung der 25-Jahresgrenze zudem verfassungsrechtlich legitime Zwecke (vgl BT-Drucks 16/688 S 13, zu Nr 2, zu Buchst b). Es sollte insbesondere verhindert werden, dass Kinder, die im Haushalt der Eltern leben, mit Erreichen der Volljährigkeit automatisch eine eigene Bedarfsgemeinschaft bilden (zu den Motiven des Gesetzgebers insoweit auch Wenner, SozSich 2005, 413, der aufzeigt, dass der Steuerzahler nach der früheren Regelung den Auszug aus dem Elternhaus zu finanzieren hatte).

19

Soweit die Revision schließlich geltend macht, Art 3 Abs 2 GG werde verletzt, weil nur das Einkommen von Eltern berücksichtigt werde, die mit dem erwachsenen Kind in einem Haushalt leben, nicht hingegen dasjenige einer getrenntlebenden Ehefrau, die insofern privilegiert werde, so wird verkannt, dass zwischen dem Kläger zu 2 und einem getrenntlebenden bzw nicht im Haushalt lebenden Elternteil Unterschiede von "solcher Art und solchem Gewicht" bestehen (vgl hierzu BVerfGE 55, 72, 88; 84, 133, 157; 87, 1, 36 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7; BVerfGE 95, 39, 45; 102, 41, 54 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3 S 18; vgl auch BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 20 RdNr 14), die diese Ungleichbehandlung rechtfertigen. Der Gesetzgeber des SGB II durfte bei der Regelung der Bedarfsgemeinschaft gerade an den Gesichtspunkt anknüpfen, dass gemeinsam in einer Wohnung bzw in einem Haushalt zusammenlebende Verwandte in gerader Linie sich auch tatsächlich Unterhalt leisten. Lebt - wie hier - die Mutter des Klägers zu 1 nicht in dem Haushalt, so ist sie nach den fürsorgerechtlichen Regelungen gerade nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft. Dieser Unterschied rechtfertigt auch die je unterschiedliche Behandlung des Einkommens des Vaters und der Mutter des Klägers zu 1.

20

c) Die Berücksichtigung der Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers zu 2 als Einkommen seines Sohnes verletzt schließlich auch nicht das Eigentumsgrundrecht des Klägers zu 2, was hier im Rahmen des Vorbringens des Klägers zu 1 zu würdigen ist. Hierbei ist nochmals klarzustellen, dass für den Kläger zu 2 aus der Berücksichtigung seiner Rente als Einkommen seines Sohnes im SGB II keinerlei rechtliche Pflichten erwachsen, seinen Sohn tatsächlich mit dem betreffenden Betrag auch zu unterstützten (vgl oben unter 1.). Darüber hinaus ist entgegen der Rechtsauffassung der Revision auch bereits der Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts des Art 14 Abs 1 GG nicht berührt. Durch die Berücksichtigung der Erwerbsunfähigkeitsrente als Einkommen bei dem Sohn wird allenfalls das Vermögen des Klägers zu 2 gefährdet, der eventuell moralisch - nicht rechtlich - sich verpflichtet fühlen könnte, seinen Sohn zu unterstützen. Berührt ist damit in keiner Weise die spezifische Substanz seiner ggf eigentumsgeschützten Rentenanwartschaft (zum Eigentumsschutz der Rentenanwartschaften vgl BVerfGE 53, 257, 291; 69, 272, 301 = SozR 2200 § 165 Nr 81 S 126). Das Vermögen als solches ist von Art 14 Abs 1 GG nicht geschützt (vgl insbesondere BVerfGE 78, 232, 243; 91, 207, 220; 95, 267, 300).

21

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

Tenor

Die Revision der Kläger gegen den Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger zu 1 für den Zeitraum vom 1.10.2006 bis 31.3.2007 ein Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zusteht. Streitig ist dabei insbesondere, ob die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit des Klägers zu 2 als Einkommen zu berücksichtigen ist.

2

Der ledige Kläger zu 1 ist am 1985 geboren. Er lebt mit seinem 1961 geborenen Vater (Kläger zu 2) in einem gemeinsamen Haushalt im Eigenheim des Klägers zu 2. Weiterhin lebt in diesem Haus die 1986 geborene Schwester, die über eigenes Einkommen verfügt und keine Ansprüche nach dem SGB II geltend macht. Der Kläger zu 2 bezieht eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer, die ab Juli 2005 in einer Höhe von monatlich 615,84 Euro gewährt wurde. Der Kläger zu 1 bezog bis August 2005 Arbeitslosengeld (Alg) nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch. Anschließend stand er im Bezug von Alg II. Von Juni bis September 2006 war er gegen Entgelt als Maler beschäftigt. Das dabei erzielte Entgelt deckte seinen Bedarf, sodass für diesen Zeitraum kein Anspruch auf Alg II geltend gemacht wurde.

3

Am 22.9.2006 beantragte der Kläger zu 1 die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II, weil er weder Einkommen erziele noch über Vermögen verfüge. Daraufhin bewilligte die Beklagte ihm mit Bescheid vom 8.11.2006 Alg II in Höhe von 400,64 Euro für den Oktober 2006 und in Höhe von monatlich 175,64 Euro für den Zeitraum von November 2006 bis März 2007. Die Beklagte ging dabei von einer Regelleistung für den Kläger zu 1 in Höhe von 276 Euro monatlich, sowie von einem Zuschlag von 80 Euro monatlich aus. Die Kosten der Unterkunft bezifferte sie für den Oktober 2006 mit 235,92 Euro und für den Zeitraum November 2006 bis März 2007 mit 10,92 Euro monatlich. Weiterhin berücksichtigte die Beklagte die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers zu 2 mit jeweils monatlich 191,28 Euro als Einkommen.

4

Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 2.2.2007). Nach der ab 1.7.2006 maßgeblichen Rechtslage bilde der Kläger zu 1 gemäß § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II als unter 25-jähriger mit seinem Vater eine Bedarfsgemeinschaft. Die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers zu 2 sei daher als Einkommen zu berücksichtigen. Die Rente in Höhe von monatlich 615,84 Euro sei jedoch um die Versicherungspauschale von 30 Euro, um die Aufwendungen für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung von 38,64 Euro monatlich auf 547,20 Euro monatlich zu bereinigen. Lege man bei dem Kläger zu 2 einen Bedarf in Höhe von 355,92 Euro monatlich zu Grunde (345 Euro monatliche Regelleistung und 10,92 Euro Kosten der Unterkunft), so sei der diesen Bedarf übersteigende Betrag von 191,28 Euro als Einkommen bei dem Kläger zu 1 zu berücksichtigen.

5

Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 10.7.2008; Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10.12.2008). Zur Begründung seines die Berufung zurückweisenden Beschlusses hat das LSG ausgeführt, die Klage des Klägers zu 2 sei bereits mangels Beschwer unzulässig gewesen. Zwar bilde er mit seinem Sohn, dem Kläger zu 1, eine Bedarfsgemeinschaft, jedoch stünden ihm keine eigenen Leistungen nach dem SGB II zu, weil er erwerbsunfähig sei. Verfahrensrechtlich zu Recht habe der Kläger zu 1 Leistungen nur an sich selbst geltend gemacht, weil die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden über Ansprüche des Klägers zu 2 auch keine Verfügung iS des § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch getroffen habe. Die Klage des Klägers zu 1 habe keinen Erfolg. Die Berücksichtigung des Einkommens des Klägers zu 2 folge aus seiner Mitgliedschaft in einer Bedarfsgemeinschaft mit dem Kläger zu 1. Nach § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II in der ab 1.7.2006 geltenden Fassung gehöre auch der im Haushalt lebende nicht erwerbsfähige Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, zur Bedarfsgemeinschaft. Der Gesetzgeber habe mit dem Gesetz vom 24.3.2006 die ursprüngliche Altersgrenze von 18 Jahren als Austrittsgrenze aus der Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern auf 25 Jahre angehoben, um bewusst keinen Anreiz mehr zum Auszug aus dem elterlichen Haushalt und zur Gründung eines eigenen Haushalts zu schaffen. Nach der gesetzgeberischen Konzeption des § 7 SGB II würden die Kläger zu 1 und zu 2 eine Bedarfsgemeinschaft bilden, die mit bürgerlich rechtlichen Unterhaltspflichten nicht zur Deckung gebracht werden könne. Es bestünden auch keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Regelung. Das Bundessozialgericht (BSG) habe entschieden, dass der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums berechtigt sei, typisierende Regelungen zu schaffen, bei denen das Eintreten Dritter auf Grund rechtlicher oder moralischer Verpflichtung typischerweise erwartet werden könne. So lägen die Verhältnisse hier, weil auch aus dem von der Verfassung geschützten tradierten Familienbild (Art 6 Abs 2 Grundgesetz ) folge, dass leibliche Eltern ihre bei ihnen wohnenden Kinder in Notsituationen unterstützen würden. Hieran habe der Gesetzgeber anknüpfen dürfen. Auch sei ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG nicht zu erkennen. Der Gesetzgeber habe bei der Neuregelung der Altersgrenze (25 Jahre) zum 1.7.2006 typischerweise davon ausgehen dürfen, dass Kinder bis zu 25 Jahren, die zusammen mit ihren Eltern in einem gemeinsamen Haushalt leben, Unterstützung innerhalb der Haushaltsgemeinschaft erhielten.

6

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer, vom Senat zugelassenen, Revision. Sie rügen eine Verletzung des § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II in der ab 1.7.2006 geltenden Fassung iVm § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II. Diese Regelungen verstießen gegen Verfassungsrecht. Insbesondere rügen sie eine Verletzung der Art 20 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG und Art 14 Abs 1 GG. Hinsichtlich des Klägers zu 1 liege eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips (Art 20 Abs 1 GG) vor. Bei ihm würden fiktive Unterhaltsleistungen des Klägers zu 2 berücksichtigt, die familienrechtlich überhaupt nicht bestünden. Nach § 1603 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) stehe dem Kläger zu 2 ein Selbstbehalt zu, den er mit seiner Erwerbsunfähigkeitsrente nicht erreiche. Der Anspruch des Klägers zu 1 auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts dürfe nicht von einem familienrechtlich nicht bestehenden Unterhaltsanspruch abhängig gemacht werden. Des Weiteren werde der Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG verletzt. Die gerügten Normen bewirkten, dass junge Erwachsene unter 25 Jahren auf staatliche Hilfe keinen oder nur geringeren Anspruch hätten, während Personen in derselben Lebenslage ab dem 25. Geburtstag Hilfe erhielten. Eine Änderung in den Verhältnissen trete aber durch die Vollendung des 25. Lebensjahres nicht ein. Es sei daher nicht nachvollziehbar, wieso Erwachsene, die nach dem 25. Lebensjahr bei ihren Eltern lebten, nicht in die Bedarfsgemeinschaft einbezogen werden müssten. Der Kläger zu 2 macht geltend, dass durch die Berücksichtigung seiner Erwerbsunfähigkeitsrente, die lediglich etwa 615 Euro monatlich betrage, sein durch Art 14 Abs 1 GG geschütztes Eigentum verletzt werde, weil ihm die wirtschaftliche Verfügungsmacht über diese Rente entzogen werde. Des Weiteren rügt der Kläger zu 2 eine Verletzung des Gleichheitssatzes, weil die Mutter des Klägers zu 1, die sich nicht um den Kläger zu 1 kümmere, in keiner Weise belastet werde. Er habe den Kläger zu 1 in seinem Haushalt aufgenommen und allein erzogen, mit der Konsequenz, dass seine Rente nunmehr als Einkommen bei seinem Sohn berücksichtigt werde. Im Übrigen sei auch davon auszugehen, dass § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II nunmehr insbesondere Frauen benachteilige, die in der Regel die Last der Alleinerziehung tragen würden. Insofern werde wegen der mittelbaren Diskriminierung durch diese Norm auch ein Verstoß gegen Art 3 Abs 2 GG gerügt. Der Kläger zu 1 macht im Revisionsverfahren darüber hinaus geltend, dass ihm die Regelleistung in Höhe von 100 vH (345 Euro) und nicht nur in Höhe von 276 Euro zustehen müsse.

7
Die Kläger beantragen,
1.
den Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Dezember 2008 und das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 10. Juli 2008 aufzuheben,
2.
die Beklagte unter Änderung ihres Bescheids vom 8. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Februar 2007 zu verurteilen, an den Kläger zu 1 höheres Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich zusätzlich 260,28 Euro für den Zeitraum vom 1. November 2006 bis 31. März 2007 zu zahlen.
8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Die Beklagte hält die Revision des Klägers zu 1 für unbegründet, diejenige des Klägers zu 2 für unzulässig. Der Kläger zu 2 werde durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert. Die Berechnung der Höhe des dem Kläger zu 1 zustehenden Alg II entspreche der nach dem 1.7.2006 geltenden Rechtslage. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Rechtslage bestünden nicht. Im Übrigen habe das BSG bereits entschieden, dass aus einer Inkongruenz zwischen zivilrechtlichen Unterhaltspflichten und öffentlich rechtlichen Einstandspflichten keine zwingende Verfassungswidrigkeit der sozialrechtlichen Regelungen folge (Hinweis auf das Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 2/08 R).

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers zu 2 ist unbegründet, weil dieser nicht klagebefugt ist (vgl unter 1.). Die Revision des Klägers zu 1 ist nicht begründet, denn die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, dass die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers zu 2 bei dem Kläger zu 1 als Einkommen zu berücksichtigen ist (vgl im Einzelnen unter 2.). Es bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass der Gesetzgeber in § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II davon ausging, dass zwischen dem im streitigen Zeitraum 21 Jahre alten Kläger zu 1 und seinem erwerbsunfähigen Vater (Kläger zu 2) eine Bedarfsgemeinschaft bestand(hierzu unter 3.).

11

1. Die Revision des Klägers zu 2 ist unbegründet, denn der Kläger zu 2 ist nicht klagebefugt. Er kann sich keiner Verletzung seiner spezifisch rechtlichen Interessen durch die Berücksichtigung seiner Erwerbsunfähigkeitsrente als Einkommen seines Sohnes, des Klägers zu 1 (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 12a ff), berühmen. Das BSG hat klargestellt, dass es sich bei den Ansprüchen der Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft um Einzelansprüche handelt, die jeweils gesondert und einzeln von dem rechtlich Betroffenen gerichtlich geltend zu machen sind (grundlegend BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217, 219 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 12 ff). Der Kläger zu 2 kann keine eigenen rechtlichen Ansprüche im Rahmen des SGB II geltend machen, weil er vom Leistungsbezug gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2 iVm § 8 SGB II ausgeschlossen ist. Soweit er höhere Leistungen für seinen Sohn, den Kläger zu 1, fordert, steht das rechtliche Interesse hieran ausschließlich seinem Sohn zu. Dass bei dem Kläger zu 1 die Rente des Klägers zu 2 wegen ihrer Berücksichtigung als Einkommen zu einem geringeren Leistungssatz führt, berührt mithin lediglich die wirtschaftlichen Interessen des Klägers zu 2. Denn das BSG hat ebenfalls klargestellt, dass aus der Verklammerung von Personen zu Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft im SGB II keinerlei Rechtsansprüche der zusammenveranlagten Personen auf Unterhaltsleistungen bzw auf einen sozialrechtlichen Ausgleich der berücksichtigten Einkommensanteile entstehen (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 14 AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 29: "Es ist... nicht Aufgabe des SGB II, bis in jede Einzelheit für eine Verteilung der für das Existenzminimum der einzelnen Personen notwendigen Gelder zwischen allen Beteiligten zu sorgen"). So kann der Kläger zu 1 den bei ihm berücksichtigten Einkommensanteil aus der Erwerbsunfähigkeitsrente seines Vaters gegen diesen nicht (sozial-) rechtlich geltend machen, weshalb rechtliche Interessen des Klägers zu 2 hierdurch gerade nicht berührt werden können. Die bloß wirtschaftliche Reflexwirkung der Entscheidung gegenüber dem Kläger zu 1 auf den Gesamthaushalt der beiden Kläger schafft noch keine Klagebefugnis für den Kläger zu 2.

12

2. Dem Kläger zu 1 stehen im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1.10.2006 bis 31.3.2007 keine höheren als die ihm durch den Bescheid vom 8.11.2006 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.2.2007) bewilligten Leistungen zu. Der Kläger zu 1 war nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG erwerbsfähig iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II. Der Kläger zu 1 war auch hilfebedürftig gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II. Bei Prüfung der Hilfebedürftigkeit war die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers zu 2 als Einkommen zu berücksichtigen. Der Kläger zu 2 war zwar als Bezieher einer Erwerbsunfähigkeitsrente wegen dauerhafter Erwerbsunfähigkeit vom Bezug der Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Dennoch bestand zwischen ihm und seinem im streitigen Zeitraum 21jährigen Sohn gemäß § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II eine Bedarfsgemeinschaft. Hiernach gehören zur Bedarfsgemeinschaft die im Haushalt lebenden Eltern eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (vgl § 7 Abs 3 SGB II idF des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24.3.2006, BGBl I 558; in Kraft ab 1.7.2006). Dass der Kläger zu 2 selbst keine Leistungen nach dem SGB II beziehen konnte, hindert nicht das Entstehen einer sogenannten gemischten Bedarfsgemeinschaft.

13

Nach § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II(hier in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706) war das Einkommen des Vaters des Klägers zu 1 bei diesem als Einkommen zu berücksichtigen. § 9 Abs 2 Satz 2 bestimmt: Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen können, sind auf das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partner zu berücksichtigen. Zu Recht hat die Beklagte daher den Anteil der Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von 191,28 Euro, der den (fiktiven) Bedarf des Klägers zu 2 nach dem SGB II übersteigt, als Einkommen bei dem Kläger zu 1 berücksichtigt. Gegen die weitere Berechnung der Höhe der Leistungen des Klägers zu 1 sind weder Bedenken vorgetragen, noch nach dem Gesamtinhalt der Akten ersichtlich. Insbesondere bestehen auch keine (verfassungs-)rechtlichen Probleme, weil dem Kläger zu 1 lediglich eine Regelleistung in Höhe von 80 vH gemäß § 20 Abs 2 Satz 2 SGB II zuerkannt wurde. Es ist kein rechtlicher Ansatzpunkt erkennbar, nach dem der Kläger zu 1 wie ein Alleinstehender gemäß § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II behandelt werden könnte, mit der Konsequenz, dass ihm eine Regelleistung in Höhe von 100 vH zustehen würde. Der Kläger zu 1 soll vielmehr nach dem Willen des Gesetzgebers des SGB II - wie ausgeführt - gerade keine "eigene" Bedarfsgemeinschaft für sich bilden.

14

3. Entgegen der Rechtsansicht der Revision ist die Vorschrift des § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II in der ab 1.7.2006 (aaO) geltenden Fassung auch nicht verfassungswidrig.

15

a) Die Regelung des § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II(iVm § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II) verletzt nicht Art 1 iVm Art 20 Abs 1 GG. Dem Kläger zu 1 steht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ( Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09 -) aus Art 1 und Art 20 Abs 1 GG zwar ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zu. Das BVerfG hat jedoch auch betont, dass dem Gesetzgeber bei der genauen Ausgestaltung und Bezifferung des grundrechtlich zu gewährenden Existenzminimums ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht (aaO, RdNr 133). Im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums kann und darf der Gesetzgeber davon ausgehen, dass ein Hilfebedürftiger nach dem SGB II zunächst Hilfe von Anderen zu beanspruchen hat, was aus dem Grundsatz der Subsidiarität der steuerfinanzierten Leistungen nach dem SGB II folgt (vgl § 3 Abs 3 Satz 1 SGB II). Der Gesetzgeber war bei der Ausgestaltung des Subsidiaritätsgrundsatzes und dem Prinzip, dass Hilfebedürftige gehalten sind, jede Unterstützung von anderen einzuholen, nicht gehalten, an die Regelungen des zivilrechtlichen Unterhaltsrechts anzuknüpfen (zum Verhältnis von zivilrechtlichem Unterhaltsrecht und SGB II vgl Udsching, 18. Deutscher Familiengerichtstag, 2010, S 39 ff). Die Kläger weisen zwar zu Recht darauf hin, dass angesichts der geringen Höhe der Erwerbsunfähigkeitsrente von etwa 615 Euro monatlich ein zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch gemäß § 1603 Abs 1 BGB angesichts des Selbstbehalts des Klägers zu 2 wohl nicht bestanden hätte(zum Selbstbehalt von 1100 Euro - ggf abzüglich des Vorteils des Wohnens im eigenen Haus vgl Palandt/Diederichsen, BGB, 69. Aufl 2010, Einf v § 1601, RdNr 24).

16

Der fürsorgerechtliche Gesetzgeber darf jedoch bei der Frage, ob der Einsatz staatlicher Mittel gerechtfertigt ist, von den Regelungen des Unterhaltsrechts abweichen und typisierend unterstellen, dass in einem Haushalt zusammenlebende Familienangehörige (die hier in gerader Linie verwandt sind) sich unterstützen. Dies hat der Senat im Einzelnen in seinem Urteil vom 13.11.2008 (B 14 AS 2/08 R - BSGE 102, 76 = SozR 4-4200 § 9 Nr 7; zustimmende Anmerkung von Schürmann, SGb 2009, 741) begründet. Der Gesetzgeber darf mithin (so das BSG, aaO, RdNr 35) bei der Gewährung von Sozialleistungen unabhängig von bestehenden bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflichten die Annahme von Hilfebedürftigkeit davon abhängig machen, ob sich für den Einzelnen typisierend aus dem Zusammenleben mit anderen Personen Vorteile ergeben, die die Gewährung staatlicher Hilfe nicht oder nur noch in eingeschränktem Umfang gerechtfertigt erscheinen lassen. Dabei kann allerdings nicht jedes Zusammenleben in einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft beachtlich sein. Nur wenn die Bindungen der Partner so eng sind, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann und sie sich so sehr füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen nicht dauernd getrenntlebender Ehegatten bzw der eingetragenen Lebenspartnerschaften, in denen Unterhaltsansprüche tatsächlich bestehen, vergleichbar (vgl BVerfGE 87, 234 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3). Der Gesetzgeber durfte hier typisierend unterstellen, dass Eltern, die mit ihren unter 25-jährigen Kindern in einem Haushalt zusammenleben, auch tatsächlich für diese aufkommen.

17

Auch das Grundrecht des Klägers zu 2 auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (BVerfG aaO), das hier im Rahmen der Prüfung der Rechtsansprüche des Klägers zu 1 herangezogen werden kann, ist gewahrt. Bei der Berücksichtigung seiner Erwerbsunfähigkeitsrente bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit seines Sohnes im SGB II wurde bei dem Kläger zu 2 - unabhängig davon, dass für ihn keine Rechtspflicht zur Zahlung an den Sohn entstand - ein "fürsorgerechtlicher Selbstbehalt", der dem Existenzminimum im SGB II entspricht (zur Berücksichtigung des Existenzminimums als Selbstbehalt beim Erwachsenenunterhalt gemäß § 1603 BGB vgl auch Klinkhammer, FamRZ 2010, 845, 847)zu Grunde gelegt. Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nach dem SGB II wird nur der Einkommensanteil des Klägers zu 2 bei seinem Sohn als Einkommen berücksichtigt, der das dem Kläger zu 2 zustehende Existenzminimum nach den Bestimmungen des SGB II überschreitet. Insofern scheidet auch ein Verstoß gegen Art 1 IVm Art 20 Abs 1 GG aus.

18

b) Auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG liegt nicht vor. Soweit die Revision geltend macht, die Altersgrenze von 25 Jahren sei willkürlich gewählt, ist den Klägern einzuräumen, dass auch bei 26- oder 27-jährigen Kindern, die weiterhin im Haushalt ihrer Eltern leben, eine Ersparnis der Generalkosten anfällt und die Lage in tatsächlicher Hinsicht nicht anders ist als bei Kindern unter 25 Jahren. Insofern ist der Revision zuzugestehen, dass das BVerfG in seinem Urteil vom 9.2.2010 (aaO) betont hat, dass aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums auch folgt, dass der Gesetzgeber die maßgeblichen Entscheidungen in einem transparenten Verfahren anhand sachgerechter Kriterien zu fällen hat (BVerfG, aaO, RdNr 139 ff). Ob dies allerdings für jede im SGB II gewählte Altersgrenze gilt, lässt sich dem Urteil des BVerfG nicht zweifelsfrei entnehmen. Hinzu kommt, dass dem Gesetzgeber im Rahmen des Art 3 Abs 1 GG bei sogenannten Stichtagsregelungen generell ein weiter Ermessensspielraum zusteht. Die mit der formellen Starrheit eines Stichtags verbundenen zwangsweise Härten sind grundsätzlich hinzunehmen (vgl BVerfGE 71, 364, 397 ff; 77, 308, 338; 80, 297, 311 = SozR 5795 § 4 Nr 8 S 27; BVerfGE 87, 1, 43, 47 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 12, 15). Der Gesetzgeber verfolgte mit der Einführung der 25-Jahresgrenze zudem verfassungsrechtlich legitime Zwecke (vgl BT-Drucks 16/688 S 13, zu Nr 2, zu Buchst b). Es sollte insbesondere verhindert werden, dass Kinder, die im Haushalt der Eltern leben, mit Erreichen der Volljährigkeit automatisch eine eigene Bedarfsgemeinschaft bilden (zu den Motiven des Gesetzgebers insoweit auch Wenner, SozSich 2005, 413, der aufzeigt, dass der Steuerzahler nach der früheren Regelung den Auszug aus dem Elternhaus zu finanzieren hatte).

19

Soweit die Revision schließlich geltend macht, Art 3 Abs 2 GG werde verletzt, weil nur das Einkommen von Eltern berücksichtigt werde, die mit dem erwachsenen Kind in einem Haushalt leben, nicht hingegen dasjenige einer getrenntlebenden Ehefrau, die insofern privilegiert werde, so wird verkannt, dass zwischen dem Kläger zu 2 und einem getrenntlebenden bzw nicht im Haushalt lebenden Elternteil Unterschiede von "solcher Art und solchem Gewicht" bestehen (vgl hierzu BVerfGE 55, 72, 88; 84, 133, 157; 87, 1, 36 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7; BVerfGE 95, 39, 45; 102, 41, 54 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3 S 18; vgl auch BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 20 RdNr 14), die diese Ungleichbehandlung rechtfertigen. Der Gesetzgeber des SGB II durfte bei der Regelung der Bedarfsgemeinschaft gerade an den Gesichtspunkt anknüpfen, dass gemeinsam in einer Wohnung bzw in einem Haushalt zusammenlebende Verwandte in gerader Linie sich auch tatsächlich Unterhalt leisten. Lebt - wie hier - die Mutter des Klägers zu 1 nicht in dem Haushalt, so ist sie nach den fürsorgerechtlichen Regelungen gerade nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft. Dieser Unterschied rechtfertigt auch die je unterschiedliche Behandlung des Einkommens des Vaters und der Mutter des Klägers zu 1.

20

c) Die Berücksichtigung der Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers zu 2 als Einkommen seines Sohnes verletzt schließlich auch nicht das Eigentumsgrundrecht des Klägers zu 2, was hier im Rahmen des Vorbringens des Klägers zu 1 zu würdigen ist. Hierbei ist nochmals klarzustellen, dass für den Kläger zu 2 aus der Berücksichtigung seiner Rente als Einkommen seines Sohnes im SGB II keinerlei rechtliche Pflichten erwachsen, seinen Sohn tatsächlich mit dem betreffenden Betrag auch zu unterstützten (vgl oben unter 1.). Darüber hinaus ist entgegen der Rechtsauffassung der Revision auch bereits der Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts des Art 14 Abs 1 GG nicht berührt. Durch die Berücksichtigung der Erwerbsunfähigkeitsrente als Einkommen bei dem Sohn wird allenfalls das Vermögen des Klägers zu 2 gefährdet, der eventuell moralisch - nicht rechtlich - sich verpflichtet fühlen könnte, seinen Sohn zu unterstützen. Berührt ist damit in keiner Weise die spezifische Substanz seiner ggf eigentumsgeschützten Rentenanwartschaft (zum Eigentumsschutz der Rentenanwartschaften vgl BVerfGE 53, 257, 291; 69, 272, 301 = SozR 2200 § 165 Nr 81 S 126). Das Vermögen als solches ist von Art 14 Abs 1 GG nicht geschützt (vgl insbesondere BVerfGE 78, 232, 243; 91, 207, 220; 95, 267, 300).

21

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

1. § 116 Absatz 6 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch vom 18. Januar 2001 (Bundesgesetzblatt I Seite 130) ist mit dem Grundgesetz auch insoweit vereinbar, als nach dieser Vorschrift nicht ausgeschlossen ist, dass bei nicht vorsätzlicher Schädigung durch einen zum Unterhalt verpflichteten Elternteil, der im Zeitpunkt des Schadensereignisses mit seinem geschädigten Kind nicht in häuslicher Gemeinschaft lebt, Ansprüche nach Absatz 1 auf den Sozialhilfeträger übergehen.

2. § 116 Absatz 6 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch ist im Lichte von Artikel 6 Absatz 1 und Absatz 2 des Grundgesetzes dahingehend auszulegen, dass auch derjenige Elternteil die Tatbestandsvoraussetzung eines Lebens in häuslicher Gemeinschaft erfüllt, der zwar getrennt von seinem Kind lebt, jedoch seiner Verantwortung für das Kind in dem ihm rechtlich möglichen Maße nachkommt und regelmäßigen wie längeren Umgang mit dem Kind pflegt, sodass dieses zeitweise auch in seinen Haushalt integriert ist.

Gründe

A.

1

Die Vorlage betrifft die Frage, ob § 116 Abs. 6 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als er bei Schädigungen durch einen Familienangehörigen, der mit dem Geschädigten in häuslicher Gemeinschaft lebt, einen Anspruchsübergang auf den Sozialhilfeträger ausschließt, nicht dagegen bei Schädigungen eines Kindes durch seinen nicht mit ihm zusammenlebenden, aber Unterhalt zahlenden und regelmäßigen Umgang auch in seinem Haushalt pflegenden Elternteil.

I.

2

§ 116 SGB X wurde mit dem am 1. Juli 1983 in Kraft getretenen Sozialgesetzbuch (SGB) - Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten - vom 4. November 1982 (BGBl I S. 1450) eingeführt.

3

Die Vorschrift bestimmt, dass ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens auf den Sozialversicherungsträger oder den Träger der Sozialhilfe übergeht, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. Der vorliegend maßgebliche Satz 1 des Absatzes 6 der Norm nimmt von diesem Übergang Ansprüche wegen nicht vorsätzlicher Schädigung gegen Familienangehörige aus, die mit dem Geschädigten in einer häuslichen Gemeinschaft leben. Die Regelung des seit seinem Inkrafttreten unveränderten § 116 Abs. 6 SGB X lautet:

4

Ein Übergang nach Absatz 1 ist bei nicht vorsätzlichen Schädigungen durch Familienangehörige, die im Zeitpunkt des Schadensereignisses mit dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen in häuslicher Gemeinschaft leben, ausgeschlossen. Ein Ersatzanspruch nach Absatz 1 kann dann nicht geltend gemacht werden, wenn der Schädiger mit dem Geschädigten oder einem Hinterbliebenen nach Eintritt des Schadensereignisses die Ehe geschlossen hat und in häuslicher Gemeinschaft lebt.

5

1. a) Das in § 116 Abs. 6 SGB X enthaltene sogenannte "Familien- oder Angehörigenprivileg" geht auf die bereits im Jahre 1910 in Kraft getretene Vorschrift des § 67 Abs. 2 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (VVG) a.F. zurück, die eine vergleichbare Regelung für den Bereich der Privatversicherung vorsah. Zur Begründung verwies der Gesetzgeber damals auf den in der Regel bestehenden engen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Versicherungsnehmer und dem mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen, der dazu führe, dass durch den Rückgriff des Versicherers gegen den Angehörigen meist der Versicherungsnehmer selbst in Mitleidenschaft gezogen werde (BRDrucks 1904/130, S. 120; im Entwurf noch § 65 Abs. 2 VVG). Mit der Neufassung des Versicherungsvertragsgesetzes im Jahre 2007 wurde diese Regelung in § 86 Abs. 3 VVG überführt. Dabei hat der Gesetzgeber die Beschränkung des Regressausschlusses auf Familienangehörige gestrichen, weil sie nicht mehr den heutigen gesellschaftlichen Verhältnissen entspreche (BTDrucks 16/3945, S. 82). Alleinige Voraussetzung für den Ausschluss der Rückgriffsmöglichkeit ist - im Unterschied zu dem unverändert gebliebenen § 116 Abs. 6 SGB X - nurmehr das Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft zwischen Versicherungsnehmer und Schädiger.

6

b) Der durch die Einführung des SGB X im Jahre 1983 aufgehobene § 1542 Reichsversicherungsordnung (RVO), der den gesetzlichen Forderungsübergang in der Sozialversicherung regelte, wies keine dem § 116 Abs. 6 SGB X vergleichbare Regelung auf. Jedoch ging der Bundesgerichtshof seit seinem Urteil vom 11. Februar 1964 (BGHZ 41, 79) in ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BGHZ 54, 256 <257 f.>; BGH, Urteil vom 9. Januar 1968 - VI ZR 44/66 -, NJW 1968, S. 649 f.; Urteil vom 21. September 1976 - VI ZR 210/75 -, NJW 1977, S. 108; Urteil vom 15. Januar 1980 - VI ZR 270/78 -, VersR 1980, S. 644; Urteil vom 8. Oktober 1985 - VI ZR 138/84 -, VersR 1986, S. 233) davon aus, dass der Forderungsübergang bei Schädigungen durch Familienangehörige, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem geschädigten Sozialversicherten leben, aufgrund des Schutzzwecks der Versicherungsleistung entsprechend § 67 Abs. 2 VVG a.F. ausgeschlossen sei. Anderenfalls führe die Anwendung des § 1542 RVO in diesen Fällen zu einer Schmälerung des Familienunterhalts, sodass die Leistung ihren Versicherungszweck nicht erfülle. § 67 Abs. 2 VVG a.F. wolle einerseits im Interesse der Erhaltung des häuslichen Familienfriedens verhindern, dass gegen Familienangehörige Streitigkeiten über die Verantwortung von Schadenszufügungen ausgetragen werden. Andererseits solle vermieden werden, dass der geschädigte Versicherte durch den Rückgriff auf den Schädiger selbst in Mitleidenschaft gezogen werde. Denn in häuslicher Gemeinschaft zusammenlebende Familienangehörige bildeten zumeist eine gewisse wirtschaftliche Einheit. Die Durchführung eines Rückgriffs führe hier im Praktischen dazu, dass der Versicherte das, was er mit der einen Hand erhalten habe, mit der anderen wieder herausgeben müsse. Daher müssten, um in solchen Fällen ein Leerlaufen der Sozialversicherung zu vermeiden und ihrem Schutzzweck gerecht zu werden, auch für den Rückgriffsanspruch des Sozialversicherungsträgers aus § 1542 RVO die Schranken gelten, die der spätere Gesetzgeber des Versicherungsvertragsgesetzes für den privaten Schadensversicherer ausdrücklich ausgesprochen habe (vgl. BGHZ 41, 79 <82 ff.>).

7

c) Eine analoge Anwendung des § 67 Abs. 2 VVG a.F. verneinte der Bundesgerichtshof allerdings für den Bereich der Sozialhilfe. Eine Forderungsüberleitung war hier nach § 90 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) möglich (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1983 - VI ZR 184/81 -, NJW 1984, S. 2580 <2581 f.>).

8

d) Zur Begründung des nunmehr in § 116 Abs. 6 SGB X sowohl im Sozialversicherungs- als auch im Sozialhilfebereich ausdrücklich eingeschränkten Anspruchsübergangs verwies die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf auf die zu § 1542 RVO ergangene Rechtsprechung. Sowohl im Interesse der Erhaltung des häuslichen Familienfriedens und damit zum Schutze der Familiengemeinschaft als auch angesichts des Zwecks von Sozialleistungen sei nach § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X der Anspruchsübergang ausgeschlossen, wenn ein Familienmitglied, das mit dem Geschädigten oder seinem Hinterbliebenen in häuslicher Gemeinschaft lebt, die Schädigung fahrlässig herbeigeführt habe (vgl. BTDrucks 9/95, S. 28).

9

2. Von diesen zwei Zwecksetzungen der Vermeidung mittelbarer wirtschaftlicher Beeinträchtigung des Geschädigten einerseits und des Schutzes des häuslichen Familienfriedens andererseits lässt sich auch die Rechtsprechung bei Auslegung des Familienprivilegs leiten (vgl. zu § 67 Abs. 2 VVG a.F.: BGHZ 41, 79 <83>; 180, 272 <275>; BGH, Urteil vom 9. Mai 1972 - VI ZR 40/71 -, NJW 1972, S. 1372; Urteil vom 29. Januar 1985 - VI ZR 88/83 -, NJW 1985, S. 1958 f.; Urteil vom 12. November 1985 - VI ZR 223/84 -, VersR 1986, S. 333 <334>; und zu § 116 Abs. 6 SGB X: BGHZ 102, 257<259 f.>; 106, 284 <288>). Dabei wird das Tatbestandsmerkmal der "häuslichen Gemeinschaft" insbesondere bei Eltern-Kind-Verhältnissen nicht eng ausgelegt. So wird das Vorliegen einer häuslichen Gemeinschaft auch dann angenommen, wenn sich das schädigende oder geschädigte Familienmitglied zwar nicht überwiegend in der Familienwohnung aufhält, aber die Abwesenheit äußere Gründe hat, die nicht für eine willkürliche Lockerung des Familienverbandes sprechen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 1971 - VI ZR 150/69 -, VersR 1971, S. 478 <479>).

10

So hat der Bundesgerichtshof eine häusliche Gemeinschaft zwischen Vater und Sohn bejaht, obwohl der geschädigte Vater in der Regel in einem angemieteten möblierten Zimmer nächtigte, weil er in die der Familie nach der Flucht zugeteilte Wohnung infolge der räumlichen Beengtheit nicht mit der übrigen Familie einziehen konnte (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 1961 - II ZR 237/59 -, NJW 1962, S. 41 f.). Ebenso hat er in einem Fall entschieden, in dem das geschädigte Familienmitglied werktags auswärts arbeitete und an seinem Arbeitsort eine Schlafstelle hatte (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 1971 - IV ZR 189/69 -, VersR 1971, S. 901 f.). Des Weiteren hat der Bundesgerichtshof auch eine häusliche Gemeinschaft zwischen dem geschädigten Vater und seinem 22-jährigen ledigen Sohn angenommen, der auswärts eine seemännische Ausbildung absolvierte, während der Ferien regelmäßig in den Haushalt seiner Eltern zurückkehrte und dort noch ein Zimmer hatte (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 1971 - VI ZR 150/69 -, VersR 1971, S. 478 <479 f.>). Schließlich hat er eine häusliche Gemeinschaft zwischen Eltern und ihrem im ausgebauten Dachgeschoss desselben Hauses mit seiner Ehefrau wohnenden, erwachsenen Sohn für gegeben erachtet, da zwischen beiden Ehepaaren eine gewisse, auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit bestanden habe, die als typisches Merkmal eines Familienverbandes anzusehen sei. Eine Einheit in sämtlichen Wirtschaftsangelegenheiten sei nicht erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1985 - VI ZR 223/84 -, VersR 1986, S. 333 ff.).

II.

11

1. Der Beklagte zu 3) des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Beklagter) ist Vater eines im Januar 2000 nichtehelich geborenen Sohnes, für den beide Elternteile die Personensorge gemeinsam ausübten. Der Junge lebte bei der Kindesmutter. Der Beklagte war kindesunterhaltspflichtig und kam dieser Verpflichtung uneingeschränkt nach. Zwischen ihm und dem Kind fand regelmäßig Umgang statt. Jedes zweite Wochenende von Freitagnachmittag bis Sonntagabend besuchte das Kind seinen Vater, der gemeinsam mit seinen Eltern, den Beklagten zu 1) und 2) des Ausgangsverfahrens und Großeltern des Kindes, in deren Hausanwesen wohnte.

12

Während eines solchen Besuchswochenendes Anfang August 2001 fiel das einige Minuten unbeaufsichtigte Kind in eine auf dem Grundstück der Großeltern stehende, ungesicherte Regentonne. Der Junge befand sich etwa zehn Minuten unter Wasser. Er konnte zwar reanimiert werden, erlitt jedoch schwerste Schäden, die voraussichtlich auf Lebensdauer zu einem Betreuungs- und Beaufsichtigungsbedarf führen werden. Seit dem 2. August 2002 erbringt der Bezirk S. als zuständiger Träger der überörtlichen Sozialhilfe für das Kind Leistungen der Sozialhilfe in Form der Eingliederungshilfe. Er ist Kläger des Ausgangsverfahrens.

13

2. Mit seiner Klage hat dieser aus gemäß § 116 Abs. 1 SGB X übergegangenem Recht einen Zahlungsanspruch in Höhe von 108.638,41 € zuzüglich Zinsen gegen die Beklagten geltend gemacht und die Feststellung ihrer Verpflichtung zum Ersatz der ab dem 1. Dezember 2005 erbrachten sowie der künftigen durch das Unfallereignis verursachten Nettosozialhilfeaufwendungen für das geschädigte Kind begehrt. Mit Teil-Endurteil vom 29. Mai 2007 hat das Landgericht die gegen die Großeltern gerichtete Klage abgewiesen; die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers blieb erfolglos.

14

3. Mit Beschluss vom 27. April 2009 hat das Landgericht das Verfahren gegen den Vater des Kindes als nunmehr einzigen Beklagten ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als er eine Haftungsprivilegierung des nicht in häuslicher Gemeinschaft lebenden, zum Unterhalt verpflichteten Kindesvaters im Gegensatz zu in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen nicht vorsieht.

15

Das Landgericht geht unter Würdigung des Sachverhalts davon aus, dass der Beklagte seine Aufsichtspflicht zum Unfallzeitpunkt grob fahrlässig verletzt hat. Er habe erkennen können, dass die ungesicherte Regentonne eine Gefahrenquelle für sein Kind sein könne. Insofern hätte er das Kind ständig im Auge behalten müssen. Dem sei der Beklagte nicht nachgekommen, denn das Kind sei in die Tonne gefallen, ohne dass dies jemand zunächst bemerkt hätte. Ihm sei grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, weil ein aufgrund seines Alters von etwa 18 Monaten in seinem Verhalten nur schwer zu berechnendes Kind ständig unter Aufsicht gehalten werden müsse. Wegen des grob fahrlässigen Verhaltens sei gemäß § 277 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Haftung des Beklagten nicht nach § 1664 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Daher habe das Kind gegen den Beklagten aufgrund seiner Schädigung einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB. Der Übergang dieses Anspruchs auf den Kläger sei auch nicht nach § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X ausgeschlossen.

16

Zum Unfallzeitpunkt habe keine häusliche Gemeinschaft zwischen dem Kind und dem Beklagten bestanden, da das Kind nur alle zwei Wochen von Freitag bis Sonntag zusammen mit dem Beklagten im Haushalt von dessen Eltern gelebt habe. Eine Auslegung von § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X dahingehend, das Haftungsprivileg auf den Beklagten zu erstrecken, sei angesichts der klaren Auslegung des Begriffs "in häuslicher Gemeinschaft lebend" durch die einschlägige Literatur nicht möglich. Demnach sei der Klage stattzugeben.

17

Das Landgericht hält jedoch § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X insoweit wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG für verfassungswidrig, als die Norm einen Forderungsübergang gegen einen mit dem geschädigten Kind nicht in häuslicher Gemeinschaft lebenden, das Personensorgerecht oder auch nur ein Umgangsrecht besitzenden und zu Unterhalt verpflichteten Elternteil nicht ausschließt. Das Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft mit dem geschädigten Kind sei in solchen Fällen kein sachgerechter Differenzierungsmaßstab. Die im Bürgerlichen Gesetzbuch enthaltenen grundlegenden Bestimmungen des Familienrechts unterschieden bei den Pflichten eines Elternteils, wie etwa der Unterhaltspflicht, nicht danach, ob zwischen Eltern und Kind eine häusliche Gemeinschaft bestehe oder nicht. Bereits diese Gesetzessystematik zeige, dass die in § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X vorgenommene Anknüpfung des Rückgriffsausschlusses an das Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft nicht sachgerecht sein könne.

18

Weiter spreche der Gesetzeszweck, den Familienfrieden zu erhalten, gegen die im Gesetz vorgenommene Beschränkung. Für den Familienfrieden mache es keinen wesentlichen Unterschied, wenn die Belastungen (nur) den nicht mit dem Kind zusammenlebenden Vater träfen. Denn auch dessen Beziehung zu seinem Kind, die gerade im Interesse des Kindes von Konflikten frei gehalten werden solle, sei sowohl durch seine im Regresswege erfolgende Inanspruchnahme als auch durch deren finanzielle Folgen belastet. Ein so betroffener Kindesvater komme leicht dazu, eine vergleichende Betrachtung zur Kindesmutter anzustellen, der bei demselben Versagen im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht ein Regress erspart bliebe, und werde seine Behandlung als ungerecht empfinden. Es liege nahe, dass eine solche Einschätzung für seine Beziehung zum Kind nicht förderlich sei.

19

Auch die Betrachtung der wirtschaftlichen Situation ergebe die Verfassungswidrigkeit von § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X. Nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB würden bei der Erfüllung der Unterhaltspflichten gegenüber einem Kind finanzielle Leistungen einerseits und Erziehungsleistungen andererseits als gleichwertig erachtet. Gerade bei nicht miteinander verheirateten Eltern komme es häufig vor, dass die Eltern nicht zusammenlebten und damit ein Elternteil die für das Kind notwendigen finanziellen Mittel erwirtschafte, während der andere das Kind erziehe. Dann aber würde durch § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X das Aufsichtspflichtversagen des unterhaltzahlenden Elternteils mit einem "Regress bestraft". Dagegen bliebe es beim anderen Elternteil, bei dem das Kind lebt, ohne Folgen. Zwar sei richtig, dass der dem Kind und gegebenenfalls auch der Kindesmutter zu erbringende Mindestunterhalt durch Pfändungsfreigrenzen auch im Falle eines Regresses geschützt sei. Dies gelte aber ebenso für die in häuslicher Gemeinschaft lebende Familie.

20

Das Bundesverfassungsgericht habe entschieden, dass der Schutz von Ehe und Familie und insbesondere das Interesse der jeweils betroffenen Kinder keine unterschiedliche Behandlung von verheirateten und unverheirateten Eltern zulasse. Dieser Gedanke sei hier zu übertragen. Ein Abstellen auf die häusliche Gemeinschaft für den Regressverzicht führe zu einer Bevorzugung der "traditionellen" Familie ob mit oder ohne Trauschein. Ein solcher Maßstab sei angesichts der sonstigen rechtlichen Gleichbehandlung nicht zusammenlebender Elternteile und im Hinblick auf den Schutz der Interessen der in erster Linie betroffenen nichtehelichen Kinder alleinerziehender Elternteile nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.

III.

21

Zu der Vorlage haben das Bundesministerium für Arbeit und Soziales namens der Bundesregierung, die Bayerische Staatsregierung, der Bundesgerichtshof, das Bundessozialgericht, der Deutsche Landkreistag, der Sozialverband VdK Deutschland, der Deutsche Sozialgerichtstag, der Deutsche Juristinnenbund und das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht Stellung genommen.

22

1. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X mit dem Grundgesetz in Einklang steht. Die Ungleichbehandlung von Eltern, die nicht mit ihren Kindern in einer häuslichen Gemeinschaft leben, gegenüber Eltern, bei denen das der Fall ist, sei durch gewichtige Gründe gerechtfertigt. Es sei von einer weit weniger schweren Belastung des Familienfriedens auszugehen, wenn der vom Rest der Familie getrennt lebende Angehörige den Geschädigten selten oder nur an einigen Tagen im Monat sehe. Störungen seien unter solchen Umständen weit weniger wahrscheinlich als im Falle einer täglichen Begegnung. Zudem werde der mit dem Geschädigten zusammenlebende Angehörige die Folgen der Schädigung, die er selbst verursacht habe, nicht nur täglich, gegebenenfalls lebenslang vor Augen haben, sondern etwa durch Pflege des Kindes und Änderung der eigenen beruflichen oder familiären Lebensplanung auch tragen müssen. Es sei dem Zusammenleben abträglich, müsste er zusätzlich noch Regressansprüche des Sozialhilfeträgers befriedigen.

23

Auch der Schutz der Familienkasse rechtfertige es, das Familienprivileg auf die häusliche Gemeinschaft zu beschränken. Sei aus der Familienkasse Schadensersatz durch das schädigende Familienmitglied zu leisten, so mindere dies unmittelbar den Lebensstandard der Gesamtfamilie und damit auch den des Geschädigten. Ein Zuwachs an Geld in Form von Schadensersatz finde bei ihm faktisch nicht statt. Das sei bei Familienangehörigen, die nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebten, grundsätzlich anders, da ein Rückgriff auf eine gemeinsame Familienkasse zu Lasten des Geschädigten nicht gegeben sei. Die von § 116 Abs. 6 SGB X vermiedene Situation, dass der Geschädigte den Schadensersatz mitfinanziere, könne hier nicht entstehen. Insbesondere sei im Falle einer Eltern-Kind-Beziehung der gesetzliche Unterhalt des Geschädigten gesichert, weil diese Ansprüche vorrangig vor Schadensersatzansprüchen zu befriedigen seien.

24

Zwar stehe der nicht mit dem geschädigten Kind lebende Elternteil schlechter als der mit ihm in einem Haushalt lebende. Der Regress durch den Sozialleistungsträger sei jedoch keine Strafe, sondern solle eine Schadensverschiebung auf einen an der schuldhaften Schädigung nicht beteiligten Dritten vermeiden, der kraft Gesetzes zur Leistung verpflichtet sei. Zudem gelte im Eltern-Kind-Verhältnis der eingeschränkte Haftungsmaßstab des § 1664 Abs. 1 BGB, weshalb den Schädiger ein erheblicher Verschuldensvorwurf treffen müsse. Dann bedürfe es erst recht besonderer Gründe, die Schadensregulierung dennoch einem Dritten aufzuerlegen.

25

2. Die Bayerische Staatsregierung teilt die im Vorlagebeschluss genannten Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X.

26

Vor dem Hintergrund, dass auch eine Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft die elterlichen Pflichten nach Art. 6 Abs. 2 GG unberührt lasse, könnten die zu § 116 Abs. 6 SGB X genannten Differenzierungsmotive nicht überzeugen. Sei gerade der Kontakt mit dem Kind auch nach einer Trennung wesentlicher Teil der elterlichen Pflichten, liege für eine differenzierte Haftungsregelung bei Schadensereignissen im Rahmen des Umgangs kein sachlicher Grund vor.

27

3. Der Bundesgerichtshof verweist auf seine Rechtsprechung und teilt mit, er habe sich mit der Frage der Erstreckung des familiären Haftungsprivilegs auf den unterhaltspflichtigen, mit dem geschädigten Kind nicht in häuslicher Gemeinschaft lebenden Elternteil bislang nicht befasst.

28

4. Das Bundessozialgericht bezweifelt die Grundrechtskonformität von § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X. Die Gleichstellungspflicht von Kindern unverheirateter mit denen verheirateter Eltern impliziere, dass die typischen unterschiedlichen Lebensformen zu berücksichtigen seien. Typisch für unverheiratete Eltern sei, dass sie nicht zusammenlebten, sich aber beide an der Betreuung des Kindes beteiligten und dafür die finanzielle und erzieherische Fürsorge untereinander aufgeteilt hätten. Dazu sei auch die Konstellation zu rechnen, in der die Mutter vorwiegend die erzieherische und der Vater die finanzielle Fürsorge leiste, sich aber trotz seines getrennten Wohnsitzes mit um das Kind kümmere. In einer solchen Situation könne ein Regress gegen den Vater zu Beeinträchtigungen nicht nur der finanziellen, sondern auch der emotionalen Beziehung zwischen Vater und Kind führen.

29

Zu berücksichtigen sei weiter, dass die Gleichstellung nicht nur auf das Kind ausgerichtet sei, sondern ebenso die Gleichbehandlung von Eltern gebiete. Diesem Gebot entspreche der Haftungsausschluss des § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X nicht. Von ihm würden zwar unverheiratete Eltern mit erfasst, aber nur diejenigen Elternteile, die mit dem Geschädigten zusammenlebten. Diejenigen, die nicht mit ihm zusammenlebten, seien nicht einbezogen, und zwar auch dann nicht, wenn sie sich sowohl für das finanzielle als auch das persönliche Wohlergehen des Kindes verantwortlich fühlten. Dies sei mit Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 und 5 GG unvereinbar.

30

5. Der Deutsche Landkreistag erachtet die Differenzierung nach dem Vorliegen einer häuslichen Gemeinschaft für sachgerecht.

31

6. Der Sozialverband VdK Deutschland meint, der Begriff der häuslichen Gemeinschaft müsse den Realitäten der Gegenwart im Sinne unterschiedlicher Formen menschlichen Zusammenlebens angepasst werden. Der unterhaltspflichtige Vater eines nichtehelichen Kindes, der zum Regress herangezogen werde, werde durch diese Zahlungen in seiner wirtschaftlichen Potenz so geschädigt, dass der Unterhalt nicht mehr leistbar sei. Dadurch werde das zu schützende Kind selbst in Mitleidenschaft gezogen. Auch dürfe die Beziehung zwischen dem unterhaltsverpflichteten Elternteil und dem unterhaltsberechtigten Kind nicht gestört werden. Ein schuldenbeladener Vater werde eine andere Beziehung zu seinem die Schulden verursachenden Kind entwickeln als ohne eine derartige finanzielle Belastung.

32

7. Der Deutsche Sozialgerichtstag ist der Auffassung, §116 Abs. 6 Satz 1 SGB X verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Situation des umgangsberechtigten Vaters und die der Mutter, die mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebe, unterschieden sich gerade im Lichte der wirtschaftlichen Interessen derart voneinander, dass die Anwendung des Privilegs auf beide Fälle gleichermaßen nicht geboten sei. Auch könne nicht unterstellt werden, dass ein Vater sein Kind schlechter behandle, weil er sich im Falle grob fahrlässiger Aufsichtspflichtverletzung einem Regressanspruch des Sozialhilfeträgers ausgesetzt sehe. Allerdings sei zu erwägen, eine häusliche Gemeinschaft dann zu bejahen, wenn ein Elternteil in Ausübung der elterlichen Sorge sein Kind regelmäßig in seinen Haushalt aufnehme.

33

8. Der Deutsche Juristinnenbund teilt die grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken der Vorlage nicht, sieht aber Anlass für eine verfassungskonforme Auslegung der Norm. Das Kriterium des Zusammenlebens in häuslicher Gemeinschaft in § 116 Abs. 6 SGB X sei einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich, nach der Bindungen zwischen Elternteil und Kind von einer Intensität, die über sporadische Besuchskontakte bei gemeinsamem Sorgerecht hinausgingen, der häuslichen Gemeinschaft im Einzelfall gleichgestellt werden könnten.

34

Der Schutzbedarf des geschädigten Kindes begründe keine Notwendigkeit, den Regress des Sozialleistungsträgers gegenüber getrennt lebenden Elternteilen generell auszuschließen. Da es an der gemeinsamen Mittelaufbringung und Mittelverwendung fehle, könne der nicht im gleichen Haushalt lebende Angehörige über den Regress nicht wirtschaftlich in Mitleidenschaft gezogen werden. Der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den getrennt lebenden Unterhaltsverpflichteten bleibe von der Regressnahme unberührt.

35

9. Das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht ist der Auffassung, dass die Haftungsprivilegierung gemäß § 116 Abs. 6 SGB X zumindest für den Fall verfassungswidrig sei, dass der Schädiger ein Elternteil sei, der für sein Kind durch regelmäßigen Umgang und Unterhaltszahlungen Verantwortung über-nehme. Die hinter der Regelung stehenden, grundsätzlich berechtigten Gründe rechtfertigten in der vorliegenden Konstellation eine Ungleichbehandlung nicht. Ein "Wirtschaften aus einem Topf" könne auch vorliegen, wenn der Geschädigte mit dem Schädiger nicht in häuslicher Gemeinschaft lebe. Sei der Schädiger dem Geschädigten gegenüber zum Unterhalt verpflichtet, beziehe der Geschädigte zumindest teilweise seine Mittel zum Leben von ihm.

36

Auch im Hinblick auf den Schutzzweck der Wahrung des Familienfriedens be-stünden keine so gewichtigen Unterschiede, dass eine ungleiche Behandlung gerechtfertigt sei. Bei regelmäßigem Umgang sei das Kind auch in die Lebenswelt dieses Elternteils einbezogen. Auch dieses Verhältnis könne nachhaltig gestört werden, wenn der Elternteil von dem Sozialleistungsträger in Anspruch genommen werde. Nicht die Quantität der in einem Haushalt gemeinsam verbrachten Zeit sichere eine funktionierende Familie, sondern die Qualität des Miteinanders.

B.

37

§ 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Es verstößt weder gegen Art. 6 Abs. 1 und Abs. 5 GG noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, dass die Vorschrift den Übergang eines Schadensersatzanspruchs gegenüber einem Familienangehörigen auf den Sozialversicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe nur für den Fall ausschließt, dass der Familienangehörige, der die Schädigung nicht vorsätzlich verursacht hat, im Zeitpunkt des Schadensereignisses mit dem Geschädigten in häuslicher Gemeinschaft lebt. Die durch den Ausschluss des Anspruchsübergangs erfolgende Privilegierung von Familienangehörigen, die in häuslicher Gemeinschaft leben, gegenüber Familienangehörigen, die getrennt leben, ist sachlich gerechtfertigt. Dies gilt grundsätzlich auch für Elternteile und ihre Kinder. Allerdings ist bei ihnen die für den Ausschluss des Anspruchsübergangs maßgebliche Voraussetzung eines Lebens in häuslicher Gemeinschaft unter hinreichender Berücksichtigung des Schutzes der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG und des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG auszulegen. Von einem Leben in häuslicher Gemeinschaft ist insofern auch dann auszugehen, wenn bei Getrenntleben von Eltern ein Elternteil mit seinem Kind zwar nicht ständig zusammenlebt, aber seiner Elternverantwortung in dem ihm rechtlich möglichen Maße tatsächlich nachkommt und regelmäßig längeren Umgang mit seinem Kind pflegt, sodass das Kind zeitweise auch in seinen Haushalt integriert ist und damit bei ihm ein Zuhause hat.

I.

38

1. § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X verstößt nicht gegen den nach Art. 6 Abs. 1 GG zu gewährleistenden Schutz der Familie. Dem Gesetzgeber steht bei der Entscheidung darüber, auf welche Weise er diesem Schutzauftrag nachkommt, ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 82, 60 <81>). So ergibt sich zwar aus Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich (vgl. BVerfGE 107, 205 <213>). Konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen lassen sich aus dem Förderungsgebot des Art. 6 Abs. 1 GG aber nicht herleiten (vgl. BVerfGE 110, 412 <436>). Der Staat ist nicht gehalten, jegliche die Familie betreffende Belastung auszugleichen (vgl. BVerfGE 82, 60 <81>).

39

Bei der Inanspruchnahme eines gegenüber einem Familienangehörigen schadensersatzpflichtigen anderen Familienangehörigen infolge eines Anspruchsübergangs handelt es sich schon nicht um eine familienbedingte finanzielle Belastung, sondern um eine, die die Familie zwar trifft, aber aus einer Schadensersatz begründenden Handlung eines Familienmitglieds herrührt. Zur Kompensation einer solchen, dem einzelnen Familienangehörigen aus einer von ihm zu verantwortenden Verletzungshandlung, wie zum Beispiel der Verletzung seiner elterlichen Pflichten, entstehenden finanziellen Belastung ist der Staat durch Art. 6 Abs. 1 GG nicht verpflichtet.

40

Bewahrt der Gesetzgeber Familienangehörige dennoch unter bestimmten Voraussetzungen vor einem Rückgriff aus übergeleiteten Schadensersatzansprüchen, muss er für die hierdurch erfolgende Differenzierung bei der Entlastung von Familien Gründe haben, die vor Art. 3 Abs. 1 GG Bestand haben (siehe B. I. 3.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG familiären Konstellationen, die vergleichbar sind, in gleicher Weise gebührt (siehe B. I. 4.).

41

2. Art. 6 Abs. 5 GG, der die Schlechterstellung nichtehelicher Kinder gegenüber ehelichen Kindern verbietet, wird durch § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X nicht verletzt. Die Norm differenziert nicht danach, ob es sich bei dem schädigenden oder geschädigten Familienangehörigen um ein eheliches oder nichteheliches Kind handelt, vielmehr danach, ob der schädigende mit dem geschädigten Familienangehörigen in häuslicher Gemeinschaft lebt. Mit dieser Unterscheidung werden nichteheliche Kinder auch nicht mittelbar ungleich behandelt und gegenüber ehelichen Kindern benachteiligt. Denn heutzutage kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass es in aller Regel nichteheliche Kinder sind, die nur mit einem Elternteil leben, und eheliche Kinder fast immer in häuslicher Gemeinschaft mit beiden Elternteilen aufwachsen.

42

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts lebten im Jahre 2008 maximal 76,8 % und damit der größte Teil aller Kinder mit ihren verheirateten Eltern zusammen, während mindestens 7,1 % der Kinder mit ihren Eltern zusammenlebten, die eine nichteheliche Lebensgemeinschaft führen. Demgegenüber betrug der Anteil der Kinder, die bei einem alleinerziehenden Elternteil aufwuchsen, mindestens 16,1 % (vgl. Statistisches Jahrbuch 2009, Tab. 2.17). Die Zahlen belegen, dass die meisten Kinder mit zwei Elternteilen zusammenleben, die ganz überwiegend ehelich verbunden sind. Dies lässt zwar den Schluss zu, dass es zumeist eheliche Kinder sind, die mit beiden Eltern zusammenleben. Andererseits kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass es vornehmlich nichteheliche Kinder sind, die mit einem alleinerziehenden Elternteil und damit von dem anderen Elternteil getrennt leben. Zwar liegen keine Zahlen vor, die über den tatsächlichen Anteil nichtehelicher Kinder in Haushalten mit nur einem Elternteil Auskunft geben könnten. Doch hat eine Erhebung im Rahmen des Mikrozensus 2009 ergeben, dass nur 35 % der Alleinerziehenden ledig sind, während 65 %, also fast zwei Drittel, schon einmal verheiratet waren oder es noch sind, jedoch vom Ehepartner getrennt leben (vgl. Statistisches Bundesamt, Alleinerziehende in Deutschland - Ergebnisse des Mikrozensus 2009, S. 12). Auch wenn nicht alle Kinder dieser geschiedenen, verwitweten oder getrennt lebenden Alleinerziehenden ehelich geboren sein müssen, spricht angesichts des hohen Anteils dieser Gruppe von Alleinerziehenden jedenfalls nichts dafür, dass typischerweise nichteheliche Kinder nur mit einem Elternteil zusammenleben und deshalb im Hinblick auf den getrennt lebenden Elternteil von dem Ausschluss des Anspruchsübergangs nach § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X vornehmlich betroffen sind, der das Leben mit einem Familienangehörigen in häuslicher Gemeinschaft voraussetzt. Vielmehr sind eheliche Kinder, deren Eltern sich getrennt haben, davon ebenso ausgenommen.

43

3. Es verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG, dass § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X den Übergang eines Schadensersatzanspruchs auf den Sozialversicherungs- oder Sozialhilfeträger dann ausschließt, wenn ein Schadensverursacher mit seinem Familienangehörigen, dem er Schaden zugefügt hat, in häuslicher Gemeinschaft lebt, nicht dagegen, wenn die beiden getrennt leben. Hierin liegt eine Ungleichbehandlung, die durch hinreichende Gründe gerechtfertigt ist.

44

a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 1, 14 <52>; 98, 365 <385>; stRspr). Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem einem Personenkreis eine Begünstigung gewährt wird, die einem anderen Personenkreis vorenthalten bleibt (vgl. BVerfGE 110, 412 <431>; 116, 164 <180>).

45

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfGE 117, 1 <30>; stRspr). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ist anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft. Bei verhaltensbezogenen Unterscheidungen hängt das Maß der Bindung wiederum insbesondere auch davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Kriterien zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juli 2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 -, juris Rn. 82 f.).

46

b) Danach ist hier ein über die bloße Willkürkontrolle hinausgehender Maßstab anzulegen. Indem der Gesetzgeber den Ausschluss des Forderungsübergangs vom Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft mit dem geschädigten Familienmitglied abhängig macht, knüpft er zwar an einem Verhalten an und nimmt diejenigen, die als Familienangehörige nicht mit dem Geschädigten in häuslicher Gemeinschaft leben, vom Anwendungsbereich dieses Privilegs aus. Im Falle getrennt lebender Eltern kann aber der einzelne Elternteil nicht allein darauf Einfluss nehmen, ob er mit seinem Kind in häuslicher Gemeinschaft lebt und insoweit das Kriterium erfüllt, nach dem § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X differenziert. Über den Aufenthalt des Kindes entscheidet im Streitfall der Eltern letztlich das Familiengericht. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Ungleichbehandlung familiäre Beziehungen trifft, die gleichermaßen den Schutz von Art. 6 Abs. 1 GG genießen. Darüber hinaus kann sie die Ausübung des von Art. 6 Abs. 2 GG geschützten Elternrechts tangieren. Insofern muss die in § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X vorgenommene Ungleichbehandlung von Familienangehörigen, die in häuslicher Gemeinschaft leben, und solchen, die dies nicht tun, von Gründen solcher Art und solchen Gewichts getragen sein, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können.

47

c) Der Gesetzgeber hat mit dem Schutzbedürfnis des Geschädigten vor wirtschaftlichen Nachteilen, die diesem drohen, wenn ein mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebender Familienangehöriger zur Schadenshaftung herangezogen wird, und mit der Wahrung des häuslichen Friedens im Interesse des Geschädigten hinreichend gewichtige Gründe angeführt, die die durch den Ausschluss des Forderungsübergangs in § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X erfolgende Privilegierung von Familienangehörigen, die in häuslicher Gemeinschaft leben, und damit die Benachteiligung von Familienangehörigen, die voneinander getrennt leben, rechtfertigen. Denn die Gefahr einer Beeinträchtigung des geschädigten Familienangehörigen durch einen Rückgriff des Sozialleistungsträgers auf den Schädiger ist größer und wird im Faktischen in aller Regel vor allem dann eintreten, wenn dieser mit dem Geschädigten in häuslicher Gemeinschaft lebt.

48

aa) (1) Es ist mit dem Gesetzgeber davon auszugehen, dass Familienmitglieder, die in häuslicher Gemeinschaft leben, regelmäßig auch einen gemeinsamen Haushalt führen und deshalb zumeist eine wirtschaftliche Einheit bilden (vgl. BTDrucks 9/95, S. 28), bei der die Einkünfte aller Haushaltsmitglieder zusammenfließen und für die Ausgaben aller zur Verfügung stehen, bei der also aus "einem Topf" gewirtschaftet wird. Werden einem in einer solchen familiären Gemeinschaft Lebenden Sozialleistungen wegen einer Schädigung erbracht, die ihm ein mit ihm zusammenlebender Angehöriger zugefügt hat, und könnte der Leistungsträger den auf ihn übergeleiteten Schadensersatzanspruch des Geschädigten beim Schädiger zugleich wieder einfordern, minderte dies die gemeinsame Familienkasse und träfe damit auch den Geschädigten. Denn für alle Familienmitglieder stünden aufgrund dessen weniger Mittel zur gemeinsamen Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung. Durch einen Rückgriff auf den Schädiger würde dem Geschädigten insofern letztlich wieder genommen, was ihm eigentlich an Schadensersatz zusteht. Um dies zu verhindern, hat der Gesetzgeber davon abgesehen, den Schädiger in Regress zu nehmen.

49

Bei getrennt lebenden Familienangehörigen findet hingegen ein gemeinsames Wirtschaften in der Regel nicht statt. Sie haushalten jeweils für sich selbst und verfügen über ihre Einkünfte allein. Fordert hier ein Leistungsträger beim schädigenden Familienangehörigen Schadensersatz ein, verschlechtert sich zwar dessen finanzielle Situation. Dies hat jedoch typischerweise keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Haushaltslage des von ihm getrennt lebenden geschädigten Familienangehörigen. Dieser kann ungeschmälert über die ihm gewährten Sozialleistungen verfügen und bedarf insofern keines besonderen Schutzes durch eine Haftungsprivilegierung des Schädigers. Dies rechtfertigt, dass der Gesetzgeber bei getrennt lebenden Familienangehörigen anders als bei solchen, die in häuslicher Gemeinschaft zusammenleben, nicht auf einen Forderungsübergang verzichtet hat. Denn nur, wenn einem Geschädigten durch Rückgriff auf den Schädiger Nachteile entstehen können, besteht Anlass, einen Schädiger zu Lasten der Allgemeinheit zu verschonen und Schadensersatzansprüche des Geschädigten gegen ihn nicht auf den staatlichen Leistungsträger übergehen zu lassen, der wegen des eingetretenen Schadens Leistungen erbracht hat.

50

(2) Die Ungleichbehandlung von getrennt lebenden und in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen durch § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X ist grundsätzlich auch dann gerechtfertigt, wenn der Geschädigte ein Kind und der Schädiger dessen unterhaltspflichtiger Elternteil ist. Denn dem Kind drohen bei einem Übergang seines Schadensersatzanspruchs gegen den Elternteil auf den Sozialleistungsträger im Falle, dass es mit diesem Elternteil zusammenlebt, ebenfalls erhebliche Nachteile, die seinen Lebensunterhalt betreffen, während solche Nachteile für das Kind bei einem Rückgriff auf einen getrennt von ihm lebenden Elternteil nicht oder nur in geringerem Umfang zu gewärtigen sind.

51

(aa) Werden gegen einen vom geschädigten Kind getrennt lebenden, zu Bar-unterhaltsleistungen verpflichteten Elternteil übergeleitete Schadensersatzansprüche vom Sozialleistungsträger geltend gemacht, verringern sich zwar die finanziellen Mittel des Elternteils zur Bestreitung seines eigenen Lebensunterhalts. Der Regress hat jedoch in der Regel keine Auswirkungen auf die Höhe des dem Kind geschuldeten Unterhalts. Bei der Ermittlung des unterhaltserheblichen Einkommens eines Unterhaltsverpflichteten können nämlich nur solche Verbindlichkeiten abgezogen werden, die nach ihrem Zweck, dem Zeitpunkt und der Art ihrer Entstehung oder anderen Umständen berücksichtigungsfähig sind (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 1995 - XII ZR 247/94 -, FamRZ 1996, S. 160 <161>). Diese Voraussetzung liegt bei einer Rückgriffsforderung des Sozialleistungsträgers nach § 116 SGB X, die einen Schadensersatzanspruch des unterhaltsberechtigten Kindes gegen seinen Elternteil aufgrund gesetzlicher Überleitung realisiert, nicht vor. Der Unterhaltsschuldner kann hiergegen keine eigenen berechtigten Interessen in Abwägung mit dem Interesse des Kindes bringen, das darin liegt, neben dem erlittenen Schaden nicht auch noch eine Unterhaltsminderung in Kauf nehmen zu müssen, die dem Grunde nach aus dem ihm zugefügten Schaden herrührt. Zudem steht dem Vorrang der Unterhaltsansprüche von Kindern wegen der mit den §§ 304 ff. Insolvenzordnung (InsO) geschaffenen Möglichkeit einer Verbraucherinsolvenz mit Restschuldbefreiung die Gefahr einer Überschuldung des Unterhaltsschuldners regelmäßig nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober 2007 - XII ZR 112/05 -, NJW 2008, S. 227 <228>). Da die Verbindlichkeit demnach unterhaltsrechtlich nicht berücksichtigungsfähig ist, bleibt dem geschädigten Kind sein Unterhaltsanspruch ungeschmälert erhalten, der vorrangig vor der Regressforderung des Sozialleistungsträgers zu bedienen (vgl. BGHZ 162, 234 <241>; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 10. Aufl. 2008, Rn. 1047) und auch vollstreckungsrechtlich durch § 850d Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) privilegiert ist.

52

Sofern der unterhaltspflichtige Elternteil allerdings über seine Zahlungsverpflichtungen hinaus dem Kind Zuwendungen hat zukommen lassen, wird ihm dies, wenn er in Regress genommen wird, schwerer oder gar nicht mehr möglich sein. Insoweit kann sich der Anspruchsübergang beim Kind doch in gewissem Umfang nachteilig auswirken. Andererseits scheidet eine Beeinträchtigung des geschädigten Kindes durch die Inanspruchnahme des schädigenden Elternteils ohnehin aus, wenn dieser schon bisher keinen Kindesunterhalt gezahlt hat, weil er aufgrund seines Leistungsvermögens hierzu nicht verpflichtet oder der Verpflichtung nicht nachgekommen ist. Nach einer in den Jahren 2001 und 2002 im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend durchgeführten Repräsentativumfrage zahlten nach Angaben der mit dem Kind zusammenlebenden Alleinerziehenden immerhin 31 % der vom Kind getrennt lebenden Elternteile den festgelegten Kindesunterhalt nicht in voller Höhe, unregelmäßig oder gar nicht. Dabei gaben 19 % der befragten Barunterhaltspflichtigen selbst an, es sei schon einmal oder häufiger vorgekommen, dass sie den Kindesunterhalt nicht gezahlt hätten (BMFSFJ , Unterhaltszahlungen für minderjährige Kinder in Deutschland, 2002, S. 102 ff.). Es ist insofern davon auszugehen, dass sich die Überleitung und Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs gegen einen barunterhaltspflichtigen, vom Kind getrennt lebenden Elternteil durch den Sozialleistungsträger nur in begrenzten Fällen und in geringfügigem Maße nachteilig auf die finanzielle Situation des geschädigten Kindes auswirkt.

53

(bb) Würde hingegen der Elternteil, bei dem das geschädigte Kind lebt, als Schädiger in Regress genommen, minderte sich das Einkommen, das dem gemeinsamen Eltern-Kind-Haushalt zur Verfügung steht, wovon auch das Kind betroffen wäre. Denn die Höhe der Ausgaben für Kinder hängt wesentlich von der Höhe des Haushaltseinkommens der sie betreuenden Elternteile ab (vgl. BVerfGE 103, 89 <109>). Über je mehr Einkommen Eltern verfügen, desto mehr Geld geben sie für ihre Kinder aus. Je weniger Geld ein alleinerziehender Elternteil dagegen hat, desto weniger bleibt auch für das Kind übrig und desto mehr muss es auf Dinge verzichten, die seinem gedeihlichen Aufwachsen förderlich sind (vgl. Münnich/Krebs, Wirtschaft und Statistik 2002, S. 1080 <1092 f.>). Auch wenn Eltern bei den Ausgaben für den privaten Konsum in der Regel zuerst an ihrer eigenen Lebenshaltung Abstriche vornehmen, ehe sie Einschränkungen bei den Ausgaben für ihre Kinder ins Auge fassen (vgl. Münnich/Krebs, a.a.O., S. 1096), lässt sich diese Folge im Falle der Geltendmachung eines übergeleiteten Anspruchs schwerlich vermeiden. Hierdurch minderte sich nicht nur das Einkommen des mit dem Kind zusammenlebenden Elternteils. Vielmehr würden auch dem geschädigten Kind Mittel für seinen Unterhalt entzogen, wodurch seine Lebensqualität beeinträchtigt würde. Das Kind davor zu schützen, rechtfertigt die Privilegierung eines mit dem geschädigten Kind in häuslicher Gemeinschaft lebenden Elternteils, der den Schaden verursacht hat, gegenüber einem getrennt von dem Kind lebenden Elternteil.

54

bb) Auch die mit einem Übergang der Schadensersatzforderung des Geschädigten auf den Sozialleistungsträger verbundene Gefahr einer Störung des häuslichen Friedens zwischen dem schädigenden und geschädigten Familienangehörigen mit negativen Auswirkungen auf den Geschädigten ist deutlich größer, wenn beide in häuslicher Gemeinschaft leben, als wenn sie getrennt voneinander leben. Dies trägt ebenfalls zur Rechtfertigung bei, den Übergang des Anspruchs im Interesse des Geschädigten nur bei Familienangehörigen auszuschließen, die in häuslicher Gemeinschaft leben.

55

(1) Schon allein das Schadensereignis lässt ein Konfliktpotential zwischen Schädiger und Geschädigtem entstehen, das ihr Verhältnis zueinander schwer belasten kann. Leben die beiden zudem in häuslicher Gemeinschaft und entstehen Streitigkeiten über die Verantwortlichkeit der Schadenszufügung, wird hiervon insbesondere der Geschädigte in weit stärkerem Maße in Mitleidenschaft gezogen als bei räumlicher Distanz zwischen ihm und dem Schädiger, bei der die Möglichkeit besteht, sich aus dem Wege zu gehen. Diese Möglichkeit ist bei einem Zusammenleben nicht gegeben, bei dem man sich zwangsläufig begegnet. Hier bekommt derjenige, der den Schaden verursacht hat, die Auswirkungen der Schädigung beim anderen täglich vor Augen geführt. Der Geschädigte wiederum wird dauernd mit seinem Schädiger konfrontiert, wobei beide die Folgen, die aus der Verletzung des Familienangehörigen herrühren, gemeinsam zu tragen haben und damit umgehen müssen. Würde die finanzielle Belastung durch einen Regress des Sozialleistungsträgers noch hinzukommen, könnte dies die häuslichen Spannungen erheblich steigern, denen beide, anders als bei einem Getrenntleben von Schädiger und Geschädigtem, permanent und zwangsläufig ausgesetzt wären.

56

(2) Dies träfe ein von einem Elternteil geschädigtes Kind in besonderer Weise. Es muss schon damit fertig werden, dass ihm eine für ihn sehr wichtige Bezugsperson, ein mit ihm lebender Elternteil, Schaden zugefügt hat. Eine womöglich ständige Atmosphäre der Spannung und des Streits in seinem Zuhause, das ihm doch Rückzugs- und Entfaltungsraum bieten soll, dazu noch geschürt durch einen Regress des Sozialleistungsträgers, der die finanzielle Situation der Familie verschlechtert, könnte nicht nur den häuslichen Frieden zerstören, sondern sich auch negativ auf die Entwicklung des ohnehin schon geschädigten Kindes auswirken.

57

Lebt das geschädigte Kind dagegen vom Elternteil, das ihm Schaden zugefügt hat, getrennt und besteht kein oder nur wenig persönlicher Kontakt zwischen beiden, können sich die Schädigung und die Inanspruchnahme des Elternteils durch den Sozialleistungsträger zwar auch auf das Eltern-Kind-Verhältnis belastend auswirken. Das Kind ist aber daraus erwachsenden Spannungen nicht unmittelbar und dauernd ausgesetzt, sondern wird damit gar nicht oder nur während zeitlich begrenzter Zusammentreffen mit dem Elternteil konfrontiert.

58

4. Die für den Ausschluss des Anspruchsübergangs nach § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X maßgebliche Tatbestandsvoraussetzung, dass der schädigende mit dem geschädigten Familienangehörigen in häuslicher Gemeinschaft lebt, ist allerdings bei Kindern und ihren von ihnen getrennt lebenden Elternteilen im Lichte des Schutzes der auch zwischen ihnen bestehenden Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG sowie des Elternrechts des getrennt lebenden Elternteils aus Art. 6 Abs. 2 GG auszulegen. Von einer häuslichen Gemeinschaft zwischen einem Kind und seinem von ihm getrennt lebenden Elternteil ist aufgrund dessen auch dann auszugehen, wenn der Elternteil seiner Verantwortung für das Kind in dem ihm rechtlich möglichen Maße tatsächlich nachkommt und regelmäßig längeren Umgang mit seinem Kind pflegt, sodass das Kind zeitweise auch in seinen Haushalt integriert ist und damit bei ihm ein Zuhause hat.

59

a) Art. 6 Abs. 1 GG schützt die Familie als tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft von Kindern und Eltern. Lebt ein Kind nicht mit beiden Eltern zusammen, weil diese sich getrennt haben, hat das Kind zwei Familien, wenn beide Elternteile trotz ihres Getrenntlebens tatsächlich für das Kind Verantwortung tragen: die mit der Mutter und die mit dem Vater (vgl. BVerfGE 45, 104 <123>; 108, 82 <112>). Das Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, jede dieser familiären Gemeinschaften aus Kind und einem Elternteil sowohl im Hinblick auf deren persönliche Beziehung als auch im wirtschaftlichen Bereich zu respektieren und ihren Zusammenhalt zu fördern (vgl. BVerfGE 112, 50 <65>; 112, 332 <352>). Dabei kann der Gesetzgeber den zu gewährenden Schutz zwar je nach den besonderen Bedürfnissen von Familien unterschiedlich ausgestalten. Dass er durch den Ausschluss des Anspruchsübergangs nach § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X nur Familien schützt, die in häuslicher Gemeinschaft leben, weil diese von einer Geltendmachung des Schadensanspruchs anders als Familien, bei denen Elternteil und Kind getrennt leben und keinen oder nur geringen Kontakt haben, in besonderer Weise betroffen sind, verletzt deshalb nicht Art. 6 Abs. 1 GG.

60

Übernimmt ein Elternteil aber, auch wenn das Kind nicht ständig bei ihm lebt, im Rahmen des ihm rechtlich möglichen Maßes tatsächlich Verantwortung für sein Kind und hat häufigen Umgang mit diesem, der ein regelmäßiges Verweilen und Übernachten im Haushalt des Elternteils umfasst, entsteht bei dieser Art familiären Zusammenlebens von Elternteil und Kind, die allein durch die Trennung der Eltern bedingt ist, auch eine häusliche Gemeinschaft im Sinne des § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X, die nicht minder schützenswert als diejenige ist, bei der Elternteil und Kind täglich zusammenleben. Ihr gebührt in gleicher Weise der Schutz aus Art. 6 Abs. 1 GG.

61

b) Das durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützte Elternrecht ist ein Recht, das jedem Elternteil zusteht, aber mit dem gleichwertigen Recht des anderen Elternteils korrespondiert und sich auf das Kind bezieht, zu dessen Wohl es auszuüben ist (vgl. BVerfGE 108, 82 <101>). Deshalb bedarf es der gesetzlichen Ausgestaltung (vgl. BVerfGE 92, 158 <178 f.>). Eine die besondere familiäre Situation, die Interessen der Eltern sowie das Kindeswohl berücksichtigende Ausgestaltung des Elternrechts ist vor allem auch dann erforderlich, wenn Eltern getrennt leben. So können die Eltern bei Getrenntleben ihre Elternverantwortung für das Kind nicht in gleicher Art und Weise wahrnehmen. Vielmehr ist zu klären und notfalls gerichtlich festzulegen, bei welchem Elternteil sich das Kind vorrangig aufhält. Dieser ist dann in erster Linie für die tatsächliche Betreuung des Kindes verantwortlich, während der vom Kind getrennt lebende Elternteil nach seiner Leistungsfähigkeit zu Unterhaltszahlungen für das Kind herangezogen wird. Selbst wenn beiden Elternteilen die gemeinsame Sorge für das Kind zusteht, ist es wegen des Getrenntlebens im Interesse des Kindeswohls zudem angezeigt, dem Elternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, das alleinige elterliche Entscheidungsrecht über Angelegenheiten des alltäglichen Lebens zu überlassen, wie es § 1687 Abs. 1 BGB vorsieht. Schließlich ist bei Trennung von Eltern demjenigen Elternteil, bei dem sich das Kind nicht oder nicht vornehmlich aufhält, ein Umgangsrecht mit seinem Kind einzuräumen. Denn der Umgang mit dem Kind ist wesentlicher Bestandteil des von Art. 6 Abs. 2 GG geschützten Elternrechts und maßgebliche Voraussetzung dafür, dass ein vom Kind getrennter Elternteil eine nähere persönliche Beziehung zu seinem Kind aufbauen oder aufrechterhalten kann (vgl. BVerfGE 121, 69 <94>). Auch kommt es grundsätzlich dem Wohl des Kindes zugute, wenn es durch Umgang mit seinem von ihm getrennt lebenden Elternteil die Möglichkeit erhält, zu diesem eine persönliche Beziehung aufzubauen, zu erhalten und zu vertiefen (vgl. BVerfGE 121, 69 <95>).

62

c) Trägt ein Elternteil mit dem anderen Elternteil, bei dem sich sein Kind vorrangig aufhält, gemeinsam die Sorge für das Kind oder ist allein aus Kindeswohlgründen nicht ihm, sondern dem anderen Elternteil die Alleinsorge eingeräumt, zahlt er regelmäßig den vereinbarten oder gerichtlich festgesetzten Kindesunterhalt und praktiziert den verabredeten oder ihm eingeräumten regelmäßigen Umgang mit dem Kind, der auch ein Verweilen des Kindes in seinem Haushalt umfasst, kommt dieser Elternteil in vollem, ihm rechtlich möglichen Umfang seiner elterlichen Verantwortung seinem Kind gegenüber nach. Einer solchermaßen gelebten familiären Beziehung zwischen dem Kind und seinem Elternteil kann nicht allein aufgrund dessen, dass beide nicht ständig zusammenleben, ein Leben in häuslicher Gemeinschaft abgesprochen werden. Das gilt nicht nur für den Fall, dass sich das Kind im Wechsel gleichlange Zeit bei jedem Elternteil aufhält, sondern auch dann, wenn das Kind in regelmäßigen Abständen einige Tage bei dem Elternteil verbringt und währenddessen bei ihm übernachtet, dort zumindest einen festen Schlafplatz hat, von ihm verköstigt wird und insofern bei ihm ein zweites Zuhause hat. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist von einer häuslichen Gemeinschaft zwischen dem Elternteil und dem Kind auszugehen, die von ausgeübter Verantwortung für das Kind und einem zumindest zeitweisen Zusammenleben und Haushalten mit dem Kind getragen ist.

63

Ein solches Leben in häuslicher Gemeinschaft unter dem Vorzeichen getrennt lebender Eltern ist im Hinblick auf den mit § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X verfolgten Schutzzweck mit einer häuslichen Gemeinschaft gleichzusetzen, in der ein Elternteil mit seinem Kind tagtäglich zusammenlebt. Auch diese Art des Zusammenlebens bedarf des Schutzes vor einem Rückgriff des Sozialleistungsträgers durch den Ausschluss des Anspruchsübergangs nach § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X, wenn es zu einer Schädigung des Kindes durch den Elternteil gekommen ist. Denn aufgrund eines regelmäßig und nicht nur stundenweise stattfindenden, mit Übernachtungen verbundenen Umgangs mit häuslicher Betreuung des Kindes entsteht eine feste Beziehung zwischen dem Kind und seinem Elternteil, die nicht minder vor Beeinträchtigungen zu bewahren ist. In einem solchen Eltern-Kind-Verhältnis wird regelmäßig auch der barunterhaltspflichtige Elternteil aus seiner Haushaltskasse Leistungen für das Kind erbringen, die dessen Verpflegung und Unterhaltung betreffen sowie Fahrtkosten umfassen und damit über seine Verpflichtung zur Unterhaltszahlung hinausgehen. Die Tätigung solcher Ausgaben für das Kind wäre ihm aber nicht mehr wie bisher möglich, wenn der Sozialleistungsträger wegen eines übergegangenen Schadensersatzanspruchs des Kindes auf ihn Rückgriff nehmen würde. Hierdurch wäre der auch für das Kind wichtige Umgang mit seinem Elternteil gefährdet oder müsste zumindest eingeschränkt werden, womit das bestehende persönliche Verhältnis zwischen dem Kind und seinem Elternteil durch den Regress einer starken Belastung ausgesetzt würde. Eine gute und intensive Beziehung des Kindes auch zu seinem nicht vornehmlich mit ihm zusammenlebenden Elternteil wirkt sich aber positiv auf die Entwicklung für das Kind aus (vgl. Offe, in: Fabian/Nowara, Neue Wege und Konzepte in der Rechtspsychologie, 2006, S. 105 <111 ff.>). Die Vermeidung von Spannungen und Streitigkeiten aufgrund einer Geltendmachung übergeleiteter Schadensansprüche ist insofern bei einer häuslichen Gemeinschaft mit teilweisem Zusammenleben von Kind und Elternteil ebenso vonnöten wie bei einer häuslichen Gemeinschaft, in der Elternteil und Kind stetig zusammenleben.

64

d) Eine solche verfassungskonforme Auslegung des Lebens in häuslicher Gemeinschaft als Voraussetzung für den Ausschluss des Anspruchsübergangs in § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X, die auch eine Eltern-Kind-Familie einbezieht, bei der Kind und Elternteil zwar nicht dauerhaft, aber zeitweise im Rahmen von regelmäßig stattfindendem und längerem Umgang zusammenleben und der Elternteil seiner Verantwortung für das Kind in vollem, ihm rechtlich möglichen Umfang nachkommt, fügt sich im Übrigen auch in den Gehalt ein, den Rechtsprechung und Literatur der Tatbestandsvoraussetzung "Leben in häuslicher Gemeinschaft" im Kontext von gesetzlichen Regressausschlüssen gegeben haben. So hat der Bundesgerichtshof mehrfach entschieden, dass eine häusliche Gemeinschaft nicht an einen überwiegenden Aufenthalt der Familienangehörigen in der Familienwohnung geknüpft sei, sofern die Abwesenheit eines Angehörigen Gründe habe, die nicht für eine Lockerung des Familienbandes sprächen (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 1961 - II ZR 237/59 -, NJW 1962, S. 41 f.; Urteil vom 16. Februar 1971 - VI ZR 150/69 -, VersR 1971, S. 478 <479>; Urteil vom 30. Juni 1971 - IV ZR 189/69 -, VersR 1971, S. 901). Auch die Literatur geht davon aus, dass eine häusliche Gemeinschaft dann vorliegt, wenn ein gemeinsamer Haushalt besteht beziehungsweise ein Familienangehöriger vom Haushalt eines anderen finanziell abhängig ist (vgl. Grüner/Dalichau, SGB X - Verwaltungsverfahren, § 116, S. 93 f. <1. März 2009>; Kater, in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 116 SGB X, Rn. 247 <1. Januar 2010>; Quast, Der Ausschluss der Regressnahme von Privatversicherern und Sozialversicherungsträgern bei Schadenszufügungen unter Familienangehörigen, 1975, S. 110). Dabei wird angenommen, dass eine solche häusliche Gemeinschaft auch bei länger andauerndem Getrenntleben nur beendet wird, wenn zur Trennung die Willensbekundung hinzutrete, die Gemeinschaft nicht mehr fortsetzen zu wollen (vgl. Krauskopf/Marburger, Die Ersatzansprüche nach § 116 SGB X, Bd. I, 6. Aufl. 2006, S. 46; Marschner, in: Pickel/Marschner, SGB X, § 116, Rn. 73 ). Da ein Elternteil, der zwar nicht dauernd mit seinem Kind zusammenlebt, aber regelmäßig mit seinem Kind auch in seinem eigenen Haushalt zusammenfindet und für sein Kind im Rahmen des ihm Möglichen tatsächlich Verantwortung trägt, damit zum Ausdruck bringt, eine familiäre Gemeinschaft mit dem Kind pflegen und aufrechterhalten zu wollen, erfüllt er die von Rechtsprechung und Literatur für die Annahme eines Lebens in häuslicher Gemeinschaft genannten Voraussetzungen.

II.

65

Unter Berücksichtigung dessen hat das vorlegende Gericht zu prüfen, ob bei dem Beklagten des Ausgangsverfahrens und seinem von ihm zu Schaden gekommenen Kind die angeführten Voraussetzungen für eine Annahme vorgelegen haben, dass beide trotz eines nicht ständigen Aufenthalts des Kindes bei dem Beklagten zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses ein Leben in häuslicher Gemeinschaft geführt haben. Sofern dies der Fall gewesen ist, wäre der Übergang des Schadensersatzanspruchs des Kindes auf den Sozialhilfeträger nach § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X ausgeschlossen, sodass der Beklagte nicht in Regress genommen werden könnte.

66

Darauf kommt es allerdings nur dann an, wenn das vorlegende Gericht weiterhin an seiner Auffassung festhalten sollte, dass der Beklagte seiner Aufsichtspflicht gegenüber seinem Kind nicht in einer Weise nachgekommen sei, die ihm das Haftungsprivileg des § 1664 Abs. 1 BGB eröffnet. In diesem Zusammenhang wird darauf verwiesen, dass auch bei Kleinkindern nicht in jedem Fall eine permanente Beobachtung "auf Schritt und Tritt" zu verlangen ist. Der Umfang der Aufsichtspflicht kann je nach Sachlage, insbesondere erkennbarer Gefährlichkeit der örtlichen Verhältnisse variieren (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 1997 - VI ZR 91/96 -, NJW 1997, S. 2047 <2048>; Wagner, in: Münchener Kommentar, BGB, Bd. 5, 5. Aufl. 2009, § 832, Rn. 27; Rakete-Dombek, in: Kaiser/Schnitzler/ Friederici, BGB Familienrecht, Bd. 4, 2. Aufl. 2010, § 1664, Rn. 7). Dem vom vorlegenden Gericht geschilderten Sachverhalt ist nicht zu entnehmen, inwiefern sich dem Beklagten die Gefahr hätte aufdrängen müssen, dass das unbeaufsichtigte Kleinkind innerhalb weniger Minuten die Regentonne erklimmen und hineinfallen könnte.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

Tenor

1. § 116 Absatz 6 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch vom 18. Januar 2001 (Bundesgesetzblatt I Seite 130) ist mit dem Grundgesetz auch insoweit vereinbar, als nach dieser Vorschrift nicht ausgeschlossen ist, dass bei nicht vorsätzlicher Schädigung durch einen zum Unterhalt verpflichteten Elternteil, der im Zeitpunkt des Schadensereignisses mit seinem geschädigten Kind nicht in häuslicher Gemeinschaft lebt, Ansprüche nach Absatz 1 auf den Sozialhilfeträger übergehen.

2. § 116 Absatz 6 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch ist im Lichte von Artikel 6 Absatz 1 und Absatz 2 des Grundgesetzes dahingehend auszulegen, dass auch derjenige Elternteil die Tatbestandsvoraussetzung eines Lebens in häuslicher Gemeinschaft erfüllt, der zwar getrennt von seinem Kind lebt, jedoch seiner Verantwortung für das Kind in dem ihm rechtlich möglichen Maße nachkommt und regelmäßigen wie längeren Umgang mit dem Kind pflegt, sodass dieses zeitweise auch in seinen Haushalt integriert ist.

Gründe

A.

1

Die Vorlage betrifft die Frage, ob § 116 Abs. 6 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als er bei Schädigungen durch einen Familienangehörigen, der mit dem Geschädigten in häuslicher Gemeinschaft lebt, einen Anspruchsübergang auf den Sozialhilfeträger ausschließt, nicht dagegen bei Schädigungen eines Kindes durch seinen nicht mit ihm zusammenlebenden, aber Unterhalt zahlenden und regelmäßigen Umgang auch in seinem Haushalt pflegenden Elternteil.

I.

2

§ 116 SGB X wurde mit dem am 1. Juli 1983 in Kraft getretenen Sozialgesetzbuch (SGB) - Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten - vom 4. November 1982 (BGBl I S. 1450) eingeführt.

3

Die Vorschrift bestimmt, dass ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens auf den Sozialversicherungsträger oder den Träger der Sozialhilfe übergeht, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. Der vorliegend maßgebliche Satz 1 des Absatzes 6 der Norm nimmt von diesem Übergang Ansprüche wegen nicht vorsätzlicher Schädigung gegen Familienangehörige aus, die mit dem Geschädigten in einer häuslichen Gemeinschaft leben. Die Regelung des seit seinem Inkrafttreten unveränderten § 116 Abs. 6 SGB X lautet:

4

Ein Übergang nach Absatz 1 ist bei nicht vorsätzlichen Schädigungen durch Familienangehörige, die im Zeitpunkt des Schadensereignisses mit dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen in häuslicher Gemeinschaft leben, ausgeschlossen. Ein Ersatzanspruch nach Absatz 1 kann dann nicht geltend gemacht werden, wenn der Schädiger mit dem Geschädigten oder einem Hinterbliebenen nach Eintritt des Schadensereignisses die Ehe geschlossen hat und in häuslicher Gemeinschaft lebt.

5

1. a) Das in § 116 Abs. 6 SGB X enthaltene sogenannte "Familien- oder Angehörigenprivileg" geht auf die bereits im Jahre 1910 in Kraft getretene Vorschrift des § 67 Abs. 2 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (VVG) a.F. zurück, die eine vergleichbare Regelung für den Bereich der Privatversicherung vorsah. Zur Begründung verwies der Gesetzgeber damals auf den in der Regel bestehenden engen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Versicherungsnehmer und dem mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen, der dazu führe, dass durch den Rückgriff des Versicherers gegen den Angehörigen meist der Versicherungsnehmer selbst in Mitleidenschaft gezogen werde (BRDrucks 1904/130, S. 120; im Entwurf noch § 65 Abs. 2 VVG). Mit der Neufassung des Versicherungsvertragsgesetzes im Jahre 2007 wurde diese Regelung in § 86 Abs. 3 VVG überführt. Dabei hat der Gesetzgeber die Beschränkung des Regressausschlusses auf Familienangehörige gestrichen, weil sie nicht mehr den heutigen gesellschaftlichen Verhältnissen entspreche (BTDrucks 16/3945, S. 82). Alleinige Voraussetzung für den Ausschluss der Rückgriffsmöglichkeit ist - im Unterschied zu dem unverändert gebliebenen § 116 Abs. 6 SGB X - nurmehr das Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft zwischen Versicherungsnehmer und Schädiger.

6

b) Der durch die Einführung des SGB X im Jahre 1983 aufgehobene § 1542 Reichsversicherungsordnung (RVO), der den gesetzlichen Forderungsübergang in der Sozialversicherung regelte, wies keine dem § 116 Abs. 6 SGB X vergleichbare Regelung auf. Jedoch ging der Bundesgerichtshof seit seinem Urteil vom 11. Februar 1964 (BGHZ 41, 79) in ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BGHZ 54, 256 <257 f.>; BGH, Urteil vom 9. Januar 1968 - VI ZR 44/66 -, NJW 1968, S. 649 f.; Urteil vom 21. September 1976 - VI ZR 210/75 -, NJW 1977, S. 108; Urteil vom 15. Januar 1980 - VI ZR 270/78 -, VersR 1980, S. 644; Urteil vom 8. Oktober 1985 - VI ZR 138/84 -, VersR 1986, S. 233) davon aus, dass der Forderungsübergang bei Schädigungen durch Familienangehörige, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem geschädigten Sozialversicherten leben, aufgrund des Schutzzwecks der Versicherungsleistung entsprechend § 67 Abs. 2 VVG a.F. ausgeschlossen sei. Anderenfalls führe die Anwendung des § 1542 RVO in diesen Fällen zu einer Schmälerung des Familienunterhalts, sodass die Leistung ihren Versicherungszweck nicht erfülle. § 67 Abs. 2 VVG a.F. wolle einerseits im Interesse der Erhaltung des häuslichen Familienfriedens verhindern, dass gegen Familienangehörige Streitigkeiten über die Verantwortung von Schadenszufügungen ausgetragen werden. Andererseits solle vermieden werden, dass der geschädigte Versicherte durch den Rückgriff auf den Schädiger selbst in Mitleidenschaft gezogen werde. Denn in häuslicher Gemeinschaft zusammenlebende Familienangehörige bildeten zumeist eine gewisse wirtschaftliche Einheit. Die Durchführung eines Rückgriffs führe hier im Praktischen dazu, dass der Versicherte das, was er mit der einen Hand erhalten habe, mit der anderen wieder herausgeben müsse. Daher müssten, um in solchen Fällen ein Leerlaufen der Sozialversicherung zu vermeiden und ihrem Schutzzweck gerecht zu werden, auch für den Rückgriffsanspruch des Sozialversicherungsträgers aus § 1542 RVO die Schranken gelten, die der spätere Gesetzgeber des Versicherungsvertragsgesetzes für den privaten Schadensversicherer ausdrücklich ausgesprochen habe (vgl. BGHZ 41, 79 <82 ff.>).

7

c) Eine analoge Anwendung des § 67 Abs. 2 VVG a.F. verneinte der Bundesgerichtshof allerdings für den Bereich der Sozialhilfe. Eine Forderungsüberleitung war hier nach § 90 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) möglich (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1983 - VI ZR 184/81 -, NJW 1984, S. 2580 <2581 f.>).

8

d) Zur Begründung des nunmehr in § 116 Abs. 6 SGB X sowohl im Sozialversicherungs- als auch im Sozialhilfebereich ausdrücklich eingeschränkten Anspruchsübergangs verwies die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf auf die zu § 1542 RVO ergangene Rechtsprechung. Sowohl im Interesse der Erhaltung des häuslichen Familienfriedens und damit zum Schutze der Familiengemeinschaft als auch angesichts des Zwecks von Sozialleistungen sei nach § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X der Anspruchsübergang ausgeschlossen, wenn ein Familienmitglied, das mit dem Geschädigten oder seinem Hinterbliebenen in häuslicher Gemeinschaft lebt, die Schädigung fahrlässig herbeigeführt habe (vgl. BTDrucks 9/95, S. 28).

9

2. Von diesen zwei Zwecksetzungen der Vermeidung mittelbarer wirtschaftlicher Beeinträchtigung des Geschädigten einerseits und des Schutzes des häuslichen Familienfriedens andererseits lässt sich auch die Rechtsprechung bei Auslegung des Familienprivilegs leiten (vgl. zu § 67 Abs. 2 VVG a.F.: BGHZ 41, 79 <83>; 180, 272 <275>; BGH, Urteil vom 9. Mai 1972 - VI ZR 40/71 -, NJW 1972, S. 1372; Urteil vom 29. Januar 1985 - VI ZR 88/83 -, NJW 1985, S. 1958 f.; Urteil vom 12. November 1985 - VI ZR 223/84 -, VersR 1986, S. 333 <334>; und zu § 116 Abs. 6 SGB X: BGHZ 102, 257<259 f.>; 106, 284 <288>). Dabei wird das Tatbestandsmerkmal der "häuslichen Gemeinschaft" insbesondere bei Eltern-Kind-Verhältnissen nicht eng ausgelegt. So wird das Vorliegen einer häuslichen Gemeinschaft auch dann angenommen, wenn sich das schädigende oder geschädigte Familienmitglied zwar nicht überwiegend in der Familienwohnung aufhält, aber die Abwesenheit äußere Gründe hat, die nicht für eine willkürliche Lockerung des Familienverbandes sprechen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 1971 - VI ZR 150/69 -, VersR 1971, S. 478 <479>).

10

So hat der Bundesgerichtshof eine häusliche Gemeinschaft zwischen Vater und Sohn bejaht, obwohl der geschädigte Vater in der Regel in einem angemieteten möblierten Zimmer nächtigte, weil er in die der Familie nach der Flucht zugeteilte Wohnung infolge der räumlichen Beengtheit nicht mit der übrigen Familie einziehen konnte (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 1961 - II ZR 237/59 -, NJW 1962, S. 41 f.). Ebenso hat er in einem Fall entschieden, in dem das geschädigte Familienmitglied werktags auswärts arbeitete und an seinem Arbeitsort eine Schlafstelle hatte (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 1971 - IV ZR 189/69 -, VersR 1971, S. 901 f.). Des Weiteren hat der Bundesgerichtshof auch eine häusliche Gemeinschaft zwischen dem geschädigten Vater und seinem 22-jährigen ledigen Sohn angenommen, der auswärts eine seemännische Ausbildung absolvierte, während der Ferien regelmäßig in den Haushalt seiner Eltern zurückkehrte und dort noch ein Zimmer hatte (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 1971 - VI ZR 150/69 -, VersR 1971, S. 478 <479 f.>). Schließlich hat er eine häusliche Gemeinschaft zwischen Eltern und ihrem im ausgebauten Dachgeschoss desselben Hauses mit seiner Ehefrau wohnenden, erwachsenen Sohn für gegeben erachtet, da zwischen beiden Ehepaaren eine gewisse, auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit bestanden habe, die als typisches Merkmal eines Familienverbandes anzusehen sei. Eine Einheit in sämtlichen Wirtschaftsangelegenheiten sei nicht erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1985 - VI ZR 223/84 -, VersR 1986, S. 333 ff.).

II.

11

1. Der Beklagte zu 3) des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Beklagter) ist Vater eines im Januar 2000 nichtehelich geborenen Sohnes, für den beide Elternteile die Personensorge gemeinsam ausübten. Der Junge lebte bei der Kindesmutter. Der Beklagte war kindesunterhaltspflichtig und kam dieser Verpflichtung uneingeschränkt nach. Zwischen ihm und dem Kind fand regelmäßig Umgang statt. Jedes zweite Wochenende von Freitagnachmittag bis Sonntagabend besuchte das Kind seinen Vater, der gemeinsam mit seinen Eltern, den Beklagten zu 1) und 2) des Ausgangsverfahrens und Großeltern des Kindes, in deren Hausanwesen wohnte.

12

Während eines solchen Besuchswochenendes Anfang August 2001 fiel das einige Minuten unbeaufsichtigte Kind in eine auf dem Grundstück der Großeltern stehende, ungesicherte Regentonne. Der Junge befand sich etwa zehn Minuten unter Wasser. Er konnte zwar reanimiert werden, erlitt jedoch schwerste Schäden, die voraussichtlich auf Lebensdauer zu einem Betreuungs- und Beaufsichtigungsbedarf führen werden. Seit dem 2. August 2002 erbringt der Bezirk S. als zuständiger Träger der überörtlichen Sozialhilfe für das Kind Leistungen der Sozialhilfe in Form der Eingliederungshilfe. Er ist Kläger des Ausgangsverfahrens.

13

2. Mit seiner Klage hat dieser aus gemäß § 116 Abs. 1 SGB X übergegangenem Recht einen Zahlungsanspruch in Höhe von 108.638,41 € zuzüglich Zinsen gegen die Beklagten geltend gemacht und die Feststellung ihrer Verpflichtung zum Ersatz der ab dem 1. Dezember 2005 erbrachten sowie der künftigen durch das Unfallereignis verursachten Nettosozialhilfeaufwendungen für das geschädigte Kind begehrt. Mit Teil-Endurteil vom 29. Mai 2007 hat das Landgericht die gegen die Großeltern gerichtete Klage abgewiesen; die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers blieb erfolglos.

14

3. Mit Beschluss vom 27. April 2009 hat das Landgericht das Verfahren gegen den Vater des Kindes als nunmehr einzigen Beklagten ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als er eine Haftungsprivilegierung des nicht in häuslicher Gemeinschaft lebenden, zum Unterhalt verpflichteten Kindesvaters im Gegensatz zu in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen nicht vorsieht.

15

Das Landgericht geht unter Würdigung des Sachverhalts davon aus, dass der Beklagte seine Aufsichtspflicht zum Unfallzeitpunkt grob fahrlässig verletzt hat. Er habe erkennen können, dass die ungesicherte Regentonne eine Gefahrenquelle für sein Kind sein könne. Insofern hätte er das Kind ständig im Auge behalten müssen. Dem sei der Beklagte nicht nachgekommen, denn das Kind sei in die Tonne gefallen, ohne dass dies jemand zunächst bemerkt hätte. Ihm sei grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, weil ein aufgrund seines Alters von etwa 18 Monaten in seinem Verhalten nur schwer zu berechnendes Kind ständig unter Aufsicht gehalten werden müsse. Wegen des grob fahrlässigen Verhaltens sei gemäß § 277 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Haftung des Beklagten nicht nach § 1664 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Daher habe das Kind gegen den Beklagten aufgrund seiner Schädigung einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB. Der Übergang dieses Anspruchs auf den Kläger sei auch nicht nach § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X ausgeschlossen.

16

Zum Unfallzeitpunkt habe keine häusliche Gemeinschaft zwischen dem Kind und dem Beklagten bestanden, da das Kind nur alle zwei Wochen von Freitag bis Sonntag zusammen mit dem Beklagten im Haushalt von dessen Eltern gelebt habe. Eine Auslegung von § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X dahingehend, das Haftungsprivileg auf den Beklagten zu erstrecken, sei angesichts der klaren Auslegung des Begriffs "in häuslicher Gemeinschaft lebend" durch die einschlägige Literatur nicht möglich. Demnach sei der Klage stattzugeben.

17

Das Landgericht hält jedoch § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X insoweit wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG für verfassungswidrig, als die Norm einen Forderungsübergang gegen einen mit dem geschädigten Kind nicht in häuslicher Gemeinschaft lebenden, das Personensorgerecht oder auch nur ein Umgangsrecht besitzenden und zu Unterhalt verpflichteten Elternteil nicht ausschließt. Das Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft mit dem geschädigten Kind sei in solchen Fällen kein sachgerechter Differenzierungsmaßstab. Die im Bürgerlichen Gesetzbuch enthaltenen grundlegenden Bestimmungen des Familienrechts unterschieden bei den Pflichten eines Elternteils, wie etwa der Unterhaltspflicht, nicht danach, ob zwischen Eltern und Kind eine häusliche Gemeinschaft bestehe oder nicht. Bereits diese Gesetzessystematik zeige, dass die in § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X vorgenommene Anknüpfung des Rückgriffsausschlusses an das Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft nicht sachgerecht sein könne.

18

Weiter spreche der Gesetzeszweck, den Familienfrieden zu erhalten, gegen die im Gesetz vorgenommene Beschränkung. Für den Familienfrieden mache es keinen wesentlichen Unterschied, wenn die Belastungen (nur) den nicht mit dem Kind zusammenlebenden Vater träfen. Denn auch dessen Beziehung zu seinem Kind, die gerade im Interesse des Kindes von Konflikten frei gehalten werden solle, sei sowohl durch seine im Regresswege erfolgende Inanspruchnahme als auch durch deren finanzielle Folgen belastet. Ein so betroffener Kindesvater komme leicht dazu, eine vergleichende Betrachtung zur Kindesmutter anzustellen, der bei demselben Versagen im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht ein Regress erspart bliebe, und werde seine Behandlung als ungerecht empfinden. Es liege nahe, dass eine solche Einschätzung für seine Beziehung zum Kind nicht förderlich sei.

19

Auch die Betrachtung der wirtschaftlichen Situation ergebe die Verfassungswidrigkeit von § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X. Nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB würden bei der Erfüllung der Unterhaltspflichten gegenüber einem Kind finanzielle Leistungen einerseits und Erziehungsleistungen andererseits als gleichwertig erachtet. Gerade bei nicht miteinander verheirateten Eltern komme es häufig vor, dass die Eltern nicht zusammenlebten und damit ein Elternteil die für das Kind notwendigen finanziellen Mittel erwirtschafte, während der andere das Kind erziehe. Dann aber würde durch § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X das Aufsichtspflichtversagen des unterhaltzahlenden Elternteils mit einem "Regress bestraft". Dagegen bliebe es beim anderen Elternteil, bei dem das Kind lebt, ohne Folgen. Zwar sei richtig, dass der dem Kind und gegebenenfalls auch der Kindesmutter zu erbringende Mindestunterhalt durch Pfändungsfreigrenzen auch im Falle eines Regresses geschützt sei. Dies gelte aber ebenso für die in häuslicher Gemeinschaft lebende Familie.

20

Das Bundesverfassungsgericht habe entschieden, dass der Schutz von Ehe und Familie und insbesondere das Interesse der jeweils betroffenen Kinder keine unterschiedliche Behandlung von verheirateten und unverheirateten Eltern zulasse. Dieser Gedanke sei hier zu übertragen. Ein Abstellen auf die häusliche Gemeinschaft für den Regressverzicht führe zu einer Bevorzugung der "traditionellen" Familie ob mit oder ohne Trauschein. Ein solcher Maßstab sei angesichts der sonstigen rechtlichen Gleichbehandlung nicht zusammenlebender Elternteile und im Hinblick auf den Schutz der Interessen der in erster Linie betroffenen nichtehelichen Kinder alleinerziehender Elternteile nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.

III.

21

Zu der Vorlage haben das Bundesministerium für Arbeit und Soziales namens der Bundesregierung, die Bayerische Staatsregierung, der Bundesgerichtshof, das Bundessozialgericht, der Deutsche Landkreistag, der Sozialverband VdK Deutschland, der Deutsche Sozialgerichtstag, der Deutsche Juristinnenbund und das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht Stellung genommen.

22

1. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X mit dem Grundgesetz in Einklang steht. Die Ungleichbehandlung von Eltern, die nicht mit ihren Kindern in einer häuslichen Gemeinschaft leben, gegenüber Eltern, bei denen das der Fall ist, sei durch gewichtige Gründe gerechtfertigt. Es sei von einer weit weniger schweren Belastung des Familienfriedens auszugehen, wenn der vom Rest der Familie getrennt lebende Angehörige den Geschädigten selten oder nur an einigen Tagen im Monat sehe. Störungen seien unter solchen Umständen weit weniger wahrscheinlich als im Falle einer täglichen Begegnung. Zudem werde der mit dem Geschädigten zusammenlebende Angehörige die Folgen der Schädigung, die er selbst verursacht habe, nicht nur täglich, gegebenenfalls lebenslang vor Augen haben, sondern etwa durch Pflege des Kindes und Änderung der eigenen beruflichen oder familiären Lebensplanung auch tragen müssen. Es sei dem Zusammenleben abträglich, müsste er zusätzlich noch Regressansprüche des Sozialhilfeträgers befriedigen.

23

Auch der Schutz der Familienkasse rechtfertige es, das Familienprivileg auf die häusliche Gemeinschaft zu beschränken. Sei aus der Familienkasse Schadensersatz durch das schädigende Familienmitglied zu leisten, so mindere dies unmittelbar den Lebensstandard der Gesamtfamilie und damit auch den des Geschädigten. Ein Zuwachs an Geld in Form von Schadensersatz finde bei ihm faktisch nicht statt. Das sei bei Familienangehörigen, die nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebten, grundsätzlich anders, da ein Rückgriff auf eine gemeinsame Familienkasse zu Lasten des Geschädigten nicht gegeben sei. Die von § 116 Abs. 6 SGB X vermiedene Situation, dass der Geschädigte den Schadensersatz mitfinanziere, könne hier nicht entstehen. Insbesondere sei im Falle einer Eltern-Kind-Beziehung der gesetzliche Unterhalt des Geschädigten gesichert, weil diese Ansprüche vorrangig vor Schadensersatzansprüchen zu befriedigen seien.

24

Zwar stehe der nicht mit dem geschädigten Kind lebende Elternteil schlechter als der mit ihm in einem Haushalt lebende. Der Regress durch den Sozialleistungsträger sei jedoch keine Strafe, sondern solle eine Schadensverschiebung auf einen an der schuldhaften Schädigung nicht beteiligten Dritten vermeiden, der kraft Gesetzes zur Leistung verpflichtet sei. Zudem gelte im Eltern-Kind-Verhältnis der eingeschränkte Haftungsmaßstab des § 1664 Abs. 1 BGB, weshalb den Schädiger ein erheblicher Verschuldensvorwurf treffen müsse. Dann bedürfe es erst recht besonderer Gründe, die Schadensregulierung dennoch einem Dritten aufzuerlegen.

25

2. Die Bayerische Staatsregierung teilt die im Vorlagebeschluss genannten Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X.

26

Vor dem Hintergrund, dass auch eine Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft die elterlichen Pflichten nach Art. 6 Abs. 2 GG unberührt lasse, könnten die zu § 116 Abs. 6 SGB X genannten Differenzierungsmotive nicht überzeugen. Sei gerade der Kontakt mit dem Kind auch nach einer Trennung wesentlicher Teil der elterlichen Pflichten, liege für eine differenzierte Haftungsregelung bei Schadensereignissen im Rahmen des Umgangs kein sachlicher Grund vor.

27

3. Der Bundesgerichtshof verweist auf seine Rechtsprechung und teilt mit, er habe sich mit der Frage der Erstreckung des familiären Haftungsprivilegs auf den unterhaltspflichtigen, mit dem geschädigten Kind nicht in häuslicher Gemeinschaft lebenden Elternteil bislang nicht befasst.

28

4. Das Bundessozialgericht bezweifelt die Grundrechtskonformität von § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X. Die Gleichstellungspflicht von Kindern unverheirateter mit denen verheirateter Eltern impliziere, dass die typischen unterschiedlichen Lebensformen zu berücksichtigen seien. Typisch für unverheiratete Eltern sei, dass sie nicht zusammenlebten, sich aber beide an der Betreuung des Kindes beteiligten und dafür die finanzielle und erzieherische Fürsorge untereinander aufgeteilt hätten. Dazu sei auch die Konstellation zu rechnen, in der die Mutter vorwiegend die erzieherische und der Vater die finanzielle Fürsorge leiste, sich aber trotz seines getrennten Wohnsitzes mit um das Kind kümmere. In einer solchen Situation könne ein Regress gegen den Vater zu Beeinträchtigungen nicht nur der finanziellen, sondern auch der emotionalen Beziehung zwischen Vater und Kind führen.

29

Zu berücksichtigen sei weiter, dass die Gleichstellung nicht nur auf das Kind ausgerichtet sei, sondern ebenso die Gleichbehandlung von Eltern gebiete. Diesem Gebot entspreche der Haftungsausschluss des § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X nicht. Von ihm würden zwar unverheiratete Eltern mit erfasst, aber nur diejenigen Elternteile, die mit dem Geschädigten zusammenlebten. Diejenigen, die nicht mit ihm zusammenlebten, seien nicht einbezogen, und zwar auch dann nicht, wenn sie sich sowohl für das finanzielle als auch das persönliche Wohlergehen des Kindes verantwortlich fühlten. Dies sei mit Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 und 5 GG unvereinbar.

30

5. Der Deutsche Landkreistag erachtet die Differenzierung nach dem Vorliegen einer häuslichen Gemeinschaft für sachgerecht.

31

6. Der Sozialverband VdK Deutschland meint, der Begriff der häuslichen Gemeinschaft müsse den Realitäten der Gegenwart im Sinne unterschiedlicher Formen menschlichen Zusammenlebens angepasst werden. Der unterhaltspflichtige Vater eines nichtehelichen Kindes, der zum Regress herangezogen werde, werde durch diese Zahlungen in seiner wirtschaftlichen Potenz so geschädigt, dass der Unterhalt nicht mehr leistbar sei. Dadurch werde das zu schützende Kind selbst in Mitleidenschaft gezogen. Auch dürfe die Beziehung zwischen dem unterhaltsverpflichteten Elternteil und dem unterhaltsberechtigten Kind nicht gestört werden. Ein schuldenbeladener Vater werde eine andere Beziehung zu seinem die Schulden verursachenden Kind entwickeln als ohne eine derartige finanzielle Belastung.

32

7. Der Deutsche Sozialgerichtstag ist der Auffassung, §116 Abs. 6 Satz 1 SGB X verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Situation des umgangsberechtigten Vaters und die der Mutter, die mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebe, unterschieden sich gerade im Lichte der wirtschaftlichen Interessen derart voneinander, dass die Anwendung des Privilegs auf beide Fälle gleichermaßen nicht geboten sei. Auch könne nicht unterstellt werden, dass ein Vater sein Kind schlechter behandle, weil er sich im Falle grob fahrlässiger Aufsichtspflichtverletzung einem Regressanspruch des Sozialhilfeträgers ausgesetzt sehe. Allerdings sei zu erwägen, eine häusliche Gemeinschaft dann zu bejahen, wenn ein Elternteil in Ausübung der elterlichen Sorge sein Kind regelmäßig in seinen Haushalt aufnehme.

33

8. Der Deutsche Juristinnenbund teilt die grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken der Vorlage nicht, sieht aber Anlass für eine verfassungskonforme Auslegung der Norm. Das Kriterium des Zusammenlebens in häuslicher Gemeinschaft in § 116 Abs. 6 SGB X sei einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich, nach der Bindungen zwischen Elternteil und Kind von einer Intensität, die über sporadische Besuchskontakte bei gemeinsamem Sorgerecht hinausgingen, der häuslichen Gemeinschaft im Einzelfall gleichgestellt werden könnten.

34

Der Schutzbedarf des geschädigten Kindes begründe keine Notwendigkeit, den Regress des Sozialleistungsträgers gegenüber getrennt lebenden Elternteilen generell auszuschließen. Da es an der gemeinsamen Mittelaufbringung und Mittelverwendung fehle, könne der nicht im gleichen Haushalt lebende Angehörige über den Regress nicht wirtschaftlich in Mitleidenschaft gezogen werden. Der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den getrennt lebenden Unterhaltsverpflichteten bleibe von der Regressnahme unberührt.

35

9. Das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht ist der Auffassung, dass die Haftungsprivilegierung gemäß § 116 Abs. 6 SGB X zumindest für den Fall verfassungswidrig sei, dass der Schädiger ein Elternteil sei, der für sein Kind durch regelmäßigen Umgang und Unterhaltszahlungen Verantwortung über-nehme. Die hinter der Regelung stehenden, grundsätzlich berechtigten Gründe rechtfertigten in der vorliegenden Konstellation eine Ungleichbehandlung nicht. Ein "Wirtschaften aus einem Topf" könne auch vorliegen, wenn der Geschädigte mit dem Schädiger nicht in häuslicher Gemeinschaft lebe. Sei der Schädiger dem Geschädigten gegenüber zum Unterhalt verpflichtet, beziehe der Geschädigte zumindest teilweise seine Mittel zum Leben von ihm.

36

Auch im Hinblick auf den Schutzzweck der Wahrung des Familienfriedens be-stünden keine so gewichtigen Unterschiede, dass eine ungleiche Behandlung gerechtfertigt sei. Bei regelmäßigem Umgang sei das Kind auch in die Lebenswelt dieses Elternteils einbezogen. Auch dieses Verhältnis könne nachhaltig gestört werden, wenn der Elternteil von dem Sozialleistungsträger in Anspruch genommen werde. Nicht die Quantität der in einem Haushalt gemeinsam verbrachten Zeit sichere eine funktionierende Familie, sondern die Qualität des Miteinanders.

B.

37

§ 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Es verstößt weder gegen Art. 6 Abs. 1 und Abs. 5 GG noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, dass die Vorschrift den Übergang eines Schadensersatzanspruchs gegenüber einem Familienangehörigen auf den Sozialversicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe nur für den Fall ausschließt, dass der Familienangehörige, der die Schädigung nicht vorsätzlich verursacht hat, im Zeitpunkt des Schadensereignisses mit dem Geschädigten in häuslicher Gemeinschaft lebt. Die durch den Ausschluss des Anspruchsübergangs erfolgende Privilegierung von Familienangehörigen, die in häuslicher Gemeinschaft leben, gegenüber Familienangehörigen, die getrennt leben, ist sachlich gerechtfertigt. Dies gilt grundsätzlich auch für Elternteile und ihre Kinder. Allerdings ist bei ihnen die für den Ausschluss des Anspruchsübergangs maßgebliche Voraussetzung eines Lebens in häuslicher Gemeinschaft unter hinreichender Berücksichtigung des Schutzes der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG und des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG auszulegen. Von einem Leben in häuslicher Gemeinschaft ist insofern auch dann auszugehen, wenn bei Getrenntleben von Eltern ein Elternteil mit seinem Kind zwar nicht ständig zusammenlebt, aber seiner Elternverantwortung in dem ihm rechtlich möglichen Maße tatsächlich nachkommt und regelmäßig längeren Umgang mit seinem Kind pflegt, sodass das Kind zeitweise auch in seinen Haushalt integriert ist und damit bei ihm ein Zuhause hat.

I.

38

1. § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X verstößt nicht gegen den nach Art. 6 Abs. 1 GG zu gewährleistenden Schutz der Familie. Dem Gesetzgeber steht bei der Entscheidung darüber, auf welche Weise er diesem Schutzauftrag nachkommt, ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 82, 60 <81>). So ergibt sich zwar aus Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich (vgl. BVerfGE 107, 205 <213>). Konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen lassen sich aus dem Förderungsgebot des Art. 6 Abs. 1 GG aber nicht herleiten (vgl. BVerfGE 110, 412 <436>). Der Staat ist nicht gehalten, jegliche die Familie betreffende Belastung auszugleichen (vgl. BVerfGE 82, 60 <81>).

39

Bei der Inanspruchnahme eines gegenüber einem Familienangehörigen schadensersatzpflichtigen anderen Familienangehörigen infolge eines Anspruchsübergangs handelt es sich schon nicht um eine familienbedingte finanzielle Belastung, sondern um eine, die die Familie zwar trifft, aber aus einer Schadensersatz begründenden Handlung eines Familienmitglieds herrührt. Zur Kompensation einer solchen, dem einzelnen Familienangehörigen aus einer von ihm zu verantwortenden Verletzungshandlung, wie zum Beispiel der Verletzung seiner elterlichen Pflichten, entstehenden finanziellen Belastung ist der Staat durch Art. 6 Abs. 1 GG nicht verpflichtet.

40

Bewahrt der Gesetzgeber Familienangehörige dennoch unter bestimmten Voraussetzungen vor einem Rückgriff aus übergeleiteten Schadensersatzansprüchen, muss er für die hierdurch erfolgende Differenzierung bei der Entlastung von Familien Gründe haben, die vor Art. 3 Abs. 1 GG Bestand haben (siehe B. I. 3.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG familiären Konstellationen, die vergleichbar sind, in gleicher Weise gebührt (siehe B. I. 4.).

41

2. Art. 6 Abs. 5 GG, der die Schlechterstellung nichtehelicher Kinder gegenüber ehelichen Kindern verbietet, wird durch § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X nicht verletzt. Die Norm differenziert nicht danach, ob es sich bei dem schädigenden oder geschädigten Familienangehörigen um ein eheliches oder nichteheliches Kind handelt, vielmehr danach, ob der schädigende mit dem geschädigten Familienangehörigen in häuslicher Gemeinschaft lebt. Mit dieser Unterscheidung werden nichteheliche Kinder auch nicht mittelbar ungleich behandelt und gegenüber ehelichen Kindern benachteiligt. Denn heutzutage kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass es in aller Regel nichteheliche Kinder sind, die nur mit einem Elternteil leben, und eheliche Kinder fast immer in häuslicher Gemeinschaft mit beiden Elternteilen aufwachsen.

42

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts lebten im Jahre 2008 maximal 76,8 % und damit der größte Teil aller Kinder mit ihren verheirateten Eltern zusammen, während mindestens 7,1 % der Kinder mit ihren Eltern zusammenlebten, die eine nichteheliche Lebensgemeinschaft führen. Demgegenüber betrug der Anteil der Kinder, die bei einem alleinerziehenden Elternteil aufwuchsen, mindestens 16,1 % (vgl. Statistisches Jahrbuch 2009, Tab. 2.17). Die Zahlen belegen, dass die meisten Kinder mit zwei Elternteilen zusammenleben, die ganz überwiegend ehelich verbunden sind. Dies lässt zwar den Schluss zu, dass es zumeist eheliche Kinder sind, die mit beiden Eltern zusammenleben. Andererseits kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass es vornehmlich nichteheliche Kinder sind, die mit einem alleinerziehenden Elternteil und damit von dem anderen Elternteil getrennt leben. Zwar liegen keine Zahlen vor, die über den tatsächlichen Anteil nichtehelicher Kinder in Haushalten mit nur einem Elternteil Auskunft geben könnten. Doch hat eine Erhebung im Rahmen des Mikrozensus 2009 ergeben, dass nur 35 % der Alleinerziehenden ledig sind, während 65 %, also fast zwei Drittel, schon einmal verheiratet waren oder es noch sind, jedoch vom Ehepartner getrennt leben (vgl. Statistisches Bundesamt, Alleinerziehende in Deutschland - Ergebnisse des Mikrozensus 2009, S. 12). Auch wenn nicht alle Kinder dieser geschiedenen, verwitweten oder getrennt lebenden Alleinerziehenden ehelich geboren sein müssen, spricht angesichts des hohen Anteils dieser Gruppe von Alleinerziehenden jedenfalls nichts dafür, dass typischerweise nichteheliche Kinder nur mit einem Elternteil zusammenleben und deshalb im Hinblick auf den getrennt lebenden Elternteil von dem Ausschluss des Anspruchsübergangs nach § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X vornehmlich betroffen sind, der das Leben mit einem Familienangehörigen in häuslicher Gemeinschaft voraussetzt. Vielmehr sind eheliche Kinder, deren Eltern sich getrennt haben, davon ebenso ausgenommen.

43

3. Es verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG, dass § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X den Übergang eines Schadensersatzanspruchs auf den Sozialversicherungs- oder Sozialhilfeträger dann ausschließt, wenn ein Schadensverursacher mit seinem Familienangehörigen, dem er Schaden zugefügt hat, in häuslicher Gemeinschaft lebt, nicht dagegen, wenn die beiden getrennt leben. Hierin liegt eine Ungleichbehandlung, die durch hinreichende Gründe gerechtfertigt ist.

44

a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 1, 14 <52>; 98, 365 <385>; stRspr). Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem einem Personenkreis eine Begünstigung gewährt wird, die einem anderen Personenkreis vorenthalten bleibt (vgl. BVerfGE 110, 412 <431>; 116, 164 <180>).

45

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfGE 117, 1 <30>; stRspr). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ist anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft. Bei verhaltensbezogenen Unterscheidungen hängt das Maß der Bindung wiederum insbesondere auch davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Kriterien zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juli 2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 -, juris Rn. 82 f.).

46

b) Danach ist hier ein über die bloße Willkürkontrolle hinausgehender Maßstab anzulegen. Indem der Gesetzgeber den Ausschluss des Forderungsübergangs vom Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft mit dem geschädigten Familienmitglied abhängig macht, knüpft er zwar an einem Verhalten an und nimmt diejenigen, die als Familienangehörige nicht mit dem Geschädigten in häuslicher Gemeinschaft leben, vom Anwendungsbereich dieses Privilegs aus. Im Falle getrennt lebender Eltern kann aber der einzelne Elternteil nicht allein darauf Einfluss nehmen, ob er mit seinem Kind in häuslicher Gemeinschaft lebt und insoweit das Kriterium erfüllt, nach dem § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X differenziert. Über den Aufenthalt des Kindes entscheidet im Streitfall der Eltern letztlich das Familiengericht. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Ungleichbehandlung familiäre Beziehungen trifft, die gleichermaßen den Schutz von Art. 6 Abs. 1 GG genießen. Darüber hinaus kann sie die Ausübung des von Art. 6 Abs. 2 GG geschützten Elternrechts tangieren. Insofern muss die in § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X vorgenommene Ungleichbehandlung von Familienangehörigen, die in häuslicher Gemeinschaft leben, und solchen, die dies nicht tun, von Gründen solcher Art und solchen Gewichts getragen sein, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können.

47

c) Der Gesetzgeber hat mit dem Schutzbedürfnis des Geschädigten vor wirtschaftlichen Nachteilen, die diesem drohen, wenn ein mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebender Familienangehöriger zur Schadenshaftung herangezogen wird, und mit der Wahrung des häuslichen Friedens im Interesse des Geschädigten hinreichend gewichtige Gründe angeführt, die die durch den Ausschluss des Forderungsübergangs in § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X erfolgende Privilegierung von Familienangehörigen, die in häuslicher Gemeinschaft leben, und damit die Benachteiligung von Familienangehörigen, die voneinander getrennt leben, rechtfertigen. Denn die Gefahr einer Beeinträchtigung des geschädigten Familienangehörigen durch einen Rückgriff des Sozialleistungsträgers auf den Schädiger ist größer und wird im Faktischen in aller Regel vor allem dann eintreten, wenn dieser mit dem Geschädigten in häuslicher Gemeinschaft lebt.

48

aa) (1) Es ist mit dem Gesetzgeber davon auszugehen, dass Familienmitglieder, die in häuslicher Gemeinschaft leben, regelmäßig auch einen gemeinsamen Haushalt führen und deshalb zumeist eine wirtschaftliche Einheit bilden (vgl. BTDrucks 9/95, S. 28), bei der die Einkünfte aller Haushaltsmitglieder zusammenfließen und für die Ausgaben aller zur Verfügung stehen, bei der also aus "einem Topf" gewirtschaftet wird. Werden einem in einer solchen familiären Gemeinschaft Lebenden Sozialleistungen wegen einer Schädigung erbracht, die ihm ein mit ihm zusammenlebender Angehöriger zugefügt hat, und könnte der Leistungsträger den auf ihn übergeleiteten Schadensersatzanspruch des Geschädigten beim Schädiger zugleich wieder einfordern, minderte dies die gemeinsame Familienkasse und träfe damit auch den Geschädigten. Denn für alle Familienmitglieder stünden aufgrund dessen weniger Mittel zur gemeinsamen Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung. Durch einen Rückgriff auf den Schädiger würde dem Geschädigten insofern letztlich wieder genommen, was ihm eigentlich an Schadensersatz zusteht. Um dies zu verhindern, hat der Gesetzgeber davon abgesehen, den Schädiger in Regress zu nehmen.

49

Bei getrennt lebenden Familienangehörigen findet hingegen ein gemeinsames Wirtschaften in der Regel nicht statt. Sie haushalten jeweils für sich selbst und verfügen über ihre Einkünfte allein. Fordert hier ein Leistungsträger beim schädigenden Familienangehörigen Schadensersatz ein, verschlechtert sich zwar dessen finanzielle Situation. Dies hat jedoch typischerweise keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Haushaltslage des von ihm getrennt lebenden geschädigten Familienangehörigen. Dieser kann ungeschmälert über die ihm gewährten Sozialleistungen verfügen und bedarf insofern keines besonderen Schutzes durch eine Haftungsprivilegierung des Schädigers. Dies rechtfertigt, dass der Gesetzgeber bei getrennt lebenden Familienangehörigen anders als bei solchen, die in häuslicher Gemeinschaft zusammenleben, nicht auf einen Forderungsübergang verzichtet hat. Denn nur, wenn einem Geschädigten durch Rückgriff auf den Schädiger Nachteile entstehen können, besteht Anlass, einen Schädiger zu Lasten der Allgemeinheit zu verschonen und Schadensersatzansprüche des Geschädigten gegen ihn nicht auf den staatlichen Leistungsträger übergehen zu lassen, der wegen des eingetretenen Schadens Leistungen erbracht hat.

50

(2) Die Ungleichbehandlung von getrennt lebenden und in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen durch § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X ist grundsätzlich auch dann gerechtfertigt, wenn der Geschädigte ein Kind und der Schädiger dessen unterhaltspflichtiger Elternteil ist. Denn dem Kind drohen bei einem Übergang seines Schadensersatzanspruchs gegen den Elternteil auf den Sozialleistungsträger im Falle, dass es mit diesem Elternteil zusammenlebt, ebenfalls erhebliche Nachteile, die seinen Lebensunterhalt betreffen, während solche Nachteile für das Kind bei einem Rückgriff auf einen getrennt von ihm lebenden Elternteil nicht oder nur in geringerem Umfang zu gewärtigen sind.

51

(aa) Werden gegen einen vom geschädigten Kind getrennt lebenden, zu Bar-unterhaltsleistungen verpflichteten Elternteil übergeleitete Schadensersatzansprüche vom Sozialleistungsträger geltend gemacht, verringern sich zwar die finanziellen Mittel des Elternteils zur Bestreitung seines eigenen Lebensunterhalts. Der Regress hat jedoch in der Regel keine Auswirkungen auf die Höhe des dem Kind geschuldeten Unterhalts. Bei der Ermittlung des unterhaltserheblichen Einkommens eines Unterhaltsverpflichteten können nämlich nur solche Verbindlichkeiten abgezogen werden, die nach ihrem Zweck, dem Zeitpunkt und der Art ihrer Entstehung oder anderen Umständen berücksichtigungsfähig sind (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 1995 - XII ZR 247/94 -, FamRZ 1996, S. 160 <161>). Diese Voraussetzung liegt bei einer Rückgriffsforderung des Sozialleistungsträgers nach § 116 SGB X, die einen Schadensersatzanspruch des unterhaltsberechtigten Kindes gegen seinen Elternteil aufgrund gesetzlicher Überleitung realisiert, nicht vor. Der Unterhaltsschuldner kann hiergegen keine eigenen berechtigten Interessen in Abwägung mit dem Interesse des Kindes bringen, das darin liegt, neben dem erlittenen Schaden nicht auch noch eine Unterhaltsminderung in Kauf nehmen zu müssen, die dem Grunde nach aus dem ihm zugefügten Schaden herrührt. Zudem steht dem Vorrang der Unterhaltsansprüche von Kindern wegen der mit den §§ 304 ff. Insolvenzordnung (InsO) geschaffenen Möglichkeit einer Verbraucherinsolvenz mit Restschuldbefreiung die Gefahr einer Überschuldung des Unterhaltsschuldners regelmäßig nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober 2007 - XII ZR 112/05 -, NJW 2008, S. 227 <228>). Da die Verbindlichkeit demnach unterhaltsrechtlich nicht berücksichtigungsfähig ist, bleibt dem geschädigten Kind sein Unterhaltsanspruch ungeschmälert erhalten, der vorrangig vor der Regressforderung des Sozialleistungsträgers zu bedienen (vgl. BGHZ 162, 234 <241>; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 10. Aufl. 2008, Rn. 1047) und auch vollstreckungsrechtlich durch § 850d Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) privilegiert ist.

52

Sofern der unterhaltspflichtige Elternteil allerdings über seine Zahlungsverpflichtungen hinaus dem Kind Zuwendungen hat zukommen lassen, wird ihm dies, wenn er in Regress genommen wird, schwerer oder gar nicht mehr möglich sein. Insoweit kann sich der Anspruchsübergang beim Kind doch in gewissem Umfang nachteilig auswirken. Andererseits scheidet eine Beeinträchtigung des geschädigten Kindes durch die Inanspruchnahme des schädigenden Elternteils ohnehin aus, wenn dieser schon bisher keinen Kindesunterhalt gezahlt hat, weil er aufgrund seines Leistungsvermögens hierzu nicht verpflichtet oder der Verpflichtung nicht nachgekommen ist. Nach einer in den Jahren 2001 und 2002 im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend durchgeführten Repräsentativumfrage zahlten nach Angaben der mit dem Kind zusammenlebenden Alleinerziehenden immerhin 31 % der vom Kind getrennt lebenden Elternteile den festgelegten Kindesunterhalt nicht in voller Höhe, unregelmäßig oder gar nicht. Dabei gaben 19 % der befragten Barunterhaltspflichtigen selbst an, es sei schon einmal oder häufiger vorgekommen, dass sie den Kindesunterhalt nicht gezahlt hätten (BMFSFJ , Unterhaltszahlungen für minderjährige Kinder in Deutschland, 2002, S. 102 ff.). Es ist insofern davon auszugehen, dass sich die Überleitung und Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs gegen einen barunterhaltspflichtigen, vom Kind getrennt lebenden Elternteil durch den Sozialleistungsträger nur in begrenzten Fällen und in geringfügigem Maße nachteilig auf die finanzielle Situation des geschädigten Kindes auswirkt.

53

(bb) Würde hingegen der Elternteil, bei dem das geschädigte Kind lebt, als Schädiger in Regress genommen, minderte sich das Einkommen, das dem gemeinsamen Eltern-Kind-Haushalt zur Verfügung steht, wovon auch das Kind betroffen wäre. Denn die Höhe der Ausgaben für Kinder hängt wesentlich von der Höhe des Haushaltseinkommens der sie betreuenden Elternteile ab (vgl. BVerfGE 103, 89 <109>). Über je mehr Einkommen Eltern verfügen, desto mehr Geld geben sie für ihre Kinder aus. Je weniger Geld ein alleinerziehender Elternteil dagegen hat, desto weniger bleibt auch für das Kind übrig und desto mehr muss es auf Dinge verzichten, die seinem gedeihlichen Aufwachsen förderlich sind (vgl. Münnich/Krebs, Wirtschaft und Statistik 2002, S. 1080 <1092 f.>). Auch wenn Eltern bei den Ausgaben für den privaten Konsum in der Regel zuerst an ihrer eigenen Lebenshaltung Abstriche vornehmen, ehe sie Einschränkungen bei den Ausgaben für ihre Kinder ins Auge fassen (vgl. Münnich/Krebs, a.a.O., S. 1096), lässt sich diese Folge im Falle der Geltendmachung eines übergeleiteten Anspruchs schwerlich vermeiden. Hierdurch minderte sich nicht nur das Einkommen des mit dem Kind zusammenlebenden Elternteils. Vielmehr würden auch dem geschädigten Kind Mittel für seinen Unterhalt entzogen, wodurch seine Lebensqualität beeinträchtigt würde. Das Kind davor zu schützen, rechtfertigt die Privilegierung eines mit dem geschädigten Kind in häuslicher Gemeinschaft lebenden Elternteils, der den Schaden verursacht hat, gegenüber einem getrennt von dem Kind lebenden Elternteil.

54

bb) Auch die mit einem Übergang der Schadensersatzforderung des Geschädigten auf den Sozialleistungsträger verbundene Gefahr einer Störung des häuslichen Friedens zwischen dem schädigenden und geschädigten Familienangehörigen mit negativen Auswirkungen auf den Geschädigten ist deutlich größer, wenn beide in häuslicher Gemeinschaft leben, als wenn sie getrennt voneinander leben. Dies trägt ebenfalls zur Rechtfertigung bei, den Übergang des Anspruchs im Interesse des Geschädigten nur bei Familienangehörigen auszuschließen, die in häuslicher Gemeinschaft leben.

55

(1) Schon allein das Schadensereignis lässt ein Konfliktpotential zwischen Schädiger und Geschädigtem entstehen, das ihr Verhältnis zueinander schwer belasten kann. Leben die beiden zudem in häuslicher Gemeinschaft und entstehen Streitigkeiten über die Verantwortlichkeit der Schadenszufügung, wird hiervon insbesondere der Geschädigte in weit stärkerem Maße in Mitleidenschaft gezogen als bei räumlicher Distanz zwischen ihm und dem Schädiger, bei der die Möglichkeit besteht, sich aus dem Wege zu gehen. Diese Möglichkeit ist bei einem Zusammenleben nicht gegeben, bei dem man sich zwangsläufig begegnet. Hier bekommt derjenige, der den Schaden verursacht hat, die Auswirkungen der Schädigung beim anderen täglich vor Augen geführt. Der Geschädigte wiederum wird dauernd mit seinem Schädiger konfrontiert, wobei beide die Folgen, die aus der Verletzung des Familienangehörigen herrühren, gemeinsam zu tragen haben und damit umgehen müssen. Würde die finanzielle Belastung durch einen Regress des Sozialleistungsträgers noch hinzukommen, könnte dies die häuslichen Spannungen erheblich steigern, denen beide, anders als bei einem Getrenntleben von Schädiger und Geschädigtem, permanent und zwangsläufig ausgesetzt wären.

56

(2) Dies träfe ein von einem Elternteil geschädigtes Kind in besonderer Weise. Es muss schon damit fertig werden, dass ihm eine für ihn sehr wichtige Bezugsperson, ein mit ihm lebender Elternteil, Schaden zugefügt hat. Eine womöglich ständige Atmosphäre der Spannung und des Streits in seinem Zuhause, das ihm doch Rückzugs- und Entfaltungsraum bieten soll, dazu noch geschürt durch einen Regress des Sozialleistungsträgers, der die finanzielle Situation der Familie verschlechtert, könnte nicht nur den häuslichen Frieden zerstören, sondern sich auch negativ auf die Entwicklung des ohnehin schon geschädigten Kindes auswirken.

57

Lebt das geschädigte Kind dagegen vom Elternteil, das ihm Schaden zugefügt hat, getrennt und besteht kein oder nur wenig persönlicher Kontakt zwischen beiden, können sich die Schädigung und die Inanspruchnahme des Elternteils durch den Sozialleistungsträger zwar auch auf das Eltern-Kind-Verhältnis belastend auswirken. Das Kind ist aber daraus erwachsenden Spannungen nicht unmittelbar und dauernd ausgesetzt, sondern wird damit gar nicht oder nur während zeitlich begrenzter Zusammentreffen mit dem Elternteil konfrontiert.

58

4. Die für den Ausschluss des Anspruchsübergangs nach § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X maßgebliche Tatbestandsvoraussetzung, dass der schädigende mit dem geschädigten Familienangehörigen in häuslicher Gemeinschaft lebt, ist allerdings bei Kindern und ihren von ihnen getrennt lebenden Elternteilen im Lichte des Schutzes der auch zwischen ihnen bestehenden Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG sowie des Elternrechts des getrennt lebenden Elternteils aus Art. 6 Abs. 2 GG auszulegen. Von einer häuslichen Gemeinschaft zwischen einem Kind und seinem von ihm getrennt lebenden Elternteil ist aufgrund dessen auch dann auszugehen, wenn der Elternteil seiner Verantwortung für das Kind in dem ihm rechtlich möglichen Maße tatsächlich nachkommt und regelmäßig längeren Umgang mit seinem Kind pflegt, sodass das Kind zeitweise auch in seinen Haushalt integriert ist und damit bei ihm ein Zuhause hat.

59

a) Art. 6 Abs. 1 GG schützt die Familie als tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft von Kindern und Eltern. Lebt ein Kind nicht mit beiden Eltern zusammen, weil diese sich getrennt haben, hat das Kind zwei Familien, wenn beide Elternteile trotz ihres Getrenntlebens tatsächlich für das Kind Verantwortung tragen: die mit der Mutter und die mit dem Vater (vgl. BVerfGE 45, 104 <123>; 108, 82 <112>). Das Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, jede dieser familiären Gemeinschaften aus Kind und einem Elternteil sowohl im Hinblick auf deren persönliche Beziehung als auch im wirtschaftlichen Bereich zu respektieren und ihren Zusammenhalt zu fördern (vgl. BVerfGE 112, 50 <65>; 112, 332 <352>). Dabei kann der Gesetzgeber den zu gewährenden Schutz zwar je nach den besonderen Bedürfnissen von Familien unterschiedlich ausgestalten. Dass er durch den Ausschluss des Anspruchsübergangs nach § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X nur Familien schützt, die in häuslicher Gemeinschaft leben, weil diese von einer Geltendmachung des Schadensanspruchs anders als Familien, bei denen Elternteil und Kind getrennt leben und keinen oder nur geringen Kontakt haben, in besonderer Weise betroffen sind, verletzt deshalb nicht Art. 6 Abs. 1 GG.

60

Übernimmt ein Elternteil aber, auch wenn das Kind nicht ständig bei ihm lebt, im Rahmen des ihm rechtlich möglichen Maßes tatsächlich Verantwortung für sein Kind und hat häufigen Umgang mit diesem, der ein regelmäßiges Verweilen und Übernachten im Haushalt des Elternteils umfasst, entsteht bei dieser Art familiären Zusammenlebens von Elternteil und Kind, die allein durch die Trennung der Eltern bedingt ist, auch eine häusliche Gemeinschaft im Sinne des § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X, die nicht minder schützenswert als diejenige ist, bei der Elternteil und Kind täglich zusammenleben. Ihr gebührt in gleicher Weise der Schutz aus Art. 6 Abs. 1 GG.

61

b) Das durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützte Elternrecht ist ein Recht, das jedem Elternteil zusteht, aber mit dem gleichwertigen Recht des anderen Elternteils korrespondiert und sich auf das Kind bezieht, zu dessen Wohl es auszuüben ist (vgl. BVerfGE 108, 82 <101>). Deshalb bedarf es der gesetzlichen Ausgestaltung (vgl. BVerfGE 92, 158 <178 f.>). Eine die besondere familiäre Situation, die Interessen der Eltern sowie das Kindeswohl berücksichtigende Ausgestaltung des Elternrechts ist vor allem auch dann erforderlich, wenn Eltern getrennt leben. So können die Eltern bei Getrenntleben ihre Elternverantwortung für das Kind nicht in gleicher Art und Weise wahrnehmen. Vielmehr ist zu klären und notfalls gerichtlich festzulegen, bei welchem Elternteil sich das Kind vorrangig aufhält. Dieser ist dann in erster Linie für die tatsächliche Betreuung des Kindes verantwortlich, während der vom Kind getrennt lebende Elternteil nach seiner Leistungsfähigkeit zu Unterhaltszahlungen für das Kind herangezogen wird. Selbst wenn beiden Elternteilen die gemeinsame Sorge für das Kind zusteht, ist es wegen des Getrenntlebens im Interesse des Kindeswohls zudem angezeigt, dem Elternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, das alleinige elterliche Entscheidungsrecht über Angelegenheiten des alltäglichen Lebens zu überlassen, wie es § 1687 Abs. 1 BGB vorsieht. Schließlich ist bei Trennung von Eltern demjenigen Elternteil, bei dem sich das Kind nicht oder nicht vornehmlich aufhält, ein Umgangsrecht mit seinem Kind einzuräumen. Denn der Umgang mit dem Kind ist wesentlicher Bestandteil des von Art. 6 Abs. 2 GG geschützten Elternrechts und maßgebliche Voraussetzung dafür, dass ein vom Kind getrennter Elternteil eine nähere persönliche Beziehung zu seinem Kind aufbauen oder aufrechterhalten kann (vgl. BVerfGE 121, 69 <94>). Auch kommt es grundsätzlich dem Wohl des Kindes zugute, wenn es durch Umgang mit seinem von ihm getrennt lebenden Elternteil die Möglichkeit erhält, zu diesem eine persönliche Beziehung aufzubauen, zu erhalten und zu vertiefen (vgl. BVerfGE 121, 69 <95>).

62

c) Trägt ein Elternteil mit dem anderen Elternteil, bei dem sich sein Kind vorrangig aufhält, gemeinsam die Sorge für das Kind oder ist allein aus Kindeswohlgründen nicht ihm, sondern dem anderen Elternteil die Alleinsorge eingeräumt, zahlt er regelmäßig den vereinbarten oder gerichtlich festgesetzten Kindesunterhalt und praktiziert den verabredeten oder ihm eingeräumten regelmäßigen Umgang mit dem Kind, der auch ein Verweilen des Kindes in seinem Haushalt umfasst, kommt dieser Elternteil in vollem, ihm rechtlich möglichen Umfang seiner elterlichen Verantwortung seinem Kind gegenüber nach. Einer solchermaßen gelebten familiären Beziehung zwischen dem Kind und seinem Elternteil kann nicht allein aufgrund dessen, dass beide nicht ständig zusammenleben, ein Leben in häuslicher Gemeinschaft abgesprochen werden. Das gilt nicht nur für den Fall, dass sich das Kind im Wechsel gleichlange Zeit bei jedem Elternteil aufhält, sondern auch dann, wenn das Kind in regelmäßigen Abständen einige Tage bei dem Elternteil verbringt und währenddessen bei ihm übernachtet, dort zumindest einen festen Schlafplatz hat, von ihm verköstigt wird und insofern bei ihm ein zweites Zuhause hat. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist von einer häuslichen Gemeinschaft zwischen dem Elternteil und dem Kind auszugehen, die von ausgeübter Verantwortung für das Kind und einem zumindest zeitweisen Zusammenleben und Haushalten mit dem Kind getragen ist.

63

Ein solches Leben in häuslicher Gemeinschaft unter dem Vorzeichen getrennt lebender Eltern ist im Hinblick auf den mit § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X verfolgten Schutzzweck mit einer häuslichen Gemeinschaft gleichzusetzen, in der ein Elternteil mit seinem Kind tagtäglich zusammenlebt. Auch diese Art des Zusammenlebens bedarf des Schutzes vor einem Rückgriff des Sozialleistungsträgers durch den Ausschluss des Anspruchsübergangs nach § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X, wenn es zu einer Schädigung des Kindes durch den Elternteil gekommen ist. Denn aufgrund eines regelmäßig und nicht nur stundenweise stattfindenden, mit Übernachtungen verbundenen Umgangs mit häuslicher Betreuung des Kindes entsteht eine feste Beziehung zwischen dem Kind und seinem Elternteil, die nicht minder vor Beeinträchtigungen zu bewahren ist. In einem solchen Eltern-Kind-Verhältnis wird regelmäßig auch der barunterhaltspflichtige Elternteil aus seiner Haushaltskasse Leistungen für das Kind erbringen, die dessen Verpflegung und Unterhaltung betreffen sowie Fahrtkosten umfassen und damit über seine Verpflichtung zur Unterhaltszahlung hinausgehen. Die Tätigung solcher Ausgaben für das Kind wäre ihm aber nicht mehr wie bisher möglich, wenn der Sozialleistungsträger wegen eines übergegangenen Schadensersatzanspruchs des Kindes auf ihn Rückgriff nehmen würde. Hierdurch wäre der auch für das Kind wichtige Umgang mit seinem Elternteil gefährdet oder müsste zumindest eingeschränkt werden, womit das bestehende persönliche Verhältnis zwischen dem Kind und seinem Elternteil durch den Regress einer starken Belastung ausgesetzt würde. Eine gute und intensive Beziehung des Kindes auch zu seinem nicht vornehmlich mit ihm zusammenlebenden Elternteil wirkt sich aber positiv auf die Entwicklung für das Kind aus (vgl. Offe, in: Fabian/Nowara, Neue Wege und Konzepte in der Rechtspsychologie, 2006, S. 105 <111 ff.>). Die Vermeidung von Spannungen und Streitigkeiten aufgrund einer Geltendmachung übergeleiteter Schadensansprüche ist insofern bei einer häuslichen Gemeinschaft mit teilweisem Zusammenleben von Kind und Elternteil ebenso vonnöten wie bei einer häuslichen Gemeinschaft, in der Elternteil und Kind stetig zusammenleben.

64

d) Eine solche verfassungskonforme Auslegung des Lebens in häuslicher Gemeinschaft als Voraussetzung für den Ausschluss des Anspruchsübergangs in § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X, die auch eine Eltern-Kind-Familie einbezieht, bei der Kind und Elternteil zwar nicht dauerhaft, aber zeitweise im Rahmen von regelmäßig stattfindendem und längerem Umgang zusammenleben und der Elternteil seiner Verantwortung für das Kind in vollem, ihm rechtlich möglichen Umfang nachkommt, fügt sich im Übrigen auch in den Gehalt ein, den Rechtsprechung und Literatur der Tatbestandsvoraussetzung "Leben in häuslicher Gemeinschaft" im Kontext von gesetzlichen Regressausschlüssen gegeben haben. So hat der Bundesgerichtshof mehrfach entschieden, dass eine häusliche Gemeinschaft nicht an einen überwiegenden Aufenthalt der Familienangehörigen in der Familienwohnung geknüpft sei, sofern die Abwesenheit eines Angehörigen Gründe habe, die nicht für eine Lockerung des Familienbandes sprächen (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 1961 - II ZR 237/59 -, NJW 1962, S. 41 f.; Urteil vom 16. Februar 1971 - VI ZR 150/69 -, VersR 1971, S. 478 <479>; Urteil vom 30. Juni 1971 - IV ZR 189/69 -, VersR 1971, S. 901). Auch die Literatur geht davon aus, dass eine häusliche Gemeinschaft dann vorliegt, wenn ein gemeinsamer Haushalt besteht beziehungsweise ein Familienangehöriger vom Haushalt eines anderen finanziell abhängig ist (vgl. Grüner/Dalichau, SGB X - Verwaltungsverfahren, § 116, S. 93 f. <1. März 2009>; Kater, in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 116 SGB X, Rn. 247 <1. Januar 2010>; Quast, Der Ausschluss der Regressnahme von Privatversicherern und Sozialversicherungsträgern bei Schadenszufügungen unter Familienangehörigen, 1975, S. 110). Dabei wird angenommen, dass eine solche häusliche Gemeinschaft auch bei länger andauerndem Getrenntleben nur beendet wird, wenn zur Trennung die Willensbekundung hinzutrete, die Gemeinschaft nicht mehr fortsetzen zu wollen (vgl. Krauskopf/Marburger, Die Ersatzansprüche nach § 116 SGB X, Bd. I, 6. Aufl. 2006, S. 46; Marschner, in: Pickel/Marschner, SGB X, § 116, Rn. 73 ). Da ein Elternteil, der zwar nicht dauernd mit seinem Kind zusammenlebt, aber regelmäßig mit seinem Kind auch in seinem eigenen Haushalt zusammenfindet und für sein Kind im Rahmen des ihm Möglichen tatsächlich Verantwortung trägt, damit zum Ausdruck bringt, eine familiäre Gemeinschaft mit dem Kind pflegen und aufrechterhalten zu wollen, erfüllt er die von Rechtsprechung und Literatur für die Annahme eines Lebens in häuslicher Gemeinschaft genannten Voraussetzungen.

II.

65

Unter Berücksichtigung dessen hat das vorlegende Gericht zu prüfen, ob bei dem Beklagten des Ausgangsverfahrens und seinem von ihm zu Schaden gekommenen Kind die angeführten Voraussetzungen für eine Annahme vorgelegen haben, dass beide trotz eines nicht ständigen Aufenthalts des Kindes bei dem Beklagten zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses ein Leben in häuslicher Gemeinschaft geführt haben. Sofern dies der Fall gewesen ist, wäre der Übergang des Schadensersatzanspruchs des Kindes auf den Sozialhilfeträger nach § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X ausgeschlossen, sodass der Beklagte nicht in Regress genommen werden könnte.

66

Darauf kommt es allerdings nur dann an, wenn das vorlegende Gericht weiterhin an seiner Auffassung festhalten sollte, dass der Beklagte seiner Aufsichtspflicht gegenüber seinem Kind nicht in einer Weise nachgekommen sei, die ihm das Haftungsprivileg des § 1664 Abs. 1 BGB eröffnet. In diesem Zusammenhang wird darauf verwiesen, dass auch bei Kleinkindern nicht in jedem Fall eine permanente Beobachtung "auf Schritt und Tritt" zu verlangen ist. Der Umfang der Aufsichtspflicht kann je nach Sachlage, insbesondere erkennbarer Gefährlichkeit der örtlichen Verhältnisse variieren (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 1997 - VI ZR 91/96 -, NJW 1997, S. 2047 <2048>; Wagner, in: Münchener Kommentar, BGB, Bd. 5, 5. Aufl. 2009, § 832, Rn. 27; Rakete-Dombek, in: Kaiser/Schnitzler/ Friederici, BGB Familienrecht, Bd. 4, 2. Aufl. 2010, § 1664, Rn. 7). Dem vom vorlegenden Gericht geschilderten Sachverhalt ist nicht zu entnehmen, inwiefern sich dem Beklagten die Gefahr hätte aufdrängen müssen, dass das unbeaufsichtigte Kleinkind innerhalb weniger Minuten die Regentonne erklimmen und hineinfallen könnte.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

1. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14. August 2008 - I ZR 17/07 - verletzt die von der Beschwerdeführerin vertretenen Urheber in ihrem Grundrecht aus Artikel 14 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.

2. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

3. ...

4. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 890.000 € (in Worten: achthundertneunzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft im Wesentlichen die Frage, ob die angegriffenen Entscheidungen mit der Ablehnung einer Vergütungspflicht ("Geräteabgabe") für Drucker und Plotter auf der Grundlage von § 54a Urheberrechtsgesetz in der bis 31. Dezember 2007 geltenden Fassung aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Patentgebührengesetzes und anderer Gesetze vom 25. Juli 1994, BGBl I S. 1739 (im Folgenden: UrhG a.F.) verfassungsmäßige Rechte von Urhebern oder der Beschwerdeführerin als Verwertungsgesellschaft verletzen.

2

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 30. August 2010 im Verfahren 1 BvR 1631/08 (GRUR 2010, S. 999) entschieden, dass das ebenfalls die Vergütungspflicht bei Druckern und Plottern betreffende Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. Dezember 2007 - I ZR 94/05 - (BGHZ 174, 359) die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. Die Kammer hat dieses Urteil aufgehoben und die Sache an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen. Im Hinblick auf die Darstellung der urheberrechtlichen Rechtslage wird auf den Beschluss vom 30. August 2010 verwiesen.

I.

3

1. Die Beschwerdeführerin nimmt die Urheberrechte der ihr angeschlossenen Wortautoren wahr; sie ist zudem gemeinsame Empfangsstelle gemäß § 54h Abs. 3 UrhG. Sie wurde im Ausgangsverfahren zugleich im Auftrag der Verwertungsgesellschaft B-K... (VG B-K...) als Prozessstandschafterin tätig. Die Beklagten des Ausgangsverfahrens stellen unter anderem Drucker und Plotter her und verkaufen sie.

4

Die Beschwerdeführerin nahm die Beklagten auf Auskunft über die Art und Anzahl der durch sie seit dem 1. April 2001 im Inland veräußerten oder sonst in Verkehr gebrachten Drucker und Plotter, über die Leistung dieser Geräte sowie über ihre inländischen Bezugsquellen in Anspruch. Sie begehrte zudem die Feststellung, dass die Beklagten ihr für jedes Gerät einen Betrag gemäß dem von ihr zusammen mit der VG B-K... aufgestellten und im Bundesanzeiger (Nr. 63 vom 30. März 2001, S. 5667) veröffentlichten Tarif zu zahlen habe.

5

Das Oberlandesgericht hat die Klage der Beschwerdeführerin abgewiesen (K&R 2007, S. 216) mit der Begründung, zwar ändere die Möglichkeit des "Digital Rights Managements" (DRM) an der grundsätzlichen Geräteabgabepflicht nichts, da sich DRM aus verschiedenen Gründen noch nicht durchgesetzt habe. Jedoch seien Drucker keine Geräte, die Werkstücke "durch Ablichtung ... oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung vervielfältig[en]". Der urheberrechtlich relevante Vorgang finde beim Scanner beziehungsweise beim PC statt; bereits in diesen Geräten erfolge - bei "technikoffener" Betrachtung - eine Vervielfältigung im Sinne des § 54a Abs. 1 UrhG a.F. Allein die Tatsache, dass statt einer analogen eine digitale Umsetzung gewählt werde, führe noch nicht aus dem Geltungsbereich des § 54a UrhG a.F. heraus. Gerade deshalb sei die Verkörperung des Werks, die allein ein Drucker noch leisten könne, nur eine von mehreren Verwendungsformen einer bereits vorhandenen Vervielfältigung. Weil die Vervielfältigung schon vorher erfolgt sei, fehle es bei einem Drucker an einer "Ablichtung" oder einem "Verfahren mit vergleichbarer Wirkung". Bei Geräten in Funktionseinheiten sei aus praktischen Gesichtspunkten die Gerätevergütungspflicht auf die Eingangsgeräte beschränkt, da diese dem "Leitbild" eines Fotokopiergeräts am ehesten entsprächen. Je mehr Geräte zu einer Funktionseinheit gehörten und je mehr Variationsmöglichkeiten es gebe, desto komplexer werde die Bemessung einer angemessenen Vergütung für jedes Einzelgerät. Je mehr sich die technische Entwicklung von dem Stand weiterentwickele, der dem Gesetzgeber bei der Schaffung der Norm vor Augen stand, desto eher sei es Sache des Gesetzgebers, die maßgeblichen Fragen selbst zu regeln. Bei der vorliegenden komplexen, durch eine technische Fortentwicklung aufgekommenen Frage, die zudem in hohem Maße widerstreitende Interessen berühre, sollten die Gerichte Zurückhaltung üben. Dies sei auch deswegen angezeigt, weil ein Ausdruck urheberrechtsfähiger Werke auf der Grundlage der Lizenz des § 53 UrhG bei Druckern allenfalls im Randbereich eine Rolle spiele. Damit schieden Kopien aus, die der Nutzer bereits aus anderen Gründen herstellen dürfe, etwa weil der Nutzungsrechtsinhaber mit dem Ausdrucken einverstanden sei.

6

Der Bundesgerichtshof hat die Revision im Beschlusswege unter Bezugnahme auf sein inzwischen von der Kammer aufgehobenes Urteil vom 6. Dezember 2007 zurückgewiesen.

7

2. Die Beschwerdeführerin beschränkt ihre Verfassungsbeschwerde unter Verweis auf das Verfahren 1 BvR 1631/08 "auf eine Zusammenfassung ihrer Rügen aus Art. 3 und Art. 14 GG". Auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts gehen die Verfassungsbeschwerde und die nachfolgenden Schriftsätze der Beschwerdeführerin nicht gesondert ein.

8

Im Übrigen wird auf die Darstellung der Angriffe der Beschwerdeführerin im Beschluss der Kammer vom 30. August 2010 verwiesen. Weiter wird Bezug genommen auf die dortige Wiedergabe der Stellungnahmen der Beklagten des Ausgangsverfahrens, des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) und der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V. sowie der Replik der Beschwerdeführerin.

II.

9

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, soweit sie sich gegen den Beschluss des Bundesgerichtshofs richtet. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

10

Die Verfassungsbeschwerde ist nur teilweise zulässig (1.). Soweit sie zulässig ist, ist ihre Annahme nach § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Durchsetzung des von der Beschwerdeführerin für die von ihr vertretenen Urheber wahrgenommenen Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG angezeigt; insoweit ist die Verfassungsbeschwerde auch offensichtlich begründet (2.). Auf die übrigen Rügen kommt es daneben nicht an (3.).

11

1. Die Verfassungsbeschwerde ist nur zum Teil zulässig.

12

a) Die Beschwerdeführerin ist befugt, die Eigentumsrechte der von ihr vertretenen Wort-Urheber in Prozessstandschaft auch im Verfassungsbeschwerdeverfahren wahrzunehmen (vgl. BVerfGE 77, 263 <269 f.>). Allerdings kann die Beschwerdeführerin nach § 90 Abs. 1 BVerfGG nicht prozessstandschaftlich für die VG B-K... auftreten (vgl. BVerfGE 2, 292 <294>; 10, 134 <136>; stRspr). Dies bleibt im Streitfall ohne Auswirkung auf die Entscheidung, weil im Ausgangsverfahren zwischen den Ansprüchen der Bild- und Kunsturheber und der Wortautoren im Hinblick auf die Zuständigkeit der Beschwerdeführerin nach § 54h Abs. 3 UrhG nicht differenziert wurde, sondern ein einheitlicher Streitgegenstand vorlag.

13

b) Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Oberlandesgerichts richtet, ist sie unzulässig. Denn das Vorbringen der Beschwerdeführerin genügt insoweit mangels hinreichend differenzierter und verfassungsrechtlich erheblicher Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und der darin enthaltenen detaillierten rechtlichen Würdigung nicht dem gesetzlichen Begründungserfordernis gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz, § 92 BVerfGG (vgl. BVerfGE 81, 208 <214 f.>; 85, 36 <52 f.>; 88, 40 <45>; 89, 1 <4 f.>; 101, 331 <345 f.>; 105, 252 <264>). Von einer weiteren Begründung wird insoweit gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

14

2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen vor, insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht die hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Der angegriffene Beschluss verletzt die von der Beschwerdeführerin vertretenen Urheber in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG.

15

a) Zu den konstituierenden Merkmalen des Urheberrechts als Eigentum im Sinne der Verfassung gehören die grundsätzliche Zuordnung des vermögenswerten Ergebnisses der schöpferischen Leistung an den Urheber im Wege privatrechtlicher Normierung sowie seine Freiheit, in eigener Verantwortung darüber verfügen zu können. Im Einzelnen ist es Sache des Gesetzgebers, im Rahmen der inhaltlichen Ausprägung des Urheberrechts nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sachgerechte Maßstäbe festzulegen, die eine der Natur und der sozialen Bedeutung des Rechts entsprechende Nutzung und angemessene Verwertung sicherstellen (vgl. BVerfGE 31, 229 <240 f.>; 79, 1 <25>). Dabei hat der Gesetzgeber einen verhältnismäßig weiten Entscheidungsraum (vgl. BVerfGE 21, 73 <83>; 79, 29 <40>). Eingriffe in das Verwertungsrecht des Urhebers können freilich nur durch ein gesteigertes öffentliches Interesse gerechtfertigt werden (vgl. BVerfGE 31, 229 <243>; 49, 382 <400>; 79, 29 <41>).

16

Sind bei der gerichtlichen Auslegung und Anwendung einfachrechtlicher Normen mehrere Deutungen möglich, so verdient diejenige den Vorzug, die den Wertentscheidungen der Verfassung entspricht (vgl. BVerfGE 8, 210 <220 f.>; 88, 145 <166>) und die die Grundrechte der Beteiligten möglichst weitgehend in praktischer Konkordanz zur Geltung bringt. Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt (Art. 20 Abs. 2 GG) fordert dabei eine verfassungskonforme Auslegung, die durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt ist und die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahrt (vgl. BVerfGE 86, 288 <320>). Die Deutung darf nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird (vgl. BVerfGE 8, 28 <34>; 54, 277 <299 f.>).

17

Die Fachgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung des Urheberrechts die durch die Eigentumsgarantie gezogenen Grenzen zu beachten und müssen die im Gesetz zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachvollziehen, die den Eigentumsschutz der Urheber ebenso wie etwaige damit konkurrierende Grundrechtspositionen beachtet und unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkungen vermeidet (vgl. BVerfGE 89, 1 <9 f.>). Die Schwelle eines Verstoßes gegen Verfassungsrecht, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, ist allerdings erst erreicht, wenn die Auslegung der Zivilgerichte Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Eigentumsgarantie, insbesondere vom Umfang ihres Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind, insbesondere weil darunter die Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen im Rahmen der privatrechtlichen Regelung leidet (vgl. BVerfGE 89, 1 <9 f.>; 95, 28 <37>; 97, 391 <401>; 112, 332 <358 f.>).

18

b) Danach ist im Streitfall ein Abwägungsdefizit festzustellen, das sich in einer Auslegung der streitentscheidenden Norm des § 54a Abs. 1 UrhG a.F. niederschlägt, die die als geistiges Eigentum von der Verfassung gewährleisteten Urheberrechte nicht ausreichend beachtet.

19

aa) Art. 14 Abs. 1 GG determiniert allerdings nicht das Ergebnis einer die beteiligten (Grund-)Rechtspositionen umfassend würdigenden Auslegung des Urheberrechts. Die sich im Privatrechtsstreit gegenüberstehenden Parteien können regelmäßig jeweils für sich Grundrechte in Anspruch nehmen, die aber nur im Wege der Ausstrahlungswirkung auf die Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Normen Einfluss nehmen (vgl. BVerfGE 112, 332 <358> m.w.N.; stRspr). Wie etwa im Mietrecht (vgl. BVerfGE 89, 1 <9 f.>) und im Arbeitsrecht (vgl. BVerfGK 1, 308 <311, 313>) ist es auch in urheberrechtlichen Streitigkeiten nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts, den Zivilgerichten vorzugeben, wie sie im Ergebnis zu entscheiden haben (vgl. auch BVerfGE 94, 1 <9 f.>; 112, 332 <358>). Dies gilt umso mehr, wenn die fachrechtliche Auslegung und Anwendung des Rechts möglicherweise tatsächliche Annahmen und Feststellungen einbeziehen muss, über deren Berechtigung das Bundesverfassungsgericht nicht befindet.

20

bb) Aus der Bezugnahme des angegriffenen Beschlusses auf das Urteil vom 6. Dezember 2007 und aus der Formulierung, das Berufungsgericht habe die Klage "im Ergebnis" zu Recht abgewiesen, geht hervor, dass sich der Bundesgerichtshof auf die Erwägungen stützt, die im Verfahren 1 BvR 1631/08 vor dem Hintergrund des Eigentumsschutzes als bedenklich angesehen wurden. In diesem Verfahren kam es allerdings auf die Rüge einer Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG nicht tragend an, weil der Verfassungsbeschwerde bereits wegen einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG stattzugeben war.

21

Im Einzelnen ist gegen die schon zivilrechtlich nicht zwingende Auslegung von § 54a Abs. 1 UrhG a.F. durch den Bundesgerichtshof zu erinnern, dass sie bei Urhebern digitaler Vorlagen jegliche Vergütung entfallen lässt und mildere - zugleich mit dem Urheberrechtsgesetz zu vereinbarende (vgl. BGHZ 140, 326 <333 f.>) - Mittel, das heißt hier eine Begrenzung der Höhe der Vergütung, nicht in Erwägung zieht. Dass die Abgabe auf Scanner (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2001 - I ZR 335/98 -, GRUR 2002, S. 246) dem Umfang nach hinreicht, um eine angemessene Vergütung der digitalen Urheber zu gewährleisten, ergibt sich aus den fachgerichtlichen Feststellungen nicht.

22

Die fachrechtliche Auslegung und Anwendung des Urheberrechts muss insbesondere angesichts der auf diesem Gebiet zahlreichen technischen Neuerungen die Eigentumsrechte der Urheber aus Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisten. Eine tatsächliche oder rechtliche Entwicklung kann eine bis dahin eindeutige und vollständige Regelung lückenhaft, ergänzungsbedürftig und zugleich ergänzungsfähig werden lassen. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Lückensuche und -schließung findet ihre Rechtfertigung unter anderem darin, dass Gesetze einem Alterungsprozess unterworfen sind. Die Gerichte sind daher befugt und verpflichtet zu prüfen, wie das Gesetzesrecht auf neue Zeitumstände anzuwenden ist (vgl. BVerfGE 82, 6 <12>; 96, 375 <394>). Dies schließt hier die Prüfung ein, inwieweit eine restriktive Auslegung von § 54a UrhG a.F. angesichts der rasanten Verbreitung digitaler Datenspeicherung und -vervielfältigung dazu führt, dass zu Lasten gewisser Urheber eine absolute Schutzlücke entsteht.

23

Eine Auslegung im Lichte von Art. 14 Abs. 1 GG hat, wie im Beschluss der Kammer vom 30. August 2010 näher ausgeführt, davon auszugehen, der Gesetzgeber habe dem Urheber durch § 54a UrhG a.F. den ihm von der Verfassung garantierten Verwertungsanspruch für solche Fälle sichern wollen, in denen der Werknutzer nicht belangt werden kann und daher auf den Gerätehersteller ausgewichen werden muss.

24

Schließlich nimmt die Kammer Bezug auf ihre im Beschluss vom 30. August 2010 erläuterten Bedenken gegen die Argumentation des Bundesgerichtshofs, anders als bei Druckwerken liege bei digitalen Vorlagen häufig eine Einwilligung des Berechtigten in die Vervielfältigung vor. Auch dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (kurz: Gerichtshof) vom 21. Oktober 2010 (C-467/08 "Padawan", Rn. 40 ff.; http://curia.europa.eu) lässt sich nicht entnehmen, dass ein Einverständnis des Urhebers mit der Vervielfältigung - ohne gleichzeitige Vergütungsabrede - eine Ausgleichspflicht nach Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl EG Nr. L 167 S. 10) ausschlösse.

25

Ungeachtet dessen ist der Bundesgerichtshof von Verfassungs wegen nicht gehindert, zwischen der hauptsächlichen Verwendung der Geräte im betrieblichen oder privaten Kontext zu differenzieren oder, wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 21. Oktober 2010, darauf abzustellen, ob die fraglichen Geräte mutmaßlich für private Vervielfältigungen gebraucht werden (EuGH, a.a.O., Rn. 59), was auch bei einem Verkauf an Gewerbetreibende oder Freiberufler nicht ausgeschlossen erscheint.

26

3. Daneben bedürfen die weiteren Grundrechtsrügen keiner Entscheidung. Somit kommt es auch nicht darauf an, ob die Beschwerdeführerin neben den Rügen einer Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG auch Rügen hinsichtlich Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG durch Bezugnahme wirksam erhoben hat.

III.

27

Der Beschluss des Bundesgerichtshofs ist hiernach gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bundesgerichtshof zurückzuverweisen. Diesem obliegt es zu prüfen, ob er als Revisionsgericht in der Sache entscheiden kann oder an das Oberlandesgericht zurückverweisen muss.

28

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG, diejenige über die Festsetzung des Gegenstandwerts auf § 14 Abs. 1, § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Tenor

1. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14. August 2008 - I ZR 208/07 - verletzt die von der Beschwerdeführerin vertretenen Urheber in ihrem Grundrecht aus Artikel 14 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.

2. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

3. ...

4. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 357.000 € (in Worten: dreihundertsiebenundfünfzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft im Wesentlichen die Frage, ob die angegriffenen Entscheidungen mit der Ablehnung einer Vergütungspflicht ("Geräteabgabe") für Drucker und Plotter auf der Grundlage von § 54a Urheberrechtsgesetz in der bis 31. Dezember 2007 geltenden Fassung aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Patentgebührengesetzes und anderer Gesetze vom 25. Juli 1994, BGBl I S. 1739 (im Folgenden: UrhG a.F.) verfassungsmäßige Rechte von Urhebern oder der Beschwerdeführerin als Verwertungsgesellschaft verletzen.

2

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 30. August 2010 im Verfahren 1 BvR 1631/08 (GRUR 2010, S. 999) entschieden, dass das ebenfalls die Vergütungspflicht bei Druckern und Plottern betreffende Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. Dezember 2007 - I ZR 94/05 - (BGHZ 174, 359) die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. Die Kammer hat dieses Urteil aufgehoben und die Sache an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen. Im Hinblick auf die Darstellung der urheberrechtlichen Rechtslage wird auf den Beschluss vom 30. August 2010 verwiesen.

I.

3

1. Die Beschwerdeführerin nimmt die Urheberrechte der ihr angeschlossenen Wortautoren wahr; sie ist zudem gemeinsame Empfangsstelle gemäß § 54h Abs. 3 UrhG. Sie wurde im Ausgangsverfahren zugleich im Auftrag der Verwertungsgesellschaft B-K... (VG B-K...) als Prozessstandschafterin tätig. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens stellt unter anderem Drucker und Plotter her und verkauft sie.

4

Mit ihrer Klage erstrebte die Beschwerdeführerin eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Geräteabgabe in Höhe von gesamt rund 520.000 € nebst Prozesszinsen für verschiedene Drucker- und Plottertypen, die die Beklagte im Jahr 2001 vertrieben hat.

5

Das Oberlandesgericht hat die Klage der Beschwerdeführerin abgewiesen mit der Begründung, zwar seien dem Wortlaut nach die Voraussetzungen von § 54a Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F. erfüllt, insbesondere auch im Hinblick auf die Vervielfältigung von digitalen Vorlagen, solange die Vervielfältigung nur als Stück, etwa als Ausdruck, verkörpert sei. Jedoch sei die Vorschrift teleologisch zu reduzieren, weil der Vervielfältigung durch einen Drucker regelmäßig eine andere Vervielfältigung, etwa durch Einscannen oder Abspeichern eines heruntergeladenen Netzinhalts, vorausgehe. Die (weitere) Verkörperung als Hardcopy mittels eines Druckers sei nicht in einer Weise eigenständig, dass bei einer funktionalen Betrachtungsweise eine (erneute) Vergütungspflicht für Drucker anzunehmen sei. Im Übrigen verweist das Oberlandesgericht auf sein im Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 2760/08 angegriffenes Urteil vom 23. Januar 2007 - I-20 U 38/06 - (K&R 2007, S. 216).

6

Der Bundesgerichtshof hat die Revision im Beschlusswege unter Bezugnahme auf sein inzwischen von der Kammer aufgehobenes Urteil vom 6. Dezember 2007 zurückgewiesen.

7

2. Die Beschwerdeführerin beschränkt ihre Verfassungsbeschwerde unter Verweis auf das Verfahren 1 BvR 1631/08 "auf eine Zusammenfassung ihrer Rügen aus Art. 3 und Art. 14 GG". Auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts gehen die Verfassungsbeschwerde und die nachfolgenden Schriftsätze der Beschwerdeführerin nicht gesondert ein.

8

Im Übrigen wird auf die Darstellung der Angriffe der Beschwerdeführerin im Beschluss der Kammer vom 30. August 2010 verwiesen. Weiter wird Bezug genommen auf die dortige Wiedergabe der Stellungnahmen der Beklagten des Ausgangsverfahrens, des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) und der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V. sowie der Replik der Beschwerdeführerin.

II.

9

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, soweit sie sich gegen den Beschluss des Bundesgerichtshofs richtet. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

10

Die Verfassungsbeschwerde ist nur teilweise zulässig (1.). Soweit sie zulässig ist, ist ihre Annahme nach § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Durchsetzung des von der Beschwerdeführerin für die von ihr vertretenen Urheber wahrgenommenen Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG angezeigt; insoweit ist die Verfassungsbeschwerde auch offensichtlich begründet (2.). Auf die übrigen Rügen kommt es daneben nicht an (3.).

11

1. Die Verfassungsbeschwerde ist nur zum Teil zulässig.

12

a) Die Beschwerdeführerin ist befugt, die Eigentumsrechte der von ihr vertretenen Wort-Urheber in Prozessstandschaft auch im Verfassungsbeschwerdeverfahren wahrzunehmen (vgl. BVerfGE 77, 263 <269 f.>). Allerdings kann die Beschwerdeführerin nach § 90 Abs. 1 BVerfGG nicht prozessstandschaftlich für die VG B-K... auftreten (vgl. BVerfGE 2, 292 <294>; 10, 134 <136>; stRspr). Dies bleibt im Streitfall ohne Auswirkung auf die Entscheidung, weil im Ausgangsverfahren zwischen den Ansprüchen der Bild- und Kunsturheber und der Wortautoren im Hinblick auf die Zuständigkeit der Beschwerdeführerin nach § 54h Abs. 3 UrhG nicht differenziert wurde, sondern ein einheitlicher Streitgegenstand vorlag.

13

b) Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Oberlandesgerichts richtet, ist sie unzulässig. Denn das Vorbringen der Beschwerdeführerin genügt insoweit mangels hinreichend differenzierter und verfassungsrechtlich erheblicher Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und der darin enthaltenen detaillierten rechtlichen Würdigung nicht dem gesetzlichen Begründungserfordernis gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz, § 92 BVerfGG (vgl. BVerfGE 81, 208 <214 f.>; 85, 36 <52 f.>; 88, 40 <45>; 89, 1 <4 f.>; 101, 331 <345 f.>; 105, 252 <264>). Von einer weiteren Begründung wird insoweit gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

14

2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen vor, insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht die hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Der angegriffene Beschluss verletzt die von der Beschwerdeführerin vertretenen Urheber in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG.

15

a) Zu den konstituierenden Merkmalen des Urheberrechts als Eigentum im Sinne der Verfassung gehören die grundsätzliche Zuordnung des vermögenswerten Ergebnisses der schöpferischen Leistung an den Urheber im Wege privatrechtlicher Normierung sowie seine Freiheit, in eigener Verantwortung darüber verfügen zu können. Im Einzelnen ist es Sache des Gesetzgebers, im Rahmen der inhaltlichen Ausprägung des Urheberrechts nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sachgerechte Maßstäbe festzulegen, die eine der Natur und der sozialen Bedeutung des Rechts entsprechende Nutzung und angemessene Verwertung sicherstellen (vgl. BVerfGE 31, 229 <240 f.>; 79, 1 <25>). Dabei hat der Gesetzgeber einen verhältnismäßig weiten Entscheidungsraum (vgl. BVerfGE 21, 73 <83>; 79, 29 <40>). Eingriffe in das Verwertungsrecht des Urhebers können freilich nur durch ein gesteigertes öffentliches Interesse gerechtfertigt werden (vgl. BVerfGE 31, 229 <243>; 49, 382 <400>; 79, 29 <41>).

16

Sind bei der gerichtlichen Auslegung und Anwendung einfachrechtlicher Normen mehrere Deutungen möglich, so verdient diejenige den Vorzug, die den Wertentscheidungen der Verfassung entspricht (vgl. BVerfGE 8, 210 <220 f.>; 88, 145 <166>) und die die Grundrechte der Beteiligten möglichst weitgehend in praktischer Konkordanz zur Geltung bringt. Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt (Art. 20 Abs. 2 GG) fordert dabei eine verfassungskonforme Auslegung, die durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt ist und die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahrt (vgl. BVerfGE 86, 288 <320>). Die Deutung darf nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird (vgl. BVerfGE 8, 28 <34>; 54, 277 <299 f.>).

17

Die Fachgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung des Urheberrechts die durch die Eigentumsgarantie gezogenen Grenzen zu beachten und müssen die im Gesetz zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachvollziehen, die den Eigentumsschutz der Urheber ebenso wie etwaige damit konkurrierende Grundrechtspositionen beachtet und unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkungen vermeidet (vgl. BVerfGE 89, 1 <9 f.>). Die Schwelle eines Verstoßes gegen Verfassungsrecht, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, ist allerdings erst erreicht, wenn die Auslegung der Zivilgerichte Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Eigentumsgarantie, insbesondere vom Umfang ihres Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind, insbesondere weil darunter die Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen im Rahmen der privatrechtlichen Regelung leidet (vgl. BVerfGE 89, 1 <9 f.>; 95, 28 <37>; 97, 391 <401>; 112, 332 <358 f.>).

18

b) Danach ist im Streitfall ein Abwägungsdefizit festzustellen, das sich in einer Auslegung der streitentscheidenden Norm des § 54a Abs. 1 UrhG a.F. niederschlägt, die die als geistiges Eigentum von der Verfassung gewährleisteten Urheberrechte nicht ausreichend beachtet.

19

aa) Art. 14 Abs. 1 GG determiniert allerdings nicht das Ergebnis einer die beteiligten (Grund-)Rechtspositionen umfassend würdigenden Auslegung des Urheberrechts. Die sich im Privatrechtsstreit gegenüberstehenden Parteien können regelmäßig jeweils für sich Grundrechte in Anspruch nehmen, die aber nur im Wege der Ausstrahlungswirkung auf die Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Normen Einfluss nehmen (vgl. BVerfGE 112, 332 <358> m.w.N.; stRspr). Wie etwa im Mietrecht (vgl. BVerfGE 89, 1 <9 f.>) und im Arbeitsrecht (vgl. BVerfGK 1, 308 <311, 313>) ist es auch in urheberrechtlichen Streitigkeiten nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts, den Zivilgerichten vorzugeben, wie sie im Ergebnis zu entscheiden haben (vgl. auch BVerfGE 94, 1 <9 f.>; 112, 332 <358>). Dies gilt umso mehr, wenn die fachrechtliche Auslegung und Anwendung des Rechts möglicherweise tatsächliche Annahmen und Feststellungen einbeziehen muss, über deren Berechtigung das Bundesverfassungsgericht nicht befindet.

20

bb) Aus der Bezugnahme des angegriffenen Beschlusses auf das Urteil vom 6. Dezember 2007 und aus der Formulierung, das Berufungsgericht habe die Klage "im Ergebnis" zu Recht abgewiesen, geht hervor, dass sich der Bundesgerichtshof auf die Erwägungen stützt, die im Verfahren 1 BvR 1631/08 vor dem Hintergrund des Eigentumsschutzes als bedenklich angesehen wurden. In diesem Verfahren kam es allerdings auf die Rüge einer Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG nicht tragend an, weil der Verfassungsbeschwerde bereits wegen einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG stattzugeben war.

21

Im Einzelnen ist gegen die schon zivilrechtlich nicht zwingende Auslegung von § 54a Abs. 1 UrhG a.F. durch den Bundesgerichtshof zu erinnern, dass sie bei Urhebern digitaler Vorlagen jegliche Vergütung entfallen lässt und mildere - zugleich mit dem Urheberrechtsgesetz zu vereinbarende (vgl. BGHZ 140, 326 <333 f.>) - Mittel, das heißt hier eine Begrenzung der Höhe der Vergütung, nicht in Erwägung zieht. Dass die Abgabe auf Scanner (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2001 - I ZR 335/98 -, GRUR 2002, S. 246) dem Umfang nach hinreicht, um eine angemessene Vergütung der digitalen Urheber zu gewährleisten, ergibt sich aus den fachgerichtlichen Feststellungen nicht.

22

Die fachrechtliche Auslegung und Anwendung des Urheberrechts muss insbesondere angesichts der auf diesem Gebiet zahlreichen technischen Neuerungen die Eigentumsrechte der Urheber aus Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisten. Eine tatsächliche oder rechtliche Entwicklung kann eine bis dahin eindeutige und vollständige Regelung lückenhaft, ergänzungsbedürftig und zugleich ergänzungsfähig werden lassen. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Lückensuche und -schließung findet ihre Rechtfertigung unter anderem darin, dass Gesetze einem Alterungsprozess unterworfen sind. Die Gerichte sind daher befugt und verpflichtet zu prüfen, wie das Gesetzesrecht auf neue Zeitumstände anzuwenden ist (vgl. BVerfGE 82, 6 <12>; 96, 375 <394>). Dies schließt hier die Prüfung ein, inwieweit eine restriktive Auslegung von § 54a UrhG a.F. angesichts der rasanten Verbreitung digitaler Datenspeicherung und -vervielfältigung dazu führt, dass zu Lasten gewisser Urheber eine absolute Schutzlücke entsteht.

23

Eine Auslegung im Lichte von Art. 14 Abs. 1 GG hat, wie im Beschluss der Kammer vom 30. August 2010 näher ausgeführt, davon auszugehen, der Gesetzgeber habe dem Urheber durch § 54a UrhG a.F. den ihm von der Verfassung garantierten Verwertungsanspruch für solche Fälle sichern wollen, in denen der Werknutzer nicht belangt werden kann und daher auf den Gerätehersteller ausgewichen werden muss.

24

Schließlich nimmt die Kammer Bezug auf ihre im Beschluss vom 30. August 2010 erläuterten Bedenken gegen die Argumentation des Bundesgerichtshofs, anders als bei Druckwerken liege bei digitalen Vorlagen häufig eine Einwilligung des Berechtigten in die Vervielfältigung vor. Auch dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (kurz: Gerichtshof) vom 21. Oktober 2010 (C-467/08 "Padawan", Rn. 40 ff.; http://curia.europa.eu) lässt sich nicht entnehmen, dass ein Einverständnis des Urhebers mit der Vervielfältigung - ohne gleichzeitige Vergütungsabrede - eine Ausgleichspflicht nach Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl EG Nr. L 167 S. 10 ) ausschlösse.

25

Ungeachtet dessen ist der Bundesgerichtshof von Verfassungs wegen nicht gehindert, zwischen der hauptsächlichen Verwendung der Geräte im betrieblichen oder privaten Kontext zu differenzieren oder, wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 21. Oktober 2010, darauf abzustellen, ob die fraglichen Geräte mutmaßlich für private Vervielfältigungen gebraucht werden (EuGH, a.a.O., Rn. 59), was auch bei einem Verkauf an Gewerbetreibende oder Freiberufler nicht ausgeschlossen erscheint.

26

Im Ausgangsverfahren ist wegen des auf das Jahr 2001 beschränkten streitgegenständlichen Zeitraums allerdings zu beachten, dass die Richtlinie gemäß ihres Art. 10 Abs. 2 Handlungen und Rechte nicht berührt, die vor dem 22. Dezember 2002 abgeschlossen bzw. erworben wurden. Unbeschadet bleibt das ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie am 22. Juni 2001 geltende sogenannte Frustrationsverbot (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Juli 2006 - C-212/04 "ELOG" -, Slg. 2006, S. I-06057 m.w.N.).

27

3. Daneben bedürfen die weiteren Grundrechtsrügen keiner Entscheidung. Somit kommt es auch nicht darauf an, ob die Beschwerdeführerin neben den Rügen einer Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG auch Rügen hinsichtlich Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG durch Bezugnahme wirksam erhoben hat.

III.

28

Der Beschluss des Bundesgerichtshofs ist hiernach gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bundesgerichtshof zurückzuverweisen. Diesem obliegt es zu prüfen, ob er als Revisionsgericht in der Sache entscheiden kann oder an das Oberlandesgericht zurückverweisen muss.

29

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG, diejenige über die Festsetzung des Gegenstandwerts auf § 14 Abs. 1, § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Gründe

A.

1

Die Vorlage wirft die Frage auf, ob die Rechtsfolge der besonders schweren Brandstiftung gemäß § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB, die die Begehung einer schweren Brandstiftung nach § 306a StGB zur Ermöglichung oder Verdeckung einer anderen Straftat mit einer Freiheitsstrafe von nicht unter fünf Jahren ahndet, mit dem Grundgesetz - namentlich dem Gebot schuldangemessenen Strafens - in Einklang steht.

I.

2

1. Bei der zur Überprüfung gestellten Norm handelt es sich um eine Qualifikation zu § 306a StGB. Die schwere Brandstiftung gemäß § 306a StGB sanktioniert die abstrakte (Abs. 1) oder konkrete (Abs. 2) Gefährdung anderer Menschen durch die Brandlegung an enumerativ aufgeführten Sachen. Dabei betrifft § 306a Abs. 1 StGB die Brandstiftung an solchen Objekten, in denen sich typischerweise Menschen aufhalten, während § 306a Abs. 2 StGB die Verursachung einer konkreten Gesundheitsgefährdung durch die Brandstiftung an einem der in § 306 StGB aufgelisteten Gegenständen erfasst.

3

Die genannten Brandstiftungstatbestände beruhen in ihrer geltenden Fassung auf dem Sechsten Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 26. Januar 1998 (BGBl I S. 164) und haben folgenden Wortlaut:

4

§ 306

5

Brandstiftung

6

(1) Wer fremde

7

1. Gebäude oder Hütten,

8

2. Betriebsstätten oder technische Einrichtungen, namentlich Maschinen,

9

3. Warenlager oder -vorräte,

10

4. Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge,

11

5. Wälder, Heiden oder Moore oder

12

6. land-, ernährungs- oder forstwirtschaftliche An- lagen oder Erzeugnisse

13

in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

14

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

15

§ 306a

16

Schwere Brandstiftung

17

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

18

1. ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient,

19

2. eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude oder

20

3. eine Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen,

21

in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört.

22

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichnete Sache in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört und dadurch einen anderen Menschen in die Gefahr einer Gesundheitsschädigung bringt.

23

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

24

§ 306b

25

Besonders schwere Brandstiftung

26

(1) Wer durch eine Brandstiftung nach § 306 oder § 306a eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

27

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter in den Fällen des § 306a

28

1. einen anderen Menschen durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt,

29

2. in der Absicht handelt, eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken oder

30

3. das Löschen des Brandes verhindert oder erschwert.

31

2. Das frühere Recht enthielt in § 307 Nr. 2 StGB a.F. ebenfalls eine an das Handeln zur Ermöglichung einer weiteren Straftat anknüpfende Qualifikation der schweren Brandstiftung. Dieser Qualifikationstatbestand war jedoch insoweit enger, als er die Absicht verlangte, die Brandstiftung zur Begehung einer weiteren Straftat "auszunutzen", und zudem die zur Erfüllung des Tatbestands führenden weiteren Straftaten enumerativ auflistete. Dabei handelte es sich um eine enge Auswahl bestimmter Verbrechen (Mord, Raub, räuberischer Diebstahl und räuberische Erpressung), wogegen § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB bei einem Handeln zur Ermöglichung jeglicher weiteren Straftat eingreift. Die Strafandrohung des § 307 Nr. 2 StGB a.F. war mit der Androhung lebenslanger Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe von nicht unter zehn Jahren schärfer als diejenige von § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB.

32

3. Die Begründung zum Regierungsentwurf eines Sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechts führt zu der in § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB Gesetz gewordenen Änderung gegenüber § 307 Nr. 2 StGB a.F. aus, die Herabsetzung des Strafrahmens im Vergleich zu § 307 Nr. 2 StGB a.F. sei wegen der weiteren Fassung der Qualifikation geboten, der nunmehr das Handeln zur Ermöglichung irgendeiner anderen Straftat genügen lasse. Die vorgesehene Mindeststrafe von fünf Jahren sei aufgrund der besonderen Schutzbedürftigkeit der in § 306 Abs. 1 des Entwurfs (entspricht weitgehend § 306a Abs. 1 StGB) aufgeführten Gebäude und Räumlichkeiten gerechtfertigt (vgl. BTDrucks 13/8587, S. 49). In seiner Stellungnahme zu dem Regierungsentwurf kritisierte der Bundesrat gleichwohl die für den Qualifikationstatbestand vorgesehene Mindestfreiheitsstrafe von fünf Jahren wegen der im Vergleich zu § 307 Nr. 2 StGB a.F. weiter gefassten Begehungsweisen sowie der Strafrahmenkonzeption des Gesetzentwurfs im Übrigen als unangemessen hoch und beanstandete zudem das Fehlen einer Regelung für minder schwere Fälle (vgl. BTDrucks 13/8587, S. 55 <70>). Auf diese Kritik erwiderte die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung lediglich, sie teile die Auffassung des Bundesrates nicht (vgl. BTDrucks 13/8587, S. 78 <88>). Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wurde die Regelung nicht mehr gesondert thematisiert.

II.

33

Im Ausgangsverfahren wird den Angeklagten W. sowie F. und S. Sch. vorgeworfen, gemeinschaftlich handelnd das Wohnhaus der Angeklagten W., in dem diese beruflich Kinder betreute, niedergebrannt zu haben, um ihr einen Versicherungsbetrug zu ermöglichen. Die das Verfahren führende Jugendkammer - die Angeklagte Sch. war zur Tatzeit Heranwachsende - des Landgerichts Itzehoe hat das Strafverfahren in der Hauptverhandlung nach dem letzten Wort der Angeklagten zur Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 BVerfGG ausgesetzt.

34

1. Auf der Grundlage der in der Hauptverhandlung durchgeführten Beweisaufnahme hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:

35

a) Die Angeklagte W. hat eine Ausbildung zur Sozialpädagogin durchlaufen. Nachdem sie von ihrer Mutter, die zu dieser Zeit selbst mehrere Kinderheime betrieb, gefragt worden war, ob sie ein der Mutter gehörendes Haus in N. erwerben und dort ein Kinderheim betreiben wolle, kaufte die Angeklagte W. das Haus und betreute dort zunächst gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten ihr von der Arbeiterwohlfahrt zugewiesene Kinder. Den Erwerb des Anwesens finanzierte sie über zwei Banken. Nach einem Wechsel des Trägers betreute die Angeklagte W. für den Kinder- und Jugendhilfe-Verbund (KJHV) F. Kinder und Jugendliche, die gemeinsam mit ihr, ihrem Sohn und ihrem Lebensgefährten in dem erworbenen Haus lebten. Nachdem dies in der ersten Zeit weitgehend unproblematisch verlaufen war, kam es Ende 2006 vermehrt zu Schwierigkeiten, da sich der Lebensgefährte der Angeklagten zurückzuziehen begann und den größten Teil der Zeit vor seinem PC verbrachte. Infolgedessen trennte sich die Angeklagte W. von ihrem Lebensgefährten, der im Juli 2007 aus dem Haus auszog. Etwa drei Wochen später, nach dem Ende der Sommerferien, verstärkten sich die Probleme der Angeklagten W., die das Haus zu dieser Zeit gemeinsam mit ihrem damals sechsjährigen Sohn, dem 19-jährigen K. und drei Kindern beziehungsweise Jugendlichen bewohnte. Insbesondere gelang es ihr immer weniger, sich gegenüber den ihr anvertrauten Kindern und Jugendlichen durchzusetzen. Schließlich verlor sie nahezu vollständig die Kontrolle über die Kinder und Jugendlichen, so dass es zu Sachbeschädigungen kam - unter anderem wurden eine Hintertür des Hauses angezündet sowie Autoscheiben eingeschlagen - und ein Jugendlicher mit dem Messer auf den anderen losging. Auch vermochte die Angeklagte W. teilweise nicht mehr, die Kinder und Jugendlichen zum Schulbesuch zu veranlassen. Wenn sie die Kinder und Jugendlichen morgens zur Bushaltestelle geschickt hatte, kamen sie zurück, schlugen gegen die Fensterscheiben und kletterten aufs Dach. Bisweilen verließen sie das Haus entgegen den Weisungen der Angeklagten W. zu beliebigen Tag- und Nachtzeiten über eine Leiter. Als schließlich im September 2007 in ihren persönlichen häuslichen Bereich eingebrochen wurde, begann die Angeklagte mehr und mehr zu verzweifeln. Erschwerend kam in dieser Phase hinzu, dass ihr aufgrund einer Kontopfändung monatlich nur noch 2.000 EUR zur Verfügung standen, mit denen sie sämtliche Bewohner des Hauses ernähren musste. Da sie sich gegenüber den Kindern und Jugendlichen nicht mehr zu helfen wusste, blieb sie sowohl nachts als auch tagsüber teilweise stundenlang dem Haus fern und hielt sich beispielsweise in einem Imbiss auf, um ihnen nicht gegenüberstehen zu müssen.

36

In dieser Phase begann die Angeklagte ernsthaft darüber nachzudenken, sich das Leben zu nehmen, sprach hiervon auch gegenüber der Angeklagten F. Sch. und schrieb Abschiedsbriefe. Sie verfiel in eine Stimmung, in der sie sich nicht mehr aufraffen konnte, etwas zu verändern und aß nur noch wenig. Für alles, was sie belastete, machte die Angeklagte W. innerlich das Haus verantwortlich, das sie nur noch als "Horror-Haus" ansah. Hierbei sah sie sich nicht in der Lage, sich Hilfe zu verschaffen, da sie meinte, mit dem KJHV nicht reden zu können und gegenüber ihrer Mutter den Gesichtsverlust fürchtete. Außerdem benötigte sie die für die Betreuung eingehenden Gelder - je Person und Tag 70 EUR nebst Taschen- und Bekleidungsgeld - dringend, um die Darlehensraten für das Haus bezahlen zu können. Nachdem der KJHV bereits im Juli 2007 eine Änderung der Zustände angemahnt und eine anderenfalls erfolgende Beendigung der Zusammenarbeit angekündigt hatte, teilte der KJHV der Angeklagten W. am 18. Oktober 2007 mit, die Zusammenarbeit bis zum Schulhalbjahresende auslaufen lassen zu wollen. Damit war für die Angeklagte klar, dass sie nunmehr definitiv nicht mehr in der Lage sein würde, die Darlehensraten für das Haus zu begleichen. In dieser Situation entwickelte sie den Gedanken, dass sie sich all ihrer Probleme mit einem Schlag entledigt hätte, wenn das Haus weg wäre. Hierüber sprach sie wiederholt mit ihrem Halbbruder, dem Angeklagten S. Sch. und dessen damaliger Verlobten und jetzigen Ehefrau F. Sch., die mehrere Jahre im Heim der Angeklagten W. gelebt hatte und für die die Angeklagte W. eine Art "Ersatzmutter" darstellte. Den Angeklagten S. und F. Sch. waren dabei der Zustand sowie im Groben auch die finanzielle Lage der Angeklagten W. bekannt. Im Verlauf dieser Gespräche verfielen die Angeklagten auf den Gedanken, das Haus in Brand zu setzen, um so die Angeklagte W. von ihren Problemen zu befreien und ihr zu ermöglichen, die Versicherungssummen aus der Gebäudeversicherung sowie ihrer Hausratversicherung zu erlangen und hiermit die bei den Banken bestehenden Darlehen nebst Grundpfandrechten abzulösen. Dass der Angeklagten W. im Falle eines Brandes die Versicherungen zugute kommen würden, wussten auch die Angeklagten Sch., ohne die genaue Höhe der Versicherungssummen zu kennen. Die Angeklagten entwickelten die Idee, dass die Angeklagten Sch. das Haus für die Angeklagte W. anzünden könnten, wobei sie sich einig waren, dass bei dem Brand kein Mensch und auch kein Tier zu Schaden kommen soll.

37

b) Als einziger geeigneter Zeitpunkt für die Tatbegehung erschien der Angeklagten W. das letzte Wochenende im Oktober 2007, da an diesem Wochenende die in dem Haus wohnenden Kinder und Jugendlichen - wie grundsätzlich am letzten Wochenende des Monats - ihre Angehörigen besuchen sollten. Die Angeklagte W. wollte mit ihrem Sohn zu ihrem Vater nach Kiel fahren und dort nächtigen. Den 19-jährigen Bewohner K. überredete die Angeklagte W., das Wochenende bei seiner in einer Nachbargemeinde wohnenden Freundin zu verbringen. Sodann teilte die Angeklagte W. dem Angeklagten S. Sch. telefonisch mit, dass sämtliche Bewohner des Hauses an diesem Wochenende weg seien und das Wochenende somit die einzige Gelegenheit sei, den Brand zu legen. Den Haustürschlüssel werde sie unter der Fußmatte deponieren. Nachdem sämtliche anderen Bewohner außer der Angeklagten W., ihrem Sohn und K. das Haus verlassen hatten und - da sie nicht im Besitz eines Schlüssels waren - auch nicht ohne weiteres zurückkehren konnten, fuhr die Angeklagte W. am 26. Oktober 2007 den Bewohner K., der ebenso wie die Kinder und Jugendlichen etliche persönliche Gegenstände in dem von ihm bewohnten Zimmer des Hauses zurückgelassen hatte, zu seiner Freundin und sagte ihm eindringlich, dass sie jetzt noch eine halbe Stunde da sei und er dann nicht mehr in das Haus gelangen könne. Zu diesem Zeitpunkt verfügte K. nicht mehr über einen Schlüssel für eine Außentür des Hauses. Anschließend begab sich die Angeklagte W. zurück in ihr Haus, packte einige Sachen zusammen, schloss sämtliche Außentüren ab (wobei sie an der Außentür der Küche den Schlüssel von innen stecken ließ), deponierte einen Haustürschlüssel unter der Fußmatte und fuhr gemeinsam mit ihrem Sohn nach Kiel.

38

In der Nacht vom 26. auf den 27. Oktober 2007 begaben sich die Angeklagten F. und S. Sch. etwa um Mitternacht absprachegemäß zu dem Haus der Angeklagten W., um es in Brand zu setzen. Mit der Brandlegung wollten die Angeklagten Sch. der Angeklagten W., um deren Wohlergehen sie sich sorgten, entsprechend dem zuvor gemeinsam mit der Angeklagten W. gefassten Tatplan helfen, indem sie sie von dem als Belastung empfundenen Haus "befreiten" und ihr die Möglichkeit verschafften, die Versicherungssummen aus Gebäude- sowie Hausratsversicherung zu erlangen. Mit dem von der Angeklagten W. unter der Fußmatte hinterlegten Schlüssel gelangten sie in das Haus, das aus einem Erd- und einem ausgebauten Dachgeschoss sowie einem Flachdachanbau bestand und als Dachkonstruktion ein Walmdach mit einer Eindeckung aus Dachpfannen aufwies. In einem fensterlosen Raum im Obergeschoss befüllten sie mehrere Plastikflaschen mit Benzin und befestigten mit Klebeband Kerzen an den Flaschen. Sodann verteilte der Angeklagte S. Sch. noch etwas Benzin im Obergeschoss des Hauses. Anschließend stellten die Angeklagten Sch. die mit den Kerzen versehenen Flaschen verteilt in den Eingangsbereichen der Zimmer auf. In der Mitte des Wohnzimmers im Erdgeschoss stellten sie eine Propangasflasche auf, die sie anschließend öffneten, um so eine schnelle Ausdehnung des Feuers im Erdgeschoss zu erreichen. Die Gasflasche hatte sich bereits zuvor in dem Haus oder dem zugehörigen Schuppen befunden und war zur Unkrautbeseitigung verwendet worden. Vor dem Anzünden der Kerzen vergewisserten sich die Angeklagten Sch. mit einem Rundgang durch das Haus, dass sich niemand mehr darin aufhielt. Nachdem sie die Kerzen angezündet und die Gasflasche geöffnet hatten, verließen die Angeklagten Sch. das Haus durch die Küchentür, die sie geschlossen, aber nicht abgeschlossen zurückließen, und fuhren nach Hamburg.

39

Gegen 00.45 Uhr brach das Feuer zunächst im Dachgeschoss aus und erfasste dort die gesamte Dachkonstruktion, die praktisch vollständig zerstört wurde. Vom Dachgeschoss breitete sich das Feuer nach unten aus, wo es im Wohn- und Esszimmer - möglicherweise aufgrund der aus der Propangasflasche ausströmenden Gase - zu einem sogenannten Flash-over, einem sehr schnellen Übertritt der Flammen zwischen den betroffenen Einrichtungsgegenständen, kam, so dass in diesem Raum die Vollbrandphase erreicht wurde und das Mobiliar weitgehend verbrannte. Auch die linksseitig der Haupteingangstür liegenden Wohnräume im Erdgeschoss waren von dem Feuer umfangreich und intensiv betroffen. Die Decke zwischen Erd- und Dachgeschoss fehlte vielerorts großflächig.

40

Bei keinem der drei Angeklagten war im Tatzeitraum die Fähigkeit, das Unrecht seines Handelns einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aufgehoben oder erheblich vermindert. Auch die Angeklagte W. litt weder unter einer psychischen Erkrankung noch unter einer vergleichbar schweren psychischen Störung.

41

c) An den nächsten Tagen meldete die Angeklagte W. den Brand sowohl ihrer Hausrat- als auch der Gebäudeversicherung, um hierdurch die Auszahlung der jeweiligen Versicherungssumme zu erreichen, auf die die Angeklagte - wie sie wusste - wegen ihrer Beteiligung an der Brandlegung keinen Anspruch hatte. In den mit den Versicherungen geführten Verhandlungen zur Schadenaufnahme verschwieg sie jeweils bewusst wahrheitswidrig, dass das Haus aufgrund der mit den Angeklagten Sch. gemeinsam verübten Brandstiftung niedergebrannt war, und erklärte gegenüber der Hausratversicherung zudem wissentlich falsch, der Vertrag mit dem Träger des Kinderheims sei ungekündigt. Der Gebäudeversicherung gab sie ferner wahrheitswidrig an, den einzigen Schlüssel für die Haupteingangstür in Besitz gehabt zu haben. Die Hausratversicherung schätzte den Schaden am Inventar aufgrund der von der Angeklagten W. eingereichten Aufstellungen auf 75.819 EUR und gewährte ihr eine Sofortzahlung von 5.000 EUR. Zur Auszahlung weiterer Beträge kam es nicht mehr. Der Sachverständige der Gebäudeversicherung schätzte den Schaden auf 374.412,50 EUR, die jedoch nicht ausgezahlt wurden.

42

2. Inwieweit andere Menschen mit der Brandlegung in Berührung kamen und gegebenenfalls hierdurch gefährdet wurden, führt das Landgericht nicht aus. Der Vorlagebeschluss beschränkt sich auf die Feststellung, eine Gefährdung anderer Menschen sei nicht eingetreten und aufgrund der Vorkehrungen der Angeklagten auch nicht zu erwarten gewesen.

43

3. Die Feststellungen der Kammer beruhen auf den geständigen Einlassungen der drei Angeklagten in der Hauptverhandlung, in deren Beweisaufnahme zum Verlauf des Brandes außerdem lediglich ein Gutachten des Landeskriminalamtes Schleswig-Holstein zur Brandursache verlesen und ein sachverständiger Zeuge gehört wurden. Da die drei Angeklagten bereits unabhängig von Vorhalten aus den polizeilichen Vernehmungen in der Hauptverhandlung geständig gewesen seien, komme es auf die Frage der Verwertbarkeit der polizeilichen Vernehmungen der Angeklagten F. und S. Sch. nicht an.

III.

44

1. Das Landgericht legt dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vor,

45

ob § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

46

2. Das Landgericht ist überzeugt, die Verfassungsmäßigkeit der Norm sei für Schuld- und Rechtsfolgenausspruch des im Ausgangsverfahren zu erlassenden Urteils maßgeblich.

47

a) Im Fall der Wirksamkeit der Norm seien die Angeklagten wegen gemeinschaftlicher besonders schwerer Brandstiftung gemäß § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB, § 25 Abs. 2 StGB schuldig zu sprechen. Bei ihrer Ungültigkeit seien sie lediglich der schweren Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB schuldig, da die Voraussetzungen des § 306b Abs. 1 StGB und der übrigen Ziffern des § 306b Abs. 2 StGB ersichtlich nicht erfüllt seien.

48

b) Für den Angeklagten S. Sch. und die Angeklagte W. sei die Gültigkeit des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB auch für den Rechtsfolgenausspruch entscheidungserheblich, da für diese beiden Angeklagten der dort normierte Strafrahmen zugrundezulegen wäre.

49

aa) Die Kammer beabsichtigt, im Fall der Wirksamkeit der Bestimmung für den Angeklagten S. Sch. auf die Mindestfreiheitsstrafe von fünf Jahren zu erkennen und gegen die Angeklagte W. wegen der besonders schweren Brandstiftung eine Einzelfreiheitsstrafe von ebenfalls fünf Jahren auszusprechen. Für ihre beiden tatmehrheitlich verwirklichten Betrugstaten gedenkt die Kammer jeweils auf eine Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten zu erkennen und die zu bildende Gesamtstrafe auf fünf Jahre und sechs Monate zu bemessen.

50

bb) Bei Unwirksamkeit von § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB gelange für die Brandlegung der Strafrahmen des § 306a Abs. 1 StGB zur Anwendung, wobei eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren weit oberhalb des schuldangemessenen Bereichs liege. Die Kammer beabsichtigt für diesen Fall, gegen beide Angeklagte wegen der Brandstiftung jeweils eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten auszusprechen und die für die Angeklagte W. mit den Einzelstrafen für die Betrugstaten zu bildende Gesamtstrafe auf zwei Jahre zu bestimmen.

51

Bei der konkreten Bemessung der Strafe sei zwar zulasten der Angeklagten anzuführen, dass sie ein Feuer erheblichen Ausmaßes gelegt hätten, das umfangreiche Löscharbeiten erforderlich gemacht habe. Auch die bei der Tatausführung verfolgte Absicht, die Gebäude- und die Hausratversicherung der Angeklagten W. zu betrügen, sei dann innerhalb des Strafrahmens von § 306a Abs. 1 StGB strafschärfend zu berücksichtigen. Dem ständen jedoch für beide Angeklagte erhebliche mildernde Umstände gegenüber. Beide seien nicht vorbestraft und hätten die Tat vollumfänglich gestanden, was die Beweisaufnahme erheblich erleichtert habe. Eine konkrete Gefährdung anderer Menschen sei nicht eingetreten und aufgrund der von den Angeklagten getroffenen Vorkehrungen - ohne gänzlich ausgeschlossen zu sein - auch nicht zu erwarten gewesen. Die Angeklagte W. habe sich zudem in einer verzweifelten Lage und einer psychischen Ausnahmesituation befunden. Als alleinerziehende Mutter eines sieben Jahre alten Kindes sei sie auch besonders haftempfindlich. Letztere Umstände träfen zwar auf den Angeklagten S. Sch. nicht zu. Dieser habe jedoch uneigennützig gehandelt, um seiner in verzweifelter Lage befindlichen Schwester zu helfen.

52

3. Das Landgericht hält § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB für verfassungswidrig. Die Norm verstoße gegen das aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG folgende Gebot schuldangemessenen Strafens, wodurch sie das Recht auf persönliche Freiheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in unzulässiger Weise einschränke.

53

a) Der Gesetzgeber habe den ihm bei der Bestimmung der angedrohten Strafe zustehenden Gestaltungsspielraum überschritten. Tatbestand und Rechtsfolge von § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB seien insofern nicht sachgerecht aufeinander abgestimmt, als dem Richter in Ansehung der hohen Mindeststrafe und in Ermangelung eines herabgesetzten Strafrahmens für minder schwere Fälle kein ausreichender Spielraum verbleibe, um im Einzelfall zu einer schuldangemessenen Strafe zu kommen.

54

aa) Das tatbestandsmäßige Unrecht des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB bestehe lediglich in einer abstrakten Gefährdung mit überschießender Innentendenz. Die Erhöhung der Mindeststrafe um das Fünffache ohne eine zwingende Erhöhung des Erfolgsunrechts stehe im Vergleich zum Grundtatbestand des § 306a StGB und den übrigen Qualifizierungen des § 306b StGB nicht mehr in einem sachgerechten Verhältnis zum Maß der vermehrten Schuld und füge sich jedenfalls in Ermangelung eines herabgesetzten Strafrahmens für minder schwere Fälle nicht in sachgerechter Weise in das Sanktionssystem des Strafgesetzbuchs ein. Der vom Bundesgerichtshof zur Rechtfertigung der hohen Mindeststrafe angeführte besondere Unwertgehalt des pönalisierten Verhaltens treffe auf die Fälle nicht zu, in denen es bei einer abstrakten Gefährdung bleibe. Eine Steigerung der Situationsgefährlichkeit gegenüber dem Grundtatbestand des § 306a Abs. 1 StGB sei mit den von § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB erfassten Konstellationen allenfalls im Einzelfall, nicht aber typischerweise verbunden. Nicht ersichtlich sei ferner, inwiefern eine zur Ermöglichung eines Betrugs der Gebäudeversicherung begangene Brandstiftung mit einer höheren Gefahr verbunden sein solle als zum Beispiel die nicht unter § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB fallende Inbrandsetzung eines kombinierten Wohn- und Geschäftshauses, durch die der Täter einen Konkurrenten ausschalten wolle.

55

bb) Jedenfalls aufgrund des Fehlens eines herabgesetzten Strafrahmens für minder schwere Fälle verstoße die Norm gegen das Grundgesetz. In den Fällen, in denen eine konkrete Gefährdung von Menschen nicht eingetreten und auch nicht zu erwarten gewesen sei und das abgebrannte Haus im Alleineigentum des einen Versicherungsbetrug erstrebenden Täters gestanden habe, beschränke sich der Unwertgehalt auf eine in Betrugsabsicht begangene abstrakte Gefährdung. Wenn in dieser Konstellation der zur Erhöhung des Unrechts führenden kriminellen Absicht (zur Ermöglichung einer anderen Straftat) wiederum gewichtige, gesetzlich nicht ausdrücklich geregelte Milderungsgründe im Sinne von § 46 StGB gegenüberständen, stehe eine Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zur Schuld. Der Richter werde dann zur Festsetzung einer in verfassungswidriger Weise das Maß der Schuld übersteigenden Strafe gezwungen.

56

b) Eine einschränkende verfassungskonforme Auslegung des Tatbestands scheitere an dessen eindeutigen Wortlaut; auch ständen dem der gesetzgeberische Wille und der Schutzzweck des § 306a Abs. 1 StGB entgegen. Auf der Rechtsfolgenseite könne die Norm wegen der Eindeutigkeit der gesetzlichen Regelung und des Fehlens einer planwidrigen Regelungslücke ebenfalls nicht einschränkend ausgelegt werden.

B.

57

Die Vorlage ist unzulässig.

I.

58

Nach Art. 100 Abs. 1 GG ist eine Richtervorlage nur zulässig, wenn die beanstandete Norm für das Ausgangsverfahren entscheidungserheblich ist, also das Gericht bei ihrer Gültigkeit zu einer anderen Entscheidung kommen müsste als bei ihrer Unwirksamkeit (vgl. BVerfGE 65, 265 <277> m.w.N.). Für die Beurteilung dieser Frage ist die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts maßgeblich, sofern sie nicht offensichtlich unhaltbar ist (BVerfGE 53, 257 <287>; 62, 223 <229>; 66, 226 <231>).

59

1. Der für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage relevante Sachverhalt ist vollständig aufzuklären. Wenn ein Gericht, das nach seiner gerichtsorganisatorischen Stellung zur Ermittlung der für die Rechtsfindung erheblichen Tatsachen berufen ist und dem die Rechtsordnung die prozessualen Mittel hierfür auch in erster Linie zur Verfügung stellt, dem Bundesverfassungsgericht einen Tatsachenkomplex zur verfassungsrechtlichen Beurteilung unterbreitet, darf es sich nicht unter Berufung auf seine aus einer freien Beweiswürdigung geschöpfte richterliche Überzeugung mit einer unzureichenden tatsächlichen Aufklärung des Sachverhalts begnügen (BVerfGE 18, 186 <192>). Zwar könnte die Klärung des Sachverhalts auch von dem Bundesverfassungsgericht nachgeholt werden (§ 26 BVerfGG). Es führte jedoch zu einer Verkehrung der Aufgaben der Gerichte, wollte das vorlegende Gericht seiner Aufgabe, die tatsächlichen Zusammenhänge erschöpfend festzustellen, ausweichen und sie auf das Bundesverfassungsgericht abwälzen, dem in erster Linie die Klärung verfassungsrechtlicher Fragen, nicht die Ermittlung von Tatsachen aufgegeben ist (BVerfGE 17, 135 <139>; 18, 186 <192>). Das vorlegende Gericht muss den Sachverhalt daher soweit aufklären, dass die Entscheidungserheblichkeit der zu prüfenden Vorschrift feststeht und die Vorlage deshalb unerlässlich ist (vgl. BVerfGE 11, 330 <335>; 25, 269 <276>; 58, 153 <157 f.>; 64, 251 <254>). Solange die Möglichkeit besteht, das Verfahren zu entscheiden, ohne die für verfassungswidrig gehaltene Norm anzuwenden, fehlt es an deren Entscheidungserheblichkeit (vgl. BVerfGE 64, 251 <254>).

60

2. Das vorlegende Gericht hat den zugrundeliegenden Sachverhalt, soweit er für die verfassungsrechtliche Beurteilung wesentlich ist, und die maßgeblichen rechtlichen Erwägungen im Vorlagebeschluss erschöpfend darzulegen (BVerfGE 37, 328 <333 f.>; 65, 308 <314>; 66, 265 <268>; 68, 311 <316>). Hierfür bedarf es einer detaillierten Auseinandersetzung mit der zur Prüfung gestellten Norm anhand aller naheliegenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte sowie einer abschließenden Darstellung der Rechtslage (vgl. BVerfGE 86, 71 <77>; 88, 198 <201>; 89, 329 <336 f.>; 97, 49 <60>). Das Gericht hat dabei - mit Blick auf den zur Entscheidung stehenden Sachverhalt - die in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Auffassungen zu berücksichtigen und auf unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten einzugehen (vgl. BVerfGE 78, 165 <171 f.>; 105, 48 <56>; 124, 251 <260 f.>).

II.

61

Diesen Anforderungen wird der Vorlagebeschluss nicht gerecht.

62

1. Die Entscheidungserheblichkeit der Wirksamkeit von § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB für den Schuldspruch steht nicht fest. Die Auffassung des Landgerichts hierzu beruht auf einer unzureichenden Aufklärung des dem Strafverfahren zugrundeliegenden Sachverhalts. Die Unvollständigkeit der Sachverhaltsermittlung ist von solchem Gewicht, dass die darauf beruhenden tatsächlichen sowie rechtlichen Wertungen nicht mehr tragfähig sind und die Vorlage schon aus diesem Grund nicht mehr hinreichend begründet ist.

63

a) Infolge der unvollständigen Aufklärung des Sachverhalts ist nicht auszuschließen, dass die Angeklagten durch die Tat einen anderen Menschen in die konkrete Gefahr des Todes gebracht haben, womit - neben § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB - auch der Tatbestand der besonders schweren Brandstiftung gemäß § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB erfüllt wäre. In diesem Fall wären sie der besonders schweren Brandstiftung schuldig zu sprechen, ohne dass es auf die Wirksamkeit von § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB ankäme.

64

b) Das vorlegende Gericht stellt zwar fest, die Voraussetzungen von § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB lägen "ersichtlich" nicht vor. Aus der Vorlage erschließt sich jedoch nicht, auf welcher Tatsachengrundlage die Kammer zu der Folgerung gelangen konnte, das Leben anderer Personen sei durch den Brand nicht gefährdet worden. Die Feststellungen enthalten hierzu keine Ausführungen, sondern beschränken sich auf das Nachzeichnen der Feuerlegung und des Brandverlaufs im Haus, ohne darauf einzugehen, inwieweit andere Menschen mit dem Brand in Berührung kamen. Aus dem Vorlagebeschluss ergeben sich auch sonst keine Umstände, auf die das Gericht diese Bewertung vertretbar gestützt haben könnte. Auf der Grundlage der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise konnte die Schlussfolgerung jedenfalls nicht gezogen werden. Der Vorlagebeschluss führt aus, die Feststellungen beruhten auf den geständigen Einlassungen der Angeklagten. Die Angeklagte W. befand sich laut der Feststellungen zur Tatzeit jedoch nicht am Haus oder in seiner näheren Umgebung, während die Angeklagten F. und S. Sch. den Tatort unmittelbar nach Anzünden der Kerzen und damit vor Ausbruch des eigentlichen Feuers verließen, ohne sich in der Folge noch in dessen Nähe aufzuhalten. Auch das in der Hauptverhandlung verlesene Gutachten des Landeskriminalamts verhält sich zu diesem Punkt nicht.

65

c) Auszuschließen wäre eine Gefährdung anderer Menschen durch den Brand nur, wenn das Gericht überprüft hätte, inwieweit andere Menschen mit der Brandlegung in Berührung gekommen und gegebenenfalls hierdurch gefährdet worden sind. Hierzu hätte die Beweisaufnahme auf die nach Akten- und Verfahrenslage als dafür möglicherweise relevant erkennbaren Umstände im Umkreis der Brandstätte in der Zeit zwischen Brandlegung und Erlöschen des Feuers erstreckt werden müssen (vgl. zum Umfang der Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO BGH, Beschluss vom 29. März 1990 - 4 StR 84/90 -, NStZ 1990, S. 384; Urteil vom 25. April 1991 - 4 StR 582/90 -, NStZ 1991, S. 399). Dass die im Wesentlichen auf die Aussagen der Angeklagten beschränkte Beweisaufnahme keine geeignete Grundlage für die Feststellung bildet, das Leben anderer Menschen sei nicht gefährdet worden, verdeutlicht schon die einem unter Einsatz zeitverzögert zündender Brandbeschleuniger gelegten Feuer der hier relevanten Größenordnung naturgemäß innewohnende Unbeherrschbarkeit, die durch das ausgeschüttete Benzin und die geöffnete Gasflasche noch gesteigert wurde.

66

d) Darüber hinaus geben Akteninhalt sowie Anklageschrift Anlass, der Frage nachzugehen, ob eine konkrete Lebensgefährdung anderer Menschen eingetreten ist.

67

aa) Infolge des von den Angeklagten F. und S. Sch. im Haus ausgeschütteten Benzins sowie der im Wohnzimmer des Erdgeschosses platzierten und geöffneten Propangasflasche drohte laut des in der Hauptverhandlung verlesenen Gutachtens eine Explosion, die unweigerlich jede sich dem Haus nähernde Person ernsthaft in Gefahr gebracht hätte. Gleichwohl fehlt es dem Vorlagebeschluss an Ausführungen, wie wahrscheinlich eine Explosion war, welche Sprengkraft sie gehabt hätte und weshalb sie letztlich ausblieb. Hierzu bestand konkreter Anlass, weil - ausgehend von den in der Verfahrensakte dokumentierten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der Polizei - Anhaltspunkte vorliegen, dass mehrere Personen in den Gefahrenbereich der Propangasflasche gelangt waren. Deshalb hätte festgestellt werden müssen, ob das Leben dieser Menschen - von denen kein einziger in der Hauptverhandlung gehört wurde - konkret gefährdet war und gegebenenfalls, ob die Angeklagten eine solche Gefährdung zumindest billigend in Kauf genommen haben.

68

(1) Die Zeugen F. und L., die durch den Feuerschein auf den Brand aufmerksam geworden waren, sagten im Ermittlungsverfahren aus, sich noch vor Eintreffen der Feuerwehr zu dem brennenden Haus begeben zu haben, um nach etwaig darin befindlichen hilfsbedürftigen Personen Ausschau zu halten. Hierzu seien auch Fensterscheiben im Erdgeschoss eingeschlagen worden. Darüber hinaus gab der am Brandort eingesetzte Feuerwehrmann N. im Ermittlungsverfahren an, durch ein Fenster die Gasflasche im Wohnzimmer gesehen und zunächst entschieden zu haben, die Flasche durch das Fenster aus dem brennenden Haus herauszuholen, ihre Bergung dann aber - wegen der nach seiner Meinung drohenden Explosion - als zu gefährlich abgebrochen zu haben.

69

Feststellungen zur Gefährdung dieser Personen waren nicht deshalb entbehrlich, weil es sich bei ihnen um als Retter mit dem Brand in Berührung gekommene Menschen handelte. Weder Wortlaut noch Normzweck von § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB legen nahe, Retter aus dem Schutzbereich der Vorschrift herauszunehmen. Vielmehr verwirklicht sich mit der Gefährdung von Rettern ein tatspezifisches Risiko, nämlich die Notwendigkeit von Rettungsaktionen als typisches Gefahrenpotential der Brandstiftung. Ob die Einbeziehung von Rettern in den Schutzbereich von § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB uneingeschränkt gilt (vgl. zum Meinungsstand etwa Heine, in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. 2010, § 306b Rn. 9, § 306c Rn. 5 ff.), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Die Rettungsbemühungen waren nicht von vornherein sinnlos oder unverhältnismäßig (vgl. zu dieser Einschränkung BGHSt 39, 322 <325 f.>). Außerdem hatten die Angeklagten mit dem ausgeschütteten Benzin und der geöffneten Gasflasche eine über das normale Maß einer Brandlegung hinausgehende und für Dritte nicht sofort erkennbare zusätzliche Gefährdungslage geschaffen.

70

(2) Auf der Grundlage der Feststellungen ist nicht auszuschließen, dass der in der Tatnacht zu dem Haus gekommene Postbote W. durch die Brandstiftung konkret gefährdet wurde. Der Vorlagebeschluss teilt lediglich mit, dass der Brand gegen 00.45 Uhr ausbrach. Im Ermittlungsverfahren hatte der Postbote jedoch erklärt, um 00.45 Uhr zur Auslieferung eines neuen Harry-Potter-Bandes mehrfach am Haus der Angeklagten W. geklingelt und in dem Haus das Flackern eines offenen Feuers wie von einem Kamin wahrgenommen zu haben. Wegen der zeitlichen Übereinstimmung kann nicht sicher ausgeschlossen werden, dass der Postbote erst bei oder sogar nach Ausbruch des Brandes am Tatobjekt war und - sofern sich das Benzin-Gas-Gemisch schon zu dieser Zeit hätte entzünden können - hierdurch konkret gefährdet wurde. Denn nach der Beobachtung des Feuerwehrmannes N. vollzog sich der sogenannte Flash-over dergestalt, dass "sich das Feuer praktisch im Raum drehte und dann nach vorne schoss zur Haupteingangstür im Bereich des Wohnzimmers aus dem Haus raus, wo es dann zu einer sehr heftigen Feuerentwicklung kam".

71

bb) Ferner hätte geklärt werden müssen, ob der Brand umliegende Häuser und deren Bewohner - etwa durch Funkenflug - gefährdete. Mangels geeigneter Feststellungen zumindest zum Drang des Feuers nach außen, zu dem Abstand zu den Nachbarhäusern und der Gestaltung des Zwischenraumes kann auch insoweit das Vorliegen einer Gefährdung anderer Menschen nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden. Immerhin hielt es die im Ermittlungsverfahren vernommene Zeugin U. für notwendig, die Bewohner eines Nachbarhauses zu wecken und auf den Brand aufmerksam zu machen.

72

2. Die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage für den Rechtsfolgenausspruch gegen die Angeklagten W. und S. Sch. ist ebenfalls nicht hinreichend begründet. Es ist nicht auszuschließen, dass durch die Tat ein anderer Mensch in die Gefahr des Todes gebracht wurde und deshalb auch der Tatbestand von § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB erfüllt ist. In diesem Fall wäre der Strafzumessung der Strafrahmen von § 306b Abs. 2 StGB zugrundezulegen, ohne dass es auf die Gültigkeit von § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB ankäme.

73

3. Die Vorlage genügt auch deshalb nicht den Anforderungen von Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 Abs. 2 BVerfGG, weil das Landgericht seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB nicht in ausreichender Weise begründet hat. Die diesbezüglichen Ausführungen sind nicht tragfähig, weil sie für die Frage relevante und naheliegende Gesichtspunkte unberücksichtigt lassen.

74

a) Die Argumentation des Landgerichts beschränkt sich auf eine Diskussion der gegenüber dem Grundtatbestand des § 306a StGB erhöhten Mindeststrafandrohung von fünf Jahren Freiheitsstrafe durch den zur Überprüfung gestellten Qualifikationstatbestand und kreist dabei um die Auffassung, die Erhöhung der Mindeststrafe "um das Fünffache" verlasse den Rahmen des Schuldangemessenen. Zwar ist dieser Ansatz vordergründig und insoweit konsequent, als nach Auffassung des Landgerichts der Richter im Einzelfall gerade durch die Mindestfreiheitsstrafe von fünf Jahren zur Festsetzung einer nicht mehr schuldangemessenen Strafe gezwungen wird. Die Erörterung der Rechtsfolgen der Brandstiftungsdelikte durch das Landgericht übergeht jedoch, dass die Strafgesetze - mit Ausnahme der Strafandrohung "lebenslänglich" - jeweils einen Strafrahmen vorgeben, der dem Richter einen erheblichen Spielraum zur Feststellung der im Einzelfall schuldangemessenen Strafe lässt.

75

Der gesetzlich vorgegebene Strafrahmen ist Ausgangspunkt jeder Strafzumessungsentscheidung. Er gibt eine generelle Vorbewertung des für den einzelnen Tatbestand typischen Handlungsunrechts durch den Gesetzgeber, an die der Richter gebunden ist und an der er sich zu orientieren hat (vgl. BVerfGE 105, 135 <164>). Dabei soll der im Strafrahmen enthaltene Bereich zwischen Mindest- und Höchststrafe alle Schweregrade der jeweils zu beurteilenden Gesetzesverletzung abdecken. Er erfasst sowohl die denkbar schwersten als auch die denkbar leichtesten Fälle, für die die jeweiligen Grenzwerte des Strafrahmens vorgesehen sind. Ob ein solcher Grenzfall vorliegt und welche Strafe für die Fälle aus dem Bereich zwischen den Grenzwerten angemessen ist, ergibt sich für den erkennenden Richter im Rahmen der in § 46 StGB vorgeschriebenen Abwägung der für und gegen den Täter sprechenden Umstände (BGHSt 27, 2<3>).

76

Die nach dem vorgegebenen Rahmen zulässigen Strafen bilden eine Stufenfolge, der die konkret zu beurteilende Tat bei der Zumessung der verwirkten Strafe zugeordnet werden muss, wobei ein Fall mittlerer Schwere seine Entsprechung auch etwa in der Mitte des Strafrahmens haben wird. Da die Mehrzahl der erfahrungsgemäß immer wieder vorkommenden Fälle der betreffenden Straftat nur einen verhältnismäßig geringen Schweregrad erreicht und auch die weit weniger häufigen schweren sowie schwersten Fälle bei der Ermittlung eines Durchschnittswerts der Tatschwere zu berücksichtigen sind, muss der den Regelfall kennzeichnende Wert notwendig in einem Bereich unterhalb der Mitte der vom Gesetzgeber ins Auge gefassten Tatbestandsverwirklichungen liegen, die er mit der durch Höchst- und Mindeststrafe begrenzten Strafandrohung sämtlich treffen will (BGHSt 27, 2 <4>). Auf die Mindeststrafe darf der Richter hingegen nur erkennen, wenn die Schuld an der unteren Grenze der praktisch vorkommenden Durchschnittsfälle liegt (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 1983 - 4 StR 617/83 -, NStZ 1984, S. 117; Fischer, StGB, 57. Aufl. 2010, § 46 Rn. 16).

77

Auf der Grundlage dieser Systematik der Strafzumessung ist der Spielraum des Tatrichters schon wegen der Weite der gesetzlichen Strafrahmen in aller Regel groß genug, um bei der Festlegung der konkreten Strafe auch das parallele Vorliegen mehrerer solcher Milderungsgründe in Rechnung stellen zu können, die nur bei der Bestimmung der konkreten Strafe innerhalb des anzuwendenden Strafrahmens nach § 46 StGB zugunsten des Täters berücksichtigt werden können, also nicht explizit gesetzlich geregelt sind. Da das Landgericht seine Auffassung zur Verfassungswidrigkeit von § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB auf die nach seiner Meinung unzureichende Möglichkeit zur Berücksichtigung solcher Milderungsgründe stützt, hätte es in seine Überlegungen die Strafrahmen von § 306a StGB und von § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB insgesamt einbeziehen müssen.

78

b) Die auf die Systematik der Brandstiftungsdelikte bezogene Darstellung des Vorlagebeschlusses beschränkt sich ebenfalls auf eine Betrachtung nur der Mindeststrafdrohungen.

79

aa) Unter systemkonformer Berücksichtigung der gesamten Strafrahmen lässt sich kein zwingender Hinweis feststellen, dass die erhöhte Strafdrohung des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB mit den sonstigen Wertungen des Gesetzgebers nicht in Einklang stehen könnte.

80

Bei dem nach seiner amtlichen Überschrift und seiner systematischen Stellung als Grundnorm der Brandstiftungsdelikte fungierenden Tatbestand der einfachen Brandstiftung nach § 306 StGB soll es sich zwar - da er nur die Inbrandsetzung fremder Sachen erfasst - nach in der Literatur vertretener Auffassung letztlich um einen Sonderfall der Sachbeschädigung handeln (vgl. Wolff, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2008, § 306 Rn. 3; Fischer, StGB, 57. Aufl. 2010, § 306 Rn. 1; Heine, in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. 2010, § 306 Rn. 1 m.w.N.). Mit seiner Anknüpfung an das Zerstörungsmittel Feuer haftet dem Tatbestand jedoch zweifellos ein Element der Gemeingefährlichkeit an (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2000 - 1 StR 438/00 -, NStZ 2001, S. 196 <197>; Radtke, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2006, § 306 Rn. 8 ff.). Dass der Gesetzgeber den Einsatz des Tatmittels Feuer bei Inbrandsetzung beziehungsweise durch Brandlegung verursachter Zerstörung bestimmter Gegenstände als so verwerflich qualifiziert, dass er hieran - und zwar ohne eine Gefährdung von Menschen zu verlangen - eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren (in minder schweren Fällen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren) knüpft und damit schon die einfache Brandstiftung als Verbrechen qualifiziert, ist als gesetzgeberische Wertentscheidung zu respektieren und wird auch durch das Landgericht nicht in Frage gestellt. Die grundsätzliche Entscheidung für eine hohe Strafwürdigkeit der Brandstiftung liegt innerhalb des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums. Sie findet einen sachlichen Grund in der besonderen Gefährlichkeit sowie Unberechenbarkeit des Zerstörungsmittels Feuer, das leicht außer Kontrolle geraten und immense Schäden verursachen kann (vgl. BGHSt 43, 346 <351>; Radtke, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2006, § 306 Rn. 3; Radtke, Die Dogmatik der Brandstiftungsdelikte, 1998, S. 150 ff.; Stein, in: Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung in das 6. Strafrechtsreformgesetz, 1998, S. 75).

81

Der Tatbestand der schweren Brandstiftung in § 306a StGB, der an eine abstrakte (Abs. 1) beziehungsweise konkrete (Abs. 2) Gefährdung von Menschen durch die Brandlegung anknüpft und dessen Schutzgüter damit Leben und körperliche Unversehrtheit von Menschen sind (vgl. Wolff, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2008, § 306a Rn. 1; Stein, a.a.O., S. 76), verzichtet - was verfassungsrechtlich nicht notwendig war - trotz der gesteigerten Gefährlichkeit der Brandstiftung für Menschen auf eine Verschärfung der Mindeststrafandrohung und hebt lediglich die Höchststrafe an, um so den Strafrahmen auf die für Verbrechensgrundtatbestände typische Spanne von einem Jahr bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe zu erweitern. Sowohl § 306 als auch § 306a StGB enthalten aber eine Sonderregelung für minder schwere Fälle, die beide eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vorsehen.

82

Die Qualifikationstatbestände in § 306b StGB verkürzen durch Verschärfung der Mindeststrafandrohung den Strafrahmen gegenüber § 306a StGB systemgerecht wieder, wobei der von einem Jahr bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe reichende weite Strafrahmen des § 306a StGB bereits sämtliche Strafhöhen einschließt, die auch bei zusätzlicher Erfüllung eines Qualifikationsmerkmals des § 306b StGB ausgesprochen werden können.

83

Dass § 306b Abs. 1 StGB die Mindeststrafe für den Fall einer Gesundheitsschädigung durch die Brandlegung nur auf zwei Jahre erhöht, während sie in den Fällen des § 306b Abs. 2 StGB auf mindestens fünf Jahre angehoben wird, liegt innerhalb des gesetzgeberischen Beurteilungsspielraums und gibt zu verfassungsrechtlichen Bedenken keinen Anlass. Dies zeigt sich schon an den vom Landgericht unvollständig thematisierten verschiedenen Anknüpfungspunkten der Regelungen. Bei § 306b Abs. 1 StGB handelt es sich um eine Erfolgsqualifikation, für die eine fahrlässige (vgl. § 18 StGB) Verursachung der Gesundheitsschädigung durch die Brandstiftung genügt (vgl. BGHSt 44, 175 <177>; Heine, in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. 2010, § 306b Rn. 1; Fischer, StGB, 57. Aufl. 2010, § 306b Rn. 2 m.w.N.). Demgegenüber kennzeichnet § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB die finale Verknüpfung des Brandstiftungsunrechts mit weiterem strafbaren Unrecht durch den Täter. Wie der Bundesgerichtshof zu Recht anführt, liegt der besondere, die Strafandrohung rechtfertigende Unwert des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB darin, dass die Brandstiftung als Mittel zur Begehung weiteren kriminellen Unrechts dienen soll, wobei die höhere Verwerflichkeit in der Bereitschaft des Täters liegt, zur Durchsetzung krimineller Ziele ein für andere Menschen zumindest abstrakt gefährliches Brandstiftungsdelikt zu begehen (vgl. BGHSt 45, 211 <217>; vgl. zu § 211 StGB auch BVerfGE 45, 187<265>; BGHSt 39, 159 <161 f.>; Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. 2010, § 211 Rn. 31). Hierin kommt eine besonders verwerfliche Gesinnung und erhöhte Gefährlichkeit des Täters zum Ausdruck (vgl. BVerfGE 45, 187 <265>, sowie BGHSt 39, 159 <161 f.>, jeweils zu § 211 StGB). Kennzeichnend für ein Handeln in Ermöglichungsabsicht ist damit die erhöhte Gefährlichkeit der Brandstiftung aufgrund der durch ein besonderes Maß an egoistischen Bestrebungen und Rücksichtslosigkeit geprägten Entschlossenheit des Täters, der nicht davor zurückschreckt, andere Menschen zu gefährden, sofern sie ihm bei der Durchsetzung seiner kriminellen Ziele im Wege stehen.

84

bb) Soweit das vorlegende Gericht meint, eine Steigerung der situationsbedingten Gefährlichkeit liege in den Fällen von § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB gegenüber dem Grundtatbestand des § 306a Abs. 1 StGB nicht typischerweise vor, lässt es diesen Strafgrund der Ermöglichungsabsicht unberücksichtigt.

85

Der Täter, der zur Erreichung seiner weiteren kriminellen Ziele das typischerweise unbeherrschbare Tatmittel "Feuer" unter zumindest abstrakter Gefährdung von Menschen einsetzt, ist besonders gefährlich. Das gilt umso mehr, wenn es sich bei der zu ermöglichenden Tat um ein verhältnismäßig geringfügiges Delikt handelt; denn in diesen Fällen wird die Missachtung der Rechtsgüter anderer bei der Verfolgung eigener Interessen besonders deutlich (vgl. BVerfGE 45, 187 <265>, zu § 211 StGB). Die Gefährlichkeit der Brandstiftung ist in den Fällen des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB somit generell und unabhängig vom Eintritt einer konkreten Gefährdungslage schon dadurch erhöht, dass ein besonders rücksichtsloser und gefährlicher Täter handelt.

86

cc) Das vom Landgericht angeführte Beispiel der Brandlegung zur Ausschaltung eines Konkurrenten übergeht, dass der Gesetzgeber grundsätzlich in der Einschätzung frei ist, welche Verhaltensweisen er unter Strafe stellt, und welche Umstände er als so stark unrechtserhöhend bewertet, dass er an ihr Vorliegen eine erhöhte Strafandrohung knüpft (vgl. BVerfGE 34, 261 <266>; 50, 125 <138>; 80, 244 <255>; 90, 145 <173>). Er ist daher nicht gezwungen, für jede verwerfliche Motivation des Täters einen gesonderten Strafrahmen zur Verfügung zu stellen, zumal sich Ermöglichungs- und Verdeckungsabsicht von anderen anstößigen Handlungsmotiven durch die finale Verknüpfung der Straftat mit dem vom Täter erstrebten weiteren strafbaren Unrecht qualitativ abheben. Davon abgesehen bietet der weite Strafrahmen des für den Beispielsfall des Landgerichts zur Anwendung kommenden § 306a Abs. 1 StGB genügend Spielraum, um von § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB nicht erfasste andere verwerfliche Tatmotive bei der Strafzumessung adäquat zu berücksichtigen.

87

c) Der Vorlagebeschluss geht nicht auf andere im Strafgesetzbuch enthaltene Straftatbestände ein, in denen der Gesetzgeber an die Begehung einer Straftat zur Ermöglichung einer weiteren Straftat eine erhöhte Strafandrohung knüpft. Da das Landgericht die Auffassung vertritt, § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB füge sich nicht in angemessener Weise in das Sanktionssystem des Strafgesetzbuchs ein, hätte es diese Tatbestände in seine Bewertung einstellen müssen.

88

Eine Betrachtung dieser Normen spricht allerdings gegen die Meinung des Landgerichts, und zwar selbst dann, wenn auf die jeweilige Mindeststrafandrohung abgestellt wird. Bei einem gefährlichen Eingriff in den Bahn-, Schiffs- oder Luftverkehr im Sinne von § 315 Abs. 1 StGB (Grundstrafrahmen: Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren) qualifiziert gemäß § 315 Abs. 3 Nr. 1b Alt. 1 StGB ein Handeln zur Ermöglichung einer anderen Straftat die Tat zum Verbrechen und verlagert den Strafrahmen auf Freiheitsstrafe zwischen einem Jahr und 15 Jahren, wobei nach § 315 Abs. 4 StGB in minder schweren Fällen auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen ist. Auf § 315 Abs. 3 StGB verweist zudem § 315b Abs. 3 StGB, der den gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren) bei einem Handeln in Ermöglichungsabsicht ebenfalls zum Verbrechen aufwertet und eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 10 Jahren, in minder schweren Fällen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, vorsieht. Dabei bedarf es für die Erfüllung des Tatbestands von § 315b StGB nicht zwangsläufig der Gefährdung eines Menschen. Vielmehr genügt die Verursachung einer konkreten Gefahr für fremde Sachen von bedeutendem Wert, der derzeit ab einem Betrag von etwa 1.300 EUR angenommen wird (vgl. Fischer, StGB, 57. Aufl. 2010, § 69 Rn. 29 m.w.N., § 315b Rn. 16). Schließlich ändert sich die rechtliche Bewertung der vorsätzlichen Tötung eines Menschen bei einem Handeln zur Ermöglichung einer anderen Straftat von Totschlag (Freiheitsstrafe von fünf bis zu 15 Jahren) in Mord (lebenslange Freiheitsstrafe, Mindestverbüßungsdauer 15 Jahre).

89

Weder eine Betrachtung der Veränderung der Strafrahmen noch die isolierte Bewertung der Verschärfung der jeweiligen Mindeststrafandrohung erweckt zwangsläufig den Eindruck, der Strafrahmen von § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB füge sich nicht in das Sanktionssystem des Strafgesetzbuchs ein. Vielmehr verdeutlicht der Tatbestand des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, bei dem selbst unter Zugrundelegung der Sonderregelung für minder schwere Fälle ein Handeln in Ermöglichungsabsicht die Mindeststrafandrohung des Grundtatbestands (Geldstrafe von fünf Tagessätzen) um das 36fache erhöht, dass die schematisch an der Verschärfung der Mindeststrafe ausgerichtete Argumentation des Landgerichts keinen geeigneten Maßstab darstellt, um die Angemessenheit der Strafandrohung eines Qualifikationstatbestandes zu überprüfen.

90

4. Der Vorlagebeschluss legt nicht plausibel dar, weshalb ein Sonderstrafrahmen für minder schwere Fälle verfassungsrechtlich geboten sein sollte. Weder die Feststellungen zum Ausgangsfall noch die sonstigen Erwägungen des Landgerichts bezeichnen hinreichend konkret eine Konstellation, in der die Strafandrohung des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB zwangsläufig zur Verhängung einer unverhältnismäßig hohen Freiheitsstrafe führen würde.

91

a) Der Gesetzgeber darf und muss bei der Bemessung des Strafrahmens für einen Straftatbestand von der Typik des von ihm missbilligten Verhaltens ausgehen (BVerfGE 34, 261 <267>). Die Festlegung des Strafrahmens beruht auf einem nur in Grenzen rational begründbaren Akt gesetzgeberischer Wertung (BVerfGE 50, 125 <140>). Welche Sanktion für eine Straftat - abstrakt oder konkret - angemessen ist und wo die Grenzen einer an der Verfassung orientierten Strafdrohung zu ziehen sind, hängt von einer Fülle von Wertungen ab. Das Grundgesetz gesteht dem Gesetzgeber bei der Normierung von Strafandrohungen deshalb einen weiten Gestaltungsspielraum zu. Dem trägt das Bundesverfassungsgericht bei der inhaltlichen Überprüfung gesetzlicher Strafdrohungen Rechnung. Es kann in solchen Fällen einen Verstoß gegen den Schuldgrundsatz oder das Übermaßverbot nur dann feststellen, wenn die gesetzliche Regelung - gemessen an der Idee der Gerechtigkeit - zu schlechthin untragbaren Ergebnissen führt (BVerfGE 50, 125 <140>). Dies wäre der Fall, wenn sich die angedrohte Strafe nach Art und Maß der strafbewehrten Handlung als schlechthin unangemessen oder gar grausam, unmenschlich oder erniedrigend darstellt (BVerfGE 50, 205 <215> m.w.N.).

92

Zur Vermeidung unverhältnismäßiger Sanktionen genügt in der Regel, dass der Gesetzgeber dem Richter die Verhängung schuldangemessener Strafen innerhalb eines entsprechenden Strafrahmens bei der Strafzumessung ermöglicht. Davon kann namentlich dort ausgegangen werden, wo - was hier der Fall ist - der Deliktstatbestand präzise unzweifelhaft strafwürdiges Unrecht umschreibt und die Strafe nur noch vom Maß der individuellen Schuld im Einzelfall abhängt (BVerfGE 73, 206 <254>).

93

b) Dass eine Strafandrohung im Einzelfall unangemessen erscheinen kann, stellt ihre Verfassungsmäßigkeit noch nicht infrage (BVerfGE 34, 261 <267>). Den Besonderheiten des Einzelfalls kann hier in verschiedener Weise Rechnung getragen werden. In Betracht kommen Strafmilderungen wegen Vorliegens der Voraussetzungen von Vorschriften des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs (§ 13 Abs. 2, § 17, § 21, § 23 Abs. 2, § 27 Abs. 2 Satz 2, § 28 Abs. 1, § 30 Abs. 1 Satz 2, § 35 Abs. 2, § 46a StGB) oder von § 306e StGB. Zudem hat der Richter durch die Weite des vorgegebenen Strafrahmens in aller Regel genug Spielraum, um bei der Festlegung der im konkreten Fall verwirkten Strafe nach Maßgabe von § 46 StGB auch ein etwaiges paralleles Vorliegen mehrerer nicht gesetzlich typisierter Milderungsgründe zu berücksichtigen.

94

c) Ob gleichwohl noch Fallkonstellationen auftreten können, in denen die Strafandrohung des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB selbst nach Ausschöpfung dieser Möglichkeiten typischerweise zu schlechthin untragbaren Ergebnissen führen würde, legt der Vorlagebeschluss nicht hinreichend konkret dar. Das Landgericht zeigt keine solche Konstellation auf.

95

aa) Ihre Auffassung, in einer "nicht unerheblichen Zahl von Fällen" sei ein eine Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren rechtfertigender Unwertgehalt nicht mehr zu erkennen, belegt die Kammer nicht. Die abstrakt umrissene Gruppe von Fällen, in denen jeweils eine konkrete Gefährdung von Menschen nicht eingetreten ist und nicht zu erwarten war, das abgebrannte Haus im Alleineigentum des Täters stand und weitere gewichtige (nicht gesetzlich typisierte) Milderungsgründe hinzutreten, ist zu wenig spezifiziert, um die Angemessenheit der verschärften Mindeststrafandrohung verantwortbar prüfen zu können. Für sich besehen vermag diese Konstellation jedenfalls nicht, die Auffassung des Landgerichts tragfähig zu begründen und ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der zur Überprüfung gestellten Norm zu wecken.

96

(1) Für die Erfüllung des Grundtatbestands des § 306a Abs. 1 StGB genügt die Inbrandsetzung eines der dort aufgezählten Objekte, mit der typischerweise eine Gefährdung anderer Menschen einhergeht. Den Eintritt einer konkreten Gefährdung verlangt der Tatbestand gerade nicht (vlg. BGHSt 36, 221 <223> zu § 306 StGB a.F.; BGH, Urteil vom 15. September 1998 - 1 StR 290/98 -, NStZ 1999, S. 32 <34>; Wolff, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2008, § 306a Rn. 2; Heine, in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. 2010, § 306a Rn. 2). Auch das Eigentum an dem Brandobjekt ist in Anbetracht der Schutzgüter der Norm - Leib und Leben anderer Menschen - für die Tatbestandserfüllung unerheblich (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 1998 - 1 StR 290/98 -, NStZ 1999, S. 32 <33>; Beschluss vom 21. November 2000 - 1 StR 438/00 -, NStZ 2001, S. 196 f.; Wolff, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2008, § 306a Rn. 6 m.w.N.; Heine, in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. 2010, § 306a Rn. 2, 17), wobei das Brandobjekt häufig jedenfalls teilweise fremdfinanziert und damit zu prüfen sein wird, inwieweit der Brand einen Schaden des Darlehensgebers verursacht hat. Davon abgesehen handelt es sich beim Abbrennen eines Wohnhauses, das regelmäßig einen relativ hohen (Versicherungs-) Wert verkörpert, in aller Regel um einen Fall, der gerade nicht am unteren Rand des weiten Strafrahmens des § 306a Abs. 1 StGB angesiedelt ist; denn hierzu bedarf es eines Feuers von erheblichem Ausmaß und damit einhergehend naturgemäß auch mit einem erhöhten Gefährdungspotential.

97

(2) Handelt der Täter dabei zusätzlich in der Absicht, seine Versicherung zu betrügen, ist unter Zugrundelegung der aufgeführten Maßstäbe und des Schutzzwecks der Norm auch bei Berücksichtigung etwaiger nebeneinander auftretender, gesetzlich nicht typisierter Milderungsgründe im Sinne des § 46 StGB nicht ersichtlich, weshalb die auszusprechende Strafe in der vom Landgericht bezeichneten Konstellation aus verfassungsrechtlichen Gründen unterhalb der Mindeststrafandrohung von fünf Jahren liegen müsste.

98

bb) Der hier zugrundeliegende Ausgangsfall kann ebenfalls nicht als bezeichnend für eine Fallkonstellation angeführt werden, aus der sich eine verfassungsrechtlich gebotene Notwendigkeit einer Sonderregelung für minder schwere Fälle erschließen würde. Davon abgesehen, dass ein im Einzelfall ungerecht erscheinendes Ergebnis noch nicht die Verfassungsmäßigkeit der Norm insgesamt in Frage stellen kann, steht die Unvollständigkeit der Sachaufklärung einer dahingehenden Bewertung des Ausgangsfalls entgegen. Es ist nicht möglich und auch nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, eine vollständige Sachaufklärung zu antizipieren. Ohnehin deuten bereits bei einer überschlägigen Betrachtung die aus den Feststellungen des Gerichts und - soweit diese unvollständig sind - dem weiteren Inhalt der Verfahrensakte resultierenden Anhaltspunkte darauf hin, dass der Ausgangsfall keinen so geringen Unrechts- und Schuldgehalt aufweist, dass von Verfassungs wegen ernsthaft eine Unterschreitung der Mindeststrafe von § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB in Betracht gezogen werden müsste, um eine unverhältnismäßig hohe Strafe zu verhindern. Auch der Ausgangsfall ist damit nicht geeignet, die Auffassung des Landgerichts zur Verfassungswidrigkeit von § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB zu tragen.

99

(1) Die Grundannahme des Landgerichts, eine konkrete Gefährdung anderer Menschen sei nicht eingetreten und aufgrund der "Vorkehrungen" der Angeklagten auch nicht zu erwarten gewesen, ist mangels hinreichender Sachverhaltsaufklärung nicht tragbar, steht aber auch nicht in Einklang mit den getroffenen Feststellungen. Die Vorkehrungen der Angeklagten waren ersichtlich unzureichend, um eine Gefährdung anderer Menschen auszuschließen. Das zeigen schon die nicht verschlossene Küchentür und die den Angeklagten bekannte Unberechenbarkeit des Verhaltens der betreuten Kinder. Hinzu kommt die am Haus offenbar stehengelassene Leiter, die auch ohne Schlüssel ein relativ problemloses Betreten des Hauses ermöglichte. Außerdem hatten die Angeklagten mit der geöffneten Propangasflasche und dem ausgeschütteten Benzin bewusst eine zusätzliche unbeherrschbare Gefahrenquelle geschaffen, die mit dem Feuer in Berührung kommende Dritte - zumindest das Hinzukommen von Rettungskräften war sicher zu erwarten - nahezu zwangsläufig einer gegenüber dem Normalmaß eines Hausbrandes hinausgehenden Gefährdung aussetzte. Die Anklageschrift hatte den Angeklagten auf Basis der geständigen Einlassung der Angeklagten F. Sch. im Ermittlungsverfahren sogar vorgeworfen, die Gasflasche sei zur Herbeiführung einer Explosion aufgestellt worden. Spätestens mit der von ihnen im Ermittlungsverfahren eingeräumten Wahrnehmung einer anderen Person am Haus zum Zeitpunkt der Brandlegung muss den Angeklagten F. und S. Sch. jedoch klar gewesen sein, dass eine Gefährdung anderer Personen gerade nicht ausgeschlossen war.

100

(2) Es fehlt an Feststellungen zu dem durch die Brandstiftung verursachten Schaden, obwohl auch Dritte durch den Brand geschädigt worden sein dürften. In dem Haus befanden sich noch Sachen der betreuten Kinder und Jugendlichen; außerdem hatte die Angeklagte W. den Grundstückserwerb fremdfinanziert. Inwieweit den finanzierenden Banken durch den Wegfall des Sicherungsobjekts und die beengte finanzielle Lage der Angeklagten W. ein Schaden entstanden ist, hätte aufgeklärt werden müssen.

101

(3) Der Vorlagebeschluss lässt nicht erkennen, ob sich das Gericht auch mit den Umständen befasst hat, die auf eine erhebliche kriminelle Energie der Angeklagten W. hindeuten könnten. Unerwähnt bleibt etwa die Rücksichtslosigkeit ihres Vorgehens gegenüber den betreuten Kindern und Jugendlichen, die durch den Brand immerhin ihr Heim und persönliche Sachen verloren haben. Nicht angesprochen wird zudem, dass die Angeklagte F. Sch. im Ermittlungsverfahren angegeben hat, sich hinsichtlich ihrer Mitwirkung an der Tat von der Angeklagten W. - der sie sich verpflichtet wähnte - unter Druck gesetzt gefühlt zu haben, und die Jugendgerichtshilfe in ihrem Bericht die psychische Abhängigkeit der Angeklagten F. Sch. von der Angeklagten W. bestätigte. Ferner fällt auf, dass die Angeklagte W. die Tat zwar im Hinblick auf ihr eigenes Alibi und - wie der Einsatz der Gasflasche zeigt - die Gewährleistung des Taterfolges sorgfältig plante, nicht aber hinsichtlich des Ausschlusses einer Gefährdung anderer Menschen. Auch die - in der geständigen Einlassung der Angeklagten F. Sch. im Ermittlungsverfahren angesprochene - Auslobung von 30.000 EUR für die Brandstiftung dürfte eher auf eine planende und berechnende Vorgehensweise der Angeklagten W. hindeuten. Dieser Umstand könnte dafür sprechen, dass die Angeklagte W. die Tat wirtschaftlich durchkalkulierte und sich einen Gewinn hierdurch erhoffte.

102

(4) Das Landgericht durfte sich einer Erörterung der sich nur aus den Geständnissen der Angeklagten F. und S. Sch. im Ermittlungsverfahren ergebenden Umstände nicht durch den - aus sich heraus nicht verständlichen - Hinweis entziehen, infolge der unabhängig von Vorhalten aus den polizeilichen Vernehmungen der Angeklagten F. und S. Sch. in der Hauptverhandlung abgegebenen Geständnisse komme es nicht mehr auf die Frage der Verwertbarkeit dieser polizeilichen Vernehmungen an. In Anbetracht der Bedeutung dieser Gesichtspunkte für die Schwere der Schuld und damit letztlich auch die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage hätte sich das Gericht mit dieser Frage auseinandersetzen und entscheiden müssen, ob nach seiner Auffassung ein Verwertungsverbot besteht oder nicht, zumal sich in diesem Zusammenhang auch die Frage nach der Verwertbarkeit der in der Hauptverhandlung abgegebenen Geständnisse stellen musste.

103

5. Das vorlegende Gericht hat nicht erschöpfend geprüft, ob Wortlaut und Sinngehalt von § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB eine engere Auslegung zulassen, die sicherstellt, dass auch in etwaigen Ausnahmefällen keine unverhältnismäßige Strafe ausgesprochen werden muss.

104

Eine einschränkende Auslegung findet dort ihre Grenze, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (vgl. BVerfGE 18, 97 <111>).

105

a) Die Auffassung des Landgerichts, eine einschränkende Auslegung von § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB sei ausgeschlossen, setzt sich schon nicht abschließend mit dem Willen des Gesetzgebers auseinander.

106

aa) Den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren ist nicht eindeutig zu entnehmen, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung von § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB die Fälle der Brandstiftung zur Begehung eines Versicherungsbetrugs explizit vor Augen hatte. Zwar erwähnt der Rechtsausschuss im Zusammenhang mit der von ihm befürworteten Änderung von § 265 StGB, dem gesteigerten Unrecht von solchen tatbestandsmäßigen Handlungen des § 265 StGB a.F., die zugleich eine Gemeingefahr auszulösen vermögen, solle "wie schon bisher" durch die Anwendung des jeweiligen gemeingefährlichen Delikts Rechnung getragen werden (vgl. BTDrucks 13/9064, S. 20). Diese Äußerung ist aber nicht zwingend dahingehend zu verstehen, dass der Rechtsausschuss bei der auf Bitte des Bundesrats, dem Versicherungsmissbrauch mit strafrechtlichen Mitteln effektiv entgegenzuwirken (vgl. BTDrucks 13/8587, S. 65), vorgeschlagenen Änderung von § 265 StGB und Ergänzung von § 263 Abs. 3 StGB um das Regelbeispiel Nr. 5 gerade an die Entwurfsfassung des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB dachte. Hiergegen spricht insbesondere die Formulierung "wie schon bisher"; denn die Vorgängernorm von § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB, § 307 Nr. 2 StGB a.F., erfasste die schwere Brandstiftung zur Ermöglichung eines Versicherungsbetrugs noch nicht.

107

bb) Auch die Zurückweisung der Kritik des Bundesrats an der hohen Strafdrohung des § 306b Abs. 2 StGB und dem Fehlen einer Ausnahmeregelung für minder schwere Fälle in der Gegenäußerung der Bundesregierung bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Gesetzgeber ausdrücklich und abschließend festlegen wollte, alle denkbar von § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB erfassten Konstellationen mindestens mit einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren zu bestrafen. Der Regierungsentwurf hatte nämlich die eine konkrete Gesundheitsgefährdung verursachende einfache Brandstiftung noch ausdrücklich aus dem Tatbestand der schweren Brandstiftung und damit letztlich auch seinen Qualifikationen herausgelassen (vgl. BTDrucks 13/8587, S. 49). Erst im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens stellte der Rechtsausschuss in seinem vom Gesetzgeber letztlich übernommenen Änderungsvorschlag die Fälle der konkreten Gesundheitsgefährdung durch eine "einfache" Brandstiftung (§ 306a Abs. 2 StGB) der schweren Brandstiftung an Gebäuden und sonstigen Räumlichkeiten, mit der typischerweise eine Gefährdung anderer Menschen einhergeht (§ 306a Abs. 1 StGB), gleich und wertete sie damit zu Fällen einer schweren Brandstiftung auf. Der Rechtsausschuss wollte mit dieser Gleichstellung den Eintritt einer konkreten Gesundheitsgefährdung anderer Menschen höher gewichtet sehen (vgl. BTDrucks 13/9064, S. 22). Auf § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB geht er in diesem Zusammenhang nicht explizit ein.

108

cc) Schließlich spricht gegen einen entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers der Hinweis in der Begründung des Regierungsentwurfs (BTDrucks 13/8587, S. 47), mit dem Entwurf der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgen zu wollen, wonach eine einschränkende Auslegung von § 306 Nr. 2 StGB a.F. (entspricht weitgehend § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB) in Betracht kommt, wenn sich der Täter durch absolut zuverlässige und lückenlose Maßnahmen vergewissert, dass eine Gefährdung von Menschen mit Sicherheit nicht eintreten wird, und - falls ein solcher Ausnahmefall nicht vorliegt - derartiges Handeln für die Strafzumessung bedeutsam sein, insbesondere zur Anwendung des in § 306 des Regierungsentwurfs vorgesehenen Sonderstrafrahmens für minder schwere Fälle (entspricht § 306a Abs. 3 StGB) führen könne.

109

b) Das Landgericht hätte deshalb die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs angesprochenen Möglichkeiten näher diskutieren müssen, mit denen in etwaigen extremen Ausnahmefällen gegebenenfalls die Verhängung einer unverhältnismäßig hohen Freiheitsstrafe vermieden werden könnte. So ist in der Rechtsprechung ein Ausschluss des Tatbestands des § 306a Abs. 1 StGB anerkannt, wenn das Gebäude zur Tatzeit nicht mehr der Wohnung von Menschen diente, also von allen Bewohnern aufgegeben worden war (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Oktober 2004 - 2 StR 381/04 -, juris, Rn. 6; Urteil vom 22. April 2004 - 3 StR 428/03 -, juris, Rn. 8; Urteil vom 15. September 1998 - 1 StR 290/98 -, NStZ 1999, S. 32 <34>). In diesen Fällen scheidet konsequenterweise auch eine Strafbarkeit nach § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB aus. Offen gelassen hat der Bundesgerichtshof bisher die - allerdings nur bei kleinen, insbesondere einräumigen und daher auf einen Blick zu überschauenden Objekten in Betracht kommende - Frage nach einer Einschränkung des Tatbestands von § 306a Abs. 1 StGB in den Fällen, in denen sich der Täter durch absolut zuverlässige Maßnahmen vergewissert, dass andere Menschen nicht gefährdet werden (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 1998 - 1 StR 290/98 -, NStZ 1999, S. 32 <34> m.w.N.). Schließlich hat der Bundesgerichtshof angesprochen, aber - soweit erkennbar - noch nicht abschließend entschieden, ob in etwaig verbleibenden Einzelfällen, in denen die Strafandrohung als unangemessen hart angesehen werden müsste, der Gedanke seiner Rechtsfolgenlösung zum Mordmerkmal der Heimtücke herangezogen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2004 - 3 StR 428/03 -, juris, Rn. 14).

110

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.