Landessozialgericht NRW Beschluss, 06. Juli 2015 - L 19 AS 931/15 B ER
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 19.05.2015 geändert. Der Antragsgegner wird einstweilig verpflichtet, der Antragstellerin die Regelleistung nach § 20 SGB II auf der Berechnungsgrundlage eines monatlichen Anspruchs von 399,00 EUR abzüglich gegebenenfalls anrechenbarer Einkünfte für den Zeitraum vom 30.04.2015 bis 31.10.2015 zu gewähren. Die darüber hinausgehende Beschwerde wird zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt die Hälfte der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und die Rechtsanwaltssozietät T und Partner, E, beigeordnet.
1
Gründe:
2I.
3Die Antragstellerin wendet sich gegen die Ablehnung ihres Antrags auf einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Erbringung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II.
4Die am 00.00.1965 geborene Antragstellerin bulgarischer Nationalität hält sich nach eigener Angabe seit Ende 2009 im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners auf. Sie hat nach ihren Angaben die Schule bis zum achten Schuljahr besucht und Schneiderin gelernt. In der Bundesrepublik hat sie von Juli bis Oktober 2012 und sodann vom 13.05.2013 bis 11.05.2014 als Reinigungskraft im Angestelltenverhältnis gearbeitet, im Anschluss hieran bezog sie vom 12.05. bis 10.11.2014 Alg I in Höhe von 607,50 EUR monatlich, in der Folge Alg II. Bis zum 30.04.2015 bewohnte sie gemeinsam mit ihrem Sohn und dessen Familie aufgrund eines mit dem Sohn abgeschlossenen Mietvertrages die ab dem 01.05.2015 zu einer Warmmiete von 420,00 EUR monatlich von ihr alleine gemietete und genutzte Wohnung.
5Nach Ablehnung ihres Antrags auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II vom 27.01.2014 (Bescheid vom 28.03.2014) bezog die Antragstellerin im Ergebnis des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes S 39 AS 4660/14 ER, (SG Duisburg) vorläufig bewilligte Leistungen in Höhe von monatlich 408,18 EUR bis zum 30.04.2015. Nach Lage der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners ist bislang weder über den Widerspruch der Antragstellerin gegen den Ablehnungsbescheid vom 28.03.2014 noch über den am 13.03.2015 gestellten Folgeantrag entschieden worden.
6Mit Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 30.04.2015 im vorliegenden Verfahren hat die Antragstellerin die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Grundsicherungsleistungen begehrt. Sie verfüge über keine Mittel zur Sicherstellung ihres Lebensunterhalts, bewerbe sich fortlaufend um Arbeitsplätze. Der Leistungsausschluss wegen Aufenthaltes alleine zur Arbeitsuche nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sei ungeklärt. Deshalb seien ihr - entweder über § 328 SGB III oder im Wege der Folgenabwägung - Grundsicherungsleistungen vorläufig zuzuerkennen, wobei darauf hingewiesen werde, dass der 6. Senat des LSG NRW seine bisherige Rechtsprechung zur Frage der Eilbedürftigkeit bei Unterkunftskosten geändert habe. Sie sei nicht in der Lage, ihre Miete zu bezahlen, weshalb ihr Obdachlosigkeit drohe.
7Der Antragsgegner hat die Auffassung vertreten, nach Ablauf des 6-Monatszeitraumes aus § 2 Abs. 3 S. 2 Freizügig/EU im Anschluss an die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung sei der Arbeitnehmerstatus der Antragstellerin im November 2014 erloschen. Sie halte sich demzufolge alleine zur Arbeitsuche auf und sei vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II erfasst.
8Mit Beschluss vom 19.05.2015 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Die Antragstellerin könne sich ausschließlich auf ein Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitsuche nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 b Freizügig/EU berufen. Dieses Recht bestehe bereits aufgrund der durch Beantragung von Leistungen nach dem SGB II dokumentierten Bereitschaft, sich in den Arbeitsmarkt integrieren zu lassen und bis zur formellen Aberkennung des Freizügigkeitsrechts nach Durchführung eines hierauf bezogenen Verwaltungsverfahrens. Diese Feststellung sei im Falle der Antragstellerin noch nicht getroffen worden. Angesichts des fortbestehenden Freizügigkeitsrechts sei nicht zu prüfen, ob die Antragstellerin Arbeit suche und hierbei eine begründete Aussicht habe, eingestellt zu werden. Es komme danach auf die Frage der Vereinbarkeit des Leistungsausschlusses in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II mit Unionsrecht an. Diese sei durch das Urteil vom 11.11.2014 des EuGH in der Rechtssache C-333/13-E bestätigt worden. Der in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache C-67/14-B- zu Tage tretenden Rechtsauffassung des Generalanwalts sei nicht zu folgen. Auch bestehe kein Anspruch nach dem SGB XII im Hinblick auf den parallelen Leistungsausschluss in § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII.
9Gegen den am 20.05.2015 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 28.05.2015, für deren Durchführung sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Im Hinblick auf die auch nach dem Urteil des EuGH in der Rechtssache E fortbestehende Problematik des Leistungsausschlusses für tatsächlich Arbeit Suchende seien im einstweiligen Rechtsschutz entweder nach § 328 SGB III oder im Wege der Folgenabwägung Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II zuzuerkennen.
10Der Antragsgegner schließt sich der Begründung des angefochtenen Beschlusses unter Hinweis auf seine Rechtsauffassung bestätigende Rechtsprechung des LSG NRW (Beschluss vom 08.05.2015 - L 2 AS 300/15 B ER) an.
11Mit Schreiben vom 18.06.2015 hat die Antragstellerin die Annahme einer Aushilfstätigkeit im Umfang von vier Stunden täglich an ein bis zwei Tagen pro Woche angekündigt. Sie bewerbe sich fortlaufend und könne wahrscheinlich wieder eine Vollzeittätigkeit als Reinigungskraft aufnehmen. Mit weiterem Schreiben vom 02.07.2015 hat die Antragstellerin mitgeteilt, ein Arbeitsverhältnis sei nicht zustande gekommen, ihr Vermieter habe mit Kündigung gedroht.
12II.
13Die zulässige Beschwerde ist im tenorierten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.
14Der Antragstellerin steht für den Zeitraum von der Antragstellung im Eilverfahren beim Sozialgericht ein Anspruch auf einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Erbringung von Regelleistungen nach dem SGB II für sechs Monate zu, der im Wege der Folgenabwägung zuzuerkennen ist (A). Ein Anspruch auf einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Erbringung auch von Leistungen für Unterkunft und Heizung i.S.v. § 22 SGB II besteht nicht (B). Entsprechend ist der Antragsgegner anteilig zur Übernahme der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu verpflichten (C). Prozesskostenhilfe steht zu (D).
15A. Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches (d.h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie das Vorliegen des Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
16Ein Anordnungsanspruch ist dann gegeben, wenn dem Antragsteller der zu sichernde Hauptsacheanspruch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht, wenn also eine Vorausbeurteilung des Widerspruchs bzw. der Klage in der Hauptsache nach summarischer Prüfung ergibt, dass das Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 06.08.2014 - 1 BvR 1453/12 - SGb 2015, 175, m.w.N. und vom 06.02.2013 - 1 BvR 2366/12 - BVerfGK 20, 196) dürfen Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für Anfechtungs- und (wie hier) Vornahmesachen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung wie auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Hierbei ist dem Gewicht der in Frage stehenden und gegebenenfalls miteinander abzuwägenden Grundrechte Rechnung zu tragen, um deren Verletzung nach Möglichkeit zu verhindern (BVerfG, Beschluss vom 13.04.2010 - 1 BvR 216/07 - BVerfGE 126, 1 (27 f.), m.w.N.; vgl. zur Prüfungsdichte von rechtlichen Fragen: BVerfG, Beschluss vom 27.05.1998 - 2 BvR 378/98 -, NVwZ-RR 1999, 217). Dabei ist eine weitergehende tatsächliche und rechtliche Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs von Verfassungs wegen dann erforderlich, wenn dem Antragsteller eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Grundrechten droht, die durch eine nachträgliche Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann. Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.02.2013 - 1 BvR 2366/12, a.a.O.). Ist einem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. In diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen.
17Nach diesen Maßgaben entscheidet der Senat auf Grund einer Folgenabwägung, weil nach dem derzeitigen Sachstand ein Obsiegen der Antragstellerin in der Hauptsache offen ist.
18Die Antragstellerin hat das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II glaubhaft gemacht. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, d.h. der guten Möglichkeit, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl. zum Begriff der Glaubhaftmachung BSG, Beschluss vom 07.04.2011 - B 9 VG 15/10 B -; BSG, Beschluss vom 08.08.2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr. 4).
19Die Antragstellerin hat das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II. Die Antragstellerin gilt auch als erwerbsfähig i.S.v. §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 8 Abs. 1 SGB II. Als Staatsangehörige eines EU-Mitgliedsstaates hat sie genehmigungsfreien Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt.
20Bei der im Rahmen des Eilrechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung bestehen keine durchgreifenden Zweifel daran, dass die Antragstellerin im Antragszeitraum auch hilfebedürftig i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 i.V.m. § 9 SGB II gewesen ist.
21Soweit die Auffassung vertreten wird, dass die in § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II normierten Leistungsvoraussetzungen um die ungeschriebene Anspruchsvoraussetzung des Bestehens eines (materiellen) Aufenthaltsrechts zu erweitern sei (so das LSG Hessen, Beschluss vom 11.12.2014 - L 7 AS 528/14 B ER), folgt der Senat dem nicht (vgl. Beschluss des Senats vom 20.03.2015 - L 19 AS 116/15 B ER).
22Ob die Antragstellerin vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen sind, kann der Senat nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht abschließend beurteilen. Nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sind Ausländer und Ausländerinnen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, vom Leistungsanspruch ausgenommen.
23Der Senat folgt nicht der Auffassung des Sozialgerichts, wonach sich ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche aus dem schlichten Umstand des Leistungsantrags nach dem SGB II ergebe und es der Feststellung eines Aufenthaltsrechts zur Arbeitsuche zwecks Prüfung des Leistungsausschlusses nicht bedürfe.
24Die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II fordert vielmehr eine "fiktive Prüfung" des Grundes bzw. der Gründe des Aufenthaltsrechts am Maßstab des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) und ggf. des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG; vgl. BSG, Vorlagebeschluss vom 12.12.2013 - B 4 AS 9/13 R m.w.N). Es muss positiv festgestellt werden, dass dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik zusteht (BSG, Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60, m.w.N.).
25§ 2 Abs. 3 FreizügG/EU greift zu Gunsten der Antragstellerin nicht ein. Gleichfalls sind die Tatbestände der §§ 3, 4, 4a FreizügG/EU nicht gegeben. Auch kann die Antragstellerin sich nicht auf ein Aufenthaltsrecht nach § 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG/EU i.V.m. den Vorschriften des AufenthG berufen, denn Anhaltspunkte für das Bestehen eines weitergehenden Aufenthaltsrechts nach dem AufenthG sind nicht ersichtlich.
26Die Antragstellerin hat jedoch ein materielles Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche, auf dessen konkrete Feststellung im Einzelfall es für die Prüfung des hieran anknüpfenden Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ankommt. Diese Feststellung bezieht sich auf das Bestehen beziehungsweise Nichtbestehen des für den Leistungsausschluss relevanten materiellen Aufenthaltsrechts zur Arbeitsuche. Die vom Sozialgericht als ausschlaggebend angesehene (fehlende) Verlustfeststellung nach §§ 2 Abs. 7, 5 Abs. 4, 6 Freizügigkeitsgesetz/EU hat das hiervon zu unterscheidende formale Aufenthaltsrecht im Sinne fortbestehender Freizügigkeit zum Gegenstand.
27Der Senat folgt insoweit auch nicht der in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung, wonach die Formulierung in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II "deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt" nicht auf das Bestehen eines materiellen Aufenthaltsrechts zur Arbeitsuche abstellt sondern im Sinne des einzig denkbaren Grundes für ein Aufenthaltsrecht zu verstehen und dieses Aufenthaltsrechts vor Einleitung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zu vermuten sei (vgl. Senatsbeschluss vom 20.03.2015 - L 19 AS 196/15 B ER; siehe zur identischen Vorschrift des § 23 Abs. 3 S. 1 2 Alt. SGB XII: BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 8 SO 9/13 R; a.A. LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 - L 6 AS 130/13; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23.05.2014 - L 8 SO 202/14 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.12.2014 - L 20 AS 2697/14 B ER; LSG Bayern, Beschluss vom 14.04.2015 - L 7 AS 225/15 B ER; Greiser in jurisPK-SGB XII , Anhang zu § 23 SGB XII Rn. 15.5).
28Das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche ist in § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU ab dem 09.12.2014 (Gesetz vom 02.12.2014, BGBl I, 1922 - n.F.) konkretisiert worden. Danach haben Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, ein Aufenthaltsrecht bis zu sechs Monaten und darüber hinaus solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Nach Ablauf der Sechsmonatsfrist besteht ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche damit nur dann, wenn ein Unionsbürger nachweisen kann, dass er ernsthaft und mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht, wobei dies objektivierbar nach außen hin zum Ausdruck gebracht werden muss (vgl. EuGH, Urteile vom 23.03.2004 - C-138/02 - Collins, vom 20.02.1997 - C-344/95 und vom 26.02.1991 - C-292/89 - Antonissen; OVG Sachsen, Beschluss vom 07.08.2014 - 3 B 507/13 m.w.N.; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 26.06.2014 - 4 LB 22/13; VGH Bayern, Beschluss vom 11.02.2014 - 10 C 13.2241). Zur Glaubhaftmachung eines solchen Aufenthaltsrechts genügt damit nicht allein, dass ein Unionsbürger erklärt, sich zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik aufzuhalten; vielmehr sind ernsthafte Bewerbungsbemühungen über eine Antragstellung beim Grundsicherungsträger hinausgehend sowie eine begründete Erfolgsaussicht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu belegen bzw. zu konkretisieren. Das Bestehen eines (materiellen) Aufenthaltsrechts zur Arbeitsuche ist dann im Einzelfall unter Auswertung aller verfügbaren Informationen zu auf dem Arbeitsmarkt verwertbaren Eignungen, Vorbildungen und sprachlichen Fertigkeiten, der aktuellen Beschaffenheit des für die jeweilige Person in Betracht kommenden Arbeitsmarktes, schließlich auch der Art und Intensität der unternommenen Bemühungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes zu prüfen und festzustellen, bevor die Anwendbarkeit des Leistungsausschlusses in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II an sich geprüft werden kann.
29Diese Prüfung - in der im Eilverfahren alleine möglichen Intensität - ergibt, dass der Antragstellerin ein materielles Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche weiterhin zusteht Sie hat bereits mit existenzsicherndem Verdienst gearbeitet. Ihre kontinuierlich nachgewiesenen Bewerbungen in realistischerweise in Betracht kommenden Segmenten des Arbeitsmarktes können zumindest derzeit nicht als aussichtslos angesehen werden.
30Die Antragstellerin hielt sich daher im Antragszeitraum nicht nur - wegen fehlender Verlustfeststellungen nach §§ 2 Abs. 7, 5 Abs. 4, 6 FreizügigG/EU - formal rechtmäßig in der Bundesrepublik auf, sondern verfügte darüber hinaus über das materielle Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitsuche im Sinne des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II.
31Weiterhin offen jedoch ist, ob dieser Leistungsausschluss mit den unionsrechtlichen Vorschriften vereinbar ist. Entgegen der dem angefochtenen Beschluss zu entnehmenden Rechtsauffassung sieht der Senat die Rechtmäßigkeit des Leistungsausschlusses (auch) für tatsächlich Arbeit suchende Unionsbürger nicht als durch das Urteil des EuGH vom 11.11.2014 - C 333/13 E geklärt an. Die Aussagen in diesem Urteil beschränken sich vielmehr auf den Personenkreis der tatsächlich nicht Arbeit Suchenden, dem auch die Klägerin im dort entschiedenen Fall angehörte. Die Unionsbürger mit materiellem Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche betreffende Problematik des Leistungsausschlusses besteht fort (vgl. z.B. die Sicht des Generalanwalts X in seinem Schlussantrag C 67/14 B vom 26.03.2015, zugänglich unter http://curia.europa.eu/juris/document; Schreiber, info also 2015, S. 3 f., m.w.N.).
32Im Hinblick auf die in der Rechtsprechung vielfältig vertretenen und kontrovers diskutierten Auffassungen zur Anwendung und Auslegung des Leistungsausschlusses in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sowie dessen Vereinbarkeit mit unionsrechtlichen Vorschriften sowie der verfassungsrechtlichen Verpflichtung des Staates zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 GG (vgl. hierzu BVerfG, Urteile vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 und vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134; Kirchhof, Die Entwicklung des Sozialverfassungsrechts, NZS 2015, 1, 4) sieht der Senat den Ausgang des Hauptsacheverfahrens als offen an. Es besteht die gute Möglichkeit, dass die Antragstellerin im Hauptsachverfahren obsiegt.
33Der Senat entscheidet deshalb im Wege einer Folgenabwägung, die die grundrechtlichen Belange der Antragstellerin und das Interesse des Antragsgegners an einer Verhinderung rechtswidriger Mittelvergabe einbezieht.
34Bei dieser Abwägung tritt das Vollzugsinteresse des Antragsgegners, d.h. bei ungeklärter Rechtslage keine finanziellen Aufwendungen an die Antragstellerin zu erbringen, hinter das Interesse der Antragstellerin zurück. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass es sich um eine faktische Vorwegnahme der Hauptsache handelt. Jedoch dienen existenzsichernde Leistungen - wie die des SGB II - nach ihrer Konzeption dazu, eine gegenwärtige Notlage zu beseitigen. Die spätere, nachträgliche Erbringung von existenzsichernden Leistungen verfehlt insoweit ihren Zweck. In die Abwägung hat der Senat weiter die Überlegung mit eingestellt, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im nationalen einstweiligen Rechtsschutz sicherzustellen ist, dass bis zur Klärung einer europarechtlichen Frage im Vorabentscheidungsverfahren die betroffenen europarechtlichen Normen vorrangig gelten, wenn "unter Umständen" innerstaatliche Vorschriften entgegenstehen (EuGH, Urteil vom 19.06.1990 - C-213/89), also der Vollzug eines nationalen Gesetzes ausgesetzt wird (vgl. zu den Anforderungen an eine Folgenabwägung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren betreffend die Nichtanwendung eines Gesetzes: BVerfG, Beschluss vom 17.02.2009 - 1 BvR 2492/08 - BVerfGE 122, 342). Das BSG hat als letztinstanzliches Gericht i.S.d. Art. 267 Abs. 3 AEUV den EuGH um eine Vorabentscheidung hinsichtlich der Vereinbarkeit der Vorschrift des § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB II mit gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften ersucht (Vorlagebeschluss des BSG vom 12.12.2013 - B 4 AS 9/13 R, Verfahren des EuGH C-67/14 - B). Dies ist bei der Folgenabwägung mit zu berücksichtigen.
35Der Regelungszeitraum orientiert sich am regelmäßigen Bewilligungszeitraum von sechs Monaten nach § 41 Abs. 1 S.4 SGB II
36B. Hinsichtlich des nach dem Hinweis auf die geänderte Rechtsprechung des 6. Senats beim LSG NRW zu erkennenden, ohne ausdrückliche Begrenzung des Antrags aber auch zu unterstellenden Begehrens, den Leistungsträger zur einstweiligen Gewährung von Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung zu verpflichten, hat die Antragstellerin einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht (§§ 86 b Abs. 2 SGG, 920 Abs. 2 ZPO). Der Hinweis auf die Unfähigkeit, eine aktuell geschuldete Miete zu zahlen oder bereits aufgelaufenen Mietforderungen, in der Folge der Androhung einer Kündigung ausgesetzt zu sein, genügt hierzu regelmäßig nicht (hierzu und im Folgenden zuletzt Beschluss des Senats vom 24.06.2015 - L 19 AS 360/15 B ER)
37Zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes für eine Verpflichtung des Leistungsträgers hinsichtlich der Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung bedarf es des substantiierten und nachvollziehbaren Vortrages, dass baldige Wohnungs- und Obdachlosigkeit drohen. Eine derart konkrete Gefährdung der Unterkunft hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Sie hat auf drohende Kündigung hingewiesen. Dies genügt nicht, weil diesem Vortrag kein zeitnah drohender Verlust ihrer Unterkunft zu entnehmen ist.
38Der Senat folgt hierbei nicht der Auffassung, wonach sich ein Anordnungsgrund bereits angesichts auflaufender Mietschulden ergibt, weil schon die Nichtgewährung der benötigten Mittel einen Grundrechtsverstoß darstelle (LSG NRW, Beschluss vom 07.05.2015 - L 7 AS 586/15 B ER m.w.N.). Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II dienen der Bedarfsdeckung unter Sicherung einer menschenwürdigen Existenz (§ 1 Abs.1 SGB II) mit dem Ziel, den Leistungsempfänger zur Existenzsicherung aus eigenem Erwerbseinkommen zu befähigen. Sie sind dagegen nicht dazu bestimmt, den Empfänger in die Lage zu versetzen, seinen privatrechtlichen Verbindlichkeiten nachzukommen, zielen vielmehr alleine auf eine Deckung der Bedarfe nach §§ 19 ff. SGB II ab (z.B. Urteil des BSG vom 27.02.2008 - B 14/11b AS 55/06 R m.w.N. zum Verbot der indirekten Übernahme von Unterhaltsverpflichtungen des Leistungsempfängers gegenüber Dritten).
39Schutzgut der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bei Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22 SGB II ist daher nicht die Schuldenfreiheit, sondern die Deckung des elementaren Bedarfes, eine Unterkunft zu haben. Der "Anordnungsgrund" bei der einstweiligen Zuerkennung von unterkunftsbezogenen Grundsicherungsleistungen nach § 86b Abs.2 SGG ergibt sich demzufolge weder aus der Vermeidung von Mietschulden/ Mehrkosten noch aus dem Risiko einer im Zeitablauf schwieriger werdenden Abwendung eines Wohnungsverlustes, sondern aus der konkret und zeitnah drohenden Wohnungs- bzw. Obdachlosigkeit. Ein Anordnungsgrund ist damit im Regelfall erst bei Nachweis der Rechtshängigkeit einer Räumungsklage gegeben. Selbst eine fristlose Kündigung reicht für die Bejahung der Eilbedürftigkeit regelmäßig nicht aus (LSG NRW, Beschlüsse vom 19.05.2014 - L 19 AS 805/14 B ER - ; vom 14.08.2014 - L 2 AS 1229/14 B ER - ; vom 13.05.2015 - L 12 AS 47/15 B ER - ).
40Dies ist im Hinblick auf den gesetzlich vorgesehenen Schutzmechanismus zur Abwendung eines drohenden Wohnungsverlustes wegen Mietrückständen auch verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30.07.2007 - 1 BvR 535/07 unter Hinweis auf § 22 Abs. 5 S. 1 und 2, Abs. 6 SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung, seither § 22 Abs. 9 SGB II; vgl. auch §§ 543 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 3, 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB).
41Dem kann nicht bereits grundsätzlich entgegengehalten werden, das Risiko baldigen und unabwendbaren Unterkunftsverlustes ergebe sich aus der Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung wegen Mietrückstandes, deren Abwendung durch nachträgliche Begleichung von Mietschulden nicht gesetzlich geregelt sei und zu der uneinheitliche Rechtsprechung der Zivilgerichte bezüglich einer Verschuldenszurechnung bei verspäteter Zahlung der Leistungsträger nach dem SGB II existiere (so LSG NRW, Beschluss vom 10.06.2015 - L 6 AS 853/15).
42Denn die ordentliche Kündigung setzt nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Gegensatz zur fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs ein Verschulden des Mieters voraus. Während der Mieter grundsätzlich, insbesondere auch bei Zahlungsverzug als Voraussetzung der außerordentlichen Kündigung, für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen hat und sich bei Geldmangel nicht auf § 286 Abs. 4 BGB berufen kann, entlastet ihn im Rahmen von § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB eine unverschuldete Zahlungsunfähigkeit. Bei der Prüfung der schuldhaften und nicht unerheblichen Pflichtverletzung i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB sind die Gesamtumstände im Zusammenhang mit dem Zahlungsverhalten zu berücksichtigen. Damit begünstigt § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB den Mieter bei einer ordentlichen Kündigung und eröffnet ihm im Gegensatz zur fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs die Möglichkeit, sich auf unvorhersehbare wirtschaftliche Engpässe zu berufen. Im Rahmen des Verschuldens kann zudem eine nachträgliche Zahlung des Mieters innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB zu seinen Gunsten berücksichtigt werden, weil sie ein etwaiges Eigenverschulden in einem milderen Licht erscheinen lässt (BGH, Urteile vom 10.10.2012 - VIII ZR 107/12 und 16.05.2005 - VII ZR 6/04 m.w.N.; Beschlüsse des Senats vom 29.05.2012 - L 19 AS 957/12 B ER und 10.04.2014 - L 19 AS 471/14 B ER, vom 19.05.2014 - L 19 AS 805/14 B ER; Weidenkaff in Palandt, BGB, 70. Aufl., § 573 Rn. 16 m.w.N.). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen schuldhaften Verhaltens nach dem Maßstab des § 276 BGB trifft - sowohl bei behauptetem Eigenverschulden des Mieters als auch bei behauptetem zurechenbaren Fremdverschulden - jeweils den kündigenden Vermieter (Rolfs in Staudinger, BGB, Stand 2014 § 573 Rn. 41 ff. nach juris).
43Soweit einer jüngeren Entscheidung des BGH (Urteil vom 04.02.2015 - VIII ZR 175/14) eine Verschärfung der Verschuldenszurechnung im Rahmen der ordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzuges zu Lasten des Mieters entnommen wird (LSG NRW, Beschluss vom 10.06.2015 - L 6 AS 853/15), teilt der Senat diese Besorgnis nicht, weil sich das Urteil des BGH - nur - zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund wegen Zahlungsverzuges (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr.3 BGB) verhält und in Abgrenzung zu vorheriger Rechtsprechung (Urteil des BGH vom 21. Oktober 2009 - VIII ZR 64/09) besagt, dass eine Abwägung nach § 543 Abs.1 S.2 BGB unter Berücksichtigung des Verschuldens der Vertragsparteien bei der Prüfung der außerordentlichen fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr.3 BGB zu unterbleiben hat. Eine Aussage zum Prüfungsmaßstab selbst noch gar zur Verschuldensprüfung bei der ordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzuges nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB enthält das Urteil nicht.
44Das Urteil des BGH vom 04.02.2015 - VIII ZR 175/14 gibt darüber hinaus keinen Anlass, die Aktualität der vom Senat deshalb weiterhin zugrundegelegten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30.07.2007 - 1 BvR 535/07) in Frage zu stellen, wonach der im Recht der Grundsicherung nach dem SGB II vorgesehene Schutzmechanismus (§ 22 Abs. 5 S. 1 und 2, Abs. 6 SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung, seither § 22 Abs. 9 SGB II; vgl. auch §§ 543 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 3, 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) ein Abwarten der Räumungsklage regelmäßig erlaubt. Denn das Urteil betrifft den von dieser Rechtsprechung denknotwendig nicht erfassten Fall der wiederholten außerordentlichen fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges binnen 2 Jahren nach Abwendung der ersten Kündigung wegen Zahlungsverzuges durch Nachzahlung. Die wiederholte Abwendung der Kündigung in diesem Fall ist kraft gesetzlicher Regelung ausgeschlossen (§ 569 Abs.3 Nr.2 S.2 BGB).
45C. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG. Die Kostenquote berücksichtigt das Teilunterliegen der Antragstellerin hinsichtlich ihres Begehrens, den Antragsgegner auch zur einstweiligen Erbringung von Leistungen für Unterkunft und Heizung zu verpflichten.
46D. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach §§ 73 a Abs. 1 S. 1 SGG, 114 f. ZPO liegen vor. Die begehrte Beiordnung der Sozietät ist zulässig (Beschluss des BGH vom 17.09.2008 - IV ZR 343/07).
47Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
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(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.
(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.
(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:
- 1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, - 2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.
(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.
(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.
(5) (weggefallen)
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
- 1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, - 2.
erwerbsfähig sind, - 3.
hilfebedürftig sind und - 4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
- 1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
Ausländerinnen und Ausländer, - a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder - b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
- 3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- 1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, - 2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils, - 3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, - b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner, - c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
- 4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1.
länger als ein Jahr zusammenleben, - 2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, - 3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder - 4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
- 1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder - 2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
(4a) (weggefallen)
(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.
(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,
- 1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, - 2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder - b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
- 3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
(1) Über die Erbringung von Geldleistungen kann vorläufig entschieden werden, wenn
- 1.
die Vereinbarkeit einer Vorschrift dieses Buches, von der die Entscheidung über den Antrag abhängt, mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Bundesverfassungsgericht oder dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist, - 2.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung Gegenstand eines Verfahrens beim Bundessozialgericht ist oder - 3.
zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers auf Geldleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten hat.
(2) Eine vorläufige Entscheidung ist nur auf Antrag der berechtigten Person für endgültig zu erklären, wenn sie nicht aufzuheben oder zu ändern ist.
(3) Auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen sind auf die zustehende Leistung anzurechnen. Soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird, sind auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten; auf Grund einer vorläufigen Entscheidung erbrachtes Kurzarbeitergeld und Wintergeld ist vom Arbeitgeber zurückzuzahlen.
(4) Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 und 3, Absatz 2 sowie Absatz 3 Satz 1 und 2 sind für die Erstattung von Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung entsprechend anwendbar.
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
- 1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, - 2.
erwerbsfähig sind, - 3.
hilfebedürftig sind und - 4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
- 1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
Ausländerinnen und Ausländer, - a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder - b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
- 3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- 1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, - 2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils, - 3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, - b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner, - c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
- 4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1.
länger als ein Jahr zusammenleben, - 2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, - 3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder - 4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
- 1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder - 2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
(4a) (weggefallen)
(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.
(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,
- 1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, - 2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder - b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
- 3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
(1) Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, ist Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege nach diesem Buch zu leisten. Die Vorschriften des Vierten Kapitels bleiben unberührt. Im Übrigen kann Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Die Einschränkungen nach Satz 1 gelten nicht für Ausländer, die im Besitz einer Niederlassungserlaubnis oder eines befristeten Aufenthaltstitels sind und sich voraussichtlich dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten. Rechtsvorschriften, nach denen außer den in Satz 1 genannten Leistungen auch sonstige Sozialhilfe zu leisten ist oder geleistet werden soll, bleiben unberührt.
(2) Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes erhalten keine Leistungen der Sozialhilfe.
(3) Ausländer und ihre Familienangehörigen erhalten keine Leistungen nach Absatz 1 oder nach dem Vierten Kapitel, wenn
- 1.
sie weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch auf Grund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
sie kein Aufenthaltsrecht haben oder sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt oder - 3.
sie eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen.
- 1.
Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Ernährung sowie Körper- und Gesundheitspflege, - 2.
Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung in angemessener Höhe nach § 35 und § 35a, einschließlich der Bedarfe nach § 30 Absatz 7, - 3.
die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen und - 4.
Leistungen nach § 50 Nummer 1 bis 3.
(3a) Neben den Überbrückungsleistungen werden auf Antrag auch die angemessenen Kosten der Rückreise übernommen. Satz 1 gilt entsprechend, soweit die Personen allein durch die angemessenen Kosten der Rückreise die in Absatz 3 Satz 5 Nummer 1 und 2 genannten Bedarfe nicht aus eigenen Mitteln oder mit Hilfe Dritter decken können. Die Leistung ist als Darlehen zu erbringen.
(4) Ausländer, denen Sozialhilfe geleistet wird, sind auf für sie zutreffende Rückführungs- und Weiterwanderungsprogramme hinzuweisen; in geeigneten Fällen ist auf eine Inanspruchnahme solcher Programme hinzuwirken.
(5) Hält sich ein Ausländer entgegen einer räumlichen Beschränkung im Bundesgebiet auf oder wählt er seinen Wohnsitz entgegen einer Wohnsitzauflage oder einer Wohnsitzregelung nach § 12a des Aufenthaltsgesetzes im Bundesgebiet, darf der für den Aufenthaltsort örtlich zuständige Träger nur die nach den Umständen des Einzelfalls gebotene Leistung erbringen. Unabweisbar geboten ist regelmäßig nur eine Reisebeihilfe zur Deckung des Bedarfs für die Reise zu dem Wohnort, an dem ein Ausländer seinen Wohnsitz zu nehmen hat. In den Fällen des § 12a Absatz 1 und 4 des Aufenthaltsgesetzes ist regelmäßig eine Reisebeihilfe zu dem Ort im Bundesgebiet zu gewähren, an dem der Ausländer die Wohnsitznahme begehrt und an dem seine Wohnsitznahme zulässig ist. Der örtlich zuständige Träger am Aufenthaltsort informiert den bislang örtlich zuständigen Träger darüber, ob Leistungen nach Satz 1 bewilligt worden sind. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Ausländer, die eine räumlich nicht beschränkte Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 23a, 24 Absatz 1 oder § 25 Absatz 4 oder 5 des Aufenthaltsgesetzes besitzen, wenn sie sich außerhalb des Landes aufhalten, in dem der Aufenthaltstitel erstmals erteilt worden ist. Satz 5 findet keine Anwendung, wenn der Wechsel in ein anderes Land zur Wahrnehmung der Rechte zum Schutz der Ehe und Familie nach Artikel 6 des Grundgesetzes oder aus vergleichbar wichtigen Gründen gerechtfertigt ist.
(1) Über die Erbringung von Geldleistungen kann vorläufig entschieden werden, wenn
- 1.
die Vereinbarkeit einer Vorschrift dieses Buches, von der die Entscheidung über den Antrag abhängt, mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Bundesverfassungsgericht oder dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist, - 2.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung Gegenstand eines Verfahrens beim Bundessozialgericht ist oder - 3.
zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers auf Geldleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten hat.
(2) Eine vorläufige Entscheidung ist nur auf Antrag der berechtigten Person für endgültig zu erklären, wenn sie nicht aufzuheben oder zu ändern ist.
(3) Auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen sind auf die zustehende Leistung anzurechnen. Soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird, sind auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten; auf Grund einer vorläufigen Entscheidung erbrachtes Kurzarbeitergeld und Wintergeld ist vom Arbeitgeber zurückzuzahlen.
(4) Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 und 3, Absatz 2 sowie Absatz 3 Satz 1 und 2 sind für die Erstattung von Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung entsprechend anwendbar.
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
(1a) (weggefallen)
(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.
(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.
(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
- 1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, - 2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder - 3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.
(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen, - 2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, - 3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder - 4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:
- 1.
den Tag des Eingangs der Klage, - 2.
die Namen und die Anschriften der Parteien, - 3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete, - 4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und - 5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.
(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.
(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag
- 1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, - 2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, - 3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.
Wird während des Vorverfahrens der Verwaltungsakt abgeändert, so wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens; er ist der Stelle, die über den Widerspruch entscheidet, unverzüglich mitzuteilen.
Gründe
- 1
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Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen sozialgerichtliche Entscheidungen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf dem Gebiet des Grundsicherungsrechts für Arbeitsuchende.
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I.
- 2
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1. Die Beschwerdeführenden wenden sich gegen gerichtliche Entscheidungen, die ihre Anträge auf vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ablehnen.
- 3
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Das Sozialgericht stützt seine ablehnende Entscheidung auf den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Das Landessozialgericht begründet die Ablehnung im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht hätten, ihren Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenem Einkommen sichern zu können und daher hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 SGB II zu sein. Der Beschwerdeführer zu 2) habe Ende November 2011 erklärt, er erwarte im voraussichtlichen Bewilligungszeitraum bis April 2012 einen Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von etwa 20.500 €, davon allein im März 2012 in Höhe von 9.850 €. Die Grundsicherungsträgerin habe daraus monatlich anzurechnende Nettoeinkünfte von 3.417,08 € errechnet. Unter Berücksichtigung dieser Selbsteinschätzung liege offensichtlich keine Bedürftigkeit vor. Die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer hätten zwar in einer eidesstattlichen Versicherung vorgetragen, der Beschwerdeführer zu 2) habe seinen letzten Auftrag im Oktober 2011 erhalten und erziele seither keine Einnahmen mehr. Diese Angaben könnten aber schon deshalb nicht richtig sein, da nach den vorgelegten Unterlagen im November 2011 ein Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 4.166,19 € erzielt worden sei. Zudem seien nach den Ende November 2011 gemachten Angaben insbesondere im März 2012 größere Gewinne zu erwarten gewesen und es sei nichts dafür ersichtlich, dass diese nicht erwirtschaftet worden seien. Im Übrigen sei auch bei einer Gesamtbetrachtung des Verfahrens eine aktuelle, zum Zeitpunkt der Entscheidung vorhandene Hilfebedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht worden. So seien keine Mietschulden für die erst im Dezember 2011 bezogene Wohnung geltend gemacht worden und nichts dafür ersichtlich, dass die Kaution, die nach der Bescheinigung des Vermieters nicht in Raten habe erbracht werden dürfe, nicht gezahlt worden sei.
- 4
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Die nachfolgende Anhörungsrüge wies das Landessozialgericht zurück. Eine Überraschungsentscheidung läge nicht vor. Der Anspruch auf rechtliches Gehör wäre jedenfalls aber nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden. Das Vorbringen im Anhörungsrügeverfahren habe vielmehr die Auffassung des Senats bestätigt, dass die Bedürftigkeit der Beschwerdeführenden nicht glaubhaft sei.
- 5
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2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Sie tragen vor, die Gerichte hätten das besondere grundrechtliche Gewicht ihres Antrags auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung nicht ausreichend gewürdigt.
- 6
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3. Die Trägerin der Grundsicherung für Arbeitsuchende hat eine Stellungnahme abgegeben, in der sie eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verneint. Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat von einer Stellungnahme abgesehen.
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II.
- 7
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
- 8
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1. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Landessozialgerichts richtet, ist sie jedenfalls unbegründet. Die angegriffene Entscheidung verletzt die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Ob dies auch für den Beschluss des Sozialgerichts gilt, kann dahinstehen, weil dessen Entscheidung durch den Beschluss des Landessozialgerichts überholt ist.
- 9
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a) Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes verlangt grundsätzlich die Möglichkeit eines Eilverfahrens, wenn ansonsten dem Betroffenen eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung seiner Rechte droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. BVerfGE 79, 69 <74>; 93, 1 <13 f.>). Dies gilt gleichfalls für Anfechtungs- wie für Vornahmesachen. Die Entscheidungen dürfen sowohl auf eine Folgenabwägung wie auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Hierbei ist dem Gewicht der in Frage stehenden und gegebenenfalls miteinander abzuwägenden Grundrechte Rechnung zu tragen, um eine etwaige Verletzung von Grundrechten nach Möglichkeit zu verhindern (BVerfGE 126, 1 <27 f.>).
- 10
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Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen (vgl. BVerfGE 79, 69 <75>). Ist eine der drohenden Grundrechtsverletzung entsprechende Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich - etwa weil es dafür weiterer, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu verwirklichender tatsächlicher Aufklärungsmaßnahmen bedürfte -, ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn die Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes dann auf der Grundlage einer Folgenabwägung erfolgt (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 6. Februar 2013 - 1 BvR 2366/12 -, juris, Rn. 3). Übernimmt das einstweilige Rechtsschutzverfahren allerdings vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens und droht eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung der Beteiligten (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Mai 1998 - 2 BvR 378/98 -, NVwZ-RR 1999, S. 217 <218>), müssen die Gerichte bei den Anforderungen an die Glaubhaftmachung zur Begründung von Leistungen zur Existenzsicherung in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Rechnung tragen. Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung haben sich am Rechtsschutzziel zu orientieren, das mit dem jeweiligen Rechtsschutzbegehren verfolgt wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Juli 2003 - 2 BvR 311/03 -, NVwZ 2004, S. 95 <96>).
- 11
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b) Die Beschwerdeentscheidung des Landessozialgerichts wird diesen Anforderungen gerecht.
- 12
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Das Landessozialgericht hat die Erfolgsaussichten der Hauptsache summarisch geprüft und verneint, so dass für eine Folgenabwägung kein Raum verblieb. Insoweit es davon ausging, dass der Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden sei, hat es die Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG an den Eilrechtsschutz nicht verkannt. Zwar ist in derartigen Verfahren zu berücksichtigen, dass sich aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ergibt, dass der elementare Lebensbedarf eines Menschen in dem Augenblick befriedigt werden muss, in dem er entsteht (vgl. BVerfGE 125, 175 <225>; 132, 134 <174, Rn. 99>). Bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit als Voraussetzung eines Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 SGB II) ist daher auf die gegenwärtige tatsächliche Situation der Antragstellenden abzustellen; Umstände aus der Vergangenheit dürfen nur insoweit herangezogen werden, als sie eindeutige Erkenntnisse über die gegenwärtige Lage ermöglichen (vgl. BVerfGK 5, 237 <243>). Doch hat das Landessozialgericht bei der Prüfung der (bedarfsmindernden) Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers zu 2) im streitgegenständlichen Zeitraum nicht allein auf vergangene Ereignisse abgestellt. Zwar haben die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer im gerichtlichen Verfahren eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt, wonach sie seit Oktober 2011 keine Einnahmen mehr erzielt hätten. Diese Erklärung durfte das Landessozialgericht aber als insgesamt ungeeignet zur Glaubhaftmachung ansehen, weil nach den gerichtlichen Feststellungen noch im November 2011 ein Gewinn aus einem Gewerbebetrieb in Höhe von 4.166,19 € erwirtschaftet worden war, sich die eidesstattliche Erklärung also in einem wesentlichen Punkt als unzutreffend erwies. Deshalb ist auch die Argumentation des Landessozialgerichts vertretbar, es sei nicht geltend und erst recht nicht glaubhaft gemacht, die Gewinnerwartung für die Zeit nach Februar 2012 habe sich nicht erfüllt. Schließt das Gericht daraus auf das Fehlen einer Bedürftigkeit, überspannt es nicht die Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs.
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2. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den die Anhörungsrüge zurückweisenden Beschluss wendet, ist sie unzulässig, da sie nicht in einer den Erfordernissen von § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG genügenden Weise begründet worden ist (vgl. BVerfGE 21, 359 <361>; 108, 370 <386 f.>). Es fehlt eine Auseinandersetzung mit den Gründen dieser Entscheidung.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen nach § 93a Abs. 2 BVerfGG hierfür (vgl. dazu BVerfGE 90, 22 <24 ff.>) nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu; ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der vom Beschwerdeführer als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Insbesondere verletzen die angegriffenen Entscheidungen den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG.
- 2
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1. Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes verlangt grundsätzlich die Möglichkeit eines Eilverfahrens, wenn ansonsten dem Betroffenen eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung seiner Rechte droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann. Dies gilt gleichfalls für Anfechtungs- wie für Vornahmesachen. Die Entscheidungen dürfen sowohl auf eine Folgenabwägung wie auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden, erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptverfahren geltend gemachten Anspruchs. Hierbei ist dem Gewicht der in Frage stehenden und gegebenenfalls miteinander abzuwägenden Grundrechte Rechnung zu tragen, um eine etwaige Verletzung von Grundrechten nach Möglichkeit zu verhindern (vgl. BVerfGE 126, 1 <27 f.> m.w.N.).
- 3
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Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen (vgl. BVerfGE 79, 69 <75>). Ist eine der drohenden Grundrechtsverletzung entsprechende Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich - etwa weil es dafür weiterer, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu verwirklichender tatsächlicher Aufklärungsmaßnahmen bedürfte -, ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn die Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes dann auf der Grundlage einer Folgenabwägung erfolgt.
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2. Legt man diesen Maßstab zugrunde, so ist die Entscheidung des Landessozialgerichts über die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Sozialgericht verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
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Da die Ablehnung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes den Beschwerdeführer faktisch zwingt, in die vom Antragsgegner vorgeschlagene Einrichtung umzuziehen, und damit die Entscheidung in der Hauptsache in erheblicher Weise vorwegnimmt, und da die dem Beschwerdeführer - jedenfalls nach seinem nicht unsubstantiierten Vortrag - dabei drohenden Nachteile durchaus gravierend, wenn auch nicht lebensbedrohend sind (vgl. dazu den Beschluss nach § 32 BVerfGG der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 28. November 2012 in dieser Sache), lag zwar nicht ein Fall einer ausnahmsweise verfassungsrechtlich gebotenen Vollprüfung vor; das Landessozialgericht musste die Sach- und Rechtslage aber eingehend prüfen. Dem ist es gerecht geworden. Dass es den Ausgang des Hauptsacheverfahrens gleichwohl als offen einschätzt und die von ihm vorgenommene Prüfung selbst als summarisch bezeichnet, ist nach den vorstehenden Grundsätzen unschädlich. Eine gemessen am Gewicht der geltend gemachten Grundrechtsverletzungen genügend intensive Durchdringung der Sach- und Rechtslage ist erfolgt.
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Zwar leitet das Landessozialgericht seine Ausführungen zu der Frage, ob eine Leistung für eine geeignete stationäre Einrichtung zumutbar ist, mit der Bemerkung ein, es könne nach einer Gesamtabwägung aller entscheidungserheblichen Umstände nach gebotener summarischer Prüfung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht beurteilt werden, ob die Klage in der Hauptsache begründet sei oder nicht; vielmehr werde im Hauptsacheverfahren zunächst zu klären sein, ob dem Beschwerdeführer dem Grunde nach ein Anspruch auf Hilfeleistung in Form eines persönlichen Budgets zustehe.
- 7
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Bei der anschließenden Prüfung dieser Frage gibt das Landessozialgericht dann aber an keiner Stelle zu erkennen, dass es den Ausgang des Hauptsacheverfahrens auf der Grundlage der vorliegenden Stellungnahmen nicht schon weitgehend zuverlässig prognostizieren könnte. Vielmehr stellt es ausdrücklich fest, es sei nach der in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung nicht ersichtlich, dass dem Beschwerdeführer die von der Behörde vorgesehene stationäre Unterbringung nicht zumutbar wäre.
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Das Landessozialgericht setzt sich sodann ausführlich mit den - vom Beschwerdeführer vorgelegten - Stellungnahmen auseinander. Ob dies in jeder Hinsicht überzeugend ist, ist keine an Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zu messende Frage; denn dieses Grundrecht gewährt kein Recht auf materiell richtige Entscheidungen. Den verfassungsrechtlich geforderten effektiven Rechtsschutz gewährt das Landessozialgericht dem Beschwerdeführer jedenfalls. Seine Begründung ist nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Es sieht insbesondere die Notwendigkeit einer aufwändigen "psychologisch-heilpädagogischen Fachbegleitung" eines Umzugs des Beschwerdeführers, um die mit ihm verbundenen Belastungen für den Beschwerdeführer auf ein Minimum zu reduzieren. Mit einer solchen unterstützenden Begleitung hält das Landessozialgericht die dem Beschwerdeführer bei einem Umzug in die angebotene stationäre Einrichtung drohenden Belastungen für aller Voraussicht nach beherrschbar. Dabei übersieht es auch nicht, dass ein solcher Umzug - anders als der in die Wohngemeinschaft - zusätzlich auch "mit einem Wechsel der Tagesförderstätte verbunden wäre".
- 9
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Seine abschließende Einschätzung, dass dem Beschwerdeführer ein Wechsel zumutbar sei, trifft das Landessozialgericht danach auf der Grundlage einer weitgehenden Durchdringung der Sach- und Rechtslage, bei der es alle vorliegenden tatsächlichen Erkenntnisse auswertet, ohne erkennen zu geben, dass seine Erkenntnis wesentlich unter dem Vorbehalt weiterer im Hauptsacheverfahren einzuholender Auskünfte und Gutachten stünde.
- 10
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
- 11
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Gründe
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A.
- 1
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft die sofortige Vollziehbarkeit einer Anordnung des Rektors der Hochschule Wismar, durch die der Beschwerdeführer, der am Fachbereich Bauingenieurwesen Professor für Vermessungskunde ist, angewiesen wurde, ab dem Sommersemester 2006 Lehrveranstaltungen im Grundlagenfach Darstellende Geometrie im Rahmen des Bachelorstudiengangs Bauingenieurwesen durchzuführen.
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I.
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1. Der Beschwerdeführer ist Diplom-Ingenieur für Vermessungswesen. Im August 1996 wurde er auf Vorschlag der Hochschule Wismar durch die Kultusministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern auf die C 2-Professur für Vermessungskunde des Fachbereichs Bauingenieurwesen der Hochschule Wismar berufen. Im Text der Stellenausschreibung hieß es:
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Die Vermessungskunde einschließlich der Photogrammetrie ist ganzheitlich im Studiengang Bauingenieurwesen zu vermitteln.
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Darüber hinaus müssten die Bewerberinnern und Bewerber
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… bereit und in der Lage sein, die jeweiligen Fachgebiete in Lehre und anwendungsbezogener Forschung zu vertreten. Es wird gleichfalls erwartet, dass sie nach Notwendigkeit auch Lehrveranstaltungen in den Grundlagenfächern des Fachbereichs übernehmen.
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In der Ruferteilung hieß es:
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Die Professur ist mit der Verpflichtung verbunden, das vorgenannte Lehrfach an der Fachhochschule durch Vorlesungen und Übungen zu vertreten.
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Neben der vorbehaltlichen Festsetzung der Lehrverpflichtung des Beschwerdeführers auf 18 Semesterwochenstunden wurde in der Ruferteilung außerdem ausgeführt:
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Eine Änderung oder Erweiterung Ihrer Amtspflichten im Rahmen des übertragenen Professorenamtes bleibt vorbehalten.
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Im Oktober 1996 wurde der Beschwerdeführer durch die Kultusministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern zum Professor an der Hochschule Wismar ernannt. In der Einweisung wurde die Verpflichtung des Beschwerdeführers festgehalten,
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… die mit dem Amt eines Professors verbundenen Aufgaben wahrzunehmen, insbesondere das Fach "Vermessungskunde" selbständig in Wissenschaft, Forschung und anwendungsbezogener Lehre zu vertreten sowie entsprechende Forschungs- und Entwicklungsvorhaben durchzuführen, soweit dies zur wissenschaftlichen Grundlegung und Weiterentwicklung der Ihnen obliegenden Lehre erforderlich ist.
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2. Mit Beschluss vom 10. März 2004 übertrug der Fachbereichsrat dem Beschwerdeführer ab dem Wintersemester 2004/2005 die Lehre für das Fach Darstellende Geometrie im Rahmen des Bachelorstudiengangs Bauingenieurwesen und führte zur Begründung aus, der Beschluss beruhe im Wesentlichen auf § 57 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Landeshochschulgesetz - LHG M-V) vom 5. Juli 2002 (GVOBl M-V S. 398). Danach nähmen die Hochschullehrer die ihrer Hochschule jeweils obliegenden Aufgaben in ihrem Fach nach näherer Ausgestaltung ihres Dienstverhältnisses zwar selbständig wahr, dies entbinde sie jedoch nicht von ihrer Verpflichtung, Lehrveranstaltungen ihrer Fächer in allen Studiengängen und allen Studienbereichen abzuhalten und die zur Sicherstellung des Lehrangebots gefassten Entscheidungen der Hochschulorgane auszuführen (§ 57 Abs. 2 LHG M-V). Ob das Fach Darstellende Geometrie inhaltlich zu der dem Beschwerdeführer obliegenden Lehre zähle, könne unberücksichtigt bleiben, da der Beschwerdeführer einerseits im Berufungsgespräch seine Bereitschaft zur Übernahme bekundet habe, andererseits das Abhalten von Lehrveranstaltungen aus dem Grundstudium ausweislich des Stellenausschreibungstextes eine Berufungsvoraussetzung gewesen sei. Die hiergegen nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage des Beschwerdeführers ist beim Verwaltungsgericht Schwerin noch anhängig.
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3. Mit Bescheid vom 20. Dezember 2005 wies der Rektor der Hochschule Wismar den Beschwerdeführer unter Anordnung der sofortigen Vollziehung an, gemäß dem Beschluss des Fachbereichsrats vom 10. März 2004 ab dem Sommersemester 2006 im Bachelorstudiengang Bauingenieurwesen Lehrveranstaltungen im Grundlagenfach Darstellende Geometrie abzuhalten. Zur Begründung führte der Rektor aus, dass der Fachbereichsrat dem Beschwerdeführer diese Lehraufgabe den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend übertragen habe, weil dies zur Gewährleistung des in den Studienordnungen vorgesehenen Lehrangebots notwendig sei. Die Studienordnung im Bachelorstudiengang Bauingenieurwesen sehe als Grundlagenmodul das Fach Darstellende Geometrie/Computer Aided Design (CAD) vor. Der Beschwerdeführer sei als Professor des Fachbereichs in der Lage, das Lehrangebot auszufüllen und nach Maßgabe seiner Lehrverpflichtung sowie unter Beachtung seines Dienstverhältnisses dazu auch geeignet und befähigt. Die bisherige Auslastung des Beschwerdeführers bei der Übernahme von Lehrverpflichtungen sei im Vergleich zu den am Fachbereich tätigen Kollegen weit unterdurchschnittlich und habe zuletzt unter 50 % gelegen. Die verbleibende Zeit bis zum Beginn des Sommersemesters reiche aus, um sich der besonderen Anstrengung der Aneignung und Vermittlung des bislang nicht vom Beschwerdeführer gelehrten Fachs zu stellen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtfertige sich aus dem überwiegenden öffentlichen Interesse an der Gewährleistung des studienplanmäßigen Studienangebots. Das persönliche Interesse des Beschwerdeführers daran, keine weiteren Aufgaben übernehmen zu wollen, müsse demgegenüber zurücktreten.
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4. Parallel zur Übertragung der Lehraufgaben in Darstellender Geometrie auf den Beschwerdeführer wurde die Professur des Beschwerdeführers auf Veranlassung der Hochschule durch Bescheid des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern vom 4. Mai 2005 gemäß § 57 Abs. 6 LHG M-V von "Vermessungskunde" in "Vermessungskunde, Darstellende Geometrie, Mathematik" umgewidmet. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2005 zurückgewiesen und die sofortige Vollziehung der Umwidmung angeordnet. Dem Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der beim Verwaltungsgericht gegen die Umwidmung der Professur anhängig gemachten Klage gab das Verwaltungsgericht Schwerin mit Beschluss vom 3. März 2006 statt. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht unter anderem aus, dass die Hochschule grundsätzlich nicht dazu berechtigt sei, die Aufgaben eines Professors gegen dessen Willen dahingehend zu verändern, dass dieser ein anderes Fach in Forschung und Lehre zu vertreten habe. Während die dem Beschwerdeführer gegenüber erlassene Umwidmung hinsichtlich des zusätzlichen Fachs Mathematik dessen Recht am konkreten Professorenamt berühre, sei hinsichtlich der Darstellenden Geometrie jedoch fraglich, ob die Umwidmung überhaupt eine Erweiterung der Professur darstelle oder ob diese im Sinne einer Präzisierung des bisherigen Fachgebiets zu verstehen sei, weil sich die Darstellende Geometrie als Randwissenschaft noch der Vermessungskunde zurechnen lasse.
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5. Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 20. Dezember 2005 erhobenen Widerspruchs lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 15. Februar 2006 als unbegründet ab. Die Anweisung des Rektors der Hochschule Wismar entspreche den Lehrverpflichtungen des Beschwerdeführers nach der durch Bescheid des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern mitgeteilten Umwidmung der vom Beschwerdeführer bislang innegehaltenen Professur "Vermessungskunde" bei der Hochschule Wismar in das Fach "Vermessungskunde, Darstellende Geometrie, Mathematik". Diese Umwidmung sei trotz der dagegen durch den Beschwerdeführer anhängig gemachten Klage aufgrund der im Widerspruchsbescheid erfolgten Anordnung sofort vollziehbar. Demgemäß habe der Beschwerdeführer seine Lehrverpflichtungen in der umgewidmeten Professur vorerst in vollem Umfang zu erfüllen.
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6. Hiergegen erhob der Beschwerdeführer Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht, mit der er die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Herleitung seiner Verpflichtung zur Übernahme der Lehre im Fach Darstellende Geometrie aus der Vollziehbarkeit der Umwidmung seiner Professur rügte und auf den zwischenzeitlich dazu ergangenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 3. März 2006 verwies.
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7. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beschwerde mit Beschluss vom 29. August 2006 zurückgewiesen. Die umstrittene Maßnahme erweise sich als voraussichtlich rechtmäßig. Nach dem Sachverhalt, wie er von den Beteiligten bislang unterbreitet worden sei, gehe der Senat nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung davon aus, dass der Beschwerdeführer verpflichtet sei, die ihm übertragene Lehrveranstaltung abzuhalten, ohne dass es insoweit auf die Rechtmäßigkeit oder Vollziehbarkeit der erfolgten Umwidmung der Professur ankomme. Die Anweisung des Rektors finde ihre rechtliche Grundlage in § 32 Abs. 2 und § 57 LHG M-V. Danach übertrage der Fachbereich seinen in der Lehre tätigen Angehörigen im Rahmen der für das Dienstverhältnis geltenden Regelungen bestimmte Lehraufgaben, soweit das zur Gewährleistung des in den Studienordnungen vorgesehenen Lehrangebots notwendig sei. Die Hochschullehrer seien im Rahmen der für ihr Dienstverhältnis geltenden Regelungen berechtigt und verpflichtet, Lehrveranstaltungen ihrer Fächer in allen Studiengängen und allen Studienbereichen abzuhalten und die zur Sicherstellung des Lehrangebots gefassten Entscheidungen der Hochschulorgane auszuführen (vgl. § 57 Abs. 2 Satz 1 LHG M-V). Art und Umfang der von dem einzelnen Hochschullehrer wahrzunehmenden Aufgaben richteten sich unter Beachtung von § 57 Abs. 1 bis 4 LHG M-V nach der Ausgestaltung seines Dienstverhältnisses und der Funktionsbeschreibung der jeweiligen Stelle (§ 57 Abs. 6 Satz 1 LHG M-V). Die Aufgaben der einzelnen Professoren sollten fachlich möglichst breit festgelegt werden (§ 57 Abs. 6 Satz 2 LHG M-V). Die Festlegung müsse unter dem Vorbehalt einer Überprüfung in angemessenen Abständen stehen (§ 57 Abs. 6 Satz 3 LHG M-V). Diese Regelungen, welche die in § 43 HRG geregelte selbständige Wahrnehmung der einer Hochschule obliegenden Aufgaben in Wissenschaft, Forschung, Lehre und Weiterbildung durch die Hochschullehrer konkretisierten, seien einfachgesetzlicher Ausdruck der in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verfassungsrechtlich verankerten Freiheit der Forschung und Lehre. Daneben normierten sie zugleich die sich aus dem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis ergebenden Pflichten der Hochschullehrer als Beamte, die in Art. 33 Abs. 5 GG ebenfalls verfassungsrechtlich verankert seien. Zu diesen dienstlichen Aufgaben zähle auch die Lehre. Zwar habe der Hochschullehrer auch ein Recht auf Lehre, könne jedoch wegen der Notwendigkeit der Abstimmung mit anderen Hochschullehrern sowie angesichts des - in Art. 12 Abs. 1 GG ebenfalls verfassungsrechtlich verankerten - Anspruchs der Studierenden auf Realisierung des erforderlichen Lehrangebots auch unter Berücksichtigung der Wissenschaftsfreiheit nicht völlig frei darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang er Lehrveranstaltungen durchführe.
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Die Koordination der verschiedenen an der Hochschule auftretenden rechtlich geschützten Interessen sei in erster Linie Sache des Lehrkörpers selbst. In den genannten landes- und bundesrechtlichen Vorschriften komme die Erwartung des jeweiligen Normgebers zum Ausdruck, die Hochschullehrer würden ihre Anteile an der Lehrleistung der Hochschule grundsätzlich selbst so bestimmen, dass das in der Studienordnung vorgesehene Lehrangebot abgedeckt werde. Nur wenn diese Selbstbestimmung nicht funktioniere, sei der Fachbereich berechtigt, Hochschullehrern notwendige Lehraufgaben zu übertragen. Dabei habe der Fachbereich allerdings den durch das jeweilige Dienstverhältnis des betroffenen Hochschullehrers vorgegebenen Rahmen zu beachten. Eine Aufgabenübertragung halte sich insoweit jedenfalls dann innerhalb dieses Rahmens, wenn sie von der in der Ruferteilung enthaltenen Funktionsbeschreibung abgedeckt sei, wobei diese im Interesse der Funktionstüchtigkeit der Hochschule und im Sinne ihrer ständigen Reformierungspflicht (§ 9 LHG M-V) nicht eng zu verstehen sei. Dies folge auch aus § 57 Abs. 6 Satz 2 LHG M-V, wonach die Aufgaben der einzelnen Professoren fachlich möglichst breit festgelegt sein sollten. Daraus folge, dass Hochschullehrer nicht auf den Kernbereich "ihres" Fachs beschränkt seien, sondern darüber hinaus auch in Materien eingesetzt werden könnten, die zugleich und eventuell auch im Schwerpunkt zu anderen Fächern gehörten.
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Unter Anwendung dieser Maßstäbe sei der Beschwerdeführer verpflichtet, die umstrittene Lehrveranstaltung abzuhalten. Bei der Darstellenden Geometrie handele es sich um ein nach der Studienordnung notwendiges Lehrangebot, das nicht anderweitig abgedeckt sei. Die Aufgabenübertragung halte sich auch im Rahmen der durch das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers vorgegebenen Regelungen. Zwar enthalte die Ruferteilung keine eigene Funktionsbeschreibung, beziehe sich aber ausdrücklich auf die Bewerbung des Beschwerdeführers, die auf einer von diesem selbst vorgelegten Stellenausschreibung basiere, so dass die darin enthaltenen Angaben zur Beschreibung der vom Beschwerdeführer ausgefüllten Funktion heranzuziehen seien. Aus der Ausschreibung ergebe sich die Verpflichtung, "die Vermessungskunde ... ganzheitlich im Studiengang Bauingenieurwesen zu vermitteln". Weiter heiße es, die Bewerber müssten bereit sein, die jeweiligen Fachgebiete in Lehre und anwendungsbezogener Forschung zu vertreten. Gleichfalls würde erwartet, "dass sie nach Notwendigkeit auch Lehrveranstaltungen in den Grundlagenfächern des Fachbereichs übernehmen". Schon die im Ausschreibungstext ausdrücklich geforderte ganzheitliche Vermittlung des Faches Vermessungskunde sei so auszulegen, dass der Beschwerdeführer zur Übernahme der ihm übertragenen Lehrveranstaltung im Fach Darstellende Geometrie verpflichtet sei, da die Darstellende Geometrie bei dem gebotenen weiten Verständnis ein Fach der Vermessungskunde darstelle. Das Grundlagenfach Darstellende Geometrie sei insoweit als Teil der Vermessungskunde zu bewerten. Dies folge auch aus einer Stellungnahme der Hochschule Neubrandenburg, der zufolge an drei Vergleichshochschulen im Studiengang Vermessungswesen Vorlesungen und Übungen im Fach Darstellende Geometrie vorgesehen seien. Der Beschwerdeführer habe seinerseits eingeräumt, in seinem eigenen Studium Vorlesungen in der Darstellenden Geometrie besucht zu haben. Außerdem sei die Darstellende Geometrie nach der im vorliegenden Verfahren maßgeblichen Anweisung nur als Grundlagenfach zu übernehmen, so dass ergänzend auch auf die in der Ausschreibung geforderte Übernahme von Lehrveranstaltungen in den Grundlagenfächern des Fachbereichs verwiesen werden könne.Schließlich müsse sich der Beschwerdeführer auch vorhalten lassen, dass er sich ausdrücklich einverstanden erklärt habe, Vorlesungen in der Darstellenden Geometrie zu übernehmen, wenn seine Professur auf die Besoldungsgruppe C 3 angehoben würde.
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II.
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Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 4 GG. Die ursprünglich erhobene Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG hat der Beschwerdeführer im Laufe des Verfassungsbeschwerdeverfahrens zurückgezogen.
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1. Der Beschwerdeführer sieht sich durch die angegriffenen Entscheidungen in verfassungswidriger Weise dazu verpflichtet, mit der Darstellenden Geometrie im Studiengang Bauingenieurwesen ein ihm fremdes Fach zu unterrichten. Daraus resultiere sowohl eine Beeinträchtigung des Ansehens der Hochschule wie auch seiner eigenen Reputation. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhe allein auf einem unzulässigen Rückschluss aus der sofortigen Vollziehbarkeit der vor dem Verwaltungsgericht ebenfalls angegriffenen Umwidmung der Professur von "Vermessungskunde" in "Vermessungskunde, Darstellende Geometrie, Mathematik", die sich ihrerseits als rechtswidrig darstelle. Die von der Umwidmung unabhängige Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Darstellende Geometrie sei ein Teil des dem Beschwerdeführer obliegenden Faches Vermessungskunde, jedenfalls aber ein Grundlagenfach, welches er aufgrund seiner Professur neben der Vermessungskunde zu unterrichten verpflichtet sei, könne keinen Bestand haben. Die Darstellende Geometrie stelle weder im Kern- noch im Randbereich einen Teil des Faches Vermessungskunde dar. Vielmehr handele es sich bei der Darstellenden Geometrie und der Vermessungskunde um zwei unterschiedliche und voneinander unabhängige Disziplinen. Gegenstand der Darstellenden Geometrie sei es, dreidimensionale (räumliche) Objekte in der zweidimensionalen (Zeichen-)Ebene von mehreren Seiten (Grundriss, Aufriss, Seitenriss) so darzustellen, dass der Betrachter auf dem Papier ein vollkommenes Bild von ihnen erhalte. Damit das abgebildete Objekt in seinen geometrischen Einzelheiten und mit allen Maßen erkannt und erfasst werden könne, bediene sich die Darstellende Geometrie unterschiedlicher Perspektiven (Projektionen), etwa der Zentralprojektion, der schiefen und der orthogonalen Parallelprojektion sowie unterschiedlicher Abbildungsebenen, namentlich der Eintafel-, Zweitafel- oder der Dreitafelprojektion. Die Darstellende Geometrie sei daher eng mit der Architektur sowie dem Maschinenbau verbunden. Sie richte sich ausweislich der Beschreibung ihrer Methode und Aufgabe in den einschlägigen Lehrbüchern an den konstruierenden Ingenieur. Die Vermessungskunde bilde demgegenüber ihre Messergebnisse in Karten und Plänen nur im Grundriss, nicht aber räumliche Gebilde in mehreren zweidimensionalen Ebenen ab. Die Darstellung der Räumlichkeit spiele dabei regelmäßig keine Rolle. Zusätzliche Ebenen würden, anders als in der Darstellenden Geometrie, nicht eingeführt. Geländehöhen würden ausschließlich indirekt im Grundriss mittels Höhenlinien, gegebenenfalls unter Zusatz von Höhenangaben ausgewählter Geländepunkte abgebildet. Weder die Konstruktion noch die Darstellung der Höhenlinien bedürften eines Rückgriffs auf die Darstellende Geometrie. Folglich spiele die Darstellende Geometrie in der Ausbildung der Vermessungsingenieure auch keine tragende Rolle. An den Fachhochschulen, an denen die Darstellende Geometrie im Studiengang Vermessungswesen noch gelehrt werde, würde dies nicht von Vermessungsingenieuren, sondern von Mathematikern, Architekten oder Bauingenieuren durchgeführt. Die Lehrbücher zu beiden Fächern wiesen keine Wechselbezüglichkeit auf.
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Dem vom Oberverwaltungsgericht bezüglich der Zuordnung der Darstellenden Geometrie zum Fach Vermessungskunde zugrunde gelegten weiten Verständnis des Faches Vermessungskunde liege eine ihrerseits begründungsbedürftige und zweifelhafte Annahme zugrunde, die dazu führe, dass jedes fremde Fach, welches in die Ausbildung eines Faches hineinspiele, als Teil dieses Faches zu betrachten sei, den jeder Absolvent auch lehren können müsse. Für die Darstellende Geometrie im Bachelorstudiengang Bauingenieurwesen besitze der Beschwerdeführer jedoch weder aufgrund seiner Ausbildung als Vermessungsingenieur noch aufgrund seiner beruflichen Erfahrungen die notwendige fachliche Kompetenz und könne den Anforderungen und Erwartungen an einen Hochschullehrer nicht gerecht werden. Obwohl der Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren substantiiert zum Verhältnis der beiden Fächer im Rahmen des Studiengangs Bauingenieurwesen vorgetragen habe, habe sich das Oberverwaltungsgericht mit dieser streitentscheidenden Frage unter Verstoß gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens nicht auseinandergesetzt. Vielmehr behaupte es ohne aussagekräftige, substantiierte und nachvollziehbare Begründung schlicht, dass es sich bei der Darstellenden Geometrie um einen Teil der Vermessungskunde handele. Eine Klärung der Frage des Verhältnisses von Darstellender Geometrie und Vermessungskunde hätte aber trotz des Charakters des Ausgangsverfahrens als Eilverfahren und der insoweit grundsätzlich nur gebotenen summarischen Prüfung des Sachverhalts stattfinden müssen.
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2. Er sei auch nicht verpflichtet, die Darstellende Geometrie als Grundlagenfach neben der Vermessungskunde zu unterrichten. Der ihm im Rahmen seiner Professur obliegende Aufgabenbereich beschränke sich vielmehr auf das Fach Vermessungskunde einschließlich der Photogrammetrie. Aus der Stellenausschreibung, die sich in allgemeiner Form an potenzielle Bewerber richte und die lediglich eine Informationsfunktion, nicht aber einen rechtlich bindenden Charakter besitze, lasse sich keine gegenteilige Bestimmung der mit dem konkreten Professorenamt einhergehenden Lehraufgaben heranziehen. Die in der Stellenausschreibung zum Ausdruck kommende unbestimmte Erwartung der Hochschule hinsichtlich der Übernahme von Lehrveranstaltungen aus einer Vielzahl von Grundlagenfächern sei zur Bestimmung der Lehrverpflichtung des Beschwerdeführers ungeeignet. Zum Grundstudium des damaligen Diplomstudiengangs sowie des heutigen Bachelorstudiengangs Bauingenieurwesen gehörten die Fächer Technische Mechanik, Informatik, Tragwerkslehre/Mauerwerksbau, Baustatik, Geotechnik, Bauphysik, Baukonstruktion, Bauinformatik, Baustoffkunde/Bauchemie, Mathematik, Hydromechanik/Hydrologie, Rechtsgrundlagen/Baurecht I, Vermessungskunde sowie Darstellende Geometrie/CAD. Es liege aus Gründen der Fachkompetenz auf der Hand, dass sich auch eine Verpflichtung zur Übernahme weiterer Grundlagenfächer für einen Professor für Vermessungskunde, der ausgebildeter Vermessungsingenieur sei, nicht auf jedes dieser Fächer beziehen könne. Vielmehr bedürfe es einer umfassenden und genauen Beschreibung einer Professur und der ihr zugeordneten Fächer in der Ruferteilung und Einweisungsverfügung sowie schon bei der einer Berufung vorangehenden Konzeption der Professorenstellen und ihrer Ausschreibung. Eine Professur für Vermessungskunde und Darstellende Geometrie habe die Hochschule aber gerade nicht ausgeschrieben. Auch seien dem Beschwerdeführer weder in der Ruferteilung noch in der Einweisungsverfügung durch das Ministerium neben der Vermessungskunde Lehraufgaben in anderen Grundlagenfächern übertragen worden. Die Übertragung des Faches Darstellende Geometrie auf den Beschwerdeführer liege somit außerhalb seiner Professur und stelle eine gegen sein Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 GG verstoßende Änderung seiner Dienstaufgaben dar.
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III.
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Zu der Verfassungsbeschwerde haben sich die Hochschule Wismar, die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern, der Deutsche Hochschulverband, der Hochschullehrerbund, der Verband Hochschule und Wissenschaft und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft geäußert. Das Bundesverwaltungsgericht sowie die Oberverwaltungsgerichte beziehungsweise Verwaltungsgerichtshöfe der Bundesländer haben, sofern sie nicht von einer Stellungnahme abgesehen haben, auf eigene Entscheidungen, die sich mit den durch die Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen befassen, verwiesen.
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1. Die Hochschule Wismar hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.
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Die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig, da es der Beschwerdeführer im Hinblick auf die von ihm behauptete Gehörsverletzung unterlassen habe, gegen den angegriffenen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts fristgerecht Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO zu erheben.
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Im Übrigen sei die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG liege nicht vor. Unter Berücksichtigung der gesetzlich normierten Aufgaben der Fachhochschulen, wonach die Fachhochschulen der Pflege und Entwicklung der Wissenschaften insbesondere durch anwendungsbezogene Lehre und Forschung dienten, sei bereits fraglich, ob die anwendungsbezogene Lehre hinsichtlich jeglichen Bereichs ohne weiteres in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 3 GG falle. Da die Lehrfreiheit der Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse diene, könne sich nur derjenige auf die Wissenschaftsfreiheit berufen, der auf seinem Lehrgebiet auch eigenverantwortlich als Forscher tätig sei. Da es sich bei der dem Beschwerdeführer übertragenen Lehraufgabe im Fach Darstellende Geometrie um die anwendungsbezogene Vermittlung von Grundkenntnissen einer mathematischen Methodik im ersten Fachsemester des Studiengangs Bauingenieurwesen handele, die einen wissenschaftlichen Anspruch nicht erkennen lasse, bestünden erhebliche Zweifel, ob diese den besonderen Status der verfassungsrechtlichen Lehrfreiheit genieße. Jedenfalls aber lasse die Übertragung der Vorlesung im Fach Darstellende Geometrie die freien, unbeeinflussten und eigenverantwortlich gestalteten Inhalte der Lehre des Beschwerdeführers unberührt. Vorliegend gehe es lediglich um eine Veränderung der dem Beschwerdeführer innerhalb seines Dienstverhältnisses und der Funktionsbeschreibung seiner Professur obliegenden Aufgaben, deren Zulässigkeit sich nach einfachgesetzlichen Normen bestimme und der Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte vorbehalten bleiben müsse. Dabei halte sich die Übertragung der Lehre im Fach Darstellende Geometrie, wie sie sich aus der Ausschreibung, den Festlegungen im Rahmen der Berufungsverhandlung und der Einweisungsverfügung ergebe, innerhalb des für das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers maßgeblichen Rahmens. Das dem Beschwerdeführer übertragene Fach Vermessungskunde sei von vornherein durch die Lehre im Fachbereich Bauingenieurwesen funktionell dahingehend näher beschrieben gewesen, dass der für das Dienstverhältnis maßgebliche Rahmen neben dem Kernbereich Vermessungskunde auch die mit der Vermessungskunde im Zusammenhang stehenden weiteren Fächer umfasse.
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Die Darstellende Geometrie, welche zum Grundlagenwissen sowohl eines Vermessungsingenieurs wie eines Bauingenieurs gehöre, stelle sich im Verhältnis zur Vermessungskunde jedenfalls nicht als wesensfremd dar, sondern weise die für die Übertragung der Lehraufgabe erforderlichen Bezüge auf. Dies werde durch das Lehrangebot und die Beschreibung der Studieninhalte in entsprechenden Studiengängen an anderen Hochschulen belegt. Ausweislich der Ruferteilung und der Einweisungsverfügung sei dem Beschwerdeführer das Professorenamt vorbehaltlich einer Änderung oder Erweiterung der Amtspflichten übertragen worden. Auf aktuell vorhandenes Wissen im Fach Darstellende Geometrie komme es für die Frage der Grundrechtswidrigkeit der übertragenen Lehrverpflichtung nicht an, zumal der Beschwerdeführer, der selbst seine Bereitschaft zur Übernahme der Lehre im Fach Darstellende Geometrie erklärt und nie in Abrede gestellt habe, dass er nach kurzer Einarbeitungszeit das Fach Darstellende Geometrie lehren könne, grundsätzlich die fachliche Kompetenz zur Lehre des Grundlagenfachs Darstellende Geometrie im Studiengang Bauingenieurwesen besitze.
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2. Auch nach Ansicht der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Ob sich Fachhochschullehrer auf das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG berufen könnten, sei vom Bildungsauftrag der jeweiligen Fachhochschule und vom Charakter der dem Fachhochschullehrer dienstlich zugewiesenen Tätigkeit abhängig. Insofern müsse berücksichtigt werden, dass der Aufgabenbereich der Fachhochschulprofessoren in großem Umfang von der Lehrtätigkeit geprägt sei, bei der die reine Unterrichtstätigkeit, die keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erheben könne, überwiege. Am Schutz des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG könne die Lehrtätigkeit von Fachhochschulprofessoren nur insoweit teilhaben, als sie entweder eigene wissenschaftliche Erkenntnisse wiedergebe oder fremde Erkenntnisse kritisch-reflektiert verarbeite. Änderungen der Dienstaufgaben eines Professors dürften, solange diese nicht durch mit der Wissenschaftsfreiheit kollidierende Verfassungsbelange wie etwa die Organisationshoheit des Dienstherrn oder die Gewährleistung des Ausbildungsanspruchs der Studierenden gerechtfertigt seien, nur innerhalb eines Fachs vorgenommen werden. Wegen des Grundrechts auf Wissenschaftsfreiheit dürfe das übertragene Forschungs- und Lehrgebiet grundsätzlich nicht verändert werden. Demgegenüber hätten beamtete Fachhochschulprofessoren, auf die die allgemeinen beamtenrechtlichen Grundsätze anzuwenden seien, grundsätzlich keinen Anspruch auf die unveränderte Ausübung des ihnen einmal übertragenen Amtes im konkret-funktionellen Sinne.
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3. Der Deutsche Hochschulverband vertritt ebenfalls die Ansicht, dass die Lehre eines Fachhochschulprofessors nur dann dem verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unterfällt, wenn der Fachhochschulprofessor in dem Bereich, in dem er lehrt, eigenständige Forschungsleistungen erbringt. Angesichts der Höhe ihres Lehrdeputats könnten Fachhochschulprofessoren jedoch gar keine durch eigene wissenschaftliche Forschung gespeiste Lehre anbieten und täten dies in der Regel auch nicht. Trotz der mittlerweile in allen Bundesländern erfolgten Zuweisung der Forschung als Aufgabe der Fachhochschulen und der sich abzeichnenden Lösung der Fachhochschulforschung von der anwendungsbezogenen Lehrforschung handele es sich bei der zumal nur anwendungsorientierten Forschung schließlich nicht um eine Primäraufgabe der Fachhochschulen. Bezüglich der Modifikationen ihres Fachs bietet Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG Fachhochschullehrern nach Ansicht des Deutschen Hochschulverbandes daher keinen beziehungsweise allenfalls einen abgeschwächten Schutz. Für Fachhochschulprofessoren stehe die Lehre im Gegensatz zur zumal nur anwendungsorientierten Forschung signifikant im Vordergrund und nehme im Vergleich mit Universitäten einen geringeren Stellenwert ein. Vorliegend gehe es jedoch ohnehin um die nach einfachgesetzlichen Maßstäben zu entscheidende Frage, ob sich die Aufgabenübertragung noch im Rahmen der in der Ruferteilung enthaltenen Funktionsbeschreibung halte, wobei zu berücksichtigen sei, dass insbesondere Fachhochschulprofessoren hinsichtlich der Lehre eine gewisse Breite vertreten müssten.
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4. Demgegenüber sind der Hochschullehrerbund, der Verband Hochschule und Wissenschaft und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft der Auffassung, dass die in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgte Lehrfreiheit auch Fachhochschulprofessoren zustehe. In den vergangenen Jahren sei es zu einer weitgehenden Angleichung von Fachhochschulen und Universitäten gekommen. Dies zeige sich zunächst an bundes- und landeshochschulgesetzlichen Regelungen, die kaum noch zwischen verschiedenen Hochschularten differenzierten. Obgleich es sich hierbei um einfachgesetzliche Normierungen handele, sei in ihnen die Wiedergabe und Wiederholung der mit der Funktion im staatlich organisierten Wissenschaftsbetrieb verbundenen besonderen Schutz- und Teilhaberechte aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG auch für Fachhochschullehrer zu sehen. Daneben sei die stärkere Forschungsausrichtung der Fachhochschulen zu berücksichtigen, wobei es sich bei der den Fachhochschulen in den Landeshochschulgesetzen übertragenen anwendungsbezogenen Forschung und Entwicklung ebenso um Forschung im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG handele wie bei der an Universitäten angesiedelten Grundlagenforschung. Der Grundsatz der Einheit von Forschung und Lehre sei daher sowohl institutionell als auch in der Person des Fachhochschulprofessors verwirklicht. Schließlich meine der Anwendungsbezug der Lehre an Fachhochschulen nicht eine unreflektierte Vermittlung praktischer Kenntnisse und schematische Einübung beruflicher Fertigkeiten, sondern die kritische Durchleuchtung der gegenwärtigen Berufspraxis, das vergleichende und wertende Zusammenstellen fremder Forschungsergebnisse sowie die Ausrichtung auf Problemlösung und Aufgabenbewältigung in einer sich verändernden Berufswelt, was die Förderung von Kreativität und Innovationsfähigkeit im Rahmen anwendungsbezogener Lehre erfordere.
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Bezüglich der Frage, ob und inwieweit das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit Hochschullehrern ein Recht gewährt, kraft dessen sie einseitige Veränderungen ihres Aufgabenbereichs, insbesondere des von ihnen vertretenen Fachs, abwehren können, sind der Hochschullehrerbund, der Verband Hochschule und Wissenschaft und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft der Ansicht, dass auch ein Fachhochschulprofessor wegen des besonderen Schutzes aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG grundsätzlich ein Recht am konkret-funktionellen Amt habe. Die Veränderung des wissenschaftlichen Aufgabenbereichs eines Professors stelle einen grundsätzlich unzulässigen Eingriff in das durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützte Recht am konkret-funktionellen Amt dar, welches durch die Einweisungsverfügung und die Funktionsbeschreibung konkretisiert werde. Selbst in Fällen, in denen die fachliche Veränderung der dienstlichen Aufgaben erforderlich sei, um Grundrechte anderer zu schützen oder um anderen gewichtigen Gemeinschaftsinteressen Rechnung zu tragen, sei die Eingriffsbefugnis durch die wissenschaftliche Qualifikation eines Professors begrenzt.
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B.
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Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
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Der Beschwerdeführer hat den Rechtsweg gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG erschöpft. Hierfür war im vorliegenden Fall eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts entbehrlich. Obwohl der Beschwerdeführer mit der Verfassungsbeschwerde zunächst auch eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG gerügt hat und daher die Anhörungsrüge an sich zum Rechtsweg zählt (vgl. BVerfGE 122, 190 <198>), steht das Unterlassen einer fachgerichtlichen Anhörungsrüge der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht entgegen, da er die Rüge einer Gehörsverletzung im Verfassungsbeschwerdeverfahren zurückgenommen hat.
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Dem Beschwerdeführer kommt im Verfassungsbeschwerdeverfahren eine Dispositionsfreiheit zu, die sich aus der Funktion des außerordentlichen Rechtsbehelfs der Verfassungsbeschwerde ergibt. Neben der Funktion, das objektive Verfassungsrecht zu wahren, auszulegen und fortzubilden (vgl. BVerfGE 33, 247 <258>; 79, 365 <367>; 85, 109 <113>; 98, 218 <242 f.>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 4. November 2009 - 1 BvR 2150/08 -, NJW 2010, S. 47 <48>), dient die Verfassungsbeschwerde primär dem individuellen Rechtsschutz für die Durchsetzung der in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG genannten Rechte. Der Gegenstand des Verfassungsbeschwerdeverfahrens bestimmt sich folglich, ausgehend von der subjektiven Beschwer, nach der behaupteten Verletzung eines der in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG genannten Rechte (vgl. BVerfGE 45, 63 <74 f.>; 96, 251 <257>). Auch nach Erhebung der Verfassungsbeschwerde steht es dem Beschwerdeführer grundsätzlich frei, seinen Antrag zurückzunehmen oder seine Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Beide Erklärungen haben zur Folge, dass das Beschwerdebegehren nicht mehr zur Entscheidung steht (vgl. BVerfGE 85, 109 <113>; 98, 218 <242>; 106, 210 <213>). Aufgrund der Dispositionsfreiheit steht es dem Beschwerdeführer zudem frei, die von ihm erhobene Verfassungsbeschwerde auch nachträglich auf die Rüge bestimmter Grundrechtsverletzungen zu beschränken. Die Rücknahme der Rüge einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG ist daher grundsätzlich möglich. Sie hat, wenn sie wirksam erklärt wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 13. Dezember 2007 - 1 BvR 2532/07 -, juris, Rn. 9 ff.), zur Folge, dass die Erschöpfung des Rechtswegs nicht von der Erhebung von Rechtsbehelfen abhängt, die der Beseitigung einer Gehörsverletzung dienen.
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Der Beschwerdeführer musste eine Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO auch nicht deshalb nach dem aus § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG abzuleitenden Grundsatz der Subsidiarität (vgl. BVerfGE 107, 395 <414>; 112, 50 <60>) erheben, weil bei einem Erfolg der Anhörungsrüge auch die weiteren mit der Verfassungsbeschwerde gerügten Grundrechtsverletzungen hätten beseitigt werden können. Jedenfalls ein nicht anwaltlich vertretener Beschwerdeführer kann nicht auf die Erhebung einer Anhörungsrüge verwiesen werden, wenn er in der Verfassungsbeschwerde zwar Art. 103 Abs. 1 GG als verletztes Verfassungsrecht benennt, der Sache nach aber keine Gehörsverletzung, sondern unzureichenden Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) rügt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 11. Februar 2009 - 1 BvR 3582/08 -, NZG 2009, S. 515). Unter diesen Umständen ist auszuschließen, dass eine Anhörungsrüge im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die geltend gemachte Grundrechtsverletzung beseitigt hätte. Offensichtlich aussichtslose fachgerichtliche Rechtsbehelfe müssen aber auch unter Berücksichtigung der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nicht erhoben werden.
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C.
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Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.
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Der Beschwerdeführer kann sich zwar auf den Schutz des Art. 5 Abs. 3 GG berufen und die Anweisungen hinsichtlich seiner Lehrtätigkeit berühren auch seine Grundrechtsposition (I). Die Verwaltungsgerichte haben im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes seine Grundrechtsposition aber noch ausreichend berücksichtigt und daher Art. 19 Abs. 4 GG nicht verletzt (II).
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I.
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Art. 5 Abs. 3 GG ist betroffen.
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1. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährt jedem, der in Wissenschaft, Forschung und Lehre tätig ist, ein Grundrecht auf freie wissenschaftliche Betätigung (vgl. BVerfGE 15, 256 <263 f.>; 88, 129 <136>). Als Abwehrrecht schützt das Grundrecht die wissenschaftliche Betätigung gegen staatliche Eingriffe und gewährt dem einzelnen Wissenschaftler einen vorbehaltlos geschützten Freiraum (vgl. BVerfGE 35, 79 <112 f.>; 47, 327 <367>; 88, 129 <136>; 90, 1 <11 f.>). Kern der Wissenschaftsfreiheit ist für Hochschullehrer das Recht, ihr Fach in Forschung und Lehre zu vertreten (vgl. BVerfGE 35, 79 <147>; 122, 89 <105>).
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2. Auf dieses Recht können sich regelmäßig auch Hochschullehrer an einer Fachhochschule berufen.
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In welchen Einrichtungen, in welchem Umfang und bezogen auf welchen Fächerzuschnitt Personen amtlich damit betraut werden, wissenschaftlich eigenständig zu forschen und zu lehren, ist im Grundsatz eine Entscheidung des Gesetzgebers. Er ist hierbei nicht auf die Fortschreibung der tradierten Formen und Einrichtungen beschränkt. Soweit er Personen als Hochschullehrern die eigenständige Vertretung eines wissenschaftlichen Faches in Forschung und Lehre überträgt, fallen diese unter den Schutz des Art. 5 Abs. 3 GG.
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a) Bezogen auf die damalige Rechtslage hat das Bundesverfassungsgericht es in seiner bisherigen Rechtsprechung ausdrücklich offen gelassen, ob und in welchem Umfang sich Fachhochschullehrer auf das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG berufen können (vgl. BVerfGE 61, 210 <237 ff.>; 64, 323 <353 ff.>). Es hat allerdings dabei auf die Wechselbeziehung dieser Frage mit den gesetzlich bestimmten Aufgaben der Fachhochschullehrer hingewiesen und so die Entwicklungsoffenheit des sachlichen Schutzbereichs der Wissenschaftsfreiheit hervorgehoben. In diesem Zusammenhang hat es bereits damals auch schon auf die verstärkten Forschungsaufgaben der Fachhochschulen, auf die fließenden Grenzen zwischen Forschung und Entwicklung sowie auf die gestiegenen Ansprüche an Fachhochschulen und an die Qualifikation der Fachhochschullehrer hingewiesen (vgl. BVerfGE 61, 210 <246 f.>). Auch für den materiellen Hochschullehrerbegriff hat das Bundesverfassungsgericht eine Entwicklungsoffenheit betont, um dadurch strukturellen, organisatorischen und auf die Anforderungen und Aufgaben von Hochschullehrern bezogenen Veränderungen im Hochschulwesen Rechnung tragen zu können (vgl. BVerfGE 47, 327 <392>).
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b) Bundes- und Landesgesetzgeber haben in den vergangenen Jahren Universitäten und Fachhochschulen einander angenähert. Das Hochschulrahmengesetz und die Landeshochschulgesetze unterscheiden grundsätzlich nicht mehr zwischen solchen Regelungen, die allein für Universitäten Geltung beanspruchen, und solchen Regelungen, die für andere Hochschularten gelten (vgl. § 1 Satz 1 HRG). Die wesentlichen Aufgaben und Ausbildungsziele werden für alle Hochschularten einheitlich normiert (§ 2 und § 29 Abs. 1 BWHG, Art. 2 und Art. 55 Abs. 1 BayHG, § 4 und § 21 Abs. 1 BerlHG, § 3 und § 16 Abs. 1 BbgHG, §§ 4 und 52 BremHG, §§ 3, 46 und 49 HmbHG, §§ 3 und 13 HeHG, § 3 und § 28 Abs. 1 LHG M-V, § 3 NdsHG, § 3 und § 58 Abs. 1 NRWHG, § 2 und § 16 Abs. 1 RPfHG, §§ 2 und 48 SaarUG, §§ 5 und 15 SäHG, §§ 3 und 6 LSAHG, § 3 und § 46 Abs. 1 SHHG, § 5 und § 40 Abs. 1 ThürHG). Die Freiheit von Forschung und Lehre wird, zumeist unter ausdrücklicher Nennung von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, auch für Fachhochschulen garantiert (§ 3 Abs. 1 bis 3 BWHG, Art. 3 Abs. 1 bis 3 BayHG, § 5 Abs. 1 BerlHG, § 4 Abs. 1 und 2 BbgHG, § 7 Abs. 1 bis 3 BremHG, § 11 HmbHG, § 28 Satz 1 HeHG, § 5 Abs. 1 bis 3 LHG M-V, § 4 Abs. 1 und 2 NRWHG, § 3 Abs. 1 bis 3 RPfHG, § 3 Abs. 1 bis 3 SaarUG, § 4 SäHG, § 4 Abs. 1 bis 4 LSAHG, § 4 Abs. 1 bis 4 SHHG, § 7 Abs. 1 bis 3 ThürHG) und Fachhochschulen werden Forschungsaufgaben übertragen (§ 40 BWHG, Art. 2 Abs. 1 Satz 6 BayHG, § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 4 BerlHG, § 3 Abs. 1 Satz 1 und 4 BbgHG, § 4 Abs. 1 Satz 1 BremHG, § 4 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Nr. 2 HmbHG, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 3 Satz 4 HeHG, § 3 Abs. 1 Satz 1 und 4 LHG M-V, § 3 Abs. 4 Satz 2 NdsHG, § 3 Abs. 2 Satz 2 NRWHG, § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 RPfHG, § 2 Abs. 1 Satz 3 SaFHG, § 5 Abs. 1 Satz 2 SäHG, § 3 Abs. 11 Satz 2 LSAHG, § 94 Satz 3 SHHG, § 5 Abs. 1 Satz 2 und 4 ThürHG).
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Da Aufgaben der Hochschulen und Ziele des Studiums unabhängig von der Hochschulart normiert werden, lässt sich die vom Bundesverfassungsgericht in den Jahren 1982 und 1983 getroffene Feststellung, dass bei wissenschaftlichen Hochschulen die Pflege und Entwicklung der Wissenschaften durch Forschung und Lehre im Vordergrund stehen und dem Studierenden eine umfassende wissenschaftliche Ausbildung vermittelt werden soll, bei Fachhochschulen hingegen die Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit durch anwendungsbezogene Lehre vornehmliche Aufgabe ist (vgl. BVerfGE 61, 210 <244 f.>; 64, 323 <354 f.>; ähnlich auch: BayVerfGH, Entscheidung vom 8. Januar 1997 - Vf. 7-VII-96 -, NVwZ-RR 1997, S. 673 <674>), nicht mehr aufrechterhalten. Einerseits sind auch für die Universitäten Ausbildungsaufgaben zentral, so dass die Universitätslehre notwendig auf Prüfungsordnungen ausgerichtet und durch Studienpläne gesteuert wird, ohne dass dadurch der Wissenschaftscharakter der Lehre an Universitäten in Frage gestellt würde. Andererseits kann es ebenso wie bei Universitäten Aufgabe einer Fachhochschule oder der in ihr tätigen Professoren sein, ihren Studierenden im Rahmen der Ausbildungsaufgaben wissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden zu vermitteln sowie sie zu wissenschaftlicher Arbeit zu befähigen.
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c) Auch weitere Annahmen bezüglich für den Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 3 GG erheblicher Unterschiede zwischen Universitäten und Fachhochschulen im Hinblick auf Rolle und Bedeutung der Forschung lassen sich angesichts gesetzlicher Neuerungen und faktischer Entwicklungen nicht mehr aufrechterhalten. In den Jahren 1982 beziehungsweise 1983 war die Feststellung, Fachhochschulen würden Forschungs- und Entwicklungsvorhaben nur im Rahmen ihres Ausbildungsauftrages vornehmen, während bei Universitäten die Forschung neben der wissenschaftlichen Grundlegung und Weiterentwicklung von Lehre und Studium ganz allgemein der Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse diene (vgl. BVerfGE 61, 210 <244 f.>; 64, 323 <354 f.>), noch zutreffend. Gleiches gilt für die Aussage, der Gesetzgeber habe den Fachhochschulen Forschung zwar in einem bestimmten Rahmen gestattet, anders als wissenschaftlichen Hochschulen aber keinen Auftrag zur Forschung erteilt (vgl. BVerfGE 64, 323 <358 f.>), sowie für die Feststellung, die Betreuung mit Forschungsaufgaben sei insofern erheblich begrenzt, als sich das Forschungsspektrum der Fachhochschule allein an ihrem Ausbildungsauftrag orientiere (vgl. BVerfGE 64, 323 <359>). Heute gestattet die Mehrheit der Bundesländer in ihren Hochschulgesetzen den Fachhochschulen nicht lediglich zu forschen, Forschung wird den Fachhochschulen vielmehr als Aufgabe, teilweise sogar ohne funktionale Bindung an ihren Ausbildungsauftrag, ausdrücklich zugewiesen (vgl. hierzu m.w.N. Waldeyer, Das Recht der Fachhochschulen, in: Hailbronner/Geis, Hochschulrecht in Bund und Ländern, Bd. 2, Stand: Mai 2000, Rn. 11 ff.). Damit haben sich auch die dienstrechtlich vermittelten Aufgaben von Fachhochschullehrern inhaltlich erweitert. Allein das höhere Lehrdeputat und der daraus folgende geringere Freiraum für Forschung kann die Berufung des Fachhochschullehrers auf die Wissenschaftsfreiheit nicht ausschließen (vgl. BVerfGE 61, 210 <246>).
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d) Auch das Argument der unterschiedlichen Zulassungsvoraussetzungen für Studierende kann eine Herausnahme der Fachhochschulen aus dem Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit nicht länger rechtfertigen. Dass den Studierenden an Fachhochschulen mit Rücksicht auf ihren niedrigeren Bildungsabschluss keine wissenschaftliche Lehre erteilt werden könne (vgl. BVerfGE 64, 323 <357 f.>; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. November 1996 - 8 B 107.96 -, juris, Rn. 26), vermag angesichts der aktuellen gesetzlichen Regelungen nicht mehr zu überzeugen. Auf der rahmenrechtlichen Grundlage des § 27 Abs. 2 Satz 2 HRG haben mittlerweile alle Bundesländer beruflich qualifizierten Personen ohne Hochschulreife den Zugang zum Universitätsstudium eröffnet (§ 59 BWHG, Art. 45 BayHG, § 11 BerlHG, § 8 BbgHG, § 35 BremHG, § 38 HmbHG, § 54 Abs. 2 und 3 HeHG, § 18 Abs. 1 und § 19 LHG M-V, § 18 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 3 NdsHG, § 49 Abs. 6 NRWHG, § 65 Abs. 1 Satz 3 bis 5 RPfHG, § 69 Abs. 4 SaarUG, § 17 Abs. 2 und 5 SäHG, § 27 Abs. 4 SAHG, § 39 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 und 3 SHHG, § 63 ThürHG). Umgekehrt sind die gestiegenen Anforderungen an Fachhochschulstudierende daran ablesbar, dass unabhängig von der jeweiligen Hochschulart als Ziel von Lehre und Studium die Befähigung zu "selbständigem Denken" (§ 16 Abs. 1 BbgHG, § 15 Abs. 1 SäHG, § 6 Abs. 1 Satz 1 SAHG),zu "kritischem Denken" (§ 21 Abs. 1 BerlHG), zu "wissenschaftlich-kritischem Denken" (§ 13 Satz 1 HeHG, § 46 Satz 2 SaarFHG) oder zur "kritischen Einordnung wissenschaftlicher Erkenntnis" (§ 58 Abs. 1 NRWHG) formuliert wird.
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e) Schließlich haben sich Annäherungen zwischen Universitäten und Fachhochschulen im Zuge des so genannten Bologna-Prozesses ergeben, die erkennen lassen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers auch Fachhochschulen als wissenschaftliche Ausbildungsstätten angesehen werden sollen. Nach § 19 Abs. 1 HRG können alle Hochschulen "Studiengänge einrichten, die zu einem Bachelor- oder Bakkalaureusgrad und zu einem Master- oder Magistergrad führen". Die Regelstudienzeit ist dabei unabhängig von der Hochschulart einheitlich geregelt. Bei der Hochschulprüfung an Fachhochschulen oder in Fachhochschulstudiengängen muss nach § 18 Abs. 1 Satz 2 HRG lediglich der Diplomgrad mit dem Zusatz "Fachhochschule" ("FH") versehen werden.
- 49
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f) Auch der Grundsatz der Einheit von Forschung und Lehre führt nicht dazu, dass wissenschaftliche Lehre institutionell zwingend an Universitäten gebunden ist und Fachhochschullehrern das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit folglich nicht zustehen kann.
- 50
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Lehre im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ist nicht nur, was sich als kommuniziertes Resultat eigener Forschung erweist (vgl. Denninger, in: ders. u.a., AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 5 Abs. 3 I, Rn. 29 f.; Hailbronner, Die Freiheit der Forschung und Lehre als Funktionsgrundrecht, 1979, S. 164 f.). Für den Fachhochschullehrer folgt die Anforderung, die Forschungs- und Erkenntnisentwicklungen auf seinem jeweiligen Wissenschaftsgebiet permanent zu verfolgen, zu reflektieren, kritisch zu hinterfragen und für seine Lehre didaktisch und methodisch zu verarbeiten, schon aus der Formulierung der für Fachhochschulen gesetzlich normierten Aufgaben und Ausbildungsziele (vgl. hierzu BVerfGE 55, 261 <270 f.>). Sowohl an Universitäten wie an Fachhochschulen sind darüber hinaus Unterrichtstätigkeiten, die bloße Wissensvermittlung darstellen und die Weitergabe eigener und fremder Forschungsergebnisse zumeist untrennbar miteinander verknüpft. Würde man wissenschaftliche Lehre nur dann annehmen, wenn sie sich als Resultat eigener Forschung darstellt, wäre auch ein Großteil der Lehre an Universitäten nicht als wissenschaftlich zu qualifizieren, was dem Grundrechtsschutz für die Freiheit der Lehre nicht gerecht würde.
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Im Übrigen lässt sich die Einheit von Forschung und Lehre bei Fachhochschullehrern nicht pauschal verneinen, weil die Landeshochschulgesetze den Fachhochschulen Forschung als Aufgabe übertragen haben. Dass es sich nicht nur bei der Grundlagenforschung, sondern auch bei anwendungsbezogener Forschung um wissenschaftliche Forschung im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG handelt, hat das Bundesverfassungsgericht bereits 1982 festgestellt und sich in diesem Zusammenhang gegen einen restriktiven, statischen und abschließend definierten Forschungsbegriff gewendet. Forschung "war schon immer nicht nur reine Grundlagenforschung, sondern setzte auch an bestimmten praktischen Fragestellungen an" (vgl. BVerfGE 61, 210 <252>).
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3. Anweisungen hinsichtlich der Lehre gegenüber einem als selbständigen Wissenschaftler bestellten Hochschullehrer berühren dessen Recht, sein Fach in Forschung und Lehre zu vertreten, und damit seine in Art. 5 Abs. 3 GG geschützte Wissenschaftsfreiheit.
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Dabei wird die Freiheit der Lehre für den Hochschullehrer durch sein konkretes Amt bestimmt (vgl. BVerfGE 35, 79 <147>; 122, 89 <105 f.>; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. September 2003 - 4 S 1636/01 -, juris, Rn. 21).
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a) Die Wissenschaftsfreiheit ist vorbehaltlos gewährleistet. Allerdings kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in die Wissenschaftsfreiheit, wie bei anderen vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechten, mit Rücksicht auf kollidierendes Verfassungsrecht eingegriffen werden (vgl. BVerfGE 47, 327 <369>; 57, 70 <99>), wobei es grundsätzlich auch insoweit einer gesetzlichen Grundlage bedarf (vgl. BVerfGE 83, 130 <142>; 107, 104 <120>; 122, 89 <107>).
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Eingriffe in die Wissenschaftsfreiheit des Hochschullehrers können insbesondere durch das Ziel der - ihrerseits durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten - Erhaltung und Förderung der Funktionsfähigkeit der Hochschulen sowie des Schutzes anderer Grundrechtsträger gerechtfertigt sein (vgl. BVerfGE 55, 37 <68 f.>; 95, 193 <212>; 111, 333 <353 f.>; 122, 89 <114>). Insbesondere müssen die Universitäten und Fachbereiche ihre Aufgaben in Lehre und Forschung erfüllen können (vgl. BVerfGE 35, 79 <122>; 55, 37 <68 f.>; 122, 89 <114>). Zu berücksichtigen sind auch die in Art. 12 Abs. 1 GG verbürgten Grundrechtspositionen der Studierenden, da die Hochschulen nicht nur der Pflege der Wissenschaften dienen, sondern auch die Funktion von Ausbildungsstätten für bestimmte Berufe haben (vgl. BVerfGE 35, 79 <121 f.>; 55, 37 <68 f.>; 93, 85 <95>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Erstens Senats vom 7. August 2007 - 1 BvR 2667/05 -, NVwZ-RR 2008, S. 33 <33 f.>)
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b) Da die Lehre zu den dienstlichen Pflichten der Hochschulprofessoren gehört, sind Entscheidungen der zuständigen Hochschulorgane über die inhaltliche, zeitliche und örtliche Koordination der von der Hochschule anzubietenden Lehre und über die Verteilung und Übernahme von Lehrverpflichtungen grundsätzlich zulässig (vgl. BVerfGE 93, 85 <98>). Dabei genießt die auf Eigeninitiative und Freiwilligkeit beruhende Selbstkoordination der dem Fachbereich angehörigen Professoren als milderes Mittel den Vorrang gegenüber der Fremdbestimmung durch die zuständigen Hochschulorgane; erst wenn eine kollegiale Einigung nicht zustande kommt, weil beispielsweise keiner der unter Berücksichtigung ihres Dienstverhältnisses und nach Maßgabe ihrer Lehrverpflichtungen in Betracht kommenden Hochschullehrer zur Übernahme einer Lehrveranstaltung bereit ist, kann zur Deckung des notwendigen Lehrangebots eine einseitige Anweisung zur Durchführung der Lehrveranstaltung ergehen (vgl. BVerfGE 35, 79 <129>).
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c) Anordnungen hinsichtlich der vom Hochschullehrer zu haltenden Lehrveranstaltungen müssen sein Grundrecht auf Freiheit von Forschung und Lehre beachten, dessen inhaltlicher Bezugspunkt auch für den Fachhochschulprofessor durch sein konkret-funktionelles Amt bestimmt wird. Einfachgesetzlich ausgestaltet wird das konkret-funktionelle Amt durch § 43 HRG beziehungsweise durch die entsprechenden Vorschriften der Landeshochschulgesetze in Verbindung mit der Ausgestaltung des jeweiligen Dienstverhältnisses. Den verschiedenen Aufgaben und Profilen der Hochschulen beziehungsweise ihrer Organisationseinheiten kann so im Rahmen der jeweiligen Ausgestaltung der Dienstverhältnisse Rechnung getragen werden. Beschränkungen der Lehrfreiheit müssen sich in diesem gesetzlichen Rahmen halten. Hochschullehrern dürfen Aufgaben folglich "nur im Rahmen der für ihr Dienstverhältnis geltenden Regelungen übertragen werden" (vgl. BVerfGE 93, 85 <98>).
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Gegenständlich bestimmt und begrenzt ist demnach das konkret-funktionelle Amt eines Hochschullehrers gemäß § 43 HRG und den entsprechenden Regelungen in den Hochschulgesetzen der Länder nicht nur durch die der Hochschule übertragenen Aufgaben, sondern daneben durch das dem Hochschullehrer übertragene Fach. Zur Ermittlung der inhaltlichen Reichweite des übertragenen Faches kann auf die stellenplanmäßige Funktionsbezeichnung der Professur, die Berufungsvereinbarung, die Ernennungsurkunde und, soweit vorhanden, auf eine besondere Einweisungsverfügung sowie indiziell auf den Ausschreibungstext zurückgegriffen werden (vgl. Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 743; Reich, Hochschulrahmengesetz, 10. Aufl. 2007, § 43 Rn. 1 und 2; Detmer, Das Recht der Universitätsprofessoren, in: Hartmer/Detmer, Hochschulrecht, 2004, Rn. 159). Für die Frage, wie weit oder eng ein Fach zu verstehen ist, kann dabei auch auf den Kontext der Gesamtaufgaben einer Hochschule abgestellt werden; je spezialisierter und profilierter der wissenschaftliche Auftrag einer Hochschule ist, desto enger muss im Zweifel die jeweilige Fachbeschreibung verstanden werden. Es reicht dabei jedoch nicht, pauschal darauf abzustellen, ob es um die Fachbeschreibung in einer Fachhochschule oder einer Universität geht, sondern es muss der jeweils konkrete Kontext in Blick genommen werden, der auch innerhalb der verschiedenen Hochschulen differieren kann.
- 59
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d) Kern der vorbehaltlos gewährten Lehrfreiheit ist insbesondere die freie Wahl von Inhalt und Methode der Lehrveranstaltungen. Diese sind hier nicht betroffen.
- 60
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Eingriffe in die Lehrfreiheit bedürfen auch dann einer besonders gewichtigen Rechtfertigung durch entgegenstehendes Verfassungsrecht, wenn sie dem Hochschullehrer die Lehre des eigenen Fachs unmöglich machen (vgl. dazu BVerfGE 122, 89 <106 ff.>). Auch dafür ist im vorliegenden Fall nichts ersichtlich.
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Wegen der Prägung der grundrechtlichen Lehrfreiheit durch das konkret-funktionelle Amt beeinträchtigt auch die Zuweisung von Lehraufgaben, die nicht mehr vom Lehrauftrag gedeckt sind, die Lehrfreiheit (vgl. dazu Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, Art. 5 Abs. 3 Rn. 341; Thieme, in: Hailbronner/Geis, Hochschulrecht in Bund und Ländern, Bd. 1, Stand: April 2003, § 43 Rn. 91, 94 und 95; Reich, Hochschulrahmengesetz, 10. Aufl. 2007, § 4 Rn. 21 und § 43 Rn. 1 und 2). Eine unbeschränkte Möglichkeit für die Hochschulorgane, dem Hochschullehrer fachfremden Unterricht abzuverlangen, würde nicht nur dessen durch die Lehre des eigenen Faches bestimmter Lehrfreiheit nicht gerecht, sondern könnte auch zur Sanktionierung missliebiger Lehre im eigenen Fach benutzt werden (vgl. dazu BVerfGE 122, 89 <107>).
- 62
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Ob die Grenzen der Zuweisung fachfremder Lehre im vorliegenden Fall tatsächlich überschritten sind, ist streitig und durch die Verwaltungsgerichte im Hauptsacheverfahren zu klären.
-
II.
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-
Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts verletzt den Beschwerdeführer im Blick auf seine Wissenschaftsfreiheit nicht durch Gewährleistung eines unzureichenden vorläufigen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 i.V.m. Art. 5 Abs. 3 GG).
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1. Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes verlangt grundsätzlich die Möglichkeit eines Eilverfahrens, wenn ansonsten dem Betroffenen eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung seiner Rechte droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. BVerfGE 79, 69 <74>; 93, 1 <14>). Dies gilt gleichfalls für Anfechtungs- wie für Vornahmesachen. Die Entscheidungen dürfen sowohl auf eine Folgenabwägung wie auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Hierbei ist dem Gewicht der in Frage stehenden und gegebenenfalls miteinander abzuwägenden Grundrechte Rechnung zu tragen, um eine etwaige Verletzung von Grundrechten nach Möglichkeit zu verhindern.
- 65
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2. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts wird diesen Grundsätzen noch gerecht. Das Oberverwaltungsgericht geht in seinem Beschluss auf aus Grundrechten des Beschwerdeführers folgende mögliche Abwehransprüche allerdings nicht ausdrücklich ein. Es stellt aber fest, dass § 43 HRG und die entsprechenden Regelungen des Landeshochschulgesetzes (§ 32 Abs. 2, § 57 LHG M-V) "einfachgesetzlicher Ausdruck der verfassungsrechtlichen Freiheit von Forschung und Lehre (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG)" sind. Jedenfalls implizit berücksichtigt es bei seiner Entscheidung damit auch die Grundrechtsposition des Beschwerdeführers. Dass es die Vorschrift gleichzeitig auch als Konkretisierung der sich aus dem - ebenfalls in der Verfassung verankerten (vgl. Art. 33 Abs. 5 GG) - öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis ergebenden Pflichten der Hochschullehrer als Beamter sieht, widerspricht dem nicht, da die Wissenschaftsfreiheit des Hochschullehrers auch durch sein konkretes Amt und die mit diesem verbundenen Pflichten geprägt wird.
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Auf dieser Grundlage hat sich das Gericht im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes um eine Aufklärung der Frage bemüht, ob die zugewiesenen Lehraufgaben noch vom Lehrauftrag des Beschwerdeführers umfasst sind.
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Zwar wäre es bei einem interdisziplinären Studiengang, der Grundlagenfächer sehr unterschiedlicher Art umfasst, nicht ausreichend, allein aufgrund des Ausschreibungstextes für die Professur des Beschwerdeführers oder unter Bezugnahme auf die Tatsache, dass der Beschwerdeführer als Student bestimmte Vorlesungen besucht hat, eine Verpflichtung zur Übernahme der Lehre in Grundlagenfächern zu bejahen. Das Oberverwaltungsgericht hat sich indes bemüht, auch weitere Erkenntnisquellen heranzuziehen, und so ausdrücklich auf die im Widerspruchsverfahren eingeholten Auskünfte anderer Hochschulen zur Frage, was Gegenstand vergleichbarer Studiengänge sei, in der Begründung seiner Eilentscheidung Bezug genommen.
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Das Gericht durfte außerdem das Recht und die Pflicht des Fachbereichs berücksichtigen, durch die Koordination der Lehre die eigene Funktionsfähigkeit zu erhalten. Der Zuweisung der Lehraufgaben durch den Fachbereich lag dabei notwendig auch die Einschätzung des in dieser Hinsicht besonders sachverständigen Fachbereichs zu Grunde, dass der Beschwerdeführer zur Übernahme der Lehre in den betreffenden Grundlagenfächern in der Lage sein würde.
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Außerdem konnte das Gericht aus der erklärten Bereitschaft des Beschwerdeführers, Vorlesungen in der Darstellenden Geometrie zu übernehmen, wenn seine Professur auf die Besoldungsgruppe C 3 angehoben würde, entnehmen, dass eine entsprechende Übernahme bis zur Entscheidung in der Hauptsache jedenfalls nicht unzumutbar ist.
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
- 1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, - 2.
erwerbsfähig sind, - 3.
hilfebedürftig sind und - 4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
- 1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
Ausländerinnen und Ausländer, - a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder - b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
- 3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- 1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, - 2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils, - 3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, - b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner, - c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
- 4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1.
länger als ein Jahr zusammenleben, - 2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, - 3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder - 4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
- 1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder - 2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
(4a) (weggefallen)
(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.
(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,
- 1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, - 2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder - b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
- 3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
Tenor
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Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 24. Februar 2010 aufgehoben.
-
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Gründe
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-
I. Die 1969 geborene Klägerin begehrt die Feststellung von Schädigungsfolgen und die Gewährung von Beschädigtenrente nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) iVm dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Das beklagte Land lehnte ihren diesbezüglichen Antrag ab, weil sich der geltend gemachte sexuelle Missbrauch, der während der Kindheit der Klägerin durch den eigenen Vater erfolgt sein soll, nicht habe feststellen lassen (Bescheid vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.1.2005). Das Sozialgericht (SG) Schleswig hat nach Einholung eines ärztlichen Gutachtens den Beklagten unter Aufhebung der entgegenstehenden Verwaltungsentscheidung verurteilt, der Klägerin "Versorgung nach dem OEG nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 80 vH zu gewähren" (Urteil des SG vom 5.3.2008). Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung des beklagten Landes nach Vernehmung mehrerer Zeugen (Eltern und Bruder der Klägerin; frühere Lehrerinnen der Klägerin; frühere Freundinnen und früheren Freund der Klägerin) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen, weil nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff iS des § 1 Abs 1 Satz 1 OEG nicht habe festgestellt werden können(Urteil des LSG vom 24.2.2010).
- 2
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorgenannten Urteil hat die Klägerin bei dem Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde erhoben, mit der sie ua als Verfahrensmängel geltend macht, das LSG sei ohne hinreichende Begründung den von ihr gestellten Beweisanträgen nicht gefolgt. Es hätte insbesondere die sie behandelnde Diplom-Psychologin G. zu dem Beweisthema vernehmen müssen, dass die bei ihr (der Klägerin) festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf einen sexuellen Missbrauch in der Kindheit zurückzuführen seien. Frau G. habe in ihren Stellungnahmen vom 5.2.2010 die Frage einer möglichen Fremdinduzierung der Erinnerungen an einen sexuellen Missbrauch durch suggestive Befragungen früherer Therapeuten (sog "False-Memory-Syndrom") verneint.
- 3
-
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil des LSG vom 24.2.2010 ist unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) ergangen. Dieser von der Klägerin schlüssig gerügte Verfahrensmangel liegt vor. Er führt gemäß § 160a Abs 5 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG.
- 4
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Das LSG hat seine in § 103 SGG normierte Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts dadurch verletzt, dass es dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung aufrechterhaltenen Beweisantrag, Frau G. dazu zu vernehmen, "dass die bei der Klägerin festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf einen sexuellen Missbrauch in der Kindheit/Jugend zurückzuführen sind", ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Für die Frage, ob ein hinreichender Grund für die unterlassene Beweiserhebung (Zeugenvernehmung) vorliegt, kommt es darauf an, ob das Gericht objektiv gehalten gewesen wäre, den Sachverhalt zu dem von dem betreffenden Beweisantrag erfassten Punkt weiter aufzuklären, ob es sich also zur beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen (stRspr; vgl zB BSG SozR 1500 § 160 Nr 5). Soweit der Sachverhalt nicht hinreichend geklärt ist, muss das Gericht von allen Ermittlungsmöglichkeiten, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen, Gebrauch machen, insbesondere bevor es eine Beweislastentscheidung trifft. Einen Beweisantrag darf es nur dann ablehnen, wenn es aus seiner rechtlichen Sicht auf die ungeklärte Tatsache nicht ankommt, wenn diese Tatsache als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder unerreichbar ist, wenn die behauptete Tatsache oder ihr Fehlen bereits erwiesen oder wenn die Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 12 RdNr 10). Keiner dieser Ablehnungsgründe liegt hier vor, jedenfalls soweit es um die Vernehmung der Diplom-Psychologin G. zu der Frage geht, ob die Erinnerungen der Klägerin an sexuellen Missbrauch fremdinduziert sind (sog "False-Memory-Syndrom").
- 5
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Ausgehend von der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des LSG, dass nach § 15 Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) eine Glaubhaftmachung sexuellen Missbrauchs zur Feststellung eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs iS des § 1 Abs 1 Satz 1 OEG ausreichen könne, hätte sich das LSG vor Erlass einer Beweislastentscheidung zu Lasten der Klägerin gedrängt fühlen müssen, die Diplom-Psychologin G. als sachverständige Zeugin dazu zu vernehmen, auf welche Weise die Erinnerungen der Klägerin an sexuellen Missbrauch aufgetaucht sind und welche Erkenntnisse sie (Frau G.) veranlasst haben, in ihrer dem Schriftsatz der Klägerin vom 24.2.2010 beigefügten Stellungnahme vom 5.2.2010 eine Fremdinduzierung der Erinnerungen (sog "False-Memory-Syndrom") zu verneinen.
- 6
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Legt man - wie das LSG - nach § 15 KOVVfG den Beweismaßstab der Glaubhaftmachung zugrunde, so reicht für die Feststellung des von der Klägerin behaupteten sexuellen Missbrauchs das Dartun der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, dh die gute Möglichkeit, aus, dass der Vorgang sich so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl BSG SozR 3-3900 § 15 Nr 4 S 15). Wenn nun - wie die behandelnde Diplom-Psychologin G. meint - eine Fremdinduzierung der Erinnerungen der Klägerin an sexuellen Missbrauch ausgeschlossen werden kann, wäre nicht ohne Weiteres ersichtlich, warum die Darstellung der vom LSG als glaubwürdig angesehenen Klägerin, sie sei im Kindesalter von ihrem Vater sexuell missbraucht worden, nicht der Wahrheit entsprechen soll. Soweit das LSG festgestellt hat, bestimmte Schilderungen der Klägerin ließen sich nicht mit der Wahrnehmung mehrerer Zeugen in Einklang bringen, bezieht sich dies nicht auf den streitigen sexuellen Missbrauch selbst, sondern auf andere Umstände. Abgesehen davon, dass diese Unstimmigkeiten vom LSG nicht abschließend geklärt worden sind, könnten die betreffenden Angaben der Klägerin möglicherweise auch durch ihre psychische Erkrankung beeinflusst worden sein. Es kommt deshalb unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des LSG entscheidend darauf an, ob und inwieweit eine Fremdinduzierung der Erinnerungen der Klägerin ausgeschlossen werden kann.
- 7
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Eine Vernehmung der Diplom-Psychologin G. als sachverständige Zeugin war auch deshalb erforderlich, weil sich das LSG in seinem Urteil ansonsten mit der Frage einer Fremdinduzierung der Erinnerungen der Klägerin nicht ausdrücklich befasst hat. Dagegen greifen die vom LSG pauschal zur Ablehnung einer Vernehmung von behandelnden Ärzten und Psychotherapeuten vorgebrachten Gründe hier schon deshalb nicht durch, weil sie sich nicht darauf beziehen, ob eine Fremdinduzierung der Erinnerungen der Klägerin mit sachkundiger Hilfe - etwa auch aufgrund der Stellungnahme der Diplom-Psychologin G. vom 5.2.2010 - ausgeschlossen werden kann.
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Auf dem insoweit verfahrensfehlerhaften Unterlassen weiterer Beweiserhebung kann die angefochtene Entscheidung beruhen, denn es ist nicht ausgeschlossen, dass eine Durchführung der beantragten Zeugenvernehmung (insbesondere zum Ausschluss einer Fremdinduzierung der Erinnerungen der Klägerin) neue Gesichtspunkte ergeben hätte, die möglicherweise dazu geführt hätten, dass das LSG im Rahmen seiner aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG)zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis gekommen wäre. Jedenfalls wäre bei Ausschluss einer Fremdinduzierung der Erinnerungen der Klägerin an sexuellen Missbrauch eine neue berufungsgerichtliche Beweiswürdigung erforderlich gewesen, die ggf auch zu Gunsten der Klägerin hätte ausfallen können.
- 9
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Nach § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn - wie hier - die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen. Der Senat macht im Hinblick auf die Umstände des vorliegenden Falles von dieser Möglichkeit Gebrauch.
- 10
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Im wieder eröffneten Berufungsverfahren wird das LSG in rechtlicher Hinsicht allerdings davon auszugehen haben, dass die Beweiserleichterung des § 15 KOVVfG iVm § 6 Abs 3 OEG nur dann zum Tragen kommt, wenn weder Unterlagen noch sonstige Beweismittel zu beschaffen sind(vgl BSGE 65, 123, 125 = SozR 1500 § 128 Nr 39 S 46).
- 11
-
Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.
Personen, die vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, erreichen die Altersgrenze mit Ablauf des Monats, in dem sie das 65. Lebensjahr vollenden. Für Personen, die nach dem 31. Dezember 1946 geboren sind, wird die Altersgrenze wie folgt angehoben:
für den Geburtsjahrgang | erfolgt eine Anhebung um Monate | auf den Ablauf des Monats, in dem ein Lebensalter vollendet wird von |
---|---|---|
1947 | 1 | 65 Jahren und 1 Monat |
1948 | 2 | 65 Jahren und 2 Monaten |
1949 | 3 | 65 Jahren und 3 Monaten |
1950 | 4 | 65 Jahren und 4 Monaten |
1951 | 5 | 65 Jahren und 5 Monaten |
1952 | 6 | 65 Jahren und 6 Monaten |
1953 | 7 | 65 Jahren und 7 Monaten |
1954 | 8 | 65 Jahren und 8 Monaten |
1955 | 9 | 65 Jahren und 9 Monaten |
1956 | 10 | 65 Jahren und 10 Monaten |
1957 | 11 | 65 Jahren und 11 Monaten |
1958 | 12 | 66 Jahren |
1959 | 14 | 66 Jahren und 2 Monaten |
1960 | 16 | 66 Jahren und 4 Monaten |
1961 | 18 | 66 Jahren und 6 Monaten |
1962 | 20 | 66 Jahren und 8 Monaten |
1963 | 22 | 66 Jahren und 10 Monaten |
ab 1964 | 24 | 67 Jahren. |
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
- 1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, - 2.
erwerbsfähig sind, - 3.
hilfebedürftig sind und - 4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
- 1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
Ausländerinnen und Ausländer, - a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder - b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
- 3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- 1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, - 2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils, - 3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, - b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner, - c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
- 4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1.
länger als ein Jahr zusammenleben, - 2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, - 3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder - 4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
- 1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder - 2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
(4a) (weggefallen)
(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.
(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,
- 1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, - 2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder - b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
- 3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.
(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.
(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.
(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
- 1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, - 2.
erwerbsfähig sind, - 3.
hilfebedürftig sind und - 4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
- 1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
Ausländerinnen und Ausländer, - a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder - b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
- 3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- 1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, - 2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils, - 3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, - b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner, - c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
- 4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1.
länger als ein Jahr zusammenleben, - 2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, - 3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder - 4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
- 1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder - 2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
(4a) (weggefallen)
(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.
(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,
- 1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, - 2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder - b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
- 3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
Tenor
-
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Mai 2012 und das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 3. März 2011 sowie der Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2010 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 6. Juli 2010 bis 4. Oktober 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu zahlen.
-
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
- 1
-
Streitig sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 6.7.2010 bis 4.10.2010.
- 2
-
Die 1988 geborene Klägerin bulgarischer Staatsangehörigkeit reiste am 28.7.2009 mit einem bulgarischen Reisepass über den Grenzübergang Gradina (Bulgarien) aus und zu einem späteren, nicht exakt bekannten Zeitpunkt in die Bundesrepublik ein. Einwohnermelderechtlich wurde sie erstmals am 8.4.2010 "aus Bulgarien kommend" in Stuttgart erfasst. In der Zeit vor dem 8.4.2010 verfügte sie nicht über eine Arbeitserlaubnis und war nicht als Beschäftigte (bei einer Einzugsstelle oder der Minijobzentrale) gemeldet. Die Klägerin war seit Januar 2010 schwanger und wurde am 27.10.2010 von einem Mädchen entbunden. Am 6.7.2010 beantragte sie bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Bei Antragstellung gab sie an, Vater des erwarteten Kindes sei ihr Lebensgefährte. Zu diesem Zeitpunkt hatte dieser als griechischer Staatsangehöriger einen mehr als achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland zurückgelegt. Die Klägerin wies durch eine Urkunde des Jugendamts vom 20.7.2010 die Anerkennung der Vaterschaft nach. Über eine von ihr am 21.7.2010 bei der BA beantragte Erteilung einer Arbeitsgenehmigung-EU ohne Bezug zu einer konkreten Beschäftigung wurde zunächst nicht entschieden.
- 3
-
Der Beklagte lehnte den Antrag auf Leistungen nach dem SGB II ab (Bescheid vom 28.7.2010; Widerspruchsbescheid vom 10.8.2010). Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 3.3.2011). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 16.5.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Klägerin verfüge über einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Nach allen Erkenntnissen des Verfahrens habe sie bereits im Streitzeitraum beabsichtigt, in Deutschland zu bleiben. Ihr Aufenthalt sei auch in einer Weise verfestigt gewesen, dass von seiner Dauerhaftigkeit auszugehen sei. Die Anmietung einer Wohnung mit dem Lebensgefährten sei geplant gewesen. Das erwartete Kind habe von seiner Geburt an die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben dürfen, weil sein Vater einen mehr als achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland zurückgelegt habe. Die Klägerin sei nicht aus Rechtsgründen iS von § 8 Abs 2 SGB II als erwerbsunfähig einzustufen gewesen. Auch ein Unionsbürger, der noch nicht die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit genieße, sondern einer Arbeitserlaubnis bedürfe, sei zumindest dann erwerbsfähig iS von § 8 SGB II, wenn der Erlaubnisvorbehalt allein aus Nachrangigkeitsgründen bestehe und daher zumindest eine Arbeitserlaubnis-EU erteilt werden könne. Dies sei bei der Klägerin der Fall.
- 4
-
Der Leistungsanspruch sei jedoch nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II ausgeschlossen, weil die Klägerin im streitigen Zeitraum allenfalls aus Gründen der Arbeitsuche aufenthaltsberechtigt gewesen sei. Andere Aufenthaltsgründe lägen nicht vor. Insbesondere sei die Klägerin in Deutschland nicht als oder wie eine Arbeitnehmerin beschäftigt gewesen. Im Hinblick auf ihr Kind habe die Klägerin kein Aufenthaltsrecht als Familienangehörige erwerben können, weil sie erst ab Geburt des Kindes "Verwandte" iS von § 3 Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU gewesen sei. Ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art 4 iVm Art 70 der Verordnung (EG) Nr 883/2004 liege nicht vor. Dieses trete hinter die Regelung in Art 24 Abs 2 der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG) zurück. Zur Sozialhilfe iS des Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG zählten auch die Regelleistung und die Leistungen für Unterkunft und Heizung nach den §§ 20, 22 SGB II sowie - im Fall der Klägerin - die Mehrbedarfsleistungen für Schwangere. Diesen Leistungen fehle der spezifische Bezug zum Arbeitsmarkt, der einen Vorrang der VO (EG) Nr 883/2004 gegenüber der FreizügRL begründe. § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II iVm Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG sei als speziellere Regelung anwendbar. Auch ein Verstoß des § 7 Abs 1 S 2 SGB II gegen die Regelungen des EFA sei nicht ersichtlich, weil Bulgarien nicht Signatarstaat sei.
- 5
-
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin, das Berufungsurteil trage dem Schutz des ungeborenen Lebens nicht ausreichend Rechnung. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu den aufenthaltsrechtlichen Vorwirkungen der bevorstehenden Vaterschaft eines bereits im Bundesgebiet lebenden Ausländers hinsichtlich seines ungeborenen Kindes sei übertragbar. Dies folge aus dem Schutz der Familie nach Art 6 Abs 1 GG und der aus Art 2 Abs 2 S 1 und Art 1 Abs 1 GG abzuleitenden Schutzpflicht für die Gesundheit der werdenden Mutter und des ungeborenen Kindes. Es sei dem Vater zu ermöglichen, den in § 1615f BGB festgelegten Unterhalt als Naturalunterhalt zu erbringen. Dass der Unionsgesetzgeber eine solche Situation nicht vorhergesehen habe, führe allenfalls dazu, dass sich das Aufenthaltsrecht nicht aus dem Sekundär- sondern dem Primärrecht ergebe. Die werdende Mutter habe in der Zeit der Schwangerschaft einen aufenthaltsrechtlich geschützten Anspruch auf Beistand durch den "werdenden" Vater. Leistungsansprüche im Rahmen der sozialen Koordinierung seien durch die Unionsbürger-Richtlinie nicht ausgeschlossen, weil der EuGH soziale Ansprüche aus dem Freizügigkeitsregime und aus den Regelungen über die sozialrechtliche Koordinierung als konkurrierende behandele.
- 6
-
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Stuttgart vom 3. März 2011 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Mai 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 28. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. August 2010 zu verurteilen, ihr Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 6. Juli 2010 bis 4. Oktober 2010 zu gewähren.
- 7
-
Der Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
- 8
-
Die Klägerin könne über die Schwangerschaft keine Eigenschaft als Familienangehörige konstruieren. Zwar stünden sich - vor Erklärung des Vorbehalts der Bundesregierung - aus Rumänien und Bulgarien stammende EU-Bürger bei Leistungen nach dem SGB II schlechter als Ausländer, die gleichzeitig EFA-Staatsangehörige seien. Dieses unterschiedliche Ergebnis verstoße jedoch nicht gegen Unionsrecht, weil es durch die (befristet) eingeschränkte Freizügigkeit bulgarischer Staatsangehöriger gerechtfertigt sei, die insoweit auch das ansonsten unionsrechtlich geltende Diskriminierungsverbot einschränke.
Entscheidungsgründe
- 9
-
Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Die Vorinstanzen und der Beklagte haben einen Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu Unrecht verneint.
- 10
-
1. Streitgegenstand sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, die der Beklagte mit Bescheid vom 28.7.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.8.2010 abgelehnt hat. Die Klägerin hat den streitigen Zeitraum ausdrücklich auf die Zeit vom 6.7.2010 bis 4.10.2010 beschränkt.
- 11
-
2. Die Klägerin erfüllte im streitigen Zeitraum sämtliche Anspruchsvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 S 1 Nr 1 bis 4 SGB II und war auch nicht nach § 7 Abs 1 S 2 SGB II von den SGB II-Leistungen ausgeschlossen.
- 12
-
Leistungen nach dem SGB II erhalten nach § 7 Abs 1 S 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Die Klägerin bewegte sich innerhalb der Altersgrenzen des § 7 Abs 1 Nr 1 SGB II und war nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG(§ 163 SGG) hilfebedürftig nach § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II.
- 13
-
3. Die Klägerin war auch erwerbsfähig iS von § 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II iVm § 8 SGB II. Nach § 8 Abs 1 SGB II ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf (nicht) absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. IS von § 8 Abs 1 SGB II können Ausländerinnen und Ausländer nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte(§ 8 Abs 2 SGB II) .
- 14
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Nach den Feststellungen des LSG standen körperliche Gründe iS von § 8 Abs 1 SGB II einer Erwerbsfähigkeit nicht entgegen. Das Berufungsgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin nicht iS von § 8 Abs 2 SGB II als erwerbsunfähig anzusehen war. Zwar bleibt für EU-Bürger der zum 1.1.2007 beigetretenen Staaten Bulgarien und Rumänien (vgl Vertrag über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumänien zur Europäischen Union vom 25.4.2005
) die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art 45 AEUV) für eine Übergangsfrist von sieben Jahren bis zum 31.12.2013 in der Weise beschränkt, dass die bestehenden nationalen Regelungen für den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt für ausländische Staatsangehörige auch für diese neuen EU-Bürger beibehalten wurden. Staatsangehörige dieser Länder können sich nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU als Art 2 des ZuwanderungsG vom 30.7.2004; vgl § 1 Abs 2 Nr 1 AufenthG) grundsätzlich frei innerhalb der EU bewegen, benötigen zur Beschäftigungsaufnahme in Deutschland in der Übergangszeit aber weiterhin eine Arbeitsgenehmigung-EU (§ 284 Abs 1 S 2 SGB III idF des Gesetzes vom 7.12.2006, BGBl I 2814).
- 15
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Die Klägerin war nicht im Besitz einer Arbeitsgenehmigung. Es ist jedoch ausreichend, dass ihr vorbehaltlich der Vorlage eines konkreten, überprüfbaren Stellenangebots eines künftigen Arbeitgebers im streitigen Zeitraum die Aufnahme einer Beschäftigung hätte erlaubt werden können. Soweit das SG eine Erwerbsfähigkeit ohne weitere Ermittlungen mit der Begründung verneint hat, dass keine konkrete und realisierbare Möglichkeit zur Erteilung einer Arbeitsgenehmigung/EU bestanden habe, unterstellt es zu Unrecht, dass in jedem Einzelfall eine konkret-rechtliche Möglichkeit der Beschäftigungsaufnahme geprüft werden muss. Für die Annahme, dass eine Beschäftigung iS des § 8 Abs 2 SGB II erlaubt ist oder erlaubt werden könnte, reicht es jedoch aus, wenn die Aufnahme einer Tätigkeit im Sinne einer rechtlich-theoretischen Möglichkeit mit einer Zustimmung zur Beschäftigungsaufnahme durch die BA erlaubt sein könnte, auch wenn dies bezogen auf einen konkreten Arbeitsplatz durch die Verfügbarkeit geeigneter bevorrechtigter Bewerber(§ 39 Abs 2 AufenthG) verhindert wird. Unabhängig hiervon ist Unionsbürgern, also auch Rumänen und Bulgaren, Vorrang gegenüber Drittstaatsangehörigen einzuräumen ("Gemeinschaftsprivileg" HK-AuslR/Clodius, 1. Aufl 2008, Anhang zum FreizügG/§ 284 SGB III RdNr 19). Dass auf eine abstrakt-rechtliche Möglichkeit der Erteilung einer Arbeitsgenehmigung abzustellen ist, ergibt sich nunmehr auch aus dem mit Wirkung zum 1.4.2011 (BGBl I 453) eingefügten § 8 Abs 2 S 2 SGB II. Dieser bestimmt, dass die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 AufenthG aufzunehmen, ausreichend ist(BT-Drucks 15/1749 S 31 "Klarstellung"; BT-Drucks 15/1516 S 52).
- 16
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Einen solchen - gegenüber deutschen Staatsangehörigen und uneingeschränkt freizügigkeitsberechtigten EU-Bürgern - nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt hatte die Klägerin im streitigen Zeitraum, weil ihr eine Arbeitsgenehmigung/EU nach § 284 Abs 3 SGB III iVm § 39 Abs 2 Nr 1 AufenthG, etwa für eine Tätigkeit als Hilfskraft(vgl hierzu auch Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 13 RdNr 44), hätte erteilt werden können. Staatsangehörige aus den neuen EU-Beitrittsländern, die - wie die Klägerin - seit längerer Zeit in Deutschland wohnen, sind nicht als "Neueinreisende" iS von § 284 Abs 4 SGB III (mit "Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland") anzusehen, für die weitergehende Beschränkungen gelten(Dienelt aaO).
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4. Die Klägerin verfügte im streitigen Zeitraum auch über einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet iS von § 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II.
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Nach § 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II iVm § 30 Abs 3 S 2 SGB I hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Diese Definition gilt für alle Sozialleistungsbereiche des Sozialgesetzbuchs, soweit sich nicht aus seinen besonderen Teilen etwas anderes ergibt (§ 37 SGB I). Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist in erster Linie nach den objektiv gegebenen tatsächlichen Verhältnissen im streitigen Zeitraum zu beurteilen (BSG SozR 3-1200 § 30 Nr 5 S 8). Entscheidend ist, ob der örtliche Schwerpunkt der Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft im Inland ist. Dauerhaft ist ein solcher Aufenthalt, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen ist. Mit einem Abstellen auf den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse im Gebiet der Bundesrepublik soll - auch im Sinne einer Missbrauchsabwehr - ausgeschlossen werden, dass ein Wohnsitz zur Erlangung von Sozialleistungen im Wesentlichen nur formal begründet, dieser jedoch tatsächlich weder genutzt noch beibehalten werden soll (Schlegel in jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2012, § 30 RdNr 24 mit Verweis auf BT-Drucks 7/3786 S 5 zu § 30; zur Begründung eines Wohnsitzes "nach den faktischen Verhältnissen" iS von Art 1 lit j VO (EG) 883/2004 unter Einbeziehung der Definition in Art 11 VO (EG) Nr 987/2009 und Abgrenzung zur "legal residence in Directive 2004/38" Frings, Grundsicherungsleistungen für Unionsbürger unter dem Einfluss der VO (EG) Nr 883/2004 in ZAR, 2012, 317 ff, 322).
- 19
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Jedenfalls für den Bereich des SGB II läuft es der Vereinheitlichung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts zuwider, wenn unter Berufung auf eine sog Einfärbungslehre vor allem des früheren 4. Senats des BSG (vgl hierzu BSG SozR 3-1200 § 30 Nr 21 S 45 ff; ähnlich BSG SozR 3-2600 § 56 Nr 7 S 31 ff; anders für die Familienversicherung nach § 10 SGB V: BSGE 80, 209 ff, 211 f = BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 12 S 52 f) dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmende Tatbestandsmerkmale im Sinne von rechtlichen Erfordernissen zum Aufenthaltsstatus aufgestellt werden (vgl Schlegel in jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2012, § 30 RdNr 26, 50 ff)und damit einzelnen Personengruppen der Zugang zu existenzsichernden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts versperrt wird. Zudem hat der Gesetzgeber diese Rechtsprechung nur in Teilbereichen, etwa beim Kinder-, Erziehungs- und Elterngeld, aufgegriffen und einen Anspruch von einem definierten Aufenthaltsstatus abhängig gemacht (vgl zB § 1 Abs 7 BEEG; § 1 Abs 6 BErzGG idF bis zum 31.12.2006; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Differenzierungskriterien: BVerfGE 111, 176 ff = SozR 4-7833 § 1 Nr 4). Ein diesen Regelungen entsprechendes, also zu dem gewöhnlichen Aufenthalt hinzutretendes Anspruchsmerkmal im Sinne des Innehabens einer bestimmten Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU bzw eines bestimmten Aufenthaltstitels nach dem AufenthG fehlt im SGB II. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II in einer anderen Regelungssystematik ein Ausschlusskriterium von SGB II-Leistungen nur für diejenigen Ausländer vorgesehen, deren "Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt".
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Unabhängig hiervon liegt eine fehlende Dauerhaftigkeit des Aufenthalts im Sinne einer nicht vorhandenen Zukunftsoffenheit bei Unionsbürgern regelmäßig nicht vor, weil ihr Aufenthalt nicht nach einer bereits vorliegenden Entscheidung der dafür allein zuständigen Ausländerbehörde auflösend befristet oder auflösend bedingt ist. Zwar verfügte die Klägerin - anders als in den vom 14. Senat des BSG entschiedenen Fallgestaltungen (BSGE 107, 66 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 21 RdNr 13; BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 28 RdNr 17) -offenbar (Feststellungen des LSG hierzu fehlen) nicht über eine Freizügigkeitsbescheinigung (§ 5 FreizügG/EU; entfallen durch Art 1 des Gesetzes zur Änderung des FreizügigkeitsG/EU und weitere aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21.1.2013
). Einer solchen Bescheinigung kommt aber lediglich deklaratorische Bedeutung zu, weil sich das Freizügigkeitsrecht unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht ergibt (BT-Drucks 15/420 S 101; BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 28 RdNr 17; BVerwGE 110, 40, 53: subjektiv-öffentliches Unionsbürgerrecht unabhängig vom Zweck seiner Inanspruchnahme). Auch bei Staatsangehörigen aus den neuen Mitgliedstaaten kann der Aufenthalt während der Übergangsphase nur unter den Voraussetzungen der §§ 5 Abs 5, 6 und 7 FreizügG/EU wegen des Wegfalls, des Verlustes oder des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts, also nach Durchführung eines Verwaltungsverfahren, beendet werden(Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 2. Aufl 2011, § 13 RdNr 57, 61; OVG Bremen Beschluss vom 21.1.2011 - 1 B 242/10, juris-RdNr 4). Das Aufenthaltsrecht besteht, solange der Aufnahmemitgliedstaat nicht durch einen nationalen Rechtsakt festgestellt hat, dass der Unionsbürger bestimmte vorbehaltene Bedingungen iS des Art 21 AEUV nicht erfüllt (Harms in Kommentar zum Zuwanderungsrecht, 1. Aufl 2008, § 2 FreizügG RdNr 4 mwN).
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Auch § 13 FreizügG/EU steht der Vermutung einer Freizügigkeit nicht entgegen. Danach findet, soweit ua nach Maßgabe des Vertrags vom 25.4.2005 über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union (BGBl II 1146) abweichende Regelungen anwendbar sind, das FreizügG/EU Anwendung, wenn die Beschäftigung durch die BA gemäß § 284 Abs 1 SGB III genehmigt wurde. Trotz des unklaren Wortlauts des § 13 FreizügG/EU schränkt der Umstand, dass die Beitrittsverträge nationale Übergangsmaßnahmen im Hinblick auf den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt innerhalb eines längstens sieben Jahre dauernden Zeitraums durch die Mitgliedstaaten zulassen, nicht grundsätzlich das Freizügigkeitsrecht der neuen Unionsbürger ein(OVG Hamburg Beschluss vom 21.1.2011 - 1 B 242/10, juris-RdNr 4; HK-AuslR/Geyer, 1. Aufl 2008, § 13 FreizügG RdNr 2).
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5. Der Anspruch auf SGB II-Leistungen ist auch nicht nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II ausgeschlossen. Ausgenommen von Leistungen nach dem SGB II sind danach ua Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Abs 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts (Nr 1) und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen (Nr 2). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) greift der Anspruchsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II schon deshalb nicht, weil die Klägerin unmittelbar nach Verlassen Bulgariens Ende Juli 2009 nach Deutschland eingereist ist und sich seitdem im Bundesgebiet aufgehalten hat, bevor sie im April 2010 einwohnermelderechtlich erfasst wurde.
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6. a) Auch § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II schließt einen Anspruch der Klägerin nicht aus, weil sich ihr Aufenthaltsrecht im streitigen Zeitraum nicht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergab. Die Ausschlussregelung erfordert - zur Umsetzung des Willens des Gesetzgebers bei Unionsbürgern regelmäßig eine "fiktive Prüfung" des Grundes bzw der Gründe ihrer Aufenthaltsberechtigung. Bereits das Vorhandensein der Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts aus einem anderen Grund als dem Zweck der Arbeitsuche hindert die von der Rechtsprechung des BSG geforderte positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" iS von § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II. Ein solcher Fall liegt hier vor, weil sich aus der bevorstehenden Geburt des Kindes der Klägerin ein anderes Aufenthaltsrecht ergeben konnte.
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b) Unbesehen des subjektiv-öffentlichen Unionsbürgerrechts nach der RL 2004/38/EG und dem deutschen FreizügG/EU erfordert eine dem Willen des Gesetzgebers entsprechende Anwendung des Ausschlusstatbestandes des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II eine "fiktive Prüfung", ob - im Falle von Unionsbürgern - ein Aufenthaltsrecht allein zum Zweck der Arbeitsuche bestand oder daneben auch andere Aufenthaltszwecke den Aufenthalt des Unionsbürgers im Inland rechtfertigen konnten. Dies ergibt sich aus der für die Auslegung der Vorschrift wesentlichen Entstehungsgeschichte der Ausschlussregelung.
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Den Gesetzesmaterialien zu § 7 Abs 1 S 2 SGB II ist zu entnehmen, dass von der "Option" des Art 24 Abs 2 iVm Art 14 Abs 4 der RL 2004/38/EG auch im Bereich des SGB II Gebrauch gemacht werden sollte(BT-Drucks 16/5065 S 234; siehe auch BT-Drucks 16/688 S 13). Trotz des Kontextes, in welchem die Regelung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II erlassen wurde, nämlich der Erweiterung der Freizügigkeit von Arbeitnehmern zu einer allgemeinen Freizügigkeit für alle Unionsbürger durch die RL 2004/38/EG, wollte der bundesdeutsche Gesetzgeber neben den von Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG unstreitig erfassten Sozialhilfeleistungen auch SGB II-Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausschließen. Deren Einordnung als Sozialhilfeleistungen iS von Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG ist allerdings fraglich. Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG haben die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts entsprechend ihrer Aufnahme in den Anhang der VO (EG) Nr 883/2004 als "besondere beitragsunabhängige Geldleistungen" nach Art 4 iVm Art 70 VO (EG) Nr 883/2004, nicht jedoch als Leistungen der "sozialen Fürsorge" iS von Art 3 Abs 5a) VO (EG) Nr 883/2004 angesehen. Sie haben darauf hingewiesen, dass durch das Erfordernis der Erwerbsfähigkeit ein Bezug zu den Leistungen bei Arbeitslosigkeit bestehe (BSGE 107, 66 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 21 RdNr 29; BSGE 107, 206 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 22 RdNr 20 f; vgl auch EuGH Urteil vom 4.9.2009 - Rs C-22/08
- SozR 4-6035 Art 39 Nr 5, RdNr 43; siehe aber auch BVerwG Urteil vom 31.5.2012 - 10 C 8/12 juris RdNr 25 mwN, zur Einordnung von SGB II-Leistungen als aufenthaltsrechtlich schädliche Sozialhilfeleistungen iS des Art 7 Abs 1 Buchst b der RL 2004/38/EG, wobei dies "nicht zwingend deckungsgleich" mit dem in Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG genannten Begriff der Sozialhilfe sein müsse; kritisch hierzu Breidenbach in ZAR 2011, 235 ff) .
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Ungeachtet der insofern bestehenden Zweifel an der europarechtlichen Zulässigkeit des nicht nach dem Grad der Verbindung des arbeitsuchenden Unionsbürgers zum Arbeitsmarkt des Aufnahmestaats und seinem beruflich möglichen Zugang zum Arbeitsmarkt differenzierenden sowie zeitlich unbefristeten Ausschlusses der arbeitsuchenden Unionsbürger von SGB II-Leistungen ist § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II als Ausschlussregelung von existenzsichernden Sozialleistungen jedenfalls eng auszulegen. Auch aus dem Aufbau der Norm ist abzuleiten, dass positiv feststellt werden muss, dass dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland zusteht (BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 28).
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c) Jedenfalls nicht erfasst von § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II werden Unionsbürger, bei denen die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU oder ggf dem begrenzt subsidiär anwendbaren AufenthG (siehe hierzu unten) aus anderen Gründen als dem Zweck der Arbeitsuche vorliegen. Insofern ist der Regelung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II immanent, dass der Ausschluss nur Unionsbürger trifft, die sich ausschließlich und ggf schon vor einer Meldung beim Jobcenter auch eigeninitiativ um eine Beschäftigung bemüht haben, nicht jedoch diejenigen erfasst, die sich auch auf ein anderes Aufenthaltsrecht berufen können.
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Da Unionsbürger für die Einreise keines Visums und für den Aufenthalt keines Aufenthaltstitels (§ 2 Abs 4 S 1 FreizügG/EU) bedürfen, kann bei ihnen der ausländerrechtlich anerkannte Aufenthaltszweck nicht unmittelbar einem entsprechenden Dokument mit möglicher Tatbestandswirkung für das SGB II entnommen werden. Vor dem Hintergrund einer - bis zur Feststellung des Nichtbestehens oder des Verlusts einer Freizügigkeitsberechtigung - bestehenden Freizügigkeitsvermutung von Unionsbürgern und der bereits damit verbundenen Vermutung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts (vgl Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 12 RdNr 34) kann bei dieser Personengruppe nicht darauf abgestellt werden, ob das Aufenthaltsrecht in einem Aufenthaltstitel dokumentiert ist. Zwar kann ein in einer ggf bis zum 28.1.2013 deklaratorisch erteilten Bescheinigung gemäß § 5 Abs 1 FreizügG/EU (aF) angegebener Aufenthaltszweck ein wesentliches Indiz für den Aufenthaltsgrund sein. Unionsbürger sind jedoch nicht verpflichtet, die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthalts durch eine entsprechende Bescheinigung nachzuweisen (BVerwG Urteil vom 16.11.2010 - 1 C 17/09, BVerwGE 138, 122 ff). Entscheidend ist das Vorliegen der Voraussetzungen für ein weiteres Aufenthaltsrecht. Auch soweit der Aufenthalt aus einem anderen materiell bestehenden Aufenthaltsrecht als dem Zweck der Arbeitsuche nicht beendet werden könnte, hindert dies sozialrechtlich die positive Feststellung eines "Aufenthaltsrechts allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" iS von § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II.
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Seine Feststellung, die Klägerin sei im streitigen Zeitraum "ab dem 6.7.2010 in Deutschland allenfalls aus Gründen der Arbeitsuche aufenthaltsberechtigt", hat das Berufungsgericht vorrangig damit begründet, dass ein Aufenthaltsrecht wegen einer fortwirkenden Arbeitnehmereigenschaft nicht bestanden habe (vgl zu dem hierfür regelmäßig angenommen Zeitraum von sechs Monaten: § 2 Abs 3 S 1 Nr 2 iVm § 2 Abs 3 S 2 FreizügG/EU; EuGH Urteil vom 4.6.2009 - C-22/08, C-23/08
- SozR 4-6035 Art 39 Nr 5, RdNr 32; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 = SozR 4-4200 § 7 Nr 21, RdNr 18). Ob sich die Klägerin bis zum Beginn des streitigen Zeitraums auf ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche berufen konnte, hat das LSG nicht erörtert. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist ein arbeitsuchender EU-Bürger solange freizügigkeitsberechtigt, wie er mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht, wobei das Gemeinschaftsrecht die Länge des angemessenen Zeitraums nicht regelt. Allerdings ist es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, dem Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats, der zum Zweck der Stellensuche in sein Gebiet eingereist ist, auszuweisen, wenn dieser nach sechs Monaten keine Stelle gefunden hat, sofern der Betroffene nicht nachweist, dass er weiterhin und mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht (EuGH Urteil vom 26.2.1991 - C-292/89; so auch Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 2 FreizügG/EU RdNr 56).
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Auch wenn die Klägerin wegen des im streitigen Zeitraum hinzutretenden SGB II-Antrags und der damit verbundenen Verpflichtung, alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen und aktiv an allen Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit mitwirken (§ 2 Abs 1 S 1 und 2 SGB II), als Arbeitsuchende anzusehen ist, hindert dies nicht die Annahme eines Aufenthaltsrechts auch aus einem anderen Aufenthaltsgrund (vgl zum zulässigen Wechsel der Aufenthaltszwecke während des Aufenthalts: HK-AuslR/Geyer, 2008, § 5 FreizügG/EU RdNr 3). Auch der Verlust des Freizügigkeitsrechts kann erst festgestellt werden, wenn die Freizügigkeitsberechtigung nicht aus anderen Gründen besteht (Huber, AufenthaltsG, 2010, § 5 FreizügG/EU RdNr 15). Ein solches bereits vor SGB II-Antragstellung hinzugetretenes weiteres Aufenthaltsrecht der Klägerin im Bundesgebiet liegt hier vor.
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d) Die Klägerin konnte sich nach den besonderen Einzelfallumständen in dem hier streitigen Zeitraum wegen der zu erwartenden Geburt des Kindes auch auf ein anderes Aufenthaltsrecht iS des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II berufen.
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§ 11 Abs 1 S 5 FreizügG/EU in der bis zum 30.6.2011 geltenden Fassung vom 19.8.2007 (BGBl I 1970) bestimmt, dass das - grundsätzlich nur noch für Drittstaatsangehörige geltende - AufenthG weiterhin auch auf Unionsbürger Anwendung findet, wenn es eine günstigere Regelung vermittelt als das FreizügG/EU. Bei dem anzustellenden Günstigkeitsvergleich ist keine abstrakt wertende Betrachtung in Bezug auf die gesamte Rechtsstellung anzustellen. Vielmehr knüpft der Vergleich iS einer den konkreten Einzelfall in den Blick nehmenden Betrachtung an einzelne Merkmale an (Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 11 RdNr 28).
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Nach dem insoweit anwendbaren § 7 Abs 1 S 3 AufenthG kann - unabhängig von der ansonsten geforderten Bindung der Aufenthaltserlaubnis an konkrete, im AufenthG genannte Aufenthaltszwecke(§ 7 Abs 1 S 2 AufenthG) - in begründeten Fällen im Wege einer Ermessensentscheidung eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht genannten Aufenthaltszweck erteilt werden. Allerdings ist das LSG zu Recht davon ausgegangen, dass eheähnlich zusammenlebende heterosexuelle Paare weder aus dem Auffangtatbestand des § 7 Abs 1 S 3 AufenthG noch aus dem europäischem Recht ein Aufenthaltsrecht zur Familienzusammenführung ableiten können, weil der Familiennachzug in § 3 FreizügG/EU und den §§ 27 ff AufenthG abschließend geregelt ist. Da nichteheliche Lebensgemeinschaften von den ausdrücklichen Regelungen gerade nicht erfasst sind, ist die Anwendung von § 7 Abs 1 S 3 AufenthG grundsätzlich gesperrt(vgl BVerwG Urteil vom 27.2.1996 - 1 C 41/93 - BVerwGE 100, 287 ff; Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 7 AufentG RdNr 20).
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Die - hier im Rahmen der Ausschlussklausel des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II - bei Unionsbürgern nur zu prüfenden Voraussetzungen eines anderen Aufenthaltsrechts sind aber wegen der bevorstehenden Geburt des Kindes gegeben. Insofern handelt es sich um ein Aufenthaltsrecht aus familiären Gründen, das aus dem Zusammenleben der Partner mit einem gemeinsamen Kind oder dem Kind eines Partners folgt. Diese Personengruppen bilden jeweils eine Familie iS des Art 6 GG und der §§ 27 Abs 1, 28 Abs 1, 29 und 32 AufenthG und können sich auch auf den Schutz aus Art 8 der Konvention des Europarates zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten(MRK) berufen (vgl auch Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 7 AufenthG RdNr 20).
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Eine solche Konstellation, die einen anderen Aufenthaltszweck als denjenigen der Arbeitsuche vermitteln kann, kann auch in einer bevorstehenden Familiengründung liegen. Insofern wird in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zum AufenthG angenommen, dass der bevorstehenden Geburt eines Kindes aufenthaltsrechtliche Vorwirkungen für den Aufenthaltsstatus eines Elternteils zukommen können. Die anstehende Vaterschaft eines bereits im Bundesgebiet lebenden Ausländers hinsichtlich des ungeborenen Kindes einer deutschen, aber auch ausländischen Staatsangehörigen kann aufenthaltsrechtliche Vorwirkungen im Sinne eines Abschiebungshindernisses begründen, wenn entweder der Schutz der Familie nach Art 6 Abs 1 GG und die aus Art 2 Abs 2 S 1 und Art 1 Abs 1 GG abzuleitende Schutzpflicht für die Gesundheit der werdenden Mutter und des Kindes dies gebieten, oder wenn beide Elternteile bereits in Verhältnissen leben, welche eine gemeinsame Übernahme der elterlichen Verantwortung sicher erwarten lassen und eine (vorübergehende) Ausreise zur Durchführung eines Sichtvermerkverfahrens nicht zumutbar ist. Dies gilt zumindest mit der Vaterschaftsanerkennung und der Zustimmung der Mutter (§§ 1592 Nr 2, 1595 Abs 1 BGB) sowie einer gemeinsamen Sorgerechtserklärung (OVG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 23.2.2012 - 2 S 94.11, 2 M 70.2 M 70.11 - RdNr 3 ff; Sächsisches OVG Beschluss vom 2.10.2009 - 3 B 482/09 - InfAuslR 2010, 27 ff: vgl auch VG Dresden Beschluss vom 11.6.2008 - 3 L 279/08 - RdNr 10 zum Abschiebungsschutz für eine werdende ausländische Mutter). Insofern tritt die staatliche Verpflichtung aus Art 6 Abs 1 GG iVm Abs 2 GG ein (OVG Hamburg Beschluss vom 14.8.2008 - 4 Bs 84/08 - InfAuslR 2009, 16 ff). Von der Schutzpflicht des Staates aus Art 6 GG ist insbesondere die Rechtsposition des Kindes sowie dessen Anspruch auf Ermöglichung bzw Aufrechterhaltung eines familiären Bezugs zu beiden Elternteilen von Geburt an betroffen (BVerfG FamRZ 2006, 187 ff; BVerfG NVwZ 2006, 682, 683 zum Familienschutz; BVerfGE 80, 81 ff).
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Diese aufenthaltsrechtlichen Vorwirkungen einer bevorstehenden Familiengründung bestanden auch im Falle der Klägerin. Es wäre ihr weniger als vier Monate vor dem errechneten Geburtstermin nicht mehr zumutbar gewesen, sich von dem Vater des Kindes unter zumindest vorübergehender Aufgabe des familiären Zusammenhalts und mit dem Risiko einer zeitgerechten Rückkehr zur Geburt zu trennen. Auch in der hier vorliegenden Fallgestaltung soll verhindert werden, dass ein Kind in dem ersten Jahr nach seiner Geburt entgegen Art 6 Abs 1 GG von der Erziehungsleistung eines seiner Elternteile ausgeschlossen wird. Für die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen aus Art 6 GG und damit auch ihre Vorwirkungen ist dabei nicht vorrangig auf formal-rechtliche familiäre Bindungen, sondern auf die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern im Wege einer Einzelfallbetrachtung abzustellen (BVerfG FamRZ 2006, 187 ff, RdNr 18 mwN). Nach den Feststellungen des LSG hat die Klägerin bereits bei Antragstellung angegeben, dass ihr Kind von dem Lebensgefährten sei, mit dem die Anmietung einer gemeinsamen Wohnung geplant sei. Es ergab sich daher schon für die Zeit vor der Anerkennung der Vaterschaft eine vorwirkende Schutzwirkung, die ein Aufenthaltsrecht der Klägerin wegen des bevorstehenden familiären Zusammenlebens begründen konnte.
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
- 1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, - 2.
erwerbsfähig sind, - 3.
hilfebedürftig sind und - 4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
- 1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
Ausländerinnen und Ausländer, - a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder - b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
- 3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- 1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, - 2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils, - 3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, - b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner, - c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
- 4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1.
länger als ein Jahr zusammenleben, - 2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, - 3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder - 4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
- 1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder - 2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
(4a) (weggefallen)
(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.
(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,
- 1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, - 2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder - b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
- 3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
Tenor
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Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. Januar 2013 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
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Im Streit ist ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Aufwendungen in Höhe von 1841,44 Euro als Nothelfer.
- 2
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Die Klägerin betreibt das Evangelische Krankenhaus in K-Ka Am 23.3.2010, um 17:56 Uhr, wurde der polnische Staatsangehörige S P B (B), der bereits am 22.3.2010 wegen einer an diesem Tag (bei seiner Verhaftung) erlittenen Schädelbasisfraktur als Notfall in einem anderen K Krankenhaus behandelt worden war, dieses aber gegen ärztlichen Rat wieder verlassen hatte, durch die Polizei in das Krankenhaus der Klägerin eingeliefert und dort bis zum 3.4.2010 behandelt. Der heroinabhängige B war nicht erwerbstätig und verfügte weder über Einkommen noch über Vermögen. Entsprechende Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen machte er bei seiner Aufnahme; einen Krankenversicherungsschutz verneinte er.
- 3
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Am 29.3.2010 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie B behandele. Am 28.4.2010 beantragte sie dann bei dieser die Erstattung der Kosten für die Krankenhausbehandlung in der Zeit vom 23.3. bis zum 3.4.2010 auf der Grundlage einer Fallpauschale in Höhe von 2403,08 Euro (Rechnung vom 27.4.2010). Die Beklagte lehnte die Kostenübernahme ab, weil B als Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union (EU) nach § 5 Abs 1 Nr 13 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) pflichtversichert gewesen sei(Bescheid vom 2.6.2010; Widerspruchsbescheid vom 13.12.2010).
- 4
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Das Sozialgericht (SG) Köln hat die Beklagte zur Erstattung von Kosten in Höhe von 1841,44 Euro verurteilt und die Klage wegen der übrigen Kosten (Höhe des geltend gemachten Langliegerzuschlags) abgewiesen (Urteil vom 7.9.2011). Die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen zurückgewiesen (Urteil vom 28.1.2013). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Klägerin seien die Aufwendungen in Höhe von 1841,44 Euro als Nothelfer nach § 25 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) zu erstatten. Am Tag der Einlieferung des B habe ein Eilfall vorgelegen, weil eine unverzügliche stationäre Aufnahme und Behandlung außerhalb der üblichen Dienstzeiten der Beklagten zwingend erforderlich gewesen sei. Es könne offen bleiben, ob der Eilfall bereits am 24.3.2010 beendet gewesen sei. Die Behandlungskosten seien nämlich nach dem für das SGB V geltenden Vergütungssystem als Pauschale abzurechnen; eine zeitanteilige Aufteilung der Behandlungskosten scheide aus, weil sich die von der Fallpauschale erfasste Behandlung als Einheit darstelle. Für B habe im Zeitpunkt des Eilfalls keine Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst b SGB V bestanden. Aufenthaltsberechtigt habe er nämlich nur unter den Voraussetzungen des § 2 Abs 2 Nr 5 iVm § 4 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU) sein können; denn nach seinen ersichtlichen Lebensumständen sowie seinen damit übereinstimmenden Angaben gegenüber der Klägerin habe er in Deutschland nicht gearbeitet und auch keine Arbeit gesucht. Damit sei der Ausschlusstatbestand des § 5 Abs 11 Satz 2 SGB V erfüllt, und eine vorrangige Versicherungspflicht nach dem SGB V scheide aus. B habe schließlich nicht über hinreichendes, seine Hilfebedürftigkeit beseitigendes Einkommen oder Vermögen verfügt. Eine Krankenversicherung in Polen habe ebenfalls nicht bestanden. Der Anspruch sei am 29.3.2010, damit auch in angemessener Frist, geltend gemacht worden.
- 5
-
Mit ihrer Revision macht die Beklagte eine Verletzung von § 25 SGB XII geltend. Die Entscheidung des LSG verstoße gegen den Nachranggrundsatz des § 2 Abs 1 SGB XII. Es sei bereits fraglich, ob B tatsächlich ohne Krankenversicherungsschutz in Deutschland gelebt habe. Auch die Annahme des LSG, dass sich B nicht zum Zwecke der Arbeitsaufnahme in Deutschland aufgehalten habe, sei durch nichts belegt. Eine mögliche Unaufklärbarkeit der Aufenthalts- und wirtschaftlichen Verhältnisse treffe die Klägerin, die sich während des stationären Aufenthalts des B nicht um eine Sachaufklärung bemüht habe. Der Umfang der nach § 25 Satz 1 SGB XII zu erstattenden Aufwendungen sei jedenfalls "pro rata temporis", also nach der tatsächlich für die Fallpauschale in Anspruch genommenen Zahl der Krankenhaustage, zu bemessen.
- 6
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Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben sowie das Urteil des SG abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
- 7
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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
- 8
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Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
- 9
-
Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des LSG-Urteils und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz
) .
- 10
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Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 2.6.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2010 (§ 95 SGG), gegen den sich die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 iVm § 56 SGG) wendet. Dabei ist der Anspruch auf Erstattung betragsmäßig auf Aufwendungen in Höhe von 1841,44 Euro begrenzt, nachdem sich die Klägerin gegen die erstinstanzliche Abweisung der Klage in Höhe von 561,64 Euro nicht gewandt hat. Einer Beiladung des B nach § 75 Abs 2 1. Alt SGG (echte notwendige Beiladung) bedurfte es nicht (vgl dazu nur Bundessozialgericht
, Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 13/12 R - RdNr 12).
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Ein Anspruch der Klägerin als Nothelfer - andere Anspruchsgrundlagen scheiden aus - kann sich nur gegen die Stadt K als den sachlich und örtlich zuständigen Träger der Sozialhilfe am Ort des tatsächlichen Aufenthalts des B richten (§ 97 Abs 1, § 98 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 3 SGB XII iVm § 3 Abs 2 SGB XII, §§ 1, 2 Landesausführungsgesetz zum SGB XII für das Land Nordrhein-Westfalen
vom 16.12.2004 - Gesetz- und Verordnungsblatt . Für die örtliche Zuständigkeit ist nämlich wegen der Eilbedürftigkeit der Leistungserbringung durch den Nothelfer der tatsächliche Aufenthalt des B im Zeitpunkt der Aufnahme maßgeblich; § 25 Satz 2 SGB XII begründet keine eigene Zuständigkeit für die Fälle der Nothilfe, sondern knüpft an die gesetzlichen Zuständigkeitsregelungen wegen der Leistungen an, die der Träger der Sozialhilfe in Kenntnis seiner Leistungspflicht hätte erbringen müssen. Maßgeblich ist in Eilfällen, die eine Aufnahme in einer stationären Einrichtung notwendig machen, die in § 98 Abs 2 Satz 3 SGB XII (tatsächlicher Aufenthalt) geregelte Zuständigkeit(so bereits BVerwGE 114, 326, 329 ff), selbst wenn ein gewöhnlicher Aufenthalt des Hilfebedürftigen in einem anderen Zuständigkeitsbereich besteht, der - den Eilfall hinweggedacht - die örtliche Zuständigkeit des dortigen Trägers begründen würde (vgl § 98 Abs 2 Satz 1 SGB XII). Diese Auslegung entspricht dem Zweck des 25 SGB XII, die Bereitschaft Dritter zur Hilfeleistung im Interesse des Hilfebedürftigen zu erhalten (dazu nur BSGE 114, 161 ff RdNr 19 mwN = SozR 4-5910 § 121 Nr 1); der Nothelfer soll nicht mit der Frage nach Zuständigkeitsregelungen innerhalb der Sozialverwaltung belastet werden. Die Erstattungsregelungen für stationäre Hilfe in Eilfällen (vgl § 106 Abs 1 SGB XII)stellen ausreichend sicher, dass dem vorläufig eintretenden Träger am Ort der stationären Einrichtung aus der Vorleistung keine finanziellen Nachteile entstehen. Ob sich B in K gewöhnlich aufgehalten hat, bedarf damit keiner Überprüfung.- und der Ausführungsverordnung zum SGB XII des Landes NRW vom 16.12.2004 - GVBl 817)
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Ob die Klägerin allerdings einen Anspruch nach § 25 SGB XII(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022) hat, kann der Senat mangels ausreichender Feststellungen des LSG nicht entscheiden. Nach § 25 SGB XII sind demjenigen, der in einem Eilfall einem anderen Leistungen erbracht hat, die bei rechtzeitigem Einsetzen von Sozialhilfe nicht zu erbringen gewesen wären, auf Antrag die Aufwendungen in gebotenem Umfang zu erstatten, wenn er sie nicht aufgrund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen hat(Satz 1). Der Anspruch richtet sich gegen den für die Sozialhilfeleistung zuständigen Sozialhilfeträger. Dies gilt nur, wenn die Erstattung innerhalb angemessener Frist beim zuständigen Träger der Sozialhilfe beantragt wird (Satz 2).
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In materiellrechtlicher Hinsicht setzt ein Anspruch nach § 25 SGB XII zunächst voraus, dass ein beim Nothilfeempfänger bestehender unabwendbarer Bedarf nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des SGB XII unmittelbar durch den Dritten gedeckt wird. Dieses bedarfsbezogene Moment beschreibt die Eilbedürftigkeit des Eingreifens selbst (BSGE 114, 161 ff RdNr 17 = SozR 4-5910 § 121 Nr 1; BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 13/12 R - RdNr 16).
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Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass maßgeblich für die Beurteilung des Eilfalls zunächst der Zeitpunkt der Aufnahme (23.3.2010) am Tag nach der Verletzung (22.3.2010) war, nachdem die (erste) Hilfeleistung am Tag zuvor mit Entlassung des B aus der Behandlung beendet worden war. Mit jedem weiteren Eingreifen eines Dritten als Nothelfer kann insoweit ein weiterer Eilfall entstehen (zu einer jeweils "aktualisierten Eilfallzuständigkeit" schon BVerwGE 114, 326, 329 ff). Ob und in welchem Umfang vorliegend aber im Zeitpunkt der (erneuten) Aufnahme, am 23.3.2010, ein Bedarf des B bestand, den die Beklagte als Hilfe bei Krankheit (vgl § 19 Abs 3, § 23 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 48 Satz 1 SGB XII) sofort hätte decken müssen, kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des LSG nicht entschieden werden. Seine Feststellungen (durch Bezugnahme auf die Feststellungen des SG) ermöglichen nicht die rechtliche Entscheidung, ob zu diesem Zeitpunkt eine unaufschiebbare Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit bestand. Aus der mitgeteilten Diagnose (Schädelbasis-bruch) und den durchgeführten Behandlungen (Schädel-Hirntrauma-Überwachung und neurologisches Konzil) allein lässt sich weder ersehen, inwieweit solche Behandlungen überhaupt medizinisch notwendig waren, noch, ob es (durchgehend) der besonderen sächlichen und personellen Ausstattung des Krankenhauses bedurfte. Das LSG wird nach Zurückverweisung daher ggf anhand des § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 5 iVm § 39 SGB V, auf die § 48 Satz 1 SGB XII iVm § 52 SGB XII wegen der Leistungen zur Krankenhausbehandlung Bezug nimmt, zu überprüfen haben, ob und an welchen Tagen bei B ein unabweisbarer Bedarf in Form der Krankenhausbehandlung bestand.
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Ergeben die weiteren Feststellungen des LSG, dass am 23.3.2010 eine sofortige Behandlung in einem Krankenhaus notwendig war, muss zu diesem bedarfsbezogenen Moment ein sozialhilferechtliches hinzukommen; eine rechtzeitige Leistung des Sozialhilfeträgers darf objektiv nicht zu erlangen gewesen sein. Der Anspruch des Nothelfers besteht nämlich in Abgrenzung zum Anspruch des Hilfebedürftigen nur dann, wenn der Sozialhilfeträger keine Kenntnis vom Leistungsfall hat und ein Anspruch des Hilfebedürftigen gegen den Sozialhilfeträger (nur) deshalb nicht entsteht. Ein Eilfall liegt damit nicht vor, wenn Zeit zur Unterrichtung des zuständigen Sozialhilfeträgers verbleibt (zum Ganzen BSGE 114, 161 ff RdNr 18 mwN = SozR 4-5910 § 121 Nr 1; BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 13/12 R - RdNr 17 mwN). Nach den unangegriffenen und damit bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG war es der Klägerin objektiv unmöglich, den zuständigen Sozialhilfeträger noch am 23.3.2010 über den Hilfefall zu unterrichten, weil die Aufnahme erst nach Dienstschluss der Beklagten erfolgt ist.
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Am 24.3.2010 wäre ein Eilfall aber entfallen; denn die Klägerin hat der an diesem Tag (einem Mittwoch) wieder dienstbereiten Beklagten keine Kenntnis vom Hilfefall verschafft und auf diese Weise ihre Obliegenheiten verletzt, weil B zuvor ihr - der Klägerin - gegenüber das Bestehen eines Versicherungsschutzes ebenso wie ausreichendes Einkommen und Vermögen als Selbstzahler ausdrücklich verneint hatte. Die Obliegenheit eines Krankenhauses, den Sozialhilfeträger zu unterrichten, wird regelmäßig dann ausgelöst, wenn der Patient - wie hier - einen Versicherungsschutz in der GKV nicht durch Vorlage einer Versichertenkarte (vgl § 15 Abs 6 SGB V) nachweisen kann (im Einzelnen BSGE 114, 161 ff RdNr 23 ff = SozR 4-5910 § 121 Nr 1)und sich auch ansonsten keine Umstände ergeben, aus denen die notwendige Kostensicherheit für das Krankenhaus hervorgeht (dazu BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 13/12 R - RdNr 19). Sollte - wie das SG ausgeführt hat - die Klägerin am 24.3.2010 die erforderliche Mitteilung per Fax abgesandt, hierbei aber versehentlich eine fehlerhafte Nummer eingegeben haben, würde dies zu keiner anderen Beurteilung führen; die Klägerin würde insoweit das Risiko tragen.
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Zu weiter gehenden Ermittlungen nach dem Ende des Eilfalls war die Klägerin aber - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht verpflichtet. Da eine Durchbrechung des öffentlich-rechtlichen Systems für die Gewährung der Sozialhilfe (insbesondere des speziell hierfür normierten Verwaltungsverfahrens und der "Vergütungsstruktur") durch den Nothelfer regelmäßig nicht im öffentlichen Interesse liegt (BSGE 114, 161 ff RdNr 20 = SozR 4-5910 § 121 Nr 1), treffen ihn nach dem Ende des Eilfalls im Verhältnis zum Sozialhilfeträger auch keine zusätzlichen Pflichten zur Ermittlung, ob wegen des Hilfebedarfs, den er als Nothelfer gedeckt hat, Ansprüche nach dem SGB XII im Einzelnen tatsächlich bestehen. Verschafft der Nothelfer dem Sozialhilfeträger die Kenntnis vom Eilfall, obliegt vielmehr diesem - nicht anders als im Falle der Vermittlung der Kenntnis durch den Hilfebedürftigen selbst - die weitere Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen (§ 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -
) , auch wenn der Nothelfer die materielle Beweislast dafür trägt, dass der geltend gemachte Anspruch besteht (vgl BSGE 114, 161 ff RdNr 24 mwN = SozR 4-5910 § 121 Nr 1). Erforderlich ist nur die Stellung eines Antrags auf Kostenerstattung innerhalb angemessener Frist (vgl § 25 Satz 2 SGB XII). Diese Frist, die aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität regelmäßig einen Monat nach Ende des Eilfalls beträgt (vgl BSGE 114, 161 ff RdNr 28 = SozR 4-5910 § 121 Nr 1), ist vorliegend mit dem Eingang des Antrags bei der Beklagten am 29.3.2010 eingehalten.
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Zur Durchführung der dann notwendigen Ermittlungen darf der Träger der Sozialhilfe im Falle der medizinischen Nothilfe die Gesundheitsdaten des Patienten erheben (§ 67a Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB X), auch wenn dieser - wie hier - nicht mehr erreichbar ist und ein entsprechendes Einverständnis nicht erteilen kann. Denn das Krankenhaus, das wegen einer medizinischen Notfallbehandlung einen Anspruch auf Nothilfe nach § 25 SGB XII geltend macht, ist zur Übermittlung der Angaben an den Sozialhilfeträger verpflichtet, der es zur Überprüfung der Richtigkeit der Abrechnung einer Krankenhausbehandlung auf Grundlage des § 48 Satz 1 SGB XII bedarf(vgl § 52 Abs 3 Satz 3 SGB XII iVm § 301 Abs 1 SGB V). Es gelten insoweit die bereichsspezifischen Regelungen des SGB V für die Übertragung von Daten auch für die Fälle der Nothilfe (vgl BSGE 102, 134 ff RdNr 38 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2 für die Behandlung durch nicht zugelassene Leistungserbringer in Fällen des sog Systemversagens nach dem SGB V).
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Auf der Grundlage der Feststellungen des LSG war B jedenfalls finanziell hilfebedürftig. Er verfügte im Zeitpunkt der Aufnahme bei der Klägerin über keinerlei Einkommen oder Vermögen und war damit nicht in der Lage, die Kosten für eine notwendige Krankenbehandlung selbst aufzubringen. Diese Feststellungen sind von der Beklagten nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen; sie sind für das Revisionsgericht bindend (§ 163 SGG). Soweit die Beklagte vorträgt, die Schlussfolgerungen des LSG aus dem zugrunde gelegten Sachverhalt seien nicht nachvollziehbar und spekulativ, bemängelt sie ohne eine entsprechende Verfahrensrüge (nur) die Beweiswürdigung durch das LSG, die der revisionsgerichtlichen Kontrolle entzogen ist.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten scheitert ihre Leistungspflicht nicht am Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 Abs 1 SGB XII). Insbesondere bestand für B kein Versicherungsschutz in der GKV, sodass keine Krankenkasse vorrangig für die Erbringung der Leistung zuständig war und diese Leistung (ggf im Kontext des § 25 SGB XII) als Sachleistung - ohne Rücksicht auf die Kenntnis davon - bereits erbracht wäre(vgl BSGE 114, 161 ff RdNr 26 = SozR 4-5910 § 121 Nr 1). Nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V(in der Normfassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung
vom 26.3.2007 - BGBl I 378) - andere Versicherungstatbestände scheiden von vornherein aus - sind pflichtversichert in der sog Auffangversicherung Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert (Buchst a) oder bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, sie gehören zu den in § 5 Abs 5 SGB V genannten hauptberuflich Selbstständigen oder zu den nach § 6 Abs 1 oder 2 SGB V versicherungsfreien Personen oder hätten bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland zu ihnen gehört(Buchst b). Ob diese Voraussetzungen im Einzelnen bei B vorlagen, kann aber offen bleiben.
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Im Zeitpunkt der Behandlung war B nämlich als nicht erwerbstätiger polnischer Staatsangehöriger von diesem Versicherungspflichttatbestand ohnedies ausgeschlossen (vgl § 5 Abs 11 Satz 2 SGB V ebenfalls in der Normfassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes). § 5 Abs 11 Satz 2 SGB V bestimmt, dass ua Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU von der Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V nicht erfasst werden, wenn die Voraussetzung für die Wohnortnahme in Deutschland die Existenz eines Krankenversicherungsschutzes nach § 4 Freizügigkeitsgesetz/EU ist. Die in Bezug genommene Regelung des § 4 Satz 1 Freizügigkeitsgesetz/EU (hier in der Normfassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 - BGBl I 1970) bestimmt wiederum ua, dass nicht erwerbstätige Unionsbürger das Recht auf Einreise und Aufenthalt (§ 2 Abs 1 Freizügigkeitsgesetz/EU) nur dann haben, wenn sie über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen. Für den Personenkreis der Unionsbürger, der nur unter der Voraussetzung eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ein Recht auf Einreise und Aufenthalt hat, besteht keine Auffangversicherung in der GKV. Allein die entsprechende Verpflichtung nach § 4 Freizügigkeitsgesetz/EU schließt dabei die Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V aus; auf eine tatsächliche Absicherung für den Krankheitsfall kommt es nicht an (vgl BT-Drucks 16/3100, S 95 zu Nr 2 Buchst d; im Einzelnen Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, § 5 SGB V RdNr 117, Stand Oktober 2014).
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Nach den Feststellungen des LSG unterfällt B diesem Personenkreis, der aufenthaltsberechtigt nur unter den Voraussetzungen des § 2 Abs 2 Nr 5 iVm § 4 Freizügigkeitsgesetz/EU sein konnte. Insbesondere seine Feststellung, dass B die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht angestrebt hat und sich also nicht als Arbeitnehmer oder zur Arbeitsuche und auch nicht als Erbringer von Dienstleistungen in Deutschland aufhalten wollte, sondern die Einreise und der Aufenthalt in Deutschland vor dem Hintergrund seiner Heroinabhängigkeit und der in Polen im Zusammenhang damit begangenen Straftaten der Beschaffung von Drogen und dem Schutz vor strafrechtlicher Verfolgung diente, ist für den Senat bindend. Auch insoweit greift die Beklagte mit der Revision lediglich die Beweiswürdigung des LSG an, was keinen Erfolg haben kann. Damit war B aber nicht freizügigkeitsberechtigt nach § 2 Abs 2 Nr 1 oder Nr 3 Freizügigkeitsgesetz/EU; die anderen Tatbestände nach der Nr 1, 2 und 4 scheiden von vornherein aus. Dass er die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt auf der Grundlage des § 2 Abs 2 Nr 5 iVm § 4 Satz 1 Freizügigkeitsgesetz/EU ebenfalls nicht erfüllte, ist für den Ausschluss von der Versicherungspflicht unerheblich.
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Ein Anspruch des B gegen den Sozialhilfeträger auf Hilfen zur Gesundheit besteht auch ansonsten unabhängig von einer Krankenversicherung in Polen. Insoweit greift der Nachrang des § 2 Abs 1 SGB XII von vornherein nicht, sodass offen bleiben kann, ob die tatsächlichen Feststellungen des LSG für dessen rechtliche Würdigung ausreichen, eine polnische Krankenversicherung sei nicht aufrechterhalten geblieben. Nach der Rechtsprechung des Senats handelt es sich bei § 2 Abs 1 SGB XII nicht um eine isolierte Ausschlussnorm; entscheidend für den Nachrang ist nicht das Bestehen anderer Leistungsansprüche, sondern grundsätzlich erst der Erhalt dieser anderen Leistungen (vgl BSGE 104, 219 ff RdNr 20 = SozR 4-3500 § 74 Nr 1). Eine Krankenversicherung im Ausland böte aber keinen dem Recht der GKV vergleichbaren unmittelbaren Schutz durch die Inanspruchnahme von Sachleistungen im Inland; ein Kostenerstattungsanspruch, der - insbesondere vor dem Hintergrund der tatsächlichen Koordinationsprobleme - erst noch durchgesetzt werden müsste, reicht für die Anwendung des § 2 Abs 1 SGB XII nicht aus. Anhaltspunkte dafür, dass durch Aushändigung einer Versicherungskarte über das Vorliegen eines Versicherungsschutzes im Wege der Sachleistungsaushilfe ein Sachleistungsanspruch entsprechend Art 17 ff der Verordnung (EG) Nr 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vermittelt worden wäre (zum notwendigen Verfahren und den Entscheidungskompetenzen insoweit vgl nur Bieback in Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 6. Aufl 2013, Art 17 VO(EG) Nr 883/2004, RdNr 21 ff und Art 19 VO(EG) Nr 883/2004, RdNr 11 ff; zu den tatsächlichen Problemen ders, aaO, Vorbem Art 17 ff RdNr 24), bestehen auf der Grundlage der Feststellungen des LSG nicht.
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Auch mögliche Ansprüche gegen die Schädiger, die B die Kopfverletzungen zugefügt haben, oder Ansprüche nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz
) führen aus diesem Grund nicht zu einem Ausschluss von Sozialhilfe unter dem Gesichtspunkt des Nachrangs; auf Ausgleichsansprüche kann der Leistungsberechtigte insoweit nicht verwiesen werden (BSGE 104, 219 ff RdNr 20 = SozR 4-3500 § 74 Nr 1). Ansprüche gegen den Schädiger wären nach § 116 SGB X ohnehin auf die Beklagte übergegangen; im Fall des Bestehens von Ansprüchen nach dem OEG kommt ein Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X in Betracht.
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Ein Anspruch war für B als Ausländer auch nicht nach § 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII(hier in der Normfassung des Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2.12.2006 - BGBl I 2670) ausgeschlossen. Danach haben zum einen keinen Anspruch auf Sozialhilfe Ausländer, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen (1. Alt). Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist B nicht nach Deutschland eingereist, um Sozialhilfe zu erlangen. Hierfür wäre Voraussetzung, dass der Zweck, Sozialhilfe zu erlangen, den Einreiseentschluss geprägt hat (vgl BVerwGE 90, 212, 214). Nach den vom LSG bindend festgestellten Einreisezwecken (Beschaffung von Drogen und Leben in der Anonymität der Großstadt) besteht ein solcher finaler Zusammenhang zwischen Einreise und Sozialhilfebezug nicht. Damit braucht nicht entschieden zu werden, ob hier ein Fall der Nothilfe vorliegen könnte, der als Krankenbehandlung vom Sozialhilfeträger unter den engen Voraussetzungen des § 23 Abs 3 Satz 2 SGB XII zu erbringen gewesen wäre.
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Zum anderen scheiden Ansprüche für Ausländer aus, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt (2. Alt). Nach den bindenden Feststellungen des LSG war B nicht auf der Suche nach Arbeit und konnte deshalb - wie bereits dargestellt - kein Aufenthaltsrecht aus einer Arbeitssuche herleiten. Ob jeder erwerbsfähige Ausländer, dem das Recht zur Arbeitssuche grundsätzlich zusteht, der von diesem Recht aber keinen Gebrauch macht, mit § 23 Abs 3 Satz 1 2. Alt SGB XII im Wege eines "Erst-Recht-Schlusses" von den Leistungen nach § 23 Abs 1 SGB XII ausgeschlossen ist, braucht nicht abschließend entschieden zu werden(vgl dazu LSG NRW, Urteil vom 10.10.2013 - L 19 AS 129/13 -, ZFSH/SGB 2014, 167 ff; differenzierend auch Coseriu in juris PraxisKommentar
SGB XII, 2. Aufl 2014, § 23 SGB XII RdNr 68; Herbst in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 23 SGB XII RdNr 47b, Stand August 2013; Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 23 RdNr 54d, Stand Juni 2012) .
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Aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 11.11.2014, wonach ein Mitgliedstaat der EU gemäß Art 7 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen die Möglichkeit haben muss, nicht erwerbstätigen Unionsbürgern Sozialleistungen zu versagen, die von ihrer Freizügigkeit allein mit dem Ziel Gebrauch machen, in den Genuss der Sozialhilfe eines anderen Mitgliedstaats zu kommen, obwohl sie nicht über ausreichende Existenzmittel für die Beanspruchung eines Aufenthaltsrechts verfügen (vgl EuGH, Urteil vom 11.11.2014 - C-333/13 - RdNr 78), ergibt sich - entgegen der Auffassung der Beklagten - kein anderes Verständnis von § 23 Abs 3 Satz 1 2. Alt SGB XII. Denn die innerstaatliche Rechtsordnung sieht mit § 23 Abs 3 Satz 1 1. Alt SGB XII eine solche Regelung vor, die - wie dargestellt - allerdings einen finalen Zusammenhang zwischen Einreise und Sozialhilfebezug fordert.
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Einer abschließenden Festlegung bedarf es aber nicht, sodass auch offen bleiben kann, ob B trotz seiner Drogensucht überhaupt erwerbsfähig war. Vorliegend wäre ihm nämlich, selbst wenn der Leistungsausschluss des § 23 Abs 3 Satz 1 2. Alt SGB XII Anwendung fände, bei Notwendigkeit einer unaufschiebbaren Krankenbehandlung Hilfe bei Krankheit nach § 48 Satz 1 SGB XII auf der Grundlage von § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII zu gewähren gewesen. Auch dem Ausländer, der dem Leistungsausschluss nach § 23 Abs 3 Satz 1 1. Alt SGB XII unterfällt, kann der Träger der Sozialhilfe in Ausübung von Ermessen Sozialhilfe gewähren, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist (so bereits BVerwGE 78, 314, 317); dies gilt gleichermaßen für den (möglichen) Leistungsausschluss für Ausländer nach § 23 Abs 3 Satz 1 2. Alt SGB XII. Insbesondere wenn wegen der Notwendigkeit von unaufschiebbaren Krankenbehandlungsmaßnahmen das Recht auf Leben (Gesundheit) und körperliche Unversehrtheit gemäß Art 2 Abs 2 Grundgesetz berührt ist (zur Bedeutung dieses Grundrechts im Sozialrecht vgl insbesondere BVerfGE 115, 25 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5), muss die Erbringung von entsprechenden Leistungen bei Mittellosigkeit gewährleistet sein; das Ermessen ist dann auf Null reduziert. Inwieweit der weiter gehende Ausschluss von laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt im Bereich der Existenzsicherung mit Verfassungsrecht vereinbar wäre, ist nicht entscheidungserheblich (zu verfassungsrechtlichen Bedenken Coseriu, aaO, RdNr 73 ff und Greiser in jurisPK SGB XII, 2. Aufl 2014, Anhang zu § 23 SGB XII RdNr 119 ff).
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Der mögliche Anspruch der Klägerin als Nothelfer ist allerdings der Höhe nach auf die Erstattung von Aufwendungen "in gebotenem Umfang" begrenzt (vgl § 25 Satz 1 SGB XII). Maßstab für die gebotene Höhe der Aufwendungen sind (im Grundsatz) die Kosten, die die Beklagte bei rechtzeitiger Kenntnis ihrerseits hätte aufwenden müssen (so bereits BSGE 114, 161 ff RdNr 29 = SozR 4-5910 § 121 Nr 1); soweit bei Hilfebedürftigkeit und in Kenntnis der Notlage von der Beklagten Hilfe bei Krankheit nach § 48 Satz 1 SGB XII hätte gewährt werden müssen, gelten für die Erbringung dieser Leistungen die Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V (Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern) entsprechend(vgl § 52 Abs 3 Satz 1 SGB XII). Auch für den Bereich der Nothilfe richtet sich das Kostenerstattungsbegehren - wovon auch das LSG ausgegangen ist - also nach den Vorschriften des SGB V; eine Zulassung des Nothelfers als Leistungserbringer nach dem SGB V (hier also als Krankenhaus nach § 108 SGB V) ist allerdings nicht erforderlich. Zur Beantwortung der Frage, in welcher Höhe die Klägerin nach den krankenversicherungsrechtlichen Regelungen Vergütungsansprüche gehabt hätte, hat das LSG jedenfalls nicht alle erforderlichen Feststellungen getroffen. Um "Aufwendungen in gebotenem Umfang" iS des § 25 SGB XII handelt es sich jedenfalls dann, wenn die geltend gemachte Vergütung der nach dem SGB V und den sonstigen Normen und Verträgen entspricht.
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Der Vergütungsanspruch eines zugelassenen Krankenhauses nach dem SGB V bestimmt sich hier allerdings nach einer Fallpauschale, die alle dabei in Anspruch genommenen Behandlungsmaßnahmen zu einer Abrechnungseinheit zusammenfasst, ohne dass es grundsätzlich auf die Dauer des Krankenhausaufenthalts ankommt (vgl § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V in der Normfassung des Fallpauschalengesetzes vom 23.4.2002 - BGBl I 1412 - iVm § 7 Krankenhausentgeltgesetz, § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz, jeweils in den Normfassungen des Zweiten Fallpauschalenänderungsgesetzes vom 15.12.2004 - BGBl I 3429 -; vgl dazu nur: BSGE 109, 236 ff RdNr 15 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2; Wahl in jurisPK SGB V, § 109 RdNr 119 ff mwN).
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Als "Aufwendungen in gebotenem Umfang" hat die Beklagte ausgehend von der maßgeblichen Fallpauschale eine tagesbezogene anteilige Vergütung ("pro rata temporis") zu erstatten. Eine solche Abrechnung gewährleistet einerseits den Zweck der Nothilfe, die Hilfsbereitschaft Dritter im Interesse in Not geratener Menschen zu erhalten und zu stärken (BSGE 114, 161 ff RdNr 19 = SozR 4-5910 § 121 Nr 1), ohne dass andererseits eine vom Gesetzgeber unerwünschte Durchbrechung des öffentlich-rechtlichen Systems für die Gewährung der Sozialhilfe (dazu BSG, aaO, RdNr 22) gefördert würde. Für den Nothelfer verbleibt so der Anreiz, seiner Obliegenheit entsprechend den Sozialhilfeträger möglichst schnell vom Eilfall zu unterrichten; hierfür bestünde aus Sicht des Nothelfers bei einer Erstattung der gesamten Fallpauschale als "Aufwendung in gebotenem Umfang" für den ersten Tag des Eilfalls keine Notwendigkeit mehr. Ein Krankenhaus als Nothelfer, das sich seinen Obliegenheiten entsprechend verhält, erlangt auch bei einer Abrechnung "pro rata temporis" einen umfassenden Kostenerstattungsanspruch für die gesamte Behandlung. Soweit Hilfebedürftigkeit des Patienten tatsächlich besteht und das Krankenhaus rechtzeitig Kenntnis vom Eilfall gegeben hat, trägt der Sozialhilfeträger auch die Kosten der Behandlung im Anschluss daran.
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Insbesondere wegen des Eintritts einer sog "Quasiversicherung" für die Zeit nach Kenntniserlangung durch den Sozialhilfeträger (vgl § 264 Abs 2 bis 7 SGB V und dazu im Einzelnen BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 5) entsteht schließlich mit der Kenntnisnahme durch den Sozialhilfeträger eine dem Wechsel der Krankenkasse während eines Behandlungsfalls vergleichbare Lage. Für diese Fälle hat der 1. Senat des BSG entschieden, dass mit dem Ende der Mitgliedschaft die Leistungszuständigkeit der abgebenden Krankenkasse auch dann endet, wenn der Versicherte Krankenhausbehandlung erhält, die mit einer Fallpauschale vergütet wird, und die Aufteilung entsprechend tageweise vorzunehmen ist. Dies ermögliche eine gerechte, klare, verwaltungspraktikable und leicht handhabbare Lastenverteilung (vgl nur: BSGE 99, 102 ff RdNr 15 = SozR 4-2500 § 19 Nr 4; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 19 Nr 10 RdNr 18). Für den Bereich der Nothilfe schließt sich der Senat dieser Rechtsprechung an. Die Kenntnis des Sozialhilfeträgers (bzw die Obliegenheitsverletzung durch das Krankenhaus) bildet die Zäsur für die sich gegenseitig ausschließenden Ansprüche des Nothelfers und des Hilfebedürftigen; allein die Nothilfe macht die Vergütung nicht zu einer untrennbaren Einheit. Von der Gesamtzahl an Tagen, für die die Beklagte in Kenntnis der Sozialhilfebedürftigkeit Hilfe zur Krankheit zu erbringen gehabt hätte, steht dem Nothelfer deshalb eine Kostenerstattung nur für die Anzahl von Tagen zu, an denen ein Eilfall iS des § 25 SGB XII vorlag.
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Das LSG wird als Gesamtkosten, deren Aufteilung tageweise erfolgt, die gesamten von einem Krankenhaus nach dem SGB V abrechenbaren Kosten für den jeweiligen Behandlungsfall zu ermitteln haben, für den Sozialhilfe zu erbringen gewesen wäre; auch Zuschläge, die nach den jeweiligen Vergütungsregelungen abgerechnet werden können (etwa Systemzuschläge oder Zuschläge aufgrund der Besonderheiten des behandelnden Krankenhauses oder des Behandlungsfalles), gehören hierzu. Dies ist schon deshalb folgerichtig, weil es letztlich von Zufälligkeiten abhängt, an welchem Tag der Schwerpunkt der Behandlung liegt; ob etwa eine erforderliche Operation noch an Tagen, an denen ein Eilfall vorlag, oder erst später durchgeführt wird.
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Der sog Langliegerzuschlag, der nach den Vergütungsvereinbarungen im vorliegend maßgeblichen Fallpauschalenkatalog bei zulässiger Überschreitung der vereinbarten oberen Grenzverweildauer anfällt, ist mithin nicht vorab deshalb in Abzug zu bringen, weil an den Tagen, an denen die Grenzverweildauer überschritten war, ein Eilfall nicht mehr vorlag. Ein solcher Zuschlag bildet vielmehr das Risiko ab, dass sich der jeweilige Behandlungsfall als besonders aufwändig erweist. Im Grundsatz hat sich für das Krankenhaus dieses Risiko bereits mit Aufnahme des Patienten als Eilfall verwirklicht. Auch insoweit stärkt die Berücksichtigung dieses Zuschlages bei den aufzuteilenden Gesamtkosten im Interesse der Hilfebedürftigen die Bereitschaft bei Krankenhäusern, im Eilfall Hilfebedürftige ohne weiter gehende finanzielle Überlegungen, etwa im Hinblick auf die Schwere des Falles, aufzunehmen. Das rechtfertigt es, den Langliegerzuschlag nicht lediglich an den Tagen zu berücksichtigen, an denen die Grenzverweildauer tatsächlich überschritten war. Auch die Aufteilung des Langliegerzuschlages führt nicht zuletzt - ebenso wie die Aufteilung der Behandlungskosten im Übrigen - zu einer praktikablen und möglichst einfachen Handhabung durch den Sozialhilfeträger.
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Ergeben die Feststellungen des LSG, dass B nach dem 24.3.2010 aus der Behandlung des Krankenhauses entlassen wurde, später aber erneut aufgenommen werden musste (wofür sich nach den bisherigen Feststellungen gewisse Anhaltspunkte ergeben), kann erneut ein Eilfall eingetreten sein, der zu einem (weiteren) Anspruch als Nothelfer nach den soeben dargelegten Grundsätzen führen kann. Ein Anspruch als Nothelfer kommt für die Klägerin schließlich auch in Betracht, wenn zwar keine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vorlag, aber vorstationäre Behandlungsmaßnahmen zur Abklärung einer solchen Behandlungsnotwendigkeit (§ 48 Satz 1 SGB XII iVm § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 5 iVm § 39 Satz 1, § 115a Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V) unverzüglich durchgeführt werden mussten; uU wird das LSG auch zu überprüfen haben, ob unaufschiebbare ambulante Notfallleistung auf der Grundlage des § 48 Satz 1 SGB XII iVm § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und §§ 28, 76 Abs 1 Satz 2 SGB V erbracht worden sind. Allerdings sind Maßstab für die gebotene Höhe der Aufwendungen dann die Kosten, die die Beklagte für eine ambulante Behandlung hätte aufwenden müssen (vgl § 52 Abs 3 Satz 2 SGB XII). Wie diese im Einzelfall zu bestimmen wären, wird das LSG ggf zu ermitteln haben.
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Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.11.2012 geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 09.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 verurteilt, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 unter Anrechnung monatlichen Einkommens der Kläger zu 1) und 2) von jeweils 130 Euro und des Klägers zu 3) von 184 Euro (Kindergeld) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Der Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Zwischen den Beteiligten steht der Anspruch der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 im Streit.
3Die Kläger sind rumänische Staatsangehörige. Die 1978 geborenen Kläger zu 1) und 2) sind seit ca. 1992 ein Paar und leben in einer nichtehelichen Beziehung, der am 00.00.1997 geborene Kläger zu 3) ist ihr gemeinsamer Sohn. Am 26.06.2002 schloss die Klägerin die Ehe mit dem am 00.00.1984 geborenen E T; die Ehe wurde am 16.01.2004 geschieden.
4Der Kläger zu 1) besuchte in Rumänien vier Jahre lang die Schule. Er verfügt über keine Berufsausbildung und besitzt einen Führerschein der Klasse B. Von 1999 bis 2008 hielt er sich in Belgien auf und arbeitete dort als Saisonarbeiter in der Tomatenernte. Ende September 2008 kam er nach Deutschland und wohnt seit dem 25.09.2009 in H. Er war im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung gem. § 5 FreizügG/EU für die Zeit vom 19.03. bis zum 19.06.2009. Nachdem die Stadt H. zunächst die Ausstellung einer Freizügigkeitsbescheinigung verweigert hatte, wurde ihm eine solche unbefristet unter dem 17.06.2011 erteilt. Seit dem 28.10.2011 ist der Kläger zu 1) auch im Besitz einer ebenfalls unbefristeten ArbeitsberechtigungEU.
5Die Klägerin zu 2) besuchte in Rumänien vier Jahre lang die Schule und erlernte ebenfalls keinen Beruf. Gemeinsam mit ihren Eltern hielt sie sich bereits 1991 und erneut 2005 als Asylbewerberin kurz in Deutschland auf. In der Zeit von 1999 bis 2008 lebte sie mit den Klägern in Belgien. Nachdem der Kläger zu 1) in Deutschland eine Wohnung gefunden hatte, folgte sie ihm mit dem Kläger zu 3) nach. Seit dem 25.09.2009 wohnen die Kläger gemeinsam in H. Die Klägerin zu 2) besuchte während etwa acht Monaten einen Integrationskurs. Seit dem 01.01.2012 übt sie mit Unterbrechungen ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis als Reinigungskraft aus. Das Entgelt betrug zunächst 100 EUR, seit dem 01.02.2012 200 EUR monatlich.
6Der Kläger zu 3) besuchte im streitigen Zeitraum eine Schule.
7Die Kläger bewohnten ab dem 01.10.2010 allein eine 75qm große 3-Zimmer Wohnung zu einer Miete von 319 EUR (Bruttokaltmiete) zzgl. 95 EUR Nebenkostenabschlag und 70 EUR Heizkostenabschlag einschließlich Kosten für die Warmwasserbereitung. Die Wohnung mussten sie nach Kündigung des Vermieters im Juni 2011 zwangsweise räumen.
8Der Kläger zu 1) und 2) bezogen 2010 und 2011 für den Kläger zu 3) Kindergeld. Eigene Einkünfte in Höhe von etwa 120 bis 130 EUR monatlich erzielten sie durch die Verbreitung der Obdachlosenzeitung "g", die vom Caritasverband, dem Verein für Gefährdetenhilfe und dem Verein "B e.V.", sämtlich Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, herausgegeben wird. Die Verbreiter der Zeitschrift erhalten einen Ausweis, aus dem hervorgeht, dass "g"-Vertreiber von materieller Armut betroffen sind. Die Zeitung wurde im streitigen Zeitraum vom Verlag für 0,90 EUR an die Vertreiber ausgegeben und für 1,80 EUR verkauft. Zusätzlich erhielten die Kläger Unterstützung durch caritative Einrichtungen (Diakonie, Tafel) und Familienangehörige.
9Von Oktober 2009 bis zum 31.10.2010 erhielten die Kläger Leistungen nach dem SGB II. Den Weiterbewilligungsantrag vom 03.11.2010 lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 09.11.2010 mit der Begründung ab, die Kläger hätten keinen gültigen Aufenthaltstitel und seien deshalb von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies er durch Widerspruchsbescheid vom 29.12.2010 zurück. Die Kläger seien als Ausländer, deren Aufenthalt sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe, gem. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Das gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeitsrecht folge in ihrem Fall allein aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 2. Alt. FreizügG/EU, also aus dem Umstand, dass sie sich zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten wollten. Andere Gründe, die ein Aufenthaltsrecht vermitteln könnten, seien nach Aktenlage nicht ersichtlich. Die Kläger seien auch nicht als erwerbstätige Unionsbürger gem. § 4 FreizügG/EU aufenthaltsberechtigt, denn sie verfügten gerade nicht über ausreichende Existenzmittel.
10Nach erfolglosem Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NW) Beschluss vom 30.05.2011 - L 19 AS 388/11 B ER) beantragten die Kläger am 20.06.2011 und 07.11.2011 erneut vergeblich Leistungen bei dem Beklagten unter Vorlage der für sie ausgestellten Freizügigkeitsbescheinigungen (Bescheid vom 29.12.2011; Widerspruchsbescheid vom 01.03.2012). Während des laufenden Klageverfahrens wurden ihnen im Eilverfahren durch Beschluss des LSG NRW vom 22.05.2012 - L 6 AS 412/12 B ER - Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen vorläufig für die Zeit ab Zustellung des Beschlusses bis zum 01.09.2012 zuerkannt. Der Beschluss wurde vom Beklagten ausgeführt (Bescheid vom 31.05.2012). Einen weiteren Antrag der Kläger auf Weiterbewilligung vom 19.07.2012 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 06.09.2012 ab. Seit dem 01.01.2013 stehen die Kläger im laufenden Leistungsbezug.
11Gegen den Bescheid vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 haben die Kläger am 06.01.2011 bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen Klage erhoben. Nach ihrer Auffassung stellt der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II eine unzulässige Diskriminierung von Unionsbürgern dar.
12Die Kläger haben beantragt,
13den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 zu verurteilen, ihnen Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 03.11.2010 bis 19.06.2011 zu gewähren.
14Der Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Mit Urteil vom 20.11.2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der streitgegenständliche Zeitraum sei auf den Zeitraum vom 03.11.2010 bis 19.06.2011 beschränkt, da eine Leistungsgewährung vor Antragstellung nicht in Betracht komme und über den Antrag vom 20.06.2011 in einem eigenständigen Verwaltungsverfahren entschieden worden sei. Die Kammer könne offen lassen, ob die Kläger die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erfüllten, jedenfalls seien sie nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) könnten sich nur auf ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche und der Kläger zu 3) auf ein hiervon abgeleitetes Aufenthaltsrecht berufen. Europarechtliche Erwägungen stünden dem Leistungsausschluss nicht entgegen. Das Diskriminierungsverbot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 greife nicht, da die VO (EG) 883/2004 keine Anwendung finde.
17Gegen das am ihnen 11.01.2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 21.01.2013 eingelegte Berufung der Kläger, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgen. Zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen haben die Kläger zu 1) und 2) in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht ergänzende Angaben gemacht und Kontoauszüge bezogen auf den hier in Rede stehenden Leistungszeitraum vorgelegt.
18Die Kläger beantragen,
19das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.11.2012 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 zu verurteilen, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011 unter Anrechnung monatlichen Einkommens der Kläger zu 1) und 2) in Höhe von jeweils 130 Euro monatlich und des Klägers zu 3) in Höhe von 184 Euro monatlich (Kindergeld) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
20Der Beklagte beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hat Beratungsvermerke sowie Datenbankauszüge der Bundesagentur für Arbeit die Kläger betreffend vorgelegt.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakte der Kläger, der beigezogenen Ausländerakte der Stadt H. sowie der Prozessakten des Sozialgerichts Gelsenkirchen S 31 AS 2794/10 ER (L 19 AS 388/11 B ER), S 31 AS 30/12 ER (L 6 AS 412/12 B ER) und S 31 AS 577/12 verwiesen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
24Entscheidungsgründe:
25Die Berufung ist zulässig. Gegenstand der Überprüfung im Berufungsverfahren ist der angefochtene Bescheid vom 09.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010, gegen den sich die von den Klägern zulässigerweise erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) richtet. Das beklagte Jobcenter ist nach § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig (BSG Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 108/10 R - juris Rn. 9). Nach § 76 Abs. 3 S. 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle des bisherigen Entscheidungsträgers getreten.
26Die Berufung ist auch begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 09.11.1010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Die Kläger haben einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 03.11.2010 bis zum 19.06.2011.
27I. Die Kläger zu 1) und 2) erfüllen in dem hier in Rede stehenden Zeitraum die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 7 Abs. 1 S. 1, 9 Abs. 1 SGB II in der Fassung vom 23.12.2007 bzw. 20.12.2011.
28Die Kläger zu 1) und 2) hatten das 15. Lebensjahr vollendet, aber noch nicht die Altersgrenze nach § 7a SGB II erreicht (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II). Sie waren auch erwerbsfähig im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II i.V.m. § 8 SGB II. Körperliche, geistige oder seelische Beeinträchtigungen standen der nach § 8 Abs. 1 SGB II zu beurteilenden Erwerbsfähigkeit nicht entgegen. Die Kläger zu 1) und 2) waren auch nicht an einer Erwerbstätigkeit gehindert (§ 8 Abs. 2 SGB II), denn ihnen hätte als rumänischen Staatsangehörigen die Aufnahme einer Beschäftigung nach Maßgabe des § 284 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i.V.m. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) im streitigen Zeitraum erlaubt werden können (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, Rdnr. 13 ff).
29Die Kläger zu 1) und 2) hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Sie hielten sich zukunftsoffen und ohne erkennbare Anzeichen, dies ändern zu wollen, in Gelsenkirchen auf (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 Abs. 2 S. 3 SGB I). Zwar waren die Kläger zu 1) und 2) im streitigen Zeitraum nicht mehr im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU. Dieser Bescheinigung kommt aber bei der Beurteilung des Aufenthaltsstatus nur deklaratorische Bedeutung zu, da sich das Freizügigkeitsrecht der Kläger unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht ergibt. Auch bei Staatsangehörigen aus neuen Mitgliedstaaten kann der Aufenthalt während der Übergangsphase nur unter den Voraussetzungen der §§ 5 Abs. 5, 6 und 7 FreizügG/EU wegen des Wegfalls, des Verlustes oder des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens beendet werden (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, Rdnr. 13 ff mwN). Ein solches Verfahren ist weder durchgeführt, noch überhaupt in Aussicht genommen worden.
30Die Kläger waren im streitigen Zeitraum hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 9 SGB II. Ihr Bedarf lag 2010 bei 323 EUR, ab dem 01.01.2011 bei 328 EUR (Kläger zu 1) und 2)) und 251 EUR (Kläger zu 3)) zuzüglich der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Kopfteilen (ohne Kosten der Warmwasserbereitung). Dieser Bedarf wurde - über Vermögen verfügten die Kläger nicht - nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen gedeckt. Das für den Kläger zu 3) gezahlte Kindergeld in Höhe von 184 EUR monatlich deckt schon dessen Regelbedarf nicht. Entsprechendes gilt für die aus dem Vertrieb der Obdachlosenzeitung "g" durch die Kläger zu 1) und 2) erzielten Einkünfte von 130,00 EUR monatlich, die bei Ihnen nach Abzug der Freibeträge mit jeweils 24 Euro auf den Bedarf anzurechnen sind. Ansprüche auf ggf. vorrangige Sozialleistungen bestanden nicht.
31Der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit hat das Gericht die Angaben der Kläger zu 1) und 2) im Senatstermin vom 28.11.2013 zugrundegelegt. Sie sind schlüssig, in sich widerspruchsfrei und stimmen mit ihren bisherigen Angaben im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren überein; auch aus den Kontounterlagen ergeben sich keine Anhaltspunkte, diese Darstellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse in Zweifel zu ziehen. Dass die Kläger nicht über Vermögen und nur über das angegebene Einkommen verfügten, hält das Gericht auch vor dem Hintergrund für glaubhaft, dass sie ihre Miete nicht gezahlt haben, das Mietverhältnis deshalb gekündigt wurde und die Wohnung schließlich zwangsgeräumt wurde. Hätten die Kläger Zugriff auf Vermögen oder weiteres Einkommen gehabt, hätte es nahe gelegen, dieses zum Erhalt der Wohnung einzusetzen.
32II. Die Kläger sind auch nicht gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
33Die Voraussetzungen der § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II und § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II liegen nicht vor. Die Voraussetzungen des danach allein noch in Betracht kommenden § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sieht der Senat zwar als erfüllt an. Dieser Ausschlussgrund entfaltet aber jedenfalls deshalb keine Wirkung, weil er mit europäischem Sekundärrecht nicht vereinbar ist.
341. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sind erfüllt, da der Kläger zu 1) allein zum Zwecke der Arbeitssuche nach Deutschland einreiste, auch nur insoweit verfügten er und die Klägerin zu 2) im Weiteren über ein Aufenthaltsrecht.
35a) Ein Aufenthaltsrecht aus anderen Gründen ergibt sich für ihn weder aus dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) noch aus dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Insbesondere scheiden hier ein - abgeleitetes - Aufenthaltsrecht zur Ausbildung des Klägers zu 3) und auch ein Aufenthaltsrecht der Kläger zu 1) und 2) als Arbeitnehmer, Selbständige oder Nicht-Erwerbstätige aus. Die Kläger zu 1) und 2) waren seit der Einreise bis zu dem hier im Streite stehenden Leistungszeitraum nicht erwerbstätig, sei es als Selbstständige oder in einem Beschäftigungsverhältnis. Die bisherige Dauer ihres Aufenthaltes begründete kein Daueraufenthaltsrecht nach Maßgabe der §§ 2 Abs. 2; 4a FreizügG/EU.
36Aus Art. 18 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) lässt sich ebenfalls kein von der Arbeitssuche unabhängiges Aufenthaltsrecht ableiten. Das Recht der Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, unterliegt der Beschränkung des Art. 7 Abs. 1 b der Richtlinie 2004/38/EG (Unionsbürger-RL), wonach das Aufenthaltsrecht, das nicht schon aufgrund anderer Bestimmungen des Gemeinschaftsrecht zuerkannt ist, davon abhängig ist, dass die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen über eine alle Risiken im Aufnahmestaat abdeckende Krankenversicherung und über ausreichende Existenzmittel verfügen, die sicherstellen, dass sie während ihres Aufenthaltes die Sozialhilfe des Aufnahmestaates nicht in Anspruch nehmen müssen. Die Kläger hatten weder in diesem Sinne ausreichende Existenzmittel, noch waren sie krankenversichert.
37b) Der Auffassung, dass ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitssuche und damit auch der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II dann (wieder) entfallen soll, wenn die Arbeitssuche objektiv ohne begründete Aussicht auf Erfolg ist (so LSG NRW Urteil vom 10.10.2013 - L 19 AS 129/13 Rdnr. 40), kann sich der Senat nicht anschließen.
38Für diesen Lösungsansatz, der hier die Überprüfung des Leistungsausschlusses nach den Regeln des Gemeinschaftsrechts entbehrlich macht, mögen sich zwar innerhalb der nationalen (deutschen) Rechtsordnung rechtstechnisch nachvollziehbare Argumente finden, die zudem in Art. 14 Abs. 4 b S. 2 RL 2004/38/EG einen europarechtlich gefärbten Ausgangspunkt haben (aA LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 15.11.2013 - L 15 AS 365/13 B ER, Rdnr. 20). Diese Ausdeutung des Merkmals "Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitssuche" führt aber deshalb nicht weiter, weil sie keine ausreichend vorhersehbaren Kriterien bietet, die die Grenzen der Auslegung dieses Merkmals abstecken und die tag- oder auch nur die monatgenaue Bestimmung des Leistungsanspruchs zulassen. Im Übrigen geht auch der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des BSG (BSG Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R) weiterhin davon aus, dass so lange weiterhin von einem einmal begründeten Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche auszugehen ist, wie es nicht durch ein anderes Recht zum Aufenthalt ersetzt oder auf das entfallene Recht aufenthaltsrechtlich reagiert worden ist (s. auch LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 15.11.2013 - L 15 AS 365/13 B ER, Rdnr. 20). Für die von dieser Anknüpfungstatsache abhängigen Sozialleistungen bleibt es bei dieser Beurteilung des Aufenthaltes, bis er nicht durch entsprechende aufenthaltsrechtliche Maßnahmen geändert bzw. beendet worden ist.
39Ungeachtet der Bedenken gegen den rechtlichen Ansatz lässt sich aber auch für die Kläger zu 1) und 2) bezogen auf den Leistungszeitraum nicht die Feststellung treffen, dass die Arbeitssuche nach der damals erforderlichen Einschätzung (Prognose) objektiv ohne begründete Aussicht auf Erfolg war. Die Arbeitssuche mag sich, wie die lange Zeit der Arbeitslosigkeit zeigt, schwierig gestaltet haben. Sie mag auch deshalb von vorneherein weniger Aussicht auf Erfolg versprochen haben, weil die Kläger nicht auf eine Berufsausbildung verweisen können. Trotzdem waren sie in ihrem bisherigen Aufenthaltsstaat Belgien über Jahre im ersten Arbeitsmarkt beschäftigt. Dass ihre Bemühungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt im Leistungszeitraum von vorneherein objektiv nicht hätten erfolgreich sein können/sollen, zumindest wieder als Saisonarbeiter tätig zu sein, ist angesichts der bisherigen Erwerbsbiografie nicht ersichtlich. Bei der Bewertung der längeren Zeit erfolgloser Bemühungen ist zudem zu berücksichtigen, dass die Kläger nur in der Zeit des geregelten Leistungsbezugs durch den Beklagten bei der Arbeitssuche durch sog. aktivierende Leistungen unterstützt wurden. Vor diesem Hintergrund waren die Eigenbemühungen jedenfalls nach Durchlaufen eines Integrationskurses auch zum Erlernen der deutschen Sprache für die Klägerin erfolgreich, die sich nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck deutlich besser verständigen kann; beim Kläger zu 1), der diesen Kurs erst noch absolvieren wird, dauern sie an.
402. Trotz Erfüllung der Voraussetzungen des Leistungsausschlusses bleibt der Beklagte doch zur Gewährung der Leistungen verpflichtet.
41Der Ausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II entfaltet jedenfalls wegen des Anwendungsvorrangs europäischen Sekundärrechts keine Wirkung. Er verstößt gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 der Verordnung (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EG) 883/2004) und ist nicht durch die Möglichkeiten, den Zugang zu nationalen System der Sozialhilfe auch für Unionsbürger zu beschränken, abgedeckt (vgl. Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (sog. Unionsbürgerrichtlinie (URL)).
42a) Die Verordnung (EG) 883/2004, die die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 über die Anwendung der sozialen System der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ersetzt, ist am 01.05.2010 in Kraft getreten (s. Art. 91 VO (EG) 883/2004 in Verbindung mit der DurchführungsVO (EG) 987/2009). Sie ist gemäß Art. 288 AEUV allgemein verbindlich und gilt in jedem Mitgliedstaat unmittelbar, ohne dass es eines innerstaatlichen Umsetzungsaktes bedarf; nach dessen Abs. 2 können die Regelungen in diesen Wirkungen auch nicht durch nationale Gesetze oder Maßnahmen eingeschränkt werden (s. BVerfG Beschluss vom 06.04.2010 2 BvR 2261/06, RdNr. 53; s auch schon EuGH Urteil vom 15.07.1964 - RS 6/64 Costa./. E.N.E.L.)
43Die Kläger unterfallen nach Art. 2 Abs. 1 der VO (EG) 883/2004 dem persönlichen Geltungsbereich der Verordnung. Dieser ist gegenüber dem der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 insofern erweitert, als er nicht mehr auf Arbeitnehmer, Selbständige, Studierende und deren Angehörige beschränkt ist (vgl. Art. 1 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71) (vgl. Frings, ZAR 2012, 317 auch zu der ggfs. missverständlich formulierten Begrenzung auf versicherte Personen; s. etwa Fuchs, SGb 2008, 201; Schreiber, NZS 2012, 647). Vom persönlichen Geltungsbereich erfasst werden die Kläger bereits als Staatsangehörige eines Mitgliedstaates (Rumänien), die ihren Wohnort in einem (anderen) Mitgliedstaat (Deutschland) haben, für die die Rechtsvorschriften dieses aufnehmenden Staates gelten und die - wie hier über die Kindergeldberechtigung - in ein Sozialversicherungs- oder Familienleistungssystem iSd Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) 883/2004 eingebunden sind (so auch Bay. LSG Urteil vom 19.06.2013 - L 16 AS 847/12, juris Rdnr. 59; Hess. LSG Beschluss vom 30.09.2013 - L 6 AS 433/13 B ER, juris Rdnr. 26 mwN; s. auch den Erwägungsgrund 7 der VO (EG) 883/2004). Die zum 31.12.2013 auslaufenden Übergangsregelungen für die Bürger der neu beigetretenen Mitgliedstaaten Rumänien und Bulgarien betreffen nicht den Geltungsbereich, sondern enthalten lediglich eine Beschränkung mit Blick auf § 284 SGB III.
44Das Arbeitslosengeld II als die hier streitige Leistung nach dem SGB II unterfällt dem sachlichen Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004. Die Vorschriften des SGB II gehören zumindest insoweit zu den Rechtsvorschriften im Sinne des Art. 3 VO (EG) 883/2004.
45Art. 1 Buchstabe l VO (EG) 883/2004 verweist zwar ausdrücklich nur auf Art. 3 VO (EG) 883/2004. Soweit aber daraus geschlossen wird, dass sich der Anwendungsbereich der Verordnung auch nur auf Rechtsvorschriften bezogen auf die in Art. 3 VO (EG) 883/2004 aufgeführten Zweige der sozialen Sicherung bezieht und damit der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 4 der Verordnung auch nur auf Leistungen aus diesen Systemen anzuwenden ist (s. SG Berlin Beschluss vom 11.06.2012 - S 205 AS 11266/12 ER - juris Rdnr. 48 ff; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 07.05.2013 - L 29 AS 514/13 B ER, juris Rdnr. 55 ff mwN), folgt dem der Senat nicht. Eine solche einschränkende Auslegung ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht geboten. Sie entspräche weder der Systematik noch Sinn und Zweck der Regelung (vgl. hierzu auch Bay. LSG aaO, juris, Rdnr. 62 ff).
46Ungeachtet des Verweises in Art. 1 bestimmt Art. 3 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 den Anwendungsbereich der Verordnung mit Blick auf hier streitigen Leistungen (Alg II) nach dem SGB II: "Diese Verordnung gilt auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gem. Art. 70". Durch die Wahl des bestimmten Artikel ("die beitragsunabhängigen Geldleistungen") wird auf alle beitragsunabhängigen Leistungen "gem. Art. 70" verwiesen und nicht nur auf eine Teilmenge. Eine Beschränkung nach Kriterien, die außerhalb des Art. 70 VO (EG) 883/2004 liegen, ist nach dem Wortlaut ausgeschlossen. Für eine qualitative Beschränkung des Anwendungsbereichs in dem Sinne, dass die VO nur auf besondere beitragsunabhängige Geldleistungen anwendbar sein solle, deren (Anspruchs-)Grundlage den Rechtsvorschriften nach Art. 3 VO (EG) 883/2004 zuzuordnen ist, hätte es angesichts des klaren Wortlauts einer ebenso klaren ausdrücklich Regelung bedurft. Eine Ausnahme, wie sie Art. 3 Abs. 5 VO (EG) 883/2004 für soziale und medizinische Fürsorge sowie Leistungssysteme für Opfer der Krieges und seiner Folgen enthält, ist für die hier streitigen Leistungen nicht ersichtlich.
47Das Arbeitslosengeld II nach dem SGB II gehört zu den "besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen" nach Art. 70 Abs. 2 VO (EG) 883/2004. Diese Zuordnung setzt voraus, dass die Leistung einem besonderen Schutzzweck im Sinne eines zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzendem Schutzes zu einem System der sozialen Sicherheit oder im Sinne eines besonderen Schutzes behinderter Menschen dient (Sonderleistung), beitragsunabhängig finanziert wird und dass sie im Anhang X der VO (EG) 883/2004 aufgeführt ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der besondere Schutzzweck des Arbeitslosengeldes II liegt darin, dass es sich um eine ergänzende Leistung im Rahmen des Leistungssystems zur Überwindung von Arbeitslosigkeit handelt. Diese besondere ergänzende Leistung ist nicht beitrags-, sondern steuerfinanziert und in Anhang X zur Verordnung (EG) 883/2004 aufgeführt (s Hess. LSG aaO, juris Rdnr. 32; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 52 ff).
48Art. 70 VO (EG) 883/2004 nimmt auch nicht besondere beitragsunabhängige Geldleistungen vom Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 aus. Aus dieser Vorschrift selbst ergibt sich für auf den Anwendungsbereich der VO auf das Arbeitslosengeld II nichts Anderes. Art. 70 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 enthält (nur) die Aufhebung des sog Exportverbots, indem die Geltung des Art. 7 VO (EG) 883/2004 für die in Art. 70 Abs. 2 VO (EG) 883/2004 genannten Leistungen ausdrücklich ausgeschlossen wird. Der Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 ist nicht Gegenstand der Bestimmung (vgl. Schreiber in NZS 17/2012, 647; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 63) Insbesondere sollten hier nicht die in Art. 70 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 genannten "Rechtsvorschriften", die erst im Laufe der jahrelangen Verhandlung hinzugetreten sind, vom sachlichen Anwendungsbereich ausgenommen werden (so auch Hess. LSG aaO, juris Rdnr. 33; Bay. LSG aaO, juris Rdnr. 61 mwN; Greiser in: Eicher/Schlegel SGB III, Art. 61 Verordnung (EG) 883/2004, Rdnr. 32, Stand 2/2013; aA SG Berlin Beschluss vom 11.06.2012 - S 205 AS 11266/12 ER, juris Rdnr. 48 ff; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 07.05.2013 - L 29 AS 514/13 B ER, juris Rdnr. 55 ff mwN).
49b) Die Voraussetzungen des Art. 4 VO (EG) 883/2004 sind erfüllt. Diese Bestimmung regelt, dass Personen, für die die VO gilt und sofern in dieser VO nichts anderes bestimmt ist, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates haben wie die Staatsangehörigen dieses Staates. Der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 4 der VO (EG) 883/2004 führt wegen des Anwendungsvorrangs zur Nichtanwendbarkeit des diskriminierenden Merkmals des nationalen Rechts bei Anwendung der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des Leistungsanspruchs (st. Rspr. des EuGH seit Rs 63/76, Slg 1976, 2057 - Inzirillo).
50aa) Bei dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II handelt es sich um eine offene, unmittelbare Diskriminierung, denn das entscheidende Unterscheidungskriterium ist die Staatsangehörigkeit. In der VO (EG) 883/2004 selbst findet sich keine (ausdrückliche) Regelung, die eine solche unterschiedliche Behandlung zulässt (s auch Dern in Schreiber/Wunder/Dern VO (EG) Nr. 883/2004 Art. 4 VO RdNr. 5).
51bb) Eine den Leistungsausschluss möglicherweise rechtfertigende Einschränkung des Diskriminierungsverbots ergibt sich nicht aus Art. 24 Abs. 2 2. Alt in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG (Unionsbürgerrichtlinie).
52Die RL 2004/38/EG ist auf die Kläger als sogenannte (Neu-)Unionsbürger neben der VO (EG) 883/2004 anwendbar (s EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57). Dabei ist davon auszugehen, dass die RL 2004/38/EG im Ausgangspunkt das Freizügigkeitsrecht zum Gegenstand hat, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, hingegen die VO (EG) 883/2004 grundsätzlich Unionsbürgern, die von ihrem Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch gemacht haben, die Beibehaltung des Anspruchs auf bestimmte Leistungen der sozialen Sicherheit, garantieren soll (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57).
53Die streitigen Leistungen nach dem SGB II sind Sozialhilfeleistungen iSd RL 2004/38/EG. Der Begriff der "Sozialhilfeleistungen" ist hier nicht anhand von formalen Kriterien, sondern anhand des mit der Bestimmung verfolgten Ziels zu bestimmen (vgl. EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 60 mwN). Wollte man "Sozialhilfeleistungen" begrifflich auf die sozialen Fürsorgeleistungen reduzieren, würde die Einordnung einer Leistung als Sozialhilfeleistung insbesondere davon abhängen, ob die Gewährung dieser Leistung im nationalen Recht ausschließlich von der Bedürftigkeit des Betroffenen oder von weiteren objektiven Kriterien abhängig ist. Dies hätte zur Folge, dass die Mitgliedstaaten abhängig von der grundsätzlichen Organisation ihrer nationalen Systeme der sozialen Sicherheit ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt würden (so EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 59).
54Nach inhaltlichen Kriterien sind die hier streitigen Leistungen nach dem SGB II als Sozialhilfeleistung zu qualifizieren (so auch LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 25.08.2010 - L 7 AS 3769/10 ER-B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.11.2010 - L 34 AS 1501/10 B ER mwN). Denn nach der Rechtsprechung des EuGH, die auch der Senat zugrunde legt, sind Sozialhilfeleistungen sämtliche von öffentlichen Stellen eingerichteten Hilfssysteme, die auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene bestehen und die ein Einzelner in Anspruch nimmt, der nicht über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung seiner Grundbedürfnisse und derjenigen seiner Familie verfügt und deshalb während seines Aufenthalts möglicherweise die öffentlichen Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats belasten muss, was Auswirkungen auf das gesamte Niveau der Beihilfe haben kann, die dieser Staat gewähren kann (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr 61).
55Ist danach die RL 2004/38/EG neben der VO (EG) 883/2004 grundsätzlich anwendbar, stellt Art. 24 Abs. 2 2. Alt in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG eine inhaltliche Einschränkung des Diskriminierungsverbots dar. Nach Art. 24 Abs. 1 RL 2004/38/EG genießt zwar jeder Unionsbürger, der sich aufgrund der Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates. Abweichend von Abs. 1 ist der Aufnahmemitgliedstaat jedoch nach Abs. 2 nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) RL 2004/38/EG einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren. Dem (Aufnahme-) Mitgliedstaat ist es danach grundsätzlich erlaubt, Unionsbürgern, die die Arbeitnehmereigenschaft nicht oder nicht mehr besitzen, Beschränkungen in Bezug auf die Gewährung von Sozialleistungen aufzuerlegen, damit diese die Sozialhilfeleistungen dieses Staates nicht unangemessen in Anspruch nehmen (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 57).
56Art. 24 Abs. 2 2. Alt iVm Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der RL 2004/38/EG gilt auch im Anwendungsbereich des Art. 4 VO (EG) 883/2004. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift gilt das Gleichbehandlungsgebot nur dann (uneingeschränkt), "sofern in dieser VO nichts anderes bestimmt ist". Im Wege der Auslegung findet die Einschränkung nach Art. 24 Abs. 2 2. Alt iVm Art. 14 Abs. 4b RL 2004/38/EG ihrem Grundgedanken nach deshalb Anwendung, weil zwischen den Rechtsquellen Richtlinie und Verordnung zwar kein formelles, aber doch ein inhaltliches Rangverhältnis in dem Sinne besteht, dass die VO (EG) 883/2004 der Durchsetzung der Freizügigkeitsrechte nach Maßgabe der RL 2004/38/EG zu dienen bestimmt ist (Fuchs, Europäisches Sozialrecht (2010) 29 "freizügigkeitsspezifisches Sozialrecht"; in diesem Sinne auch SG Duisburg Beschluss vom 24.09.2012 - S 3 AS 3413/12 ER; s. auch EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 51; aA Frings aaO). Angesichts der Aufgabe der VO (EG) 883/2004, mögliche nachteilige Wirkungen zu verhindern, die sich über den Bezug von Sozialleistungen auf die Ausübung der Freizügigkeit ergeben können (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 51), ist ein Abgleich des sozialrechtlich-spezifischen mit dem aufenthaltsrechtlich-spezifischen Rahmen geboten.
57Die Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ist nicht durch Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4b RL 2004/38/EG gedeckt. Schon nach dem Wortlaut des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG ("gegebenenfalls") ist ein Ausschluss, der sich - ohne Möglichkeit der Prüfung weiterer Voraussetzungen - über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten erstreckt, nicht zulässig. Auch aus Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, Art. 14 Abs. 1 RL 2004/38/EG und dem 16. Erwägungsgrund der Richtlinie ergibt sich nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris) die Notwendigkeit einer weitergehenden Prüfung:
58Zu prüfen ist einmal, ob die Gewährung der Leistung tatsächlich eine Belastung für das Sozialhilfesystem des Aufnahmestaates darstellt. Mit der Prüfung der "unangemessenen" Belastung des (gesamten) Sozialhilfesystems des Aufnahmestaates erkennt die RL 2004/38/EG eine bestimmte finanzielle Solidarität des Aufnahmemitgliedstaates mit denen der anderen Mitgliedstaaten an, insbesondere wenn die Schwierigkeiten, auf die der Aufenthaltsberechtigte stößt, nur vorübergehender Natur sind (EuGH Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 72 mwN). Zur Prüfung der Angemessenheit bedarf es der genaueren Beurteilung des Ausmaßes der Belastung für das nationale Sozialhilfesystem. In diesem Zusammenhang kann von Bedeutung sein, den Anteil vergleichbarer Leistungsempfänger (Unionsbürger) in Deutschland und/oder in anderen Mitgliedsstaaten zu ermitteln (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79).
59Zum Anderen ist die (Un-)Angemessenheit der Inanspruchnahme anhand aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere mit Blick auf die persönlichen Umstände der Betroffenen (namentlich vorübergehende Schwierigkeiten, Dauer des Aufenthalts, Höhe der Leistung) auch nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79).
60Eine solche Einschätzung der Belastung des deutschen Sozialhilfesystems hat der Gesetzgeber nicht erkennbar vorgenommen; er hat auch keine Einzelfallprüfung bezogen auf die hier streitigen Leistungen nach dem SGB II zugelassen.
61Von der Ermächtigung des Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4 der RL 2004/38/EG hat er auch im Bereich des SGB II für die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aus dem Blickwinkel öffentlichen Interesses Gebrauch machen wollen, um einer unangemessenen Inanspruchnahme der SGB II-Leistungen durch Arbeitsuchende aus anderen Mitgliedstaaten entgegenzuwirken (siehe BT-Drucks 16/688 S. 13). Dabei sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Größenordnung der sog. Armutszuwanderung für Deutschland und im Vergleich zu (den) anderen "wohlhabenderen" Mitgliedsstaaten, ggfs. in einer Gesamtschau auch die möglicherweise überwiegenden Vorteile der Zuwanderung der Neuunionsbürger für die Systeme der sozialen Sicherheit insgesamt in den Blick genommen hat (vgl. den Überblick etwa zur Zahl der Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien, deren beruflicher Qualifikation und Arbeitslosenquote im Vergleich zur Gesamtbevölkerung und zu anderen EU-Bürgern des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB-Kurzbericht 16/2013) Brücker, Hauptmann, Vallizadeh Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien - Arbeitsmigration oder Armutsmigration ?). Eine Abwägung des einzelstaatlichen öffentlichen Interesses mit der in der RL 2004/38/EG anerkannten und einzufordernden Solidarität der Staatsange-hörigen der Mitgliedsstaaten untereinander hat nicht stattgefunden.
62Der Gesetzgeber hat die Unionsbürger automatisch von den Leistungen ausgenommen, ohne Ausnahmen nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zumindest im Sinne einer Härtefallregelung zuzulassen. Die Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sieht vor, dass ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaates, dessen Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, unabhängig von den weiteren Umständen seines Aufenthaltes, von der Höhe der Leistung und dem voraussichtlichen Zeitraum der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist. Dieser Ausschluss erfolgt auch unabhängig von der Frage, welche Belastung sich aus dieser Leistung für das gesamte Sozialleistungssystem ergibt.
63Bezogen auf die europarechtlichen Fragestellungen ist die hier vorliegende Fallgestaltung derjenigen vergleichbar, über die der EuGH bereits in der Rechtssache Brey entschieden hat (EuGH, Urteil vom 19.09.2013 - C-140/12, Brey, juris, Rdnr. 79):
64Mit dem EuGH geht das Gericht davon aus, dass Art. 4 VO (EG) 883/2004 auf die hier im Streite stehenden Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) anwendbar ist. Ebenso anwendbar ist Art. 24 Abs. 2 iVm Art. 14 Abs. 4 RL 2004/38/EG; bei dem Arbeitslosengeld II handelt es sich um Sozialhilfeleistungen im Sinne dieser Vorschriften. Einschränkungen des Gleichbehandlungsgebots in Übereinstimmung mit den Vorschriften der Unionsbürgerrichtlinie RL 2004/38/EG sind auch im Rahmen des Art. 4 VO (EG) 883/2004 zu beachten. Mit sekundärem Gemeinschaftsrecht, so wie es sich insbesondere aus Art. 24 Abs. 1 und 2; 7 Abs. 1 Buchstabe b; 8 Abs. 4; 14 Abs. 3 RL 2004/38/EG ergibt, ist es nicht vereinbar, dass ein Unionsbürger, der sich allein zur Arbeitssuche in Deutschland zulässigerweise aufhält oder aufgehalten hat, ohne dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet sind, automatisch und ohne Möglichkeit einer weiteren Einzelfallprüfung unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist.
65III. Für den Anspruch des Klägers zu 3) gilt: Der Kläger zu 3) ist nicht erwerbsfähig, er hat gem. § 7 Abs. 2 S. 1 iVm § 7 Abs. 3 Nr. 4 und § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Kläger zu 1) und 2) einen Anspruch auf Sozialgeld, auf welches das Kindergeld gem. § 11 Abs. 1 S. 4 SGB II anzurechnen ist. Der Ausschlussgrund (für Familienangehörige) des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II greift, wie oben dargestellt, nicht, da die Kläger zu 1) und 2) nicht von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind.
66IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
67Die Revision war gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
(1) Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, ist Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege nach diesem Buch zu leisten. Die Vorschriften des Vierten Kapitels bleiben unberührt. Im Übrigen kann Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Die Einschränkungen nach Satz 1 gelten nicht für Ausländer, die im Besitz einer Niederlassungserlaubnis oder eines befristeten Aufenthaltstitels sind und sich voraussichtlich dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten. Rechtsvorschriften, nach denen außer den in Satz 1 genannten Leistungen auch sonstige Sozialhilfe zu leisten ist oder geleistet werden soll, bleiben unberührt.
(2) Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes erhalten keine Leistungen der Sozialhilfe.
(3) Ausländer und ihre Familienangehörigen erhalten keine Leistungen nach Absatz 1 oder nach dem Vierten Kapitel, wenn
- 1.
sie weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch auf Grund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
sie kein Aufenthaltsrecht haben oder sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt oder - 3.
sie eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen.
- 1.
Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Ernährung sowie Körper- und Gesundheitspflege, - 2.
Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung in angemessener Höhe nach § 35 und § 35a, einschließlich der Bedarfe nach § 30 Absatz 7, - 3.
die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen und - 4.
Leistungen nach § 50 Nummer 1 bis 3.
(3a) Neben den Überbrückungsleistungen werden auf Antrag auch die angemessenen Kosten der Rückreise übernommen. Satz 1 gilt entsprechend, soweit die Personen allein durch die angemessenen Kosten der Rückreise die in Absatz 3 Satz 5 Nummer 1 und 2 genannten Bedarfe nicht aus eigenen Mitteln oder mit Hilfe Dritter decken können. Die Leistung ist als Darlehen zu erbringen.
(4) Ausländer, denen Sozialhilfe geleistet wird, sind auf für sie zutreffende Rückführungs- und Weiterwanderungsprogramme hinzuweisen; in geeigneten Fällen ist auf eine Inanspruchnahme solcher Programme hinzuwirken.
(5) Hält sich ein Ausländer entgegen einer räumlichen Beschränkung im Bundesgebiet auf oder wählt er seinen Wohnsitz entgegen einer Wohnsitzauflage oder einer Wohnsitzregelung nach § 12a des Aufenthaltsgesetzes im Bundesgebiet, darf der für den Aufenthaltsort örtlich zuständige Träger nur die nach den Umständen des Einzelfalls gebotene Leistung erbringen. Unabweisbar geboten ist regelmäßig nur eine Reisebeihilfe zur Deckung des Bedarfs für die Reise zu dem Wohnort, an dem ein Ausländer seinen Wohnsitz zu nehmen hat. In den Fällen des § 12a Absatz 1 und 4 des Aufenthaltsgesetzes ist regelmäßig eine Reisebeihilfe zu dem Ort im Bundesgebiet zu gewähren, an dem der Ausländer die Wohnsitznahme begehrt und an dem seine Wohnsitznahme zulässig ist. Der örtlich zuständige Träger am Aufenthaltsort informiert den bislang örtlich zuständigen Träger darüber, ob Leistungen nach Satz 1 bewilligt worden sind. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Ausländer, die eine räumlich nicht beschränkte Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 23a, 24 Absatz 1 oder § 25 Absatz 4 oder 5 des Aufenthaltsgesetzes besitzen, wenn sie sich außerhalb des Landes aufhalten, in dem der Aufenthaltstitel erstmals erteilt worden ist. Satz 5 findet keine Anwendung, wenn der Wechsel in ein anderes Land zur Wahrnehmung der Rechte zum Schutz der Ehe und Familie nach Artikel 6 des Grundgesetzes oder aus vergleichbar wichtigen Gründen gerechtfertigt ist.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 6. August 2013 geändert:
Der Bescheid der Beklagten vom 30. April 2012 und der Widerspruchsbescheid vom 10. August 2012 werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung des Verlusts der Freizügigkeit durch die Beklagte.
- 2
Er ist polnischer Staatsangehöriger und seit November 1995, mit Unterbrechungen von unterschiedlicher Dauer, über wesentliche Zeiten im Gebiet der Beklagten aufhältig und gemeldet. Die Zeiträume seiner melderechtlichen Abwesenheit aus Deutschland (Abmeldungen nach Polen) betreffen die Monate Juni 1996 bis Dezember 1997, März 1998 bis Oktober 2004, September 2005 bis Februar 2006, Juni 2006 bis Juli 2006 sowie Februar 2007 bis Oktober 2007, wobei in jenen Abmeldungszeitraum eine Reihe von Straftaten des alkoholabhängigen Klägers in Deutschland fallen. Wegen der Anmeldezeiträume wird auf die von der Beklagten eingereichte Meldebestätigung vom 9. November 2010 (GA, Bl. 73 f.) verwiesen. Wegen diverser Straftaten - zumeist Diebstähle von Alkoholika, aber auch Fahren ohne Fahrerlaubnis und Hausfriedensbruch - hat der Kläger mehrfach Freiheitsstrafen abgesessen, zuletzt von November 2010 bis Juli 2011.
- 3
2004 sowie erneut im Oktober 2008 meldete der Kläger bei der Beklagten ein Gewerbe des Akkustik- und Trockenbaus, der Abbrucharbeiten und Hausmeisterdienste an. Das Gewerbe wurde zuletzt zum 29. Dezember 2008 abgemeldet. Zuvor und danach bezog er Leistungen nach dem SGB II. Im Hinblick auf seine Eheschließung mit einer Deutschen am 02. Oktober 2008 erhielt der Kläger eine vom 9. März 2009 bis 3. März 2011 gültige, wegen der Trennung der Eheleute nicht weiter verlängerte Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG.
- 4
Nach entsprechender Anhörung erließ die Beklagte am 30. April 2012 einen Bescheid, in dem sie gemäß dem damaligen § 5 Abs. 5 des Freizügigkeitsgesetzes / EU (FreizügG/EU) das Nichtbestehen der Freizügigkeit feststellte, den Kläger zu unverzüglichen Ausreise aus dem Bundesgebiet aufforderte und ihm bei Nichteinhaltung bis zum 15. Juni 2012 die zwangsweise Abschiebung nach Polen androhte. Zur Begründung führte sie an, der Kläger, der seine eheliche Lebensgemeinschaft aufgegeben habe und Sozialleistungen beziehe, sei weder erwerbstätig noch arbeitssuchend, da seine Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt unter anderem wegen seiner schwachen Deutschkenntnisse unwahrscheinlich sei. Nachweise über Bemühungen um eine Arbeitsstelle habe er nicht erbracht. Er verfüge über keine ausreichenden Mittel, um seine Existenzgrundlage sicherzustellen. Im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung sei zu berücksichtigen, dass er sich seit seiner letzten Einreise im Juli 2008 nunmehr 4 Jahre in Deutschland aufhalte und hier Bindungen habe, jedoch weder eine wirtschaftliche Integration noch mangels Familienangehöriger in Deutschland - eine hinreichende soziale Integration aufweise. Er habe mehrere Straftaten begangen und auch Krankenhausaufenthalte wegen einer Betäubungsmittelabhängigkeit durchlaufen, die neben seinen Sozialleistungen die öffentlichen Kassen belasteten.
- 5
Mit Widerspruchsschreiben vom 31. Mai 2012 und dessen nachfolgender Begründung machte der Kläger geltend, er habe sich - allerdings erfolglos - intensiv um Arbeitsaufnahme bemüht. In Lübeck wohnten nebst seiner getrennt lebenden Ehefrau seine sämtlichen nächsten Angehörigen, nämlich seine Mutter und seine beiden Schwestern. Der Kläger habe eine seiner Schwestern bei der Pflege seiner Mutter unterstützt und werde von dieser und von seinen Schwestern finanziell unterstützt. Er trete aktuell eine Alkohol-Entwöhnungstherapie in der Paracelsus Wiehengebirgsklinik Bad Essen an.
- 6
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. August 2012 wies die Beklagte den Widerspruch mit ausführlichen Erwägungen zurück. Wegen der Alkohol- und Drogenprobleme des Klägers sei die Prognose einer künftigen Arbeitsaufnahme für den Kläger negativ. Eine Alkoholtherapie könne er auch in Polen absolvieren.
- 7
Die hiergegen am 5. September 2012 erhobene Klage hat der Kläger wie folgt begründet:
- 8
Er genieße als Arbeitssuchender in Deutschland Freizügigkeit. Seit November 2003 halte er sich in Deutschland ununterbrochen auf und habe in dieser Zeit von 2004 bis 2008 als Selbständiger im Trockenbau gearbeitet. Nach Aufgabe seines Gewerbes habe er wegen seiner Alkoholabhängigkeit eine Erwerbstätigkeit nicht aufnehmen können. Er genieße jedoch wegen seines langjährigen Aufenthalts ein Daueraufenthaltsrecht nach Art. 16 Abs. 1 der Unionsbürgerrichtlinie, das unabhängig von der Frage der Sicherung seines Lebensunterhaltes und der Krankenversicherung Bestand habe. Maßgeblich sei lediglich ein ununterbrochener tatsächlicher Aufenthalt über 5 Jahre, der in seinem Fall erfüllt sei. Seine Therapie in der Paracelsus Wiehengebirgsklinik im Jahr 2012 sowie eine anschließende Adaptionsmaßnahme beim diakonischen Suchthilfezentrum in A-Stadt seien erfolgreich gewesen. Auf die Stellungnahmen beider Einrichtungen werde verwiesen. Von April bis 12. Juli 2013 sei der Kläger bei der Firma …… beschäftigt gewesen. Er bemühe sich um eine neue Arbeit.
- 9
Der Kläger hat beantragt,
- 10
den Bescheid vom 30. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2012 aufzuheben.
- 11
Die Beklagte hat beantragt,
- 12
die Klage abzuweisen.
- 13
Sie hat vorgetragen, der Kläger habe kein Daueraufenthaltsrecht in Deutschland erworben, da er sich nach über einem Jahr der Abmeldung nach Polen erst am 26. Oktober 2007 wieder in Lübeck angemeldet habe. Er sei weder sozial noch wirtschaftlich integriert. Eine langzeitige Arbeitslosigkeit sei aufgrund des Alters des Klägers, seiner fehlenden Qualifikation und Deutschkenntnisse und seines bisherigen Arbeitsverhaltens vorprogrammiert. Die bislang erfolglosen Therapien belasteten die öffentlichen Kassen zusätzlich. Entziehungskuren könne der Kläger auch in seiner Heimat Polen durchlaufen.
- 14
Der Kläger hat eine Stellungnahme der Paracelsus Klinik vom 29. November 2012 sowie mehrere Berichte seiner Suchthilfeeinrichtung in A-Stadt über die Adaptionsmaßnahme, zuletzt den ärztlichen Entlassungsbericht über die Adaptionsmaßnahme (undatiert, vgl. Bl. 145 f. der GA), eingereicht. Ausweislich des Entlassungsberichtes wurde die Maßnahme seitens der Einrichtung abgebrochen, weil der Kläger von einem Besuch in Lübeck nicht zurückkehrte. Die Einrichtung stufte ihn daher als unzuverlässig ein, wenngleich ein Rückfall in die Alkoholsucht ihm nicht nachzuweisen gewesen sei. Es sei von einer eher ungünstigen Prognose auszugehen.
- 15
Mit Urteil vom 6. August 2013 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger genieße nach keinerlei in Betracht kommenden Vorschriften des Freizügigkeitsgesetzes Freizügigkeit in Deutschland. Die aufgrund seiner kurzzeitigen Tätigkeit als Selbständiger erworbene Freizügigkeit sei innerhalb von 5 Jahren wieder entfallen, gerechnet ab der Begründung des ständigen Aufenthaltes des Klägers im Bundesgebiet am 19. Oktober 2004 bis zur Gewerbeabmeldung am 29. Dezember 2008. Seitdem bestehe Freizügigkeit für den Kläger unter keinem anderen in Frage kommenden Gesichtspunkt. Ein Daueraufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. § 4 a FreizügG/EU habe der Kläger nicht erworben, da er nicht mindestens 5 Jahre in der Bundesrepublik selbständig erwerbstätig gewesen sei. Es liege auch kein Fall des Fortbestandes der Freizügigkeit nach § 2 Abs. 3 FreizügG/EU vor. Der Kläger sei nicht als Arbeitnehmer freizügigkeitsberechtigt nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU, da er nur ein einziges Mal vom 13. Mai bis 21. Juli 2013 in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden habe, welches dann durch Kündigung der Firma beendet worden sei. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts habe der Kläger nicht in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden und er besitze auch keinen nachwirkenden Schutz nach § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 FreizügG/EU, da er nicht mehr als ein Jahr als Arbeitnehmer tätig gewesen sei. Auch eine Fortdauer nach Satz 2 dieser Norm komme nicht in Betracht, da sich der Kläger zwar nach eigenen Angaben arbeitslos gemeldet habe, jedoch Zweifel bestünden, ob er den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit tatsächlich zur Verfügung stehe. Der Kläger habe keine Bestätigung der Agentur für Arbeit vorgelegt und aufgrund des Abschlussberichtes für die Deutsche Rentenversicherung über seine Adaptionsmaßnahme sei von einer eher ungünstigen Abstinenzprognose im Hinblick auf sein Alkoholproblem auszugehen.
- 16
Der Kläger sei auch nicht als Arbeitssuchender nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt. Die von ihm eingereichten Nachweise für Eigenbemühungen bei der Arbeitssuche, welche sämtlich erfolglos geblieben seien, seien nicht wirklich überzeugend. Ungünstige Faktoren für die Arbeitssuche des Klägers seien die mehrfachen Inhaftierungen, die rudimentäre Beherrschung der deutschen Sprache, seine Alkoholabhängigkeit und die negative Prognose seiner Suchthilfeeinrichtung. Der Kläger werde auch medizinisch nicht wegen seiner Alkoholerkrankung behandelt und zeige insoweit kein Problembewusstsein. Es liege nahe, dass die kurzzeitige Beschäftigung bei der Firma compact, welche während der Probezeit gekündigt worden sei, wegen mangelhafter Leistungen aufgrund Alkoholkonsums beendet worden sei. Der Kläger nehme keinerlei professionelle Hilfe hinsichtlich seiner Alkoholabhängigkeit mehr in Anspruch und es könne nicht angenommen werden, dass es ihm gelingen werde, einen Arbeitsplatz zu finden.
- 17
Der Kläger sei auf Sozialleistungen angewiesen, so dass ihm auch kein Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 FreizügG/EU zukomme. Nicht erwerbstätigen Unionsbürgern komme kein Daueraufenthaltsrecht zu, wenn sie nicht über ausreichende Existenzmittel verfügten. Die hierzu auch aufgrund EU-Rechts zu treffende Ermessensentscheidung habe die Beklagte ohne erkennbare Ermessensfehler getroffen und sei mit überzeugenden Gründen zur Einschätzung gelangt, dass die öffentlichen Interessen an einer Verlustfeststellung der Freizügigkeit gegenüber den privaten Interessen des Klägers überwögen. Zu Lasten des Klägers seien seine geringe Integration, Straftaten und im Ergebnis im Rahmen von Art. 8 EMRK nicht schutzwürdige familiäre Bindungen bewertet worden. Der in Polen aufgewachsene Kläger könne dort leben, staatliche Hilfe in Anspruch nehmen und seine Alkoholabhängigkeit behandeln lassen. Die angegriffene Maßnahme sei daher auch verhältnismäßig.
- 18
Der Senat hat mit Beschluss vom 19. Dezember 2013 die Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil zugelassen, nachdem der Kläger Bewerbungen bei Zeitarbeitsfirmen vom Oktober 2013, insbesondere aber einen Arbeitsvertrag bei der Firma Nord-Schrott GmbH & Co. KG über ein Probearbeitsverhältnis ab dem 28. Oktober 2013, befristet bis zum 30. April 2014, eingereicht hatte.
- 19
Die Berufung wird (insbesondere durch Verweis auf die Begründung des Zulassungsantrages) wie folgt begründet:
- 20
Der Kläger habe eine hinreichende Verbindung zum Arbeitsmarkt, da er kurzfristige Beschäftigungen ausgeübt habe und sich um eine Arbeitsstelle beworben habe. Nachdem sein Probearbeitsvertrag über den 30. April 2014 hinaus nicht verlängert worden sei, sei er allerdings wieder arbeitsuchend. Die Arbeitssuche erfolge über mündliche Kontakte zum Jobcenter. Seit dem 1. Juni 2014 nehme der Kläger wieder Leistungen nach dem SGB II in Anspruch. Den entsprechenden Bewilligungsbescheid des Jobcenters A-Stadt vom 12. Juni 2014 über die Leistung von Arbeitslosengeld II für den Bewilligungszeitraum 01. Juni bis 31. Oktober 2014 hat der Kläger eingereicht. Neben seinem zuvor gültigen Probearbeitsvertrag mit der N… hat der Kläger auch Gehaltsabrechnungen vorgelegt, wonach er dort in Vollzeit beschäftigt war. Das Probearbeitsverhältnis sei aus seiner Sicht unfreiwillig beendet worden. Eine gesonderte Bestätigung der Agentur für Arbeit über seine Arbeitslosigkeit könne ihm von dort nicht ausgestellt werden. Sie sei der Sache nach in dem Bewilligungsbescheid vom 12. Juni 2014 zu sehen. Die Leistungen seien ihm ohne Abschläge und Sanktionen bewilligt worden, was als Beleg für die Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit ausreichen müsse. Im Übrigen sei es in der strukturschwachen Region A- Stadt wegen des häufig lediglich kurzfristigen Bedarfs der Unternehmen an zusätzlichen Arbeitskräften mittlerweile nicht ungewöhnlich, wenn Arbeitsverhältnisse jeweils nur für wenige Monate befristet andauerten.
- 21
Dass der Kläger zeitweilig Sozialleistungen in Anspruch nehme, dürfe ihm im Hinblick auf sein Freizügigkeitsrecht nicht zur Last gelegt werden. Nach der Rechtsprechung des EuGH bestehe ein Anspruch auf Sozialleistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen. Es spreche Überwiegendes dafür, dass Leistungen nach dem SGB II derartige zugangserleichternde Leistungen darstellten. Der Kläger habe eindeutig eine Verbindung zum Arbeitsmarkt, so dass ein Leistungsausschluss nicht mit Unionsrecht vereinbar wäre.
- 22
Der Kläger beantragt,
- 23
unter Abänderung des Urteils des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 06. August 2013 den Bescheid der Beklagten vom 30. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2012 aufzuheben.
- 24
Die Beklagte beantragt,
- 25
die Berufung zurückzuweisen.
- 26
Zur Begründung verweist sie auf ihr bisheriges Vorbringen sowie auf die vorübergehende Natur der vormaligen Erwerbstätigkeit des Klägers. Es sei zu prognostizieren, dass der Kläger auf Dauer arbeitslos sein werde.
- 27
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 28
Die zulässige Berufung ist begründet. Die ergangenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
- 29
Nach § 5 Abs. 4 des Freizügigkeitsgesetzes/EU (FreizügG/EU vom 30. Juli 2004, zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Juni 2013, BGBl. I S. 1555) kann der Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt (Freizügigkeit) nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU festgestellt werden, wenn die Voraussetzungen dieses Rechts innerhalb von 5 Jahren nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Bundesgebiet entfallen sind. Nach § 5 Abs. 4 S. 2 FreizügG/EU i.V.m. dem für entsprechend anwendbar erklärten § 4 a Abs. 6 FreizügG/EU wird der ständige Aufenthalt nicht berührt u.a. durch Abwesenheiten von bis zu insgesamt 6 Monaten im Jahr.
- 30
Anknüpfungspunkt für die nach den vorliegenden melderechtlichen Daten erfolgte Begründung des ständigen Aufenthalts im Bundesgebiet nach der letzten Abwesenheit von über 6 Monaten im Jahr ist im Falle des Klägers der 26. Oktober 2007. Dem Kläger ist ein Nachweis darüber, dass er sich auch während des Zeitraumes nach seiner davor liegenden Abmeldung nach Polen am 22. Februar 2007 bis zu dem gemeldeten Zuzug aus Polen am 26. Oktober 2007 ebenfalls ständig im Sinne von § 5 Abs. 4 i.V.m. § 4 a Abs. 6 FreizügG/EU im Bundesgebiet aufgehalten hat, nicht gelungen. Auszugehen ist daher von den durch die Beklagte eingereichten Meldedaten.
- 31
Gerechnet ab dem 26. Oktober 2007 konnte die Beklagte eine Feststellung des Verlusts der Freizügigkeit auf Grundlage des § 5 Abs. 4 FreizügG/EU lediglich für den Zeitraum bis zum 26. Oktober 2012 treffen. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut dieser Rechtsgrundlage kommt es für die Fünfjahresfrist nicht auf einen ständigen rechtmäßigen Aufenthalt an. Dies ergibt sich schon aus einem Vergleich mit den Voraussetzungen des Daueraufenthaltsrechts nach § 4a Abs. 1 Satz 1 und 2 FreizügG/EU, sowie den Modifikationen hierzu nach § 4a Abs. 2 FreizügG/EU, in denen der Gesetzgeber jeweils ausdrücklich normiert hat, in welchen Fällen neben dem ständigen Aufenthalt zusätzlich auf die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes - also die Erfüllung der Freizügigkeitsrechtsvoraussetzungen, s.u. - abzustellen ist. Die nicht auf eine Rechtmäßigkeit abstellende, gem. § 5 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 4a Abs. 6 FreizügG/EU im Hinblick auf etwaige zwischenzeitliche Abwesenheiten des jeweiligen Unionsbürgers zu berechnende Fünfjahresfrist für die Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU, die in der Unionsbürgerrichtlinie 2004/38/EG keine Entsprechung findet und daher eine nach Art. 37 dieser Richtlinie europarechtlich unbedenkliche günstigere innerstaatliche Vorschrift darstellt, wirkt sich somit als Schutz einer regelmäßig während eines solchen Zeitraumes hergestellten faktischen Eingliederung des Unionsbürgers in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland aus (vgl. auch VG Osnabrück, Urt. v. 19.04.2010 - 5 A 63/09 -, Juris Rn. 42. ff.; a.A. OVG Lüneburg, Urt. v. 11.07.2013 - 8 LA 148/12 -, InfAuslR 2013, 361, Juris Rn. 13 f.; Hailbronner, AuslR, § 5 Rn. 22). Eine Verlustfeststellung nach Ablauf der Fünfjahresfrist kann danach nur noch auf Grundlage anderer Vorschriften (§§ 2 Abs. 7, 6 Abs. 1 FeizügG/EU) erfolgen. Hätte der nationale Gesetzgeber für die Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU lediglich darauf abstellen wollen, dass nicht schon infolge eines (regelmäßig) fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalts i.S.v. § 4a FreizügG/EU ein Daueraufenthaltsrecht entstanden sein darf, so hätte dies unschwer durch eine entsprechende Formulierung niedergelegt werden können. Die zusätzliche, durch entsprechende Feststellungen zur Frage einer Erfüllung der Freizügigkeitsvoraussetzungen für die Verwaltung auch wesentlich aufwändiger zu klärende Anforderung eines i.S.d. Freizügigeitsgesetzes/EU rechtmäßigen Aufenthaltes kann aber über die Wortlautgrenze des § 5 Abs. 4 FreizügG/EU hinweg nicht zu Lasten der Unionsbürger in diese Rechtsgrundlage für eine Verlustfeststellung hineingelesen werden.
- 32
Zum Zeitpunkt des Ergehens der Bescheide lagen die Voraussetzungen für die Verlustfeststellung, wie auch der Kläger zuletzt nicht mehr in Abrede gestellt hat, unzweifelhaft vor. Der Kläger war im Jahre 2012 weder abhängig beschäftig noch selbständig erwerbstätig; Nachweise über eine Arbeitssuche i.S.v. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2. Alt. FreizügG/EU hatte er nur sehr eingeschränkt - in Form von Listen der Bestätigung persönlicher Vorsprachen - vorgelegt; zuvor war er inhaftiert gewesen und hatte keine Beschäftigungsverhältnisse innegehabt.
- 33
Zu der nach Art. 45 Abs. 3 c AEUV gewährleisteten unionsrechtlichen Arbeitnehmerfreizügigkeit gehört auch das Recht, sich ohne aktuelle Erwerbstätigkeit in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben und dort aufzuhalten, um eine Beschäftigung als Arbeitnehmer zu suchen. Das den Arbeitsuchenden danach zustehende Aufenthaltsrecht kann allerdings zeitlich begrenzt werden, wobei das Unionsrecht nicht regelt, wie lange sich Unionsbürger zur Stellensuche in einem Mitgliedsstaat aufhalten dürfen. Die Mitgliedstaaten sind berechtigt, hierfür einen angemessenen Zeitraum festzulegen, wobei in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ein Zeitraum von 6 Monaten grundsätzlich als ausreichend anerkannt worden ist (vgl. EuGH, Urt. v. 26.02.1991 - C-292/89 -, Antonissen). Erbringt der Betroffene auch nach Ablauf dieses Zeitraums den Nachweis, dass er weiterhin und mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht, so darf er vom Aufnahmemitgliedstaat nicht ausgewiesen werden (ebd.; EuGH, Urt. v. 26.05.1993 - C-171/91 -, Tsiotras; Urt. v. 20.02.1997 - C-344/95 -, Königreich Belgien; Urt. v. 23.03.2004 - C-138/02 -, Collins). Art. 14 Abs. 4 b der Unionsbürgerrichtlinie 2004/38/EG steht einer Ausweisung von Unionsbürgern entgegen, wenn diese in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats eingereist sind, um Arbeit zu suchen, solange die Unionsbürger nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und dass sie eine begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Voraussetzung des Freizügigkeitsrechts als Arbeitssuchender - als Teil des Arbeitnehmerstatus, der unionsrechtlich autonom zu bestimmen ist und nicht eng ausgelegt werden darf (vgl. Epe, in: GK - AufenthaltsG, § 2 FreizügG/EU Rn. 26) - ist mithin die objektivierbar nach außen hin zum Ausdruck gebrachte ernsthafte Absicht, eine Erwerbstätigkeit zu suchen und aufzunehmen, sowie eine begründete Aussicht auf Erfolg der Arbeitssuche (vgl. Epe, ebd. Rn. 51; Hailbronner, AuslR, Stand: April 2013, § 2 FreizügG/EU Rn. 42 f.; Dienelt, in: Renner/Bergmann/ Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 2 FreizügG/EU Rn. 62 f.; BayVGH, Beschl. v. 11.02.2014 - 10 C 13.2241 -, Juris Rn. 5; Beschl. v. 16.01.2009 - 19 C 08.3271 -, NVwZ-RR 2009, 697, Juris Rn. 6 f.).
- 34
Eine solche begründete Aussicht auf Erfolg der Arbeitssuche bestand zum Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheides im August 2012 für den Kläger nicht. Eine erfolgreiche Kontaktaufnahme mit dem bundesdeutschen Arbeitsmarkt war noch nicht gelungen; der Kläger hatte gerade erst eine Entwöhnungsbehandlung in einer Klinik wegen seiner Alkoholabhängigkeit angetreten. Er bezog Sozialhilfeleistungen, so dass auch ein Freizügigkeitsrecht nach § 4 FreizügG/EU nicht bestand.
- 35
Aufgrund seiner kurzzeitigen selbständigen Erwerbstätigkeit zuletzt im Jahre 2008, die für ein entsprechend zeitweiliges Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU ausreichend gewesen sein mag (sofern die damalige Gewerbeanmeldung auch Grundlage einer tatsächlichen Tätigkeit des Klägers war), ist auch die bei wörtlicher Auslegung des § 5 Abs. 4 (damals Abs. 5) FreizügG/EU zu erfüllende Voraussetzung der behördlichen Feststellung, dass das einmal bestanden habende Freizügigkeitsrecht innerhalb von fünf Jahren „entfallen“ sein musste, beim Kläger gegeben, so dass es auf die Frage, ob nach Sinn und Zweck der Norm auch Fälle des zu keinem Zeitpunkt bestehenden Freizügigkeitsrechts unter diese Rechtsgrundlage für eine Verlustfeststellung zu fassen wären (vgl. OVG Lüneburg, a.a.O. Rn. 14; Hailbronner, a.a.O. § 5 Rn. 23 ff.), nicht ankommt.
- 36
Der Kläger dürfte allerdings, wenn sich eine im Zeitpunkt ihres Ergehens rechtmäßige Verlustfeststellung (die Fehlerfreiheit der von der Beklagten in den Bescheiden getroffenen Ermessensentscheidung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU unterstellt) bei gerichtlicher Überprüfung als rechtmäßig erweisen soll, auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats kein Freizügigkeitsrecht besitzen. Denn die Verlustfeststellung hat nach § 7 Abs. 1 FreizügG/EU die Ausreisepflicht des Betroffenen zur Folge; sie ist - soweit nach aktuellem Rechtsstand noch Bescheinigungen ausgestellt werden, was lediglich hinsichtlich der Familienangehörigen eines Unionsbürgers der Fall ist, vgl. § 5 Abs. 1 FreizügG/EU - mit der Einziehung dieser Bescheinigung, der sog. Aufenthaltskarte, verbunden und beinhaltet überdies eine Ermessensentscheidung, in die sämtliche privaten und öffentlichen Belange eingestellt werden müssen, die durch eine Beendigung des Aufenthaltes betroffen werden. Die Verlustfeststellung unterliegt insbesondere dem Erfordernis des auch europarechtlich begründeten Verhältnismäßigkeitsgebotes (vgl. Hailbronner, a.a.O. Rn. 33 m.w.N.; Dienelt, in: Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 5 Rn. 62). Damit ist, wie bei anderweitigen aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die Grundlage einer Aufenthaltsbeendigung sein können, maßgeblicher Zeitpunkt für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides der Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU derjenige der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts (vgl. allg. Bauer, in: Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, vor §§ 53-56 Rn. 180 f.; BVerwG, Urt. v. 14.02.2012 - 1 C 7/11 -, BVerwGE 142, 29).
- 37
Eine Verlustfeststellung wäre danach rechtswidrig (geworden), wenn der Kläger inzwischen ein Daueraufenthaltsrecht im Sinne von § 4 a Abs. 1 FreizügG/EU erworben hätte. Dies ist allerdings nicht der Fall.
- 38
Voraussetzung eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a FreizügG/EU ist, dass sich der Betroffene während eines Zeitraumes von 5 Jahren ununterbrochen rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und über diesen gesamten Zeitraum freizügigkeitsberechtigt war (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 31.05.2012 - 10 C 8/12 -, Juris Rn. 19 f.). Bei dem Begriff des rechtmäßigen Aufenthaltes nach § 4 a Abs. 1 FreizügG/EU, Art. 16 Abs. 1 S. 1 der Unionsbürgerrichtlinie 2004/38/EG handelt es sich um einen autonomen Begriff des Unionsrechts, der in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen ist und daher nur so verstanden werden kann, dass ihn nur ein Aufenthalt erfüllt, der im Einklang mit den in der Richtlinie 2004/38/EG vorgesehenen, insbesondere mit den im dortigen Art. 7 aufgeführten Voraussetzungen steht. Mithin müssen während der Aufenthaltszeit von mindestens 5 Jahren ununterbrochen die Freizügigkeitsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG erfüllt worden sein (vgl. EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - Rs. C - 424/10 u.a., Ziolkowski u.a., NVwZ-RR 2012, 121; BVerwG, a.a.O., Juris Rn. 16 f.).
- 39
Während des hier maßgeblichen Zeitraumes nach Oktober 2007 hat der Kläger lediglich im Zeitraum ab Oktober 2008 bis Dezember 2008 als selbständiger Gewerbetreibender Freizügigkeit besessen; nachfolgend erhielt er eine aufenthaltsrechtliche Aufenthaltserlaubnis im Hinblick auf seine Eheschließung für einen Zeitraum von 2 Jahren. Nach seiner Haftentlassung im Juli 2011 hat die Beklagte ihm zunächst Freizügigkeitsbescheinigungen ausgestellt, jedoch ab Oktober 2011 das Verlustfeststellungsverfahren betrieben. Ein Daueraufenthaltsrecht gemäß § 4 a Abs. 1 FreizügG/EU ist für den Kläger seit seiner insoweit maßgeblichen Einreise am 26. Oktober 2007 bis zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats nicht entstanden. Nachdem der Zeitraum seiner selbstständigen Tätigkeit als Gewerbetreibender lediglich drei Monate des Jahres 2008 umfasste, hat der Kläger eine unselbstständige Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer bislang ebenfalls lediglich über wenige Monate - von Mai bis Juli 2013 sowie ab Ende Oktober 2013 bis Ende April 2014 - ausgeübt. Die Tätigkeit als nur tageweise beschäftigter Gelegenheitsarbeiter am 26. und 27. August 2013, die der Kläger im Berufungszulassungsverfahren nachgewiesen hat, fällt dabei ohnehin nicht ins Gewicht. Eine Arbeitssuche mit begründeter Aussicht auf Erfolg und damit eine Freizügigkeit als Arbeitssuchender gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2. Alt. FreizügG/EU hat der Kläger allenfalls nach Erlass der angefochtenen Bescheide nachgewiesenermaßen entfaltet. In den Zeiten seiner Nichterwerbstätigkeit hat der Kläger darüber hinaus Sozialleistungen nach dem SGB II bezogen, was einem Freizügigkeitsrecht als Nichterwerbstätigem gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 4 Satz 1 FreizügG/EU in europarechtlich nicht zu beanstandender Weise entgegensteht. Die Unionsbürgerrichtlinie 2004/38/EG verlangt nicht, dass Unionsbürgern das Freizügigkeitsrecht unabhängig von einem Bezug von Sozialhilfeleistungen bzw. Sozialleistungen eingeräumt wird. Ein Recht auf Aufenthalt für mehr als 3 Monate ist nach Art. 7 Abs. 1 Unionsbürgerrichtlinie lediglich Arbeitnehmern oder Selbstständigen oder Unionsbürgern einzuräumen, die über ausreichende Existenzmittel verfügen, sodass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen. Die Anforderung in § 4 FreizügG/EU, dass Unionsbürger neben einem ausreichenden Krankenversicherungsschutz - der hier für den Kläger jedenfalls zeitweilig aufgrund seiner Ehe mit einer Deutschen bestanden hat - auch über ausreichende Existenzmittel verfügen muss, befindet sich daher in Übereinstimmung mit den Regelungen der Unionsbürgerrichtlinie. Nach Art. 14 Abs. 1 der Unionsbürgerrichtlinie ist nur bei einem Aufenthalt von bis zu 3 Monaten nach Art. 6 der Richtlinie ein Aufenthaltsrecht auch gegeben, solange der Unionsbürger die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaates nicht unangemessen in Anspruch nimmt. Nach Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie darf die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen durch einen Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat nicht automatisch zu einer Ausweisung führen. Die Ermessensprüfung bei der Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU sichert eine einzelfallbezogene Prüfung, die einen Automatismus einer Ausweisung im Sinne von § 7 Abs. 3 Unionsbürgerrichtlinie ausschließt.
- 40
Der Kläger ist gegenwärtig, nachdem seine Erwerbstätigkeit und damit Arbeitnehmereigenschaft im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1, 1. Alternative FreizügG/EU geendet hat, wohl auch nicht als Arbeitssuchender im Sinne der 2. Alternative dieser Norm freizügigkeitsberechtigt. Nachdem der Kläger über sechs Monate hinweg eine im Wesentlichen vollzeitige Tätigkeit bei der Firma Nord-Schrott GmbH & Co. KG ausgeübt hat und im Jahre 2013 zuvor über zwei Monate hinweg eine andere Tätigkeit, ebenfalls vollzeitig, bei der Firma compact ausgeführt hat, wäre Bemühungen des Klägers zur Arbeitssuche die Ernsthaftigkeit und die begründete Erfolgsaussicht allerdings nicht von vornherein zu versagen. Die Kurzzeitigkeit von Arbeitsverhältnissen steht ihrer Bewertung als Beschäftigungsverhältnisse, die einen Arbeitnehmerstatus begründen, nicht entgegen (vgl. Epe, in: GK- AufenthG, § 2 FreizügG/EU Rn. 33; Hailbronner, AuslR, § 2 FreizügG/EU Rn.29). Bei den Beschäftigungsverhältnissen des Klägers handelte sich auch nicht um eine unwesentliche und völlig untergeordnete Tätigkeit (vgl. Dienelt, in: Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 2 FreizügG/EU Rn. 44). Die erneute Begründung eines Arbeitsverhältnisses binnen weniger Monate nach dem zweimonatigem Arbeitsverhältnis, welches während des erstinstanzlichen Verfahrens absolviert worden war, wäre grundsätzlich geeignet, eine hinreichende Verbindung des Klägers mit dem Arbeitsmarkt und hinreichend begründete Aussichten einer gegenwärtigen Arbeitssuche zu belegen. Auch eine mehrfach unterbrochene Erwerbstätigkeit steht einer solchen Bewertung nicht entgegen, da sie nach den gegenwärtigen Verhältnissen des Arbeitsmarktes nicht völlig ungewöhnlich ist und nicht notwendigerweise eine fehlende Vermittelbarkeit des Betreffenden belegt. Einem Unionsbürger steht die Freizügigkeit als Arbeitssuchender zu, solange er nachweislich seine Arbeitsbemühungen fortsetzt und sich, gegebenenfalls auch über einen Zeitraum von 6 Monaten sei Beendigung der letzten Erwerbstätigkeit hinaus, nachweislich auch weiterhin in nicht gänzlich aussichtsloser Weise um eine Arbeitsstelle bemüht. Es ist aber nicht erforderlich, dass er begründete Aussichten für ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis darlegt.
- 41
Von der Gelegenheit, entsprechend der schriftlichen Aufforderung durch das Gericht seine Bemühungen um eine Arbeitssuche darzulegen und nachzuweisen, hat der Kläger allerdings nicht in einer Weise Gebrauch gemacht, die den Senat von hinreichenden Erfolgsaussichten solcher Bemühungen überzeugt hätte. Schriftliche Nachweise der Arbeitssuche nach Beendigung des letzten Arbeitsverhältnisses im April 2014 sind nicht vorgelegt worden. In welcher Weise und um welche möglichen Stellen sich der Kläger gegenwärtig bewirbt, hat auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht konkretisiert. Der alleinige, gänzlich allgemeine Hinweis auf mündliche Kontakte zum Jobcenter reicht nicht aus, um eine Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitssuchender i.S.v. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2. Alt. FreizügG/EU darzulegen.
- 42
Jedoch kommt der Kläger zum gegenwärtigen, für die Entscheidung des Senats maßgeblichen Zeitpunkt noch in den Genuss der Fortwirkung seiner auf die Arbeitnehmereigenschaft aufgrund einer Erwerbstätigkeit gegründeten Freizügigkeit nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 1. Alternative i.V.m. Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU. Hiernach bleibt das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe des Freizügigkeitsgesetzes/EU bei unfreiwilliger und durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach - wie vorliegend - weniger als einem Jahr Beschäftigung während der Dauer von 6 Monaten unberührt. Gerechnet ab dem Zeitpunkt der mitgeteilten Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der Nord- Schrott GmbH & Co. KG am 30. April 2014 endet die fortdauernde Wirkung des Beschäftigtenverhältnisses im Hinblick auf die Freizügigkeit des Klägers damit erst mit Ablauf des Oktober 2014.
- 43
Der Senat geht davon aus, dass der Kläger unfreiwillig arbeitslos i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU ist. Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit liegt vor, wenn diese unabhängig von dem Willen des Klägers bzw. nicht aus einem in seinem Verhalten liegenden Grund eingetreten oder durch einen legitimen Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses von seiner Seite gerechtfertigt ist (vgl. hierzu Dienelt, a.a.O., § 2 FreizügG/EU Rn. 105; Epe, in: GK-AufenthG, § 2 FreizügG/EU Rn. 117; Hailbronner, AuslR, § 2 FreizügG/EU Rn. 82). Die Arbeitslosigkeit des Klägers ist eingetreten, nachdem sein bis zum 30. April 2014 geltender Probearbeitsvertrag nicht verlängert worden ist. Über die Gründe der Nichtverlängerung ist nichts bekannt; eine Begründung des Arbeitgebers ist im Falle des fristgerechten Auslaufens eines Probearbeitsverhältnisses regelmäßig auch nicht erforderlich. Von der im Probearbeitsvertrag verankerten Befugnis zur sofortigen Kündigung wegen Alkoholkonsums des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber offensichtlich keinen Gebrauch gemacht. Sonstige, in der Person des Klägers liegende Gründe für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind für den Senat nicht ersichtlich. Insbesondere kann ihm ohne nähere Erkenntnisse nicht die Tatsache seiner - offenbar weiterhin bestehenden - Alkoholproblematik als mutmaßlicher Grund seiner erneuten Arbeitslosigkeit zur Last gelegt werden. Dass dem Kläger nach seinem Antrag am 5. Juni 2014 ab 1. Juni 2014 uneingeschränkt Arbeitslosengeld II bewilligt worden ist, spricht ebenfalls für die Unfreiwilligkeit seiner Arbeitslosigkeit.
- 44
Eine gesonderte Bestätigung der Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit durch die Agentur für Arbeit ist, wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU ergibt, nicht erforderlich (vgl. demgegenüber Epe, in: GK-AufenthG, § 2 FreizügG/EU Rn. 117.1), da das Adjektiv „unfreiwillig“ in dieser Norm dem Erfordernis der Bestätigung durch die Agentur für Arbeit vorangestellt ist, so dass grammatikalisch kein Bezug zu dieser materiell-rechtlichen Voraussetzung hergestellt ist. Im Übrigen würde es sich um eine eigens freizügigkeitsrechtliche Bestätigung der Arbeitsverwaltung handeln, da eine gesonderte, ausdrückliche Bestätigung der Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit - soweit ersichtlich - sozialrechtlich nicht vorgesehen ist. Ausreichend für die Feststellung der Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit ist daher bereits, dass sich aus dem Bewilligungsbescheid der Agentur für Arbeit ergibt, dass der Kläger keiner Sperrzeit oder sonstigen Sanktion nach §§ 31 ff. SGB II wegen einer Pflichtverletzung in Hinblick auf seine Integration in den Arbeitsmarkt unterliegt. Das ist hier ausweislich des Bescheides vom 12. Juni 2014 gegeben.
- 45
In diesem Bescheid über die Bewilligung von Arbeitslosengeld II ist gleichzeitig auch die nach § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU erforderliche Bestätigung der Agentur für Arbeit über die Arbeitslosigkeit enthalten. Auch insoweit bedarf es aus Sicht des Senats keiner gesonderten, über die sozialrechtlich vorgesehenen Verwaltungsakte hinausgehenden Bestätigung. Entscheidend ist, dass der Kläger, nachdem er sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet hat, in Gestalt eines Bewilligungsbescheides von Arbeitslosengeld der Sache nach eine Bestätigung seiner Arbeitslosigkeit vorgelegt hat und damit gleichzeitig belegt, dass er - wenn auch unterhalb der Schwelle der eigenen hinreichenden Bemühungen um eine neue Arbeitsstelle, die ein Freizügigkeitsrecht als Arbeitssuchender nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2. Alt. FreizügG/EU begründen könnten - zumindest den Vermittlungsbemühungen der Arbeitsverwaltung zur Verfügung steht.
- 46
Nach alledem war das Urteil des Verwaltungsgerichts wegen der gegenwärtig noch fortbestehenden Freizügigkeit des Klägers zu ändern und die ergangenen Bescheide waren aufzuheben.
- 47
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
- 48
Die Revision wird nicht zugelassen, weil Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.
Tenor
I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
- 1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, - 2.
erwerbsfähig sind, - 3.
hilfebedürftig sind und - 4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
- 1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
Ausländerinnen und Ausländer, - a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder - b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
- 3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- 1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, - 2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils, - 3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, - b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner, - c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
- 4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1.
länger als ein Jahr zusammenleben, - 2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, - 3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder - 4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
- 1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder - 2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
(4a) (weggefallen)
(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.
(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,
- 1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, - 2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder - b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
- 3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die
- 1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, - 2.
erwerbsfähig sind, - 3.
hilfebedürftig sind und - 4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
- 1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, - 2.
Ausländerinnen und Ausländer, - a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder - b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
- 3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.
(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören
- 1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, - 2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils, - 3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, - b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner, - c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
- 4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.
(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
- 1.
länger als ein Jahr zusammenleben, - 2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, - 3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder - 4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,
- 1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder - 2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
(4a) (weggefallen)
(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.
(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,
- 1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben, - 2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder - b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
- 3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
(1) Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts besteht für jeden Kalendertag. Der Monat wird mit 30 Tagen berechnet. Stehen die Leistungen nicht für einen vollen Monat zu, wird die Leistung anteilig erbracht.
(2) Berechnungen werden auf zwei Dezimalstellen durchgeführt, wenn nichts Abweichendes bestimmt ist. Bei einer auf Dezimalstellen durchgeführten Berechnung wird die letzte Dezimalstelle um eins erhöht, wenn sich in der folgenden Dezimalstelle eine der Ziffern 5 bis 9 ergeben würde.
(3) Über den Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist in der Regel für ein Jahr zu entscheiden (Bewilligungszeitraum). Der Bewilligungszeitraum soll insbesondere in den Fällen regelmäßig auf sechs Monate verkürzt werden, in denen
- 1.
über den Leistungsanspruch vorläufig entschieden wird (§ 41a) oder - 2.
die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung unangemessen sind.
(1) Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll es Leistungsberechtigten ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht.
(2) Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll die Eigenverantwortung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und Personen, die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, stärken und dazu beitragen, dass sie ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können. Sie soll erwerbsfähige Leistungsberechtigte bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit unterstützen und den Lebensunterhalt sichern, soweit sie ihn nicht auf andere Weise bestreiten können. Die Gleichstellung von Männern und Frauen ist als durchgängiges Prinzip zu verfolgen. Die Leistungen der Grundsicherung sind insbesondere darauf auszurichten, dass
- 1.
durch eine Erwerbstätigkeit Hilfebedürftigkeit vermieden oder beseitigt, die Dauer der Hilfebedürftigkeit verkürzt oder der Umfang der Hilfebedürftigkeit verringert wird, - 2.
die Erwerbsfähigkeit einer leistungsberechtigten Person erhalten, verbessert oder wieder hergestellt wird, - 3.
Nachteile, die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten aus einem der in § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes genannten Gründe entstehen können, überwunden werden, - 4.
die familienspezifischen Lebensverhältnisse von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die Kinder erziehen oder pflegebedürftige Angehörige betreuen, berücksichtigt werden, - 5.
Anreize zur Aufnahme und Ausübung einer Erwerbstätigkeit geschaffen und aufrechterhalten werden.
(3) Die Grundsicherung für Arbeitsuchende umfasst Leistungen zur
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
(1a) (weggefallen)
(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.
(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.
(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
- 1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, - 2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder - 3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.
(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen, - 2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, - 3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder - 4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:
- 1.
den Tag des Eingangs der Klage, - 2.
die Namen und die Anschriften der Parteien, - 3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete, - 4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und - 5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.
(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.
(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag
- 1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, - 2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, - 3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
(1a) (weggefallen)
(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.
(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.
(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
- 1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, - 2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder - 3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.
(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen, - 2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, - 3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder - 4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:
- 1.
den Tag des Eingangs der Klage, - 2.
die Namen und die Anschriften der Parteien, - 3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete, - 4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und - 5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.
(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.
(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn
- 1.
dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird, - 2.
der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet oder sie unbefugt einem Dritten überlässt oder - 3.
der Mieter - a)
für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder - b)
in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.
(3) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Dies gilt nicht, wenn
- 1.
eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht, - 2.
die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist oder - 3.
der Mieter mit der Entrichtung der Miete im Sinne des Absatzes 2 Nr. 3 in Verzug ist.
(4) Auf das dem Mieter nach Absatz 2 Nr. 1 zustehende Kündigungsrecht sind die §§ 536b und 536d entsprechend anzuwenden. Ist streitig, ob der Vermieter den Gebrauch der Mietsache rechtzeitig gewährt oder die Abhilfe vor Ablauf der hierzu bestimmten Frist bewirkt hat, so trifft ihn die Beweislast.
(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
- 1.
der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat, - 2.
der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder - 3.
der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.
(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.
(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
- 1.
der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat, - 2.
der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder - 3.
der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.
(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.
(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.
(1) Ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 liegt für den Mieter auch vor, wenn der gemietete Wohnraum so beschaffen ist, dass seine Benutzung mit einer erheblichen Gefährdung der Gesundheit verbunden ist. Dies gilt auch, wenn der Mieter die Gefahr bringende Beschaffenheit bei Vertragsschluss gekannt oder darauf verzichtet hat, die ihm wegen dieser Beschaffenheit zustehenden Rechte geltend zu machen.
(2) Ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 liegt ferner vor, wenn eine Vertragspartei den Hausfrieden nachhaltig stört, so dass dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2a) Ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Absatz 1 liegt ferner vor, wenn der Mieter mit einer Sicherheitsleistung nach § 551 in Höhe eines Betrages im Verzug ist, der der zweifachen Monatsmiete entspricht. Die als Pauschale oder als Vorauszahlung ausgewiesenen Betriebskosten sind bei der Berechnung der Monatsmiete nach Satz 1 nicht zu berücksichtigen. Einer Abhilfefrist oder einer Abmahnung nach § 543 Absatz 3 Satz 1 bedarf es nicht. Absatz 3 Nummer 2 Satz 1 sowie § 543 Absatz 2 Satz 2 sind entsprechend anzuwenden.
(3) Ergänzend zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 gilt:
- 1.
Im Falle des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe a ist der rückständige Teil der Miete nur dann als nicht unerheblich anzusehen, wenn er die Miete für einen Monat übersteigt. Dies gilt nicht, wenn der Wohnraum nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet ist. - 2.
Die Kündigung wird auch dann unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a Abs. 1 befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Kündigung vor nicht länger als zwei Jahren bereits eine nach Satz 1 unwirksam gewordene Kündigung vorausgegangen ist. - 3.
Ist der Mieter rechtskräftig zur Zahlung einer erhöhten Miete nach den §§ 558 bis 560 verurteilt worden, so kann der Vermieter das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs des Mieters nicht vor Ablauf von zwei Monaten nach rechtskräftiger Verurteilung kündigen, wenn nicht die Voraussetzungen der außerordentlichen fristlosen Kündigung schon wegen der bisher geschuldeten Miete erfüllt sind.
(4) Der zur Kündigung führende wichtige Grund ist in dem Kündigungsschreiben anzugeben.
(5) Eine Vereinbarung, die zum Nachteil des Mieters von den Absätzen 1 bis 3 dieser Vorschrift oder von § 543 abweicht, ist unwirksam. Ferner ist eine Vereinbarung unwirksam, nach der der Vermieter berechtigt sein soll, aus anderen als den im Gesetz zugelassenen Gründen außerordentlich fristlos zu kündigen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Beklagte ist seit 1972 Mieter einer Wohnung in Berlin. Die Klägerin, eine aus zwei Gesellschaftern bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts, ist durch Eigentumserwerb im Jahr 2003 in die Vermieterstellung eingetreten.
- 2
- Gemäß § 4 des Mietvertrags ist die Miete monatlich im Voraus, spätestens am dritten Werktag, zu entrichten. Nach § 5 des Mietvertrags kann der Mieter gegenüber Mietforderungen mit Gegenforderungen nur aufrechnen, wenn er seine Absicht dem Vermieter mindestens eine Woche vor Fälligkeit angekündigt hat.
- 3
- Nach dem Anschluss der ursprünglich nur mit Einzelöfen ausgestatteten Wohnung des Beklagten an die Fernwärmeversorgung verlangte die Klägerin ab März 2008 neben der Grundmiete (252,81 €) monatliche Heizkostenvor- schüsse in Höhe von 70 €. Dem Beklagten waren zu diesem Zeitpunkt vom Jobcenter monatliche Leistungen von 302,81 € für Heizung und Unterkunft bewilligt , wovon das Jobcenter 252,81 € direkt an die Klägerin und 50 € monatlich auf ein vom Beklagten benanntes Konto überwies.
- 4
- Der Beklagte zahlte die von der Klägerin ab März 2008 verlangten Vorschüsse zunächst nicht. Mit anwaltlichem Schreiben vom 6. Mai 2009 teilte er mit, er sei davon ausgegangen, dass das Jobcenter monatliche Vorschüsse von 50 € an die Klägerin gezahlt habe, und kündigte Zahlungen in dieser Höhe für die Zukunft an; für Mai und Juni 2009 zahlte er am 1. Juli 2009 100 € und danach monatlich 50 €.
- 5
- Mit Anwaltsschreiben vom 5. Oktober 2009 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis fristgemäß zum 31. Juli 2010, weil der Beklagte die Heizkostenvorauszahlungen von März 2008 bis April 2009 (14 x 70 € = 980 €) nicht gezahlt hatte. Die rückständigen Vorschüsse für diesen Zeitraum waren Gegenstand eines Zahlungsprozesses, in dem der Beklagte mit Urteil des Amtsgerichts vom 12. November 2009 antragsgemäß verurteilt wurde. Der Beklagte leistete die ausstehenden Zahlungen am 30. Juli 2010. Das Urteil des Amtsgerichts wurde durch Zurückweisung der Berufung am 15. November 2010 rechtskräftig.
- 6
- Mit Schreiben vom 12. November 2010 kündigte die Klägerin erneut fristgemäß, weil der Beklagte zu diesem Zeitpunkt die Miete für den laufenden Monat noch nicht gezahlt hatte.
- 7
- Das Amtsgericht hat der Räumungsklage stattgegeben, das Landgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Ziel der Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
- 8
- Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
- 9
- Das Berufungsgericht (LG Berlin, GE 2012, 548) hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
- 10
- Die Kündigung vom 5. Oktober 2009 scheitere zwar nicht daran, dass sie nicht von der Klägerin, sondern von deren Gesellschaftern persönlich erklärt worden sei. Ungeachtet der Teilrechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts sei es den Gesellschaftern unbenommen, persönlich die Kündigung des Mietverhältnisses zu erklären.
- 11
- Der Beklagte könne gegen die Kündigung auch nicht mit Erfolg einwenden , dass ihn kein Verschulden an den Zahlungsrückständen treffe. Der Beklagte habe selbst eingeräumt, dass das Jobcenter an ihn 50 € monatlich für Heizkosten überwiesen habe, was ihm jedenfalls im Juni 2009 durch einen entsprechenden Ausdruck der Zahlungen des Jobcenters klar gewesen sein müsse. Allerdings könne die Kündigung unwirksam sein, wenn die Vorschrift des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB auf die ordentliche Kündigung anzuwenden sei. Dies könne indes dahinstehen, weil jedenfalls die weitere Kündigung vom 12. November 2010 das Mietverhältnis beendet habe. Der Beklagte sei im Zeitpunkt dieser weiteren Kündigung mit der vollen Novembermiete in Rückstand gewesen. Dies rechtfertige eine ordentliche Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB, denn es handele sich angesichts der Höhe des Rückstands um eine erhebliche Pflichtverletzung. Der Rückstand mit einer Monatsmiete genüge für die ordentliche Kündigung. Auf die in § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB in Verbindung mit § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB genannte Grenze könne für die ordentliche Kündigung nicht abgestellt werden, denn sonst liefe diese bei Verletzung der Hauptleistungspflicht leer.
II.
- 12
- Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung lediglich im Ergebnis stand. Die Kündigung vom 12. November 2010 ist unwirksam, weil Zahlungsrückstände des Mieters die ordentliche Kündigung nicht rechtfertigen, wenn sie - wie hier - den Betrag einer Monatsmiete nicht übersteigen und im Zeitpunkt der Kündigung weniger als einen Monat angedauert haben. Gleichwohl hat das Berufungsgericht die Berufung des Beklagten im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen , denn das Mietverhältnis der Parteien ist bereits durch die Kündigung vom 5. Oktober 2009 beendet worden.
- 13
- 1. Die Kündigung der Klägerin vom 12. November 2010 ist unwirksam, weil die Pflichtverletzung des Beklagten, auf die sie gestützt ist - die Nichtzahlung der neun Tage zuvor fälligen Miete - keine "nicht unerhebliche Pflichtverletzung" im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB darstellt.
- 14
- a) Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die Miete für den Monat November 2010 gemäß § 4 des Mietvertrags am 3. November 2010 fällig wurde. Zwar wurde der Mietvertrag noch unter Geltung von § 551 BGB aF abgeschlossen, wonach die Miete jeweils am Monatsende zu zahlen war. Eine Formularklausel, die hiervon abweichend eine Zahlung jeweils bis zum dritten Werktag eines Monats im Voraus verlangt, ist nach der Rechtsprechung des Senats gleichwohl wirksam (Senatsbeschluss vom 26. Oktober 1994 - VIII ARZ 3/94, BGHZ 127, 245, 249 f.). Entgegen der Ansicht der Revision gilt dies auch dann, wenn die Fälligkeitsklausel - wie hier - mit einer sogenannten Ankündigungsklausel kombiniert ist (Senatsurteil vom 4. Mai 2011 - VIII ZR 191/10, NJW 2011, 2201 Rn. 15; Senatsbeschluss vom 7. September 2011 - VIII ZR 345/10, WuM 2011, 676 Rn. 3).
- 15
- b) In der Rechtsprechung der Instanzgerichte und in der mietrechtlichen Literatur ist streitig, wie hoch ein vom Mieter verschuldeter Zahlungsrückstand sein und wie lange er angedauert haben muss, um die ordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
- 16
- aa) Nach einer teilweise vertretenen Auffassung soll den in § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB für die fristlose Kündigung festgelegten Voraussetzungen eine allgemeingültige Bedeutung zukommen. Deshalb setze auch eine auf Zahlungsverzug gestützte ordentliche Kündigung voraus, dass sich der Mieter mit einem Betrag in Höhe von zwei vollen Monatsmieten oder für zwei aufeinanderfolgende Monate mit einem nicht unerheblichen Teil der Miete in Verzug befinde (Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 10. Auflage, § 573 BGB Rn. 27; MünchKommBGB /Häublein, 6. Aufl., § 573 Rn. 59).
- 17
- bb) Nach der Gegenauffassung kommt auch bei einem Zahlungsverzug unterhalb der Schwelle des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine ordentliche Kündigung in Betracht. Dabei werden an die Höhe des Rückstands und die Dauer des Verzugs unterschiedliche Anforderungen gestellt. Teilweise soll jeder Zahlungsverzug zur Kündigung berechtigen, soweit es sich nicht um einen solchen handele, der auch bei jedem gutwilligen Vertragspartner einmal auftreten könne und nur zu einer kurzfristigen Störung des Vertragsverhältnisses führe (Schmid, DWW 1982, 77, 84); auch Rückstände unterhalb einer Monatsmiete und einer Verzugsdauer unterhalb eines Monats werden gelegentlich als ausreichend angesehen (Grapentin in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete , 3. Aufl., Rn. IV 64).
- 18
- Überwiegend wird jedoch eine erhebliche Pflichtverletzung erst bei einem Rückstand von einer Monatsmiete und einer Verzugsdauer von mindestens einem Monat angenommen (LG Wiesbaden NZM 2003, 713: rückständige titulierte Monatsmiete; Staudinger/Rolfs, BGB, Neubearb. 2011, § 573 Rn. 47; Bamberger /Roth/Hannapel, BGB, 3. Aufl., § 573 Rn. 28; Schmid/Gahn, Miete, 2006, § 573 Rn. 22; Erman/Lützenkirchen, BGB, 13. Aufl., § 573 Rn. 24; vgl. auch Palandt/Weidenkaff, BGB, 71. Aufl., § 573 Rn. 16: mindestens ein halber Monat Verzugsdauer).
- 19
- cc) Der Auffassung, dass auch unterhalb der in § 543 Abs. 3 Nr. 2 BGB festgelegten Grenzen eine ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs möglich ist, gebührt der Vorzug. Die fristlose Kündigung setzt voraus, dass dem Vermieter unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls die Fortsetzung des Vertrags nicht bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist zugemutet werden kann. Demgegenüber knüpft die ordentliche Kündigung an eine nicht unerhebliche Vertragsverletzung des Mieters an, die dem Vermieter die Lösung vom Vertrag nur unter Beachtung gesetzlicher oder vereinbarter Kündigungsfristen erlaubt. Angesichts dieser unterschiedlichen Anforderungen an die fristlose und die ordentliche Kündigung besteht kein Grund, die vom Gesetzgeber für die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs festgelegten Grenzen auf die ordentliche Kündigung zu übertragen.
- 20
- Hiervon geht auch das Berufungsgericht im Ansatzpunkt zutreffend aus. Allerdings muss bei der Bewertung einer Pflichtverletzung als "nicht unerheblich" die Dauer und die Höhe des Zahlungsverzugs berücksichtigt werden. Nicht jeder geringfügige oder nur kurzfristige Zahlungsverzug rechtfertigt die Annahme einer nicht unerheblichen Pflichtverletzung. In Anlehnung an die überwiegend vertretenen Auffassungen erscheint dem Senat die Erheblichkeitsgrenze nicht überschritten, wenn der Rückstand eine Monatsmiete nicht übersteigt und zudem die Verzugsdauer weniger als einen Monat beträgt. Hier befand sich der Beklagte im Zeitpunkt der Kündigung vom 12. November 2010 mit der Miete für November neun Tage in Verzug, so dass die Grenze zur "nicht unerheblichen" Pflichtverletzung noch nicht überschritten war.
- 21
- 2. Das Urteil des Berufungsgerichts erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig, denn das Mietverhältnis der Parteien ist bereits durch die Kündigung der Klägerin vom 5. Oktober 2009 beendet worden.
- 22
- a) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Kündigung vom 5. Oktober 2009 nicht deswegen unwirksam, weil sie nicht im Namen der Vermieterin erklärt worden wäre. Auf die - nach Ansicht der Revision zu verneinende - Frage , ob die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein von der Gesellschaft eingegangenes Mietverhältnis persönlich kündigen können, kommt es nicht an, weil die anwaltliche Kündigung vom 5. Oktober 2009 im Namen der Gesellschaft ausgesprochen worden ist. Denn der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat darin auf eine von beiden Gesellschaftern erteilte Vollmacht und das mit dem Beklagten bestehende Mietverhältnis Bezug genommen. Hieraus ergibt sich hinreichend, dass die Kündigung im Namen der Gesellschaft als Vermieterin erfolgte.
- 23
- b) Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses (§ 573 Abs. 1 BGB), weil der Beklagte seine Pflichten aus dem Mietvertrag schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB), indem er in der Zeit von März 2008 bis April 2009 keine Zahlungen auf die in Höhe von 70 € monatlich geschuldeten Heizkostenvorauszahlungen leis- tete.
- 24
- Dass er diese Pflichtverletzung mangels Verschulden nicht zu vertreten hätte (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB), lässt sich dem Vorbringen des Beklagten ent- gegen der Auffassung der Revision nicht entnehmen. Zu Recht hat das Berufungsgericht darauf abgestellt, dass eine unverschuldete wirtschaftliche Notlage , die den Beklagen an der Zahlung der Vorschüsse gehindert hätte, schon deshalb nicht vorlag, weil er im fraglichen Zeitraum monatlich 50 € für Heizkostenvorauszahlungen vom Jobcenter erhielt. Dass er diese Beträge "versehentlich" zur Tilgung anderer Verbindlichkeiten verwendete, ändert nichts daran, dass dem Beklagen zumindest Fahrlässigkeit zur Last fiel. Selbst wenn nur mo- natliche Vorauszahlungen von 50 € berücksichtigt würden, wäre in dem Zeit- raum von März 2008 bis April 2009 ein erheblicher, zwei Monatsmieten übersteigender und vom Beklagten auch zu vertretender Rückstand aufgelaufen.
- 25
- Soweit der Beklagte geltend macht, er sei irrig davon ausgegangen, dass er die Vorauszahlungen nicht leisten müsse, könnte ihn dies nur unter den Voraussetzungen eines unvermeidbaren Rechtsirrtums entlasten (vgl. Senatsurteile vom 25. Oktober 2006 - VIII ZR 102/06, NZM 2007, 35 Rn. 25, 27 sowie vom 11. Juli 2012 - VIII ZR 138/11, WuM 2012, 499 Rn.19). Für das Vorliegen eines unvermeidbaren Rechtsirrtums bestehen nach dem Sachvortrag des Beklagten jedoch keine Anhaltspunkte. Der Umstand, dass der Beklagte nach eigenen Angaben davon ausging, dass die Zahlungen in Höhe von monatlich 50 € für ihn vom Jobcenter erbracht worden seien, und er Zahlungen in dieser Höhe ab Mai 2009 tatsächlich auch leistete, spricht im Gegenteil dafür, dass er sich darüber im Klaren war, nach dem Anschluss seiner Wohnung an die Fernwärmeversorgung Heizkostenvorauszahlungen entrichten zu müssen. Entgegen der Auffassung der Revision rechtfertigt der Umstand, dass dem Beklagten im Zahlungsprozess in der ersten Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt worden war, keine andere Beurteilung.
- 26
- c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und der Revision steht der Kündigung vom 5. Oktober 2009 auch nicht die "Sperrwirkung" des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB entgegen. Diese Vorschrift bestimmt für die fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB, dass im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung des Mieters zur Zahlung einer erhöhten Miete nach §§ 558 bis 560 BGB das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs nicht vor Ablauf von zwei Monaten nach rechtskräftiger Verurteilung gekündigt werden kann, wenn nicht die Voraussetzungen der außerordentlichen fristlosen Kündigung schon wegen der bisher geschuldeten Miete erfüllt sind.
- 27
- Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf die ordentliche Kündigung kommt nicht in Betracht. Es besteht schon keine Regelungslücke, die eine solche analoge Anwendung rechtfertigen könnte.
- 28
- aa) Wie der Senat für den ähnlich gelagerten Fall der in § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB geregelten Schonfristzahlung ausgeführt hat (Senatsurteil vom 16. Februar 2005 - VIII ZR 6/04, NZM 2005, 334 unter II 2 a, c), sprechen bereits die unterschiedlichen Kündigungsvoraussetzungen für die außerordentliche fristlose Kündigung in § 543 BGB und für die ordentliche Kündigung in § 573 BGB dagegen, dass der Gesetzgeber die in § 569 Abs. 3 BGB enthaltenen Schutzvorschriften nur versehentlich auf die außerordentliche Kündigung beschränkt haben könnte. Der Zweck der Schutzvorschriften besteht darin, in bestimmten Konstellationen eine Obdachlosigkeit des Mieters infolge einer fristlosen Kündigung zu vermeiden; eine solche Gefahr der Obdachlosigkeit besteht angesichts der bei der ordentlichen Kündigung einzuhaltenden Kündigungsfrist nicht oder jedenfalls nicht in gleichem Maße (Senatsurteil vom 16. Februar 2005 - VIII ZR 6/04, aaO unter II 2 d aa). Im Übrigen kann von einem gesetzgeberischen Versehen, die Schutzvorschriften des § 569 Abs. 3 BGB entgegen der eigentlichen Intention nicht auch auf die ordentliche Kündigung bezogen zu haben, auch deshalb nicht (mehr) ausgegangen werden, weil der Gesetzgeber im Mietrechtsreformgesetz vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1149) zwar die Schonfrist bei der fristlosen Kündigung auf zwei Monate verlängert, gleichwohl aber bei dieser Gelegenheit für die ordentliche Kündigung keine anderweitige Regelung getroffen hat, obwohl die obergerichtliche Rechtsprechung schon in den 1990er Jahren eine analoge Anwendung der Regelung über die Schonfristzahlung auf die ordentliche Kündigung verneint hat (vgl. Senatsurteil vom 16. Februar 2005 - VIII ZR 6/04, aaO unter II 2 b).
- 29
- bb) Auch bei der Regelung des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB handelt es sich um eine Regelung mit Ausnahmecharakter. Nach der Rechtsprechung des Senats kommt deshalb - mangels Bestehen einer Regelungslücke - eine analoge Anwendung weder für den preisgebundenen Wohnraum (Senatsurteil vom 9. Mai 2012 - VIII ZR 327/11, NJW 2012, 2279 Rn. 16) noch für den Fall in Betracht , dass der Vermieter wegen Mietrückständen, die aus erhöhten Betriebskostenvorauszahlungen (§ 560 Abs. 4 BGB) resultieren, nach § 543 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b BGB kündigt, ohne zuvor auf Zahlung der Rückstände zu klagen (Senatsurteil vom 18. Juli 2012 - VIII ZR 1/11, WuM 2012, 497 Rn. 21). Für die ordentliche Kündigung gilt nichts anderes; auch insoweit ist für eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB kein Raum.
- 30
- d) Entgegen der Auffassung der Revision führt die vom Beklagten am 30. Juli 2010 nachträglich geleistete Zahlung ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung.
- 31
- Allerdings hat der Senat im Zusammenhang mit der Bedeutung der Schonfristzahlung für eine ordentliche Kündigung ausgeführt, die innerhalb der Frist des § 569 BGB erfolgte nachträgliche Zahlung könne die Pflichtverletzung des Mieters in einem milderen Licht erscheinen lassen und unter diesem Gesichtspunkt von Bedeutung sein (vgl. Senatsurteil vom 16. Februar 2005 - VIII ZR 6/04, aaO unter II 2 d cc). Ob dies - wie es im damaligen Senatsurteil möglicherweise anklingt - im Rahmen der Wirksamkeit der Kündigung oder - was aus systematischen Gründen näher liegen dürfte - im Rahmen von § 242 BGB zu prüfen ist, weil sich die Berufung auf eine wirksam ausgesprochene Kündigung aufgrund nachträglich eingetretener Umstände im Einzelfall als rechtsmissbräuchlich darstellen kann (vgl. hierzu Senatsurteil vom 13. Oktober 2010 - VIII ZR 78/10, NJW 2010, 3775 Rn. 14, zur Anbietpflicht), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die im Juli 2010 und somit fast neun Monate nach der Kündigung erfolgte Zahlung lässt die schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten , der in der Zeit vom März 2008 bis April 2009 Rückstände in Höhe von mehr als zwei Monatsmieten hat auflaufen lassen, auch nachträglich nicht in einem milderen Licht erscheinen. Die nachträgliche Zahlung steht daher dem Räumungsbegehren der Klägerin weder unter dem Gesichtspunkt der Wirksamkeit der Kündigung noch mit Rücksicht auf Treu und Glauben entgegen. Ball Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Bünger
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg, Entscheidung vom 17.12.2010 - 19 C 28/10 -
LG Berlin, Entscheidung vom 01.03.2012 - 67 S 42/11 -
(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.
(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.
Tenor
-
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 11. Juni 2014 wird zurückgewiesen.
-
Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
-
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
-
Der Beklagte ist seit Dezember 2010 Mieter einer 140 qm großen Wohnung des Klägers in H. . Die spätestens bis zum dritten Werktag eines jeden Monats im Voraus zu entrichtende Miete beläuft sich auf monatlich 1.100 € netto zuzüglich der Miete für die dazugehörige Garage in Höhe von 50 € sowie einer Betriebskostenvorauszahlung von 180 €.
- 2
-
Ab Oktober 2011 bezog der Beklagte Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II. Die seit Januar 2013 vom zuständigen Jobcenter für seine Unterkunft erhaltenen Zahlungen leitete er nicht an den Kläger weiter. Dieser kündigte daraufhin das Mietverhältnis unter dem 17. April 2013 wegen der bis dahin aufgelaufenen Mietrückstände fristlos. Mit seiner am 8. Juni 2013 zugestellten Klage hat er den Beklagten auf Zahlung der rückständigen Miete bis einschließlich Mai 2013 in Höhe von 6.650 € nebst Zinsen sowie auf Räumung der Wohnung in Anspruch genommen. Seine Mietzahlungspflicht hat der Beklagte anerkannt, so dass er durch rechtskräftiges Teilanerkenntnisurteil des Amtsgerichts insoweit antragsgemäß verurteilt worden ist.
- 3
-
Nach Zustellung der Klage beantragte der Beklagte bei dem für ihn bis dahin zuständigen Jobcenter die Übernahme der Mietschulden, was mit Rücksicht auf die Größe der Wohnung durch Bescheid vom 26. Juni 2013 abgelehnt wurde. Nachdem sein hiergegen erhobener Widerspruch erfolglos geblieben war, begehrte der Beklagte unter dem 23. Juli 2013 bei dem zuständigen Sozialgericht einstweiligen Rechtsschutz. Dieses verpflichtete das Jobcenter durch einstweilige Anordnung vom 8. August 2013, zur Abwendung der Räumungsklage die vom Kläger eingeklagte rückständige Miete sowie darüber hinaus die fällige Miete beziehungsweise Nutzungsentschädigung zu zahlen; zugleich wurde dem Jobcenter aufgegeben, noch am selben Tage gegenüber dem Kläger eine entsprechende Verpflichtungserklärung abzugeben. Das Jobcenter gab die geforderte Verpflichtungserklärung in der Folge ab, zahlte jedoch an den Kläger lediglich die eingeklagte Miete von Januar bis Mai 2013.
- 4
-
Seit Juni 2013 stehen dem Beklagten Sozialleistungen nach dem SGB XII zu, für deren Bewilligung nicht mehr das Jobcenter, sondern die Stadt H. zuständig ist. Diese bewilligte ihm wegen Bedenken gegen die Angemessenheit der Unterkunftskosten durch Bescheid vom 26. August 2013 lediglich den Regelsatz. Hiergegen erhob der Beklagte am 5. September 2013 Widerspruch. Auf Antrag des Beklagten wurde die Stadt H. durch Beschluss des zuständigen Sozialgerichts vom 30. April 2014 im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, die Kosten der Unterkunft des Beklagten für die Zeit von November 2013 bis Juni 2014 zu tragen.
- 5
-
Im vorliegenden Rechtsstreit hat das Amtsgericht der Räumungsklage mit Schlussurteil vom 2. Oktober 2013 stattgegeben. Hierbei ist es zwar davon ausgegangen, dass die Kündigung des Klägers vom 17. April 2013 durch die Verpflichtung des Jobcenters, die rückständigen Mieten auszugleichen, gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB unwirksam geworden ist. Zugleich hat es jedoch eine auf die rückständige Miete für die Monate Juni bis August 2013 gestützte weitere fristlose Kündigung des Klägers vom 30. August 2013 für wirksam erachtet. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagen hat keinen Erfolg gehabt, nachdem der Kläger das Mietverhältnis wegen der von Oktober 2013 bis März 2014 ausgebliebenen Miete unter dem 12. März 2014 und wegen der von Juli 2013 bis April 2014 ausgebliebenen Miete unter dem 17. April 2014 erneut fristlos gekündigt hatte. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren hinsichtlich der Räumungsklage weiter.
Entscheidungsgründe
- 6
-
Die Revision hat keinen Erfolg.
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I.
- 7
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Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 8
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Zwar sei die Kündigung vom 30. August 2013 wegen Verstoßes gegen § 242 BGB unwirksam. Denn das Jobcenter habe sich zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs gegenüber dem Kläger verpflichtet, die rückständige Miete jedenfalls bis August 2013 auszugleichen; die Vermögensinteressen des Klägers seien deshalb nicht ernsthaft gefährdet gewesen, auch wenn eine Zahlung für die Monate Juni bis August 2013 zum Kündigungszeitpunkt noch nicht erfolgt sei. Allerdings sei das Mietverhältnis durch die anschließende Kündigung vom 12. März 2014 wirksam beendet worden, auf die sich der Kläger ungeachtet der verweigerten Einwilligung des Beklagten im Wege einer sachdienlichen Klageänderung hilfsweise gestützt habe und die er im Wege einer wirksam erhobenen Anschlussberufung auch noch zum Gegenstand seines Räumungsbegehrens habe machen können. Denn der Beklagte sei auch mit der Miete für die Monate Oktober 2013 bis März 2014 in Verzug geraten, so dass hierauf gestützt der Kläger gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB erneut habe kündigen können.
- 9
-
Der Annahme eines dafür erforderlichen Zahlungsverzugs stehe nicht entgegen, dass der Beklagte rechtzeitig die entsprechenden Anträge beim zuständigen Sozialamt gestellt und ein sozialgerichtliches Verfahren angestrengt habe, nachdem das Sozialamt sich geweigert habe, die Kosten für die Unterkunft zu tragen. Denn für seine finanzielle Leistungsfähigkeit habe ein Schuldner - wie der Beklagte - verschuldensunabhängig einzustehen. Eine Fallgestaltung, bei der nach einer in der Instanzrechtsprechung teilweise vertretenen Auffassung das Ausbleiben der Mietzahlung ausnahmsweise entschuldigt sein könne, weil der Mieter auf die Mietzahlung durch das Sozialamt habe vertrauen können und von deren Ausbleiben überrascht worden sei oder weil er sonst unabwendbar durch unvorhergesehene Umstände an einer rechtzeitigen Zahlung gehindert gewesen sei, sei hier nicht gegeben. Soweit in der Instanzrechtsprechung auch für die hier gegebene Konstellation bisweilen die Auffassung anklinge, der im Leistungsbezug der ARGE [heute gemäß § 6d SGB II: Jobcenter] stehende Mieter habe mit der rechtzeitigen Leistungsbeantragung alles ihm Obliegende und Zumutbare getan, um die ARGE zur pünktlichen Zahlung der geschuldeten Miete an den Vermieter zu veranlassen und mit Blick auf das Sozialstaatsprinzip dadurch seinem Beschaffungsrisiko genügt, könne dem schon deshalb nicht gefolgt werden, weil auch das Sozialstaatsprinzip nicht so weit gehe, dass es die Verantwortung für den hilfebedürftigen Mieter dem Vermieter anstelle der staatlichen Gemeinschaft aufbürde.
- 10
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Die am 12. März 2014 ausgesprochene Kündigung sei auch nicht durch den Beschluss des Sozialgerichts vom 30. April 2014 unwirksam geworden. Abgesehen davon, dass dieser Beschluss nicht alle der Kündigung zugrunde liegenden Zahlungsrückstände erfasst habe, habe § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 BGB der Gewährung einer erneuten Schonfrist entgegengestanden, da bereits die Kündigung vom 17. April 2013 nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB unwirksam geworden sei.
-
II.
- 11
-
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
- 12
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Das Berufungsgericht hat den Räumungsanspruch des Klägers (§ 546 Abs. 1 BGB) rechtsfehlerfrei für begründet erachtet, weil das Mietverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 12. März 2014 wirksam beendet worden ist. Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte mit der Entrichtung der Miete (§ 535 Abs. 2 BGB) für die Monate Oktober 2013 bis März 2014 in Verzug, so dass ein für die ausgesprochene fristlose Kündigung erforderlicher wichtiger Grund im Sinne von § 543 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a, § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB vorgelegen hat.
- 13
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1. Das Berufungsgericht durfte - anders als die Revision meint - über das auf die Kündigung des Klägers vom 12. März 2014 gestützte Räumungsbegehren in der Sache entscheiden. Denn der Kläger hat diesen Klagegrund zulässigerweise im Wege der Anschlussberufung (§ 524 ZPO) in das Berufungsverfahren eingeführt.
- 14
-
a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine hilfsweise Klageänderung vorgelegen hat, als der Kläger im Berufungsrechtszug sein Räumungsbegehren nunmehr auch auf die Kündigung vom 12. März 2014 gestützt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Streitgegenstand durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und durch den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (BGH, Urteile vom 9. Juni 2011 - I ZR 41/10, GRUR 2012, 180 Rn. 19; vom 7. Dezember 2007 - V ZR 210/06, NJW 2008, 1953 Rn. 15; jeweils mwN). Dementsprechend hat der Kläger, der erstinstanzlich mit dem auf die Kündigung vom 30. August 2013 gestützten Räumungsbegehren durchgedrungen war, dadurch, dass er dieses Begehren zusätzlich mit der Kündigung vom 12. März 2014 unterlegt hat, einen neuen Streitgegenstand in den Prozess eingeführt, nämlich ein Räumungsbegehren, das hilfsweise auf diese erneute Kündigung und den darin geltend gemachten Kündigungsgrund gestützt war (vgl. Senatsbeschluss vom 20. November 2012 - VIII ZR 157/12, GE 2013, 117 Rn. 8). Die auf diese Weise herbeigeführte nachträgliche (Eventual-)Klage-häufung (§ 260 ZPO) ist deshalb wie eine Klageänderung im Sinne der §§ 263, 533 ZPO mit den dafür geltenden Regeln zu behandeln (vgl. BGH, Urteile vom 27. September 2006 - VIII ZR 19/04, NJW 2007, 2414 Rn. 8; vom 10. Januar 1985 - III ZR 93/83, NJW 1985, 1841 unter 4; jeweils mwN; BGH, Beschluss vom 20. November 2012 - VIII ZR 157/12, aaO).
- 15
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b) Den neuen Klagegrund konnte und musste der Kläger zweitinstanzlich im Wege eines Anschlussrechtsmittels in den Rechtsstreit einführen. Denn der Berufungsbeklagte, der seine in erster Instanz erfolgreiche Klage erweitern oder auf einen neuen Klagegrund stellen will, muss sich dazu gemäß § 524 ZPO der Berufung der Gegenseite anschließen. Das gilt entgegen der Auffassung der Revision auch dann, wenn - wie hier - die Einführung des neuen Klagegrundes eine Änderung des Sachantrags nicht erforderlich macht. Auch in einem solchen Fall will nämlich der Berufungsbeklagte, der im Berufungsrechtszug seine Klage auf einen anderen Klagegrund stützt, damit mehr erreichen als die bloße Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung über den mit der Klage verfolgten Anspruch (BGH, Urteile vom 9. Juni 2011 - I ZR 41/10, aaO Rn. 22; vom 7. Dezember 2007 - V ZR 210/06, aaO).
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c) Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass die Anschlussberufung auch sonst den Anforderungen des § 524 ZPO genügt. Insoweit erhebt auch die Revision keine Beanstandungen. Insbesondere ist es unschädlich, dass der Kläger, als er sich in seiner Berufungserwiderung auf die spätere Kündigung gestützt hat, dieses Vorgehen nicht als Anschlussberufung bezeichnet hat. Für die Einlegung eines Anschlussrechtsmittels ist keine dahingehende ausdrückliche Erklärung erforderlich. Es genügt vielmehr jede Erklärung, die sich ihrem Sinn nach als Begehren auf Abänderung des Urteils erster Instanz darstellt. Dementsprechend kann der Anschluss an das Rechtsmittel der Gegenseite auch konkludent in der Weise erfolgen, dass der Kläger - wie im Streitfall - sein im Übrigen unverändertes Klagebegehren auf einen weiteren Klagegrund stützt (BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - I ZR 41/10, aaO Rn. 26).
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2. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass der Beklagte bei Ausspruch der Kündigung vom 12. März 2014 mit der Zahlung der Miete für die Monate Oktober 2013 bis März 2014 in Verzug war. Dass der Beklagte, um die Miete entrichten zu können, auf Sozialleistungen einer öffentlichen Stelle angewiesen war und diese Leistungen rechtzeitig beantragt hatte, ändert an dem - neben den hier gegebenen Voraussetzungen des § 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB für einen Verzugseintritt erforderlichen - Vertretenmüssen (§ 286 Abs. 4 BGB) ebenso wenig etwas wie der Umstand, dass der zuständige Träger der Sozialhilfe nach Kündigungsausspruch zur Übernahme der Mietschulden verpflichtet worden ist.
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a) Zur Verantwortlichkeit des Schuldners und damit auch zu der von § 286 Abs. 4 BGB geforderten Zurechnung einer Nichtleistung trotz Fälligkeit sieht § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB vor, dass der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten hat, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Eine solche strengere Haftung besteht aber nach allgemeiner Auffassung bei Geldschulden. Danach befreit eine Leistungsunfähigkeit aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten, um die es hier geht, den Schuldner auch dann nicht von den Folgen des Ausbleibens der (rechtzeitigen) Leistung, wenn sie auf unverschuldeter Ursache beruht. Vielmehr hat jedermann nach dem Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung, das § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB genauso zugrunde liegt wie der Vorgängerregelung des § 279 BGB aF und das im Übrigen auch aus dem geltenden Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht abzuleiten ist, ohne Rücksicht auf ein Verschulden für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen (BGH, Urteile vom 28. Februar 1989 - IX ZR 130/88, BGHZ 107, 92, 102 mwN; vom 11. Dezember 2001 - VI ZR 350/00, WM 2002, 347 unter II 3 b; vom 15. März 2002 - V ZR 396/00, BGHZ 150, 187, 194; ebenso auch BT-Drucks. 14/6040, S. 132).
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b) Dieses Verständnis des Vertretenmüssens im Falle mangelnder finanzieller Leistungsfähigkeit gilt auch für Mietzahlungspflichten und die bei Ausbleiben der Miete bestehenden Kündigungsmöglichkeiten des Vermieters aus wichtigem Grund nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB (Senatsurteil vom 16. Februar 2005 - VIII ZR 6/04, NZM 2005, 334 unter II 2 d cc; Staudinger/Emmerich, BGB, Neubearb. 2014, § 543 Rn. 56a; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 11. Aufl., § 543 BGB Rn. 96 f.; Wiek, WuM 2010, 204, 205; jeweils mwN). Soweit in der Instanzrechtsprechung teilweise die Auffassung vertreten oder jedenfalls erwogen wird, ein Mieter, der Sozialleistungen einer öffentlichen Stelle beziehe, genüge seinen Pflichten zur Beschaffung der zur Entrichtung der Miete benötigten Geldmittel bereits dann, wenn er alles ihm Obliegende und Zumutbare getan habe, um die öffentliche Stelle zur pünktlichen Zahlung der für seine Unterkunft geschuldeten Miete zu veranlassen (LG Bonn, Beschluss vom 10. November 2011 - 6 T 198/11, juris Rn. 5; Urteil vom 6. November 2014 - 6 S 154/14, juris Rn. 15; LG Wiesbaden, WuM 2012, 623, 624; ähnlich LG Berlin, NZM 2013, 121, 122; WuM 2014, 607 f.), trifft dies nicht zu.
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aa) Zwar braucht sich - wie der Senat klargestellt hat - ein hilfebedürftiger Wohnungsmieter die Säumnis einer öffentlichen Stelle, die die Kosten seiner Unterkunft zu übernehmen hat, nicht gemäß § 278 BGB als eigenes Verschulden zurechnen zu lassen. Denn eine Behörde, die im Rahmen der Daseinsvorsorge staatliche Transferleistungen an einen Bürger erbringt, ist hierbei nicht Erfüllungsgehilfe des Mieters zur Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen gegenüber seinem Vermieter (Senatsurteil vom 21. Oktober 2009 - VIII ZR 64/09, NJW 2009, 3781 Rn. 30). Das ändert entgegen der Auffassung der Revision aber nichts daran, dass der Mieter verschuldensunabhängig für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen hat.
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Dementsprechend sind auch die nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB allein auf den Umstand des Zahlungsverzugs abstellenden Kündigungsgründe vom Gesetzgeber so konzipiert worden, dass sie - anders als § 543 Abs. 1, § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB (dazu Senatsurteile vom 16. Februar 2005 - VIII ZR 6/04, aaO; vom 21. Oktober 2009 - VIII ZR 64/09, aaO Rn. 26) - eine Berücksichtigung von persönlichen Umständen und Zumutbarkeitserwägungen grundsätzlich nicht zulassen (Senatsurteil vom 15. April 1987 - VIII ZR 126/86, WM 1987, 932 unter II 1 c). Vielmehr ist danach bei Vorliegen der Tatbestände des § 543 Abs. 2 BGB allein aus diesem Grund eine außerordentliche fristlose Kündigung möglich, ohne dass die in § 543 Abs. 1 BGB genannten Abwägungsvoraussetzungen noch zusätzlich erfüllt sein müssen. Denn nach der Gesetzessystematik und den ihr zugrunde liegenden gesetzgeberischen Wertungen handelt es sich bei den in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BGB aufgeführten, die (objektive) Verletzung bestimmter mietrechtlicher (Kardinal-)Pflichten von erheblichem Gewicht betreffenden Kündigungsgründen um gesetzlich typisierte Fälle der Unzumutbarkeit einer weiteren Fortsetzung des Mietverhältnisses. Soweit deren tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt sind, ist danach grundsätzlich auch ein wichtiger Grund im Sinne von § 543 Abs. 1 BGB zur fristlosen Kündigung gegeben (vgl. Senatsurteile vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 267/09, NJW 2010, 3020 Rn. 15; vom 29. April 2009 - VIII ZR 142/08, NJW 2009, 2297 Rn. 16 mwN; vom 26. März 1969 - VIII ZR 76/67, WM 1969, 625 unter IV 3 c).
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bb) Gegenläufige Wertungskriterien, die eine abweichende rechtliche Beurteilung der aufgrund mangelnder finanzieller Leistungsfähigkeit des Mieters und seines Angewiesenseins auf öffentliche Sozialleistungen ausgebliebenen Mietzahlungen und einer hierauf gestützten Kündigung tragen könnten, zeigt die Revision nicht auf. Insbesondere steht der von ihr hervorgehobene Umstand, dass der Beklagte bei dem für ihn zuständigen Sozialhilfeträger rechtzeitig die Übernahme seiner Wohnungskosten beantragt und dieser die Übernahme - wie revisionsrechtlich zu unterstellen ist - zunächst zu Unrecht verweigert hatte, einer Wirksamkeit der Kündigung des Klägers vom 12. März 2014 nicht entgegen.
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Der Gesetzgeber, der es seit langem als eine in der Sozialstaatsverpflichtung des Art. 20 Abs. 1 GG angelegte Aufgabe begreift, den vertragstreuen Mieter vor willkürlichen beziehungsweise vor nicht von berechtigten Interessen des Vermieters getragenen Kündigungen und damit dem Verlust seiner Wohnung zu schützen (vgl. nur BT-Drucks. 7/2011, S. 7), hat die in Rede stehende Problemlage gesehen, sie jedoch nicht dadurch zu bereinigen versucht, dass er - abweichend von den sonst geltenden rechtlichen Maßstäben - die Anforderungen an die Leistungspflichten des Mieters und ein Vertretenmüssen von Mietzahlungsrückständen zu Lasten des Vermieters herabgesetzt und dadurch die Kündigungsvoraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB verändert hat. Er hat dem Interesse des durch einen erheblichen Mietrückstand vertragsuntreu gewordenen Mieters an einem Erhalt der gemieteten Wohnung vielmehr dadurch Rechnung getragen, dass er ihm - allerdings vorrangig zum Zwecke der im allgemeinen Interesse liegenden Vermeidung von Obdachlosigkeit - durch § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB genauso wie zuvor schon durch § 554 Abs. 2 Nr. 2 BGB aF die Möglichkeit zur einmaligen Nachholung rückständiger Mietzahlungen innerhalb von zwei Jahren eingeräumt hat, um bei deren Einhaltung eine auf den eingetretenen Mietzahlungsverzug gestützte Kündigung unwirksam werden zu lassen (BT-Drucks. 14/4553, S. 64).
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Zugleich hat der Gesetzgeber es bei Verfolgung dieses Ziels genügen lassen, dass eine Befriedigung des Vermieters nicht sofort, wie in § 535 Abs. 2, § 556b Abs. 1 BGB vorgesehen, durch Entrichtung der bis dahin fälligen Miete oder Entschädigung, sondern durch Vorlage der entsprechenden Verpflichtungserklärung einer öffentlichen Stelle erfolgt (vgl. bereits BT-Drucks. IV/806, S. 10). Aufgrund der Erkenntnis, dass sich die ursprünglich vorgesehene Nachholungsfrist von einem Monat für die Sozialhilfebehörden häufig als zu kurz erwiesen hat, hat er, um diesen Behörden ein auf die Vermeidung von Obdachlosigkeit finanziell schwacher Mieter gerichtetes Tätigwerden zu erleichtern, bei Schaffung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB schließlich die Schonfrist für die Nachholung der Zahlung der rückständigen Miete und der fälligen Nutzungsentschädigung oder der Vorlage einer entsprechenden Verpflichtungserklärung um einen Monat auf zwei Monate verlängert (BT-Drucks. 14/4553, aaO; vgl. dazu auch Senatsurteil vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 267/09, NJW 2010, 3020 Rn. 21).
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Durch diese Sonderregelung (vgl. Senatsurteil vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 267/09, aaO) hat der Gesetzgeber - allerdings abschließend - im allgemeinen Interesse zugleich auch dem Anliegen eines leistungsunfähigen Mieters, eine auf einen erheblichen Mietzahlungsverzug gestützte fristlose Kündigung des Vermieters nachträglich ungeschehen zu machen und ihm so die gemietete Wohnung zu erhalten, Rechnung getragen (im Ergebnis ebenso Schmidt-Futterer/Blank, aaO Rn. 97). Die dem Mieter auf diese Weise kraft Gesetzes einmalig eingeräumte Nachfrist zur Beschaffung der zur Mietzahlung erforderlichen Mittel, zumindest aber zur Herbeiführung der erforderlichen Verpflichtungserklärung, kann entgegen der Auffassung der Revision deshalb nicht dahin erweitert werden, dass über den eindeutigen Gesetzeswortlaut hinaus bereits die Beantragung der zur Erbringung der Mietzahlungen erforderlichen öffentlichen Mittel genügen soll. Denn die damit verbundene Ungewissheit, den Gebrauch der Mietsache weiterhin gewähren zu müssen, ohne als Gegenleistung zumindest die Sicherheit einer Begleichung der bis dahin fälligen Mietrückstände zu haben, hat der Gesetzgeber dem Vermieter über den zweimonatigen Schonfristzeitraum hinaus gerade nicht mehr aufbürden wollen.
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c) Da nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts bereits die unter dem 17. April 2013 wegen der bis dahin seit Januar 2013 aufgelaufenen Mietrückstände ausgesprochene fristlose Kündigung durch die im August 2013 abgegebene Verpflichtungserklärung des Jobcenters gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB unwirksam geworden war, kommt auch eine erneute Anwendung dieser Bestimmung hinsichtlich der auf den weiteren Mietzahlungsverzug im Zeitraum von Oktober 2013 bis März 2014 gestützten Kündigung vom 12. März 2014 von vornherein nicht mehr in Betracht (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 BGB). Das Mietverhältnis der Parteien ist durch diese Kündigung vielmehr wirksam beendet worden.
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Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Achilles
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Dr. Bünger Kosziol
(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn
- 1.
dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird, - 2.
der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet oder sie unbefugt einem Dritten überlässt oder - 3.
der Mieter - a)
für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder - b)
in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.
(3) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Dies gilt nicht, wenn
- 1.
eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht, - 2.
die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist oder - 3.
der Mieter mit der Entrichtung der Miete im Sinne des Absatzes 2 Nr. 3 in Verzug ist.
(4) Auf das dem Mieter nach Absatz 2 Nr. 1 zustehende Kündigungsrecht sind die §§ 536b und 536d entsprechend anzuwenden. Ist streitig, ob der Vermieter den Gebrauch der Mietsache rechtzeitig gewährt oder die Abhilfe vor Ablauf der hierzu bestimmten Frist bewirkt hat, so trifft ihn die Beweislast.
(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
- 1.
der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat, - 2.
der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder - 3.
der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.
(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.
(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.
Tenor
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Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 11. Juni 2014 wird zurückgewiesen.
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Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
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Von Rechts wegen
Tatbestand
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Der Beklagte ist seit Dezember 2010 Mieter einer 140 qm großen Wohnung des Klägers in H. . Die spätestens bis zum dritten Werktag eines jeden Monats im Voraus zu entrichtende Miete beläuft sich auf monatlich 1.100 € netto zuzüglich der Miete für die dazugehörige Garage in Höhe von 50 € sowie einer Betriebskostenvorauszahlung von 180 €.
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Ab Oktober 2011 bezog der Beklagte Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II. Die seit Januar 2013 vom zuständigen Jobcenter für seine Unterkunft erhaltenen Zahlungen leitete er nicht an den Kläger weiter. Dieser kündigte daraufhin das Mietverhältnis unter dem 17. April 2013 wegen der bis dahin aufgelaufenen Mietrückstände fristlos. Mit seiner am 8. Juni 2013 zugestellten Klage hat er den Beklagten auf Zahlung der rückständigen Miete bis einschließlich Mai 2013 in Höhe von 6.650 € nebst Zinsen sowie auf Räumung der Wohnung in Anspruch genommen. Seine Mietzahlungspflicht hat der Beklagte anerkannt, so dass er durch rechtskräftiges Teilanerkenntnisurteil des Amtsgerichts insoweit antragsgemäß verurteilt worden ist.
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Nach Zustellung der Klage beantragte der Beklagte bei dem für ihn bis dahin zuständigen Jobcenter die Übernahme der Mietschulden, was mit Rücksicht auf die Größe der Wohnung durch Bescheid vom 26. Juni 2013 abgelehnt wurde. Nachdem sein hiergegen erhobener Widerspruch erfolglos geblieben war, begehrte der Beklagte unter dem 23. Juli 2013 bei dem zuständigen Sozialgericht einstweiligen Rechtsschutz. Dieses verpflichtete das Jobcenter durch einstweilige Anordnung vom 8. August 2013, zur Abwendung der Räumungsklage die vom Kläger eingeklagte rückständige Miete sowie darüber hinaus die fällige Miete beziehungsweise Nutzungsentschädigung zu zahlen; zugleich wurde dem Jobcenter aufgegeben, noch am selben Tage gegenüber dem Kläger eine entsprechende Verpflichtungserklärung abzugeben. Das Jobcenter gab die geforderte Verpflichtungserklärung in der Folge ab, zahlte jedoch an den Kläger lediglich die eingeklagte Miete von Januar bis Mai 2013.
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Seit Juni 2013 stehen dem Beklagten Sozialleistungen nach dem SGB XII zu, für deren Bewilligung nicht mehr das Jobcenter, sondern die Stadt H. zuständig ist. Diese bewilligte ihm wegen Bedenken gegen die Angemessenheit der Unterkunftskosten durch Bescheid vom 26. August 2013 lediglich den Regelsatz. Hiergegen erhob der Beklagte am 5. September 2013 Widerspruch. Auf Antrag des Beklagten wurde die Stadt H. durch Beschluss des zuständigen Sozialgerichts vom 30. April 2014 im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, die Kosten der Unterkunft des Beklagten für die Zeit von November 2013 bis Juni 2014 zu tragen.
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Im vorliegenden Rechtsstreit hat das Amtsgericht der Räumungsklage mit Schlussurteil vom 2. Oktober 2013 stattgegeben. Hierbei ist es zwar davon ausgegangen, dass die Kündigung des Klägers vom 17. April 2013 durch die Verpflichtung des Jobcenters, die rückständigen Mieten auszugleichen, gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB unwirksam geworden ist. Zugleich hat es jedoch eine auf die rückständige Miete für die Monate Juni bis August 2013 gestützte weitere fristlose Kündigung des Klägers vom 30. August 2013 für wirksam erachtet. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagen hat keinen Erfolg gehabt, nachdem der Kläger das Mietverhältnis wegen der von Oktober 2013 bis März 2014 ausgebliebenen Miete unter dem 12. März 2014 und wegen der von Juli 2013 bis April 2014 ausgebliebenen Miete unter dem 17. April 2014 erneut fristlos gekündigt hatte. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren hinsichtlich der Räumungsklage weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision hat keinen Erfolg.
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I.
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Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
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Zwar sei die Kündigung vom 30. August 2013 wegen Verstoßes gegen § 242 BGB unwirksam. Denn das Jobcenter habe sich zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs gegenüber dem Kläger verpflichtet, die rückständige Miete jedenfalls bis August 2013 auszugleichen; die Vermögensinteressen des Klägers seien deshalb nicht ernsthaft gefährdet gewesen, auch wenn eine Zahlung für die Monate Juni bis August 2013 zum Kündigungszeitpunkt noch nicht erfolgt sei. Allerdings sei das Mietverhältnis durch die anschließende Kündigung vom 12. März 2014 wirksam beendet worden, auf die sich der Kläger ungeachtet der verweigerten Einwilligung des Beklagten im Wege einer sachdienlichen Klageänderung hilfsweise gestützt habe und die er im Wege einer wirksam erhobenen Anschlussberufung auch noch zum Gegenstand seines Räumungsbegehrens habe machen können. Denn der Beklagte sei auch mit der Miete für die Monate Oktober 2013 bis März 2014 in Verzug geraten, so dass hierauf gestützt der Kläger gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB erneut habe kündigen können.
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Der Annahme eines dafür erforderlichen Zahlungsverzugs stehe nicht entgegen, dass der Beklagte rechtzeitig die entsprechenden Anträge beim zuständigen Sozialamt gestellt und ein sozialgerichtliches Verfahren angestrengt habe, nachdem das Sozialamt sich geweigert habe, die Kosten für die Unterkunft zu tragen. Denn für seine finanzielle Leistungsfähigkeit habe ein Schuldner - wie der Beklagte - verschuldensunabhängig einzustehen. Eine Fallgestaltung, bei der nach einer in der Instanzrechtsprechung teilweise vertretenen Auffassung das Ausbleiben der Mietzahlung ausnahmsweise entschuldigt sein könne, weil der Mieter auf die Mietzahlung durch das Sozialamt habe vertrauen können und von deren Ausbleiben überrascht worden sei oder weil er sonst unabwendbar durch unvorhergesehene Umstände an einer rechtzeitigen Zahlung gehindert gewesen sei, sei hier nicht gegeben. Soweit in der Instanzrechtsprechung auch für die hier gegebene Konstellation bisweilen die Auffassung anklinge, der im Leistungsbezug der ARGE [heute gemäß § 6d SGB II: Jobcenter] stehende Mieter habe mit der rechtzeitigen Leistungsbeantragung alles ihm Obliegende und Zumutbare getan, um die ARGE zur pünktlichen Zahlung der geschuldeten Miete an den Vermieter zu veranlassen und mit Blick auf das Sozialstaatsprinzip dadurch seinem Beschaffungsrisiko genügt, könne dem schon deshalb nicht gefolgt werden, weil auch das Sozialstaatsprinzip nicht so weit gehe, dass es die Verantwortung für den hilfebedürftigen Mieter dem Vermieter anstelle der staatlichen Gemeinschaft aufbürde.
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Die am 12. März 2014 ausgesprochene Kündigung sei auch nicht durch den Beschluss des Sozialgerichts vom 30. April 2014 unwirksam geworden. Abgesehen davon, dass dieser Beschluss nicht alle der Kündigung zugrunde liegenden Zahlungsrückstände erfasst habe, habe § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 BGB der Gewährung einer erneuten Schonfrist entgegengestanden, da bereits die Kündigung vom 17. April 2013 nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB unwirksam geworden sei.
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II.
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Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
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Das Berufungsgericht hat den Räumungsanspruch des Klägers (§ 546 Abs. 1 BGB) rechtsfehlerfrei für begründet erachtet, weil das Mietverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 12. März 2014 wirksam beendet worden ist. Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte mit der Entrichtung der Miete (§ 535 Abs. 2 BGB) für die Monate Oktober 2013 bis März 2014 in Verzug, so dass ein für die ausgesprochene fristlose Kündigung erforderlicher wichtiger Grund im Sinne von § 543 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a, § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB vorgelegen hat.
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1. Das Berufungsgericht durfte - anders als die Revision meint - über das auf die Kündigung des Klägers vom 12. März 2014 gestützte Räumungsbegehren in der Sache entscheiden. Denn der Kläger hat diesen Klagegrund zulässigerweise im Wege der Anschlussberufung (§ 524 ZPO) in das Berufungsverfahren eingeführt.
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a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine hilfsweise Klageänderung vorgelegen hat, als der Kläger im Berufungsrechtszug sein Räumungsbegehren nunmehr auch auf die Kündigung vom 12. März 2014 gestützt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Streitgegenstand durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und durch den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (BGH, Urteile vom 9. Juni 2011 - I ZR 41/10, GRUR 2012, 180 Rn. 19; vom 7. Dezember 2007 - V ZR 210/06, NJW 2008, 1953 Rn. 15; jeweils mwN). Dementsprechend hat der Kläger, der erstinstanzlich mit dem auf die Kündigung vom 30. August 2013 gestützten Räumungsbegehren durchgedrungen war, dadurch, dass er dieses Begehren zusätzlich mit der Kündigung vom 12. März 2014 unterlegt hat, einen neuen Streitgegenstand in den Prozess eingeführt, nämlich ein Räumungsbegehren, das hilfsweise auf diese erneute Kündigung und den darin geltend gemachten Kündigungsgrund gestützt war (vgl. Senatsbeschluss vom 20. November 2012 - VIII ZR 157/12, GE 2013, 117 Rn. 8). Die auf diese Weise herbeigeführte nachträgliche (Eventual-)Klage-häufung (§ 260 ZPO) ist deshalb wie eine Klageänderung im Sinne der §§ 263, 533 ZPO mit den dafür geltenden Regeln zu behandeln (vgl. BGH, Urteile vom 27. September 2006 - VIII ZR 19/04, NJW 2007, 2414 Rn. 8; vom 10. Januar 1985 - III ZR 93/83, NJW 1985, 1841 unter 4; jeweils mwN; BGH, Beschluss vom 20. November 2012 - VIII ZR 157/12, aaO).
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b) Den neuen Klagegrund konnte und musste der Kläger zweitinstanzlich im Wege eines Anschlussrechtsmittels in den Rechtsstreit einführen. Denn der Berufungsbeklagte, der seine in erster Instanz erfolgreiche Klage erweitern oder auf einen neuen Klagegrund stellen will, muss sich dazu gemäß § 524 ZPO der Berufung der Gegenseite anschließen. Das gilt entgegen der Auffassung der Revision auch dann, wenn - wie hier - die Einführung des neuen Klagegrundes eine Änderung des Sachantrags nicht erforderlich macht. Auch in einem solchen Fall will nämlich der Berufungsbeklagte, der im Berufungsrechtszug seine Klage auf einen anderen Klagegrund stützt, damit mehr erreichen als die bloße Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung über den mit der Klage verfolgten Anspruch (BGH, Urteile vom 9. Juni 2011 - I ZR 41/10, aaO Rn. 22; vom 7. Dezember 2007 - V ZR 210/06, aaO).
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c) Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass die Anschlussberufung auch sonst den Anforderungen des § 524 ZPO genügt. Insoweit erhebt auch die Revision keine Beanstandungen. Insbesondere ist es unschädlich, dass der Kläger, als er sich in seiner Berufungserwiderung auf die spätere Kündigung gestützt hat, dieses Vorgehen nicht als Anschlussberufung bezeichnet hat. Für die Einlegung eines Anschlussrechtsmittels ist keine dahingehende ausdrückliche Erklärung erforderlich. Es genügt vielmehr jede Erklärung, die sich ihrem Sinn nach als Begehren auf Abänderung des Urteils erster Instanz darstellt. Dementsprechend kann der Anschluss an das Rechtsmittel der Gegenseite auch konkludent in der Weise erfolgen, dass der Kläger - wie im Streitfall - sein im Übrigen unverändertes Klagebegehren auf einen weiteren Klagegrund stützt (BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - I ZR 41/10, aaO Rn. 26).
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2. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass der Beklagte bei Ausspruch der Kündigung vom 12. März 2014 mit der Zahlung der Miete für die Monate Oktober 2013 bis März 2014 in Verzug war. Dass der Beklagte, um die Miete entrichten zu können, auf Sozialleistungen einer öffentlichen Stelle angewiesen war und diese Leistungen rechtzeitig beantragt hatte, ändert an dem - neben den hier gegebenen Voraussetzungen des § 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB für einen Verzugseintritt erforderlichen - Vertretenmüssen (§ 286 Abs. 4 BGB) ebenso wenig etwas wie der Umstand, dass der zuständige Träger der Sozialhilfe nach Kündigungsausspruch zur Übernahme der Mietschulden verpflichtet worden ist.
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a) Zur Verantwortlichkeit des Schuldners und damit auch zu der von § 286 Abs. 4 BGB geforderten Zurechnung einer Nichtleistung trotz Fälligkeit sieht § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB vor, dass der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten hat, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Eine solche strengere Haftung besteht aber nach allgemeiner Auffassung bei Geldschulden. Danach befreit eine Leistungsunfähigkeit aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten, um die es hier geht, den Schuldner auch dann nicht von den Folgen des Ausbleibens der (rechtzeitigen) Leistung, wenn sie auf unverschuldeter Ursache beruht. Vielmehr hat jedermann nach dem Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung, das § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB genauso zugrunde liegt wie der Vorgängerregelung des § 279 BGB aF und das im Übrigen auch aus dem geltenden Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht abzuleiten ist, ohne Rücksicht auf ein Verschulden für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen (BGH, Urteile vom 28. Februar 1989 - IX ZR 130/88, BGHZ 107, 92, 102 mwN; vom 11. Dezember 2001 - VI ZR 350/00, WM 2002, 347 unter II 3 b; vom 15. März 2002 - V ZR 396/00, BGHZ 150, 187, 194; ebenso auch BT-Drucks. 14/6040, S. 132).
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b) Dieses Verständnis des Vertretenmüssens im Falle mangelnder finanzieller Leistungsfähigkeit gilt auch für Mietzahlungspflichten und die bei Ausbleiben der Miete bestehenden Kündigungsmöglichkeiten des Vermieters aus wichtigem Grund nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB (Senatsurteil vom 16. Februar 2005 - VIII ZR 6/04, NZM 2005, 334 unter II 2 d cc; Staudinger/Emmerich, BGB, Neubearb. 2014, § 543 Rn. 56a; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 11. Aufl., § 543 BGB Rn. 96 f.; Wiek, WuM 2010, 204, 205; jeweils mwN). Soweit in der Instanzrechtsprechung teilweise die Auffassung vertreten oder jedenfalls erwogen wird, ein Mieter, der Sozialleistungen einer öffentlichen Stelle beziehe, genüge seinen Pflichten zur Beschaffung der zur Entrichtung der Miete benötigten Geldmittel bereits dann, wenn er alles ihm Obliegende und Zumutbare getan habe, um die öffentliche Stelle zur pünktlichen Zahlung der für seine Unterkunft geschuldeten Miete zu veranlassen (LG Bonn, Beschluss vom 10. November 2011 - 6 T 198/11, juris Rn. 5; Urteil vom 6. November 2014 - 6 S 154/14, juris Rn. 15; LG Wiesbaden, WuM 2012, 623, 624; ähnlich LG Berlin, NZM 2013, 121, 122; WuM 2014, 607 f.), trifft dies nicht zu.
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aa) Zwar braucht sich - wie der Senat klargestellt hat - ein hilfebedürftiger Wohnungsmieter die Säumnis einer öffentlichen Stelle, die die Kosten seiner Unterkunft zu übernehmen hat, nicht gemäß § 278 BGB als eigenes Verschulden zurechnen zu lassen. Denn eine Behörde, die im Rahmen der Daseinsvorsorge staatliche Transferleistungen an einen Bürger erbringt, ist hierbei nicht Erfüllungsgehilfe des Mieters zur Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen gegenüber seinem Vermieter (Senatsurteil vom 21. Oktober 2009 - VIII ZR 64/09, NJW 2009, 3781 Rn. 30). Das ändert entgegen der Auffassung der Revision aber nichts daran, dass der Mieter verschuldensunabhängig für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen hat.
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Dementsprechend sind auch die nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB allein auf den Umstand des Zahlungsverzugs abstellenden Kündigungsgründe vom Gesetzgeber so konzipiert worden, dass sie - anders als § 543 Abs. 1, § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB (dazu Senatsurteile vom 16. Februar 2005 - VIII ZR 6/04, aaO; vom 21. Oktober 2009 - VIII ZR 64/09, aaO Rn. 26) - eine Berücksichtigung von persönlichen Umständen und Zumutbarkeitserwägungen grundsätzlich nicht zulassen (Senatsurteil vom 15. April 1987 - VIII ZR 126/86, WM 1987, 932 unter II 1 c). Vielmehr ist danach bei Vorliegen der Tatbestände des § 543 Abs. 2 BGB allein aus diesem Grund eine außerordentliche fristlose Kündigung möglich, ohne dass die in § 543 Abs. 1 BGB genannten Abwägungsvoraussetzungen noch zusätzlich erfüllt sein müssen. Denn nach der Gesetzessystematik und den ihr zugrunde liegenden gesetzgeberischen Wertungen handelt es sich bei den in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BGB aufgeführten, die (objektive) Verletzung bestimmter mietrechtlicher (Kardinal-)Pflichten von erheblichem Gewicht betreffenden Kündigungsgründen um gesetzlich typisierte Fälle der Unzumutbarkeit einer weiteren Fortsetzung des Mietverhältnisses. Soweit deren tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt sind, ist danach grundsätzlich auch ein wichtiger Grund im Sinne von § 543 Abs. 1 BGB zur fristlosen Kündigung gegeben (vgl. Senatsurteile vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 267/09, NJW 2010, 3020 Rn. 15; vom 29. April 2009 - VIII ZR 142/08, NJW 2009, 2297 Rn. 16 mwN; vom 26. März 1969 - VIII ZR 76/67, WM 1969, 625 unter IV 3 c).
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bb) Gegenläufige Wertungskriterien, die eine abweichende rechtliche Beurteilung der aufgrund mangelnder finanzieller Leistungsfähigkeit des Mieters und seines Angewiesenseins auf öffentliche Sozialleistungen ausgebliebenen Mietzahlungen und einer hierauf gestützten Kündigung tragen könnten, zeigt die Revision nicht auf. Insbesondere steht der von ihr hervorgehobene Umstand, dass der Beklagte bei dem für ihn zuständigen Sozialhilfeträger rechtzeitig die Übernahme seiner Wohnungskosten beantragt und dieser die Übernahme - wie revisionsrechtlich zu unterstellen ist - zunächst zu Unrecht verweigert hatte, einer Wirksamkeit der Kündigung des Klägers vom 12. März 2014 nicht entgegen.
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Der Gesetzgeber, der es seit langem als eine in der Sozialstaatsverpflichtung des Art. 20 Abs. 1 GG angelegte Aufgabe begreift, den vertragstreuen Mieter vor willkürlichen beziehungsweise vor nicht von berechtigten Interessen des Vermieters getragenen Kündigungen und damit dem Verlust seiner Wohnung zu schützen (vgl. nur BT-Drucks. 7/2011, S. 7), hat die in Rede stehende Problemlage gesehen, sie jedoch nicht dadurch zu bereinigen versucht, dass er - abweichend von den sonst geltenden rechtlichen Maßstäben - die Anforderungen an die Leistungspflichten des Mieters und ein Vertretenmüssen von Mietzahlungsrückständen zu Lasten des Vermieters herabgesetzt und dadurch die Kündigungsvoraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB verändert hat. Er hat dem Interesse des durch einen erheblichen Mietrückstand vertragsuntreu gewordenen Mieters an einem Erhalt der gemieteten Wohnung vielmehr dadurch Rechnung getragen, dass er ihm - allerdings vorrangig zum Zwecke der im allgemeinen Interesse liegenden Vermeidung von Obdachlosigkeit - durch § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB genauso wie zuvor schon durch § 554 Abs. 2 Nr. 2 BGB aF die Möglichkeit zur einmaligen Nachholung rückständiger Mietzahlungen innerhalb von zwei Jahren eingeräumt hat, um bei deren Einhaltung eine auf den eingetretenen Mietzahlungsverzug gestützte Kündigung unwirksam werden zu lassen (BT-Drucks. 14/4553, S. 64).
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Zugleich hat der Gesetzgeber es bei Verfolgung dieses Ziels genügen lassen, dass eine Befriedigung des Vermieters nicht sofort, wie in § 535 Abs. 2, § 556b Abs. 1 BGB vorgesehen, durch Entrichtung der bis dahin fälligen Miete oder Entschädigung, sondern durch Vorlage der entsprechenden Verpflichtungserklärung einer öffentlichen Stelle erfolgt (vgl. bereits BT-Drucks. IV/806, S. 10). Aufgrund der Erkenntnis, dass sich die ursprünglich vorgesehene Nachholungsfrist von einem Monat für die Sozialhilfebehörden häufig als zu kurz erwiesen hat, hat er, um diesen Behörden ein auf die Vermeidung von Obdachlosigkeit finanziell schwacher Mieter gerichtetes Tätigwerden zu erleichtern, bei Schaffung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB schließlich die Schonfrist für die Nachholung der Zahlung der rückständigen Miete und der fälligen Nutzungsentschädigung oder der Vorlage einer entsprechenden Verpflichtungserklärung um einen Monat auf zwei Monate verlängert (BT-Drucks. 14/4553, aaO; vgl. dazu auch Senatsurteil vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 267/09, NJW 2010, 3020 Rn. 21).
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Durch diese Sonderregelung (vgl. Senatsurteil vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 267/09, aaO) hat der Gesetzgeber - allerdings abschließend - im allgemeinen Interesse zugleich auch dem Anliegen eines leistungsunfähigen Mieters, eine auf einen erheblichen Mietzahlungsverzug gestützte fristlose Kündigung des Vermieters nachträglich ungeschehen zu machen und ihm so die gemietete Wohnung zu erhalten, Rechnung getragen (im Ergebnis ebenso Schmidt-Futterer/Blank, aaO Rn. 97). Die dem Mieter auf diese Weise kraft Gesetzes einmalig eingeräumte Nachfrist zur Beschaffung der zur Mietzahlung erforderlichen Mittel, zumindest aber zur Herbeiführung der erforderlichen Verpflichtungserklärung, kann entgegen der Auffassung der Revision deshalb nicht dahin erweitert werden, dass über den eindeutigen Gesetzeswortlaut hinaus bereits die Beantragung der zur Erbringung der Mietzahlungen erforderlichen öffentlichen Mittel genügen soll. Denn die damit verbundene Ungewissheit, den Gebrauch der Mietsache weiterhin gewähren zu müssen, ohne als Gegenleistung zumindest die Sicherheit einer Begleichung der bis dahin fälligen Mietrückstände zu haben, hat der Gesetzgeber dem Vermieter über den zweimonatigen Schonfristzeitraum hinaus gerade nicht mehr aufbürden wollen.
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c) Da nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts bereits die unter dem 17. April 2013 wegen der bis dahin seit Januar 2013 aufgelaufenen Mietrückstände ausgesprochene fristlose Kündigung durch die im August 2013 abgegebene Verpflichtungserklärung des Jobcenters gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB unwirksam geworden war, kommt auch eine erneute Anwendung dieser Bestimmung hinsichtlich der auf den weiteren Mietzahlungsverzug im Zeitraum von Oktober 2013 bis März 2014 gestützten Kündigung vom 12. März 2014 von vornherein nicht mehr in Betracht (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 BGB). Das Mietverhältnis der Parteien ist durch diese Kündigung vielmehr wirksam beendet worden.
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Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Achilles
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Dr. Bünger Kosziol
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
(1a) (weggefallen)
(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.
(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.
(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
- 1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, - 2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder - 3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.
(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen, - 2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, - 3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder - 4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:
- 1.
den Tag des Eingangs der Klage, - 2.
die Namen und die Anschriften der Parteien, - 3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete, - 4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und - 5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.
(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.
(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn
- 1.
dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird, - 2.
der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet oder sie unbefugt einem Dritten überlässt oder - 3.
der Mieter - a)
für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder - b)
in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.
(3) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Dies gilt nicht, wenn
- 1.
eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht, - 2.
die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist oder - 3.
der Mieter mit der Entrichtung der Miete im Sinne des Absatzes 2 Nr. 3 in Verzug ist.
(4) Auf das dem Mieter nach Absatz 2 Nr. 1 zustehende Kündigungsrecht sind die §§ 536b und 536d entsprechend anzuwenden. Ist streitig, ob der Vermieter den Gebrauch der Mietsache rechtzeitig gewährt oder die Abhilfe vor Ablauf der hierzu bestimmten Frist bewirkt hat, so trifft ihn die Beweislast.
(1) Ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 liegt für den Mieter auch vor, wenn der gemietete Wohnraum so beschaffen ist, dass seine Benutzung mit einer erheblichen Gefährdung der Gesundheit verbunden ist. Dies gilt auch, wenn der Mieter die Gefahr bringende Beschaffenheit bei Vertragsschluss gekannt oder darauf verzichtet hat, die ihm wegen dieser Beschaffenheit zustehenden Rechte geltend zu machen.
(2) Ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 liegt ferner vor, wenn eine Vertragspartei den Hausfrieden nachhaltig stört, so dass dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2a) Ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Absatz 1 liegt ferner vor, wenn der Mieter mit einer Sicherheitsleistung nach § 551 in Höhe eines Betrages im Verzug ist, der der zweifachen Monatsmiete entspricht. Die als Pauschale oder als Vorauszahlung ausgewiesenen Betriebskosten sind bei der Berechnung der Monatsmiete nach Satz 1 nicht zu berücksichtigen. Einer Abhilfefrist oder einer Abmahnung nach § 543 Absatz 3 Satz 1 bedarf es nicht. Absatz 3 Nummer 2 Satz 1 sowie § 543 Absatz 2 Satz 2 sind entsprechend anzuwenden.
(3) Ergänzend zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 gilt:
- 1.
Im Falle des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe a ist der rückständige Teil der Miete nur dann als nicht unerheblich anzusehen, wenn er die Miete für einen Monat übersteigt. Dies gilt nicht, wenn der Wohnraum nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet ist. - 2.
Die Kündigung wird auch dann unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a Abs. 1 befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Kündigung vor nicht länger als zwei Jahren bereits eine nach Satz 1 unwirksam gewordene Kündigung vorausgegangen ist. - 3.
Ist der Mieter rechtskräftig zur Zahlung einer erhöhten Miete nach den §§ 558 bis 560 verurteilt worden, so kann der Vermieter das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs des Mieters nicht vor Ablauf von zwei Monaten nach rechtskräftiger Verurteilung kündigen, wenn nicht die Voraussetzungen der außerordentlichen fristlosen Kündigung schon wegen der bisher geschuldeten Miete erfüllt sind.
(4) Der zur Kündigung führende wichtige Grund ist in dem Kündigungsschreiben anzugeben.
(5) Eine Vereinbarung, die zum Nachteil des Mieters von den Absätzen 1 bis 3 dieser Vorschrift oder von § 543 abweicht, ist unwirksam. Ferner ist eine Vereinbarung unwirksam, nach der der Vermieter berechtigt sein soll, aus anderen als den im Gesetz zugelassenen Gründen außerordentlich fristlos zu kündigen.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Kläger hat monatliche Raten in Höhe von 60 € an die Landeskasse zu zahlen.
Gründe:
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- Dem Kläger war im Rahmen der nach § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO gewährten Prozesskostenhilfe antragsgemäß die Rechtsanwaltssozietät Prof. Dr. Vorwerk und Dr. Schultz nach § 121 Abs. 1 ZPO für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beizuordnen. Diese Vorschrift ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass nicht nur eine persönliche Beiordnung eines einzelnen Rechtsanwalts vom Gesetz gestattet wird. Dafür sind die folgenden Erwägungen maßgebend:
- 2
- Die 1. Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) ermöglicht Gesellschaften , deren Unternehmensgegenstand die Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten ist, die Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft (§ 59c Abs. 1 BRAO). Nach § 59l BRAO kann die Rechtsanwaltsgesellschaft als Prozess- und Verfahrensbevollmächtigte beauftragt werden. Sie hat dann die Rechte und Pflichten eines Rechtsanwalts, kann allerdings nur durch solche Organe und Vertreter handeln, in deren Person die für die Erbringung rechtsbesorgender Leistungen gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen vorliegen. Trotz dieser Einschränkung wird die Bestimmung teilweise dahin verstanden, dass die Rechtsanwaltsgesellschaft selbst - und nicht nur die für sie nach § 59l Satz 3 BRAO jeweils handlungsbefugte Person - prozess- und postulationsfähig ist mit der Folge, dass die Gesellschaft als solche einer Partei im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 121 Abs. 1 ZPO beigeordnet werden kann (OLG Nürnberg NJW 2002, 3715 m.w.N.; OLG Frankfurt OLGR 2001, 153, juris Tz. 11, zustimmend Musielak/Fischer, ZPO 6. Aufl. § 121 Rdn. 6 a.E.; Zöller/Philippi, ZPO 26. Aufl. § 121 Rdn. 2).
- 3
- Ähnliches 2. gilt für die Partnerschaftsgesellschaft. § 7 Abs. 4 PartGG lässt es ähnlich wie §§ 59c i.V. mit 59l BRAO zu, dass Rechtsuchende die Gesellschaft als Prozess- und Verfahrensbevollmächtigte beauftragen , wobei auch hier die Gesellschaft durch ihre Partner und Vertreter handelt und § 7 Abs. 4 Satz 2 PartGG anordnet, dass diese jeweils in ihrer Person die für die Erbringung rechtsbesorgender Leistungen gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen aufweisen müssen.
- 4
- Für 3. die in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) betriebene Anwaltssozietät ist spätestens mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29. Januar 2001 (II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 ff.) eine grundlegende Änderung der rechtlichen Anschauung eingetreten, weil ihr nunmehr die Rechtsfähigkeit einschließlich der Parteifähigkeit zugestanden wird, soweit sie am Rechtsverkehr teilnimmt (BGHZ aaO S. 343 ff.). Sie untersteht insoweit auch dem Schutz der Artt. 12 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG.
- 5
- 4. Eine Beschränkung der Beiordnungsmöglichkeit auf Rechtsanwälte als Einzelpersonen würde die Rechtsanwaltssozietät in ihrer von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsausübung einschränken, ohne dass sich dafür heute noch tragfähige Gründe finden ließen (vgl. dazu auch Ganter in AnwBl 2007, 847). Zugleich könnte die Anwaltssozietät gegenüber Einzelanwälten, der Rechtsanwaltsgesellschaft und der Partnerschaftsgesellschaft in einer den Schutzbereich des Art. 3 Abs. 1 GG berührenden Weise benachteiligt sein. Es ist zudem zu berücksichtigen, dass der dem Prozesskostenhilferecht immanente Grundsatz der Waffengleichheit berührt ist, wenn einerseits eine vermögende Partei in der Lage ist, für sich eine Anwaltssozietät mit den aus deren Arbeitsteilung erwachsenden Vorteilen zu verpflichten, andererseits aber die auf Prozesskostenhilfe angewiesene Partei jeweils auf die Vertretung durch einen einzelnen Rechtsanwalt beschränkt ist (vgl. Ganter aaO).
- 6
- Es tritt hinzu, dass die Rechtslage für den Mandanten einer Anwaltssozietät schwer durchschaubar wird, wenn ihm während des laufenden Mandats lediglich ein bestimmter Sozius nach § 121 Abs. 1 ZPO beigeordnet wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fin- det ein zuvor mit der Sozietät geschlossener Mandats-Vertrag mit der Beiordnung nicht ohne Weiteres sein Ende (BGH, Urteil vom 23. September 2004 - IX ZR 137/03 - NJW-RR 2005, 261 unter III 1). Aus dem fehlenden Gleichlauf von Mandat und Beiordnung erwachsen sodann weitere Probleme hinsichtlich der Frage, inwieweit die Sperrwirkung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auch den Honoraranspruch der Sozietät erfasst, bzw. inwieweit jedenfalls der schließlich allein beigeordnete Rechtsanwalt gehalten ist, den Mandanten über die gebührenrechtlichen Folgen des fehlenden Gleichlaufs von Mandat und Beiordnung zu belehren, um sich nicht mit Blick auf den mitunter fortbestehenden Honoraranspruch der Sozietät schadensersatzpflichtig zu machen (vgl. dazu Ganter aaO).
- 7
- 5. Zwar wird in der Rechtsprechung auch nach der mit der Entscheidung BGHZ 146, 341 ff. verbundenen Zuerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts teilweise weiterhin die Auffassung vertreten, der Wortlaut des § 121 Abs. 1 ZPO verbiete die Beiordnung einer Rechtsanwaltssozietät (OLG Celle, Beschluss vom 2. Mai 2003 - 7 U 11/03 -; BayLSG, Beschluss vom 4. Juli 2006- L 15 B 44/03 R KO - beide veröffentlicht in juris). Das stützt sich zum einen darauf, dass der Gesetzgeber trotz der Neuregelungen über die Rechtsanwaltsgesellschaft (§§ 59c ff. BRAO) davon abgesehen hat, die §§ 78 und 121 ZPO neu zu fassen und die Beiordnungsmöglichkeit auf die Rechtsanwaltsgesellschaft zu erweitern, zum anderen darauf, dass mit der persönlichen Beiordnung eines einzelnen Rechtsanwalts vermieden werde, dass etwa ein in einer entfernt gelegenen Niederlassung derselben Sozietät tätiger Rechtsanwalt für die bedürftige Partei auftreten und hierdurch höhere Kosten verursachen könne.
- 8
- Beide Argumente überzeugen nicht.
- 9
- a) Wie bereits dargelegt, ist die Beiordnungsfähigkeit der Rechtsanwaltsgesellschaft mittlerweile ungeachtet der Tatsache anerkannt, dass der Gesetzgeber insoweit von einer Änderung des § 121 Abs. 1 ZPO abgesehen hat. Allein die Tatsache, dass der Wortlaut des § 121 ZPO unverändert fortbesteht, beantwortet im Übrigen nicht die Frage, ob die Vorschrift vor dem Hintergrund der inzwischen eingetretenen Rechtsentwicklung in Bezug auf die Rechtsanwalts- und die Partnerschaftsgesellschaft einer Korrektur mittels verfassungskonformer Auslegung bedarf. Zu der im Jahre 1998 geschaffenen Neuregelung der §§ 59c ff. BRAO und den bereits im Jahre 1995 geschaffenen Regelungen über die Partnerschaftsgesellschaft (vgl. dazu Schultz in Festschrift für Hirsch, 2008, S. 525, 526) tritt inzwischen hinzu, dass spätestens seit der zu Beginn des Jahres 2001 ergangenen Entscheidung BGHZ 146, 341 ff. die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, damit auch der Rechtsanwaltssozietät, anerkannt ist. Damit ist der wesentliche Grund, die Sozietät von einer Beiordnung auszuschließen, entfallen.
- 10
- b) Auch das vom Oberlandesgericht Celle (aaO juris Tz. 3-5) und - ihm folgend - dem Bayerischen Landessozialgericht (aaO juris Tz. 22) ins Feld geführte Kostenargument ist nicht geeignet, die Rechtsanwaltssozietät von einer Beiordnung nach § 121 Abs. 1 ZPO auszuschließen. Der Gefahr, dass im Rahmen einer Sozietätsbeiordnung ein auswärtiger Rechtsanwalt für die bedürftige Partei auftritt und Kosten verursacht, die bei einer Einzelbeiordnung nicht entstanden wären, kann im Einzelfall nach § 121 Abs. 3 ZPO ausreichend begegnet werden, etwa dadurch, dass das Gericht die Beiordnung einer überörtlich tätigen Sozietät von der Zusage abhängig macht, auf die Erstattung von Reisekosten für Sozien aus entfernt gelegenen Niederlassungen zu verzichten, oder bereits der Beiordnungsantrag dahin ausgelegt wird, dass er einen solchen Verzicht enthalte (vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2006 - XI ZB 1/06 - NJW 2006, 3783 unter Tz. 7; Zöller/Philippi aaO Rdn. 13b).
Dr. Kessal-Wulf Felsch
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 16.03.2007 - 13 O 125/06 -
OLG Celle, Entscheidung vom 22.11.2007 - 8 U 105/07 -
Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.