Landessozialgericht NRW Urteil, 09. Juli 2014 - L 11 SF 318/12 VE AS

ECLI:ECLI:DE:LSGNRW:2014:0709.L11SF318.12VE.AS.00
bei uns veröffentlicht am09.07.2014

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtstreits. Die Revision wird nicht zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 197a


(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 183


Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kos

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(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach d

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Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 121 Anfechtungsfrist


(1) Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rech

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(1) Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen ein Land ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen den Bund ist der Bundesgerichtshof. Diese

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 200


Für Nachteile, die auf Grund von Verzögerungen bei Gerichten eines Landes eingetreten sind, haftet das Land. Für Nachteile, die auf Grund von Verzögerungen bei Gerichten des Bundes eingetreten sind, haftet der Bund. Für Staatsanwaltschaften und Finan

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 198


(1) Für die Vollstreckung gilt das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend, soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt. (2) Die Vorschriften über die vorläufige Vollstreckbarkeit sind nicht anzuwenden. (3) An die Stelle der so

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Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten über die Höhe des Entschädigungsanspruchs wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens und darüber, ob der Kläger daneben be

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Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

Für Nachteile, die auf Grund von Verzögerungen bei Gerichten eines Landes eingetreten sind, haftet das Land. Für Nachteile, die auf Grund von Verzögerungen bei Gerichten des Bundes eingetreten sind, haftet der Bund. Für Staatsanwaltschaften und Finanzbehörden in Fällen des § 386 Absatz 2 der Abgabenordnung gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

(1) Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen ein Land ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen den Bund ist der Bundesgerichtshof. Diese Zuständigkeiten sind ausschließliche.

(2) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden. Eine Entscheidung durch den Einzelrichter ist ausgeschlossen. Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts findet die Revision nach Maßgabe des § 543 der Zivilprozessordnung statt; § 544 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden.

(3) Das Entschädigungsgericht kann das Verfahren aussetzen, wenn das Gerichtsverfahren, von dessen Dauer ein Anspruch nach § 198 abhängt, noch andauert. In Strafverfahren, einschließlich des Verfahrens auf Vorbereitung der öffentlichen Klage, hat das Entschädigungsgericht das Verfahren auszusetzen, solange das Strafverfahren noch nicht abgeschlossen ist.

(4) Besteht ein Entschädigungsanspruch nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe, wird aber eine unangemessene Verfahrensdauer festgestellt, entscheidet das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. Juli 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger macht gegen das beklagte Land einen Anspruch auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Arzthaftungsprozesses geltend.

2

In dem noch nicht abgeschlossenen Ausgangsverfahren nimmt der Kläger mit seiner am 20. Dezember 2006 beim Landgericht eingereichten Klage einen Arzt auf Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 15.000 € sowie Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden im Zusammenhang mit einer am 29. April 2004 durchgeführten Knieoperation in Anspruch.

3

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschloss das Landgericht am 20. November 2007 die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Der beauftragte Sachverständige Dr. B.   erstellte sein Gutachten unter dem 16. Dezember 2008 und ergänzte es mit Stellungnahme vom 18. Juni 2010 im Hinblick auf Fragen und Einwände des beklagten Arztes. Widersprüche zwischen dem gerichtlichen Gutachten und einem außergerichtlich erstellten Gutachten führten dazu, dass das Landgericht mit Beweisbeschluss vom 23. Dezember 2010 ein Obergutachten in Auftrag gab, dessen Fertigstellung der neue Sachverständige Prof. Dr. G.    bis Ende März 2011 in Aussicht stellte.

4

Auf Sachstandsanfrage des Landgerichts vom 23. Mai 2011 beanstandete der Sachverständige das Fehlen der dem Erstgutachter überlassenen Röntgenbilder, obwohl sich diese - wie sich später herausstellte - in der bereits am 26. Januar 2011 übersandten Gerichtsakte befanden. Für die folgenden sechs Monate sind keine prozessleitenden Anordnungen des Gerichts dokumentiert. Die Nachforschungen der Geschäftsstelle nach dem Verbleib der Röntgenbilder blieben erfolglos. Zudem ging das umfangreiche Post enthaltende Aktenretent verloren. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2011 teilte das Landgericht dem Sachverständigen Prof. Dr. G.    mit, dass eine Nachfrage bei den Parteien und bei Dr. B.   ergeben habe, dass Röntgenbilder dort nicht vorhanden seien, und bat ihn zugleich um erneute Prüfung, ob die Röntgenbilder seinerzeit mit der Gerichtsakte übersandt worden seien. Der Sachverständige reagierte nicht. Sachstandsanfragen des Klägers an das Landgericht vom 28. Februar, 25. Mai und 12. Juli 2012 blieben unbeantwortet. Mit Anwaltsschriftsatz vom 7. August 2012 erhob der Kläger "Verzögerungsrüge gemäß § 198 GVG". Nachdem das Landgericht den Sachverständigen daraufhin unter dem 22. Oktober 2012 um Rückgabe der Akten gebeten und diese Mitte November 2012 erhalten hatte, teilte es dem Kläger mit Schreiben vom 24. Januar 2013 mit, dass die vermissten Röntgenbilder in den Akten aufgefunden worden seien. Gleichzeitig übersandte es die Akten an den Sachverständigen Prof. Dr. G.    mit der Bitte um bevorzugte Bearbeitung.

5

Noch bevor der Sachverständige sein Gutachten unter dem 27. Mai 2013 erstellt hatte, reichte der Kläger am 14. März 2013 die vorliegende Entschädigungsklage beim Oberlandesgericht ein.

6

Der Kläger hat geltend gemacht, das Verfahren sei bislang um sechs Jahre verzögert, weil der Rechtsstreit bereits seit dem Erstgutachten des Sachverständigen Dr. B.   entscheidungsreif gewesen sei. Die ihm zustehende Entschädigung für immaterielle Nachteile betrage auf der Basis des gesetzlichen Regelsatzes 7.200 €.

7

Das Oberlandesgericht hat den Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung für immaterielle Nachteile von 900 € verurteilt. Außerdem hat es festgestellt, dass die Verfahrensdauer über den bei der zugesprochenen Entschädigung bereits berücksichtigen Zeitraum hinaus bisher um weitere vier Monate unangemessen war. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

8

Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist, und zur Abweisung der Entschädigungsklage in vollem Umfang.

I.

10

Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

11

Nach Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (im Folgenden: ÜGRG) vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) sei die Entschädigungsregelung der §§ 198 ff GVG auf den noch beim Landgericht anhängigen Rechtsstreit anwendbar. Die Entschädigungsklage sei als Teilklage zulässig und teilweise begründet. Das Ausgangsverfahren weise bislang eine unangemessene und irreparable Dauer von insgesamt 13 Monaten auf.

12

In dem Zeitraum von Ende Mai 2011 bis Anfang Dezember 2011 liege eine Verzögerung von vier Monaten vor. Für die (erfolglosen) Nachforschungen bei den Parteien und dem Sachverständigen Dr. B.   nach dem Verbleib der vermeintlich fehlenden Röntgenbilder habe das Landgericht rund sechs Monate benötigt, während der hierfür noch als vertretbar anzusehende Zeitrahmen mit zwei Monaten anzusetzen sei.

13

Der nächste sachgerechte Verfahrensschritt sei mit der gerichtlichen Anfrage bei Prof. Dr. G.     vom 7. Dezember 2011 erfolgt. Das Landgericht habe jedoch nicht für eine umgehende Erledigung der Bitte um nochmalige Durchsicht der Akten gesorgt. Vielmehr habe der Kammervorsitzende erst mehr als zehn Monate später und zweieinhalb Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge die Akten am 22. Oktober 2012 von Prof. Dr. G.     zurückgefordert. Bei sachgerechtem Vorgehen hätte das Landgericht den Verbleib der Röntgenbilder bis Ende Januar 2012 klären können. Das Verfahren sei daher in diesem Abschnitt um weitere neun Monate verzögert worden.

14

Für die Folgezeit sei keine weitere Verzögerung festzustellen. Das Landgericht habe sich um eine bevorzugte Erledigung des Gutachtenauftrags bemüht. Dementsprechend habe der Sachverständige das Gutachten bereits im Mai 2013 fertig gestellt.

15

Die bisher eingetretene Verzögerung von insgesamt 13 Monaten könne bis zum Abschluss des landgerichtlichen Verfahrens nicht mehr kompensiert werden. Die voraussichtliche Gesamtdauer der ersten Instanz von fast sieben Jahren stelle sich bereits jetzt als unangemessen lang dar.

16

Hinsichtlich der Verzögerung von vier Monaten, die bis zum Inkrafttreten der neuen Entschädigungsregelung am 3. Dezember 2011 erfolgt sei, sei ein Entschädigungsanspruch des Klägers jedoch ausgeschlossen, weil die Verzögerungsrüge nicht unverzüglich im Sinne von Art. 23 Satz 2 ÜGRG erhoben worden sei. Insoweit sei jedoch nach § 198 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 GVG die unangemessene Verzögerung des Verfahrens festzustellen.

17

Für die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erfolgte Verzögerung von neun Monaten sei die regelmäßige Entschädigung von 100 € je Monat gemäß § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG zuzubilligen. Art. 23 Satz 3 ÜGRG stehe dem nicht entgegen. Denn diese Vorschrift sei dahin auszulegen, dass das Unterlassen einer unverzüglichen Erhebung der Verzögerungsrüge einen Entschädigungsanspruch nur wegen des Zeitraums ausschließe, der vor dem Inkrafttreten des Gesetzes liege. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs wahre die unverzüglich nachgeholte Verzögerungsrüge den Anspruch aus § 198 GVG so, als ob bereits zu dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG festgelegten Zeitpunkt gerügt worden wäre (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Dann aber dürften dem Betroffenen auch umgekehrt aus der Unterlassung der unverzüglichen Rügeerhebung keine weitergehenden Nachteile entstehen, als sie ihm entstanden wären, wenn das Institut der Verzögerungsrüge des § 198 Abs. 3 GVG bereits früher - als sich das Ausgangsverfahren vor Inkrafttreten des Gesetzes verzögert oder zu verzögern gedroht habe - bestanden hätte. Im Hinblick auf den in § 198 Abs. 3 Satz 2 genannten Zeitpunkt ("Anlass zur Besorgnis, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird") sei jedoch die Verspätung der Rüge grundsätzlich unschädlich, da die Geduld eines Verfahrensbeteiligten nicht "bestraft" werden solle (BT-Drucks. 17/3802 S. 21).

II.

18

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

19

1. Für den Zeitraum bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge am 7. August 2012 steht dem Kläger kein Entschädigungsanspruch wegen überlanger Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 GVG zu, weil es an einer unverzüglichen Rüge nach Art. 23 Satz 2 ÜGRG fehlt und in diesem Fall vor dem Rügezeitpunkt liegende Entschädigungsansprüche nach Art. 23 Satz 3 ÜGRG präkludiert sind.

20

a) Zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 ÜGRG auf den Streitfall Anwendung findet. Danach gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten am 3. Dezember 2011 (gemäß Art. 24 ÜGRG) bereits anhängig waren. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Das am 20. Dezember 2006 eingeleitete Ausgangsverfahren war zum maßgeblichen Stichtag weder rechtskräftig abgeschlossen noch anderweitig erledigt.

21

b) Die Entschädigungsklage konnte auch schon während des noch andauernden Ausgangsverfahrens erhoben werden. Aus § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG folgt, dass lediglich die hier unproblematische Wartefrist von sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge gewahrt sein muss. Der Abschluss des Ausgangsverfahrens ist keine Zulässigkeitsvoraussetzung. Dadurch hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen wollen, dass der Anspruch auf ein zügiges Verfahren schon vor dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verletzt werden kann und insoweit auch ein Entschädigungsanspruch in Betracht kommt (BT-Drucks. 17/3802 S. 22). Verfahrensrechtlich handelt es sich bei der Klage während des noch andauernden Ausgangsverfahrens regelmäßig um eine Teilklage, weil Entschädigung nur für einen bestimmten Abschnitt des Gesamtverfahrens verlangt wird (Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 52, 252). Diese setzt voraus, dass unabhängig vom weiteren Verlauf des Ausgangsverfahrens bereits eine Entscheidung über den Entschädigungsanspruch getroffen werden kann. Dementsprechend müssen die Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG vollständig erfüllt sein. Eine unangemessene und unumkehrbare Verzögerung des Ausgangsverfahrens sowie endgültig eingetretene Nachteile müssen feststehen. Daneben ist der Betroffene gehalten (haftungsbegründende Obliegenheit), eine Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 Satz 1 und 2 GVG wirksam zu erheben (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, NJW 2014, 939 Rn. 27 ff). Für den frühestmöglichen Rügetermin verlangt das Gesetz einen (konkreten) Anlass zu der Besorgnis, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen werden kann.

22

c) Wird die Entschädigungsregelung - wie hier - nach Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 ÜGRG auf Altfälle angewandt, die am 3. Dezember 2011 bereits anhängig, aber noch nicht abgeschlossen waren, wird das Recht der Verzögerungsrüge durch Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG an die Besonderheiten dieser Verfahrenskonstellation angepasst (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Bei Verfahren, die beim Inkrafttreten der Regelung schon verzögert sind, muss die Verzögerungsrüge unverzüglich erhoben werden. Geschieht dies, so wahrt die Rüge den Anspruch aus § 198 GVG rückwirkend in vollem Umfang, das heißt so, als ob bereits zu dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG festgelegten Zeitpunkt gerügt worden wäre (Ott aaO Art. 23 ÜGRG Rn. 4, 6).

23

Die Verzögerungsrüge des Klägers vom 7. August 2012 ist nicht unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erhoben worden, obwohl das Verfahren zu diesem Zeitpunkt, was das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, bereits um vier Monate verzögert war. Es wäre erforderlich gewesen, die Rüge binnen eines Zeitraums von längstens drei Monaten zu erheben.

24

"Unverzüglich" bedeutet nach der Gesetzesbegründung "ohne schuldhaftes Zögern" (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Damit wird die Legaldefinition in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB in Bezug genommen, die nach allgemeiner Auffassung auch über die Fälle des § 121 BGB hinaus gilt (Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl., § 121 Rn. 3).

25

Soweit Art. 23 Satz 2 ÜGRG die unverzügliche Erhebung der Verzögerungsrüge nach Inkrafttreten der Entschädigungsregelung verlangt, ist kein sofortiges Handeln geboten. Vielmehr muss dem Betroffenen eine angemessene Prüfungs- und Überlegungsfrist eingeräumt werden, um entscheiden zu können, ob er seine Rechte durch eine Verzögerungsrüge wahren muss. Die von der Rechtsprechung zu § 121 BGB herausgebildete Obergrenze von zwei Wochen (dazu Palandt/Ellenberger aaO) beziehungsweise die zweiwöchige gesetzliche Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB stellen insoweit einen zu engen Maßstab dar (vgl. BSG, NJW 2014, 253 Rn. 29; BFH, BeckRS 2013, 96642 Rn. 33, 35, 39, 42; OLG Bremen, NJW 2013, 2209, 2210; NJW 2013, 3109, 3110; OLG Karlsruhe, BeckRS 2013, 07833). Bei der Bemessung der gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG angemessenen Überlegungsfrist ist vor allem der Zweck des Gesetzes in den Blick zu nehmen, durch die Einräumung eines Entschädigungsanspruchs gegen den Staat bei überlanger Verfahrensdauer eine Rechtsschutzlücke zu schließen und eine Regelung zu schaffen, die sowohl den Anforderungen des Grundgesetzes (Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG) als auch denen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Art. 6 Abs. 1, Art. 13 EMRK) gerecht wird (BT-Drucks. 17/3802 S. 15). Es kommt hinzu, dass das Gesetz nur einen Tag vor seinem Inkrafttreten verkündet worden ist (Art. 24 ÜGRG). Diese Gesichtspunkte sprechen dafür, den Begriff der "Unverzüglichkeit" in Art. 23 Satz 2 ÜGRG weit zu verstehen. Eine zu kurze, wirksamen Rechtsschutz in Frage stellende Frist wäre mit den Erfordernissen eines effektiven Menschenrechtsschutzes nur schwer vereinbar. Der erkennende Senat hält deshalb in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (aaO Rn. 46) eine Drei-Monats-Frist für erforderlich, um den Anforderungen des Art. 13 EMRK zu entsprechen, aber auch für ausreichend, damit Betroffene in allen Fällen prüfen können, ob eine entschädigungspflichtige Verzögerung bereits eingetreten und eine Rügeerhebung deshalb geboten ist.

26

Diese großzügig bemessene Frist hat der Kläger mit seiner am 7. August 2012 eingegangenen Verzögerungsrüge deutlich verfehlt.

27

d) Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts führt die gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG verspätete Verzögerungsrüge dazu, dass Entschädigungsansprüche wegen überlanger Verfahrensdauer nicht nur bis zum Inkrafttreten des Gesetzes, sondern bis zum tatsächlichen Rügezeitpunkt präkludiert sind. Der Kläger kann deshalb für die vom Oberlandesgericht bis zum 7. August 2012 angenommene Verzögerung von elf Monaten (vier Monate bis zum Inkrafttreten des Gesetzes am 3. Dezember 2011 und weitere sieben Monate bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge) keine Entschädigung verlangen.

28

Für dieses Ergebnis sprechen sowohl der Wortlaut und die Systematik des Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG als auch die Gesetzgebungsgeschichte sowie der Zweck der Regelung.

29

aa) Gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG muss die Verzögerungsrüge unter den dort genannten Voraussetzungen "unverzüglich nach Inkrafttreten erhoben" werden. Daran anknüpfend bestimmt Art. 23 Satz 3 ÜGRG, dass in diesem Fall die Verzögerungsrüge einen Anspruch nach § 198 GVG auch für den "vorausgehenden Zeitraum" wahrt. Damit ist ersichtlich der Zeitraum gemeint, der bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge verstrichen ist. Die Revision macht zu Recht geltend, dass sich der Satzbestandteil des "vorausgehenden Zeitraums" nach Wortlaut und Stellung unmittelbar auf die "Erhebung der Verzögerungsrüge" bezieht. Im Umkehrschluss folgt aus Art. 23 Satz 3 ÜGRG, dass bei verspäteter Rüge Entschädigungsansprüche nach § 198 GVG erst vom Rügezeitpunkt an entstehen können und für die Zeit davor Präklusion eintritt. Dieses Verständnis der Regelung entspricht auch der wohl einhelligen Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur (vgl. nur OLG Bremen, NJW 2013, 2209, 2210 und NJW 2013, 3109, 3110 mit eindeutigen Ausführungen in den Entscheidungsgründen und lediglich missverständlich gefassten Leitsätzen; OLG Karlsruhe, BeckRS 2013, 07833; LSG Berlin-Brandenburg, BeckRS 2013, 72538 und BeckRS 2013, 72539; Heine, MDR 2013, 1147; Ott aaO § 198 GVG Rn. 196 und Art. 23 ÜGRG Rn. 6).

30

bb) Soweit das Oberlandesgericht darauf abstellen will, dass im Falle des § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG eine Verspätung der Rüge grundsätzlich nicht relevant sei (dazu Ott aaO § 198 GVG Rn. 194 unter Hinweis auf BT-Drucks. 17/3802 S. 21, 35 u. 41) und im Anwendungsbereich des Art. 23 Satz 3 ÜGRG nichts anderes gelten könne, wird außer Acht gelassen, dass beide Vorschriften unterschiedliche Anknüpfungspunkte haben und sich nach Sinn und Zweck grundlegend unterscheiden.

31

§ 198 Abs. 3 Satz 2 GVG regelt den Zeitpunkt, zu dem die Verzögerungsrüge frühestens wirksam erhoben werden kann. Maßgeblich ist danach der Anlass zur Besorgnis, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen wird (Ott aaO § 198 GVG Rn. 186, 188). Die Verzögerungsrüge muss lediglich im laufenden Ausgangsverfahren erhoben werden, ohne dass ein Endtermin bestimmt und damit eine Frist für die Rüge festgelegt wird. Da nach dem Willen des Gesetzgebers die Geduld eines Verfahrensbeteiligten nicht bestraft werden soll (BT-Drucks. 17/3802 S. 21, 41), ist es nach § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG grundsätzlich unerheblich, wann die Rüge nach dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG bestimmten Zeitpunkt eingelegt wird. Dadurch soll das gesetzgeberische Ziel, keinen Anreiz für verfrühte Rügen zu schaffen, verwirklicht werden (Marx in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG Rn. 135; Ott aaO § 198 GVG Rn.194).

32

Davon abweichend ist Anknüpfungspunkt für die Übergangsregelung des Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG der spätestmögliche Zeitpunkt, zu dem eine Verzögerungsrüge erhoben werden muss (Ott aaO Art. 23 ÜGRG Rn. 4). Der für § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG maßgebliche Gesichtspunkt, dass die Geduld eines Verfahrensbeteiligten nicht bestraft werden soll, spielt hier keine Rolle. Vielmehr muss der Betroffene innerhalb einer angemessenen Prüfungsfrist entscheiden, ob er die Verzögerungsrüge zur Rechtswahrung wegen bereits eingetretener Verzögerungen erhebt. Dies rechtfertigt es, dass bei nicht rechtzeitiger Rüge Ansprüche erst vom Rügezeitpunkt an begründet werden (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 196).

33

cc) Dieses Verständnis der Übergangsvorschrift wird durch die Entstehungsgeschichte der Entschädigungsregelung zusätzlich gestützt. In dem Referentenentwurf vom 15. März 2010 (abgedruckt bei Steinbeiß-Winkelmann/Ott aaO Anhang 5 S. 410 ff) wurde noch davon ausgegangen, dass ein Entschädigungsanspruch nur in Betracht komme, "soweit" die Verzögerungsrüge rechtzeitig zu dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG genannten Zeitpunkt erhoben werde, und dass die Entschädigung für den davor liegenden Zeitraum ausgeschlossen sei. Eine verspätete Rüge sollte dementsprechend zu einem Anspruchsverlust führen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 194; Steinbeiß-Winkelmann aaO Einführung Rn. 224, 316).

34

Die mit Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG übereinstimmende Übergangsregelung in Art. 16 Satz 3 und 4 ÜGRG-RefE knüpfte daran an und sah bei einer verspäteten Rüge eine Kürzung des Entschädigungsanspruchs für den vor der Rüge liegenden Zeitraum vor (siehe auch Ott aaO § 198 GVG Rn. 196). Diese Bestimmung ist - anders als § 198 Abs. 3 Satz 1 und 2 GVG - im weiteren Gesetzgebungsverfahren inhaltlich nicht mehr verändert worden.

35

2. Für den Zeitraum bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge vom 7. August 2012 scheidet auch eine Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer nach § 198 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 GVG aus. Nach dieser Vorschrift ist ein Feststellungsausspruch zur Verfahrensverzögerung trotz fehlenden Entschädigungsanspruchs nach dem Ermessen des Gerichts möglich, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des § 198 Abs. 3 GVG nicht erfüllt sind. Da die Präklusionswirkung des Art. 23 Satz 3 ÜGRG jedoch nicht nur den Anspruch auf Geldentschädigung, sondern ohne Einschränkung alle Formen der Wiedergutmachung nach § 198 GVG erfasst, soweit sie sich auf Verzögerungen vor Rügeerhebung beziehen, findet § 198 Abs. 4 GVG im Streitfall keine Anwendung. Die Versäumung der Rügefrist hat zur Folge, dass die Angemessenheit der Verfahrensdauer vom Entschädigungsgericht nicht mehr überprüft wird.

36

3. Es kann dahin stehen, ob der Zeitraum von rund zwei Monaten zwischen der Erhebung der Verzögerungsrüge und der Rückforderung der Akten von dem Sachverständigen Prof. Dr. G.    am 22. Oktober 2012 - wie das Oberlandesgericht meint - sachlich nicht mehr gerechtfertigt war. Denn eine solche Verfahrenslücke wäre entschädigungsrechtlich ohne Relevanz.

37

Durch die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs nach § 198 GVG an die Verletzung konventions- und verfassungsrechtlicher Normen (Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG) wird deutlich gemacht, dass die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung einen gewissen Schweregrad erreichen muss. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 42, 55). Allzu "kleinteilige" Überlegungen sind bei der Bemessung der (noch) akzeptablen Verfahrensdauer verfehlt. Für die Anwendung eines eher größeren Zeitrahmens spricht auch, dass § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG die Entschädigungspauschale von 1.200 € für immaterielle Nachteile lediglich als Jahresbetrag ausweist und die Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 GVG frühestens nach einem halben Jahr wiederholt werden kann (Schlick, Festschrift für Klaus Tolksdorf, S. 549, 555). Bei geringfügigen Verzögerungen in einzelnen Verfahrensabschnitten, die gegenüber der Gesamtverfahrensdauer nicht entscheidend ins Gewicht fallen, werden eine Geldentschädigung oder sonstige Wiedergutmachung daher regelmäßig nicht in Betracht kommen (Senatsurteil vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, BeckRS 2014, 04692 Rn. 28; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10, juris Rn. 16; Steinbeiß-Winkelmann/Sporrer, NJW 2014, 177, 182 zur Frage einer "Geringfügigkeitsschwelle"). So liegt der Fall hier. Bei einem mehrjährigen Arzthaftungsprozess, der durch eine umfangreiche und kontroverse Beweisaufnahme mit Einholung mehrerer Gutachten und Gutachtenergänzungen gekennzeichnet ist, wahrt eine Verfahrensverzögerung von zwei Monaten noch den entschädigungslos hinzunehmenden Toleranzrahmen.

38

4. Dem Oberlandesgericht kann auch nicht darin gefolgt werden, dass eine erstinstanzliche Verfahrensdauer von nahezu sieben Jahren schon für sich genommen als unangemessen einzustufen sei. Diese Betrachtungsweise lässt außer Acht, dass selbst bei einem mehrjährigen Verfahrenszeitraum dessen Angemessenheit nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Es ist unabdingbar, die einzelfallbezogenen Gründe zu untersuchen, auf denen die Dauer des Verfahrens beruht, und diese im Rahmen einer abschließenden Gesamtabwägung umfassend zu würdigen und zu gewichten (Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 40 f). Angesichts einer rechtlich relevanten Verzögerung von allenfalls zwei Monaten war deshalb die prognostizierte erstinstanzliche Gesamtverfahrensdauer von knapp sieben Jahren nicht geeignet, Entschädigungsansprüche zu begründen.

39

5. Den Ausführungen des Oberlandesgerichts, die eingetretenen Verzögerungen seien irreparabel, weil sie nicht mehr bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens kompensiert werden könnten, liegt ersichtlich die Vorstellung zugrunde, die Kompensationsmöglichkeit einer etwaigen Verzögerung sei nur für die jeweilige Instanz zu untersuchen. Indes ist bei der abschließenden Gesamtwürdigung das gesamte Verfahren in den Blick zu nehmen und zu fragen, ob Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Prozesses kompensiert wurden (Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 30; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 41; vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, NJW 2014, 939 Rn. 37 und vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, BeckRS 2014, 04692 Rn. 28). Dies kann auch dadurch geschehen, dass das zunächst verzögerte Verfahren in einer höheren Instanz besonders zügig geführt wird (Heine, MDR 2013, 1081, 1085; Ott aaO § 198 GVG Rn. 101).

III.

40

Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO).

41

Die Sache ist zur Endentscheidung reif, so dass der Senat die Klage insgesamt abweisen kann (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Schlick                     Wöstmann                    Tombrink

              Remmert                        Reiter

(1) Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist.

(2) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. Juli 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger macht gegen das beklagte Land einen Anspruch auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Arzthaftungsprozesses geltend.

2

In dem noch nicht abgeschlossenen Ausgangsverfahren nimmt der Kläger mit seiner am 20. Dezember 2006 beim Landgericht eingereichten Klage einen Arzt auf Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 15.000 € sowie Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden im Zusammenhang mit einer am 29. April 2004 durchgeführten Knieoperation in Anspruch.

3

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschloss das Landgericht am 20. November 2007 die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Der beauftragte Sachverständige Dr. B.   erstellte sein Gutachten unter dem 16. Dezember 2008 und ergänzte es mit Stellungnahme vom 18. Juni 2010 im Hinblick auf Fragen und Einwände des beklagten Arztes. Widersprüche zwischen dem gerichtlichen Gutachten und einem außergerichtlich erstellten Gutachten führten dazu, dass das Landgericht mit Beweisbeschluss vom 23. Dezember 2010 ein Obergutachten in Auftrag gab, dessen Fertigstellung der neue Sachverständige Prof. Dr. G.    bis Ende März 2011 in Aussicht stellte.

4

Auf Sachstandsanfrage des Landgerichts vom 23. Mai 2011 beanstandete der Sachverständige das Fehlen der dem Erstgutachter überlassenen Röntgenbilder, obwohl sich diese - wie sich später herausstellte - in der bereits am 26. Januar 2011 übersandten Gerichtsakte befanden. Für die folgenden sechs Monate sind keine prozessleitenden Anordnungen des Gerichts dokumentiert. Die Nachforschungen der Geschäftsstelle nach dem Verbleib der Röntgenbilder blieben erfolglos. Zudem ging das umfangreiche Post enthaltende Aktenretent verloren. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2011 teilte das Landgericht dem Sachverständigen Prof. Dr. G.    mit, dass eine Nachfrage bei den Parteien und bei Dr. B.   ergeben habe, dass Röntgenbilder dort nicht vorhanden seien, und bat ihn zugleich um erneute Prüfung, ob die Röntgenbilder seinerzeit mit der Gerichtsakte übersandt worden seien. Der Sachverständige reagierte nicht. Sachstandsanfragen des Klägers an das Landgericht vom 28. Februar, 25. Mai und 12. Juli 2012 blieben unbeantwortet. Mit Anwaltsschriftsatz vom 7. August 2012 erhob der Kläger "Verzögerungsrüge gemäß § 198 GVG". Nachdem das Landgericht den Sachverständigen daraufhin unter dem 22. Oktober 2012 um Rückgabe der Akten gebeten und diese Mitte November 2012 erhalten hatte, teilte es dem Kläger mit Schreiben vom 24. Januar 2013 mit, dass die vermissten Röntgenbilder in den Akten aufgefunden worden seien. Gleichzeitig übersandte es die Akten an den Sachverständigen Prof. Dr. G.    mit der Bitte um bevorzugte Bearbeitung.

5

Noch bevor der Sachverständige sein Gutachten unter dem 27. Mai 2013 erstellt hatte, reichte der Kläger am 14. März 2013 die vorliegende Entschädigungsklage beim Oberlandesgericht ein.

6

Der Kläger hat geltend gemacht, das Verfahren sei bislang um sechs Jahre verzögert, weil der Rechtsstreit bereits seit dem Erstgutachten des Sachverständigen Dr. B.   entscheidungsreif gewesen sei. Die ihm zustehende Entschädigung für immaterielle Nachteile betrage auf der Basis des gesetzlichen Regelsatzes 7.200 €.

7

Das Oberlandesgericht hat den Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung für immaterielle Nachteile von 900 € verurteilt. Außerdem hat es festgestellt, dass die Verfahrensdauer über den bei der zugesprochenen Entschädigung bereits berücksichtigen Zeitraum hinaus bisher um weitere vier Monate unangemessen war. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

8

Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist, und zur Abweisung der Entschädigungsklage in vollem Umfang.

I.

10

Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

11

Nach Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (im Folgenden: ÜGRG) vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) sei die Entschädigungsregelung der §§ 198 ff GVG auf den noch beim Landgericht anhängigen Rechtsstreit anwendbar. Die Entschädigungsklage sei als Teilklage zulässig und teilweise begründet. Das Ausgangsverfahren weise bislang eine unangemessene und irreparable Dauer von insgesamt 13 Monaten auf.

12

In dem Zeitraum von Ende Mai 2011 bis Anfang Dezember 2011 liege eine Verzögerung von vier Monaten vor. Für die (erfolglosen) Nachforschungen bei den Parteien und dem Sachverständigen Dr. B.   nach dem Verbleib der vermeintlich fehlenden Röntgenbilder habe das Landgericht rund sechs Monate benötigt, während der hierfür noch als vertretbar anzusehende Zeitrahmen mit zwei Monaten anzusetzen sei.

13

Der nächste sachgerechte Verfahrensschritt sei mit der gerichtlichen Anfrage bei Prof. Dr. G.     vom 7. Dezember 2011 erfolgt. Das Landgericht habe jedoch nicht für eine umgehende Erledigung der Bitte um nochmalige Durchsicht der Akten gesorgt. Vielmehr habe der Kammervorsitzende erst mehr als zehn Monate später und zweieinhalb Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge die Akten am 22. Oktober 2012 von Prof. Dr. G.     zurückgefordert. Bei sachgerechtem Vorgehen hätte das Landgericht den Verbleib der Röntgenbilder bis Ende Januar 2012 klären können. Das Verfahren sei daher in diesem Abschnitt um weitere neun Monate verzögert worden.

14

Für die Folgezeit sei keine weitere Verzögerung festzustellen. Das Landgericht habe sich um eine bevorzugte Erledigung des Gutachtenauftrags bemüht. Dementsprechend habe der Sachverständige das Gutachten bereits im Mai 2013 fertig gestellt.

15

Die bisher eingetretene Verzögerung von insgesamt 13 Monaten könne bis zum Abschluss des landgerichtlichen Verfahrens nicht mehr kompensiert werden. Die voraussichtliche Gesamtdauer der ersten Instanz von fast sieben Jahren stelle sich bereits jetzt als unangemessen lang dar.

16

Hinsichtlich der Verzögerung von vier Monaten, die bis zum Inkrafttreten der neuen Entschädigungsregelung am 3. Dezember 2011 erfolgt sei, sei ein Entschädigungsanspruch des Klägers jedoch ausgeschlossen, weil die Verzögerungsrüge nicht unverzüglich im Sinne von Art. 23 Satz 2 ÜGRG erhoben worden sei. Insoweit sei jedoch nach § 198 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 GVG die unangemessene Verzögerung des Verfahrens festzustellen.

17

Für die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erfolgte Verzögerung von neun Monaten sei die regelmäßige Entschädigung von 100 € je Monat gemäß § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG zuzubilligen. Art. 23 Satz 3 ÜGRG stehe dem nicht entgegen. Denn diese Vorschrift sei dahin auszulegen, dass das Unterlassen einer unverzüglichen Erhebung der Verzögerungsrüge einen Entschädigungsanspruch nur wegen des Zeitraums ausschließe, der vor dem Inkrafttreten des Gesetzes liege. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs wahre die unverzüglich nachgeholte Verzögerungsrüge den Anspruch aus § 198 GVG so, als ob bereits zu dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG festgelegten Zeitpunkt gerügt worden wäre (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Dann aber dürften dem Betroffenen auch umgekehrt aus der Unterlassung der unverzüglichen Rügeerhebung keine weitergehenden Nachteile entstehen, als sie ihm entstanden wären, wenn das Institut der Verzögerungsrüge des § 198 Abs. 3 GVG bereits früher - als sich das Ausgangsverfahren vor Inkrafttreten des Gesetzes verzögert oder zu verzögern gedroht habe - bestanden hätte. Im Hinblick auf den in § 198 Abs. 3 Satz 2 genannten Zeitpunkt ("Anlass zur Besorgnis, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird") sei jedoch die Verspätung der Rüge grundsätzlich unschädlich, da die Geduld eines Verfahrensbeteiligten nicht "bestraft" werden solle (BT-Drucks. 17/3802 S. 21).

II.

18

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

19

1. Für den Zeitraum bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge am 7. August 2012 steht dem Kläger kein Entschädigungsanspruch wegen überlanger Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 GVG zu, weil es an einer unverzüglichen Rüge nach Art. 23 Satz 2 ÜGRG fehlt und in diesem Fall vor dem Rügezeitpunkt liegende Entschädigungsansprüche nach Art. 23 Satz 3 ÜGRG präkludiert sind.

20

a) Zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 ÜGRG auf den Streitfall Anwendung findet. Danach gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten am 3. Dezember 2011 (gemäß Art. 24 ÜGRG) bereits anhängig waren. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Das am 20. Dezember 2006 eingeleitete Ausgangsverfahren war zum maßgeblichen Stichtag weder rechtskräftig abgeschlossen noch anderweitig erledigt.

21

b) Die Entschädigungsklage konnte auch schon während des noch andauernden Ausgangsverfahrens erhoben werden. Aus § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG folgt, dass lediglich die hier unproblematische Wartefrist von sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge gewahrt sein muss. Der Abschluss des Ausgangsverfahrens ist keine Zulässigkeitsvoraussetzung. Dadurch hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen wollen, dass der Anspruch auf ein zügiges Verfahren schon vor dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verletzt werden kann und insoweit auch ein Entschädigungsanspruch in Betracht kommt (BT-Drucks. 17/3802 S. 22). Verfahrensrechtlich handelt es sich bei der Klage während des noch andauernden Ausgangsverfahrens regelmäßig um eine Teilklage, weil Entschädigung nur für einen bestimmten Abschnitt des Gesamtverfahrens verlangt wird (Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 52, 252). Diese setzt voraus, dass unabhängig vom weiteren Verlauf des Ausgangsverfahrens bereits eine Entscheidung über den Entschädigungsanspruch getroffen werden kann. Dementsprechend müssen die Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG vollständig erfüllt sein. Eine unangemessene und unumkehrbare Verzögerung des Ausgangsverfahrens sowie endgültig eingetretene Nachteile müssen feststehen. Daneben ist der Betroffene gehalten (haftungsbegründende Obliegenheit), eine Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 Satz 1 und 2 GVG wirksam zu erheben (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, NJW 2014, 939 Rn. 27 ff). Für den frühestmöglichen Rügetermin verlangt das Gesetz einen (konkreten) Anlass zu der Besorgnis, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen werden kann.

22

c) Wird die Entschädigungsregelung - wie hier - nach Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 ÜGRG auf Altfälle angewandt, die am 3. Dezember 2011 bereits anhängig, aber noch nicht abgeschlossen waren, wird das Recht der Verzögerungsrüge durch Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG an die Besonderheiten dieser Verfahrenskonstellation angepasst (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Bei Verfahren, die beim Inkrafttreten der Regelung schon verzögert sind, muss die Verzögerungsrüge unverzüglich erhoben werden. Geschieht dies, so wahrt die Rüge den Anspruch aus § 198 GVG rückwirkend in vollem Umfang, das heißt so, als ob bereits zu dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG festgelegten Zeitpunkt gerügt worden wäre (Ott aaO Art. 23 ÜGRG Rn. 4, 6).

23

Die Verzögerungsrüge des Klägers vom 7. August 2012 ist nicht unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erhoben worden, obwohl das Verfahren zu diesem Zeitpunkt, was das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, bereits um vier Monate verzögert war. Es wäre erforderlich gewesen, die Rüge binnen eines Zeitraums von längstens drei Monaten zu erheben.

24

"Unverzüglich" bedeutet nach der Gesetzesbegründung "ohne schuldhaftes Zögern" (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Damit wird die Legaldefinition in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB in Bezug genommen, die nach allgemeiner Auffassung auch über die Fälle des § 121 BGB hinaus gilt (Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl., § 121 Rn. 3).

25

Soweit Art. 23 Satz 2 ÜGRG die unverzügliche Erhebung der Verzögerungsrüge nach Inkrafttreten der Entschädigungsregelung verlangt, ist kein sofortiges Handeln geboten. Vielmehr muss dem Betroffenen eine angemessene Prüfungs- und Überlegungsfrist eingeräumt werden, um entscheiden zu können, ob er seine Rechte durch eine Verzögerungsrüge wahren muss. Die von der Rechtsprechung zu § 121 BGB herausgebildete Obergrenze von zwei Wochen (dazu Palandt/Ellenberger aaO) beziehungsweise die zweiwöchige gesetzliche Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB stellen insoweit einen zu engen Maßstab dar (vgl. BSG, NJW 2014, 253 Rn. 29; BFH, BeckRS 2013, 96642 Rn. 33, 35, 39, 42; OLG Bremen, NJW 2013, 2209, 2210; NJW 2013, 3109, 3110; OLG Karlsruhe, BeckRS 2013, 07833). Bei der Bemessung der gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG angemessenen Überlegungsfrist ist vor allem der Zweck des Gesetzes in den Blick zu nehmen, durch die Einräumung eines Entschädigungsanspruchs gegen den Staat bei überlanger Verfahrensdauer eine Rechtsschutzlücke zu schließen und eine Regelung zu schaffen, die sowohl den Anforderungen des Grundgesetzes (Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG) als auch denen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Art. 6 Abs. 1, Art. 13 EMRK) gerecht wird (BT-Drucks. 17/3802 S. 15). Es kommt hinzu, dass das Gesetz nur einen Tag vor seinem Inkrafttreten verkündet worden ist (Art. 24 ÜGRG). Diese Gesichtspunkte sprechen dafür, den Begriff der "Unverzüglichkeit" in Art. 23 Satz 2 ÜGRG weit zu verstehen. Eine zu kurze, wirksamen Rechtsschutz in Frage stellende Frist wäre mit den Erfordernissen eines effektiven Menschenrechtsschutzes nur schwer vereinbar. Der erkennende Senat hält deshalb in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (aaO Rn. 46) eine Drei-Monats-Frist für erforderlich, um den Anforderungen des Art. 13 EMRK zu entsprechen, aber auch für ausreichend, damit Betroffene in allen Fällen prüfen können, ob eine entschädigungspflichtige Verzögerung bereits eingetreten und eine Rügeerhebung deshalb geboten ist.

26

Diese großzügig bemessene Frist hat der Kläger mit seiner am 7. August 2012 eingegangenen Verzögerungsrüge deutlich verfehlt.

27

d) Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts führt die gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG verspätete Verzögerungsrüge dazu, dass Entschädigungsansprüche wegen überlanger Verfahrensdauer nicht nur bis zum Inkrafttreten des Gesetzes, sondern bis zum tatsächlichen Rügezeitpunkt präkludiert sind. Der Kläger kann deshalb für die vom Oberlandesgericht bis zum 7. August 2012 angenommene Verzögerung von elf Monaten (vier Monate bis zum Inkrafttreten des Gesetzes am 3. Dezember 2011 und weitere sieben Monate bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge) keine Entschädigung verlangen.

28

Für dieses Ergebnis sprechen sowohl der Wortlaut und die Systematik des Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG als auch die Gesetzgebungsgeschichte sowie der Zweck der Regelung.

29

aa) Gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG muss die Verzögerungsrüge unter den dort genannten Voraussetzungen "unverzüglich nach Inkrafttreten erhoben" werden. Daran anknüpfend bestimmt Art. 23 Satz 3 ÜGRG, dass in diesem Fall die Verzögerungsrüge einen Anspruch nach § 198 GVG auch für den "vorausgehenden Zeitraum" wahrt. Damit ist ersichtlich der Zeitraum gemeint, der bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge verstrichen ist. Die Revision macht zu Recht geltend, dass sich der Satzbestandteil des "vorausgehenden Zeitraums" nach Wortlaut und Stellung unmittelbar auf die "Erhebung der Verzögerungsrüge" bezieht. Im Umkehrschluss folgt aus Art. 23 Satz 3 ÜGRG, dass bei verspäteter Rüge Entschädigungsansprüche nach § 198 GVG erst vom Rügezeitpunkt an entstehen können und für die Zeit davor Präklusion eintritt. Dieses Verständnis der Regelung entspricht auch der wohl einhelligen Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur (vgl. nur OLG Bremen, NJW 2013, 2209, 2210 und NJW 2013, 3109, 3110 mit eindeutigen Ausführungen in den Entscheidungsgründen und lediglich missverständlich gefassten Leitsätzen; OLG Karlsruhe, BeckRS 2013, 07833; LSG Berlin-Brandenburg, BeckRS 2013, 72538 und BeckRS 2013, 72539; Heine, MDR 2013, 1147; Ott aaO § 198 GVG Rn. 196 und Art. 23 ÜGRG Rn. 6).

30

bb) Soweit das Oberlandesgericht darauf abstellen will, dass im Falle des § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG eine Verspätung der Rüge grundsätzlich nicht relevant sei (dazu Ott aaO § 198 GVG Rn. 194 unter Hinweis auf BT-Drucks. 17/3802 S. 21, 35 u. 41) und im Anwendungsbereich des Art. 23 Satz 3 ÜGRG nichts anderes gelten könne, wird außer Acht gelassen, dass beide Vorschriften unterschiedliche Anknüpfungspunkte haben und sich nach Sinn und Zweck grundlegend unterscheiden.

31

§ 198 Abs. 3 Satz 2 GVG regelt den Zeitpunkt, zu dem die Verzögerungsrüge frühestens wirksam erhoben werden kann. Maßgeblich ist danach der Anlass zur Besorgnis, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen wird (Ott aaO § 198 GVG Rn. 186, 188). Die Verzögerungsrüge muss lediglich im laufenden Ausgangsverfahren erhoben werden, ohne dass ein Endtermin bestimmt und damit eine Frist für die Rüge festgelegt wird. Da nach dem Willen des Gesetzgebers die Geduld eines Verfahrensbeteiligten nicht bestraft werden soll (BT-Drucks. 17/3802 S. 21, 41), ist es nach § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG grundsätzlich unerheblich, wann die Rüge nach dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG bestimmten Zeitpunkt eingelegt wird. Dadurch soll das gesetzgeberische Ziel, keinen Anreiz für verfrühte Rügen zu schaffen, verwirklicht werden (Marx in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG Rn. 135; Ott aaO § 198 GVG Rn.194).

32

Davon abweichend ist Anknüpfungspunkt für die Übergangsregelung des Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG der spätestmögliche Zeitpunkt, zu dem eine Verzögerungsrüge erhoben werden muss (Ott aaO Art. 23 ÜGRG Rn. 4). Der für § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG maßgebliche Gesichtspunkt, dass die Geduld eines Verfahrensbeteiligten nicht bestraft werden soll, spielt hier keine Rolle. Vielmehr muss der Betroffene innerhalb einer angemessenen Prüfungsfrist entscheiden, ob er die Verzögerungsrüge zur Rechtswahrung wegen bereits eingetretener Verzögerungen erhebt. Dies rechtfertigt es, dass bei nicht rechtzeitiger Rüge Ansprüche erst vom Rügezeitpunkt an begründet werden (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 196).

33

cc) Dieses Verständnis der Übergangsvorschrift wird durch die Entstehungsgeschichte der Entschädigungsregelung zusätzlich gestützt. In dem Referentenentwurf vom 15. März 2010 (abgedruckt bei Steinbeiß-Winkelmann/Ott aaO Anhang 5 S. 410 ff) wurde noch davon ausgegangen, dass ein Entschädigungsanspruch nur in Betracht komme, "soweit" die Verzögerungsrüge rechtzeitig zu dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG genannten Zeitpunkt erhoben werde, und dass die Entschädigung für den davor liegenden Zeitraum ausgeschlossen sei. Eine verspätete Rüge sollte dementsprechend zu einem Anspruchsverlust führen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 194; Steinbeiß-Winkelmann aaO Einführung Rn. 224, 316).

34

Die mit Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG übereinstimmende Übergangsregelung in Art. 16 Satz 3 und 4 ÜGRG-RefE knüpfte daran an und sah bei einer verspäteten Rüge eine Kürzung des Entschädigungsanspruchs für den vor der Rüge liegenden Zeitraum vor (siehe auch Ott aaO § 198 GVG Rn. 196). Diese Bestimmung ist - anders als § 198 Abs. 3 Satz 1 und 2 GVG - im weiteren Gesetzgebungsverfahren inhaltlich nicht mehr verändert worden.

35

2. Für den Zeitraum bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge vom 7. August 2012 scheidet auch eine Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer nach § 198 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 GVG aus. Nach dieser Vorschrift ist ein Feststellungsausspruch zur Verfahrensverzögerung trotz fehlenden Entschädigungsanspruchs nach dem Ermessen des Gerichts möglich, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des § 198 Abs. 3 GVG nicht erfüllt sind. Da die Präklusionswirkung des Art. 23 Satz 3 ÜGRG jedoch nicht nur den Anspruch auf Geldentschädigung, sondern ohne Einschränkung alle Formen der Wiedergutmachung nach § 198 GVG erfasst, soweit sie sich auf Verzögerungen vor Rügeerhebung beziehen, findet § 198 Abs. 4 GVG im Streitfall keine Anwendung. Die Versäumung der Rügefrist hat zur Folge, dass die Angemessenheit der Verfahrensdauer vom Entschädigungsgericht nicht mehr überprüft wird.

36

3. Es kann dahin stehen, ob der Zeitraum von rund zwei Monaten zwischen der Erhebung der Verzögerungsrüge und der Rückforderung der Akten von dem Sachverständigen Prof. Dr. G.    am 22. Oktober 2012 - wie das Oberlandesgericht meint - sachlich nicht mehr gerechtfertigt war. Denn eine solche Verfahrenslücke wäre entschädigungsrechtlich ohne Relevanz.

37

Durch die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs nach § 198 GVG an die Verletzung konventions- und verfassungsrechtlicher Normen (Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG) wird deutlich gemacht, dass die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung einen gewissen Schweregrad erreichen muss. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 42, 55). Allzu "kleinteilige" Überlegungen sind bei der Bemessung der (noch) akzeptablen Verfahrensdauer verfehlt. Für die Anwendung eines eher größeren Zeitrahmens spricht auch, dass § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG die Entschädigungspauschale von 1.200 € für immaterielle Nachteile lediglich als Jahresbetrag ausweist und die Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 GVG frühestens nach einem halben Jahr wiederholt werden kann (Schlick, Festschrift für Klaus Tolksdorf, S. 549, 555). Bei geringfügigen Verzögerungen in einzelnen Verfahrensabschnitten, die gegenüber der Gesamtverfahrensdauer nicht entscheidend ins Gewicht fallen, werden eine Geldentschädigung oder sonstige Wiedergutmachung daher regelmäßig nicht in Betracht kommen (Senatsurteil vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, BeckRS 2014, 04692 Rn. 28; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10, juris Rn. 16; Steinbeiß-Winkelmann/Sporrer, NJW 2014, 177, 182 zur Frage einer "Geringfügigkeitsschwelle"). So liegt der Fall hier. Bei einem mehrjährigen Arzthaftungsprozess, der durch eine umfangreiche und kontroverse Beweisaufnahme mit Einholung mehrerer Gutachten und Gutachtenergänzungen gekennzeichnet ist, wahrt eine Verfahrensverzögerung von zwei Monaten noch den entschädigungslos hinzunehmenden Toleranzrahmen.

38

4. Dem Oberlandesgericht kann auch nicht darin gefolgt werden, dass eine erstinstanzliche Verfahrensdauer von nahezu sieben Jahren schon für sich genommen als unangemessen einzustufen sei. Diese Betrachtungsweise lässt außer Acht, dass selbst bei einem mehrjährigen Verfahrenszeitraum dessen Angemessenheit nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Es ist unabdingbar, die einzelfallbezogenen Gründe zu untersuchen, auf denen die Dauer des Verfahrens beruht, und diese im Rahmen einer abschließenden Gesamtabwägung umfassend zu würdigen und zu gewichten (Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 40 f). Angesichts einer rechtlich relevanten Verzögerung von allenfalls zwei Monaten war deshalb die prognostizierte erstinstanzliche Gesamtverfahrensdauer von knapp sieben Jahren nicht geeignet, Entschädigungsansprüche zu begründen.

39

5. Den Ausführungen des Oberlandesgerichts, die eingetretenen Verzögerungen seien irreparabel, weil sie nicht mehr bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens kompensiert werden könnten, liegt ersichtlich die Vorstellung zugrunde, die Kompensationsmöglichkeit einer etwaigen Verzögerung sei nur für die jeweilige Instanz zu untersuchen. Indes ist bei der abschließenden Gesamtwürdigung das gesamte Verfahren in den Blick zu nehmen und zu fragen, ob Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Prozesses kompensiert wurden (Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 30; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 41; vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, NJW 2014, 939 Rn. 37 und vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, BeckRS 2014, 04692 Rn. 28). Dies kann auch dadurch geschehen, dass das zunächst verzögerte Verfahren in einer höheren Instanz besonders zügig geführt wird (Heine, MDR 2013, 1081, 1085; Ott aaO § 198 GVG Rn. 101).

III.

40

Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO).

41

Die Sache ist zur Endentscheidung reif, so dass der Senat die Klage insgesamt abweisen kann (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Schlick                     Wöstmann                    Tombrink

              Remmert                        Reiter

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 91/13
Verkündet am:
13. März 2014
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Gerichtsverfahren im Sinne von § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG ist nicht jeder einzelne
Antrag oder jedes Gesuch im Zusammenhang mit dem verfolgten Rechtsschutzbegehren.

b) Allein der Umstand, dass eine Kindschaftssache (Umgangsrechtsverfahren)
vorliegt, führt nicht "automatisch" dazu, dass die Entschädigungspauschale (§
198 Abs. 2 Satz 3 GVG) nach § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG zu erhöhen ist. Vielmehr
ist es auch in diesem Fall erforderlich, dass die "Umstände des Einzelfalls"
den Pauschalsatz als unbillig erscheinen lassen.
BGH, Urteil vom 13. März 2014 - III ZR 91/13 - OLG Braunschweig
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. März 2014 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter
Dr. Herrmann, Wöstmann, Seiters und Reiter

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 8. Februar 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines familiengerichtlichen Verfahrens zur Regelung des Umgangs mit seinem am 29. November 1994 außerhalb einer Ehe geborenen Sohn C. in Anspruch. Daneben begehrt er die Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer.
2
Das erstinstanzliche Verfahren vor dem Familiengericht dauerte nahezu zwei Jahre und acht Monate, während das anschließende Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht nach acht Monaten beendet war.
3
Bereits vor Einleitung des streitgegenständlichen Umgangsrechtsverfahrens herrschte zwischen den Kindeseltern ein jahrelanger, in mehreren Gerichtsverfahren ausgetragener Streit über die Besuchskontakte des Klägers zu seinem Sohn.
4
Auf Anregung des Jugendamts entzog das Familiengericht dem Kläger durch einstweilige Anordnung vom 14. September 2007 vorläufig das Umgangsrecht , da unbelastete Umgangskontakte auf Grund der ständigen Auseinandersetzungen zwischen den Eltern nicht möglich waren, das Kind Verhaltensweisen mit Krankheitswert zeigte und sogar Suizidabsichten äußerte. Die am 31. Oktober 2007 durchgeführte Anhörung der Kindeseltern und des Amtsarztes führte dazu, dass der persönliche Umgang des Klägers mit seinem Sohn "vorerst bis längstens 31. März 2008" ausgesetzt wurde, um die Begutachtung des Kindes durch eine Fachklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie zu ermöglichen. Der Kläger war mit dieser Verfahrensweise einverstanden. Der bereits am 23. Januar 2008 erstellte Klinikbericht wurde im Mai 2008 dem Familiengericht zugeleitet. Dieses ordnete sodann am 17. Juli 2008 an, dass der Umgang im Interesse des Kindeswohls weiter ausgesetzt werde und eine (abschließende) gutachterliche Stellungnahme des Gesundheitsamts einzuholen sei. Nach Richterwechsel fand am 29. Oktober 2008 ein weiterer Anhörungstermin statt, in dem sich der als Sachverständiger befragte Amtsarzt im Interesse des Kindeswohls gegen Besuchskontakte des Klägers aussprach. Vor diesem Hintergrund schlug das Familiengericht unter anderem vor, der Kläger solle künftige Besuche behutsam durch Briefkontakte vorbereiten. Darauf ging der Kläger jedoch nicht ein. Mit Beschluss vom 28. November 2008 bestellte das Gericht eine berufsmäßige Verfahrenspflegerin für das Kind. Diese erstellte in der Folgezeit einen umfangreichen Bericht, den sie am 6. Februar 2009 zu den Akten reichte und in dem sie zu dem Ergebnis kam, dass ein erzwungener Umgang eine Kin- deswohlgefährdung darstelle. Nachdem ein auf den 6. Mai 2009 bestimmter Anhörungstermin auf Antrag des Klägers verlegt werden musste und er zudem mit Schreiben vom 5. Mai 2009 mitgeteilt hatte, dass er einen Rechtsanwalt eingeschaltet habe, verfügte die zuständige Richterin am 5. Juni 2009, ihr die Akte nach vier Wochen wieder vorzulegen. Im Hinblick auf ein Schreiben des Klägers vom 15. Juni 2009 notierte die Richterin am 22. Juni 2009 eine neue Wiedervorlagefrist von vier Wochen ("Stellungnahme RA R. ?"). Mit Verfügung vom 30. September 2009 setzte sie, nachdem bis dahin eine anwaltliche Stellungnahme nicht eingegangen war, den Kläger hiervon in Kenntnis und bestimmte eine weitere Wiedervorlagefrist von zwei Wochen. Am 2. Dezember 2009 fand sodann ein "Abschlusstermin" statt. Wenige Tage zuvor hatte sich der vom Kläger angekündigte Verfahrensbevollmächtigte erstmals gemeldet und schriftlich mehrere Anträge zum Umgangsrecht gestellt. Außerdem machte er einen Anspruch auf vierteljährliche Auskunftserteilung über die persönlichen Verhältnisse des Kindes geltend. Am 3. Dezember 2009 hörte die Familienrichterin das Kind persönlich an und fertigte darüber ein ausführliches Protokoll. Mit Beschluss vom 28. April 2010 entschied das Familiengericht in der Hauptsache, dass der persönliche Umgang des Klägers mit seinem Sohn bis auf weiteres ausgesetzt werde. Eine Entscheidung über den Auskunftsanspruch unterblieb versehentlich und wurde mit Beschluss vom 8. Oktober 2010 nachgeholt.
5
Mit Schriftsatz vom 5. Mai 2010 legte der Kläger Beschwerde gegen den Beschluss vom 28. April 2010 ein und begründete diese unter dem 5. Juli 2010. Nach Gewährung von Stellungnahmefristen für die übrigen Beteiligten hörte das Oberlandesgericht am 17. November 2010 das Kind an und verhandelte am 23. November 2010 abschließend. Mit Beschluss vom 16. Dezember 2010, der an den Verfahrensbevollmächtigten des Klägers am 27. Dezember 2010 zugestellt wurde, wies das Oberlandesgericht die Beschwerde zurück. Anhörungsrü- ge und Gegenvorstellung des Klägers vom 10. Januar 2011 blieben erfolglos. Sie wurden mit Beschluss vom 17. Februar 2011 zurückgewiesen. Die Verfassungsbeschwerde des Klägers hatte ebenfalls keinen Erfolg. Der das Verfahren beendende Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Dezember 2011 wurde ihm am 27. Dezember 2011 zugestellt.
6
Bereits zuvor hatte der Kläger mit Schriftsätzen vom 4. November 2010 und 13. Oktober 2011 Individualbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erhoben und die überlange Dauer des umgangsrechtlichen Verfahrens gerügt.
7
Die vorliegende Entschädigungsklage, die dem Beklagten am 25. Juni 2012 zugestellt wurde, hat der Kläger am 11. Mai 2012 beim Oberlandesgericht eingereicht.
8
Er hat geltend gemacht, das erstinstanzliche Verfahren sei um etwa 25 Monate, das Auskunftsverfahren um neun Monate und das Beschwerdeverfahren um vier Monate verzögert. Die durchschnittliche Dauer eines erstinstanzlichen Umgangsrechtsverfahrens betrage lediglich 6,8 Monate. Da sein Umgangsrecht durch die überlange Verfahrensdauer faktisch entwertet worden sei, entspreche eine Entschädigung in Höhe von 13.400 € der Billigkeit (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG).
9
Das Oberlandesgericht hat den Beklagten zur Zahlung einer Entschädi- gung für immaterielle Nachteile von 1.500 € verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
10
Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge weiter, soweit zu seinem Nachteil entschieden worden ist.

Entscheidungsgründe


11
Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.

I.


12
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
13
Dem Kläger stehe gegen das beklagte Land gemäß § 198 Abs. 1, 2 GVG ein Anspruch auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer des Umgangs- rechtsverfahrens in Höhe von 1.500 € zu. Die Entschädigungsregelung der §§ 198 ff GVG sei nach Art 23 Satz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren anwendbar , da das innerstaatliche Ausgangsverfahren erst mit Zustellung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts am 27. Dezember 2011 beendet worden sei. Zu diesem Zeitpunkt sei das Beschwerdeverfahren beim EGMR bereits eingeleitet gewesen.
14
Der für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer maßgebliche Zeitraum erstrecke sich von der Einleitung des Umgangsrechtsverfahrens am 14. September 2007 bis zur Zustellung des Beschlusses des Oberlandesgerichts vom 16. Dezember 2010.
15
Für die Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer sei nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Die Annahme fester Zeitgrenzen komme ebenso wenig in Betracht wie die Heranziehung der durchschnittlichen Dauer von Verfahren einer bestimmten Art. Es sei dem Kläger deshalb verwehrt, für die Berechnung seines Entschädigungsanspruchs lediglich auf die Differenz zwischen der tatsächlichen und der statistischen Verfahrensdauer bei Umgangssachen abzustellen.
16
Eine unangemessene Verfahrensdauer liege regelmäßig dann vor, wenn sachlich nicht begründete Lücken in der Verfahrensförderung vorlägen. Im Streitfall habe es sich um ein komplexes Verfahren gehandelt, bei dem das Zeitmoment wegen der Gefahr der Entfremdung zwischen dem Kläger und seinem Sohn wesentlich sei. Unter Berücksichtigung des Prozessverhaltens des Klägers, der zahlreiche Stellungnahmen und Anfragen zu den Akten gereicht habe, und des dem Gericht bei der Verfahrensgestaltung zukommendem Freiraums könne eine sachwidrige Verzögerung des Beschwerdeverfahrens nicht festgestellt werden. Allein die Verfahrensführung durch das Amtsgericht habe zu einer entschädigungspflichtigen Gesamtverzögerung des Verfahrens im Umfang von acht Monaten geführt, insbesondere durch die unzureichende Verfahrensförderung in Bezug auf den Bericht der Fachklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie vom 23. Januar 2008, die verspätete Bestellung der Verfahrenspflegerin und die zwischen den Verfügungen vom 22. Juni und 30. September 2009 liegende, sachlich nicht gerechtfertigte "Lücke".

17
Die nach dem Pauschalsatz des § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG sich ergeben- de Entschädigung von 800 € sei unbillig im Sinne von § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG. Da Gegenstand des Ausgangsverfahrens eine Kindschaftssache sei und das Familiengericht über den parallel geltend gemachten Auskunftsanspruch zunächst nicht entschieden habe, sei eine moderate Erhöhung des Entschädi- gungsbetrags auf 1.500 € geboten. Ein schwerwiegender Fall im Sinne von § 198 Abs. 4 Satz 3 GVG liege nicht vor. Die zusätzliche Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer könne der Kläger deshalb nicht verlangen.

II.


18
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
19
1. Die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) findet nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Halbsatz 2 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG) auf den Streitfall Anwendung. Danach gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten am 3. Dezember 2011 (gemäß Art. 24 ÜGRG) bereits abgeschlossen waren, wenn deren Dauer zu einer nach Art. 35 Abs. 1 EMRK zulässigen Beschwerde vor dem EGMR geführt hat (Senatsurteil vom 11. Juli 2013 - III ZR 361/12, NJW 2014, 218 Rn. 9, 15). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
20
Das vom Kläger als unangemessen lang angesehene familiengerichtliche Verfahren wurde durch die Beschlüsse des Oberlandesgerichts vom 16. Dezember 2010 und 17. Februar 2011, mit denen die Beschwerde und die Anhörungsrüge des Klägers zurückgewiesen wurden, beendet. Damit war der innerstaatliche Rechtsweg erschöpft (Art. 35 Abs. 1 EMRK). Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts kommt es in diesem Zusammenhang auf die Zustellung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Dezember 2011 nicht an. Wird die überlange Dauer eines zivilrechtlichen Verfahrens geltend gemacht, stellt die Verfassungsbeschwerde keinen effektiven Rechtsbehelf im Sinne von Art. 13 EMRK dar. Ein Beschwerdeführer ist demnach nicht verpflichtet, vor Anrufung des EGMR eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einzulegen (EGMR, NJW 2006, 2389 Rn. 105 ff und NVwZ 2008, 289 Rn. 64 ff; Schäfer in Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 35 Rn. 34, 57; Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl., Art. 13 Rn. 38, Art. 35 Rn. 19). Da der Kläger die Verfahrensdauer bereits mit Individualbeschwerde vom 4. November 2010 gerügt hatte, wurde die Sechs-Monats-Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK gewahrt. Dem steht nicht entgegen, dass der innerstaatliche Rechtsweg zu diesem Zeitpunkt noch nicht erschöpft war (vgl. Schäfer aaO Art. 35 Rn. 3, 35, 52 ff). Die nach Fristablauf eingelegte (erneute) Beschwerde vom 13. Oktober 2011 ist lediglich als jederzeit mögliche Ergänzung der bereits zulässig erhobenen Beschwerde anzusehen (vgl. Schäfer aaO Art. 35 Rn. 17). Dementsprechend wurde sie beim EGMR unter demselben Aktenzeichen geführt.
21
Durch die am 11. Mai 2012 eingereichte und am 25. Juni 2012 zugestellte Klageschrift wurde die Ausschlussfrist des Art. 23 Satz 6 ÜGRG eingehalten (§ 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. § 167 ZPO).
22
2. Die Rüge der Revision, das Oberlandesgericht hätte die nachgeholte Entscheidung des Familiengerichts über den zunächst übersehenen Antrag auf Auskunftserteilung gemäß § 1686 BGB als gesondert zu entschädigendes Verfahren behandeln müssen, bleibt ohne Erfolg.

23
§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG enthält eine Legaldefinition des Gerichtsverfahrens im Sinne der Entschädigungsregelung. Gerichtsverfahren ist nicht jeder einzelne Antrag oder jedes Gesuch im Zusammenhang mit dem verfolgten Rechtsschutzbegehren. Vielmehr geht das Gesetz von einem an der Hauptsache orientierten Verfahrensbegriff aus (Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, BeckRS 2013, 22861 Rn. 20). Lediglich für den Bereich des bereits eröffneten Insolvenzverfahrens fingiert § 198 Abs. 6 Nr. 1 Halbsatz 3 GVG, dass jeder Antrag auf Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren gilt (Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren , § 198 GVG Rn. 49). In zeitlicher Hinsicht ist der gesamte Zeitraum von der Einleitung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung als ein Verfahren zu behandeln (Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 21).
24
Nach diesem Maßstab ist der Antrag auf Auskunftserteilung (§ 1686 BGB), den der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 30. November 2009 kumulativ neben weiteren Anträgen in dem familiengerichtlichen Umgangsrechtsverfahren gestellt hat (dazu Palandt/Götz, BGB, 73. Aufl., § 1686 Rn. 1), nicht als Einleitung eines getrennt zu betrachtenden Gerichtsverfahrens anzusehen. Vielmehr sollte darüber in dem bereits anhängigen Umgangsrechtsverfahren entschieden werden. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass sich das Familiengericht erstmals in dem Beschluss vom 8. Oktober 2010 sachlich mit dem Auskunftsantrag befasst hat. Denn zu diesem Zeitpunkt war das Hauptsacheverfahren noch nicht beendet. Das Oberlandesgericht hatte zwischenzeitlich die Akten zur Entscheidung über das Auskunftsbegehren an das Familiengericht zurückgesandt. Das Umgangsrechtsverfahren wurde parallel in der zweiten Instanz fortgeführt und im Dezember 2010 durch Zurückweisung der Beschwerde des Klägers abgeschlossen.

25
3. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Oberlandesgericht über die festgestellte Verzögerung von acht Monaten hinaus eine unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens zu Recht verneint. Die diesbezügliche Verfahrensförderung durch die Gerichte des Ausgangsverfahrens weist keine entschädigungsrechtlich relevanten Lücken auf. Durch die zunächst unterbliebene Entscheidung über den Auskunftsanspruch wurde die Gesamtverfahrensdauer - wie unter 2. dargelegt - nicht verlängert.
26
a) Die Rüge, das Oberlandesgericht hätte bei der Beurteilung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer nicht auf die konkreten Fallumstände, sondern auf die durchschnittliche Dauer eines erstinstanzlichen Umgangsverfahrens , die bei 6,8 Monaten liege, abstellen müssen, greift nicht durch.
27
aa) Für die Feststellung, ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, kommt es nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere auf die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt die Umstände , die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, nur beispielhaft ("insbesondere") und ohne abschließenden Charakter (BTDrucks. 17/3702 S. 18). Weitere gewichtige Beurteilungskriterien sind die Verfahrensführung durch das Gericht sowie die zur Verfahrensbeschleunigung, die nicht zum Selbstzweck werden darf, gegenläufigen Rechtsgüter, wobei vor allem die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit von Entscheidungen sowie die Grundsätze der richterlichen Unabhängigkeit und des gesetzlichen Richters in den Blick zu nehmen sind. Erforder- lich ist eine umfassende Gesamtabwägung aller Umstände (grundlegend Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 25, 28, 32 ff; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13 aaO Rn. 37, 40, 43 ff und vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, BeckRS 2014, 03167 Rn. 36, 39 f, jeweils zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
28
bb) Eine abstrakt-generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, ist nicht möglich und würde im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit bereits an der Vielgestaltigkeit der Verfahren und prozessualen Situationen scheitern.
29
Mit der Entscheidung des Gesetzgebers, dass sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalls richtet (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG), wurde bewusst von der Einführung bestimmter Grenzwerte für die Dauer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen. Ein nach Verfahrensarten oder -gegenständen, nach Schwierigkeitsgraden oder in ähnlicher Weise ausdifferenziertes System fester "Normwerte" scheidet deshalb aus (vgl. Maidowski, JM 2014, 81, 82). Die Ausrichtung auf den Einzelfall ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut des Gesetzes, wird durch dessen Entstehungsgeschichte bestätigt (dazu Steinbeiß-Winkelmann aaO Einführung Rn. 236 ff) und entspricht dem in den Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Feste Zeitvorgaben können auch der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht entnommen werden (siehe dazu die Übersicht bei Meyer-Ladewig aaO Art. 6 Rn. 199 ff, insbesondere Rn. 207 f). Das Bundesverfassungsgericht hat ebenfalls keine festen Zeitgrenzen aufgestellt und beurteilt die Frage, ab wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, stets nach den besonderen Um- ständen des einzelnen Falls (vgl. BVerfG, NJW 1997, 2811, 2812 und NJW 2013, 3630 Rn. 30, 32 mwN).
30
Der Verzicht auf allgemeingültige Zeitvorgaben schließt es auch regelmäßig aus, die Angemessenheit der Verfahrensdauer allein anhand statistischer Durchschnittswerte zu ermitteln. Nach dem Wortlaut des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG kommt es auf die "angemessene" und nicht auf die "durchschnittliche" Verfahrensdauer an. Daneben ist zu bedenken, dass § 198 GVG nicht nur einzelfallbezogene "Ausreißer" erfasst, sondern auch dann eingreift, wenn die Verzögerung auf strukturellen Problemen (zum Beispiel unzureichende Personalausstattung der Justiz) beruht. Die Ermittlung aussagekräftiger Vergleichswerte , die keine solchen "Systemfehler" enthalten, stellt sich als schwierig dar, zumal die Verschiedenartigkeit der einzelnen Verfahrensarten eine einheitliche Betrachtung verbietet. Selbst brauchbare statistische Durchschnittswerte sind nur bedingt taugliche Parameter und können ohne eine Einzelfallbetrachtung nicht zur Grundlage einer Entschädigungsentscheidung gemacht werden. Deshalb reicht es - entgegen der Revision - für die Berechnung eines Entschädigungsanspruchs nicht aus, lediglich auf die Differenz zwischen der tatsächlichen und der statistischen Verfahrensdauer hinzuweisen (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 26; Heine MDR 2013 1081, 1085; Schlick, Festschrift für Klaus Tolksdorf, S. 549, 554; siehe auch BVerwG, NJW 2014, 96 Rn. 28 ff und BSG, NJW 2014, 248 Rn. 25 ff zu dem Sonderfall des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde nach dem SGG: statistische Zahlen als "hilfreicher Maßstab").
31
b) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ergibt, dass die aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist (ausführlich Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 28 ff; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 36 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 35 ff jeweils mwN).
32
Dies bedeutet, dass die Verfahrensdauer eine Grenze überschreiten muss, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 31; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 42 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 38; vgl. BVerfG, NVwZ 2013, 789, 791 f; BVerwG aaO Rn. 39; siehe auch BFH, BeckRS 2013, 96642 Rn. 53; BSG aaO Rn. 26: "deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen").
33
Bezugspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit ist als maßgeblicher Zeitraum die in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierte Gesamtverfahrensdauer (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 78). Verzögerungen, die in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrensabschnitten eingetreten sind, können innerhalb einer späteren Phase des Verfahrens kompensiert werden (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 30; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 41 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 37; Ott aaO § 198 GVG Rn. 79, 97, 100 f).
34
c) Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungsund Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39). Dementsprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist (Senatsurteile vom 4. November 2010 - III ZR 32/10, BGHZ 187, 286 Rn. 14; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 45 f und vom 13. Februar2014 - III ZR 311/13, juris Rn. 30). Da der Rechtsuchende keinen Anspruch auf optimale Verfahrensförderung hat (BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10, juris Rn. 16), begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben (Senatsurteile vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 46 und vom 13. Februar 2014 aaO Rn. 30). Im Entschädigungsprozess dürfen diejenigen rechtlichen Überlegungen, die der erkennende Richter bei der Entscheidungsfindung im Ausgangsprozess angestellt hat, grundsätzlich nicht auf ihre sachliche Richtigkeit überprüft werden (Schlick aaO S. 555). Stets muss jedoch in den Blick genommen werden, dass die Gerichte sich mit zunehmender Verfahrensdauer nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen haben (vgl. nur Senatsurteil vom 4. November 2010 aaO Rn. 11, 14; BVerfG, NJW 2013, 3630 Rn. 32, 37, 44).
35
Erst wenn die Verfahrenslaufzeit, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt ist, in Abwägung mit den weiteren Kriterien im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG auch bei Berücksichtigung des weiten richterlichen Gestaltungsspielraums sachlich nicht mehr zu rechtfertigen ist, liegt eine unangemessene Verfahrensdauer vor (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 ff; vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 40 und vom 13. Februar 2014 aaO Rn. 31; BVerwG aaO Rn. 42).
36
d) Bei Zugrundelegung der vorstehenden Grundsätze hält die Beurteilung des Oberlandesgerichts, durch die Verfahrensführung des Familiengerichts sei das erstinstanzliche Verfahren lediglich im Umfang von acht Monaten ohne sachlichen Grund nicht gefördert worden, den Angriffen der Revision stand.
37
Die Überprüfung der Verfahrensführung im Ausgangsprozess obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, der über die Entschädigungsklage entscheidet. Bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat das Revisionsgericht den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu respektieren und ist in seiner Prüfung darauf beschränkt, ob der rechtliche Rahmen verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (vgl. nur Senatsurteile vom 4. November 2010 aaO Rn. 18; vom 14. November 2013 aaO Rn. 34 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 47).
38
Solche Rechtsfehler liegen nicht vor. Die vom Oberlandesgericht vorgenommene Gesamtabwägung anhand der nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG maßgeblichen Kriterien belegt, dass alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind.

39
aa) Ohne Rechtsfehler und von der Revision unbeanstandet ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass das Ausgangsverfahren vor allem wegen des angespannten Verhältnisses der Eltern und der notwendigen Beteiligung weiterer Stellen (Jugendamt, Verfahrenspfleger, medizinischer Sachverständiger ) von einer "gewissen Komplexität" war (vgl. EGMR, FamRZ 2011, 1283 Rn. 47). Dies rechtfertigt die Annahme, dass von vornherein mit zeitaufwändigen zusätzlichen Verfahrensschritten und einer längeren Verfahrensdauer zu rechnen war.
40
bb) Das Oberlandesgericht hat ferner zutreffend erkannt, dass die zeitnahe Entscheidung des Umgangsverfahrens für den Kläger von besonderer persönlicher Bedeutung war.
41
In Verfahren, die das Verhältnis einer Person zu ihrem Kind betreffen, obliegt den Gerichten eine besondere Förderungspflicht, weil die Gefahr besteht , dass allein der fortschreitende Zeitablauf zu einer faktischen Entscheidung der Sache führt. Verfahren, die das Sorge- oder Umgangsrecht betreffen, sind deshalb besonders bedeutsam (vgl. EGMR, NJW 2006, 2241 Rn. 100; FamRZ 2011, 1283 Rn. 45 und Urteil vom 10. Mai 2007, Beschwerde Nr. 76680/01, juris Rn. 93, 99, 104). Bei der Festlegung des konkreten Beschleunigungsmaßstabs hat das Oberlandesgericht das Alter des Kindes zu Recht in seine Überlegungen einbezogen. Denn eine Verpflichtung zur "größtmöglichen Beschleunigung" des Verfahrens besteht vor allem bei sehr kleinen Kindern (vgl. EGMR, FamRZ 2011, 1283 Rn. 45). Kleinere Kinder empfinden, bezogen auf objektive Zeitspannen, den Verlust einer Bezugsperson - anders als ältere Kinder oder gar Erwachsene - schneller als endgültig (Ott aaO § 198 GVG Rn. 111). In diesen Fällen ist die Gefahr der Entfremdung zwischen Eltern und Kind, die für das Verfahren Fakten schaffen kann, besonders groß, so dass eine besondere Sensibilität für die Verfahrensdauer erforderlich ist (vgl. BVerfG, NJW 1997, 2811, 2812 und NJW 2001, 961, 962). Im vorliegenden Fall war das Kind allerdings zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung bereits knapp 13 Jahre alt und lehnte - zermürbt durch die früheren gerichtlichen Auseinandersetzungen um das Umgangsrecht des Klägers - weitere "erzwungene" Besuchskontakte ab. Den Vorschlag des Familiengerichts, etwaige künftige Besuchsregelungen durch einen Briefkontakt vorzubereiten, hat der Kläger nicht aufgegriffen. Bei dieser Sachlage durfte das Oberlandesgericht ohne Rechtsfehler davon ausgehen, dass keine Situation vorlag, in der allein durch Zeitablauf die Sachentscheidung faktisch präjudiziert wurde. Im konkreten Fall erschien ein Zuwarten mit dem Verfahrensabschluss schon deshalb sinnvoll, um gerade durch Zeitablauf Klärungsprozesse sowohl bei dem älter werdenden Kind als auch bei den Kindeseltern zu ermöglichen und auf diese Weise die innerfamiliären "Selbstheilungskräfte" zu mobilisieren (vgl. Keidel/Engelhardt, FamFG, 18. Aufl., § 155 Rn. 5).
42
cc) Vergeblich wendet die Revision ein, das Oberlandesgericht habe die zahlreichen und zum Teil umfangreichen schriftlichen Stellungnahmen und Anfragen des Klägers sowie den Umstand, dass er von den ihm durch das Prozessrecht eingeräumten Verfahrenshandlungen Gebrauch gemacht habe, bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer nicht berücksichtigen dürfen, da das Vorgehen des Klägers weder sachwidrig noch missbräuchlich gewesen sei.
43
Die Frage, wie sich der Entschädigungskläger selbst im Ausgangsverfahren verhalten hat, ist unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Mitverursachung wesentlich für die Beurteilung der Verfahrensdauer (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Denn von ihm verursachte Verzögerungen können keine Unangemessenheit der Verfahrensdauer begründen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 116). Dabei kommt es auf eine "Prozessverschleppungsabsicht" oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Verhaltens nicht an. Auch durch zulässiges Prozessverhalten herbeigeführte Verfahrensverzögerungen fallen in den Verantwortungsbereich des Betroffenen. Dies gilt beispielsweise für häufige umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, Fristverlängerungsanträge und Anträge auf Ruhenlassen des Verfahrens (Ott aaO Rn. 117 f). In allen diesen Fällen wird die Zeit, die für das Gericht zur ordnungsgemäßen Reaktion auf ein Prozessverhalten erforderlich ist, nicht dem Staat zugerechnet (Senatsurteil vom 13. Februar 2014 aaO Rn. 42 mwN).
44
Das Oberlandesgericht durfte deshalb bei seiner Abwägungsentscheidung berücksichtigen, dass der Kläger insbesondere durch zahlreiche Stellungnahmen und Anfragen, einen Terminsaufhebungsantrag sowie die späte Bestellung eines Verfahrensbevollmächtigten beträchtliche Verfahrensverzögerungen verursacht hat, die nicht in den Verantwortungsbereich des Familiengerichts fielen. Dazu zählt auch, dass er zu einem gerichtlichen Vergleichsvorschlag vom 29. Oktober 2008, der ihm begleitete Umgänge in Aussicht stellte, erst mit Schreiben vom 25. November 2008 (ablehnend) Stellung nahm.
45
dd) Die Beurteilung der Verfahrensführung der Ausgangsgerichte durch das Oberlandesgericht lässt einen Rechtsfehler ebenfalls nicht erkennen.
46
Das Entschädigungsgericht hat den zutreffenden Beurteilungsmaßstab (nur Vertretbarkeitskontrolle) zugrunde gelegt. Es ist unter Abwägung mit den weiteren Kriterien im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG und unter Berücksichtigung des richterlichen Gestaltungsspielraums zu dem Ergebnis gelangt, dass sachlich nicht mehr zu rechtfertigende Verzögerungen im Umfang von acht Monaten vorhanden sind. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
47
Soweit die Revision darüber hinaus geltend macht, das Oberlandesgericht habe das Vorrang- und Beschleunigungsgebot in Kindschaftssachen (§ 50e FGG aF, § 155 FamFG) außer Acht gelassen und insbesondere übersehen , dass ein Erörterungstermin bereits binnen eines Monats nach Verfahrenseinleitung hätte stattfinden müssen (§ 50e Abs. 2 FGG aF), geht die Rüge ins Leere.
48
Wie bereits ausgeführt, hat das Oberlandesgericht das spezifische Vorrang - und Beschleunigungsgebot in Kindschaftssachen zutreffend erkannt und gewichtet. Mit den Einzelheiten der von der Revision angeführten gesetzlichen Bestimmungen (§ 50e FGG aF, § 155 FamFG) musste es sich nicht näher auseinandersetzen. Nach Art. 111 Abs. 1 des FGG-Reformgesetzes vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586) ist § 155 FamFG auf Verfahren, die - wie hier - vor dem 1. September 2009 eingeleitet wurden, nicht anwendbar (Keidel/Engelhardt aaO Art. 111 FGG-RG Rn. 2). § 50e FGG aF wurde durch das Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls vom 4. Juli 2008 (BGBl. I S. 1188) eingeführt. Demgemäß konnte das Gebot aus § 50e Abs. 2 FGG aF (Sollvorschrift), spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durchzuführen , im Streitfall noch keine Wirkung entfalten. Unabhängig davon hat das Familiengericht nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts bereits am 31. Oktober 2007, also nur sechs Wochen nach Verfahrensbeginn , einen Anhörungstermin durchgeführt. Nach allem ist eine (weitere) sachwidrige Verfahrensverzögerung nicht ersichtlich.
49
4. Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand des Klägers, im vorliegenden Fall sei eine deutliche Erhöhung des Regelsatzes (§ 198 Abs. 2 Satz 3 GVG) gemäß § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG geboten, da die Dauer des Ausgangsverfahrens sein Umgangsrecht faktisch entwertet habe und nach den vom EGMR entwickelten Grundsätzen (dazu EGMR, FamRZ 2012, 1123) eine Entschädigung von 13.400 € gerechtfertigt sei.
50
§ 198 Abs. 2 Satz 3 GVG sieht zur Bemessung der Höhe der Entschädi- gung für immaterielle Nachteile einen Pauschalsatz in Höhe von 1.200 € für jedes Jahr der Verzögerung vor. Ist dieser Betrag nach den Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG). Mit der Pauschalierung unter Verzicht auf einen einzelfallbezogenen Nachweis sollen Streitigkeiten über die Höhe der Entschädigung, die eine zusätzliche Belastung der Gerichte bedeuten würden, vermieden werden. Zugleich ermöglicht dies eine zügige Erledigung der Entschädigungsansprüche im Interesse der Betroffenen (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 46; vgl. auch BT-Drucks. 17/3802 S. 20). Die Entschädigung wird dabei nur für den konkreten Verzögerungszeitraum geleistet, so dass verzögerte Verfahrensabschnitte, die die Gesamtverfahrensdauer nicht verlängert haben, außer Betracht bleiben müssen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 225). Insoweit hat das Oberlandesgericht, was den Kläger jedoch nicht beschwert, bei der Bemessung des Entschädigungsbetrags die nachgeholte Entscheidung über den Auskunftsantrag, die sich auf die Gesamtverfahrensdauer in keiner Weise ausgewirkt hat, zu Unrecht zur Begründung einer Erhöhung des Pauschalsatzes herangezogen.
51
Im Hinblick auf den eine Verfahrensvereinfachung anstrebenden Gesetzeszweck ist der Tatrichter nur bei Vorliegen besonderer Umstände gehalten, von dem normierten Pauschalsatz aus Billigkeitserwägungen (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG) abzuweichen. Dabei ist für eine Abweichung nach oben insbesondere an solche Fälle zu denken, in denen die Verzögerung zur Fortdauer einer Freiheitsentziehung oder zu einer schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung geführt hat (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 46 mwN). Derartige Ausnahmefälle macht die Revision nicht geltend. Allein der Umstand, dass eine Kindschaftssache (Umgangsrechtsverfahren) vorliegt, rechtfertigt noch keine Erhöhung des Regelsatzes. Denn entscheidend ist, dass die "Umstände des Einzelfalls", das heißt die konkreten Auswirkungen der überlangen Verfahrensdauer, die Pauschalhöhe als unbillig erscheinen lassen. Dafür ist im Streitfall nichts ersichtlich, da das knapp 13-jährige Kind nach seinem klar geäußerten Willen gerichtlich erzwungene Umgangskontakte von Anfang an abgelehnt hat und die einstweiligen Anordnungen des Familiengerichts, mit denen der Umgang vorläufig ausgesetzt wurde, durch die in der Hauptsache ergangenen Entscheidungen bestätigt wurden. Eine faktische Entwertung des Umgangsrechts durch bloßen Zeitablauf hat gerade nicht stattgefunden.
52
Der Hinweis der Revision auf die in dem Urteil des EGMR vom 27. Oktober 2011 (Beschwerde Nr. 8857/08, FamRZ 2012, 1123) zugesprochene Ent- schädigung von 10.000 € ist verfehlt. Der Entscheidung lag ein Fall aus Tsche- chien zugrunde lag, in dem die Mutter eines Kleinkindes über einen Zeitraum von vier Jahren das Umgangsrecht verweigert hatte, ohne dass die nationalen Behörden einschritten. Dadurch wurde eine de-facto-Situation geschaffen, die schließlich zu einem Verlust der emotionalen Bindung des Kindes zum Vater führte. Damit ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar.
Schlick Herrmann Wöstmann
Seiters Reiter
Vorinstanz:
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 08.02.2013 - 4 SchH 1/12 -

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um eine Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer.

2

Die Klägerin ist Polizeiobermeisterin und leistete ihren Dienst in der Revierstation B. S. Wegen des Vorwurfs der unrichtigen Abrechnung privater Telefonate wurde sie an die Revierstation G. umgesetzt. Ein erster Verwaltungsprozess wurde im Hinblick auf die Ankündigung des Beklagten, die Klägerin Ende 2008 wieder in ihre frühere Revierstation umzusetzen, für erledigt erklärt. Nachdem der Beklagte entgegen dieser Ankündigung die Umsetzung aus dienstlichen Gründen verlängerte, erhob die Klägerin nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens am 8. Juni 2009 erneut Klage. Dieses zweite Klageverfahren endete etwa zwei Jahre später am 22. Juni 2011 damit, dass die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nach entsprechendem Hinweis des Gerichts die streitgegenständlichen Bescheide aufhob.

3

Am 22. Dezember 2011 hat die Klägerin Entschädigung wegen unangemessener Dauer des zweiten Klageverfahrens begehrt. Das Oberwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 25. Juli 2012 teilweise stattgegeben. Die Klägerin habe infolge unangemessener Dauer des Gerichtsverfahrens materielle und immaterielle Nachteile erlitten, die zu entschädigen seien. Ein Gerichtsverfahren sei als unangemessen lang anzusehen, wenn eine Abwägung aller Umstände ergebe, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit abzuschließen, verletzt sei. Im vorliegenden Fall ergebe eine Gesamtbetrachtung, dass das Verfahren in zwölf Monaten erledigt werden konnte. Der Fall sei nicht sonderlich komplex gewesen und als eher einfach einzustufen. Die Klägerin habe nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als Arbeitnehmerin ein erhebliches Interesse an einem schnellen Abschluss des Verfahrens gehabt. Sie habe den Rechtsstreit in keiner Weise verzögert. Das Verfahren habe in einer mündlichen Verhandlung erledigt werden können. Auch ergebe sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte als grober Anhaltspunkt, dass eine Verfahrensdauer von einem Jahr pro Instanz als angemessen anzusehen sei. Das am 8. Juni 2009 eingeleitete Verfahren sei nach drei Monaten "ausgeschrieben" gewesen. Spätestens am 25. Oktober 2009 hätte Veranlassung bestanden, das Verfahren weiter mit dem Ziel einer Erledigung konkret zu fördern. Der nächste Bearbeitungsgang sei aber erst am 16. September 2010 erfolgt. Der Umstand, dass der Verhandlungstermin am 24. November 2010 wegen Erkrankung des Vorsitzenden aufgehoben worden sei, sei zwar nicht zu beanstanden. Dass nach der Rückkehr des Vorsitzenden die Akte erneut auf Abruf gelegt worden sei, habe indes wiederum zu einer vermeidbaren Verzögerung vom 16. Februar bis 12. April 2011 geführt. Mithin sei das Verfahren für etwas mehr als 12 Monate nicht ausreichend gefördert worden. Für diesen Zeitraum stehe der Klägerin wegen der zusätzlichen Fahrt- und Wartungskosten ein Betrag von 1 864,87 € sowie wegen der immateriellen Nachteile ein Ausgleich in Höhe von 1 200 € zu.

4

Mit seiner Revision rügt der Beklagte, das Oberverwaltungsgericht habe zu Unrecht eine einjährige Bearbeitungsdauer als im Allgemeinen ausreichend angesehen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe die Faustregel von einem Jahr pro Instanz nur vereinzelt und eher beiläufig ins Spiel gebracht. Dies spiegele dessen sonstige Rechtsprechung nicht zutreffend wider. Eine Verfahrensdauer von zwei Jahren pro Instanz käme der Lösung näher. Außerdem habe der Gesetzgeber bewusst auf feste Richtwerte für die Fallerledigung verzichtet. Entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts sei im konkreten Einzelfall der Zeitraum vom 25. Oktober 2009 bis 16. September 2010 nicht unangemessen gewesen. Die Verfügung "Wiedervorlage 3 Monate" sei am 10. September 2009 vertretbar gewesen. Eine besondere Eilbedürftigkeit habe für die Klägerin nicht bestanden. Sie sei auch nicht im Hinblick auf eine Beschleunigung aktiv geworden. Für den Zeitraum nach der Erkrankung des Vorsitzenden sei ebenfalls keine unangemessene Verzögerung erkennbar. Die Annahme sei unrealistisch, dass nach der Rückkehr aus dem Krankenstand alle Prozessakten gleichzeitig bearbeitet werden könnten. Daher sei die angeordnete "Wiedervorlage auf Abruf" ebenfalls nicht zu beanstanden. Hilfsweise wird geltend gemacht, dass ein immaterieller Schadensausgleich durch eine reine Feststellungsentscheidung ausreichend sei und dass die Schätzung der Fahrtkosten auf einer unrichtigen Ermittlung der Diensttage und Kraftstoffpreise beruhe.

5

Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil. Der Vertreter des Bundesinteresses tritt der Auffassung des Beklagten bei, dass der Gesetzgeber keinen Richtwert für die Verfahrensdauer von einem Jahr pro Instanz vorgegeben habe.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat im Einklang mit Bundesrecht angenommen, dass die Klägerin einen Anspruch auf Entschädigung in Höhe von insgesamt 3 064,87 € hat. Die Revision ist daher zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO).

7

1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Ausgleich ihres immateriellen Nachteils in Höhe von 1 200 €.

8

Der Anspruch folgt aus § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl I S. 1077), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 7. Dezember 2011 (BGBl I S. 2582). Diese Bestimmungen sind im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbar (§ 173 Satz 2 VwGO). Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Der durch eine unangemessene Verfahrensdauer eingetretene immaterielle Nachteil wird nach Maßgabe des § 198 Abs. 2 GVG entschädigt.

9

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Dauer des von der Klägerin in Bezug genommenen Gerichtsverfahrens (a) war unangemessen (b). Hierdurch hat sie einen immateriellen Nachteil erlitten, der nicht auf andere Weise wiedergutgemacht werden kann (c) und in der von ihr geltend gemachten Höhe zu entschädigen ist (d).

10

a) Das Oberverwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass bei der Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer das Widerspruchsverfahren nicht einzubeziehen ist.

11

Gerichtsverfahren im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG). Bezugsrahmen des von der Klägerin geltend gemachten Entschädigungsanspruchs ist danach das gesamte - hier abgeschlossene - verwaltungsgerichtliche Verfahren im Ausgangsrechtsstreit, und zwar vom Zeitpunkt der Klageerhebung bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft einer Entscheidung (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - juris Rn. 24 m.w.N.). Erfasst ist hier mithin die Gesamtdauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht.

12

Das Verwaltungsverfahren und das dem gerichtlichen Verfahren vorausgegangene Vorverfahren bei einer Behörde (Widerspruchsverfahren) sind nicht Bestandteil des Gerichtsverfahrens im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 und § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG.

13

Die Ausklammerung des Verwaltungs- und Vorverfahrens ist mit der Begrenzung auf das "Gerichtsverfahren" bereits unmissverständlich im Wortlaut des Gesetzes angelegt. Sie entspricht überdies dem Willen des Gesetzgebers, wie er in den Gesetzesmaterialien seinen Ausdruck gefunden hat (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 17).

14

Das vorstehende Auslegungsergebnis ist mit Art. 6 und Art. 13 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) in der Fassung vom 22. Oktober 2010 (BGBl II S. 1198) vereinbar. Dem steht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die über den jeweils entschiedenen Fall hinaus Orientierungs- und Leitfunktion für die Auslegung der EMRK hat (vgl. Urteil vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - ZBR 2013, 257 Rn. 46), nicht entgegen.

15

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat zwar für die Ermittlung, wann die Verfahrensdauer in verwaltungsgerichtlichen Verfahren unangemessen ist, die Dauer des Vorverfahrens mit einbezogen. Sofern die Einlegung dieses Rechtsbehelfs ein notwendiger erster Schritt ist, bevor das gerichtliche Verfahren anhängig gemacht werden kann, hat der Gerichtshof den Zeitraum, der für die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach Art. 6 Abs. 1 EMRK maßgeblich ist, mit dem Tag beginnen lassen, an dem der Beschwerdeführer den behördlichen Rechtsbehelf (Widerspruch) eingelegt hat (vgl. etwa EGMR, Urteile vom 28. Juni 1978 - C 78/31, König/Deutschland - NJW 1979, 477 <478 f.>, vom 30. Juni 2011 - Nr. 11811/10 - juris Rn. 21 und vom 24. Juni 2010 - Nr. 25756/09 - juris Rn. 21 m.w.N.).

16

Allerdings beziehen sich diese Entscheidungen auf einen Zeitraum, in welchem das deutsche Recht keinen wirksamen Rechtsbehelf im Sinne von Art. 13 EMRK vorsah, der geeignet war, Abhilfe für die unangemessene Dauer von Verfahren zu schaffen (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 24. Juni 2010 a.a.O. Rn. 30 m.w.N.). Mit dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜblVfRSchG) vom 24. November 2011 (BGBl I S. 2302) steht jedoch nunmehr ein solcher Rechtsbehelf gegen Verzögerungen gerichtlicher Verfahren im Sinne des Konventionsrechts zur Verfügung, der zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Grund zu der Annahme gibt, dass die damit verfolgten Ziele nicht erreicht werden (EGMR, Urteil vom 29. Mai 2012 - Nr. 53126/07, Taron/Deutschland - NVwZ 2013, 47 ). Hinzu kommt, dass das nationale Recht mit der so genannten Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO einen Rechtsbehelf vorsieht, mit dem einer unangemessenen Verzögerung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) durch unmittelbare Klageerhebung begegnet werden kann. Mit Blick auf die Rüge der Verfahrensdauer erweist sich die Untätigkeitsklage grundsätzlich als wirksamer Rechtsbehelf im Sinne von Art. 13 EMRK (vgl. EGMR, Urteil vom 10. Januar 2008 - Nr. 1679/03, Glusen/Deutschland - juris Rn. 66 f.). Dieser tritt neben die durch das neue Gesetz normierte (kompensatorische) Entschädigung für Verzögerungen des Gerichtsverfahrens (vgl. Marx, in: Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Verwaltungsverfahren, 2013, § 173 VwGO Rn. 9; Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, § 198 GVG Rn. 38). Jedenfalls mit Blick auf das Nebeneinander dieses Entschädigungsanspruchs und der Untätigkeitsklage ist es konventionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Vorverfahren nicht in die Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer einbezogen wird. Die Europäische Menschenrechtskonvention fordert im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht notwendig einen einheitlichen Rechtsbehelf, sondern lässt bei entsprechender Wirksamkeit auch eine Kombination von Rechtsbehelfen genügen (EGMR, Urteil vom 8. Juni 2006 - Nr. 75529/01, Sürmeli/Deutschland - NJW 2006, 2389 Rn. 98 m.w.N.). Den Konventionsstaaten kommt bei der gesetzlichen Ausgestaltung des von Art. 13 EMRK geforderten Rechtsbehelfs ein Gestaltungsspielraum zu (vgl. etwa EGMR, Urteile vom 29. März 2006 - Nr. 36813/97, Scordino/Italien - NVwZ 2007, 1259 Rn. 189 und vom 29. Mai 2012 a.a.O. Rn. 41).

17

b) Die Dauer des Gerichtsverfahrens vor dem Verwaltungsgericht war unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG.

18

Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Wie die Verwendung des Wortes "insbesondere" zeigt, werden damit die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, beispielhaft und ohne abschließenden Charakter benannt (BTDrucks 17/3802 S. 18).

19

aa) Das Oberverwaltungsgericht hat sich bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer mit Recht weder von festen Zeitvorgaben ((1)) noch von Orientierungs- oder Anhaltswerten ((2)) leiten lassen.

20

(1) Mit der gesetzlichen Festlegung, dass sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalles richtet (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG), hat der Gesetzgeber bewusst von der Einführung bestimmter Grenzwerte für die Dauer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen. Die Ausrichtung auf den Einzelfall folgt nicht nur in deutlicher Form aus dem Wortlaut des Gesetzes ("Umstände des Einzelfalles"), sondern wird durch seine Entstehungsgeschichte bestätigt und entspricht dem in den Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 18). Daraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber schematische zeitliche Vorgaben für die Angemessenheit ausgeschlossen hat. Er hat sich insoweit daran ausgerichtet, dass weder die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte noch die des Bundesverfassungsgerichts feste Zeiträume vorgibt, sondern jeweils die Bedeutung der Einzelfallprüfung hervorhebt. Dem Grundgesetz lassen sich keine allgemeingültigen Zeitvorgaben dafür entnehmen, wann von einer überlangen, die Rechtsgewährung verhindernden und damit unangemessenen Verfahrensdauer auszugehen ist; dies ist vielmehr eine Frage der Abwägung im Einzelfall (BVerfG, Beschlüsse vom 20. September 2007 - 1 BvR 775/07 - NJW 2008, 503; vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 - juris Rn. 11 und vom 1. Oktober 2012 - 1 BvR 170/06 - Vz 1/12, NVwZ 2013, 789 <790>). Gleiches gilt im Ergebnis für die Europäische Menschenrechtskonvention. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalles sowie unter Berücksichtigung der Komplexität des Falles, des Verhaltens des Beschwerdeführers und der zuständigen Behörden sowie der Bedeutung des Rechtsstreits für den Beschwerdeführer zu beurteilen (vgl. etwa EGMR, Urteile vom 28. Juni 1978 a.a.O. <479> und vom 11. Januar 2007 - Nr. 20027/02, Herbst/Deutschland - NVwZ 2008, 289 Rn. 75; Entscheidung vom 22. Januar 2008 - Nr. 10763/05 - juris Rn. 43 m.w.N.).

21

(2) Für die Beurteilung, ob die Verfahrensdauer angemessen ist, verbietet es sich in der Regel auch, von Orientierungs- oder Richtwerten für die Laufzeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren auszugehen, und zwar unabhängig davon, ob diese auf eigener Annahme oder auf statistisch ermittelten durchschnittlichen Verfahrenslaufzeiten beruhen. Dabei macht es im Ergebnis keinen Unterschied, ob solche Werte - in Rechtsprechung und Literatur werden Zeitspannen von ein bis drei Jahren genannt - als "normale", "durchschnittliche" oder "übliche" Bearbeitungs- oder Verfahrenslaufzeiten bezeichnet und - im Hinblick auf die Angemessenheit der Verfahrensdauer - als Indiz (Regelfrist), Hilfskriterium oder "erster grober Anhalt" herangezogen werden (vgl. etwa Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, Rn. 76; Roderfeld, in: Marx/Roderfeld a.a.O. § 198 GVG Rn. 38 f.; im Ergebnis zu Recht ablehnend OVG Bautzen, Urteil vom 15. Januar 2013 - 11 F 1/12 - LKV 2013, 230 <232>; Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott a.a.O. § 198 GVG Rn. 69, 86 f. m.w.N.).

22

Die Entscheidung des Gesetzgebers, keine zeitlichen Festlegungen zu treffen, ab wann ein Verfahren "überlang" ist, schließt für den Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit grundsätzlich einen Rückgriff auf Orientierungs- oder Richtwerte aus. Dies gilt auch, soweit in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - allerdings obiter und deshalb die jeweilige Entscheidung nicht tragend - eine Verfahrenslaufzeit von etwa einem Jahr pro Instanz als grober Anhalt ("rough rule of thumb") genannt wird (vgl. Urteile vom 26. November 2009 - Nr. 13591/05, Nazarov/Russland - Rn. 126, vom 9. Oktober 2008 - Nr. 62936/00, Moiseyev/Russland - Rn. 160 und vom 16. Januar 2003 - Nr. 50034/99, Obasa/Großbritannien - Rn. 35 ).

23

Angesichts der Vielgestaltigkeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren stießen solche Festlegungen an eine Komplexitätsgrenze. Sie könnten letztlich für die Angemessenheit im Einzelfall nicht aussagekräftig sein. Die Bandbreite der Verwaltungsprozesse reicht von sehr einfach gelagerten Verfahren bis zu äußerst aufwändigen Großverfahren (etwa im Infrastrukturbereich), die allein einen Spruchkörper über eine lange Zeitspanne binden können. Der Versuch, dieser Bandbreite mit Mittel- oder Orientierungswerten Rechnung zu tragen, ginge nicht nur am Einzelfall vorbei, sondern wäre auch mit dem Risiko belastet, die einzelfallbezogenen Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu verfehlen. Die Bestimmung einer Regeldauer brächte zudem - entgegen der Intention des Gesetzes - die Gefahr mit sich, dass sie die Verwaltungsgerichte als äußerstes Limit ansehen könnten, bis zu welchem ein Verfahren zulässigerweise ausgedehnt werden dürfte.

24

Gemessen daran ist das angegriffene Urteil nicht zu beanstanden. Zwar nimmt das Oberverwaltungsgericht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu der "Faustformel", nach der eine Verfahrenslaufzeit von einem Jahr pro Instanz als angemessen anzusehen sei, in Bezug. Es stützt hingegen seine Annahme, die Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgericht erweise sich als unangemessen, nicht tragend auf eine Überschreitung jenes Jahreszeitraumes.

25

Dem Oberverwaltungsgericht ist darin beizupflichten, dass die statistischen Durchschnittslaufzeiten für amtsgerichtliche oder verwaltungsgerichtliche Verfahren im Land Sachsen-Anhalt nicht zu einer Objektivierung des Angemessenheitsmaßstabs herangezogen werden können (vgl. zur Heranziehung statistischer Durchschnittswerte im sozialgerichtlichen Verfahren: BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - juris Rn. 28 ff.). Die vorgenannten Bedenken greifen nämlich in gleicher Weise für den Ansatz, bestimmte (durchschnittliche) Laufzeiten, die durch eine Auswertung anderer Gerichtsverfahren statistisch ermittelt wurden, als ergänzende oder indizielle Werte heranzuziehen. Zum einen ist auch dieser Ansatz mit der Vielgestaltigkeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren nicht in Einklang zu bringen. Zum anderen ist ein gesichertes Indiz für eine "normale" bzw. durchschnittliche Laufzeit in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren schon deshalb kaum möglich, weil die Verfahrenslaufzeiten der Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte in den Ländern - wie aus allgemein zugänglichen Quellen ersichtlich und zwischen den Beteiligten unstreitig ist - sehr unterschiedlich ausfallen. Im Hinblick auf die verfassungsmäßige Gewährleistung eines Gerichtsverfahrens in angemessener Zeit kann die Effektivität des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) für die verfahrensbeteiligten Bürger nicht (mit) davon abhängen, in welchem Land sie Rechtsschutz suchen und wie sich die durchschnittliche Verfahrensdauer dort ausnimmt.

26

Es verbietet sich gleichfalls, statistische Erhebungen für Verwaltungsstreitverfahren auf Bundesebene heranzuziehen. Abgesehen davon, dass solche statistischen Werte über Verfahrenslaufzeiten im Hinblick auf die Vielgestaltigkeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren für den Einzelfall kaum aussagekräftig sind, müssten die Durchschnittswerte ihrerseits wieder daraufhin überprüft werden, ob sie als solche angemessen sind.

27

Die Orientierung an einer - wie auch immer ermittelten - (statistisch) durchschnittlichen Dauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren erweist sich auch deshalb als bedenklich, weil eine solche Laufzeit stets auch Ausdruck der den Gerichten jeweils zur Verfügung stehenden Ressourcen ist, also insbesondere von den bereitgestellten personellen und sächlichen Mitteln abhängt. Der verfassungsrechtliche Anspruch auf eine angemessene Verfahrensdauer darf hingegen grundsätzlich nicht von der faktischen Ausstattung der Justiz abhängig gemacht werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 1973 - 2 BvR 558/73 - BVerfGE 36, 264 <274 f.>). Dies wäre aber im Ergebnis der Fall, wenn für die Ermittlung der angemessenen Verfahrensdauer im Sinne von § 198 Abs. 1 GVG auf eine durchschnittliche Laufzeit abgestellt würde (vgl. Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott a.a.O. Rn. 87; Ziekow, DÖV 1998, 941 <942>).

28

Die Ausrichtung an einer durchschnittlichen Verfahrensdauer begegnet auch mit Blick darauf Bedenken, dass statistische Werte zumeist schwankend und über die Jahre hinweg in ständigem Fluss sowie von dem abhängig sind, was jeweils wie erfasst wird. Schließlich ersparten sie in keinem Einzelfall die Prüfung, ob und in welchem Umfange über die gesamte Laufzeit eines als überlang gerügten Gerichtsverfahrens Verzögerungen eingetreten und diese sachlich gerechtfertigt sind.

29

bb) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die aus konventions- und verfassungsrechtlichen Normen folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist. Dabei ist vor allem auch zu prüfen, ob Verzögerungen, die durch die Verfahrensführung des Gerichts eintreten, bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraumes sachlich gerechtfertigt sind. Dieser Maßstab erschließt sich aus dem allgemeinen Wertungsrahmen, der für die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Unangemessenheit vorgegeben ist (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 25 ff.), und wird durch diesen weiter konkretisiert.

30

(1) Der unbestimmte Rechtsbegriff der "unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens" (§ 198 Abs. 1 Satz 1 GVG) wie auch die zu seiner Ausfüllung heranzuziehenden Merkmale im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG sind unter Rückgriff auf die Grundsätze näher zu bestimmen, wie sie in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK und des Bundesverfassungsgerichts zum Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG und zum Justizgewährleistungsanspruch aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG entwickelt worden sind. Diese Rechtsprechung diente dem Gesetzgeber bereits bei der Textfassung des § 198 Abs. 1 GVG als Vorbild (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 18). Insgesamt stellt sich die Schaffung des Gesetzes als innerstaatlicher Rechtsbehelf gegen überlange Gerichtsverfahren als Reaktion auf eine entsprechende Forderung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dar (vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 2. September 2010 - Nr. 46344/06, Rumpf/Deutschland - NJW 2010, 3355). Haftungsgrund für den gesetzlich normierten Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Verfahrensdauer in § 198 Abs. 1 GVG ist mithin die Verletzung des in Art. 19 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK verankerten Rechts eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 25 m.w.N.).

31

(2) Die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs aus § 198 Abs. 1 GVG an den aus Art. 19 Abs. 4 GG, dem verfassungsrechtlichen Justizgewährleistungsanspruch sowie dem Menschenrecht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK folgenden Anspruch auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit verdeutlicht, dass es darauf ankommt, ob der Beteiligte durch die Länge des Gerichtsverfahrens in seinem Grund- und Menschenrecht beeinträchtigt worden ist. Damit wird eine gewisse Schwere der Belastung vorausgesetzt; es reicht also nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung des Gerichts aus (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 26). Vielmehr muss die Verfahrensdauer eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 2012 - 1 BvR 170/06 - Vz 1/12 - NVwZ 2013, 789 <791 f.>). Dabei haben die Gerichte auch die Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen, weshalb sich mit zunehmender Verfahrensdauer die Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen, verdichtet (stRspr des BVerfG, vgl. etwa Beschlüsse vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 - juris Rn. 11 und vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <790> jeweils m.w.N.).

32

(3) Die Angemessenheit der Dauer eines Gerichtsverfahrens bemisst sich auch danach, wie das Gericht das Verfahren geführt hat und ob und in welchem Umfang ihm Verfahrensverzögerungen zuzurechnen sind.

33

Ist infolge unzureichender Verfahrensführung eine nicht gerechtfertigte Verzögerung eingetreten, spricht dies für die Annahme einer unangemessenen Verfahrensdauer im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Dabei ist die Verfahrensführung zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien in Bezug zu setzen. Zu prüfen ist also, ob das Gericht gerade in Relation zu jenen Gesichtspunkten den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer gerecht geworden ist. Maßgeblich ist insoweit - genauso wie hinsichtlich der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG aufgeführten Umstände -, wie das Gericht die Lage aus seiner Ex-ante-Sicht einschätzen durfte (vgl. Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott a.a.O. § 198 GVG Rn. 81 und 127).

34

Im Zusammenhang mit der Verfahrensführung durch das Gericht ist zu berücksichtigen, dass die Verfahrensdauer in einem gewissen Spannungsverhältnis zur richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) und zum rechtsstaatlichen Gebot steht, eine inhaltlich richtige, an Recht und Gesetz orientierte Entscheidung zu treffen (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 27). Ebenso fordert Art. 6 Abs. 1 EMRK zwar, dass Gerichtsverfahren zügig betrieben werden, betont aber auch den allgemeinen Grundsatz einer geordneten Rechtspflege (EGMR, Urteil vom 25. Februar 2000 - Nr. 29357/95, Gast und Popp/Deutschland - NJW 2001, 211 Rn. 75). Die zügige Erledigung eines Rechtsstreits ist kein Selbstzweck; vielmehr verlangt das Rechtsstaatsprinzip die grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands durch das dazu berufene Gericht (stRspr des BVerfG, vgl. etwa Beschlüsse vom 12. Februar 1992 - 1 BvL 1/89 - BVerfGE 85, 337 <345> und vom 26. April 1999 - 1 BvR 467/99 - NJW 1999, 2582 <2583>; ebenso BGH, Urteil vom 4. November 2010 - III ZR 32/10 - BGHZ 187, 286 Rn. 14 m.w.N.). Um den verfahrenrechtlichen und inhaltlichen Anforderungen gerecht werden zu können, benötigt das Gericht eine Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen ist. Dabei ist die Verfahrensgestaltung in erster Linie in die Hände des mit der Sache befassten Gerichts gelegt (BVerfG, Beschlüsse vom 30. Juli 2009 - 1 BvR 2662/06 - NJW-RR 2010, 207 <208> und vom 2. Dezember 2011 - 1 BvR 314/11 - WM 2012, 76 <77>). Dieses hat, sofern der Arbeitsanfall die alsbaldige Bearbeitung und Terminierung sämtlicher zur Entscheidung anstehender Fälle nicht zulässt, zwangsläufig eine zeitliche Reihenfolge festzulegen (BVerfG, Beschluss vom 30. Juli 2009 a.a.O.). Es hat dabei die Verfahren untereinander zu gewichten, den Interessen der Beteiligten - insbesondere im Hinblick auf die Gewährung rechtlichen Gehörs und eines fairen Verfahrens - Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu geboten sind. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist dem Gericht - auch im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit - ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 29. März 2005 - 2 BvR 1610/03 - NJW 2005, 3488 <3489> und vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <791> jeweils m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 4. November 2010 a.a.O.). Verfahrenslaufzeiten, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt sind, führen nur zu einer unangemessenen Verfahrensdauer, wenn sie - auch bei Berücksichtigung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums - sachlich nicht mehr zu rechtfertigen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 2012 a.a.O. m.w.N.).

35

Im Hinblick auf die Rechtfertigung von Verzögerungen ist der auch in den Gesetzesmaterialien (BTDrucks 17/3802 S. 18) deutlich zum Ausdruck gekommene Grundsatz zu berücksichtigen, dass sich der Staat zur Rechtfertigung einer überlangen Verfahrensdauer nicht auf Umstände innerhalb seines Verantwortungsbereichs berufen kann (stRspr des BVerfG, vgl. Beschlüsse vom 7. Juni 2011 - 1 BvR 194/11 - NVwZ-RR 2011, 625 <626>, vom 24. September 2009 - 1 BvR 1304/09 - EuGRZ 2009, 699 Rn. 14 und vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <790>; vgl. auch BFH, Urteil vom 17. April 2013 - X K 3/12 - BeckRS 2013, 95036 = juris Rn. 43). Eine Zurechnung der Verfahrensverzögerung zum Staat kommt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte insbesondere für Zeiträume in Betracht, in denen das Gericht ohne rechtfertigenden Grund untätig geblieben, also das Verfahren nicht gefördert oder betrieben hat (vgl. EGMR, Urteile vom 26. Oktober 2000 - Nr. 30210/96, Kud³a/Polen - NJW 2001, 2694 Rn. 130 und vom 31. Mai 2001 - Nr. 37591/97, Metzger/Deutschland - NJW 2002, 2856 Rn. 41). Soweit dies auf eine Überlastung der Gerichte zurückzuführen ist, gehört dies zu den strukturellen Mängeln, die der Staat zu beheben hat (EGMR, Urteil vom 25. Februar 2000 a.a.O. Rn. 78). Strukturelle Probleme, die zu einem ständigen Rückstand infolge chronischer Überlastung führen, muss sich der Staat zurechnen lassen; eine überlange Verfahrensdauer lässt sich damit nicht rechtfertigen (BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <790>).

36

cc) Unter Berücksichtigung der zuvor erörterten Grundsätze erweist sich hier, dass die Verfahrensdauer unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG war, weil eine an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles - insbesondere der Schwierigkeit des Verfahrens ((1)), seiner Bedeutung für die Klägerin ((2)) sowie des Verhaltens der Verfahrensbeteiligten ((3)) und der Verfahrensführung des Gerichts ((4)) - ergibt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt worden ist.

37

(1) Mit Blick auf die vom Oberverwaltungsgericht insoweit getroffenen Feststellungen handelte es sich um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht sehr einfach gelagerten Fall.

38

Streitgegenstand war der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch, im Einklang mit einer Zusage der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost der Revierstation B. S. zugewiesen zu werden. Die damit einhergehenden rechtlichen Fragen waren bereits für sich genommen nicht besonders komplex. Sie erwiesen sich hier insbesondere deshalb als einfach, weil die dem Rechtsstreit vorgelagerte Frage, ob die Umsetzung von der Revierstation B. S. nach derjenigen in G. rechtswidrig war, bereits in dem Einstellungsbeschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 1. August 2008 in dem Verfahren 1 L 165/07 bejaht worden war. Dem hier im Streit stehenden Folgeverfahren lag eine im Wesentlichen unveränderte Sach- und Rechtslage zugrunde. In tatsächlicher Hinsicht war keine Beweisaufnahme, sondern nur eine Würdigung der vorhandenen Akten und der im vorangegangenen Verfahren von Seiten der Beklagten abgegebenen Zusage, die Umsetzung zu beenden, erforderlich. Dass der Rechtsstreit nicht durch Urteil entschieden und in einer mündlichen Verhandlung einvernehmlich zur Erledigung gebracht wurde, bestätigt den sehr geringen Schwierigkeitsgrad des Prozesses.

39

(2) Dem Oberverwaltungsgericht ist auch darin beizupflichten, dass die Klägerin ein berechtigtes erhebliches Interesse an einem schnellen Abschluss des Verfahrens hatte.

40

Zwar ist zweifelhaft, ob dies - wie das Oberverwaltungsgericht meint - bereits aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur besonders hohen subjektiven Bedeutung bei Streitigkeiten über ein Dienstverhältnis folgt (vgl. Urteile vom 27. Juni 2000 - Nr. 30979/96, Frydlender/Frankreich - Rn. 45 und vom 23. April 2009 - Nr. 1479/08, Ballhausen/ Deutschland - Rn. 65). Diese Rechtsprechung dürfte sich auf Fallgestaltungen beschränken, bei denen - wie bei einer Beendigung des Dienstverhältnisses - die wirtschaftliche Grundlage des Betroffenen berührt ist. Im vorliegenden Fall muss ein hohes Interesse der Klägerin an einer zügigen Erledigung des Rechtsstreits insbesondere deswegen angenommen werden, weil sie sich bereits in einem vorangegangenen Prozess gegen die Umsetzung erfolgreich zur Wehr gesetzt hatte und im vorliegenden Prozess letztlich nur die Einlösung der gegebenen Zusage einer Rückgängigmachung der Umsetzung begehrte. Das Oberverwaltungsgericht hat ferner zutreffend ausgeführt, dass die zusätzliche Wegstrecke zum Dienstort und zurück für die Klägerin eine nicht unerhebliche zeitliche Belastung darstellte. Hinzu kommt, dass die Umsetzung der Klägerin aufgrund eines angenommenen dienstlichen Fehlverhaltens nach den tatrichterlichen Feststellungen eine belastende Wirkung hatte.

41

(3) Zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, dass die Klägerin durch ihr Verhalten keine Verzögerung des Rechtsstreits bewirkt hat. Vielmehr hat sie sich zu Beginn des Rechtsstreits zur Beschleunigung des Verfahrens mit einer Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter einverstanden erklärt. Soweit der Beklagte vorträgt, die Klägerin hätte im weiteren Verlauf des Prozesses nachdrücklicher auf eine Beschleunigung hinarbeiten müssen, kann dies ihr aus Rechtsgründen nicht angelastet werden. Die Verpflichtung des Gerichts, das Verfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen, ergibt sich - wie aufgezeigt - unmittelbar aus der dem Staat obliegenden Justizgewährleistungspflicht, aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes und aus Art. 6 Abs. 1 EMRK. Daher bedarf es grundsätzlich keines entsprechenden Hinweises der Prozessbeteiligten. Eine besondere gesetzliche Verpflichtung zur Erhebung einer Verzögerungsrüge bestand bei Abschluss des Verfahrens im Juni 2011 nicht. Nach Art. 23 Satz 5 ÜblVfRSchG gilt bei abgeschlossenen Verfahren das Erfordernis der Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 GVG nicht.

42

(4) Das Oberwaltungsgericht hat schließlich zutreffend ausgeführt, dass das Verfahren im Zeitraum vom 25. Oktober 2009 bis zum 16. September 2010 und vom 16. Februar 2011 bis zum 12. April 2011 - zusammengerechnet mehr als 12 Monate - ohne rechtfertigenden Grund nicht gefördert worden ist.

43

Die Revision stellt hinsichtlich des ersten Zeitraums nicht infrage, dass die am 8. Juni 2009 eingegangene Klage am 18. September 2009 "ausgeschrieben" war. Klagebegründung, Klageerwiderung und Replik der Klägerin lagen vor. Die Revision meint jedoch, dass der Vorsitzende weitere drei Monate auf den Eingang einer Duplik der Beklagten habe warten dürfen. Eine solche Entscheidung sei vertretbar gewesen. Demgegenüber hat das Oberverwaltungsgericht unter Berücksichtigung des richterlichen Gestaltungsspielraums zutreffend ausgeführt, dass der Vorsitzende auf die ungewisse und tatsächlich auch nicht eingegangene weitere Erwiderung des Beklagten zwar einen Monat habe warten dürfen. Insbesondere mit Blick auf den sehr geringen Schwierigkeitsgrad des Verfahrens und dessen Bedeutung für die Klägerin war ein weiteres Zuwarten hingegen nicht gerechtfertigt. Eine Förderung im Sinne eines Hinwirkens auf eine Erledigung des Prozesses ist nach Ablauf dieses Monats nicht mehr erkennbar. Da die Akte vom 25. Oktober 2009 bis zum 16. September 2010 nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts unbearbeitet blieb, muss für diesen Zeitraum von einer nicht gerechtfertigten Verzögerung des Rechtsstreits ausgegangen werden.

44

Das Gleiche gilt für den rund zweimonatigen Zeitraum nach Rückkehr des Vorsitzenden aus dem Krankenstand. Zwar ist eine unvorhersehbare Erkrankung des berichterstattenden Vorsitzenden als ein Fall höherer Gewalt anzusehen, der grundsätzlich eine vorübergehende Terminsverschiebung rechtfertigen kann (vgl. EGMR, Urteil vom 16. Juli 2009 - Nr. 8453/04, Bayer/Deutschland - NVwZ 2010, 1015 Rn. 53). Das Oberverwaltungsgericht hat aber zu Recht darauf hingewiesen, dass die Erkrankung eines Richters im Hinblick auf die in der Geschäftsverteilung des Gerichts vorzusehenden Vertretungsregelungen nur eine kurzfristige Verzögerung rechtfertigen könne. Erkrankt ein Richter, sind grundsätzlich die zur Vertretung berufenen Richter zur Förderung des Verfahrens verpflichtet. Im vorliegenden Fall hat das Verfahren in den drei Monaten, in denen der Vorsitzende krankheitsbedingt abwesend gewesen ist, keine Förderung erfahren. Selbst wenn dies nicht als unangemessene Verzögerung angesehen wird, war es nicht angemessen, dass der Vorsitzende nach seiner Rückkehr am 16. Februar 2011 die Akte erneut auf Abruf gelegt und bis zum 12. April 2011 nicht bearbeitet hat. Hierfür sind vom Tatsachengericht keine rechtfertigenden Gründe festgestellt worden. Solche sind auch nicht erkennbar. Auch in diesem Zusammenhang ist von Gewicht, dass das Verfahren einfach gelagert war und Bedeutung für die Klägerin hatte. Deshalb ist dem Beklagten auch nicht darin zu folgen, dass dem Vorsitzenden nach der Rückkehr aus dem Krankenstand eine mehrwöchige Übergangsfrist für die Dezernatsaufarbeitung nach Prioritätsgesichtspunkten eingeräumt werden müsse. Mithin kann auch bei Berücksichtigung eines richterlichen Gestaltungsspielraums im Zeitraum vom 16. Februar 2011 bis zum 12. April 2011 kein Rechtfertigungsgrund für die erneute Zurückstellung des bereits vor der Erkrankung geladenen und damit priorisierten Verfahrens festgestellt werden.

45

Berücksichtigt man im Rahmen einer Gesamtabwägung den geringen Schwierigkeitsgrad des Verfahrens, die hohe subjektive Bedeutung, das zu keiner Verzögerung führende Verhalten der Klägerin und die gerichtliche Prozessleitung, dann erweist sich die Annahme des Oberverwaltungsgerichts als überzeugend, dass der Rechtsstreit in einem Jahr hätte erledigt werden müssen und die zweijährige Prozessdauer nicht angemessen war.

46

c) Die Klägerin hat durch die überlange Verfahrensdauer einen immateriellen Nachteil im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG erlitten, der nicht auf andere Weise wieder gutgemacht werden kann.

47

Dass die Klägerin Nachteile nichtvermögensrechtlicher Art erlitten hat, ergibt sich aus der Vermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG. Danach wird ein immaterieller Nachteil vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren - wie hier - unangemessen lange gedauert hat. Diese Vermutung ist hier nicht widerlegt.

48

Entschädigung kann gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist. Eine Wiedergutmachung auf andere Weise ist gemäß § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Ob eine solche Feststellung ausreichend im Sinne des § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG ist, beurteilt sich auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles. In diese ist regelmäßig einzustellen, ob das Ausgangsverfahren für den Verfahrensbeteiligten eine besondere Bedeutung hatte, ob dieser durch sein Verhalten erheblich zur Verzögerung beigetragen hat und ob er weitergehende immaterielle Schäden erlitten hat oder ob die Überlänge den einzigen Nachteil darstellt (BTDrucks 17/3802 S. 20). Darüber hinaus kann zu berücksichtigen sein, von welchem Ausmaß die Unangemessenheit der Dauer des Verfahrens ist und ob das Ausgangsverfahren für den Verfahrensbeteiligten eine besondere Dringlichkeit aufwies oder ob diese zwischenzeitlich entfallen war (vgl. EGMR, Urteil vom 29. September 2011 - Nr. 854/07 - juris Rn. 41). Es kann hier dahingestellt bleiben, ob im Fall einer unangemessenen Verfahrensdauer die Entschädigung die Regel und die bloße Feststellung im Sinne von § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG die Ausnahme ist (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - juris Rn. 45 f.) oder ob weder ein Vorrang der Geldentschädigung noch eine anderweitige Vermutungsregel gilt (vgl. BFH, Urteil vom 17. April 2013 - X K 3/12 - BeckRS 2013, 95036 Rn. 57). Unabhängig von einer Vermutungs- oder Vorrangregel ergibt hier eine Einzelabwägung, dass eine bloße Feststellung der unangemessenen Dauer nicht ausreicht.

49

Das Oberverwaltungsgericht hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass ihr durch die Hintergründe der Umsetzung und durch den höheren Zeitaufwand für die Fahrten von und zum Dienstort (täglich eine Stunde) eine zusätzliche immaterielle Belastung entstanden ist. Diese weiteren und spürbaren immateriellen Nachteile werden durch eine schlichte Feststellungsentscheidung nicht aufgewogen.

50

Entgegen der Auffassung des Beklagten besteht ein Anspruch auf Entschädigung des immateriellen Nachteils unabhängig davon, ob die Klägerin auch Entschädigung für einen materiellen Nachteil beanspruchen kann. Die Entschädigung für materielle und diejenige für immaterielle Nachteile stehen grundsätzlich nebeneinander (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 19) und können nicht im Rahmen einer Gesamtabwägung gleichsam gegeneinander aufgerechnet werden.

51

d) Der Entschädigungsbetrag beträgt 1 200 €.

52

Die Bemessung der immateriellen Nachteile richtet sich nach § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG. Danach sind diese in der Regel in Höhe von 1 200 € für jedes Jahr der Verzögerung zu entschädigen. Nur wenn dieser Betrag nach den Umständen des Einzelfalles unbillig ist, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG). Das Oberverwaltungsgericht hat in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass hier eine Abweichung vom Pauschalbetrag nicht veranlasst ist. Da die nicht gerechtfertigte Verzögerung etwa ein Jahr betrug, steht der Klägerin ein Entschädigungsbetrag in Höhe von 1 200 € zu.

53

2. Die Klägerin hat für den ihr durch die Verzögerung entstandenen materiellen Nachteil einen Entschädigungsanspruch in der vom Oberverwaltungsgericht angenommenen Höhe.

54

Anspruchsgrundlage ist insoweit § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, der im Fall des Vorliegens seiner Voraussetzungen - wie hier - gebietet, (auch) für einen vermögensrechtlichen Nachteil angemessene Entschädigung zu leisten. Mit dieser Entschädigung wird kein Schadensersatz im Sinne der §§ 249 ff. BGB gewährt, sondern in Anlehnung an § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB lediglich ein Schadensausgleich nach enteignungs- und aufopferungsrechtlichen Grundsätzen geleistet (BTDrucks 17/3802 S. 34). Es findet damit nur ein Ausgleich der erlittenen Vermögenseinbuße, aber grundsätzlich keine Naturalrestitution statt (vgl. BGH, Urteile vom 23. Februar 2001 - V ZR 389/99 - BGHZ 147, 45 <53> und vom 14. November 2003 - V ZR 102/03 - BGHZ 157, 33 <47>).

55

Davon ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen und hat der Klägerin für die mit den zusätzlichen Wegekosten konkret verbundenen Vermögenseinbußen (zusätzlicher Kraftstoff, erhöhte Wartungskosten und wegebedingter Wertverlust) einen Nachteilsausgleich gewährt. Ferner hat es entsprechend dem in der Enteignungsentschädigung anerkannten Prinzip des Vorteilsausgleichs den im Wege der Einkommensteuerrückerstattung für die der Klägerin entstandenen Fahrtkosten (Werbungskosten) erlangten Vorteil abgezogen. Gegen diese Vorgehensweise bestehen keine rechtlichen Bedenken. Soweit der Beklagte einwendet, dass für die Entschädigung der Fahrtkosten die im Sozialhilferecht oder im Zeugenentschädigungsrecht maßgeblichen Bestimmungen entsprechend heranzuziehen seien, findet dies im Gesetz keine Stütze.

56

Die Entschädigungssumme beläuft sich auf 1 864,87 €. Der vom Oberverwaltungsgericht hinsichtlich des Mehraufwandes für Fahrtkosten angesetzte Betrag hält einer revisionsgerichtlichen Kontrolle Stand. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang die tatsächlichen Grundlagen der Berechnung, insbesondere die Anzahl der bei der Fahrtkostenberechnung zugrunde gelegten Diensttage und die Höhe des angesetzten Kraftstoffpreises angreift, sind diese Tatsachenfeststellungen nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden und daher nach § 137 Abs. 2 VwGO für das Revisionsgericht bindend.

57

Soweit das Oberverwaltungsgericht den für die Wertminderung des Kraftfahrzeugs angesetzten Betrag im Wege der Schätzung nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 287 Abs. 1 ZPO ermittelt hat, erweist sich dies als fehlerfrei. Gegen die Anwendung dieser Vorschriften bei der Ermittlung der Höhe der nach § 198 Abs. 1 GVG geschuldeten Entschädigung bestehen keine Bedenken, weil die Schätzvorschriften auch ansonsten bei Entschädigungsansprüchen Anwendung finden (vgl. Urteil vom 20. Januar 2005 - BVerwG 3 C 15.04 - Buchholz 418.6 TierSG Nr. 18 S. 10). Auch hinsichtlich der Höhe der geschätzten wegebedingten Wertminderung des klägerischen Fahrzeugs bestehen keine begründeten Zweifel. Das Oberverwaltungsgericht hat insoweit die Grundlagen seiner Schätzung nachvollziehbar dargelegt. In diesem Fall ist das Revisionsgericht regelmäßig auf die Prüfung beschränkt, ob die vorinstanzliche Schätzung auf grundsätzlich fehlerhaften Erwägungen beruht, ob wesentliche Tatsachen außer Acht gelassen oder sonstige Rechtsvorschriften oder Denk- und Erfahrungssätze verletzt worden sind (Urteile vom 1. März 1995 - BVerwG 8 C 36.92 - Buchholz 303 § 287 ZPO Nr. 3 S. 11 und vom 20. Januar 2005 a.a.O.). Solche Mängel liegen nicht vor.

58

Die vom Oberverwaltungsgericht angenommene Höhe der Wartungskosten wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig gestellt.

59

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Eine Billigkeitsentscheidung nach der kostenrechtlichen Spezialregelung des § 201 Abs. 4 GVG i.V.m. § 173 Satz 2 VwGO ist nicht zu treffen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Entschädigungsanspruchs wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens und darüber, ob der Kläger daneben beanspruchen kann, die unangemessene Dauer feststellen zu lassen.

2

Im Ausgangsverfahren, dessen Überlänge der Kläger rügt, stand die Rückerstattung von Ausbildungsförderung im Streit, die der Kläger für sein Studium der Geowissenschaften von Oktober 2000 bis März 2003 erhalten hatte. Ein erster Rückforderungsbescheid erging im Februar 2003 und belief sich über 13 600 €. Das Studentenwerk P. verlangte die Förderung mit der Begründung zurück, der Kläger habe nicht angegeben, dass er über umfangreiches Vermögen auf einem Bankkonto verfüge. Nach der Zurückweisung seines Widerspruchs erhob der Kläger Ende Juni 2003 Klage vor dem Verwaltungsgericht.

3

Im September 2003 begründete er seine Klage damit, dass das festgestellte Vermögen nicht ihm gehöre, sondern seinem Bruder, für den er es treuhänderisch verwalte. Zudem erweiterte der Kläger seine Klage auf einen zwischenzeitlich ergangenen zweiten Rückforderungsbescheid über 3 500 €. Mitte Januar 2004 nahm das beklagte Studentenwerk schriftlich zu der Klage Stellung. Mit Schreiben vom 3. März 2004 fragte die Berichterstatterin bei den Beteiligten an, ob sie mit einer Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter sowie mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden seien.

4

Mit am 11. und 12. März 2004 bei dem Verwaltungsgericht eingegangenen Schriftsätzen erklärten die Beteiligten ihr Einverständnis mit dieser Verfahrensweise. Der Kläger trug zudem weiter zur Sache vor und kündigte für den Fall, dass das Gericht Zweifel an dem Wahrheitsgehalt seines Tatsachenvortrags haben sollte, mehrere Beweisanträge an. Mit Schreiben vom 17. März 2004 übersandte das Verwaltungsgericht dem Studentenwerk eine Abschrift des Schriftsatzes des Klägers und gab Gelegenheit, innerhalb von sechs Wochen Stellung zu nehmen. Das beklagte Studentenwerk äußerte sich hierauf nicht. Mit am 10. November 2004 bei dem Verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz wies der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hin, dass die Beteiligten Anfang März des Jahres "wohl auch aus Beschleunigungszwecken" übereinstimmend einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt hätten. Das Gericht teilte ihm mit, dass nicht absehbar sei, wann mit einer Entscheidung zu rechnen sei. Gleiches gilt für die weiteren Anfragen des Klägers vom 16. Mai 2006 und vom 16. Juli 2007.

5

Mit Beschluss vom 5. Januar 2010 übertrug die Kammer des Verwaltungsgerichts den Rechtsstreit auf den Einzelrichter. Auf die Anfrage, ob Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bestehe, stimmten die Beteiligten bis Ende Januar 2010 zu. Mit Urteil vom 2. Februar 2010 wies der Einzelrichter die Klage ohne mündliche Verhandlung ab. Sie sei teilweise wegen Versäumung der Widerspruchsfrist unzulässig und teilweise unbegründet. Das vom Kläger behauptete Treuhandverhältnis habe nach Überzeugung des Gerichts nicht bestanden.

6

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 23. Februar 2010 zugegangene Urteil beantragte der Kläger die Zulassung der Berufung. Diese ließ das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 5. Mai 2011 zu. In der mündlichen Verhandlung am 30. November 2011 wurde der Kläger befragt und sein Bruder als Zeuge vernommen. Mit Urteil vom selben Tag änderte das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts und gab der Klage statt. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 12. Januar 2012 und dem Beklagten am 19. Januar 2012 zugestellt. Rechtsmittel gegen die Nichtzulassung der Revision wurden nicht eingelegt.

7

Mit der am 4. Januar 2012 zunächst beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen und von diesem an das Oberverwaltungsgericht weitergeleiteten Klage hat der Kläger die Gewährung einer Entschädigung in Höhe von 6 000 € und die Feststellung begehrt, dass die Verfahrensdauer des Rechtsstreits bei dem Verwaltungsgericht unangemessen war. Er habe über lange Zeit mit der erheblichen Unsicherheit leben müssen, einer für seine Verhältnisse existenzbedrohlichen Forderung von über 17 000 € ausgesetzt zu sein. Das Verwaltungsgericht habe den Rechtsstreit ohne Weiteres innerhalb von ungefähr 20 Monaten und damit bis Februar 2005 entscheiden können. Es habe selbst bereits mit seiner Verfügung vom 3. März 2004 zum Ausdruck gebracht, dass die Sache aus seiner Sicht keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweise und auch keine grundsätzliche Bedeutung habe. Dennoch habe es ab März 2004 keine aktenkundige Tätigkeit entfaltet, um die aus seiner Sicht entscheidungsreife Sache zu fördern. Insgesamt ergebe sich eine nicht zu rechtfertigende Verzögerung von fünf Jahren.

8

Das Oberverwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil vom 27. März 2012 die Beklagte verurteilt, an den Kläger 4 000 € zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Verfahren des Klägers habe zwar keine neuen oder komplexen Rechtsfragen aufgeworfen. Auch die Klärung der Tatsachengrundlage sei nicht überdurchschnittlich aufwändig gewesen. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles sei die Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens aber bis einschließlich September 2006 noch als angemessen anzusehen. Zwar sei die Streitsache jedenfalls im September 2004 erkennbar entscheidungsreif gewesen. Bei Hinzurechnung einer aus Sicht des Klägers unerfreulichen, jedoch noch nicht gegen die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK entwickelten Maßstäbe verstoßenden Verfahrensdauer von weiteren zwei Jahren erschließe sich, dass die Verfahrensdauer bis September 2006 angemessen und von Oktober 2006 bis Januar 2010 (weitere drei Jahre und vier Monate) unangemessen gewesen sei. Die Verfahrensdauer in der zweiten Rechtsstufe vor dem Oberverwaltungsgericht sei mit ca. zwei Jahren noch angemessen. Das dortige Verfahren sei aber auch nicht so zügig durchgeführt worden, dass damit die Überlänge des erstinstanzlichen Verfahrens teilweise hätte kompensiert werden können. Der Kläger habe neben der Entschädigung keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Feststellung der Unangemessenheit. Ein schwerwiegender Fall im Sinne des Gesetzes sei schon deswegen nicht gegeben, weil die Klage aufschiebende Wirkung gehabt habe. Zudem habe der Kläger die ihn treffenden Folgen der Verfahrensdauer mildern können, wenn er die Treuhandabrede mit seinem Bruder aufgehoben und einen weiteren Antrag auf Ausbildungsförderung gestellt hätte.

9

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG sowie des § 198 Abs. 4 Satz 3 GVG. Er begehrt eine um 2 000 € höhere Entschädigung sowie die Feststellung, dass die Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgericht unangemessen war.

10

Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil.

11

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich an dem Verfahren. Er sei mit dem Bundesjustizministerium der Auffassung, dass das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts - jedenfalls in seiner Begründung - keinen Bestand haben könne. Nach der Gesetzesfassung komme es auf die Umstände des Einzelfalles und nicht auf eine Durchschnittsdauer an. "Angemessen" sei etwas anderes als "durchschnittlich". Im Extremfall könne auch eine durchschnittliche Dauer unangemessen sein.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Dem Kläger steht die von ihm geltend gemachte weitere Entschädigung zu (1.). Ebenso ist seinem Begehren zu entsprechen, die unangemessene Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festzustellen (2.).

13

1. Der Kläger hat einen Anspruch auf Ausgleich seines immateriellen Nachteils in Höhe von weiteren 2 000 €.

14

Der geltend gemachte Anspruch folgt aus § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl I S. 1077), zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. Dezember 2011 (BGBl I S. 2582). Diese Regelungen sind im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbar (§ 173 Satz 2 VwGO). Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Der durch eine unangemessene Verfahrensdauer eingetretene immaterielle Nachteil ist nach Maßgabe des § 198 Abs. 2 GVG zu entschädigen.

15

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Dauer des vom Kläger in Bezug genommenen Gerichtsverfahrens (a) war unangemessen (b). Hierdurch hat er einen immateriellen Nachteil erlitten, der nicht auf andere Weise wiedergutgemacht werden kann (c) und in der von ihm geltend gemachten Höhe zu entschädigen ist (d).

16

a) Gerichtsverfahren im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG). Bezugsrahmen des vom Kläger geltend gemachten Entschädigungsanspruchs ist danach das gesamte - hier abgeschlossene - verwaltungsgerichtliche Verfahren im Ausgangsrechtsstreit, und zwar vom Zeitpunkt der Klageerhebung bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft einer Entscheidung. Erfasst ist hier mithin die Gesamtdauer des Verfahrens vor dem Verwaltungs- und dem Oberverwaltungsgericht (aa), nicht aber das dem Verwaltungsprozess vorausgegangene behördliche Vorverfahren (bb).

17

aa) Bezugsrahmen für die materiell-rechtliche Frage, ob sich die Verfahrensdauer als angemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG darstellt, ist die Gesamtdauer des gerichtlichen Verfahrens, auch wenn dieses über mehrere Instanzen oder bei verschiedenen Gerichten geführt worden ist. Hierfür spricht bereits der Wortlaut des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ("Gerichtsverfahren"). Hinweise für eine Trennung zwischen verschiedenen Instanzen oder Gerichten finden sich dort nicht. Gleiches gilt für die Legaldefinition des Gerichtsverfahrens in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG, die auf den Zeitraum von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens und damit auf die Anhängigkeit des Rechtsstreits bei Gericht abstellt. Ausweislich der Gesetzesbegründung ist auch der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass der Bezugspunkt für die Beurteilung der angemessenen Verfahrensdauer grundsätzlich das Gesamtverfahren ist, soweit es - je nach geltend gemachtem Anspruch - in die Haftungsverantwortung des in Anspruch genommenen Rechtsträgers fällt (BTDrucks 17/3802 S. 18 f.). In systematischer Hinsicht wird die Bezugnahme auf das Gesamtverfahren durch den Rückschluss aus § 198 Abs. 3 Satz 5 GVG bestätigt. Danach ist die Erhebung einer erneuten Verzögerungsrüge erforderlich, wenn sich das Verfahren "bei einem anderen Gericht" weiter verzögert. Schließlich wird das vorgenannte Auslegungsergebnis durch die systematische Einbeziehung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichts gestützt. Beide Gerichte gehen im Hinblick auf das Recht auf ein Gerichtsverfahren in angemessener Dauer in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass grundsätzlich auf die Gesamtdauer des Verfahrens abzustellen ist (vgl. etwa EGMR, Urteile vom 24. Juni 2010 - Nr. 25756/09 - juris Rn. 21 und vom 30. März 2010 - Nr. 46682/07 - juris Rn. 36; BVerfG, Beschlüsse vom 20. Juli 2000 - 1 BvR 352/00 - NJW 2001, 214 und vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 - juris Rn. 11 m.w.N.). Gegen die Möglichkeit, die materiell-rechtliche Prüfung auf eine Verfahrensstufe zu begrenzen, spricht vor allem der Umstand, dass eine lange Verfahrensdauer innerhalb einer Stufe gegebenenfalls durch eine zügige Verfahrensführung in einer anderen (höheren) Stufe ausgeglichen werden kann (vgl. etwa EGMR, Urteile vom 7. Januar 2010 - Nr. 40009/04 - juris Rn. 151 und vom 22. März 2012 - Nr. 23338/09, Kautzor/Deutschland - NJW 2013, 1937 ; BVerfG, Beschlüsse vom 20. Juli 2000 a.a.O. und vom 14. Dezember 2010 a.a.O.).

18

Von der Frage des materiell-rechtlichen Bezugsrahmens zu trennen ist die vom Oberverwaltungsgericht offengelassene Frage, ob sich ein Verfahrensbeteiligter darauf beschränken kann, ein über mehrere Instanzen hinweg geführtes Gerichtsverfahren allein bezüglich der Dauer in einer bestimmten Rechtsstufe als überlang anzugreifen und nur hierfür Entschädigung zu verlangen. Diese Frage, die vor dem Hintergrund der Dispositionsmaxime im Ausgangspunkt prozessualer Natur ist, stellt sich hier nicht. Der Kläger hat im Hinblick auf sein Entschädigungsverlangen - anders als hinsichtlich seines Feststellungsbegehrens (siehe dazu unten 2 a) - eine solche Beschränkung nicht vorgenommen.

19

Soweit das Oberverwaltungsgericht angenommen hat, dass in die Dauer eines Gerichtsverfahrens im Sinne von § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG auch der Zeitraum bis zur Zustellung des Urteils oder einer anderen das Verfahren abschließenden Entscheidung einzubeziehen ist, trifft dies zwar zu. Denn unter rechtskräftigem Abschluss des Gerichtsverfahrens im Sinne dieser Vorschrift ist der Eintritt der formellen Rechtskraft einer Entscheidung zu verstehen (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - juris Rn. 24 m.w.N.). Allerdings kann danach die Dauer des Gerichtsverfahrens über den Zeitpunkt der Zustellung hinausgehen. So liegt es hier. Ein Urteil erwächst nur dann mit der Zustellung in Rechtskraft, wenn es nicht mehr mit Rechtsmitteln anfechtbar ist. Kann die Entscheidung dagegen - wie hier das im Ausgangsrechtsstreit ergangene Urteil des Oberverwaltungsgerichts - noch angefochten werden (vgl. § 132 VwGO), wird sie erst mit Ablauf der Rechtsmittelfrist formell rechtskräftig, so dass auch dieser Zeitraum noch zur Dauer des Gerichtsverfahrens im Sinne von § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG zählt.

20

bb) Das Verwaltungsverfahren und das dem gerichtlichen Verfahren vorausgegangene Vorverfahren bei einer Behörde (Widerspruchsverfahren) sind, wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, nicht Bestandteil des Gerichtsverfahrens im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 und § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG.

21

Die Ausklammerung des Verwaltungs- und Vorverfahrens ist mit der Begrenzung auf das "Gerichtsverfahren" bereits unmissverständlich im Wortlaut des Gesetzes angelegt. Sie entspricht überdies dem Willen des Gesetzgebers, wie er in den Gesetzesmaterialien seinen Ausdruck gefunden hat (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 17).

22

Das vorstehende Auslegungsergebnis ist mit Art. 6 und Art. 13 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) in der Fassung vom 22. Oktober 2010 (BGBl II S. 1198) vereinbar. Dem steht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die über den jeweils entschiedenen Fall hinaus Orientierungs- und Leitfunktion für die Auslegung der EMRK hat (vgl. Urteil vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - ZBR 2013, 257 Rn. 46), nicht entgegen.

23

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat zwar für die Ermittlung, wann die Verfahrensdauer in verwaltungsgerichtlichen Verfahren unangemessen ist, die Dauer des Vorverfahrens mit einbezogen. Sofern die Einlegung dieses Rechtsbehelfs ein notwendiger erster Schritt ist, bevor das gerichtliche Verfahren anhängig gemacht werden kann, hat der Gerichtshof den Zeitraum, der für die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach Art. 6 Abs. 1 EMRK maßgeblich ist, mit dem Tag beginnen lassen, an dem der Beschwerdeführer den behördlichen Rechtsbehelf (Widerspruch) eingelegt hat (vgl. etwa EGMR, Urteile vom 28. Juni 1978 - C (78) 31, König/Deutschland - NJW 1979, 477 <478 f.>, vom 30. Juni 2011 - Nr. 11811/10 - juris Rn. 21 und vom 24. Juni 2010 a.a.O. m.w.N.).

24

Allerdings beziehen sich diese Entscheidungen auf einen Zeitraum, in welchem das deutsche Recht keinen wirksamen Rechtsbehelf im Sinne von Art. 13 EMRK vorsah, der geeignet war, Abhilfe für die unangemessene Dauer von Verfahren zu schaffen (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 24. Juni 2010 a.a.O. Rn. 30 m.w.N.). Mit dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 (BGBl I S. 2302) steht jedoch nunmehr ein solcher Rechtsbehelf gegen Verzögerungen gerichtlicher Verfahren im Sinne des Konventionsrechts zur Verfügung, der zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Grund zu der Annahme gibt, dass die damit verfolgten Ziele nicht erreicht werden (EGMR, Urteil vom 29. Mai 2012 - Nr. 53126/07, Taron/Deutschland - NVwZ 2013, 47 ). Hinzu kommt, dass das nationale Recht mit der so genannten Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO einen Rechtsbehelf vorsieht, mit dem einer unangemessenen Verzögerung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) durch unmittelbare Klageerhebung begegnet werden kann. Mit Blick auf die Rüge der Verfahrensdauer erweist sich die Untätigkeitsklage grundsätzlich als wirksamer Rechtsbehelf im Sinne von Art. 13 EMRK (vgl. EGMR, Urteil vom 10. Januar 2008 - Nr. 1679/03, Glusen/Deutschland - juris Rn. 66 f.). Dieser tritt neben die durch das neue Gesetz normierte (kompensatorische) Entschädigung für Verzögerungen des Gerichtsverfahrens (vgl. Marx, in: Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Verwaltungsverfahren, 2013, § 173 VwGO Rn. 9; Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, § 198 GVG Rn. 38). Jedenfalls mit Blick auf das Nebeneinander dieses Entschädigungsanspruchs und der Untätigkeitsklage ist es konventionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Vorverfahren nicht in die Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer einbezogen wird. Die Europäische Menschenrechtskonvention fordert im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht notwendig einen einheitlichen Rechtsbehelf, sondern lässt bei entsprechender Wirksamkeit auch eine Kombination von Rechtsbehelfen genügen (EGMR, Urteil vom 8. Juni 2006 - Nr. 75529/01, Sürmeli/Deutschland - NJW 2006, 2389 Rn. 98 m.w.N.). Den Konventionsstaaten kommt bei der gesetzlichen Ausgestaltung des von Art. 13 EMRK geforderten Rechtsbehelfs ein Gestaltungsspielraum zu (vgl. etwa EGMR, Urteile vom 29. März 2006 - Nr. 36813/97, Scordino/Italien - NVwZ 2007, 1259 Rn. 189 und vom 29. Mai 2012 a.a.O. Rn. 41).

25

b) Die Dauer des Gerichtsverfahrens vor dem Verwaltungs- und dem Oberverwaltungsgericht war unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG.

26

Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Wie die Verwendung des Wortes "insbesondere" zeigt, werden damit die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, beispielhaft und ohne abschließenden Charakter benannt (BTDrucks 17/3802 S. 18).

27

aa) Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht mit Bundesrecht nicht in Einklang, soweit es sinngemäß den Rechtssatz aufstellt, dass eine Verfahrensdauer von zwei weiteren Jahren ab Entscheidungsreife noch angemessen sei und nicht gegen die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK entwickelten Maßstäbe verstoße (UA S. 16 Rn. 50). Ein entsprechender Rechtssatz lässt sich aus § 198 Abs. 1 GVG nicht ableiten. Mit dieser Bestimmung ist weder die Zugrundelegung fester Zeitvorgaben vereinbar ((1)), noch lässt es die Vorschrift grundsätzlich zu, für die Beurteilung der Angemessenheit von bestimmten Orientierungswerten oder Regelfristen für die Laufzeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren auszugehen ((2)). Dies gilt gerade auch für die vom Oberverwaltungsgericht angenommene Zwei-Jahresfrist ab Entscheidungsreife ((3)).

28

(1) Mit der gesetzlichen Festlegung, dass sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalles richtet (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG), hat der Gesetzgeber bewusst von der Einführung bestimmter Grenzwerte für die Dauer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen. Die Ausrichtung auf den Einzelfall folgt nicht nur in deutlicher Form aus dem Wortlaut des Gesetzes ("Umstände des Einzelfalles"), sondern wird durch seine Entstehungsgeschichte bestätigt und entspricht dem in den Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 18). Daraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber schematische zeitliche Vorgaben für die Angemessenheit ausgeschlossen hat. Er hat sich insoweit daran ausgerichtet, dass weder die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte noch die des Bundesverfassungsgerichts feste Zeiträume vorgibt, sondern jeweils die Bedeutung der Einzelfallprüfung hervorhebt. Dem Grundgesetz lassen sich keine allgemein gültigen Zeitvorgaben dafür entnehmen, wann von einer überlangen, die Rechtsgewährung verhindernden und damit unangemessenen Verfahrensdauer auszugehen ist; dies ist vielmehr eine Frage der Abwägung im Einzelfall (BVerfG, Beschlüsse vom 20. September 2007 - 1 BvR 775/07 - NJW 2008, 503; vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 - juris Rn. 11 und vom 1. Oktober 2012 - 1 BvR 170/06 - Vz 1/12 - NVwZ 2013, 789 <790>). Gleiches gilt im Ergebnis für die Europäische Menschenrechtskonvention. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalles sowie unter Berücksichtigung der Komplexität des Falles, des Verhaltens des Beschwerdeführers und der zuständigen Behörden sowie der Bedeutung des Rechtsstreits für den Beschwerdeführer zu beurteilen (vgl. etwa EGMR, Urteile vom 28. Juni 1978 a.a.O. <479> und vom 11. Januar 2007 - Nr. 20027/02, Herbst/Deutschland - NVwZ 2008, 289 Rn. 75; Entscheidung vom 22. Januar 2008 - Nr. 10763/05 - juris Rn. 43 m.w.N.).

29

(2) Für die Beurteilung, ob die Verfahrensdauer angemessen ist, verbietet es sich in der Regel auch, von Orientierungs- oder Richtwerten für die Laufzeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren auszugehen, und zwar unabhängig davon, ob diese auf eigener Annahme oder auf statistisch ermittelten durchschnittlichen Verfahrenslaufzeiten beruhen. Dabei macht es im Ergebnis keinen Unterschied, ob solche Werte - in Rechtsprechung und Literatur werden Zeitspannen von ein bis drei Jahren genannt - als "normale", "durchschnittliche" oder "übliche" Bearbeitungs- oder Verfahrenslaufzeiten bezeichnet und - im Hinblick auf die Angemessenheit der Verfahrensdauer - als Indiz (Regelfrist), Hilfskriterium oder "erster grober Anhalt" herangezogen werden (vgl. etwa Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, Rn. 76; Roderfeld, in: Marx/Roderfeld a.a.O. § 198 GVG Rn. 38 f.; im Ergebnis zu Recht ablehnend OVG Bautzen, Urteil vom 15. Januar 2013 - 11 F 1/12 - LKV 2013, 230 <232>; Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott a.a.O. § 198 GVG Rn. 69, 86 f. m.w.N.).

30

Die Entscheidung des Gesetzgebers, keine zeitlichen Festlegungen zu treffen, ab wann ein Verfahren "überlang" ist, schließt für den Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit grundsätzlich einen Rückgriff auf Orientierungs- oder Richtwerte aus. Dies gilt auch, soweit in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - allerdings obiter und deshalb die jeweilige Entscheidung nicht tragend - eine Verfahrenslaufzeit von etwa einem Jahr pro Instanz als grober Anhalt ("rough rule of thumb") genannt wird (vgl. Urteile vom 26. November 2009 - Nr. 13591/05, Nazarov/Russland - Rn. 126, vom 9. Oktober 2008 - Nr. 62936/00, Moiseyev/Russland - Rn. 160 und vom 16. Januar 2003 - Nr. 50034/99, Obasa/Großbritannien - Rn. 35 ).

31

Angesichts der Vielgestaltigkeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren stießen solche Festlegungen an eine Komplexitätsgrenze. Sie könnten letztlich für die Angemessenheit im Einzelfall nicht aussagekräftig sein. Die Bandbreite der Verwaltungsprozesse reicht von sehr einfach gelagerten Verfahren bis zu äußerst aufwändigen Großverfahren (etwa im Infrastrukturbereich), die allein einen Spruchkörper über eine lange Zeitspanne binden können. Der Versuch, dieser Bandbreite mit Mittel- oder Orientierungswerten Rechnung zu tragen, ginge nicht nur am Einzelfall vorbei, sondern wäre auch mit dem Risiko belastet, die einzelfallbezogenen Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu verfehlen. Die Bestimmung einer Regeldauer brächte zudem - entgegen der Intention des Gesetzes - die Gefahr mit sich, dass sie die Verwaltungsgerichte als äußerstes Limit ansehen könnten, bis zu welchem ein Verfahren zulässigerweise ausgedehnt werden dürfte.

32

Entgegen der Rechtsansicht des Klägers können auch die statistischen Durchschnittslaufzeiten für verwaltungsgerichtliche Verfahren im Land Brandenburg nicht zu einer Objektivierung des Angemessenheitsmaßstabs herangezogen werden (vgl. zur Heranziehung statistischer Durchschnittswerte im sozialgerichtlichen Verfahren: BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - juris Rn. 28 ff.). Die vorgenannten Bedenken greifen nämlich in gleicher Weise für den Ansatz, bestimmte (durchschnittliche) Laufzeiten, die durch eine Auswertung anderer Gerichtsverfahren statistisch ermittelt wurden, als ergänzende oder indizielle Werte heranzuziehen. Zum einen ist auch dieser Ansatz mit der Vielgestaltigkeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren nicht in Einklang zu bringen. Zum anderen ist ein gesichertes Indiz für eine "normale" bzw. durchschnittliche Laufzeit in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren schon deshalb kaum möglich, weil die Verfahrenslaufzeiten der Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte in den Ländern - wie aus allgemein zugänglichen Quellen ersichtlich und zwischen den Beteiligten unstreitig ist - sehr unterschiedlich ausfallen. Im Hinblick auf die verfassungsmäßige Gewährleistung eines Gerichtsverfahrens in angemessener Zeit kann die Effektivität des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) für die verfahrensbeteiligten Bürger nicht (mit) davon abhängen, in welchem Land sie Rechtsschutz suchen und wie sich die durchschnittliche Verfahrensdauer dort ausnimmt.

33

Es verbietet sich gleichfalls, statistische Erhebungen für Verwaltungsstreitverfahren auf Bundesebene heranzuziehen. Abgesehen davon, dass solche statistischen Werte über Verfahrenslaufzeiten im Hinblick auf die Vielgestaltigkeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren für den Einzelfall kaum aussagekräftig sind, müssten die Durchschnittswerte ihrerseits wieder daraufhin überprüft werden, ob sie als solche angemessen sind.

34

Die Orientierung an einer - wie auch immer ermittelten - (statistisch) durchschnittlichen Dauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren erweist sich auch deshalb als bedenklich, weil eine solche Laufzeit stets auch Ausdruck der den Gerichten jeweils zur Verfügung stehenden Ressourcen ist, also insbesondere von den bereitgestellten personellen und sächlichen Mitteln abhängt. Der verfassungsrechtliche Anspruch auf eine angemessene Verfahrensdauer darf hingegen grundsätzlich nicht von der faktischen Ausstattung der Justiz abhängig gemacht werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 1973 - 2 BvR 558/73 - BVerfGE 36, 264 <274 f.>). Dies wäre aber im Ergebnis der Fall, wenn für die Ermittlung der angemessenen Verfahrensdauer im Sinne von § 198 Abs. 1 GVG auf eine durchschnittliche Laufzeit abgestellt wird (vgl. Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott a.a.O. Rn. 87; Ziekow, DÖV 1998, 941 <942>).

35

Die Ausrichtung an einer durchschnittlichen Verfahrensdauer begegnet auch mit Blick darauf Bedenken, dass statistische Werte zumeist schwankend und über die Jahre hinweg in ständigem Fluss sowie von dem abhängig sind, was jeweils wie erfasst wird. Schließlich ersparten sie in keinem Einzelfall die Prüfung, ob und in welchem Umfange über die gesamte Laufzeit eines als überlang gerügten Gerichtsverfahrens Verzögerungen eingetreten und diese sachlich gerechtfertigt sind.

36

(3) Aus den vorgenannten Erwägungen ergibt sich zugleich, dass die vom Oberverwaltungsgericht angenommene - eher gegriffene - Frist von zwei Jahren ab Entscheidungsreife kein zulässiger Maßstab für die Prüfung der Angemessenheit im Sinne von § 198 Abs. 1 GVG ist. Dabei ist zudem zu berücksichtigen, dass der Aspekt der Entscheidungsreife oder des "Ausgeschriebenseins" einer Sache für die Bewertung der Verzögerung ohnehin kein Fixpunkt sein, sondern allenfalls relative Bedeutung haben kann. Mit der Entscheidungsreife muss weder sogleich eine dem Staat zuzurechnende Verzögerung eintreten noch werden mit ihr bestimmte Fristen in Lauf gesetzt, innerhalb derer die Verfahrensdauer noch angemessen ist, wenn das Verfahren gefördert wird. Der Begriff der Entscheidungsreife kennzeichnet lediglich den Zeitpunkt, in welchem der für die Entscheidung des Rechtsstreits notwendige Tatsachenstoff aufgeklärt und den Beteiligten in hinreichender Weise rechtliches Gehör gewährt worden ist. Ebenso wenig wie es allgemeine Orientierungswerte für die angemessene Verfahrensdauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren gibt, gibt es solche darüber, bis wann ein Verfahren nach Entscheidungsreife abzuschließen ist.

37

bb) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die aus konventions- und verfassungsrechtlichen Normen folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist. Dabei ist vor allem auch zu prüfen, ob Verzögerungen, die durch die Verfahrensführung des Gerichts eintreten, bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraumes sachlich gerechtfertigt sind. Dieser Maßstab erschließt sich aus dem allgemeinen Wertungsrahmen, der für die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Unangemessenheit vorgegeben ist (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 25 ff.), und wird durch diesen weiter konkretisiert.

38

(1) Der unbestimmte Rechtsbegriff der "unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens" (§ 198 Abs. 1 Satz 1 GVG) wie auch die zu seiner Ausfüllung heranzuziehenden Merkmale im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG sind unter Rückgriff auf die Grundsätze näher zu bestimmen, wie sie in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK und des Bundesverfassungsgerichts zum Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG und zum Justizgewährleistungsanspruch aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG entwickelt worden sind. Diese Rechtsprechung diente dem Gesetzgeber bereits bei der Textfassung des § 198 Abs. 1 GVG als Vorbild (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 18). Insgesamt stellt sich die Schaffung des Gesetzes als innerstaatlicher Rechtsbehelf gegen überlange Gerichtsverfahren als Reaktion auf eine entsprechende Forderung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dar (vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 2. September 2010 - Nr. 46344/06, Rumpf/Deutschland - NJW 2010, 3355). Haftungsgrund für den gesetzlich normierten Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Verfahrensdauer in § 198 Abs. 1 GVG ist mithin die Verletzung des in Art. 19 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK verankerten Rechts eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 25 m.w.N.).

39

(2) Die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs aus § 198 Abs. 1 GVG an den aus Art. 19 Abs. 4 GG, dem verfassungsrechtlichen Justizgewährleistungsanspruch sowie dem Menschenrecht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK folgenden Anspruch auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit verdeutlicht, dass es darauf ankommt, ob der Beteiligte durch die Länge des Gerichtsverfahrens in seinem Grund- und Menschenrecht beeinträchtigt worden ist. Damit wird eine gewisse Schwere der Belastung vorausgesetzt; es reicht also nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung des Gerichts aus (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 26). Vielmehr muss die Verfahrensdauer eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 2012 - 1 BvR 170/06 - Vz 1/12 - NVwZ 2013, 789 <791 f.>). Dabei haben die Gerichte auch die Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen, weshalb sich mit zunehmender Verfahrensdauer die Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen, verdichtet (stRspr des BVerfG, vgl. etwa Beschlüsse vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 - juris Rn. 11 und vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <790> jeweils m.w.N.).

40

(3) Die Angemessenheit der Dauer eines Gerichtsverfahrens bemisst sich auch danach, wie das Gericht das Verfahren geführt hat und ob und in welchem Umfang ihm Verfahrensverzögerungen zuzurechnen sind.

41

Ist infolge unzureichender Verfahrensführung eine nicht gerechtfertigte Verzögerung eingetreten, spricht dies für die Annahme einer unangemessenen Verfahrensdauer im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Dabei ist die Verfahrensführung zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien in Bezug zu setzen. Zu prüfen ist also, ob das Gericht gerade in Relation zu jenen Gesichtspunkten den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer gerecht geworden ist. Maßgeblich ist insoweit - genauso wie hinsichtlich der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG aufgeführten Umstände -, wie das Gericht die Lage aus seiner Ex-ante-Sicht einschätzen durfte (vgl. Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott a.a.O. § 198 GVG Rn. 81 und 127).

42

Im Zusammenhang mit der Verfahrensführung durch das Gericht ist zu berücksichtigen, dass die Verfahrensdauer in einem gewissen Spannungsverhältnis zur richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) und zum rechtsstaatlichen Gebot steht, eine inhaltlich richtige, an Recht und Gesetz orientierte Entscheidung zu treffen (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 27). Ebenso fordert Art. 6 Abs. 1 EMRK zwar, dass Gerichtsverfahren zügig betrieben werden, betont aber auch den allgemeinen Grundsatz einer geordneten Rechtspflege (EGMR, Urteil vom 25. Februar 2000 - Nr. 29357/95, Gast und Popp/Deutschland - NJW 2001, 211 Rn. 75). Die zügige Erledigung eines Rechtsstreits ist kein Selbstzweck; vielmehr verlangt das Rechtsstaatsprinzip die grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands durch das dazu berufene Gericht (stRspr des BVerfG, vgl. etwa Beschlüsse vom 12. Februar 1992 - 1 BvL 1/89 - BVerfGE 85, 337 <345> und vom 26. April 1999 - 1 BvR 467/99 - NJW 1999, 2582 <2583>; ebenso BGH, Urteil vom 4. November 2010 - III ZR 32/10 - BGHZ 187, 286 Rn. 14 m.w.N.). Um den verfahrensrechtlichen und inhaltlichen Anforderungen gerecht werden zu können, benötigt das Gericht eine Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen ist. Dabei ist die Verfahrensgestaltung in erster Linie in die Hände des mit der Sache befassten Gerichts gelegt (BVerfG, Beschlüsse vom 30. Juli 2009 - 1 BvR 2662/06 - NJW-RR 2010, 207 <208> und vom 2. Dezember 2011 - 1 BvR 314/11 - WM 2012, 76 <77>). Dieses hat, sofern der Arbeitsanfall die alsbaldige Bearbeitung und Terminierung sämtlicher zur Entscheidung anstehender Fälle nicht zulässt, zwangsläufig eine zeitliche Reihenfolge festzulegen (BVerfG, Beschluss vom 30. Juli 2009 a.a.O.). Es hat dabei die Verfahren untereinander zu gewichten, den Interessen der Beteiligten - insbesondere im Hinblick auf die Gewährung rechtlichen Gehörs und eines fairen Verfahrens - Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu geboten sind. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist dem Gericht - auch im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit - ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 29. März 2005 - 2 BvR 1610/03 - NJW 2005, 3488 <3489> und vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <791> jeweils m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 4. November 2010 a.a.O.). Verfahrenslaufzeiten, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt sind, führen nur zu einer unangemessenen Verfahrensdauer, wenn sie - auch bei Berücksichtigung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums - sachlich nicht mehr zu rechtfertigen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 2012 a.a.O. m.w.N.).

43

Im Hinblick auf die Rechtfertigung von Verzögerungen ist der auch in den Gesetzesmaterialien (BTDrucks 17/3802 S. 18) deutlich zum Ausdruck gekommene Grundsatz zu berücksichtigen, dass sich der Staat zur Rechtfertigung einer überlangen Verfahrensdauer nicht auf Umstände innerhalb seines Verantwortungsbereichs berufen kann (stRspr des BVerfG, vgl. Beschlüsse vom 7. Juni 2011 - 1 BvR 194/11 - NVwZ-RR 2011, 625 <626>, vom 24. September 2009 - 1 BvR 1304/09 - EuGRZ 2009, 699 Rn. 14 und vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <790>; vgl. auch BFH, Urteil vom 17. April 2013 - X K 3/12 - BeckRS 2013, 95036 = juris Rn. 43). Eine Zurechnung der Verfahrensverzögerung zum Staat kommt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte insbesondere für Zeiträume in Betracht, in denen das Gericht ohne rechtfertigenden Grund untätig geblieben, also das Verfahren nicht gefördert oder betrieben hat (vgl. EGMR, Urteile vom 26. Oktober 2000 - Nr. 30210/96, Kudla/Polen - NJW 2001, 2694 Rn. 130 und vom 31. Mai 2001 - Nr. 37591/97, Metzger/Deutschland - NJW 2002, 2856 Rn. 41). Soweit dies auf eine Überlastung der Gerichte zurückzuführen ist, gehört dies zu den strukturellen Mängeln, die der Staat zu beheben hat (EGMR, Urteil vom 25. Februar 2000 a.a.O. Rn. 78). Strukturelle Probleme, die zu einem ständigen Rückstand infolge chronischer Überlastung führen, muss sich der Staat zurechnen lassen; eine überlange Verfahrensdauer lässt sich damit nicht rechtfertigen (BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <790>).

44

Sind in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrensabschnitten Verzögerungen eingetreten, bewirkt dies nicht zwingend die Unangemessenheit der Gesamtverfahrensdauer. Es ist vielmehr - wie aufgezeigt - im Rahmen einer Gesamtabwägung zu untersuchen, ob die Verzögerung innerhalb einer späteren Phase des Verfahrens ausgeglichen wurde.

45

cc) Unter Berücksichtigung der zuvor erörterten Grundsätze erweist sich hier, dass die Verfahrensdauer unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG war, weil eine an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles - insbesondere der Schwierigkeit des Verfahrens ((1)), seiner Bedeutung für den Kläger ((2)) sowie des Verhaltens der Verfahrensbeteiligten ((3)) und der Verfahrensführung des Gerichts ((4)) - ergibt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt worden ist.

46

(1) Die Würdigung des Oberverwaltungsgerichts, dass es sich nicht um einen tatsächlich und rechtlich schwierigen Fall handelte, ist unter Berücksichtigung seiner hierzu getroffenen Feststellungen nicht zu beanstanden und wird auch von der Revision nicht angegriffen. Als Indiz für den eher durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad kann unter anderem der Umstand herangezogen werden, dass die Sache vom Verwaltungsgericht auf den Einzelrichter übertragen worden ist (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO) und auch von dem Senat des Oberverwaltungsgerichts, der im Ausgangsverfahren zu entscheiden hatte, nicht als besonders schwierig gewertet worden ist.

47

(2) Anders verhält es sich hinsichtlich der Bewertung des Oberverwaltungsgerichts, das Verfahren habe für den Kläger letztlich keine besondere Bedeutung aufgewiesen, so dass ein besonderes Interesse an einem beschleunigten Abschluss nicht gegeben gewesen sei. Zwar wird die Bedeutung des Verfahrens für den Kläger dadurch relativiert, dass er durch die aufschiebende Wirkung der Klage (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) während der Dauer des gerichtlichen Verfahrens vor einer Vollstreckung durch die öffentliche Hand geschützt war. Auch liegt keine Fallgruppe vor, für welche die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte regelmäßig eine besondere Bedeutung für die Betroffenen annimmt, wie etwa bei Eingriffen in die persönliche Freiheit oder die Gesundheit; Rechtsstreitigkeiten um die finanzielle Versorgung (Renten- oder Arbeitssachen) oder Statussachen (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. Juni 2006 - Nr. 75529/01, Sürmeli/Deutschland - NJW 2006, 2389 Rn. 133 sowie den Überblick und die Nachweise bei Wittling-Vogel/Ulick, DRiZ 2008, 87 <88>). Allerdings ist - wie die Revision zu Recht einwendet - auch zu berücksichtigen, dass der Kläger einer für einen jungen Menschen (Studenten) erheblichen Geldforderung in Höhe von über 17 000 € ausgesetzt war. Die damit verbundene Unsicherheit, ob die Forderung zu Recht erhoben worden ist und er diese Summe tatsächlich zu begleichen hatte - das "Damoklesschwert" der drohenden Geltendmachung durch die Behörde -, ist entgegen der Wertung des Oberverwaltungsgerichts als erheblich für die Bedeutung des Rechtsstreits für den Kläger anzusehen. Wegen der mit dieser Verunsicherung verbundenen Einschränkung, weitere Dispositionen zu treffen, ist ihm ein besonderes Interesse an einer Erledigung des Rechtsstreits zuzubilligen, das mit zunehmender Verfahrensdauer wuchs.

48

(3) Im Hinblick auf das prozessuale Verhalten des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht im Ergebnis in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, dass er durch sein Verhalten keine relevante Verzögerung des Rechtsstreits bewirkt habe. Die Beteiligten streiten zu Recht nicht über den Zeitraum, für den der Kläger nach Klageerhebung um die Verlängerung der Begründungsfrist nachgesucht und damit eine ihm zuzurechnende Verzögerung von etwa zwei Monaten herbeigeführt hat. Im Hinblick auf sein prozessuales Verhalten ist allerdings ergänzend zu berücksichtigen, dass er nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts bereits im März 2004 sein Einverständnis mit einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts ohne mündliche Verhandlung erklärt hat. Damit hat er frühzeitig einen Beitrag zu einer möglichen Verfahrensbeschleunigung geleistet.

49

(4) Unter Gewichtung und Abwägung der zuvor erörterten Kriterien ergibt sich hier - auch unter Berücksichtigung des gerichtlichen Spielraums bei der Verfahrensgestaltung - eine maßgebliche, weil sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung des Gerichtsverfahrens von etwa fünf Jahren.

50

Im Hinblick auf den Verfahrensgang vor dem Verwaltungsgericht hat das Oberverwaltungsgericht neben der Chronologie des Verfahrens festgestellt, dass die Streitsache jedenfalls im September 2004 erkennbar entscheidungsreif gewesen sei. Das Verwaltungsgericht hatte bereits durch die Anfrage an die Beteiligten vom 3. März 2004, ob sie mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden seien, zu erkennen gegeben, dass es die Sache für "ausgeschrieben" hielt. Auf der Grundlage dieser Feststellung ist die Wertung des Oberverwaltungsgerichts fehlerhaft, dass eine nicht gerechtfertigte Verfahrensverzögerung von drei Jahren und vier Monaten vorgelegen habe. Hierzu ist das Oberverwaltungsgericht aufgrund seiner rechtlich fehlerhaften Annahme gelangt, dass nach Entscheidungsreife noch eine weitere Verfahrensdauer von zwei Jahren (bis September 2006) angemessen gewesen sei. Diese "Zwei-Jahres-Pauschale" steht - wie dargelegt - weder als allgemeine Formel mit Bundesrecht in Einklang noch trägt sie durch eine Würdigung der konkreten Umstände dem vorliegenden Einzelfall Rechnung.

51

Was den Zeitpunkt der Entscheidungsreife - verstanden als Zeitpunkt der hinreichenden tatsächlichen Aufbereitung wie auch der Gewährung rechtlichen Gehörs - betrifft, so ist auf der Grundlage der Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts zum Verfahrensablauf vielmehr wertend zu folgern, dass diese bereits vor September 2004 gegeben war. Denn das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass das Verwaltungsgericht den letzten Schriftsatz des Klägers vom 12. März 2004 am 17. März 2004 an den Beklagten übersandt und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von sechs Wochen gegeben hat. Nachdem der Beklagte sich hierzu nachweislich nicht mehr geäußert hatte, stand einer weiteren Verfahrensförderung durch das Verwaltungsgericht (etwa einer Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter) schon Ende April 2004 nichts mehr im Wege.

52

Eine Zurechnung der Verfahrensverzögerung zum Staat, die insbesondere für Zeiträume in Betracht kommt, in denen das Gericht das Verfahren nicht gefördert oder betrieben hat (EGMR, Urteile vom 26. Oktober 2000 a.a.O. Rn. 130 und vom 31. Mai 2001 a.a.O. Rn. 41), ist hier für den Zeitraum von Ende April 2004 bis Januar 2010 anzunehmen. In diesem Zeitraum hat das Verwaltungsgericht das aus seiner Sicht entscheidungsreife Verfahren nicht mehr gefördert; vielmehr hat es sich mit der Verfügung von Wiedervorlagen der Sache nach auf ein "Liegenlassen" der Akte beschränkt. Die nächste, der Verfahrensförderung dienende Prozesshandlung hat es erst im Januar 2010 mit der Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter vorgenommen.

53

Auch wenn dem Verwaltungsgericht ab Entscheidungsreife Ende April 2004 ein mehrmonatiger Gestaltungszeitraum zugestanden wird, um fördernde Verfahrenshandlungen vorzubereiten und abzustimmen, war seine Untätigkeit angesichts der eher durchschnittlichen Schwierigkeit des Verfahrens einerseits und seiner nicht unerheblichen Bedeutung für den Kläger wie auch seines prozessualen Verhaltens andererseits jedenfalls ab Ende 2004 nicht mehr sachlich zu rechtfertigen. Dies entspricht in etwa der Würdigung des Klägers, der davon ausgeht, dass aufgrund der genannten Umstände des Einzelfalles jedenfalls ab Februar 2005 - also 20 Monate nach Klageeinreichung und knapp ein Jahr nach dem Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung - die Verfahrensdauer als nicht mehr angemessenen zu betrachten war. Dabei hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass sich der Beklagte - was die Bemessung des Gestaltungszeitraums für eine gerichtliche Entscheidung betrifft - nicht auf die allgemeine Belastungssituation bei den Verwaltungsgerichten im Land Brandenburg berufen kann. Eine solche Überlastung der Gerichte gehört zu den strukturellen Mängeln, die seinem Verantwortungsbereich zuzurechnen sind und die er zu beseitigen hat.

54

Ist mithin jedenfalls ab Ende 2004 eine Untätigkeit des Verwaltungsgerichts nicht mehr zu rechtfertigen gewesen, so sind bis zur nächsten Verfahrensförderung im Januar 2010 mehr als fünf Jahre verstrichen, die als relevante Verzögerung und damit als unangemessene Verfahrensdauer im Sinne von § 198 GVG zugrunde zu legen sind. Dabei hat der Kläger im Ergebnis zu Recht nicht geltend gemacht, dass darüber hinaus auch im Berufungszulassungs- und Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht noch eine Verzögerung eingetreten ist. Ebenso ist die Vorinstanz zutreffend davon ausgegangen, dass das zweitinstanzliche Verfahren auch nicht so zügig durchgeführt worden ist, dass es die Überlänge des erstinstanzlichen Verfahrens (teilweise) hätte kompensieren können.

55

c) Der Kläger hat einen immateriellen Nachteil in der von ihm geltend gemachten Höhe erlitten, der nicht auf andere Weise wieder gutgemacht werden kann.

56

Dass der Kläger, der keine materiellen, sondern nur Nachteile nichtvermögensrechtlicher Art geltend macht, solche erlitten hat, ergibt sich aus der gesetzlichen Vermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG. Danach wird ein immaterieller Nachteil vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren - wie hier - unangemessen lange gedauert hat. Diese Vermutung ist im vorliegenden Fall nicht widerlegt.

57

Entschädigung kann gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist. Eine Wiedergutmachung auf andere Weise ist gemäß § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Ob eine solche Feststellung ausreichend im Sinne des § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG ist, beurteilt sich auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles. In diese wird regelmäßig einzustellen sein, ob das Ausgangsverfahren für den Verfahrensbeteiligten eine besondere Bedeutung hatte, ob dieser durch sein Verhalten erheblich zur Verzögerung beigetragen hat, ob er weitergehende immaterielle Schäden erlitten hat oder ob die Überlänge den einzigen Nachteil darstellt (BTDrucks 17/3802 S. 20). Darüber hinaus kann zu berücksichtigen sein, von welchem Ausmaß die Unangemessenheit der Dauer des Verfahrens ist und ob das Ausgangsverfahren für den Verfahrensbeteiligten eine besondere Dringlichkeit aufwies oder ob diese zwischenzeitlich entfallen war (vgl. EGMR, Urteil vom 29. September 2011 - Nr. 854/07 - juris Rn. 41). Hier gehen die Verfahrensbeteiligten mit dem Oberverwaltungsgericht zu Recht davon aus, dass als Ergebnis einer umfassenden Einzelabwägung eine Wiedergutmachung auf andere Weise insbesondere wegen der erheblichen Verfahrensverzögerung nicht ausreichend ist. Deshalb kann hier dahingestellt bleiben, ob im Fall einer unangemessenen Verfahrensdauer die Entschädigung die Regel und die bloße Feststellung im Sinne von § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG die Ausnahme ist (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - juris Rn. 45 f.) oder ob weder ein Vorrang der Geldentschädigung noch eine anderweitige Vermutungsregelung gilt (vgl. BFH, Urteil vom 17. April 2013 - X K 3/12 - BeckRS 2013, 95036 Rn. 57).

58

d) Die Bemessung der immateriellen Nachteile richtet sich nach § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG. Danach sind diese in der Regel in Höhe von 1 200 € für jedes Jahr der Verzögerung zu entschädigen. Nur wenn dieser Betrag nach den Umständen des Einzelfalls unbillig ist, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG). Das Oberverwaltungsgericht hat in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass hier eine Abweichung vom Pauschalbetrag nicht veranlasst ist. Da die nicht gerechtfertigte Verzögerung jedenfalls fünf Jahre betrug, steht dem Kläger insgesamt ein Anspruch auf 6 000 € Entschädigung zu, so dass über den Ausspruch des Oberverwaltungsgerichts hinaus weitere 2 000 € an ihn zu zahlen sind.

59

2. Der Kläger hat zudem einen Anspruch auf Feststellung der unangemessenen Dauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht.

60

a) Die Begrenzung des Feststellungsantrags auf die Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgericht ist zulässig. Sie entspricht der Dispositionsbefugnis des Klägers als Rechtsmittelführer (vgl. § 88 VwGO) und trägt dem Umstand Rechnung, dass er sich insoweit allein durch die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens beschwert sieht. Allgemein kann ein Rechtsmittel auf einen von mehreren selbstständigen Streitgegenständen einer Klage oder auf einen Teil des Streitgegenstandes beschränkt werden, wenn dieser Teil vom Gesamtstreitstoff abteilbar ist und materiell-rechtliche Gründe einer gesonderten Entscheidung darüber nicht entgegenstehen (vgl. Beschluss vom 5. Juli 2011 - BVerwG 5 B 35.11 - juris Rn. 1, Urteile vom 1. März 2012 - BVerwG 5 C 11.11 - Buchholz 428.42 § 2 NS-VEntschG Nr. 10 Rn. 15 und vom 18. Juli 2013 - BVerwG 5 C 8.12 - zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Das ist hier der Fall.

61

Die Beschränkung auf einen Verfahrenszug - hier auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren - ist vom Gesamtstreitstoff abtrennbar. Bezugsrahmen für die materiell-rechtliche Frage, ob sich die Verfahrensdauer als angemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG darstellt, ist zwar - wie oben dargelegt - auch dann die Gesamtdauer des gerichtlichen Verfahrens, wenn dieses wie hier über zwei Instanzen geführt worden ist. Dennoch steht das materielle Recht einem gesonderten Ausspruch darüber, dass (nur) die Verfahrensdauer in einer Instanz unangemessen war, nicht entgegen. Denn auch um dies feststellen zu können, ist grundsätzlich die materiell-rechtliche Voraussetzung zu prüfen, ob - mit Blick auf die Gesamtverfahrensdauer - durch die zügige Behandlung der Sache in einer höheren Instanz eine etwaige Überlänge in der Vorinstanz ganz oder teilweise kompensiert werden kann. Für die Zulässigkeit, den (Feststellungs-)Antrag auf eine Instanz beschränken zu können, spricht überdies, dass es das Gesetz ermöglicht, eine Entschädigungsklage bereits vor Beendigung des Ausgangsverfahrens zu erheben (vgl. § 198 Abs. 5 GVG, § 201 Abs. 3 GVG). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass auch Konstellationen denkbar sind, in denen eine unangemessene und irreparable Verzögerung feststellbar ist und in denen daher über die Kompensation für schon eingetretene Nachteile entschieden werden kann (BTDrucks 17/3802 S. 22). Dass es das Gesetz zulässt, verschiedene Verfahrensstufen unterschiedlich in den Blick zu nehmen, zeigt sich schließlich auch daran, dass bei einem bis zum Bundesverwaltungsgericht geführten Verwaltungsrechtsstreit verschiedene Rechtsträger - nämlich zum einen das jeweilige Land und zum anderen der Bund (§ 201 Abs. 1 GVG i.V.m. § 173 Satz 2 VwGO) - für die in ihrem Bereich zu verantwortenden Verfahrensverzögerungen in Anspruch genommen werden können.

62

b) Der Anspruch des Klägers auf Feststellung der unangemessenen Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens folgt aus § 198 Abs. 4 Satz 3 Halbs. 1 GVG.

63

Nach dieser Bestimmung kann das Entschädigungsgericht in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung aussprechen, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Weil es hierfür nicht notwendig eines Antrags bedarf (§ 198 Abs. 4 Satz 2 GVG), hat das Entschädigungsgericht grundsätzlich von Amts wegen zu prüfen, ob es diese Feststellung trifft. Bei diesem Ausspruch handelt es sich, wie systematisch aus § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG zu folgern ist, um eine Form der "Wiedergutmachung auf andere Weise", die "neben die Entschädigung" treten kann. Ob das Entschädigungsgericht diese Feststellung zusätzlich zur Entschädigung (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 22) trifft, ist in sein Ermessen ("kann") gestellt.

64

aa) Ein schwerwiegender Fall im Sinne von § 198 Abs. 4 Satz 3 Halbs. 1 GVG liegt hier vor.

65

Das Oberverwaltungsgericht hat das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzung des schwerwiegenden Falles rechtsfehlerhaft verneint. Es hat sich zur Begründung darauf gestützt, dass ein solcher Fall hier schon deshalb ausscheide, weil die Klage aufschiebende Wirkung gehabt habe und der Kläger die ihn treffenden Folgen der Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgericht hätte mildern können, indem er einen weiteren Antrag auf Gewährung von Ausbildungsförderung hätte stellen und die Treuhandabrede hätte aufheben können. Dem folgt der Senat nicht.

66

Ob ein schwerwiegender Fall vorliegt, ist anhand einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu ermitteln. Insofern gilt nichts anderes als für die Entscheidung nach § 198 Abs. 4 Satz 3 Halbs. 2 GVG, die nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ebenfalls "unter Würdigung der Gesamtumstände" zu treffen ist (BTDrucks 17/3802 S. 22). Neben der Bedeutung des Rechtsstreits für den Verfahrensbeteiligten und seinen damit korrespondierenden Interessen an einer zügigen Entscheidung ist im Rahmen der Abwägung, ob der Fall schwerwiegend ist, insbesondere in Ansatz zu bringen, wie lange das Verfahren insgesamt gedauert hat und wie groß der Zeitraum ist, in dem eine nicht gerechtfertigte Verfahrensverzögerung vorlag. Der Begriff "schwerwiegend" bezieht sich - worauf schon der Wortlaut hindeutet - auf das Gewicht der Beeinträchtigung, die mit einer unangemessen langen Dauer verbunden ist. Dieses Gewicht nimmt zu, je länger die den Betroffenen belastende Phase der Untätigkeit anhält. Dementsprechend haben die Gerichte auch die Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen und sich mit zunehmender Dauer nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen (BVerfG, Beschlüsse vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 - juris Rn. 11 und vom 1. Oktober 2012 - 1 BvR 170/06 - VZ 1/12 - NVwZ 2013, 789 <790> m.w.N.).

67

Den vorgenannten Aspekt hat das Oberverwaltungsgericht hier nicht gesetzeskonform gewichtet. Es hätte die erhebliche Überlänge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens mit einer dem Gericht zuzurechnenden Verfahrensverzögerung von etwa fünf Jahren sowie die Gesamtdauer des Gerichtsverfahrens von über acht Jahren als Umstand in die Abwägung einstellen müssen, der in bedeutsamer Weise für die Annahme eines schwerwiegenden Falles spricht. Zudem hat das Oberverwaltungsgericht die Bedeutung des Verfahrens für den Kläger zu gering gewichtet. Denn diese ist - wie oben dargelegt - wegen der Höhe des Rückforderungsbetrages und der damit verbundenen Unsicherheit als erheblich anzusehen. Eine gesetzeskonforme Gesamtabwägung ergibt daher, dass gerade im Hinblick auf die erhebliche Überlänge des für den Kläger bedeutsamen Verfahrens die Voraussetzungen für die Annahme eines schwerwiegenden Falles erfüllt sind. Dies kann auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts auch das Revisionsgericht feststellen.

68

bb) Sofern - wie hier - ein schwerwiegender Fall im Sinne des § 198 Abs. 4 Satz 3 GVG vorliegt, ist die Entscheidung über eine Feststellung der unangemessenen Verfahrensdauer in das Ermessen des Entschädigungsgerichts gestellt.

69

Die Frage, ob in "schwerwiegenden Fällen" noch neben der Entschädigung ein gesonderter Feststellungsausspruch geboten ist, um dem Wiedergutmachungsanspruch des Betroffenen hinreichend Rechnung zu tragen, ist systematisch der Ermessensausübung zuzuordnen. Insoweit ist eine weitere Abwägungsentscheidung darüber zu treffen, ob es im konkreten Fall des Feststellungsausspruchs bedarf, um dem Betroffenen eine zusätzliche Form der Wiedergutmachung zu verschaffen. Als ein Abwägungskriterium ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, wenn der Kläger dies - wie hier - ausdrücklich beantragt. Damit gibt er zu erkennen, dass er auf diese zusätzliche Form der Wiedergutmachung gerade Wert legt und sie als Form der Genugtuung für die Verletzung seiner Rechte begreift. Ob die Beantragung der Feststellung in "schwerwiegenden Fällen" grundsätzlich zu einer Reduzierung des Ermessens führen kann, bedarf keiner Entscheidung. Denn tatsächliche Umstände, die trotz der mit der Antragstellung verbundenen Geltendmachung eines entsprechenden Genugtuungs- bzw. Rehabilitationsbegehrens dafür sprechen, von dem begehrten Ausspruch abzusehen, sind hier nicht festgestellt.

70

3. Da der Beklagte aufgrund des revisionsgerichtlichen Urteils in beiden Instanzen in vollem Umfang unterlegen ist, hat er gemäß § 154 Abs. 1 und 2 VwGO die Kosten zu tragen. Eine Billigkeitsentscheidung nach der kostenrechtlichen Spezialregelung des § 201 Abs. 4 GVG i.V.m. § 173 Satz 2 VwGO ist nicht zu treffen, weil dem Kläger keine geringere Entschädigung zugesprochen wird.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein im Jahre 2004 geborenes Kind, begehrt eine Entschädigung im Hinblick auf die Dauer des von ihm beim Verwaltungsgericht Greifswald betriebenen Verfahrens 5 A 2080/08.

2

Dieses Ausgangsverfahren hat der Kläger am 21.12.2008 anhängig gemacht mit dem Ziel, dass ihm für die beiden Monate August und September 2008 eine ganztägige Förderung in einer Kindertageseinrichtung nach § 4 Abs. 3 KiföG M-V in der damals geltenden Fassung zu gewähren sei. Im Hinblick auf den Gegenstandswert gab der Kläger an, dass sich für die streitigen Monate zusammen ein Betrag in Höhe von 195,32 Euro errechne. Der Beklagte des Ausgangsverfahrens erwiderte auf die Klage mit Schriftsatz vom 19.01.2009 und teilte durch Schriftsatz vom 30.01.2009 mit, er sei an einer zügigen Entscheidung der dem Streit zugrunde liegenden Rechtsfrage interessiert. Bis April 2009 wurden unter den Beteiligten weitere Schriftsätze ausgetauscht. Der Streit betraf im Kern die Frage, ob dem Kläger nach der Geburt seiner Schwester am 12.07.2008 ab August 2008 nur noch Förderung für eine Teilzeitbetreuung in einer Kindertagesstätte zustand. Im Schriftsatz vom 24.04.2009 bat der Kläger um eine möglichst baldige Entscheidung und wies darauf hin, dass ihm eine größere Zahl von Fällen bekannt sei, in denen der Beklagte so wie hier verfahre, nachdem dies bis vor einigen Jahren noch anders gewesen sei. Durch Verfügung vom 31.08.2011 machte das Gericht die Beteiligten auf verschiedene rechtliche Aspekte aufmerksam, worauf der Kläger mit Schriftsatz vom 17.09.2011 Stellung nahm. Mit Verfügung vom 29.09.2011 erkundigte sich das Gericht beim Kläger, ob dessen mit Schriftsatz vom 19.01.2009 erklärter Verzicht auf eine mündliche Verhandlung Bestand habe, was der Kläger mit Schriftsatz vom 05.11.2011 verneinte. In der sodann auf den 08.12.2011 anberaumten mündlichen Verhandlung vor dem Einzelrichter erhob der Kläger zunächst Verzögerungsrüge. Sodann wurde der Rechtsstreit durch Vergleich beendet. Dessen wesentlicher Inhalt bestand darin, dass die Beteiligten sich in dem Sinne einigten, dass der Kläger für den Monat August 2008 noch einen Anspruch auf Ganztagsförderung gehabt habe; der Differenzbetrag sei vom Beklagten gegenüber der Kindertageseinrichtung abzurechnen.

3

Die vorliegende Entschädigungsklage hat der Kläger am 04.06.2012 erhoben.

4

Er ist der Auffassung, die Sache hätte spätestens bis Ende Oktober 2009 terminiert sein müssen, sei also um mehr als zwei Jahre verzögert gewesen. Zu dem Vergleich im Ausgangsverfahren sei es gekommen, nachdem kurz vor dem Gerichtstermin in einer Verwaltungsrichtlinie klargestellt worden sei, dass der Ganztagsanspruch für die Dauer des Beschäftigungsverbots nach § 6 MuSchG fortbestehe.

5

Der Kläger beantragt,

6

den Beklagten zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung an den Kläger zu verurteilen,

7

hilfsweise festzustellen, dass das Verfahren 5 A 2080/08 unangemessen lange gedauert habe.

8

Der Beklagte beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Er ist der Auffassung, das Verfahren habe nach den Umständen des Falles nicht unangemessen lange gedauert. Die Verfahrensrüge in der mündlichen Verhandlung vom 08.12.2011 habe keine Warnfunktion mehr entfalten können, da das Gericht zu dieser Zeit keine weiteren Möglichkeiten für eine Verfahrensbeschleunigung gehabt habe.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens wird auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens und des Ausgangsverfahrens Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12

Die nach §§ 173 VwGO, 201 GVG zulässige Klage hat keinen Erfolg. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf eine Entschädigung noch auf die Feststellung, dass das Verfahren 5 A 2080/08 unangemessen lange gedauert hat.

13

Für die Beurteilung der Rechtslage ist auszugehen von der gemäß § 173 VwGO für verwaltungsgerichtliche Verfahren entsprechend geltenden Regelung des § 198 Abs. 1 GVG. Nach dessen Satz 1 wird angemessen entschädigt, wer als Verfahrensbeteiligter infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens einen Nachteil erleidet. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Auch die vom Kläger hilfsweise begehrte Feststellung setzt voraus, dass die Verfahrensdauer unangemessen war (vgl. § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG).

14

Für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer kommt es insbesondere auf die Natur der Sache und die Schwierigkeit der Materie sowie die Bedeutung der Sache und die Auswirkungen einer langen Verfahrensdauer für die Parteien und das ihnen zuzurechnende Verhalten an. Allgemeingültige Zeitvorgaben in dem Sinne, dass beispielsweise eine Verfahrensdauer von drei oder fünf Jahren stets als unangemessen zu bewerten wäre, ergeben sich aus dem Gesetz bzw. der diesem Gesetz zugrundeliegenden Rechtsprechung nicht (vgl. BVerfG, Beschl. vom 23.05.2012 - 1 BvR 359/09 -, m.w.N.; OVG Magdeburg, Urt. vom 25.07.2012 - 7 KE 1/11 -, m.w.N.). Auch auf durchschnittliche Verfahrenslaufzeiten ist nicht entscheidungserheblich abzustellen, da dabei die gebotene Einzelfallbetrachtung unberücksichtigt bleiben würde (OVG Schleswig, Urt. vom 08.04.2013 - 18 SchH 3/13 -, Rdn. 14, m.w.N., zit. nach juris).

15

Die Anwendung dieser Maßstäbe führt hier zu dem Ergebnis, dass die Dauer des beanstandeten Verfahrens noch als angemessen zu bewerten ist. Es war von der Erhebung der Klage am 21.12.2008 bis zu seiner Beendigung durch den in der mündlichen Verhandlung am 08.12.2011 geschlossenen Vergleich knapp drei Jahre beim Verwaltungsgericht anhängig. In der Zeit von Ende April 2009 bis Ende August 2011, das heißt also für etwa zwei Jahre und vier Monate, ist eine Förderung/Bearbeitung der Sache seitens des Gerichts nach der Aktenlage nicht erkennbar, sieht man von „Schiebeverfügungen“ ab, durch die jeweils die Wiedervorlage der Akte nach Ablauf bestimmter Fristen (hier meist drei oder vier Monate) veranlasst worden ist. Allerdings haben in dem besagten Zeitraum auch die Verfahrensbeteiligten keine erkennbaren Aktivitäten entwickelt, insbesondere hat keine Seite auf eine Beschleunigung des Verfahrens hingewirkt oder auch nur nach dem Sachstand gefragt. Insofern ähnelt die vorliegende Sache dem Fall, der der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 27.03.2012 – OVG 3 A 1.12 – zugrunde gelegen hat. In dem dazu gehörigen Ausgangsverfahren richtete sich die im Juni 2003 erhobene Klage gegen die Rückforderung einer Ausbildungsförderung in Höhe von etwa 17.000,00 Euro. Das Entschädigungsgericht hat die Dauer des Ausgangsverfahrens bis einschließlich September 2006 noch als angemessen erachtet, obwohl sich ab Mitte 2004 „in der Gerichtsakte ausschließlich Wiedervorlagefristen“ befunden hätten.

16

Im vorliegenden Verfahren geht der Senat zugunsten des Klägers davon aus, dass das Ausgangsverfahren keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufgewiesen hat. Der Rechtsstreit betraf – wie erwähnt – im Kern die Frage, ob dem Kläger nach der Geburt seiner Schwester – wie der Beklagte des Ausgangsverfahrens meinte – nur noch Förderung für eine Teilzeitbetreuung in einer Kindertagesstätte zustand oder ob dem Kläger – wie er meinte – für die beiden Monate August und September 2008 eine ganztägige Förderung in einer Kindertageseinrichtung nach § 4 Abs. 3 KiföG M-V in der damals geltenden Fassung zu gewähren gewesen wäre. Die Bewertung der Sache durch den Senat deckt sich jedenfalls im Ergebnis ersichtlich mit der der für das Ausgangsverfahren zuständigen Kammer des Verwaltungsgerichts. Diese hat den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder nach § 6 Abs. 1 VwGO als Einzelrichter übertragen, was im Gesetz nur vorgesehen ist, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine hiervon abweichende Meinung haben weder die Beteiligten des vorliegenden Entschädigungsverfahrens noch die des Ausgangsverfahrens geäußert. Ausdrücklich hat der Kläger in der Klageschrift vom 01.06.2012 ausgeführt, dass die in dem Ausgangsverfahren zu klärenden Rechtsfragen „nicht von ausgesprochen schwieriger Gestalt“ gewesen seien, der Sachverhalt sei „unstreitig und mit der Klageerhebung geklärt“ gewesen. Auf der anderen Seite lässt sich aber nicht feststellen, dass die sich im Ausgangsverfahren stellenden Fragen völlig unproblematisch gewesen wären. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die gerichtlichen Hinweise vom 06.03.2009 und vom 31.08.2011 zu erwähnen, in denen es nicht nur um die von den Verfahrensbeteiligten aufgeworfenen Fragen ging, sondern auch darum, ob Ansprüche nach § 3 KiföG M-V dem Kind oder den Eltern zustehen und ob im Ausgangsverfahren bereits vor Klageerhebung Erledigung der Hauptsache eingetreten war.

17

Ob das Ausgangsverfahren grundsätzliche Bedeutung hatte, lässt sich nicht ohne Weiteres feststellen, kann aber letztlich zugunsten des Klägers angenommen werden.

18

Das Verwaltungsgericht war wohl der Auffassung, die Rechtssache habe keine grundsätzliche Bedeutung gehabt; denn sonst hätte es nicht zur Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter kommen dürfen (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Der Kläger hat sich im Ausgangsverfahren zu dieser Frage uneinheitlich verhalten. Das Verwaltungsgericht hatte ihn mit Verfügung vom 29.12.2008 darauf hingewiesen, dass die Kammer den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen solle „wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.“ Unter Bezugnahme auf diese Anfrage hat der Kläger mit Schriftsatz vom 19.01.2009 („2008“ dürfte ein Schreibfehler sein) erklärt, der Rechtsstreit könne „durch den Berichterstatter anstelle der Kammer durchgeführt werden.“ Allerdings hat der Kläger im Schriftsatz vom 24.04.2009 ausgeführt, dass „wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache“ eine „Entscheidung der Kammer“ angezeigt sein dürfte; ihm sei „eine größere Zahl von Fällen bekannt, in denen der Beklagte genau wie hier“ verfahre. In der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts am 08.12.2011 hat der Kläger sich allerdings auf einen Vergleich eingelassen. Dessen wesentlicher Inhalt bestand – wie erwähnt – darin, dass die Beteiligten sich in dem Sinne einigten, dass der Kläger für den Monat August 2008 noch einen Anspruch auf Ganztagsförderung gehabt habe. Die gerichtliche Klärung der Rechtslage ist durch den Vergleich unmöglich geworden.

19

Auch der Beklagte des Ausgangsverfahrens hat sich mit der Entscheidung der Sache durch den Berichterstatter einverstanden erklärt (vgl. Schriftsatz vom 30.01.2009) und damit schlüssig zum Ausdruck gebracht, dass er keine grundsätzliche Bedeutung der Sache annehme, hat aber – ohne nähere Begründung – mit Schriftsatz vom 30.01.2009 mitgeteilt, er sei an einer zügigen Entscheidung der zugrunde liegenden Rechtsfrage interessiert.

20

Die finanzielle Bedeutung der Sache für den Kläger war äußerst gering. Es wurde – wie schon erwähnt – um einen Betrag von 195,92 Euro gestritten. Dass der Kläger (bzw. dessen Eltern) nach den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen auf diesen Betrag angewiesen gewesen wäre, ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Mehr als finanzielle Bedeutung hatte das Verfahren von Anfang an für die Klägerseite nicht. Insbesondere ging es nicht darum, ob die Mutter des Klägers in ihrer Mutterschutzzeit den Kläger halbtags zu betreuen hätte; denn dieser Zeitraum war vor Erhebung der Klage bereits verstrichen.

21

Zusammenfassend ist der Hauptgrund dafür, die Verfahrensdauer des Ausgangsverfahrens hier noch als angemessen zu bewerten, dass es lediglich um einen denkbar geringen Betrag gegangen ist. Hinzu kommt, dass die Verfahrensbeteiligten in der Zeit, als das Gericht die Sache nicht gefördert hat, sich ebenfalls vollkommen passiv verhalten haben. Demgegenüber wiegt die – unterstellte – grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht besonders schwer, weil die Beteiligten – wie dargestellt – diesem Umstand selbst offenbar keine besondere Bedeutung beigemessen haben. Auch der beschriebene Schwierigkeitsgrad der Sache führt nicht zu einer für den Kläger günstigeren Beurteilung der Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 167 VwGO, 711 ZPO.

23

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht ersichtlich.

(1) Für die Vollstreckung gilt das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend, soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt.

(2) Die Vorschriften über die vorläufige Vollstreckbarkeit sind nicht anzuwenden.

(3) An die Stelle der sofortigen Beschwerde tritt die Beschwerde (§§ 172 bis 177).

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.