Landgericht Krefeld Urteil, 01. Juli 2016 - 1 S 89/15
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am 24.09.2015 verkündete Urteil des Amtsgerichts Krefeld (Aktenzeichen 12a C 120/14) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kostenentscheidung insoweit abgeändert wird, als die Kläger die Kosten erster Instanz jeweils zur Hälfte tragen.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens jeweils zur Hälfte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
1
G R Ü N D E:
2I.
3Die Kläger nehmen das beklagte Kreditinstitut auf Erstattung eines von ihnen an die Beklagte geleisteten Vorfälligkeitsentgelts in Anspruch, nachdem sie ihre vormalige auf Abschluss des betreffenden Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nach Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung noch widerrufen haben.
4Hinsichtlich des Sachverhaltes nimmt die Kammer gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils.
5Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben die Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt.
6Die Kläger beantragen,
7die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Krefeld vom 24.09.2015, Aktenzeichen: 12a C 120 / 14, zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger einen Betrag in Höhe von 4.569,82 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.11.2015 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 697,82 € zu zahlen.
8Die Beklagte beantragt,
9die Berufung zurückzuweisen.
10II.
111.
12Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
13Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die Kläger haben keinen Anspruch aus § 346 Abs. 1 BGB i.V.m. den §§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 1 S. 1, 357 Abs. 1 S. 1 BGB auf Rückzahlung der geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung. Sie haben ihre Vertragserklärung zum Abschluss des streitgegenständlichen Darlehensvertrags vom 15.02.2006 nicht fristgerecht und damit nicht wirksam widerrufen. Die unter dem 21.11.2014 abgegebene Widerrufserklärung greift aus mehreren Gründen unabhängig voneinander nicht durch.
14a)
15Die zweiwöchige Widerrufsfrist hat im Februar 2006 nach Aushändigung der Vertragsunterlagen nebst schriftlicher Widerrufsbelehrung zu laufen begonnen. Sie war mithin seit langem abgelaufen, als die Kläger mit rechtsanwaltlichem Schreiben vom 21.11.2014 eine Widerrufserklärung abgegeben haben.
16aa)
17Gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB in der hier maßgeblichen, zwischen dem 08.12.2004 und dem 10.06.2010 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) begann die zweiwöchige Widerrufsfrist mit dem Zeitpunkt, zu dem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm seine Rechte deutlich macht, in Textform mitgeteilt worden war. Zugleich hatte die Widerrufsbelehrung Namen und Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären war, und einen Hinweis auf den Fristbeginn zu enthalten. Es war darüber zu belehren, dass der Widerruf selbst keine Begründung enthalten müsse und in Textform oder durch Rücksendung der Sache innerhalb von zwei Wochen gegenüber dem Unternehmer zu erklären sei, wobei zur Fristwahrung die rechtzeitige Absendung genüge. Ferner war darüber zu belehren, dass dann, wenn der Vertrag schriftlich abzuschließen war, die Frist nicht zu laufen beginne, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt worden sei.
18bb)
19Diesen Anforderungen genügt die streitgegenständliche Belehrung (Anl. K2 zur Klageschrift, Bl. 11 der Gerichtsakten), wenn es dort zum Widerrufsrecht heißt, dass der Verbraucher seine Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen könne, der Lauf der Frist für den Widerruf einen Tag nach Zurverfügungstellung der Widerrufsbelehrung und der Vertragsurkunde, des schriftlichen Vertragsantrags oder einer Abschrift der Vertragsurkunde oder des Vertragsantrags beginne, zur Wahrung der Widerrufsfrist die rechtzeitige Absendung des Widerrufs genüge und – wie hier geschehen – die ladungsfähige Anschrift des Kreditinstituts einschließlich Fax-Nummer und E-Mail-Adresse angegeben ist. Auch die Rechtsfolgen eines Widerrufs sind in der streitgegenständlichen Belehrung unter „Widerrufsfolgen“ zutreffend und im Einklang mit den im Februar 2006 geltenden gesetzlichen Vorschriften aufgezeigt.
20cc)
21Die Belehrung ist weder mit unnötigen Hinweisen überfrachtet noch insgesamt geeignet, einen rechtlich nicht vorgebildeten Verbraucher zu verwirren. Dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 BGB a.F., wonach die Belehrung nicht nur inhaltlich richtig und vollständig sein, sondern dem Verbraucher die Rechtslage auch unübersehbar zur Kenntnis bringen musste (vgl. dazu BGH, Urt. v. 23.06.2009, XI ZR 156/08, juris Rn. 24), ist genüge getan. Die vorliegend gegenständliche Belehrung ist gut lesbar, deutlich gestaltet und übersichtlich in „Widerrufsrecht“, „Widerrufsfolgen“ und „Finanzierte Geschäfte“ gegliedert. Sie enthält auch keine verwirrenden oder ablenkenden Zusätze. Insbesondere ist die Aufnahme des Hinweises über die Rechtslage bei finanzierten Geschäften nicht deshalb als verwirrungsstiftend anzusehen, weil sie in das Belehrungsformular aufgenommen ist, obschon es vorliegend gar nicht um eine solche Vertragskonstruktion ging. Angesichts der sprachlich klar und eindeutig abgefassten Hinweise zu den finanzierten Geschäften ist es dem verständigen Verbraucher ohne Weiteres möglich, zu erkennen, dass dieser gesamte Passus das von ihm abgeschlossene Darlehensgeschäft nicht betrifft, zumal die Erläuterungen zu den finanzierten Geschäften einen bei verständigem Lesen nicht zu missverstehenden Hinweis darauf enthält, unter welchen Voraussetzungen bei einem Grundstückserwerb ein finanziertes Geschäft vorliege („Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrags sind oder wenn wir über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinaus Ihr Grundstücksgeschäft durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördern, indem wir uns dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu eigen machen, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts Funktionen des Veräußerers übernehmen oder den Veräußerer einseitig begünstigen.[…]“).
22Nach dem Gestaltungshinweis 10 der Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV in der bei Vertragsschluss geltenden Fassung war es zudem zulässig, Hinweise zu finanzierten Geschäften in die Belehrung aufzunehmen bzw. solche in der Belehrung zu belassen, auch wenn ein verbundenes Geschäft nicht vorlag. Aus dem Gestaltungshinweis ergibt sich keine Pflicht, die Hinweise für verbundene Geschäfte bei Nichteinschlägigkeit zu streichen, sondern nur die Option, dass die Hinweise entfallen „können“. Es ist bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses auch keine Rechtsnorm ersichtlich, die eine solche vorsorgliche Belehrung verboten hätte. Insoweit war in § 358 Abs. 5 BGB a. F. lediglich vorgeschrieben, dass die erforderliche Belehrung über das Widerrufs- und Rückgaberecht auf die Rechtsfolgen der Absätze 1 und 2 Sätze 1 und 2 hinweisen musste. Eine Regelung, dass diese Belehrung bei Nichtvorliegen eines verbundenen Geschäftes zu unterbleiben habe, enthielt die Norm aber nicht. Dementsprechend ist – in Einklang mit dem damals geltenden Muster der BGB-InfoV – davon auszugehen, dass die zusätzliche Belehrung betreffend finanzierte Geschäfte, zumal inhaltlich richtig erfolgt, für die übrige Widerrufsbelehrung jedenfalls nicht schädlich war.
23dd)
24Dass die Widerrufsbelehrung hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist alternativ Bezug nimmt auf die Zurverfügungstellung entweder der Vertragsurkunde oder des schriftlichen Vertragsantrags oder jeweils einer Abschrift dieser Dokumente, schadet ebenfalls nicht. Eine Fehlvorstellung hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist konnte auf Seiten der Kläger bei verständiger Würdigung nicht auftreten. Eine schriftliche Widerrufsbelehrung haben sie ausschließlich bei Unterzeichnung des Darlehensvertrags erhalten und quittiert. Ein potenziell Verwirrung stiftendes gesondertes Vertragsangebot mit bereits (im Entwurf) beigefügter Widerrufsbelehrung hatten sie im Vorfeld nicht erhalten. Von daher konnte es für den Beginn des Fristablaufs nur auf das ihnen ausgehändigte Vertragsdokument ankommen, während die als Teil eines vorformulierten Textbausteins enthaltene Variante des Erhalts eines Vertragsantrags ganz offenkundig auf andere Fälle zielte (ebenso für eine in diesem Punkt identische Fallgestaltung: OLG Düsseldorf, Urt. vom 27.02.2015, I-17 U 125/14, juris Rn. 6).
25Diese Erwägungen beinhalten nicht etwa eine Beurteilung der Kausalität zwischen fehlerhafter Belehrung und unterbliebenem Widerruf. Vielmehr liegt aus den genannten Gründen eine fehlerhafte Belehrung bei der hier zu beurteilenden Sachlage nicht vor, weil die Beklagte die Kläger zutreffend und hinreichend eindeutig über das ihnen zustehende Widerrufsrecht sowie die dafür bestimmte Frist belehrt hat und für die Kläger unzweifelhaft erkennbar war, wann diese Frist in Ihrem konkreten Fall zu laufen begann. Inwieweit die verwendete Widerrufsbelehrung in anders gelagerten Fallgestaltungen – etwa dann, wenn Versicherungsnehmer bereits zuvor ein Vertragsangebot mit bereits beigefügter Belehrung erhalten hatten, wie etwa in dem von der Berufung herangezogenen Fall, welcher der Entscheidung des Bundesgerichtshofs mit Urteil vom 10.03.2009, XI ZR 33/08, juris, zugrunde lag – als unzureichend zu beurteilen wäre, ist nicht maßgeblich. Nach dem Wortlaut des § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a.F kommt es nicht darauf an, ob ein Verbraucher eine für eine denkbare Fallgestaltung in irgendeiner Form unklare oder unrichtige Belehrung erhalten hätte, sondern darauf, ob der Verbraucher bezogen auf die im konkreten Fall gegebene Sachlage ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist.
26b)
27Unabhängig vom Vorstehenden stimmt die Kammer mit dem Amtsgericht auch darin überein, dass ein Widerruf der vormaligen Vertragserklärung zum Abschluss des Darlehensvertrages nicht mehr möglich ist, nachdem die Parteien den Darlehensvertrag durch Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung beendet haben. Dies folgt nach Ansicht der Kammer bereits aus der gesetzlichen Konstruktion des Widerrufsrechts sowie aus § 362 Abs. 1 BGB, ohne dass es (bereits) in diesem Punkt eines Rückgriffs auf die Grundsätze von Treu und Glauben nach § 242 BGB bedürfte.
28aa)
29Das Widerrufsrecht führt im Falle seiner Ausübung zu einer Umgestaltung des betreffenden Vertragsverhältnisses in ein Rückgewährschuldverhältnis. Dies setzt aber denklogisch voraus, dass dasjenige Vertragsverhältnis, auf das sich die Widerrufserklärung des Verbrauchers bezieht, im Zeitpunkt des Widerrufs noch besteht und nicht bereits vorher auf andere Weise in Wegfall gekommen ist (ebenso OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.01.2012, I-6 W 221/11, juris Rn. 15). Der Verbraucher benötigt kein Lösungsrecht mehr von einem Vertrag, der nicht mehr existiert und dessen primäre Leistungspflichten, die infolge des Widerrufs wegfallen und in Rückgewährpflichten umgestaltet werden könnten, gar nicht mehr bestehen. Der Widerruf geht in einem solchen Fall in Bezug auf das vertragliche Leistungsprogramm ins Leere (OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.11.2014, I-6 U 135/14, juris Rn. 33).
30bb)
31So liegt der Fall hier. Die Parteien haben sich im Rahmen der im Oktober 2014 geschlossenen Aufhebungsvereinbarung einvernehmlich darauf verständigt, das Darlehensvertragsverhältnis dergestalt abzuwickeln, dass die Kläger die offen stehende Kreditsumme durch eine Einmalzahlung tilgen dürfen und hierfür – auf der Grundlage von § 490 Abs. 2 S. 3 BGB – zusätzlich eine Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen haben. Es spricht viel dafür, dass die Parteien bereits mit dieser Vereinbarung die beiderseitigen Pflichten aus dem ursprünglichen Verbraucherdarlehensvertrag rechtsverbindlich umgestaltet und damit erledigt hatten, mit der Folge, dass die ursprüngliche Vertragserklärung der Kläger einem Widerruf bereits in diesem Stadium nicht mehr zugänglich gewesen wäre. Spätestens aber mit Ablösung der Darlehensvaluta durch Einmalzahlung der Kläger und Entrichtung der Vorfälligkeitsentschädigung haben die Parteien den streitgegenständlichen Kreditvertrag vollständig abgewickelt und die wechselseitigen Vertragspflichten erfüllt, mit der Folge, dass das Schuldverhältnis gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen ist. Dass sich die die Kläger dabei das Recht vorbehalten haben, ein etwaiges Widerrufsrecht noch auszuüben, gibt zu einer anderen Bewertung keinen Anlass.
32cc)
33Den vorstehenden Erwägungen lässt sich nach Auffassung der Kammer nicht entgegenhalten, die Vereinbarung über die vorzeitige Ablösung des Kredits stelle keine Vertragsaufhebung oder Vertragsauflösung im eigentlichen Sinne dar, sondern lediglich eine Modifizierung des Vertragsumfangs und damit letztlich eine bloße Vorverlegung des Erfüllungszeitpunkts (so etwa OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.09.2015, 23 U 24/15). Entscheidend kann nicht sein, ob man die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien zur vorzeitigen Tilgung des Darlehens als Vertragsaufhebung, Vertragsmodifizierung oder sonstige Vertragsumgestaltung begreift, sondern allein, dass ein infolge des Widerrufs gegebenenfalls rückabzuwickelnder Darlehensvertrag nicht mehr besteht. Dies muss umso mehr gelten, wenn der ursprüngliche Darlehensvertrag nicht einmal durch eine Anschlussfinanzierung ersetzt, sondern – wie hier – durch vorzeitige Tilgung der offen stehenden Darlehenssumme erledigt und damit das Schuldverhältnis, sogar dasjenige im weiteren Sinne, vollständig durchgeführt wird.
34c)
35Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen stehen der Wirksamkeit des von den Klägern erklärten Widerrufs zudem die Grundsätze von Treu und Glauben im Sinne von § 242 BGB entgegen, und zwar auch insoweit in mehrfacher Hinsicht.
36aa)
37Zum einen ist die Kammer der Auffassung, dass sich die hier in Rede stehende Widerrufserklärung der Kläger als unzulässige Rechtsausübung darstellt. Insoweit schließt sich die Kammer – ebenso wie das Amtsgericht – der Rechtsauffassung des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf mit dessen Urteil vom 21.01.2016 (I-6 U 296/14) an, wonach ein erst Jahre nach Vertragsschluss sowie erst im Anschluss an eine vollständige Abwicklung des Vertragsverhältnisses erklärter Widerruf erkennbar der Erreichung vertragsfremder Zwecke dient und dem Sinn und Zweck des eingeräumten Widerrufsrechts zuwiderläuft. Auch wenn der Verbraucher seinen Widerruf nicht begründen muss, die Motive für die Ausübung des Widerrufsrechts also grundsätzlich nicht zu hinterfragen sind, stellt es sich nach der Beurteilung der Kammer gleichwohl als treuwidrig dar, wenn sicher festzustellen ist, dass der Verbraucher das Rechtsgeschäft, auf das sich seine Widerrufserklärung bezieht, als solches gar nicht rückabwickeln will.
38So liegt der Fall hier. Es ist offenkundig, dass die Kläger durch den hier erklärten Widerruf keineswegs eine aus ihrer Sicht übereilte Entscheidung in der Vertragsabschlusssituation nach nochmaligem Überdenken rückgängig machen wollten. Darüber hinaus stellen sie die Vertragswirkungen als solche erkennbar nicht infrage. Die ihnen aus dem Darlehnsvertrag zugeflossene Darlehenssumme haben sie über die gesamte Vertragslaufzeit zur Finanzierung des von ihnen erworbenen Immobilieneigentums genutzt. Dass die Kläger die Immobilie im Zeitpunkt des Widerrufs nicht mehr bewohnt haben, sondern zuvor veräußert hatten, rechtfertigt eine andere Beurteilung nicht. Im Gegenteil: In der – angesichts der aktuellen Marktsituation vermutlich sogar gewinnträchtigen – Veräußerung liegt ebenfalls (bzw. erst recht) eine Nutzung des mit den Darlehensmitteln erworbenen Grundeigentums.
39An der Einordnung des von den Klägern hier erklärten Widerrufs als rechtsmissbräuchlich sieht sich die Kammer auch nicht durch die von den Klägern in Bezug genommene, jüngst ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs mit Urteil vom 16.03.2016 (VIII ZR 146/15) gehindert. Soweit der Bundesgerichtshof dort darauf abstellt, es komme auf die Gründe, aus denen der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Gebrauch macht, nicht an, geht die Kammer damit – wie eingangs bereits dargelegt – grundsätzlich konform. Die dort zur gerichtlichen Entscheidung gestellte Sachverhaltskonstellation unterscheidet sich aber ganz erheblich von den hier im Zentrum stehenden Fragestellungen. Der Einwand unzulässiger Rechtsausübung gründete sich dort darauf, der Verbraucher habe den in Rede stehenden Vertrag lediglich deshalb (innerhalb der zweiwöchigen Widerrufsfrist!) widerrufen, weil er andernorts ein für sich günstigeres Angebot aufgetan hatte. Dass eine solche Motivation für sich genommen nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs rechtfertigen kann, hält auch die Kammer für überzeugend. Entscheidend für den Einwand des Rechtsmissbrauchs in der vorliegenden Konstellation ist auch nicht, dass der Verbraucher eine für sich günstige Konstellation ausnutzt, selbst wenn diese sich erst nach langer Zeit aufgetan hat und bei Vertragsschluss nicht vorlag und auch nicht absehbar war. Entscheidend ist vielmehr, dass der Widerruf erklärt wird, obwohl offenkundig ist, dass der Verbraucher eine Rückabwicklung des Darlehensgeschäfts gar nicht anstrebt und die sich über einen Zeitraum mehrerer Jahre erstreckende Vertragsabwicklung zuvor zu keiner Zeit infrage gestellt hat. So betrachtet stellt sich die Ausübung des durch die – im vorliegenden Zusammenhang als gegeben unterstellt – fehlerhafte Belehrung erwachsenen Rechts zum Widerruf als das Ausnutzen einer formalen Rechtsposition dar, was als Fall treuwidrigen Verhaltens im Sinne von § 242 BGB anerkannt ist.
40bb)
41Darüber hinaus war das Widerrufsrecht der Kläger im Zeitpunkt der Abgabe der Widerrufserklärung aus den nachstehenden, jüngst mit erstinstanzlichen Urteilen der 2. und 3. Zivilkammer des hiesigen Landgerichts Krefeld vom 13.04.2016 (2 O 276/15, veröffentlicht bei juris) sowie vom 10.05.2016 (3 O 11/16, ebenfalls veröffentlicht bei juris) überzeugend entwickelten Gründen jedenfalls verwirkt.
42(1)
43Gemäß § 242 BGB kann ein Recht verwirkt sein, weil sein Inhaber über längere Zeit von ihm keinen Gebrauch gemacht hat und dadurch bei seinem Gegenüber der Eindruck entstanden ist, das Recht werde auch in Zukunft nicht mehr ausgeübt (illoyale Verspätung). Entscheidend ist hierbei nicht die subjektive Sicht der Gegenseite, sondern eine objektive Beurteilung, die ein entsprechendes Vertrauen bei dem Vertragspartner hat entstehen lassen. Für die Verwirkung durch Zeitablauf muss das betroffene Recht über eine längere Zeitspanne hinweg nicht geltend gemacht worden sein (sog. Zeitmoment). Der Zeitablauf alleine genügt jedoch nicht, notwendig ist vielmehr das Hinzutreten weiterer Umstände (das sogenannte Umstandsmoment), sodass es bei einer Gesamtabwägung der Interessen gerechtfertigt erscheint, eine Verwirkung anzunehmen. Die in die Gesamtbetrachtung einzubeziehenden Umstände müssen dabei so beschaffen sein, dass die späte Geltendmachung des Rechts als eine mit Treu und Glauben unvereinbare Illoyalität des Berechtigten erscheint. Das setzt kein Unwerturteil voraus, die Inanspruchnahme bzw. die Ausübung des Rechts muss dem Schuldner lediglich unzumutbar sein (vgl. zum Ganzen: Schubert, in: Münchner Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, § 242 Rn. 356 und 363 f.).
44(a)
45Die Voraussetzungen für die Bejahung des so genannten Zeitmoments sind hier erfüllt. Der streitgegenständliche Darlehensvertrag wurde Mitte Februar 2006 geschlossen. Widerrufen haben die Kläger Ende November 2014, also mehr als acht Jahre und neun Monate nach Vertragsschluss bzw. – worauf es entscheidend ankommt – mehr als achteinhalb Jahre nach Ablauf derjenigen Widerrufsfrist, die bei ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung gilt. Das ist schon für sich genommen ein enorm langer Zeitraum, deutlich länger beispielsweise als die Regelverjährungsfrist des § 195 BGB, die der Gesetzgeber zur Erzielung von Rechtsfrieden bei der Geltendmachung von Ansprüchen und gemäß § 218 BGB auch für die Ausübung des Rücktrittsrechts, das an sich unverjährbar ist, für angemessen hält. Rücktrittsrecht und Widerrufsrecht haben zwar eine unterschiedliche Zielrichtung (Beseitigung eines gestörten Vertrages im Unterschied zur Beseitigung eines unerwünschten Vertrages); das ändert aber nichts daran, dass es einem allgemeinen, in den Verjährungsregeln (aber nicht nur dort, s. etwa § 124 BGB) zum Ausdruck kommenden Rechtsprinzip entspricht, nach einem gewissen Zeitablauf (der Verjährungsfrist) Schwebezustände zu beenden und so Rechtssicherheit und Befriedung zu schaffen. Von daher kann bei der Bemessung des Zeitmoments der Verwirkung die Regelverjährungsfrist von drei Jahren durchaus ein erster Orientierungspunkt sein (Schubert, in: Münchner Kommentar zum BGB, 7. Auflage, § 242 Rn. 364). Eine Anlehnung an noch länger laufende Verjährungsfristen, insbesondere die 30jährige Verjährungsfrist des § 197 BGB, erscheint wertungsmäßig als unangemessen, da eine – wie noch darzustellen sein wird – als geringfügig einzuordnende Pflichtverletzung bei der Aufklärung über Widerrufsrechte nicht mit Herausgabeansprüchen aus Eigentum oder mit Schadensersatzansprüchen wegen Körperverletzung oder Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung gleichzusetzen ist.
46Als Anhaltspunkt für die Bemessung des Zeitmoments kann am ehesten die später Gesetz gewordene Regelung dienen, nach der auch bei nicht ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung ein Widerrufsrecht in vielen Verbraucherschutzbereichen spätestens nach zwölf Monaten und 14 Tagen verloren geht (siehe etwa § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB). Dass der Beginn anderer Regelungen zur Schaffung von Rechtsfrieden, nämlich der regelmäßigen Verjährungsfrist gemäß § 199 BGB oder der Anfechtungsfrist gem. § 124 BGB, kenntnisabhängig ausgestaltet ist und die Verjährungsfrist bzw. die Anfechtungsfrist bei fehlender Kenntnis bis zu 10 Jahre beträgt, ändert daran nichts. Verwirkung und Verjährung bzw. Anfechtungsfrist sind keine vollständig identischen Rechtsinstitute zur Herbeiführung von Rechtsfrieden. Die Verjährung und die Anfechtungsfrist führen ihn im Wesentlichen durch reinen Zeitablauf herbei, bei der Verwirkung muss noch ein berechtigtes Vertrauen auf der Gegenseite entstanden sein (das Umstandsmoment). Die Kenntnisabhängigkeit des Verjährungsbeginns ist der kurzen Verjährungsfrist geschuldet, damit der Gläubiger eine realistische Chance zur Rechtedurchsetzung hat. Ähnlich ist es bei der Anfechtungsfrist des § 124 BGB. Solches sieht der Gesetzgeber bei der jetzt im Gesetz vorhandenen zeitlichen Höchstbegrenzung des Widerrufsrechts nicht vor.
47Selbst wenn man den Klägern aber schon durch die Bemessung des Zeitmoments eine Chance zum Widerruf lassen wollte, würde sich keine längere Dauer ergeben. Denn die Kläger wussten jedenfalls davon, dass ihnen ein Widerrufsrecht zustand, sie wussten durch die Belehrung auch, dass die Ausübung der Widerrufsfrist im Ansatz kurz sein sollte (nämlich zwei Wochen) und sie wussten, dass die Widerrufsfrist zeitnah zum Vertragsschluss beginnen würde. Eine etwaige Unsicherheit über den Beginn der Widerrufsfrist konnte sich aus Sicht der Kläger bei nur flüchtiger Überlegung eher im Bereich von Tagen als von Wochen bewegen. Wenn man also – anders als die Kammer im vorliegenden Fall – davon ausgeht, die den Kläger hier erteilte Widerrufsbelehrung sei in irgendeiner Weise unzureichend gewesen und habe einen Fristablauf nicht auslösen können, so ist doch jedenfalls zu konstatieren, dass die Kläger durch die ihnen erteilte Belehrung unbestreitbar im Wesentlichen aufgeklärt wurden.
48(b)
49Auch das Umstandsmoment ist zu bejahen. Insbesondere stellte sich die Möglichkeit eines unbegrenzten Widerrufs nach Abwägung aller hierfür bedeutsamen Umstände für die Beklagte als unzumutbar dar. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Beklagte die durch die Verwendung einer – hier unterstellt – fehlerhaften Belehrung verursachte fehlende Befristung des Rechts zum Widerruf selbst zu vertreten hat.
50(aa)
51Der Gesichtspunkt, dass die Beklagte im Ausgangspunkt das Risiko der Fehlerhaftigkeit einer Belehrung trägt, verliert in zweierlei Hinsicht entscheidend an Bedeutung. Zum einen sind die gesetzlichen Vorgaben sehr fehleranfällig, weshalb eine Fehlinformation häufig verständlich und daher allenfalls als leichte Nachlässigkeit zu qualifizieren ist. Zum anderen sind die gesetzlichen Regelungen unvollständig, so dass das Ziel, den Verbraucher klar und umfassend über seine Rechte zu informieren, in zahlreichen Konstellationen – jedenfalls bis zu einer Klärung durch die Rechtsprechung – zwangsläufig verfehlt werden musste.
52Letzteres lässt sich anhand einer aktuellen Streitfrage veranschaulichen, die auch für den hiesigen Rechtsstreit (mittelbar) von Relevanz ist, namentlich, ob das Widerrufsrecht bei mehreren Darlehensnehmern, die jeweils Verbraucher sind, lediglich gemeinsam ausgeübt werden kann oder von jedem allein (vgl. hierzu Knops/Martens, Darlehenswiderruf bei Mehrheit von Kreditnehmern, Kreditverträgen und Widerrufsrechten, WM 2015, 2025 ff.). Folgt man der an zweiter Stelle genannten Ansicht, stellt sich die Anschlussfrage, welche Rechtsfolgen ein solcher einseitiger Widerruf zeitigen soll, zumal der andere zum Widerruf berechtigte Vertragspartner durchaus ein Interesse an dem Fortbestand des Geschäfts haben kann. Eine Mehrheit von Darlehensnehmern ist kein Ausnahmefall. Gerade der gemeinsame Abschluss eines Kreditvertrags durch Eheleute oder Lebenspartner ist keine Besonderheit, sondern die Regel. Trotzdem hat der Gesetzgeber – etwa bei Formulierung der Belehrung mit Gesetzeskraft im Jahre 2010 – keine Veranlassung gesehen, nähere Regelungen zur Frage der Ausübung des Widerrufsrechts bei einer Mehrheit von Darlehensnehmern zu treffen. Die Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB in der ab dem 30.07.2010 geltenden Fassung spricht lediglich unscheinbar von dem Darlehensnehmer. Demgemäß ist durchaus offen, ob es bei einer Mehrheit von Darlehensnehmern einer gemeinsamen Ausübung des Widerrufsrechts bedarf. Ein durchschnittlich aufmerksamer Verbraucher wurde bislang also weder durch das Gesetz noch durch eine eindeutige Rechtsprechung darüber informiert, welche Rechte ihm zustehen, wenn sein Wille zum Widerruf von dem des weiteren Darlehensnehmers abweicht. Er hat ferner keine tragfähige Antwort auf die Frage erhalten, wen bei einem einseitigen Widerruf die Pflicht trifft, ein bereits ausgezahltes Darlehen zu erstatten und Zinsen zu zahlen. Die vom Gesetz- bzw. Verordnungsgeber vorgesehene Information war für den Verbraucher also in einem entscheidenden Punkt ohne Wert. Es fragt sich daher, wie ein Kreditinstitut seinerzeit in der Lage gewesen sein soll, die Rechtslage zu dieser Streitfrage zu prognostizieren.
53Dass der Versuch, durch komplexe Informations- und Belehrungspflichten eine wohlüberlegte Verbraucherentscheidung sicherzustellen, häufig zum Scheitern verurteilt ist, hat der Gesetzgeber zudem zwischenzeitlich selbst an anderer Stelle belegt. Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB in der ab dem 30.07.2010 geltenden Fassung enthielt einen Verweis auf § 492 Abs. 2 BGB und im Übrigen lediglich eine beispielhafte Aufzählung von Pflichtangaben. Die dem Verbraucher damit abverlangte Prüfung von zahlreichen Normen war selbst für einen Juristen mit nennenswerten Schwierigkeiten verbunden. Wiederum zeigt sich also, dass das gesetzliche System selbst ungeeignet war, um den Verbraucherschutz sicherzustellen.
54Schließlich ist der Hinweis auf die Möglichkeit, die Schutzwirkung der Musterbelehrung gem. § 14 BGB-InfoV in Anspruch zu nehmen, nicht tragfähig, weil selbst diese Frage ihrerseits noch einer klärenden höchstrichterlichen Entscheidung bedurfte (vgl. BT-Drucks. 18/7584, S. 145 f.).
55Wenn nach alledem einem Kreditinstitut unter Geltung des komplizierten und zum Teil lückenhaften Rechts ein Fehler bei der Belehrung unterlaufen ist, der von geringem Gewicht war, weil der Verbraucher über das ihm zustehende Recht zum Widerruf zumindest im Grundsatz informiert worden ist, erscheint es nicht sach- und interessengerecht, trotz einer jahrelang unbeanstandeten Vertragsabwicklung ein praktisch „ewiges“ Widerrufsrecht zu bejahen und dem Einwand von Treu und Glauben letztlich keinen Raum zu lassen. Ein schlechthin nicht hinzunehmender Wertungswiderspruch bestünde zudem darin, dass derjenige Darlehensnehmer, der beispielsweise bei Abschluss eines Vertrags mit 20-jähriger Zinsbindung arglistig getäuscht, aber hinsichtlich seines Widerrufsrechts ordnungsgemäß belehrt worden ist, den Nachteil der Frist des § 124 Abs. 3 BGB zu tragen hat, während im umgekehrten Fall ein „ewiges“ Widerrufsrecht bestehen soll.
56(bb)
57Die Anerkennung eines praktisch „ewigen“ Widerrufsrechts wäre für die Kreditwirtschaft, hier die Beklagte, unzumutbar, weil die im Widerrufsfall drohenden Nachteile ins Verhältnis gesetzt zu der Fehlinformation der Verbraucher unverhältnismäßig sind.
58Die Kammer überprüft und missbilligt auch an dieser Stelle nicht die Motivation der Verbraucher einschließlich derjenigen der Kläger; entscheidend ist indes, dass die Ausnutzung eines geringfügigen Fehlers die wirtschaftliche Ertragskraft der Beklagten insgesamt mindern kann, weil mit einer massenweisen Rechtsverfolgung zu rechnen ist, die ein enormes Kreditvolumen betrifft. Dass sich der Widerruf von Darlehensverträgen tatsächlich zu einem Massenphänomen entwickelt hat, ist in der Gerichtspraxis offenkundig und lässt sich unschwer an der Vielzahl der in jüngster Zeit zu dieser Thematik ergangenen Judikate der Land- und Oberlandesgerichte ablesen. Die Beklagte müsste sich bei Fortbestehen des Widerrufsrechts über lange Jahre hinweg (potentiell ewig) auf eine Rückabwicklung der Verträge einstellen. Bei einem einzelnen Vertrag mag dies bei einer Bank mit erheblichem Geschäftsvolumen noch keine gravierenden Auswirkungen haben. Die Beklagte hat aber, weil dies zu ihrem Geschäftsmodell gehört, in dem Zeitraum des Abschlusses der streitgegenständlichen Verträge eine Vielzahl weiterer Darlehensverträge mit denselben – hier als gegeben unterstellten – Belehrungsfehlern geschlossen und müsste sich in all diesen Fällen gegen das Widerrufsrisiko etwa mit Rückstellungen wappnen, was insbesondere mit Blick darauf, dass dieser Zustand der Rechtsunsicherheit maßgeblich durch den Gesetzgeber hervorgerufen worden ist, aber auch ins Verhältnis gesetzt zum Gewicht der der Beklagten anzulastenden Pflichtverletzung schlechterdings unhaltbar ist (vgl. dazu auch Omlor, Erlöschen des „ewigen“ Widerrufsrechts bei Immobiliardarlehensverträgen, NJW 2016, 1265 f.).
59(cc)
60Die vorstehende Abwägung lässt sich auch damit in Einklang bringen, dass eine Verwirkung – wie dargelegt – einen Vertrauenstatbestand auf Seiten des Rechtegegners erfordert. Auch wenn es dabei im Ansatz nicht darauf ankommt, ob und in welchem Maße die Kläger die Ausübungsvoraussetzungen ihres Widerrufsrechts erkennen konnten, spielt dies mittelbar bei der Entstehung berechtigten Vertrauens auf Beklagtenseite eine bedeutende Rolle. Denn es steht fest, dass die Kläger über das ihnen zustehende Widerrufsrecht und die dafür bestimmte Frist grundsätzlich informiert waren. Sobald die Parteien die – hier unterstellte – Unwirksamkeit der Widerrufsbelehrung erkannt haben oder erkennen konnten, war für sie gleichzeitig klar erkennbar, dass der Fehler in der Belehrung geringfügig war und nur eine geringe zeitliche Unsicherheit über die Dauer des Fristablaufs hervorrufen konnte. Wenn die Kläger angesichts dessen mit der Rückzahlung des Darlehens beginnen und diese sodann über mehrere Jahre ohne Beanstandung fortführen, war dies über eine schlichte Vertragserfüllung hinaus ein objektiver Anhaltspunkt für die Beklagte, wonach die Kläger an dem Darlehensvertrag offenbar festhalten bzw. diesen – trotz erkennbar bestehender Möglichkeit hierzu – nicht widerrufen wollten (ähnlich Habersack/Schürnbrand, Verwirkung des Widerrufsrechts aus einem Verbraucherdarlehensvertrag bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung, ZIP 2014, 749, 755; Dawirs, Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehen – Ausschluss auch bei laufenden Verträgen und Sonderwissen des Darlehensnehmers?, NJW 2016, 439, 441; a.A. Müggenborg/Horbach, Die Verwirkung des Widerrufsrechts bei Immobiliendarlehen, NJW 2015, 2145, 2149; Duchstein, Die Verwirkung des Widerrufsrechts bei Verbraucherdarlehen, NJW 2015, 1409, 1410).
61(2)
62An der Bejahung einer Verwirkung in der vorliegenden Konstellation sieht sich die Kammer schließlich auch nicht durch einen zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers gehindert, ein Widerrufsrecht bei Belehrungsfehlern im Zusammenhang mit Verbraucherdarlehensverträgen gerade nicht zu befristen. Dass der Gesetzgeber die aktuelle Rechtsentwicklung tatsächlich beabsichtigt oder auch nur in Kauf genommen hat, kann nicht unterstellt werden. Die Motivation für den Widerruf von grundpfandrechtlich gesicherten Krediten beruht aktuell in aller Regel auf der ungewöhnlichen Zinsentwicklung; die Möglichkeit zum Widerruf erwächst aus der Anzahl an fehlerhaften Belehrungen, für welche den Gesetzgeber durch entweder lückenhafte oder vielfach schwer verständliche Regelungen selbst eine Mitverantwortung trifft. Demgemäß hat der Gesetzgeber – weil diese Rechtsentwicklung gerade nicht beabsichtigt war – inzwischen eine Ausschlussfrist in Art. 229 § 38 Abs. 3 EGBGB normiert und eingeräumt, dass eine solche zeitliche Begrenzung im Interesse der Rechtssicherheit geboten sei (vgl. BT-Drucks. 18/7584, S. 145 f.). Zudem hat der Gesetzgeber inzwischen durch Regelungen wie in § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB deutlich gemacht, dass es kein ewiges Widerrufsrecht geben soll. Diese und ähnliche Vorschriften können als gesetzliche Ausprägung des Verwirkungsgedankens angesehen werden. Zwar hat der Gesetzgeber nicht alle Widerrufsrechte zeitlich beschränkt. Dies beruhte aber auf europarechtlichen Vorgaben, die vorliegend nicht einschlägig sind (vgl. Habersack/Schürnbrand, Verwirkung des Widerrufsrechts aus einem Verbraucherdarlehensvertrag bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung, ZIP 2014, 751, 752; auch der BGH geht davon aus, dass das Europarecht einer Verwirkung nicht grundsätzlich entgegensteht, wenn er es im Urteil vom 07.05.2014 – IV ZR 76/11, NJW 2014, 2646 Rn. 39 – ohne weitere Problematisierung prüft). Im Übrigen wäre es – wie bereits ausgeführt – ein nicht erträglicher Wertungswiderspruch, wenn nur das Anfechtungsrecht zeitlich begrenzt wäre, nicht hingegen in irgendeiner Form das Widerrufsrecht. Beide Rechte schützen zwar die Willensentschließung, das Anfechtungsrecht schützt aber wesentlich stärkere, gegebenenfalls sogar strafbewehrte Eingriffe, wohingegen das Widerrufsrecht nur die Bindung an einen autonom gebildeten Willen beseitigt. Dem stärker Schutzbedürftigen würde sein Recht mit Zeitablauf genommen, dem weniger Schutzbedürftigen jedoch nicht, wenn das Widerrufsrecht nicht wenigstens verwirkt werden könnte. Soweit es hierzu für Teilbereiche wie dem Widerrufsrecht des Verbrauchers keine expliziten gesetzlichen Regeln gibt bzw. gab, kann und muss mithin gegebenenfalls auf das allgemeine Rechtsinstitut der Verwirkung zurückgegriffen werden.
632.
64Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.
65Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Bereits die Frage, ob die vorliegend in Rede stehende Widerrufsbelehrung ordnungsgemäß und geeignet war, den Ablauf der Widerrufsfrist in Gang zu setzen, ist von grundsätzlicher Bedeutung und erfordert jedenfalls zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Mehr noch gilt dies nach Einschätzung der Kammer (a.A. insoweit freilich das Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urt. vom 16. März 2016 – 13 U 86/15 –, juris Rn. 29) für die Frage, ob die Ausübung des Widerrufsrechts nach Ablauf mehrerer Jahre seit Vertragsschluss und zwischenzeitlicher unbeanstandeter Durchführung des Vertrages eine unzulässige Rechtsausübung darstellt und/oder wegen Verwirkung des Widerrufsrechts ausgeschlossen ist
66Der Streitwert wird auf 4.569,82 € festgesetzt.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht Krefeld Urteil, 01. Juli 2016 - 1 S 89/15
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Urteil einreichenLandgericht Krefeld Urteil, 01. Juli 2016 - 1 S 89/15 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Klägern bleibt nachgelassen die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht zuvor die Beklagte in gleicher Höhe Sicherheit geleistet hat.
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten um Rückerstattungsansprüche aus einem Darlehensvertrag.
3Mit Datum vom 15.02.2006 schlossen die Parteien einen Darlehensvertrag als Verbraucherdarlehen über 106.000 EUR mit der Vertragsnummer #####/#### ab. Das Darlehen diente dem Erwerb eines Hausobjektes in Krefeld. Vorgesehen war eine zehnjährige Laufzeit des Vertrages. Im Herbst 2014 wurde der Darlehensvertrag beendet, weil die Kläger zu diesem Zeitpunkt das Objekt veräußert.
4Eine diesbezügliche Anfrage der Kläger beantwortete die Beklagte mit Schreiben vom 14.10.2014 Bl. 12 der Akten dahingehend, dass eine vorzeitige Vertragsbeendigung abhängig sei von einer sogenannten Vorfälligkeitsentschädigung, die die Beklagte mit 4.569,82 EUR bezifferte. Diesem Schreiben beigefügt war eine Aufhebungsvereinbarung, aus der sich der zuvor genannte Betrag ergab. Mit Begleitschreiben vom 21.10.2014 Bl. 16 der Akten überreichten die Kläger die von ihnen persönlich unterschriebene Aufhebungsvereinbarung an die Beklagte und ließen sich den Erhalt durch die Beklagte bestätigen.
5Mit anwaltlichem Schreiben vom 21.11.2014 Bl. 17 der Akten forderten die Kläger die unter Vorbehalt gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung zurück. Zugleich vertraten die Kläger die Ansicht, dass die im Vertrag enthaltene Widerrufsbelehrung unzutreffend gewesen sei und deswegen das Widerrufsrecht nicht erloschen sei, weswegen sie den Darlehensvertrag widerrufen würden.
6Mit Schreiben vom 26.11.2014 Bl. 21 der Akten ist die Beklagte dem Widerruf entgegengetreten. Eine Rücküberweisung an die Kläger erfolgte lediglich hinsichtlich der bei Vertragsabschluss erhobenen Bearbeitungsgebühr nebst Zinsen.
7Die Kläger sind der Ansicht, die von der Beklagten bei Vertragsschluss erteilte Widerrufsbelehrung genüge nicht den zu stellenden Anforderungen. Wegen dieses Mangels habe eine Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen. Sie seien deswegen berechtigt gewesen mit dem anwaltlichen Schreiben aus November 2014 den Darlehensvertrag zu widerrufen. Angesichts dieses Widerrufs stünde der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von Vorfälligkeitsentschädigung nicht zu:
8Die Kläger beantragen,
9die Beklagte zu verurteilen, an sie 4569,82 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 15.11.2014 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 697,82 EUR zu zahlen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Die Beklagte ist der Ansicht, die Kläger seien zum Widerruf der auf Abschluss eines Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung bei Vertragsbeginn nicht berechtigt. Im Hinblick darauf, dass der Darlehensvertrag bereits zuvor beendet gewesen sei, sei eine Rückabwicklung nicht mehr möglich gewesen.
13Die Beklagte ist darüber hinaus der Ansicht, die von ihr erteilte Widerrufsbelehrung sei ordnungsgemäß. Selbst wenn dies nicht der Fall sei, führe dies allein nicht zu einem Rückzahlungsanspruch, denn es müssten noch weitere besondere Umstände hinzutreten, die für einen entsprechenden Anspruch streiten. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Da es sich im vorliegenden Fall um ein so genanntes Präsenzgeschäft gehandelt habe, könne keine Irritationen über den Beginn der Widerrufsfrist eingetreten sein, weswegen diese weiteren Voraussetzungen nicht gegeben sein und der Anspruch der Kläger unbegründet sei.
14Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes sowie des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gegenseitig gewechselten Schriftsätze nebst der damit überreichten Anlagen und Unterlagen Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe:
16Die Klage ist unbegründet.
17Den Klägern steht ein Anspruch auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung nach Maßgabe der §§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 1 S. 1, 357 Abs. 1 S. 1,346 Abs. 1 BGB nicht zu.
18Entgegen der Ansicht der Kläger waren diese im November 2014 nicht mehr zum Widerruf der zum Vertragsschluss führenden Willenserklärungen berechtigt. Hierbei verkennt das Gericht nicht, dass das Landgericht Krefeld mit Urteil vom 16.09.2015 Az. 2 O 93/15 die auch diesem Vertrag zu Grunde liegende Widerrufsbelehrung als fehlerhaft bewertet hat. Auf diesen Umstand kommt es für die Frage eines Anspruchs der Kläger jedoch nicht allein an. Das Gericht macht sich insoweit die Rechtsansicht des Oberlandesgerichts Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 27.03.2015 Az. I – 17 U 125/14, in dem aus geführt wird, dass weitere Umstände hinzutreten müssen, damit eine fehlende Deutlichkeit für ein Verhalten kausal wird und ein mögliches Widerrufsrecht begründet.
19Diese weiteren Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Zunächst einmal ist davon auszugehen, dass im vorliegenden Fall ein so genanntes Präsensgeschäft vorliegt, denn aufgrund der von den Klägern selbst zur Akte gereichten Vertragsunterlagen ist für das Gericht erkennbar, dass sämtliche Willenserklärungen, die zum seinerzeitigen Vertragsschluss geführt haben, er zeitgleich an einem Ort vorgenommen wurden. Von daher ist davon auszugehen, dass auch zu diesem Zeitpunkt die Vertragsunterlagen ausgehändigt wurden, jede andere Betrachtungsweise wäre lebensfremd und entspräche nicht dem üblichen Ablauf eines solchen Vertragsgeschäftes.
20Soweit sich die Kläger zum Vortrag der Beklagten mit Nichtwissen erklärt haben, ist diese Erklärung unzulässig, denn es handelt sich um einen Sachverhalt, der unmittelbar Gegenstand der eigenen Wahrnehmung der Kläger war, so dass diese sich zu diesem Sachverhalt nicht mit Nichtwissen erklären konnten, § 138 Abs. 4 ZPO.
21Bereits aufgrund dieser Situation fehlt es an der Möglichkeit einer Irritation darüber, wann eine Widerrufsfrist beginnt. Durch den Zusammenhang der Unterzeichnung und der Aushändigung der Vertragsunterlagen, steht für jede Vertragspartei unzweifelhaft fest, dass die Widerrufsfrist mit der Aushändigung und damit dem Tag des Vertragsschlusses beginnt. Zutreffend hat das Oberlandesgericht darauf hingewiesen, dass Zweifel nur dann in Betracht kommen können, wenn diese Zeitpunkte auseinanderfallen. Dies galt insbesondere in dem in der Entscheidung des Oberlandesgerichts zitierten Fall des Bundesgerichtshofs, bei dem durch im Vorfeld übersandte Unterlagen Zweifel hinsichtlich des Fristbeginns eingetreten sind. Im vorliegenden Fall fehlt es an vergleichbaren Umständen, die zu Zweifeln führen können.
22Den Klägern ist aber auch im Hinblick auf § 242 BGB ein Berufen auf den von ihnen erklärten Widerruf verwehrt, denn die Kläger haben mit der Beklagten eine Aufhebungsvereinbarung abgeschlossen und damit den ursprünglich bestehenden Vertrag beendet. Ein Widerruf der seinerzeitigen Vertragserklärung war nach Aufhebung des Vertrages nicht mehr möglich, denn die Kläger setzen sich mit diesem Verhalten in Widerspruch zu ihrem vorherigen Handeln, nämlich der Beendigung durch eine Aufhebungsvereinbarung. Zum Zeitpunkt der Aufhebung wäre es den Klägern ohne weiteres möglich gewesen einen Widerruf zu erklären, alle Umstände, die nach Ansicht der Kläger dafür sprachen, waren bekannt und konnten von diesen bei ihren Erklärungen abgewogen und berücksichtigt werden.
23Die Kläger hatten sich aber zum Zeitpunkt des Widerrufs bereits von der Durchführung des Vertrages gelöst, so dass kein Raum mehr für den späteren Widerruf der Vertragserklärung bestand.
24Soweit die Kläger auf eine Entscheidung des Landgerichts Krefeld verweisen, die die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung als fehlerhaft ansieht, verfängt diese Argumentation nicht, denn der dort entschiedene Fall behandelte einen noch laufenden Darlehensvertrag und ist deswegen mit der Situation des hier bereits aufgehobenen Vertrages nicht vergleichbar. In der dortigen Situation hatte sich die klagende Partei nicht durch eine einvernehmliche Handlung zuvor von dem Vertrag gelöst, so dass in dieser Situation ein Widerruf noch möglich war.
25Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
26Der Streitwert wird auf 4.569,82 EUR festgesetzt.
(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.
(2) Statt der Rückgewähr oder Herausgabe hat der Schuldner Wertersatz zu leisten, soweit
- 1.
die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist, - 2.
er den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet hat, - 3.
der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist; jedoch bleibt die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung außer Betracht.
(3) Die Pflicht zum Wertersatz entfällt,
- 1.
wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes gezeigt hat, - 2.
soweit der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre, - 3.
wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
(4) Der Gläubiger kann wegen Verletzung einer Pflicht aus Absatz 1 nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 Schadensersatz verlangen.
(1) Dem Darlehensnehmer steht bei einem Verbraucherdarlehensvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu.
(2) Ein Widerrufsrecht besteht nicht bei Darlehensverträgen,
- 1.
die einen Darlehensvertrag, zu dessen Kündigung der Darlehensgeber wegen Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers berechtigt ist, durch Rückzahlungsvereinbarungen ergänzen oder ersetzen, wenn dadurch ein gerichtliches Verfahren vermieden wird und wenn der Gesamtbetrag (Artikel 247 § 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche) geringer ist als die Restschuld des ursprünglichen Vertrags, - 2.
die notariell zu beurkunden sind, wenn der Notar bestätigt, dass die Rechte des Darlehensnehmers aus den §§ 491a und 492 gewahrt sind, oder - 3.
die § 504 Abs. 2 oder § 505 entsprechen.
(3) Bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen ist dem Darlehensnehmer in den Fällen des Absatzes 2 vor Vertragsschluss eine Bedenkzeit von zumindest sieben Tagen einzuräumen. Während des Laufs der Frist ist der Darlehensgeber an sein Angebot gebunden. Die Bedenkzeit beginnt mit der Aushändigung des Vertragsangebots an den Darlehensnehmer.
(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.
(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
(2) Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.
(1) Hat der Verbraucher seine auf den Abschluss eines Vertrags über die Lieferung einer Ware oder die Erbringung einer anderen Leistung durch einen Unternehmer gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen, so ist er auch an seine auf den Abschluss eines mit diesem Vertrag verbundenen Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden.
(2) Hat der Verbraucher seine auf den Abschluss eines Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung auf Grund des § 495 Absatz 1 oder des § 514 Absatz 2 Satz 1 wirksam widerrufen, so ist er auch nicht mehr an diejenige Willenserklärung gebunden, die auf den Abschluss eines mit diesem Darlehensvertrag verbundenen Vertrags über die Lieferung einer Ware oder die Erbringung einer anderen Leistung gerichtet ist.
(3) Ein Vertrag über die Lieferung einer Ware oder über die Erbringung einer anderen Leistung und ein Darlehensvertrag nach den Absätzen 1 oder 2 sind verbunden, wenn das Darlehen ganz oder teilweise der Finanzierung des anderen Vertrags dient und beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Eine wirtschaftliche Einheit ist insbesondere anzunehmen, wenn der Unternehmer selbst die Gegenleistung des Verbrauchers finanziert, oder im Falle der Finanzierung durch einen Dritten, wenn sich der Darlehensgeber bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Darlehensvertrags der Mitwirkung des Unternehmers bedient. Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, wenn der Darlehensgeber selbst dem Verbraucher das Grundstück oder das grundstücksgleiche Recht verschafft oder wenn er über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinaus den Erwerb des Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts durch Zusammenwirken mit dem Unternehmer fördert, indem er sich dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu Eigen macht, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts Funktionen des Veräußerers übernimmt oder den Veräußerer einseitig begünstigt.
(4) Auf die Rückabwicklung des verbundenen Vertrags sind unabhängig von der Vertriebsform § 355 Absatz 3 und, je nach Art des verbundenen Vertrags, die §§ 357 bis 357c entsprechend anzuwenden. Ist der verbundene Vertrag ein Vertrag über die Lieferung von nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen digitalen Inhalten, hat der Verbraucher abweichend von § 357a Absatz 3 unter den Voraussetzungen des § 356 Absatz 5 Nummer 2 Wertersatz für die bis zum Widerruf gelieferten digitalen Inhalte zu leisten. Ist der verbundene Vertrag ein im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Ratenlieferungsvertrag, sind neben § 355 Absatz 3 auch die §§ 357 und 357a entsprechend anzuwenden; im Übrigen gelten für verbundene Ratenlieferungsverträge § 355 Absatz 3 und § 357d entsprechend. Im Falle des Absatzes 1 sind jedoch Ansprüche auf Zahlung von Zinsen und Kosten aus der Rückabwicklung des Darlehensvertrags gegen den Verbraucher ausgeschlossen. Der Darlehensgeber tritt im Verhältnis zum Verbraucher hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem verbundenen Vertrag ein, wenn das Darlehen dem Unternehmer bei Wirksamwerden des Widerrufs bereits zugeflossen ist.
(5) Die Absätze 2 und 4 sind nicht anzuwenden auf Darlehensverträge, die der Finanzierung des Erwerbs von Finanzinstrumenten dienen.
(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.
(1) Das Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird.
(2) Wird an einen Dritten zum Zwecke der Erfüllung geleistet, so finden die Vorschriften des § 185 Anwendung.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Wenn in den Vermögensverhältnissen des Darlehensnehmers oder in der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit eine wesentliche Verschlechterung eintritt oder einzutreten droht, durch die die Rückzahlung des Darlehens, auch unter Verwertung der Sicherheit, gefährdet wird, kann der Darlehensgeber den Darlehensvertrag vor Auszahlung des Darlehens im Zweifel stets, nach Auszahlung nur in der Regel fristlos kündigen.
(2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag, bei dem der Sollzinssatz gebunden und das Darlehen durch ein Grund- oder Schiffspfandrecht gesichert ist, unter Einhaltung der Fristen des § 488 Abs. 3 Satz 2 vorzeitig kündigen, wenn seine berechtigten Interessen dies gebieten und seit dem vollständigen Empfang des Darlehens sechs Monate abgelaufen sind. Ein solches Interesse liegt insbesondere vor, wenn der Darlehensnehmer ein Bedürfnis nach einer anderweitigen Verwertung der zur Sicherung des Darlehens beliehenen Sache hat. Der Darlehensnehmer hat dem Darlehensgeber denjenigen Schaden zu ersetzen, der diesem aus der vorzeitigen Kündigung entsteht (Vorfälligkeitsentschädigung).
(1) Das Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird.
(2) Wird an einen Dritten zum Zwecke der Erfüllung geleistet, so finden die Vorschriften des § 185 Anwendung.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
BUNDESGERICHTSHOF
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterin Dr. Hessel sowie die Richter Dr. Schneider, Dr. Bünger und Kosziol
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger bestellte am 14. Januar 2014 über die Website der Beklagten, die mit einer "Tiefpreisgarantie" warb, zwei Taschenfederkernmatratzen zum Preis von insgesamt 417,10 € (inklusive Lieferung). Die Matratzen wurden am 24. und 27. Januar 2014 ausgeliefert und vom Kläger bezahlt. In der Folgezeit bat der Kläger unter Hinweis auf ein günstigeres Angebot eines anderen Anbieters zum Preis von 192,06 € je Matratze (zuzüglich 10 € Versand) um Erstattung des von ihm errechneten Differenzbetrags in Höhe von 32,98 €, damit er von dem ihm als Verbraucher zustehenden Widerrufsrecht absehe.
- 2
- Zu einer entsprechenden Einigung kam es nicht. Der Kläger widerrief den Kaufvertrag daraufhin mit E-Mail vom 2. Februar 2014 und sandte die Matratzen zurück. Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger habe widerrufen, um (unberechtigt) Forderungen aus der "Tiefpreisgarantie" durchzusetzen und sich damit rechtsmissbräuchlich verhalten.
- 3
- Die auf Rückzahlung des Kaufpreises von 417,10 € nebst Zinsen gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
- 5
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 6
- Der vom Kläger erklärte Widerruf des Kaufvertrags sei wirksam, so dass ihm gegen die Beklagte der Zahlungsanspruch in Höhe von 417,10 € nebst Zinsen zustehe. Auf den Kaufvertrag fänden die §§ 312b, 312d, 355 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung in Verbindung mit § 346 BGB Anwendung. Es handele sich um einen Fernabsatzvertrag gemäß § 312b Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB aF. Die formellen und materiellen Voraussetzungen des Widerrufs seien, was von den Parteien auch nicht in Zweifel gezogen werde, erfüllt.
- 7
- Die Ausübung des Widerrufsrechts sei nicht aufgrund des mit der Einräumung eines Widerrufsrechts verfolgten Sinns und Zwecks ausgeschlossen.
- 8
- Von diesem Motiv des Gesetzgebers für die Einräumung eines Widerrufsrechts zu trennen sei jedoch die Frage, aus welchen Gründen der Verbraucher von einem ihm zustehenden Widerrufsrecht Gebrauch machen dürfe. Diesbezüglich habe der Gesetzgeber in § 355 BGB aF bewusst davon abgesehen , vom Verbraucher eine Begründung für den Widerruf zu verlangen. Hiermit hätten insbesondere auch spätere Diskussionen darüber vermieden werden sollen, ob eine vom Verbraucher gegebene Begründung für den Widerruf genügend sei oder nicht.
- 9
- Sei der Verbraucher mithin nicht gehalten, vor Ausübung seines Widerrufsrechts eine Begründung anzugeben, so könne es ihm auch nicht zum Nachteil gereichen, wenn aus seinem übrigen Verhalten ein Motiv für die Ausübung des Widerrufs zutage trete, welches mit dem Sinn und Zweck der Einräumung des Widerrufsrechts nicht (vollständig) in Einklang zu bringen sei.
- 10
- Dem vom Kläger erklärten Widerruf stehe auch nicht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Zwar könne der Einwand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) grundsätzlich auch bei Ausübung des Widerrufsrechts gemäß § 355 BGB aF erhoben werden; insoweit seien jedoch strenge Anforderungen zu stellen. Unter Abwägung sämtlicher Umstände des Falles erweise sich vorliegend die Ausübung des Widerrufsrechts durch den Kläger (noch) nicht als rechtsmissbräuchlich. Dass der Kläger mögliche Ansprüche aus der "Tiefpreisgarantie" der Beklagten habe durchsetzen wollen, könne für sich genommen nicht den Einwand unzulässiger Rechtsausübung begründen.
- 11
- Etwas anderes folge hier auch nicht daraus, dass der Kläger die gleichen Matratzen nochmals bei einem anderen Anbieter zu einem günstigeren Kaufpreis bestellt habe. Dass der Kläger dann - unter Berufung auf die von der Beklagten abgegebene Tiefpreisgarantie - unter Hinweis auf das ihm zustehende Widerrufsrecht bei der Klägerin um Erstattung der Kaufpreisdifferenz nachgesucht und insoweit nach Ansicht der Beklagten weiter "Druck ausgeübt" habe, sei keine unzulässige Rechtsausübung.
II.
- 12
- Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand; die Revision ist daher zurückzuweisen. Die Beklagte hat dem Kläger gemäß § 312d Abs. 1 Satz 1, § 355 Abs. 1 Satz 1, § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF in Verbindung mit § 346 Abs. 1 BGB den Kaufpreis für die Matratzen zu erstatten, nachdem dieser den im Wege des Fernabsatzes geschlossenen Vertrag wirksam widerrufen hat. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint.
- 13
- 1. Auf den Kaufvertrag der Parteien finden, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, die vorgenannten Regelungen über das Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung Anwendung. Dass der Kläger von seinem danach bestehenden Widerrufsrecht form- und fristgerecht Gebrauch gemacht hat, steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Insbesondere bedurfte der Widerruf keiner Begründung (§ 355 Abs. 1 Satz 2 BGB aF).
- 14
- Aufgrund der Ausübung des Widerrufs ist der Kläger nicht mehr an seine auf Abschluss des Kaufvertrages gerichtete Willenserklärung gebunden (§ 355 Abs. 1 Satz 1 BGB aF). Damit hat er Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises (§ 346 Abs. 1 BGB).
- 15
- 2. Ohne Erfolg rügt die Revision, dem Anspruch des Klägers stehe der Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) entgegen, weil er das Widerrufsrecht in sachfremder Weise zur Durchsetzung vermeintlicher Ansprüche aus einer "Tiefpreisgarantie" der Beklagten eingesetzt habe.
- 16
- a) Der Sinn des Widerrufsrechts beim Fernabsatzvertrag besteht darin, dem Verbraucher ein an keine materiellen Voraussetzungen gebundenes, einfach auszuübendes Recht zur einseitigen Loslösung vom Vertrag in die Hand zu geben (vgl. Senatsurteil vom 25. November 2009 - VIII ZR 318/08, BGHZ 183, 235 Rn. 17 mwN). Nach der Rechtsprechung des Senats kommt ein Ausschluss des Widerrufsrechts wegen Rechtsmissbrauchs beziehungsweise unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) nur ausnahmsweise - unter dem Gesichtspunkt besonderer Schutzbedürftigkeit des Unternehmers - in Betracht, etwa bei arglistigem Verhalten des Verbrauchers gegenüber dem Unternehmer (Senatsurteil vom 25. November 2009 - VIII ZR 318/08, aaO Rn. 20).
- 17
- Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts zum Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit dem Widerruf ergeben sich aber keine Anhaltspunkte für ein arglistiges Verhalten des Klägers, etwa dass es ihm darauf angekommen wäre, die Beklagte zu schädigen oder zu schikanieren. Im Gegenteil hat der Kläger lediglich versucht, mit Hilfe der ihm zustehenden (Verbraucher-) Rechte für sich selbst günstigere Vertragsbedingungen auszuhandeln. Ein sol- ches Verhalten steht im Einklang mit den vorbezeichneten gesetzlichen Regelungen zum Widerrufsrecht des Verbrauchers.
- 18
- Insbesondere ist es für die rechtliche Beurteilung ohne Bedeutung, ob der Kläger - wie die Revision geltend macht - die Nichtausübung des Widerrufs von der Gewährung eines nach der "Tiefpreisgarantie" der Beklagten nicht in voller Höhe berechtigten Nachlasses abhängig gemacht hat. Ebenso kommt es auch - anders als das Berufungsgericht offenbar meint - nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt der Kläger Matratzen bei einem weiteren Anbieter bestellt und dies zum Anlass von Nachverhandlungen mit der Beklagten genommen hat. Mit einem solchen Verhalten nutzt der Käufer schlicht zu seinem Vorteil das ihm eingeräumte und an keine weiteren Voraussetzungen gebundene Widerrufsrecht. Die Grenze zur Arglist oder Schikane ist dabei - offensichtlich - nicht überschritten.
- 19
- b) Der Einwand der Revision, der Ausübung des Widerrufsrechts im vorliegenden Fall seien mit Rücksicht auf dessen (eingeschränkten) Schutzzweck nach § 242 BGB Schranken gesetzt, geht schon im Ansatz fehl. Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung beschränkt sich der Zweck des bei Fernabsatzgeschäften vorgesehenen Widerrufsrechts nicht darauf, dem Verbraucher die Möglichkeit zu geben, die Ware zu prüfen und bei Nichtgefallen zurückzugeben.
- 20
- Denn das Gesetz knüpft die Ausübung des Widerrufsrechts - wie schon das Fehlen einer Begründungspflicht (§ 355 Abs. 1 Satz 2 BGB aF) zeigt - nicht an ein berechtigtes Interesse des Verbrauchers (etwa an das Nichtgefallen der Ware nach Überprüfung), sondern überlässt es allein seinem freien Willen, ob und aus welchen Gründen er seine Vertragserklärung widerruft. Nur dieses Verständnis wird dem oben genannten Sinn des Widerrufsrechts beim Fernab- satzvertrag, dem Verbraucher ein einfaches und effektives Recht zur Lösung von einem im Fernabsatzgeschäft geschlossenen Vertrag an die Hand zu geben , gerecht.
- 21
- Dass ein Verbraucher - wie hier der Kläger - nach der Bestellung Preise vergleicht und mit dem Verkäufer darüber verhandelt, bei Zahlung einer Preisdifferenz vom Widerruf des Vertrages Abstand zu nehmen, ist lediglich eine Folge der sich aus dem grundsätzlich einschränkungslos gewährten Widerrufsrecht ergebenden Wettbewerbssituation. Diese darf der Verbraucher zu seinen Gunsten nutzen, ohne sich dem Vorwurf rechtsmissbräuchlichen Verhaltens auszusetzen. Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Schneider Dr. Bünger Kosziol
AG Rottweil, Entscheidung vom 30.10.2014 - 1 C 194/14 -
LG Rottweil, Entscheidung vom 10.06.2015 - 1 S 124/14 -
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.
(1) Der Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung ist unwirksam, wenn der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist und der Schuldner sich hierauf beruft. Dies gilt auch, wenn der Schuldner nach § 275 Absatz 1 bis 3, § 439 Absatz 4 oder § 635 Absatz 3 nicht zu leisten braucht und der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt wäre. § 216 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) § 214 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.
(1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen.
(2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.
(3) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.
(1) In 30 Jahren verjähren, soweit nicht ein anderes bestimmt ist,
- 1.
Schadensersatzansprüche, die auf der vorsätzlichen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung beruhen, - 2.
Herausgabeansprüche aus Eigentum, anderen dinglichen Rechten, den §§ 2018, 2130 und 2362 sowie die Ansprüche, die der Geltendmachung der Herausgabeansprüche dienen, - 3.
rechtskräftig festgestellte Ansprüche, - 4.
Ansprüche aus vollstreckbaren Vergleichen oder vollstreckbaren Urkunden, - 5.
Ansprüche, die durch die im Insolvenzverfahren erfolgte Feststellung vollstreckbar geworden sind, und - 6.
Ansprüche auf Erstattung der Kosten der Zwangsvollstreckung.
(2) Soweit Ansprüche nach Absatz 1 Nr. 3 bis 5 künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen zum Inhalt haben, tritt an die Stelle der Verjährungsfrist von 30 Jahren die regelmäßige Verjährungsfrist.
(1) Der Unternehmer kann dem Verbraucher die Möglichkeit einräumen, das Muster-Widerrufsformular nach Anlage 2 zu Artikel 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche oder eine andere eindeutige Widerrufserklärung auf der Webseite des Unternehmers auszufüllen und zu übermitteln. Macht der Verbraucher von dieser Möglichkeit Gebrauch, muss der Unternehmer dem Verbraucher den Zugang des Widerrufs unverzüglich auf einem dauerhaften Datenträger bestätigen.
(2) Die Widerrufsfrist beginnt
- 1.
bei einem Verbrauchsgüterkauf, - a)
der nicht unter die Buchstaben b bis d fällt, sobald der Verbraucher oder ein von ihm benannter Dritter, der nicht Frachtführer ist, die Waren erhalten hat, - b)
bei dem der Verbraucher mehrere Waren im Rahmen einer einheitlichen Bestellung bestellt hat und die Waren getrennt geliefert werden, sobald der Verbraucher oder ein von ihm benannter Dritter, der nicht Frachtführer ist, die letzte Ware erhalten hat, - c)
bei dem die Ware in mehreren Teilsendungen oder Stücken geliefert wird, sobald der Verbraucher oder ein vom Verbraucher benannter Dritter, der nicht Frachtführer ist, die letzte Teilsendung oder das letzte Stück erhalten hat, - d)
der auf die regelmäßige Lieferung von Waren über einen festgelegten Zeitraum gerichtet ist, sobald der Verbraucher oder ein von ihm benannter Dritter, der nicht Frachtführer ist, die erste Ware erhalten hat,
- 2.
bei einem Vertrag, der die nicht in einem begrenzten Volumen oder in einer bestimmten Menge angebotene Lieferung von Wasser, Gas oder Strom, die Lieferung von Fernwärme oder die Lieferung von nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen digitalen Inhalten zum Gegenstand hat, mit Vertragsschluss.
(3) Die Widerrufsfrist beginnt nicht, bevor der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den Anforderungen des Artikels 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Artikels 246b § 2 Absatz 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche unterrichtet hat. Das Widerrufsrecht erlischt spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach dem in Absatz 2 oder § 355 Absatz 2 Satz 2 genannten Zeitpunkt. Satz 2 ist auf Verträge über Finanzdienstleistungen nicht anwendbar.
(4) Das Widerrufsrecht erlischt bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen auch unter folgenden Voraussetzungen:
- 1.
bei einem Vertrag, der den Verbraucher nicht zur Zahlung eines Preises verpflichtet, wenn der Unternehmer die Dienstleistung vollständig erbracht hat, - 2.
bei einem Vertrag, der den Verbraucher zur Zahlung eines Preises verpflichtet, mit der vollständigen Erbringung der Dienstleistung, wenn der Verbraucher vor Beginn der Erbringung - a)
ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer mit der Erbringung der Dienstleistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt, - b)
bei einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag die Zustimmung nach Buchstabe a auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt hat und - c)
seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass sein Widerrufsrecht mit vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer erlischt,
- 3.
bei einem Vertrag, bei dem der Verbraucher den Unternehmer ausdrücklich aufgefordert hat, ihn aufzusuchen, um Reparaturarbeiten auszuführen, mit der vollständigen Erbringung der Dienstleistung, wenn der Verbraucher die in Nummer 2 Buchstabe a und b genannten Voraussetzungen erfüllt hat, - 4.
bei einem Vertrag über die Erbringung von Finanzdienstleistungen, wenn der Vertrag von beiden Seiten auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers vollständig erfüllt ist, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübt.
(5) Das Widerrufsrecht erlischt bei Verträgen über die Bereitstellung von nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen digitalen Inhalten auch unter folgenden Voraussetzungen:
- 1.
bei einem Vertrag, der den Verbraucher nicht zur Zahlung eines Preises verpflichtet, wenn der Unternehmer mit der Vertragserfüllung begonnen hat, - 2.
bei einem Vertrag, der den Verbraucher zur Zahlung eines Preises verpflichtet, wenn - a)
der Unternehmer mit der Vertragserfüllung begonnen hat, - b)
der Verbraucher ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer mit der Vertragserfüllung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt, - c)
der Verbraucher seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass durch seine Zustimmung nach Buchstabe b mit Beginn der Vertragserfüllung sein Widerrufsrecht erlischt, und - d)
der Unternehmer dem Verbraucher eine Bestätigung gemäß § 312f zur Verfügung gestellt hat.
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
- 1.
der Anspruch entstanden ist und - 2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren
- 1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und - 2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.
(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.
(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.
(1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen.
(2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.
(3) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.
(1) Verbraucherdarlehensverträge sind, soweit nicht eine strengere Form vorgeschrieben ist, schriftlich abzuschließen. Der Schriftform ist genügt, wenn Antrag und Annahme durch die Vertragsparteien jeweils getrennt schriftlich erklärt werden. Die Erklärung des Darlehensgebers bedarf keiner Unterzeichnung, wenn sie mit Hilfe einer automatischen Einrichtung erstellt wird.
(2) Der Vertrag muss die für den Verbraucherdarlehensvertrag vorgeschriebenen Angaben nach Artikel 247 §§ 6 bis 13 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche enthalten.
(3) Nach Vertragsschluss stellt der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer eine Abschrift des Vertrags zur Verfügung. Ist ein Zeitpunkt für die Rückzahlung des Darlehens bestimmt, kann der Darlehensnehmer vom Darlehensgeber jederzeit einen Tilgungsplan nach Artikel 247 § 14 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche verlangen.
(4) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für die Vollmacht, die ein Darlehensnehmer zum Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags erteilt. Satz 1 gilt nicht für die Prozessvollmacht und eine Vollmacht, die notariell beurkundet ist.
(5) Erklärungen des Darlehensgebers, die dem Darlehensnehmer gegenüber nach Vertragsabschluss abzugeben sind, müssen auf einem dauerhaften Datenträger erfolgen.
(6) Enthält der Vertrag die Angaben nach Absatz 2 nicht oder nicht vollständig, können sie nach wirksamem Vertragsschluss oder in den Fällen des § 494 Absatz 2 Satz 1 nach Gültigwerden des Vertrags auf einem dauerhaften Datenträger nachgeholt werden. Hat das Fehlen von Angaben nach Absatz 2 zu Änderungen der Vertragsbedingungen gemäß § 494 Absatz 2 Satz 2 bis Absatz 6 geführt, kann die Nachholung der Angaben nur dadurch erfolgen, dass der Darlehensnehmer die nach § 494 Absatz 7 erforderliche Abschrift des Vertrags erhält. In den sonstigen Fällen muss der Darlehensnehmer spätestens im Zeitpunkt der Nachholung der Angaben eine der in § 356b Absatz 1 genannten Unterlagen erhalten. Mit der Nachholung der Angaben nach Absatz 2 ist der Darlehensnehmer auf einem dauerhaften Datenträger darauf hinzuweisen, dass die Widerrufsfrist von einem Monat nach Erhalt der nachgeholten Angaben beginnt.
(7) Die Vereinbarung eines veränderlichen Sollzinssatzes, der sich nach einem Index oder Referenzzinssatz richtet, ist nur wirksam, wenn der Index oder Referenzzinssatz objektiv, eindeutig bestimmt und für Darlehensgeber und Darlehensnehmer verfügbar und überprüfbar ist.
(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
(2) Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.
(1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen.
(2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.
(3) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.
(1) Der Unternehmer kann dem Verbraucher die Möglichkeit einräumen, das Muster-Widerrufsformular nach Anlage 2 zu Artikel 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche oder eine andere eindeutige Widerrufserklärung auf der Webseite des Unternehmers auszufüllen und zu übermitteln. Macht der Verbraucher von dieser Möglichkeit Gebrauch, muss der Unternehmer dem Verbraucher den Zugang des Widerrufs unverzüglich auf einem dauerhaften Datenträger bestätigen.
(2) Die Widerrufsfrist beginnt
- 1.
bei einem Verbrauchsgüterkauf, - a)
der nicht unter die Buchstaben b bis d fällt, sobald der Verbraucher oder ein von ihm benannter Dritter, der nicht Frachtführer ist, die Waren erhalten hat, - b)
bei dem der Verbraucher mehrere Waren im Rahmen einer einheitlichen Bestellung bestellt hat und die Waren getrennt geliefert werden, sobald der Verbraucher oder ein von ihm benannter Dritter, der nicht Frachtführer ist, die letzte Ware erhalten hat, - c)
bei dem die Ware in mehreren Teilsendungen oder Stücken geliefert wird, sobald der Verbraucher oder ein vom Verbraucher benannter Dritter, der nicht Frachtführer ist, die letzte Teilsendung oder das letzte Stück erhalten hat, - d)
der auf die regelmäßige Lieferung von Waren über einen festgelegten Zeitraum gerichtet ist, sobald der Verbraucher oder ein von ihm benannter Dritter, der nicht Frachtführer ist, die erste Ware erhalten hat,
- 2.
bei einem Vertrag, der die nicht in einem begrenzten Volumen oder in einer bestimmten Menge angebotene Lieferung von Wasser, Gas oder Strom, die Lieferung von Fernwärme oder die Lieferung von nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen digitalen Inhalten zum Gegenstand hat, mit Vertragsschluss.
(3) Die Widerrufsfrist beginnt nicht, bevor der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den Anforderungen des Artikels 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Artikels 246b § 2 Absatz 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche unterrichtet hat. Das Widerrufsrecht erlischt spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach dem in Absatz 2 oder § 355 Absatz 2 Satz 2 genannten Zeitpunkt. Satz 2 ist auf Verträge über Finanzdienstleistungen nicht anwendbar.
(4) Das Widerrufsrecht erlischt bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen auch unter folgenden Voraussetzungen:
- 1.
bei einem Vertrag, der den Verbraucher nicht zur Zahlung eines Preises verpflichtet, wenn der Unternehmer die Dienstleistung vollständig erbracht hat, - 2.
bei einem Vertrag, der den Verbraucher zur Zahlung eines Preises verpflichtet, mit der vollständigen Erbringung der Dienstleistung, wenn der Verbraucher vor Beginn der Erbringung - a)
ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer mit der Erbringung der Dienstleistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt, - b)
bei einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag die Zustimmung nach Buchstabe a auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt hat und - c)
seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass sein Widerrufsrecht mit vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer erlischt,
- 3.
bei einem Vertrag, bei dem der Verbraucher den Unternehmer ausdrücklich aufgefordert hat, ihn aufzusuchen, um Reparaturarbeiten auszuführen, mit der vollständigen Erbringung der Dienstleistung, wenn der Verbraucher die in Nummer 2 Buchstabe a und b genannten Voraussetzungen erfüllt hat, - 4.
bei einem Vertrag über die Erbringung von Finanzdienstleistungen, wenn der Vertrag von beiden Seiten auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers vollständig erfüllt ist, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübt.
(5) Das Widerrufsrecht erlischt bei Verträgen über die Bereitstellung von nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen digitalen Inhalten auch unter folgenden Voraussetzungen:
- 1.
bei einem Vertrag, der den Verbraucher nicht zur Zahlung eines Preises verpflichtet, wenn der Unternehmer mit der Vertragserfüllung begonnen hat, - 2.
bei einem Vertrag, der den Verbraucher zur Zahlung eines Preises verpflichtet, wenn - a)
der Unternehmer mit der Vertragserfüllung begonnen hat, - b)
der Verbraucher ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer mit der Vertragserfüllung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt, - c)
der Verbraucher seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass durch seine Zustimmung nach Buchstabe b mit Beginn der Vertragserfüllung sein Widerrufsrecht erlischt, und - d)
der Unternehmer dem Verbraucher eine Bestätigung gemäß § 312f zur Verfügung gestellt hat.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Übrigen sowie im Kostenpunkt wird das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens und des Verfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger verlangt von der Beklagten Rückzahlung von Versicherungsbeiträgen und Schadensersatz.
- 2
- Er beantragte bei der Beklagten den Abschluss eines Rentenversicherungsvertrages mit Vertragsbeginn zum 1. Dezember 1998. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation erhielt er erst mit dem Versicherungsschein. Er wurde nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in drucktechnisch deutlicher Form über sein Widerspruchsrecht nach § 5a des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz - VVG) in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Juli 1994 (BGBl. I S. 1630) belehrt.
- 3
- Diese mehrfach geänderte und mit Ablauf des Jahres 2007 außer Kraft getretene Vorschrift hatte in der bis zum 31. Juli 2001 gültigen Fassung folgenden Wortlaut: "(1) Hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes unterlassen, so gilt der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen , wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von vierzehn Tagen nach Überlassung der Unterla- gen schriftlich widerspricht. … (2) Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht , den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist. Der Nachweis über den Zugang der Unterlagen obliegt dem Versicherer. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs. Ab- weichend von Satz 1 erlischt das Recht zum Widerspruch jedoch ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie."
- 4
- Von Dezember 1998 bis Dezember 2002 zahlte der Kläger Versicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 51.129,15 €. Nachdem er den Vertrag am 1. Juni 2007 gekündigt hatte, kehrte ihm die Beklagte im September 2007 einen Rückkaufswert von 52.705,94 € aus. Mit Schreiben vom 31. März 2008 erklärte der Kläger den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. gegenüber der Beklagten und forderte sie zur Rückzahlung aller Beiträge nebst Zinsen auf.
- 5
- Der Kläger meint, der Rentenversicherungsvertrag sei nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen die unten genannten Richtlinien verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe er den Widerspruch erklären können. Außerdem sei ihm die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie ihn vor Vertragsschluss nicht über Abschlusskosten, Provisionen, Stornokosten und deren Verrechnung nach dem Zillmerverfahren, die damit verbundenen Nachteile im Falle einer Kündigung sowie über die Berechnung der Überschussbeteiligung informiert habe.
- 6
- Das Landgericht hat die Klage, mit der der Kläger in der Hauptsache unter Verrechnung des Rückkaufswerts weitere 22.272,56 € von der Beklagten verlangt hat, abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Diese Forderung verfolgt der Kläger mit der Revision weiter.
- 7
- Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 28. März 2012 (VersR 2012, 608) dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung die Frage vorgelegt, ob Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Zwei- ten Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG (Zweite Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 330 S. 50) unter Berücksichtigung des Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 360 S. 1) dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung - wie § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. - entgegensteht , nach der ein Rücktritts- oder Widerspruchsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie erlischt, selbst wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rücktritt oder W iderspruch belehrt worden ist. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat durch Urteil vom 19. Dezember 2013 (C-209/12, VersR 2014, 225) die Vorlagefrage bejaht.
Entscheidungsgründe:
- 8
- Die Revision ist bezüglich der Schadensersatzforderung als unzulässig zu verwerfen. Im Übrigen führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 9
- A. Dieses hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt: Dem Kläger stehe kein Rückerstattungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu. Da er bei Antragstellung die Versicherungs- bedingungen und die Verbraucherinformation noch nicht von der Beklagten erhalten habe, sei trotz der übereinstimmenden Willenserklärungen beider Vertragsparteien der Versicherungsvertrag zunächst schwebend unwirksam gewesen und hätte durch den Widerspruch des Klägers endgültig unwirksam werden können. Die Beklagte habe den Kläger nicht in drucktechnisch hervorgehobener Form über sein Widerspruchsrecht belehrt , so dass die Widerspruchsfrist gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. nicht in Gang gesetzt worden sei. Der Vertrag sei gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. erst ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie, d.h. spätestens mit Ablauf des Monats Januar 2000, rückwirkend endgültig wirksam geworden. Der lange nach Ablauf der Jahresfrist erklärte Widerspruch des Klägers habe hieran nichts mehr ändern können. Die Regelung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sei unter Berücksichtigung des europäischen Rechts nicht zu beanstanden.
- 10
- Der Kläger habe auch keinen Schadensersatzanspruch auf Rückzahlung der Prämien und Erstattung entgangener Zinsvorteile wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss.
- 11
- B. Die unbeschränkt eingelegte Revision ist mangels Zulassung hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs nicht zulässig. Sie ist nur statthaft, soweit das Berufungsgericht ein Widerspruchsrecht des Klägers und einen daraus abgeleiteten Anspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verneint hat. Es hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung beschränkt auf die Frage, ob die Vorschriften des § 5a VVG a.F. den Regelungen der Europäischen Union entsprechen , zugelassen. Diese im Tenor und in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebrachte Beschränkung der Revisionszulassung ist wirksam. Es geht nicht um eine - unzulässige - Beschränkung auf einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen. Die zum Anlass für die Zulassung genommene Frage betrifft einen tatsächlich und rechtlich selbständigen , abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs, auf den auch die Partei selbst die Revision beschränken könnte (vgl. Senatsurteil vom 17. September 2008 - IV ZR 191/05, VersR 2008, 1524 Rn. 7; BGH, Urteile vom 19. April 2013 - V ZR 113/12, NJW 2013, 1948 Rn. 9; vom 27. September 2011 - II ZR 221/09, WM 2011, 2223 Rn. 18; Beschluss vom 16. Dezember 2010 - III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rn. 5; jeweils m.w.N.). Der dem Bereicherungsanspruch zugrunde liegende Sachverhalt kann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem für die Schadensersatzforderung maßgeblichen Prozessstoff beurteilt werden. Der - auf Vertragsaufhebung und Rückzahlung der Prämien gerichtete - Anspruch wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung, über den das Berufungsgericht entschieden hat, bestünde ungeachtet der Entscheidung zum Zustandekommen des Vertrags nach § 5a VVG a.F. und konnte daher von der Zulassung ausgenommen werden.
- 12
- C. Die Revision ist, soweit sie zulässig ist, begründet. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann dem Kläger ein Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht versagt werden.
- 13
- I. Der Kläger kann dem Grunde nach aus ungerechtfertigter Bereicherung Rückzahlung der an die Beklagte gezahlten Prämien verlangen, weil er diese rechtsgrundlos geleistet hat.
- 14
- 1. Ein Rechtsgrund ergibt sich nicht aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Rentenversicherungsvertrag. Dieser ist auf der Grundlage des § 5a VVG a.F. nicht wirksam zustande gekommen, weil der Kläger mit seinem Schreiben vom 31. März 2008 rechtzeitig den Widerspruch erklärt hat.
- 15
- a) Da die Beklagte dem Kläger bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben und eine den Anforderungen des § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) a.F. genügende Verbraucherinformation unterlassen hatte, hätte ein wirksamer Vertrag nur nach Maßgabe des § 5a VVG a.F. zustande kommen können. Diese Vorschrift regelte den Vertragsschluss nach dem so genannten Policenmodell. Der Antrag des Versicherungsnehmers stellte das Angebot zum Abschluss des Vertrages dar. Dieses nahm der Versicherer dadurch an, dass er dem Versicherungsnehmer mit der Versicherungspolice die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die für den Vertragsschluss maßgebliche Verbraucherinformation übersandte. Durch die Annahme kam der Vertrag aber noch nicht zustande; vielmehr galt er gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. erst dann als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassen der Unterlagen widersprach. Bis zum Ablauf dieser Frist war von einem schwebend unwirksamen Vertrag auszugehen (vgl. dazu nur Vorlagebeschluss vom 28. März 2012 - IV ZR 76/11, VersR 2012, 608 Rn. 10; Senatsurteil vom 24. November 2010 - IV ZR 252/08, VersR 2011, 337 Rn. 22; jeweils m.w.N.).
- 16
- Hier kann dahinstehen, ob das Policenmodell als solches mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist und ob sich ein Versicherungs- nehmer, der ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden ist und die Versicherungsbedingungen sowie eine Verbraucherinformation erhalten hat, darauf nach Durchführung des Vertrages berufen könnte. Jedenfalls wurde die 14-tägige Widerspruchsfrist gegenüber dem Kläger nicht in Lauf gesetzt. Nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts belehrte die Beklagte den Kläger auch im Zuge der Annahme des Antrags und Übersendung des Versicherungsscheins nicht in drucktechnisch deutlicher Form i.S. von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über sein Widerspruchsrecht.
- 17
- b) Für einen solchen Fall bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Nachdem der Kläger die erste von ihm geschuldete Prämie im Dezember 1998 gezahlt hatte, wäre nach dieser Bestimmung sein Recht zum Widerspruch längst erloschen gewesen, als er diesen im März 2008 erklärte. Indes bestand sein Widerspruchsrecht nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.
- 18
- aa) Das ergibt sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (VersR 2014, 225).
- 19
- (1) Dieser hat entschieden, dass Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung unter Berücksichtigung des Art. 31 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. entgegensteht, nach der ein Rücktrittsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Ver- sicherungsprämie erlischt, wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rücktritt belehrt worden ist (aaO Rn. 32).
- 20
- (2) An dieses Auslegungsergebnis sind die nationalen Gerichte gebunden. Sie sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgrund des in Art. 288 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankerten Umsetzungsgebots und des aus Art. 4 Abs. 3 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) folgenden Grundsatzes der Unionstreue zudem verpflichtet , die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung des ihnen dadurch eingeräumten Beurteilungsspielraums soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit ihr verfolgte Ziel zu erreichen (vgl. EuGH, Slg. 2004, I-8835 Rn. 113 - Pfeiffer u.a.; Slg. 1984, 1891 Rn. 26, 28 - von Colson u.a., jeweils m.w.N.). Der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung verlangt von den nationalen Gerichten mehr als bloße Auslegung im engeren Sinne entsprechend dem Verständnis in der nationalen Methodenlehre. Er erfordert auch, das nationale Recht, wo dies nötig und nach der nationalen Methodenlehre möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden (BGH, Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, juris Rn. 10; Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 30; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 21 m.w.N.; Riesenhuber /Roth, Europäische Methodenlehre 2. Aufl. 2010 § 14 Rn. 17 m.w.N.). Terminologisch unterscheidet der Gerichtshof der Europäischen Union nicht zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung (Riesenhuber/Neuner aaO § 13 Rn. 2; Riesenhuber/Roth aaO § 14 Rn. 17; Höpfner, RdA 2013, 16, 22 m.w.N.; Mörsdorf, ZIP 2008, 1409, 1415 m.w.N.). Allerdings findet die Pflicht zur Verwirklichung des Richtlinienziels im Auslegungswege zugleich ihre Grenzen an dem nach innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubten (BVerfG, NJW 2012, 669 Rn. 47 m.w.N.).
- 21
- (3) Einer Auslegung im engeren Sinne ist § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. nicht zugänglich. Dem steht der eindeutige Wortlaut der Vorschrift entgegen. Sie bestimmte ein Erlöschen des Widerspruchsrechts unabhängig davon, ob der Versicherungsnehmer über dieses Recht belehrt war. Die Regelung ist aber richtlinienkonform teleologisch dergestalt zu reduzieren, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung (Art. 1 Ziffer 1 A bis C der Ersten Richtlinie 79/267/EWG des Rates vom 5. März 1979 zur Koordinierungder Rechtsund Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Direktversicherung (Lebensversicherung) i.V.m. Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992) grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat. Hingegen ist § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. - innerhalb seiner zeitlichen Geltungsdauer - für alle Versicherungsarten außerhalb des Bereichs der Richtlinien unverändert anwendbar.
- 22
- (a) Die Vorschrift weist die für eine teleologische Reduktion erforderliche verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes auf (vgl. BGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 31; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 22 m.w.N.).
- 23
- (aa) Eine solche liegt vor, wenn das ausdrücklich angestrebte Ziel einer richtlinienkonformen Umsetzung durch die Regelung nicht erreicht worden ist und ausgeschlossen werden kann, dass der Gesetzgeber die Regelung in gleicher Weise erlassen hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass sie nicht richtlinienkonform ist (BGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 34; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 25 m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, juris Rn. 11). Eine planwidrige Regelungslücke ist nicht nur dann gegeben, wenn Wertungswidersprüche zwischen zwei innerstaatlichen Normen bestehen (so aber: OLG München VersR 2013, 1025, 1029 m.w.N.; Höpfner, RdA 2013, 16, 22 unter Berufung auf BGH, Urteil vom 26. November 2008 aaO). Dies lässt sich der genannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht entnehmen und entspricht auch nicht etwa einem zwingenden Verständnis der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Dieser hat sich im Sinne einer Vermutungsregel geäußert, dass ein Mitgliedstaat , der von einem mit einer Richtlinie eingeräumten Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht hat, die Verpflichtungen aus der Richtlinie auch in vollem Umfang umsetzen wollte (EuGH, Slg. 2004, I-8835 Rn. 112 - Pfeiffer u.a.). Der Normzweck ist daher - außer im Falle einer ausdrücklichen Umsetzungsverweigerung - unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens zu bestimmen, eine Richtlinie korrekt umzusetzen. Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, dass er sehenden Auges einen Richtlinienverstoß in Kauf nehmen wollte (vgl. zu § 5 Abs. 2 HWiG a.F. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 257). Die Richtlinie dient dabei gleichzeitig als Maßstab der Lückenfeststellung sowie der Lückenschließung (Mörsdorf, ZIP 2008, 1409, 1415 m.w.N.).
- 24
- (bb) § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. steht in Widerspruch zu dem mit dem Gesetz verfolgten Grundanliegen, die Dritte Richtlinie Lebensversicherung ordnungsgemäß umzusetzen. Bei § 5a VVG a.F. handelt es sich insgesamt um eine Umsetzungsnorm. Aus der Begründung des Regierungsentwurfs des Dritten Durchführungsgesetzes/EWG zum VAG ergibt sich, dass der in diesem Gesetz enthaltene neue § 10a u.a. Art. 31 i.V.m. Anhang II. A. der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie über die Verbraucherinformation vor Abschluss und während der Laufzeit des Versicherungsvertrages in deutsches Recht umsetzt (BT-Drucks. 12/6959 S. 55). Die Verbraucherinformation sollte eingeführt werden, weil bei den unter die Dritte Richtlinie fallenden Versicherungsunternehmen die Bedingungen und Berechnungsgrundlagen nicht mehr Teil des vorab zu genehmigenden Geschäftsplanes waren (Begr. Ausschussempfehlung BT-Drucks. 12/7595 S. 102). Der aufgrund der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses hinzugekommene neue § 5a VVG stellt eine Einschränkung des § 10a VAG dar. Er beruht ausweislich der Begründung dieser später umgesetzten Anregung darauf, dass die im Regierungsentwurf des § 10a VAG geplanten, vor Abschluss des Vertrages zu erfüllenden Informationsverpflichtungen "in der Praxis auf z.T. unüberwindbare Schwierigkeiten stießen" (BT-Drucks. 12/7595 aaO). Vor diesem Hintergrund stellen § 10a VAG und § 5a VVG einen einheitlich zu betrachtenden Komplex dar, mit dem die Dritte Richtlinie Lebensversicherung in deutsches Recht umgesetzt wurde (ebenso Brand, VersR 2014, 269, 274). Dies ist auch der Begründung der Ausschussempfehlung zu entnehmen, die ausdrücklich von einer Verknüpfung der Vorschriften des § 10a VAG und § 5a VVG spricht. Die Regelung in zwei verschiedenen Gesetzen beruhe lediglich darauf, dass die Konkretisierung der Verbraucherinformation im VAG verbleiben müsse, weil es sich um eine gewerberechtliche Frage handele und die Ansiedlung im VAG Voraussetzung für eine Kontrolle durch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen sei (BT-Drucks. 12/7595 aaO).
- 25
- Der nationale Gesetzgeber bezweckte danach mit § 5a VVG a.F. nicht primär eine Harmonisierung des Aufsichtsrechts. Diese - in der Instanzrechtsprechung immer wieder vertretene - These lässt sich aus dem für die Verbraucherinformation maßgeblichen 23. Erwägungsgrund zur Dritten Richtlinie Lebensversicherung, die der nationale Gesetzgeber umsetzen wollte, nicht entnehmen. Dort wird das Informationsbedürfnis des Versicherungsnehmers so umschrieben: "Im Rahmen eines einheitlichen Versicherungsmarkts wird dem Verbraucher eine größere und weiter gefächerte Auswahl von Verträgen zur Verfügung stehen. Um diese Vielfalt und den verstärkten Wettbewerb voll zu nutzen, muss er im Besitz der notwendigen Informationen sein, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen." Ein Bezug zum Aufsichtsrecht ist daraus nicht zu entnehmen.
- 26
- Die zu der Ausnahmeregelung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. gegebene Begründung, die Ausschlussfrist sei im Interesse des Rechtsfriedens erforderlich (BT-Drucks. 12/7595 S. 111), ändert nichts am Zweck des gesamten Regelungskomplexes, die Richtlinie umzusetzen. Strebt der Gesetzgeber eine richtlinienkonforme Umsetzung an, ist diesem - wenn auch möglicherweise unvollkommen verwirklichten - Zweck Vorrang vor der mit der Einzelnorm verfolgten Zielrichtung zu geben (vgl. Riesenhuber/Roth, Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. 2010 § 14 Rn. 59; so im Ergebnis auch BGH; Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, juris; Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27; vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248; a.A. Brand, VersR 2014, 269, 274).
- 27
- (b) Die Regelungslücke des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ist richtlinienkonform dergestalt zu schließen, dass die Vorschrift im Bereich der Lebens- und Rentenversicherung und der Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung nicht anwendbar ist, aber auf die von der Dritten Richtlinie Lebensversicherung nicht erfassten Versicherungsarten uneingeschränkt Anwendung findet (so auch OLG Celle, Urteil vom 27. Februar 2014 - 8 U 192/13, juris Rn. 42 ff.).
- 28
- (aa) Die Ausfüllung einer Regelungslücke durch die Gerichte muss den allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen entsprechen und in möglichst enger Anlehnung an das geltende Recht vorgenommen werden (BVerfGE 37, 67, 81). Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union sind im Rahmen einer interpretatorischen Gesamtabwägung (vgl. Riesenhuber /Habersack/Mayer, Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. 2010 § 15 Rn. 37) hinreichend umzusetzen. Dabei dürfen die Grenzen des den Gerichten im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung zustehenden Gestaltungsspielraums nicht überschritten werden (vgl. hierzu Palandt/ Sprau, BGB 73. Aufl. Einl. Rn. 56). Weder das Gemeinschaftsrecht noch das nationale Recht fordern eine einheitliche Auslegung des europäischen und des national-autonomen Rechts (Riesenhuber/Habersack/ Mayer aaO § 15 Rn. 24 ff., 36; Mörsdorf, ZIP 2008, 1409, 1416 m.w.N. auch zur Gegenauffassung). Das Gebot richtlinienkonformer Auslegung des nationalen Rechts reicht nur so weit wie der in Art. 288 Abs. 3 AEUV verankerte Umsetzungsbefehl der entsprechenden Richtlinie (Mörsdorf aaO). Zulässig ist demnach eine gespaltene Auslegung dergestalt, dass eine nationale Norm durch richtlinienkonforme Auslegung nur insoweit korrigiert wird, als sie mit den Anforderungen der Richtlinie nicht übereinstimmt , und im überschießenden - nicht europarechtlich determinierten - Teil unverändert bleibt (vgl. Riesenhuber/Habersack/Mayer aaO § 15 Rn. 36 f.).
- 29
- (bb) Der gegenüber der allgemeinen, für alle Versicherungen geltenden Regelung des § 5a VVG a.F. engere Anwendungsbereich der Dritten Richtlinie Lebensversicherung nur für Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung rechtfertigt eine gespaltene Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. Auf diese Weise wird zum einen dem Willen des Gesetzgebers zur Umsetzung der Richtlinie Rechnung getragen und zum anderen für die übrigen, nicht davon erfassten Versicherungsarten die Ausschlussfrist im Interesse der angestrebten Rechtssicherheit beibehalten. Der Gesetzgeber wollte im allgemeinen Teil des VVG eine einheitliche Bestimmung für alle Versicherungsarten treffen. Dies ergibt sich daraus, dass er auf eine Definition des genauen Zeitpunktes der Informationserteilung verzichtet hat, um bei der Frage, wann eine Information noch vor Abschluss des Vertrages erfolgt, den Besonderheiten der einzelnen Versicherungsarten und Vertriebsformen Rechnung tragen zu können und Raum für vertragliche Vereinbarungen zu lassen (Begr. RegE BT-Drucks. 12/6959 S. 55). Der Gesetzgeber hat zwei Entscheidungen getroffen: eine Strukturentscheidung , das Widerspruchsrecht und sein Erlöschen einheitlich für alle Versicherungen zu regeln, und eine Sachentscheidung mit dem Inhalt des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. (vgl. zu dieser Differenzierung grundsätzlich Riesenhuber/Habersack/Mayer, Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. 2010 aaO § 15 Rn. 38). Die Richtlinienwidrigkeit der Sachentscheidung im Bereich der von der Richtlinie erfassten Versicherungsarten war ihm nicht bekannt. Dass er an der Strukturentscheidung festgehalten hätte, wenn er eine abweichende Sachentscheidung für Lebens- und Rentenversicherungen hätte treffen müssen, ist nicht anzunehmen (vgl. Riesenhuber /Habersack/Mayer aaO § 15 Rn. 38 m.w.N.; Mayer/Schürnbrand, JZ 2004, 545, 551). Eine Vermutung, der Gesetzgeber hätte für den gesamten Anwendungsbereich der Vorschrift eine richtlinienkonforme Auslegung gewollt, lässt sich aus der Gleichbehandlung im Wortlaut der Norm nicht herleiten (vgl. Herdegen, WM 2005, 1921, 1930 zu § 5 Abs. 2 HWiG a.F.). In einem Großteil der Anwendungsfälle der Norm kann der gesetzgeberische Wille Geltung erlangen, ohne den Anwendungsbereich der Richtlinie zu berühren (vgl. Herdegen aaO). Im überschießend geregelten Bereich der Nicht-Lebensversicherung sind abweichende Auslegungsgesichtspunkte zu beachten (vgl. Riesenhuber/Habersack/Mayer aaO § 15 Rn. 43). Insoweit bestehen keine entsprechenden Richtlinienvorgaben.
- 30
- Die mit dem Dritten Durchführungsgesetz/EWG zum VAG ebenfalls umgesetzte Dritte Richtlinie Schadenversicherung (Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung ) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG; ABl. L 228 S. 1) fordert zwar auch Verbraucherinformationen , sieht jedoch - anders als die Dritte Richtlinie Lebensversicherung - nicht vor, dem Versicherungsnehmer vor Abschluss des Vertrages "mindestens" die "Modalitäten der Ausübung des Widerrufs und Rücktrittsrechts" mitzuteilen. Zudem hält das nationale Recht den Versicherungsnehmer außerhalb der Lebensversicherung im Hinblick auf die zu erteilenden Informationen für weniger schützenswert. Darauf deutet das in der Empfehlung des Finanzausschusses zu § 5a VVG a.F. genannte Beispiel des Rückkaufswertes in der Lebensversicherung hin (Begr. Aus- schussempfehlung, BT-Drucks. 12/7595 S. 102). Den Produkten der Lebensversicherung wird große Komplexität beigemessen, was die Bedeutung des Verbraucherschutzes erhöht. Hinzu kommt, dass sich der Versicherungsnehmer einer Lebens- oder Rentenversicherung, anders als bei Versicherungen mit jährlicher Wechselmöglichkeit, regelmäßig über einen langen Zeitraum an das Produkt und den Versicherer bindet. Die Entscheidung für einen Vertrag hat hier weiter reichende Folgen und größere wirtschaftliche Bedeutung als bei den meisten anderen Versicherungsarten. Dies findet Ausdruck in § 5a Abs. 1 Satz 2 VVG in der Fassung vom 2. Dezember 2004, der die Widerspruchsfrist für Lebensversicherungsverträge entsprechend der Vorgabe des Art. 17 der Fernabsatzrichtlinie II (Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABl. L 271 S. 16) auf 30 Tage verlängert und damit mehr als verdoppelt hat. Mit Blick auf die besondere Bedeutung der Lebens- und Rentenversicherungen gebietet Art. 3 Abs. 1 GG keine Gleichbehandlung von Lebensund Rentenversicherungen mit anderen Versicherungen.
- 31
- (cc) Das gegen eine gespaltene Auslegung angeführte Argument der Abgrenzungsschwierigkeiten (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 261 f.) greift bei § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. nicht. Eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Versicherungsarten ist ohne weiteres möglich und hängt - anders als die Unterscheidung zwischen verschiedenen Haustürsituationen - nicht von Zufällen des Geschehensablaufes ab.
- 32
- Die gespaltene Auslegung verstößt auch nicht gegen das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Prinzip der Rechtssicherheit, das Vertrauensschutz für den Bürger gewährleistet. Durfte die betroffene Partei mit der Fortgeltung der bisherigen Rechtslage rechnen und verdient dieses Interesse bei einer Abwägung mit den Belangen des Vertragspartners und den Anliegen der Allgemeinheit den Vorzug, liegt ein Eingriff in rechtlich geschützte Positionen vor (BGH, Urteil vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 33 m.w.N.). Die uneingeschränkte Anwendung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. konnte nicht als gesichert angesehen werden, weil ihre Richtlinienkonformität im Schrifttum von Anfang an bezweifelt wurde (Berg, VuR 1999, 335, 341 f.; Lorenz, VersR 1997, 773, 782; vgl. Vorlagebeschluss vom 28. März 2012 - IV ZR 76/11, VersR 2012, 608 Rn. 16 m.w.N.).
- 33
- Die richtlinienkonforme Reduktion des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. bedeutet keine gesetzeswidrige (contra legem) Rechtsschöpfung (so aber OLG München, Urteil vom 10. Oktober 2013 - 14 U 1804/13, juris Rn. 52 ff.; VersR 2013, 1025, 1028). Wie ausgeführt, kann § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. zwar nicht im engeren Sinne ausgelegt, jedoch im Wege der nach nationalem Recht zulässigen und erforderlichen teleologischen Reduktion richtlinienkonform fortgebildet werden, so dass ein ausreichender Anwendungsbereich der gesetzgeberischen Sachentscheidung verbleibt.
- 34
- Schließlich lässt sich der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung nicht entgegenhalten, sie laufe auf eine - in ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union abgelehnte (EuGH, NJW 1994, 2473 Rn. 20 - Dori/Recreb; NJW 1986, 2178 Rn. 48 - Marshall) - horizon- tale Drittwirkung der Richtlinie hinaus (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 259 f.). Zur Anwendung kommt vielmehr im Rahmen des national methodologisch Zulässigen fortgebildetes nationales Recht.
- 35
- bb) Das Widerspruchsrecht des Klägers ist nicht aus anderen Gründen entfallen.
- 36
- (1) Die vom Kläger ausgesprochene Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren Widerspruch nicht entgegen. Da der Kläger über sein Widerspruchsrecht nicht ausreichend belehrt wurde, konnte er sein Wahlrecht zwischen Kündigung und Widerspruch nicht sachgerecht ausüben (vgl. Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 52/12, VersR 2013, 1513 Rn. 24).
- 37
- (2) Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt - anders als in der Sache IV ZR 52/12 (aaO) - schon deshalb nicht in Betracht, weil eine entsprechende Anwendung der Regelungen in den §§ 7 Abs. 2 VerbrKrG, 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG nach Außerkrafttreten dieser Gesetze nicht mehr möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2009 - XI ZR 260/08, WM 2010, 34 Rn. 16).
- 38
- cc) Der Kläger verstößt mit seiner Rechtsausübung nicht gegen Treu und Glauben.
- 39
- (1) Entgegen der Ansicht der Beklagten hat er sein Recht zum Widerspruch nicht verwirkt. Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und be- sondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (st. Rspr., BGH, Urteil vom 23. Januar 2014 - VII ZR 177/13, NJW 2014, 1230 Rn. 13 m.w.N.). Es fehlt hier jedenfalls am Umstandsmoment. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Beklagte schon deshalb nicht in Anspruch nehmen , weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie dem Kläger keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilte (vgl. dazu unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit EuGH, VersR 2014, 225 Rn. 30).
- 40
- (2) Aus demselben Grund liegt in der Geltendmachung des bereicherungsrechtlichen Anspruchs keine widersprüchliche und damit unzulässige Rechtsausübung (vgl. dazu Brand, VersR 2014, 269, 276). Widersprüchliches Verhalten ist nach der Rechtsordnung grundsätzlich zulässig und nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Eine Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (BGH, Urteil vom 15. November 2012 - IX ZR 103/11, NJW-RR 2013, 757 Rn. 12 m.w.N.). Die Beklagte kann keine vorrangige Schutzwürdigkeit für sich beanspruchen, nachdem sie es versäumt hat, den Kläger über sein Widerspruchsrecht zu belehren.
- 41
- 2. Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind entgegen der Ansicht der Beklagten nicht - etwa in Anlehnung an die Rechtsfigur des faktischen Vertragsverhältnisses - auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken.
- 42
- a) Allein eine Rückwirkung entspricht dem Effektivitätsgebot (effet utile). Stünde dem Versicherungsnehmer bei unterbliebener oder unzureichender Widerspruchsbelehrung nur ein Lösungsrecht mit Wirkung ex nunc zu, bliebe der Verstoß gegen die Belehrungspflicht sanktionslos. Dies würde dem Gebot des Art. 4 Abs. 3 EUV nicht gerecht, der verlangt, dass sich die Union und die Mitgliedstaaten gegenseitig bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus den Verträgen ergeben, achten und unterstützen. Daher darf die Anwendung des nationalen Rechts die Tragweite und die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigen. Dies bedeutet auch, die Vorgaben der Richtlinien und des Gerichtshofs der Europäischen Union im nationalen Recht möglichst vollständig durchzusetzen (EuGH, NZA 2013, 891 Rn. 71 - Asociatia ACCEPT). Wie der Gerichtshof der Europäischen Union ausgeführt hat, regelten die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung nicht den Fall, dass der Versicherungsnehmer nicht über sein Rücktrittsrecht belehrt wurde, und damit auch nicht die Folgen, die das Unterbleiben der Belehrung für dieses Recht haben konnte. Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 3 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung sah vor, dass "die [für den Rücktritt erforderlichen Voraus- setzungen … gemäß dem auf den Versicherungsvertrag … anwendbaren [nationalen] Recht geregelt [wurden]" (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-209/12, VersR 2014, 225 Rn. 22). Die Mitgliedstaaten mussten jedoch dafür sorgen, dass die praktische Wirksamkeit der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung unter Berücksichtigung des mit diesen verfolgten Zwecks gewährleistet ist (EuGH aaO Rn. 23). Aus der Struktur und aus dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der Dritten Richtlinie Lebensversicherung hat der Gerichtshof der Europäischen Union eindeutig geschlossen, mit ihr habe sichergestellt werden sollen, dass der Versicherungsnehmer insbesondere über sein Rücktrittsrecht genau belehrt wird (EuGH aaO Rn. 25).
- 43
- Eine nationale Bestimmung wie § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., wonach das Recht des Versicherungsnehmers, von dem Vertrag zurückzutreten , zu einem Zeitpunkt erlischt, zu dem er über dieses Recht nicht belehrt war, läuft daher nach Ansicht des Gerichtshofs der Europäischen Union der Verwirklichung eines grundlegenden Ziels der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung und damit deren praktischer Wirksamkeit zuwider (EuGH aaO Rn. 26). Diese kann nur gewährleistet werden , wenn der nicht ordnungsgemäß belehrte Versicherungsnehmer im Falle eines Widerspruchs die von ihm gezahlten Prämien grundsätzlich zurückerhält. Das gilt umso mehr, als es bei dem in § 5a VVG a.F. vorgesehenen Widerspruch nicht um den Rücktritt von einem bereits zustande gekommenen Vertrag geht, sondern darum, das Zustandekommen des Vertrages zu verhindern. Nichts anderes ergibt sich aus Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 2 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung. Danach soll der Versicherungsnehmer für die Zukunft von allen aus diesem Vertrag resultierenden Verpflichtungen befreit werden. Dies betrifft aber nur den Fall, dass er ordnungsgemäß belehrt wurde. Der nicht oder nicht ausreichend belehrte Versicherungsnehmer muss hingegen so gestellt werden, als ob er ordnungsgemäß belehrt worden wäre. Dann hätte er sein Widerspruchsrecht ausüben können und mangels wirksamen Vertrages keine Prämien gezahlt.
- 44
- b) Eine Einschränkung der bereicherungsrechtlichen Abwicklung ist nicht etwa geboten, um Widersprüche zu den §§ 9 Abs. 1 und 152 Abs. 2 VVG n.F. zu vermeiden. Danach erhält der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung den auf die Zeit nach Zugang des Widerrufs entfallenden Teil der Prämien, wenn er auf sein Widerrufsrecht, die Rechtsfolgen des Widerrufs und den zu zahlenden Betrag hingewiesen worden ist und zugestimmt hat, dass der Versicherungsschutz vor Ende der Widerrufsfrist beginnt, und bei Unterbleiben des Hinweises zusätzlich den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile oder - falls dies günstiger ist - die für das erste Jahr des Versicherungsschutzes gezahlten Prämien zurück. Einer rückwirkenden analogen Anwendung der genannten Vorschriften steht Art. 1 Abs. 1 EGVVG entgegen, nach dem auf Altverträge grundsätzlich bis zum 31. Dezember 2008 das Versicherungsvertragsgesetz in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung anzuwenden ist. Unabhängig davon, ob man im Vertragsschluss bereits einen abgeschlossenen Sachverhalt sieht, in den wegen des Verbotes der echten Rückwirkung nicht eingegriffen werden darf (so Looschelders/Pohlmann/Brand, VVG 2. Aufl. Art. 1 EGVVG Rn. 14), können auf Altverträge Vorschriften des neuen VVG, die vor oder bei Abschluss des Vertrages zu beachten sind, auch nach dem 31. Dezember 2008 keine Anwendung finden (Begr. RegE BT-Drucks. 16/3945 S. 118 zu Art. 1 Abs. 1 EGVVG). Das gilt auch für das Widerrufsrecht des § 8 Abs. 1 VVG n.F., das den Vertragsparteien bei Vertragsschlüssen vor 2008 nicht bekannt sein konnte, sowie für die Rechtsfolgen des Widerrufs gemäß den §§ 9 Abs. 1, 152 Abs. 2 VVG n.F., die an die vorvertragliche Belehrungspflicht nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VVG n.F. anknüpfen.
- 45
- II. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch des Klägers nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle Prämien, die er an die Beklagte gezahlt hat, ohne hierzu durch einen wirksamen Versicherungsvertrag verpflichtet zu sein. Im Rahmen einer gemeinschaftsrechtlich geforderten rechtsfortbildenden Auslegung einer nationalen Norm darf bei der Regelung der Rechtsfolgen des Widerspruchs nach nationalem Recht ein vernünftiger Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den Beteiligten hergestellt werden (vgl. EuGH, NJW 2010, 1511 Rn. 48; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2010 - II ZR 250/09, juris unter 1). Eine einschränkungslose Ausgestaltung des W iderspruchsrechts auch auf der Rechtsfolgenseite wäre nicht sachgerecht. Der Versicherungsnehmer hat während der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen. Es ist davon auszugehen, dass er diesen im Versicherungsfall in Anspruch genommen und sich - selbst bei zwischenzeitlich erlangter Kenntnis von seinem Widerspruchsrecht - gegen eine Rückabwicklung entschieden hätte. Mit Blick darauf führte eine Verpflichtung des Versicherers zur Rückgewähr sämtlicher Prämien zu einem Ungleichgewicht innerhalb der Gemeinschaft der Versicherten (so auch OLG München, VersR 2013, 1025 Rn. 28). Daher muss sich der Kläger im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den Versicherungsschutz anrechnen lassen, den er jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossen hat. Erlangter Versicherungsschutz ist ein Vermögensvorteil , dessen Wert nach den §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 2 BGB zu ersetzen sein kann (BGH, Urteile vom 30. Juni 1983 - III ZR 114/82, NJW 1983, 2692 unter III 3; vom 2. Dezember 1982 - III ZR 90/81, NJW 1983, 1420 unter IV 1 b). Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen wer- den; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen.
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- Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben. Das gilt auch für die vom Kläger geltend gemachten und von der Beklagten in Abrede gestellten Nutzungszinsen, mit denen sich das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang nicht befasst hat.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 13.07.2010- 22 O 587/09 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 31.03.2011- 7 U 147/10 -
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.