Landgericht Düsseldorf Urteil, 08. Sept. 2016 - 4c O 67/15

Gericht
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,
a) Spritzen aus Kunststoff für den Gebrauch mit einer Dosiervorrichtung mit einer Aufnahme für einen Spritzenzylinder und einer axial verlagerbaren Kolbenaufnahme für einen Spritzenkolben mit
- einem Spritzenzylinder
- und einem Spritzenkolben, wobei
- der Spritzenzylinder und der Spritzenkolben aus ein- und demselben oder aus unterschiedlichen Kunststoffen hergestellt sind,
- der Spritzenzylinder unten einen Austritt,
- oben am Außenumfang einen Zentrierbund, der einen im Wesentlichen kreisscheibenförmigen Anlageabschnitt aufweist, zum Einsetzen in die Aufnahme,
- einen mit dem Austritt verbundenen zylindrischen Kolbenlaufbereich mit einem ersten Innendurchmesser, in dem der Spritzenkolben abdichtend geführt ist,
- und der Spritzenkolben am oberen Ende ein Kupplungsstück zum Einsetzen in die Kolbenaufnahme aufweist,
bei denen der Spritzenzylinder zumindest in einem Abstand von mindestens 3 mm von seinem oberen Ende einen Zentrierbereich zum Einführen eines Zentrierelements mit axialem Durchgang in der Aufnahme, durch den hindurch das Kupplungsstück steckbar ist, so dass der Spritzenkolben aus dem Spritzenzylinder herausgezogen werden kann, der Dosiervorrichtung aufweist, der einen zweiten Innendurchmesser hat, der den ersten Innendurchmesser überschreitet und zumindest 16,2 mm und höchstens 17,7 mm beträgt,
in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
b) Spritzenfamilien für den Gebrauch mit einer Dosiervorrichtung (370) mit einer Aufnahme (39) für einen Spritzenzylinder und einer axial verlagerbaren Kolbenaufnahme für einen Spritzenkolben umfassend
- mehrere Spritzen aus Kunststoff mit verschiedenen Füllvolumina mit jeweils
- einem Spritzenzylinder
- und einem Spritzenkolben, wobei
- der Spritzenzylinder und der Spritzenkolben aus ein- und demselben oder aus unterschiedlichen Kunststoffen hergestellt sind,
- der Spritzenzylinder unten einen Austritt,
- oben am Außenumfang einen Zentrierbund, der einen im Wesentlichen kreisscheibenförmigen Anlageabschnitt aufweist, zum Einsetzen in die Aufnahme,
- einen mit dem Austritt verbundenen zylindrischen Kolbenlaufbereich mit einem ersten Innendurchmesser, in dem der Spritzenkolben abdichtend geführt ist,
- der Spritzenkolben am oberen Ende ein Kupplungsstück zum Einsetzen in die Kolbenaufnahme aufweist
bei denen der Spritzenzylinder zumindest in einem Abstand von mindestens 3 mm von seinem oberen Ende einen Zentrierbereich zum Einsetzen eines Zentrierelements mit axialem Durchgang in der Aufnahme, durch den hindurch das Kupplungsstück steckbar ist, so dass der Spritzenkolben aus dem Spritzenzylinder herausgezogen werden kann, der Dosiervorrichtung des Zentrierelementes aufweist und die Zentrierbereiche von Spritzen mit verschiedenen Füllvolumina innen eine übereinstimmende Kontur aufweisen,
in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
2. der Klägerin unter Vorlage eines nach Kalenderjahren geordneten Verzeichnisses Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 02.03.2011 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und -zeiträume;
b) der einzelnen eigenen Lieferungen unter Angabe der Liefermengen, -zeiten und -preise, jeweils zugeordnet zu Typenbezeichnungen, und unter Angaben der Namen und Anschriften der Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, jeweils unter Vorlage von Belegen in Form von Rechnungen, hilfsweise Lieferscheinen, soweit Rechnungen nicht vorhanden sind;
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, jeweils zugeordnet zu Typenbezeichnungen, und unter Angaben der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, sowie bei Internetwerbung der Schaltungszeiträume, der Domain, unter der die Werbung geschaltet war, sowie der Suchmaschinen, unter denen die fraglichen Seiten einzeln oder in einem Gesamtpaket angemeldet waren;
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren auf geschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;
wobei
die Angaben zu e) erst ab dem 12.12.2014 zu machen sind;
der Beklagten ferner vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger sowie der nicht gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
und wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine, nur in Kopie vorzulegen, wobei die Beklagte solche Informationen schwärzen darf, an denen sie Geheimhaltungsinteressen geltend macht, soweit diese mit den beschriebenen Handlungen nicht in einem Zusammenhang stehen;
3. die vorstehend unter Ziffer I.1. bezeichneten, im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen und seit dem 12.12.2014 in Verkehr gelangten Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen und wieder an sich zu nehmen, indem diejenigen Dritte, denen durch die Beklagten oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass das Gericht mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des deutschen Teils des EP A erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des ggf. bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird;
4. die sich in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen oder nach erfolgtem Rückruf befindenden Erzeugnisse nach Ziffer I.1. zu vernichten;
5. an die Klägerin 10.343,80 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.09.2015 zu zahlen.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,
1. der Klägerin für die zu Ziffer I.1. bezeichneten, in der Zeit vom 02.03.2011 bis zum 11.12.2014 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
2. der Kläger allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 12.12.2014 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;
III. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
IV. Das Urteil ist im Hinblick auf die Ziffern I.1., I.3. und I.4. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 450.000,00 €, im Hinblick auf die Ziffer I.2. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,00 € und im Hinblick auf die Ziffern I.5. und III. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
V. Der Streitwert wird auf 750.000,00 € festgesetzt.
1
T a t b e s t a n d:
2Die Klägerin macht Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Feststellung der Schadensersatz- und Entschädigungspflicht, Vernichtung und Rückruf sowie Ersatz von vorgerichtlichen Abmahnkosten aus dem deutschen Teil des in Kraft stehenden Europäischen Patents EP A(Anlage K(B) 1; im Folgenden: Klagepatent) geltend. Das Klagepatent wurde am 27.07.2009 angemeldet und die Anmeldung am 02.02.2011 veröffentlicht. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 12.11.2014 bekanntgemacht.
3Das Klagepatent bezieht sich unter anderem auf eine Spritze und eine Spritzenfamilie für den Gebrauch mit einer Dosiervorrichtung. Mit Schriftsatz vom 28.07.2015 hat die Beklagte gegen das Klagepatent Einspruch erhobenen und diesen mit Schriftsatz vom 04.08.2015 (Anlage KAP 1) begründet. Über den Einspruch ist noch nicht entschieden, die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes hat mit Zwischenbescheid vom 25.07.2016 jedoch eine vorläufige Einschätzung abgegeben. Wegen des weiteren Inhalts des Bescheides wird auf die Anlage K 19 Bezug genommen.
4Die Klägerin ist eine international agierende Herstellerin von Gerätesystemen für den Einsatz in Laboratorien und vertreibt insoweit unter der Bezeichnung „B“ klagepatentgemäße Spritzen sowie unter der Bezeichnung „C“ eine ebensolche Dosiervorrichtung.
5Die Ansprüche 1 und 8 des Klagepatents lauten:
6„1. Spritze aus Kunststoff für den Gebrauch mit einer Dosiervorrichtung (370) mit einer Aufnahme (39) für einen Spritzenzylinder (2) und einer axial verlagerbaren Kolbenaufnahme (43) für einen Spritzenkolben (3) mit
7- einem Spritzenzylinder (2)
8- und einem Spritzenkolben (3), wobei
9- der Spritzenzylinder (2) und der Spritzenkolben (3) aus ein- und demselben oder aus unterschiedlichen Kunststoffen hergestellt sind,
10- der Spritzenzylinder (2) unten einen Austritt,
11- oben am Außenumfang einen Zentrierbund (12), der einen im Wesentlichen kreisscheibenförmigen Anlageabschnitt (13.1) aufweist, zum Einsetzen in die Aufnahme (39),
12- einen mit dem Austritt verbundenen zylindrischen Kolbenlaufbereich (5) mit einem ersten Innendurchmesser, in dem der Spritzenkolben (3) abdichtend geführt ist,
13- und der Spritzenkolben (3) am oberen Ende ein Kupplungsstück (21) zum Einsetzen in die Kolbenaufnahme (43) aufweist
14dadurch gekennzeichnet,
15- dass der Spritzenzylinder (3) zumindest in einem Abstand von mindestens 3 mm von seinem oberen Ende einen Zentrierbereich (11) zum Einführen eines Zentrierelements (60) mit axialem Durchgang in der Aufnahme (39), durch den hindurch das Kupplungsstück (21) steckbar ist, sodass der Spritzenkolben (3) aus dem Spritzenzylinder (3) herausgezogen werden kann, der Dosiervorrichtung (370) aufweist, der einen zweiten Innendurchmesser hat, der den ersten Innendurchmesser überschreitet und zumindest 16,2 mm und höchstens 17,7 mm beträgt.
168. Spritzenfamilie für den Gebrauch mit einer Dosiervorrichtung (370) mit einer Aufnahme (39) für einen Spritzenzylinder (2) und einer axial verlagerbaren Kolbenaufnahme (43) für einen Spritzenkolben (3) umfassend
17- mehrere Spritzen (1) aus Kunststoff mit verschiedenen Füllvolumina mit jeweils
18- einem Spritzenzylinder (2)
19- und einem Spritzenkolben (3), wobei
20- der Spritzenzylinder (2) und der Spritzenkolben (3) aus ein- und demselben oder aus unterschiedlichen Kunststoffen hergestellt sind,
21- der Spritzenzylinder (2) unten einen Austritt,
22- oben am Außenumfang einen Zentrierbund (12), der einen im Wesentlichen kreisscheibenförmigen Anlageabschnitt (13.1) aufweist, zum Einsetzen in die Aufnahme (39),
23- einen mit dem Austritt verbundenen zylindrischen Kolbenlaufbereich (5) mit einem ersten Innendurchmesser, in dem der Spritzenkolben (3) abdichtend geführt ist,
24- der Spritzenkolben (3) am oberen Ende ein Kupplungsstück (21) zum Einsetzen in die Kolbenaufnahme (43) aufweist
25dadurch gekennzeichnet,
26- dass der Spritzenzylinder (3) zumindest in einem Abstand von mindestens 3 mm von seinem oberen Ende einen Zentrierbereich (11) zum Einsetzen eines Zentrierelements (60) mit axialem Durchgang in der Aufnahme (39), durch den hindurch das Kupplungsstück (21) steckbar ist, sodass der Spritzenkolben (3) aus dem Spritzenzylinder (2) herausgezogen werden kann, der Dosiervorrichtung (370) des Zentrierelementes aufweist,
27- und die Zentrierbereiche (11) von Spritzen (1) mit verschiedenen Füllvolumina innen eine übereinstimmende Kontur aufweisen.“
28Im Hinblick auf den Inhalt der mit „insbesondere“-Anträgen geltend gemachten Unteransprüche 3, 5, 6, 7, 9 und 10 wird auf die Klageschrift Bezug genommen.
29Die nachstehend verkleinert wiedergegebenen Zeichnungen sind dem Klagepatent entnommen und erläutern dessen technische Lehre anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele:
30
Figur 1f zeigt in Seitenansicht die beiden Hauptbestandteile einer klagepatentgemäßen Spritze mit 10 ml Füllvolumen. Diese besteht aus einem (links abgebildeten) Spritzenkolben (3.1) und einem (rechts abgebildeten) Spritzenzylinder (2.1). Der Spritzenkolben (3.1) besteht im unteren Bereich aus einem konisch verlaufenden Kolbenabschnitt (19.1) und darüber aus einem zylindrischen Kolbenabschnitt (17.1), der von einer den gleichen Umfang aufweisenden Dichtlippe (18.1) abgedichtet wird. Der Spritzenkolben weist im oberen Bereich eine Scheibe (24.1) und daran anschließend ein Kupplungsstück (21.1) auf. Letzteres wird von der Greifvorrichtung der Dosiervorrichtung gefasst. Der Spritzenzylinder (2.1) weist im unteren Bereich einen ebenfalls konischen Zylinderabschnitt (8.1) und darüber einen zylindrischen Abschnitt (4.1) auf. Am oberen Ende des Zylinders befindet sich ein leicht konischer Zentrierbereich (11.1), der über einen kurzen Übergangsbereich (10.1) mit dem mittleren Zylinderbereich (4.1) verbunden ist und am oberen Rand einen Zentrierbund (12.1) aufweist. Der Innendurchmesser des Zentrierbereichs beträgt zwischen 16,2 bis 17,7 mm und reicht vom oberen Rand bis 6 mm in die Tiefe. Figur 9 zeigt die perspektivische Ansicht einer klagepatentgemäßen Dosiervorrichtung (370) mit der Aufnahme für den Spritzenzylinder (39), der Aufnahme für den Spritzenkolben (43) sowie einem ringförmigen Zentrierelement (60.1). Figur 11 zeigt die seitliche Ansicht des Aufnahmebereichs der Dosiervorrichtung mit eingesetzter Spritze (1). Das ringförmige Zentrierelement der Aufnahmevorrichtung (60.1) liegt an der Innenwand des Zentrierbereichs (11) des Spritzenzylinders (2) an und fixiert diesen an dem Zentrierbund (12). Der Spritzenkolben (3) greift durch das Zentrierelement (60.1) hindurch.
33Die Beklagte ist Herstellerin und Anbieterin von sog. Dispensern und Dispenserzubehör und steht insoweit mit der Klägerin im Wettbewerb. Schwerpunkt der Tätigkeit der Beklagten ist der Nachbau von Verbrauchsmaterialien, die mit den entsprechenden (Original-)Produkten Dritter kompatibel sind. Unter der Bezeichnung „Ritips Pro“ vertreibt die Beklagte Spritzen der Größen 0,1 ml, 0,2 ml, 2,5 ml, 5 ml, 10 ml, 25 ml und 50ml, die mit den Dosiervorrichtung der Klägerin kompatibel sind (vgl. Anlagen K(B) 8.1 bis 8.3 und K(B) 9; nachfolgend: angegriffene Ausführungsformen). Auf den nachfolgenden, der Anlage K(B) 13 entnommenen Abbildungen sind die oberen Hälften der Spritzenzylinder der Beklagten in den Größen 10 ml und 5 ml zu erkennen:
34
Am 22.05.2015 hat die Klägerin die angegriffenen Ausführungsformen mit der von ihr vertriebenen Dosiervorrichtung „C“ getestet. Sämtliche Spritzen der Beklagten konnten in die Dosiervorrichtung eingesetzt werden und wurden fehlerfrei erkannt (vgl. technischer Bericht vom 22.05.2015, vorgelegt als Anlage K(B) 12). Im Rahmen der Untersuchung von jeweils 4 Spritzen in 5 verschiedenen Größen wurde festgestellt, dass der Innendurchmesser im Zentrierbereich zwischen 16,2 mm und 17,7 mm betrug und sich dieser Zentrierbereich bis zu einer Tiefe von 7 mm erstreckte.
36Vor dem Hintergrund der Messe „Achema“, die im Juni 2015 in Frankfurt am Main stattgefunden hatte – hat die Klägerin bei dem LG Hamburg zunächst einen Antrag auf Erlass einstweilige Verfügung gestellt, diesen jedoch zurückgenommen. Mit Schreiben vom 27.07.2015 (Anlage K(B) 14) hat die Klägerin die Beklagte abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung nebst Übernahme der Abmahnkosten aufgefordert. Dieses Begehren hat die Beklagte mit Schreiben vom 20.07.2015 (Anlage K(B) 15) zurückgewiesen.
37Die Klägerin meint, die angegriffenen Ausführungsformen machten von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Die wortsinngemäße Verwirklichung ergebe sich bereits daraus, dass die angegriffenen Ausführungsformen von einer klagepatentgemäßen Dosiervorrichtung fehlerfrei erkannt würden und daher auch benutzt werden könnten. Auf einen bestimmten (Mindest-)Abstand des Zentrierabschnitts zum oberen Rand des Spritzenzylinders komme es nicht an. Dies ergebe bereits der Wortlaut des Klagepatents, welcher ein „zumindest“ beinhalte.
38Ferner ist die Klägerin der Auffassung, das Klagepatent werde sich in der Entscheidung über den Einspruch der Beklagten als rechtsbeständig erweisen. Auf ein Vorbenutzungsrecht könne sich die Beklagte bereits deswegen nicht berufen, da sie zwar zuvor bereits unter der Bezeichnung „M“ Spritzen vertrieben habe, die seit Ende 2015 vertriebenen Spritzen (angegriffene Ausführungsformen) jedoch von der früheren Ausgestaltung abwichen. Die „alten“ Ausführungen seien wegen nur sehr dünner Spalten von nur 0,15 mm zwischen der Zylinderwand und der Scheibe am oberen Ende des Kolbens und je nach Spritzengröße abweichender Innendurchmesser nicht zur Verwendung einer Dosiervorrichtung neuer Generation mit Zentrierelement geeignet. Dier erfindungsgemäße Lehre habe auch nicht nahegelegen.
39Sie ist der Auffassung, der Streitwert sei nicht überhöht. Insoweit behauptet sie, bis zum Ablauf des Patentschutzes einen jährlichen Umsatz mit patentgemäßen Spritzen in Höhe von 2,5 Millionen Euro erzielen zu können, wobei mehr als 5% dieser Umsätze auf die Klagepatente zurückzuführen sei. Sie verfüge über einen Marktanteil von 2/3 auf dem relevanten Markt. Die im Vergleich zu ihren Preisen erheblich niedrigeren Preise der Beklagte seien nur möglich, da die Beklagte eigene Forschungs- und Entwicklungskosten spare.
40Die Klägerin beantragt,
41wie erkannt.
42Die Beklagte beantragt,
43die Klage abzuweisen.
44hilfsweise
45den Rechtsstreit bis zur erstinstanzlichen Entscheidung über ihren Einspruch gegen das Klagepatent auszusetzen.
46Die Beklagte meint, die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichten die technische Lehre des Klagepatents nicht. Der Spritzenzylinder der angegriffenen Ausführungsformen sei auch oberhalb einer Tiefe von 3 mm (und bis zu einer Tiefe von 7mm) vom oberen Ende des Spritzenzylinders gemessen als Zentrierbereich ausgestaltet. Insoweit fehle es an einem Mindestabstand zum oberen Rand. Auch umfassten die angegriffenen Ausführungsformen – wie es der Wortlaut der Ansprüche vorsehe – keinen Zylinder, der einen Zentrierbereich der Dosiervorrichtung aufweist. Die seitens der Klägerin vorgelegte Merkmalsgliederung sei insoweit falsch, als sie den Zentrierbereich der Spritze und nicht der Dosiervorrichtung zuordne.
47Sie ist der Ansicht, das Klagepatent werde sich im Einspruchsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen. Sie könne sich auf eine offenkundige Vorbenutzung durch die Klägerin sowie durch sich selbst berufen. Insoweit behauptet sie, sie vertreibe seit über 10 Jahren Spritzen, die mit der räumlich-körperlichen Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsformen identisch seien. Dies sei der Klägerin auch auf Grund eines im Jahre 2003 zwischen den hiesigen Parteien geführten Rechtstreits bekannt gewesen. Für das Bestehen eines Vorbenutzungsrechts käme es allein darauf an, ob die vorbenutzten Spritzen diejenigen Merkmale der streitgegenständlichen Ansprüche verwirklichten, die sich auf die Spritzen bezögen. Soweit Merkmal 8.2 einen bestimmten Innendurchmesser der Spritzen vorsehe, komme es auf eine Verwirklichung dieses Merkmals nicht an, da der Innendurchmesser durch die Ausführung der Dosiervorrichtung bedingt und eine Anpassung lediglich handwerklicher Natur sei.
48Sie meint, der seitens der Klägerin angegeben Streitwert sei überhöht. Das hanseatische Oberlandesgericht habe den Streitwert im Verfügungsverfahren auf 200.000,00 € festgesetzt.
49E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
50Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.
51I.
52Die Klage ist begründet.
531.
54Das Klagepatent betrifft unter anderem eine Spritze und eine Spritzenfamilie für den Gebrauch mit einer Dosiervorrichtung. Die – ebenfalls beanspruchte – Dosiervorrichtung umfasst dabei insbesondere eine mit einem Zentrierelement versehene Aufnahme für die Spritzen. Die klagepatentgemäßen Spritzen unterscheiden sich in erster Linie durch unterschiedliche Füllvolumina, wobei jede Spritzengröße eine spezielle Codierung aufweist. Die beanspruchten Spritzen und Dosiervorrichtungen dienen der Dosierung von Flüssigkeiten und werden insbesondere in biologischen, chemischen und medizinischen Laboratorien eingesetzt.
55Aus dem Stand der Technik sind, wie das Klagepatent einleitend (Absatz [0002]) unter Bezugnahme auf die DE D und die US E ausführt, Dosiersysteme in Form von Repetierpipetten bekannt, die an ihren unteren Enden eine im Wesentlichen U-förmige Nut zur Aufnahme des Spritzenflansches umfassten. Der Spritzenflansch werde dabei von einer axialen Andruckfeder in der Nut fixiert. Der jeweilige Spritzenkolben werde mit einer Kolbenstelleinrichtung der Repetierpipette verbunden, wobei das Ende des Spritzenkolbens von zwei Backen eines Einsatzelementes gegriffen werde. An diesem Stand der Technik kritisiert das Klagepatent, dass die Spritzen zum Einsetzen und beim Entkoppeln jeweils angefasst werden müssten.
56Das Klagepatent würdigt weiterhin unter Bezugnahme auf die Schriften DE F und US G(Absatz [0003ff.]) solche Pipettensysteme als vorbekannt, bei denen die Spritzen axial in die Pipette eingeschoben bzw. entfernt werden könnten. Die entsprechenden Pipetten wiesen in ihrem Gehäuse eine Aufnahme für den Befestigungsabschnitt der Spritzenzylinder und einen Aufnahmekörper mit einer Kolbenaufnahme für den Spritzenkolben bzw. eine damit verbundene Kolbenstange auf. Der Befestigungsabschnitt und der Spritzenkolben seien dabei durch Axialöffnungen ihrer Aufnahmen axial in ihre Befestigungspositionen schiebbar. Die Befestigungseinrichtungen umfassten zudem radial zustellbare Greifeinrichtungen zum Fixieren des Befestigungsabschnitts und des Spritzenkolbens in den Befestigungspositionen, wobei die Greifeinrichtungen aus schwenkbar im Pipettengehäuse gelagerten Spritzengreifhebeln und schwenkbar im Aufnahmekörper gelagerten Kolbengreifhebeln bestünden. Die Spritzengreifhebel wiesen an den Innenseiten ihrer Betätigungsarme Kontaktstellen auf, die durch Betätigen ihrer Betätigungsarme außen gegen die Betätigungsarme der Kolbengreifhebel schwenkbar seien und die Kolbengreifhebel betätigten. Hierdurch werde erreicht, dass die Spritze und die Pipette durch eine rein axiale Relativbewegung miteinander verbindbar und durch Betätigen der Betätigungsarme voneinander trennbar seien. Pipettensysteme, die dem Stand der Technik nach DE F entsprächen, würden von der Klägerin unter den Bezeichnungen „Multipette (plus/stream/xstream)“ (Dosiervorrichtung) und „Combitips (plus)“ (Spritzen) vertrieben.
57Aus der DE H und der US I sei – wie das Klagepatent in Absatz [0006] ausführt – eine Ausgestaltung der Pipette gemäß DE F bekannt, bei der die Spritze durch Betätigen nur eines einzigen Auslösers von der Pipette lösbar sei.
58Als weiteren Stand der Technik benennt das Klagepatent (Absatz [0010]) aus der DE J bekannte Pipetten bestehend aus einer Kolbeneinheit, die mittels eines Kolbeneinheit-Freigabekragens lösbar mit einem Pipettenkörper verbunden sei. Die lösbare Kolbeneinheit sei dabei automatisch selbst auf das Ende des Pipettenkörpers zentriert, in dem das Ende einer Kolbenstangeneinheit in die Öffnung eines axial laufenden Blockes platziert werde, sodass der Kolbenteil richtig im Kolbenzylinder zentriert sei. Am oberen Ende des Kolbenzylinders befinde sich zudem ein verbreiterter kreisförmiger Teil zur Aufnahme eines Dichtungsblocks aus einem weichen und nachgiebigen Material. Am oberen Ende des kreisförmigen Teils befinden sich drei nach außen vorstehende Flansche, die zwischen die Flansche einer Unterlegscheibe passten, welche am unteren Ende des Pipettenkörpers unter einer Bodenplatte gehalten werde. Die Zentrierung der Kolbeneinheit erfolge ausschließlich über den Kolbenteil.
59Aus der US K A seien schließlich Präzisionspipetten für kleine Flüssigkeitsmengen bekannt, auf deren unteres freies Ende ein kalibriertes Kapillarröhrchen mit einem Endstück aus thermoplastischem Material aufsteckbar sei. In dem Kapillarröhrchen sei ein Kolben aus einem rostfreien Stahldraht ggf. mit einer Beschichtung aus PE oder PTFE angeordnet. Auch seien aus der EP L Kapillarröhrchen aus Kunststoff mit einem Kolben aus Kunststoff bekannt.
60An diesen aus dem Stand der Technik bekannten Pipettensystemen kritisiert das Klagepatent (Absatz [0027f.]), dass eine ausreichende Zentrierung der Spritzen nicht sichergestellt werde. So seien die Spritzenzylinder oftmals nicht absolut kreisrund geformt mit der Folge, dass eine ausreichende Abdichtung nicht gewährleistet sei und es zu Ungenauigkeiten bei der Dosierung kommen könne. Auch begünstige eine ungenügende Zentrierung eine Fehlausrichtung der Spritze beim Einsetzen in die Pipette sowie ein Kippen der Spritze bei Belastungen, wie sie etwa bei der in der Laborpraxis üblichen Flüssigkeitsabgabe gegen die Wand eines Gefäßes vorkämen.
61Vor dem Hintergrund dieses Standes der Technik formuliert es das Klagepatent als technische Aufgabe (Absatz [0013]), eine Spritze und eine Spritzenfamilie für den Gebrauch mit einer Dosiervorrichtung und eine Dosiervorrichtung für den Gebrauch mit einer Spritze oder einer Spritzenfamilie zur Verfügung zu stellen, die noch genauere Dosierungen ermöglichen.
62Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent in Anspruch 1 und 8 Vorrichtungen mit folgenden Merkmalen vor:
63Anspruch 1
64- 65
1. Spritze aus Kunststoff
1.1. mit einem Spritzenzylinder (2) und einem Spritzenkolben (3);
67- 68
2. die Spritze ist geeignet für den Gebrauch mit einer Dosiervorrichtung (370), die aufweist
2.1. eine Aufnahme (39) für einen Spritzenzylinder (2),
702.2. eine axial verlagerbare Kolbenaufnahme (43) für einen Spritzkolben (3);
712.3. ein Zentrierelement (60) in der Aufnahme (39),
722.3.1. das einen axialen Durchgang hat;
73- 74
3. der Spritzenzylinder (2) und der Spritzenkolben (3) sind aus ein- und demselben oder aus unterschiedlichen Kunststoffen hergestellt;
- 75
4. der Spritzenkolben (3) weist am oberen Ende ein Kupplungsstück (21) zum Einsetzen in die Kolbenaufnahme (43) auf;
- 76
5. das Kupplungsstück (21) der Spritze
5.1. ist durch den axialen Durchgang des Zentrierelements (60) in der Aufnahme (39) der Dosiervorrichtung (370) steckbar,
785.2. so dass der Spritzenkolben (3) aus dem Spritzenzylinder (2) herausgezogen werden kann;
79- 80
6. der Spritzenzylinder (2) hat
6.1. unten einen Austritt,
826.2. einen mit dem Austritt verbundenen zylindrischen Kolbenlaufbereich (5) mit einem ersten Innendurchmesser, in dem der Spritzenkolben (3) abdichtend geführt ist,
836.3. oben am Außenumfang einen Zentrierbund (12), zum Einsetzen in die Aufnahme (39), der einen im Wesentlichen kreisscheibenförmigen Anlageabschnitt (13.1) aufweist;
84- 85
7. der Spritzenzylinder (2) weist zumindest in einem Abstand von mindestens 3 mm von seinem oberen Ende einen Zentrierbereich (11) auf
7.1. zum Einführen eines Zentrierelements (60) der Dosiervorrichtung (370);
87- 88
8. der Zentrierbereich (11) des Spritzenzylinders (2) hat einen zweiten Innendurchmesser, der
8.1. den ersten Innendurchmesser überschreitet und
908.2. zumindest 16,2 mm und höchstens 17,7 mm beträgt.
91Anspruch 8
92- 93
1. Spritzenfamilie umfassend
1.1. mehrere Spritzen (1) aus Kunststoff mit verschiedenen Füllvolumina
951.1.1. mit einem Spritzenzylinder (2)und einem Spritzenkolben (3);
96- 97
2. die Spritzenfamilie ist geeignet für den Gebrauch mit einer Dosiervorrichtung (370), die aufweist
2.1. eine Aufnahme (39) für einen Spritzenzylinder (2),
992.2. eine axial verlagerbare Kolbenaufnahme (43) für einen Spritzkolben (3);
1002.3. ein Zentrierelement (60) in der Aufnahme (39),
1012.3.1. das einen axialen Durchgang hat;
102- 103
3. der Spritzenzylinder (2) und der Spritzenkolben (3) sind aus ein- und demselben oder aus unterschiedlichen Kunststoffen hergestellt;
- 104
4. der Spritzenkolben (3) weist am oberen Ende ein Kupplungsstück (21) zum Einsetzen in die Kolbenaufnahme (43) auf;
- 105
5. das Kupplungsstück (21) der Spritze
5.1. ist durch den axialen Durchgang des Zentrierelements (60) in der Aufnahme (39) der Dosiervorrichtung (370) steckbar,
1075.2. so dass der Spritzenkolben (3) aus dem Spritzenzylinder (2) herausgezogen werden kann;
108- 109
6. der Spritzenzylinder (2) hat
6.1. unten einen Austritt,
1116.2. einen mit dem Austritt verbundenen zylindrischen Kolbenlaufbereich (5), in dem der Spritzenkolben (3) abdichtend geführt ist,
1126.3. oben am Außenumfang einen Zentrierbund (12), zum Einsetzen in die Aufnahme (39), der einen im Wesentlichen kreisscheibenförmigen Anlageabschnitt (13.1) aufweist;
113- 114
7. der Spritzenzylinder (2) weist zumindest in einem Abstand von mindestens 3 mm von seinem oberen Ende einen Zentrierbereich (11) auf
7.1. zum Einführen eines Zentrierelements (60) der Dosiervorrichtung (370);
116- 117
8. die Zentrierbereiche (11) von Spritzen (1) mit verschiedenen Füllvolumina innen weisen eine übereinstimmende Kontur auf.
2.
119Zwischen den Parteien steht – zu Recht – allein die Verwirklichung des Merkmals 7., gemäß dem der Spritzenzylinder zumindest in einem Abstand von mindestens 3 mm von seinem oberen Ende einen Zentrierbereich aufweisen muss, der zum Einführen eines Zentrierelements der Dosiervorrichtung dient, im Streit. Auch dieses Merkmal ist jedoch durch die seitens der Klägerin untersuchten Typen der angegriffenen Ausführungsformen wortsinngemäß verwirklicht.
1201)
121Ohne Erfolg wendet die Beklagte ein, das Klagepatent sehe in seinem Anspruchswortlaut vor, dass nicht die klagepatentgemäß Spritze, sondern die entsprechende Dosiervorrichtung über einen Zentrierbereich verfügen müssen. Zwar weist der kennzeichnende Teil des Wortlauts des Anspruchs 1 – wie auch des Anspruchs 8 – eine verschachtelte Formulierung auf. Nichtsdestotrotz wird dort davon gesprochen, dass „der Spritzenzylinder […] einen Zentrierbereich […] aufweist“, der „zum Einführen eines Zentrierelements […] der Dosiervorrichtung“ dient. Insoweit ist der Zentrierbereich eindeutig der Spritze zugeordnet. Im Übrigen würde das Verständnis der Beklagten auch dem Sinn der Erfindung zuwiderlaufen. Das Klagepatent offenbart eine Dosiervorrichtung mit Zentrierelement und Spritzen, die durch ihren Zentrierbereich mit dem Zentrierelemente der Dosiervorrichtung zusammenwirken sollen. Keinen Sinn ergibt daher eine Ausgestaltung, bei der auch der Zentrierbereich der Dosiervorrichtung zugeordnet ist, da nicht erkennbar ist, wie eine solche Dosiervorrichtung zugleich über Zentrierelement und -bereich verfügen soll.
1222)
123Das Merkmal 7. ist in der Weise auszulegen, dass der Zylinder einer klagepatentgemäßen Spritze an seinem oberen Ende einen Zentrierbereich aufweisen muss, der mit dem Zentrierelement einer klagepatentgemäßen Dosiervorrichtung zusammenwirkt. Ferner ist zur Verwirklichung des Merkmals erforderlich, dass der Zentrierbereich jedenfalls auch in einem Bereich vorhanden ist, der mindestens 3 mm vom oberen Ende des Zylinders entfernt ist. Das Merkmal 7 macht darüber hinaus aber keine weiteren Angaben zu näheren (räumlichen) Ausgestaltung des Zentrierbereichs. Insbesondere ist dem Merkmal nicht zu entnehmen, dass der Zentrierbereich erst ab einer Tiefe von mindestens 3 mm gerechnet vom oberen Ende/Rand des Zylinders an beginnen darf. Vielmehr lässt es das Merkmal 7 offen, ob der Bereich vom oberen Rand des Zylinders bis zu einer Tiefe von 3 mm ebenfalls als Zentrierbereich ausgestaltet ist oder nicht.
124Diese Auslegung ergibt sich bereits aus dem Anspruchswortlaut. Nach Art. 69 Abs. 1 Satz 1 EPÜ wird der Schutzbereich des Patents durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt, zu deren Auslegung die Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen sind. Die Auslegung der Patentansprüche dient nicht nur der Behebung etwaiger Unklarheiten, sondern auch zur Erläuterung der darin verwendeten technischen Begriffe sowie zur Klärung der Bedeutung und der Tragweite der dort beschriebenen Erfindung. Abzustellen ist dabei auf die Sicht des Fachmanns, von dessen Verständnis bereits die Bestimmung des Inhalts der Patentansprüche einschließlich der dort verwendeten Begriffe abhängt und das auch bei der Feststellung des über den Wortlaut hinausgehenden Umfangs des von den Patentansprüchen ausgehenden Schutzes maßgebend ist. Bei der Prüfung der Frage, ob die im Patent unter Schutz gestellte Erfindung benutzt wird, ist daher zunächst unter Zugrundelegung dieses Verständnisses der Inhalt der Patentansprüche festzustellen, d.h. der dem Anspruchswortlaut vom Fachmann beigelegte Sinn zu ermitteln (vgl. BGH GRUR 2002, 515ff. - Schneidmesser I m.w.N.).
125Grundsätzlich sind auch Zahlen- und Maßangaben ebenso wie die sonstigen Bestandteile des Patentanspruchs auslegungsfähig. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung sowie der einschlägigen Kommentarliteratur ist allgemein anerkannt, dass solche Angaben an der Verbindlichkeit des Patentanspruchs als maßgeblicher Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs teilnehmen (vgl. BGH in GRUR 2002, 511ff. – Kunststoffrohr; GRUR 2002, 515ff. - Schneidmesser I; GRUR 2002, 519ff. – Schneidmesser II; GRUR 2002, 523ff. – Custodiol I; GRUR 2002, 527ff. – Custodiol II; Kühnen, a.a.O., Kapitel A, Rn. 150; Scharen in Benkard, PatG, 11. Aufl. 2015, § 14, Rn. 67; Timmann in Haedicke/Timmann, Handbuch des Patentrechts; 1. Aufl. 2012, § 6, Rn. 80ff.; v. Rospatt, GRUR 2001, 991ff.). Die Aufnahme von Zahlen- oder Maßangaben in den Anspruch verdeutlicht, dass sie den Schutzgegenstand des Patents mitbestimmen und damit auch begrenzen sollen (BGH GRUR 1992, 2830f. – Chrom-Nickel-Legierung). Es verbietet sich daher, solche Angaben als minder verbindliche, lediglich beispielhafte Festlegungen der geschützten technischen Lehre anzusehen, wie dies in der Rechtsprechung zur Rechtslage im Inland vor In-Kraft-Treten des Art.69 EPÜ und der entsprechenden Neuregelung des nationalen Rechts für möglich erachtet worden ist. Wie auch sonst kommt es darauf an, wie der Fachmann solche Angaben im Gesamtzusammenhang des Patentanspruchs versteht, wobei auch hier zur Erläuterung dieses Zusammenhangs Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Zahlen- und Maßangaben schon nach ihrem objektiven Gehalt, der auch das Verständnis des Fachmanns prägen wird, nicht einheitlich sind, sondern in unterschiedlichen Formen Sachverhalte mit durchaus verschiedenen Inhalten bezeichnen können (BGH GRUR 2002, 515ff. - Schneidmesser I; GRUR 2002, 519ff. – Schneidmesser II).
126Der Anspruchswortlaut der Merkmals 7. lautet:
127„Der Spritzenzylinder (2) weist zumindest in einem Abstand von mindestens 3 mm von seinem oberen Ende einen Zentrierbereich (11) auf zum Einführen eines Zentrierelements (60) der Dosiervorrichtung (370)“.
128Dem Wortlaut entnimmt der Fachmann, dass der Spritzenzylinder über einen Zentrierbereich verfügen muss, der in einem Abstand von 3 mm gerechnet vom oberen Rand des Zylinders liegt. Durch das im Anspruchswortlaut zusätzlich vorhandene Wort „zumindest“ wird die Maß- und Zahlangabe von „3 mm“ insoweit relativiert, als der Fachmann erkennt, dass es für die räumliche Ausgestaltung des Zentrierbereichs darauf ankommt, dass er jedenfalls in 3 mm Tiefe vorhanden sein muss. Dies ist für ihn von Bedeutung, da das Klagepatent selbst ausführt, dass das Zentrierelement der Dosiervorrichtung tief genug in den Spritzenzylinder eindringen muss, um die gewünschte Stabilität zu gewährleisten. Aus dem Wort „zumindest“ erkennt der Fachmann aber auch, dass das Merkmal gerade keine Aussagen zur Ausgestaltung des Bereichs zwischen dem oberen Rand des Zylinders und der Tiefe von 3 mm treffen will. Entgegen der Auffassung der Beklagten lehrt Merkmal 7. insbesondere nicht, dass der Zentrierbereich frühestens in 3 mm Tiefe beginnen darf.
129Dieses Verständnis wird belegt durch die Beschreibung des Klagepatents, die gemäß Art. 69 Abs. 1 Satz 2 EPÜ bei der Auslegung des für den Schutzbereich maßgeblichen Anspruchswortlauts heranzuziehen ist. Im Rahmen der allgemeinen Erfindungsbeschreibung führt das Klagepatent dazu in Absatz [0029] aus:
130„Für die Zentrierung der Spritze ist es wichtig, dass das Zentrierelement in einem Abstand vom oberen Ende des Spritzenzylinders am Zentrierbereich anliegt. Erst wenn das Zentrierelement entsprechend tief in dem Spritzenkolben eingreift, kann es sich ringsum an den Zentrierbereich anlegen und eine unrunde Form des Spritzenzylinders korrigieren, ihn ausrichten und stützen und so ein Kippen verhindern. Die Versteifung des Spritzenzylinders durch den Zentrierbund am oberen Ende der Spritze steht der Korrektur eines unrunden Querschnittes im Kolbenlaufbereich entgegen. Daher ist der zweite Innendurchmesser von zumindest 16,2 mm des Zentrierbereiches der erfindungsgemäßen Spritze bzw. der Zentrierbereich der Spritzen der erfindungsgemäßen Spritzenfamilie zumindest in einem Abstand von mindestens 3 mm vom oberen Ende des Spritzenzylinders vorhanden, d.h. in unmittelbarer Nähe zum Kolbenlaufbereich bzw. zum Übergangsbereich. Der Zentrierbereich zeichnet sich somit auch durch seine unmittelbare Nähe zum Kolbenlaufbereich aus.“
131Diesem Absatz entnimmt der Fachmann, dass der Zentrierbereich jedenfalls in einer Tiefe von 3 mm vorhanden sein muss, damit die bezweckte Stabilität entstehen kann. Er findet jedoch keinen Hinweis darauf, dass der Bereich oberhalb dieser 3 mm kein Zentrierbereich sein darf.
132Darüber hinaus entnimmt der Fachmann der Figur 11, dass der dort abgebildete erfindungsgemäße Zentrierbereich (11) des Spritzenzylinders (2) bis zum oberen Ende reicht und das Zentrierelement (60.1) der Dosiervorrichtung umschließt.
133Dem steht auch nicht entgegen, dass das Klagepatent in Absatz [0054] einen Zentrierbereich von mindestens 3 mm und maximal 6 mm vom oberen Rand des Spritzenzylinders vorsieht. Denn an dieser Stelle behandelt das Klagepatent lediglich ein mögliches Ausführungsbeispiel mit der Folge, dass die dort getroffenen Aussagen nicht allgemeingültig für die beanspruchte Lehre sind.
1353)
136Unter Berücksichtigung dieser Auslegung ist eine Verwirklichung des Merkmals 7. durch die angegriffenen Ausführungsformen vorliegend schlüssig vorgetragen.
137Die Klägerin hat von der Beklagten unbestritten vorgetragen, dass die von ihr untersuchten Spritzen allesamt in ihre Dosiervorrichtung fehlerfrei eingesetzt und daher verwendet werden konnten. Darüber hinaus hat die Beklagte selbst zugestanden, dass die von ihr vertriebenen Spritzen über einen Zentrierbereich verfügen, der vom oberen Rand der Zylinder knapp 7 mm axial nach unten verläuft, mithin auch in einem Bereich von 3 mm Tiefe vorhanden ist.
1383.
139Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf ein Vorbenutzungsrecht berufen.
140Die Kammer vermochte nach dem Vortrag der Beklagte nicht festzustellen, dass die Voraussetzung für das Bestehen eines Vorbenutzungsrechts nach § 12 PatG vorliegen. Gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 PatG tritt die Wirkung eines Patents gegen denjenigen nicht ein, der zur Zeit der Anmeldung bereits im Inland die Erfindung in Benutzung genommen oder die dazu erforderlichen Veranstaltungen getroffen hatte. Dieser ist gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 PatG befugt, die Erfindung für die Bedürfnisse seines eigenen Betriebs in eigenen oder fremden Werkstätten auszunutzen.
141Ein Vorbenutzungsrecht setzt daher zum Einen voraus, dass die die Vorbenutzung einwendende Beklagte am Anmelde- bzw. im Einzelfall auch am Prioritätstag im redlich erworbenen Erfindungsbesitz gewesen sein muss. Dies bedeutet, dass sie den Erfindungsgedanken soweit erkannt haben muss, dass sie den patentgemäßen Erfolg planmäßig im Sinne einer wiederholbaren technischen Lehre herbeiführen konnte (vgl. Kühnen, a.a.O., Kapitel E, Rn. 369). Erfindungsbesitz ist daher gegeben, wenn die sich aus Aufgabe und Lösung ergebende technische Lehre objektiv fertig und subjektiv derart erkannt ist, dass die tatsächliche Ausführung der Erfindung möglich ist (vgl. BGH GRUR 2012, 895, 896 – Desmopressin; GRUR 2010, 47, 48f. – Füllstoff; Scharen in Benkard, Kommentar zum Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 12, Rn. 5). An einer solchen Erkenntnis fehlt es, wenn das technische Handeln über das Stadium von Versuchen noch nicht hinausgegangen ist oder ein Gegenstand benutzt worden ist, der lediglich in einzelnen Exemplaren „zufällig“ die erfindungsgemäßen Eigenschaften aufgewiesen hat. Denn in beiden Fällen ist das Handeln nicht von einer Erkenntnis getragen, die es jederzeit möglich macht, die technische Lehre wiederholbar auszuführen, so dass es auch nicht gerechtfertigt ist, daran eine Besitzstand vermittelnde Rechtsposition anzuknüpfen (vgl. BGH GRUR 2012, 895, 896 – Desmopressin).
142Darüber hinaus setzt das Vorbenutzungsrecht voraus, dass der Erfindungsbesitz im Prioritätszeitpunkt betätigt worden ist. Ausreichend ist insoweit, dass die Beklagte im Inland Benutzungshandlungen nach §§ 9 und 10 PatG vorgenommen oder zumindest Veranstaltungen zur alsbaldigen Benutzung getroffen hat (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.01.2007, I-2 U 65/05, Rz. 87 – zitiert nach juris).
143Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Vorbenutzungsrechts obliegt der Beklagten, da ein solches Recht ihrer Rechtsverteidigung zugute kommt. Sie hat insoweit substantiiert zu den tatbestandlichen Voraussetzungen vorzutragen und durch geeignete Unterlagen und/oder Zeugen den Nachweis dafür zu erbringen, dass sie am Anmeldetag den Erfindungsgedanken erkannt und bekräftigt hatte (vgl. Kühnen, a.a.O., Kapitel E, Rn. 379).
144Zwischen den Parteien steht vorliegend im Streit, wie die von der Beklagten vor dem Anmeldetag des Klagepatents unter der Bezeichnung „M“ vertriebenen Spritzen räumlich-körperlich ausgestaltet waren, insbesondere ob sie zwischen Zylinderwand und Kolbenscheibe einen Spalt aufgewiesen haben, der dem Grunde nach geeignet gewesen wäre, ein Zentrierelement aufzunehmen. Das Vorhandenseins eines entsprechend großen Spaltes bildet die grundlegende Voraussetzung dafür, dass von einem Zentrierbereich ausgegangen werden kann. Die Beklagte selbst hat jedoch weder von ihr vor dem Anmeldetag vertriebene Spritzen vorgelegt, noch weitere Angaben zur Ausgestaltung gemacht. Das Vorbringen der Beklagten erschöpft sich insoweit in der Behauptung, ihre „alten“ Spritzen hätten einen Spalt von 0,4 bis 0,45 mm aufgewiesen. Angaben dazu, welche Spritzen wie gemessen worden sind, hat sie nicht gemacht. Die Klägerin hat dagegen – unter Vorlage einer 5 ml großen Spritze der Beklagten (Anlage K(B) 17) – vorgetragen, dass der Spalt lediglich eine Größe von 0,15 mm aufgewiesen habe und daher nicht zur Aufnahme eines Zentrierelements geeignet gewesen sei. Vor dem Hintergrund der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast hätte die Beklagte daher konkret zu der Ausgestaltung bzw. der Größe des Spaltes vortragen und ihren Vortrag ggf. unter Beweis stellen müssen. Insbesondere ist die genaue Größe des Spaltes der als Anlage K(B) 17 überreichten und unstreitig vor dem Anmeldetag vertriebenen Spritze nicht ohne Weiteres zu entnehmen. Auch die pauschale Bezugnahme der Beklagten auf ihren Vortrag im Einspruchsverfahren ist nicht geeignet, den Vortrag der Klägerin zur Spaltgröße zu widerlegen, zumal die Beklagte auch in den Schriftsätzen im Einspruchsverfahren keinerlei Angaben zu etwaigen Messungen gemacht hat.
1454.
146Aus der Verletzung des Klagepatentes ergeben sich nachfolgende Rechtsfolgen:
147Da die Beklagte das Klagepatent widerrechtlich benutzt hat, ist sie gemäß Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung der Benutzungshandlungen verpflichtet.
148Die Beklagte trifft auch ein zumindest fahrlässiges Verschulden. Denn die Beklagte als Fachunternehmen hätte bei Anwendung der von ihr im Geschäftsverkehr zu fordernden Sorgfalt die Benutzung des Klagepatents erkennen und vermeiden können, § 276 BGB. Für die Zeit ab Erteilung des Klagepatents schuldet die Beklagte daher Ersatz des Schadens, welcher der Klägerin entstanden ist und noch entstehen wird, Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG. Ferner schuldet die Beklagte der Klägerin gemäß Art. II § 1 IntPatÜbkG für die von ihr in der Zeit zwischen Offenlegung der Anmeldung des Klagepatents und seiner Erteilung verübten Benutzungshandlungen eine angemessene Entschädigung. Da die genaue Schadensersatzhöhe sowie die Höhe der angemessenen Entschädigung derzeit noch nicht feststehen, die Klägerin nämlich keine Kenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen durch die Beklagte hat, hat sie ein rechtliches Interesse gemäß § 256 ZPO daran, dass die Schadensersatz- und Entschädigungspflicht der Beklagten dem Grunde nach festgestellt wird.
149Um die Klägerin in die Lage zu versetzen, den ihr zustehenden Schadensersatz und die ihr zustehende angemessene Entschädigung zu beziffern, ist die Beklagte verpflichtet, im zuerkannten Umfang über ihre Benutzungshandlungen Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, § 140b PatG i.V.m. § 242 BGB.
150Die Beklagte ist nach § 140a Abs. 1 und 3 PatG in der zuerkannten Weise auch zur Vernichtung und zum Rückruf der das Klagepatent verletzenden Gegenstände verpflichtet. Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf sowie des Landgerichts Düsseldorf stellt das Entfernen aus den Vertriebswegen einen Bestandteil des Rückrufes dar, da der Verletzer mit dem Rückruf die Bereitschaft zu Ausdruck bringt, die zurückgegebenen Gegenstände wieder an sich zu nehmen (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 12, 88 – Cinch-Stecker).
151Die Klägerin kann von der Beklagten schließlich auch Ersatz der Abmahnkosten aus den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB (vgl. Kühnen in Handbuch der Patentverletzung, 8. Auflage 2016, Kapitel C., Rn. 40) verlangen.
1525.
153Mit Blick auf die von der Beklagten gegen das Klagepatent eingewandten Entgegenhaltungen ist eine Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 148 ZPO bis zu einer auch nur erstinstanzlichen Entscheidung in dem Einspruchsverfahren nicht geboten.
154a)
155Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung; BIPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 2784 – Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist. Eine Aussetzung ist vielmehr grundsätzlich erst dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent der erhobenen Nichtigkeitsklage nicht standhalten wird (vgl. BGH GRUR 2014, 1237, 1238 – Kurznachrichten; Kühnen, a.a.O., Kapitel E., Rn. 527). Dies kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der Nichtigkeitsangriff darauf gerichtet ist, die erfinderische Tätigkeit bei Findung der klagepatentgemäßen Lehre in Frage zu stellen, sich jedoch für eine Bejahung der Patentierbarkeit, die auch insoweit von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, noch vernünftige Argumente finden lassen. Gleiches gilt erst Recht in Fällen, in denen der dem Klagepatent entgegengehaltene Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt oder das Klagepatent erstinstanzlich aufrechterhalten worden ist (vgl. Kühnen, a.a.O., Kapitel E., Rn. 529f.). Ein verminderter Aussetzungsmaßstab ist – entgegen der Auffassung der Beklagten – auch nicht deswegen geboten, weil die Beklagte eine offenkundige Vorbenutzung einwendet. Die konkrete Ausgestaltung der vermeintlichen Vorbenutzungsobjekte ist zwischen den Parteien streitig mit der Folge, dass es für die Frage der Vorbenutzung unter Umständen auf eine Beweisaufnahme ankommen kann, deren Ausgang nicht abzusehen ist.
156b)
157Gemessen an diesen Maßstäben erscheint eine Aussetzung des Rechtsstreits mit Blick auf die eingewandten Entgegenhaltungen nicht geboten. Aus Sicht der Kammer besteht vorliegend – auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Beklagten in der mündlichen Verhandlung – keine hinreichende Wahrscheinlichkeit der (teilweisen) Vernichtung des Klagepatents. Im Einzelnen:
1581)
159Es erscheint nach dem Vorbringen der Beklagten nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Neuheit der technischen Lehre des Klagepatents der Einwand der offenkundigen Vorbenutzung entgegensteht.
160Eine offenkundige Vorbenutzung liegt vor, wenn die Benutzung vor dem Prioritätszeitpunkt der Anmeldung oder des Patents erfolgt ist, der benutzte Gegenstand so beschaffen ist, dass er der Aufrechterhaltung des Patents in vollem Umfang entgegensteht und die Umstände der Benutzung den betreffenden Gegenstand der Öffentlichkeit zugänglich gemacht haben (vgl. Münch in Fitzner, Lutz, Bodewig, Kommentar zum Patentgesetz, 4. Auflage 2012, Art. 54 EPÜ, Rn. 18 i.V.m. § 3, Rn. 60ff.). Dabei ist grundsätzlich ein einzelner Benutzungsfall für die neuheitsschädliche Wirkung ausreichend (vgl. Moufang in Schulte, Kommentar zum Patentgesetz, 9. Aufl. 2014, § 3, Rn. 21 m.w.N.). Wird eine offenkundige Vorbenutzung geltend gemacht, müssen der genaue Gegenstand der Benutzung und die Umstände, unter denen die Benutzung erfolgte, z.B. der Ort der Benutzung, substantiiert und gegebenenfalls bewiesen werden (Münch, a.a.O., Rn 20). Wird ein Aussetzungsantrag im Verletzungsverfahren auf den Einwand der offenkundigen Vorbenutzung gestützt, muss diese lückenlos durch liquide Beweismittel (insbesondere Urkunden) belegt werden (Kühnen, a.a.O., Kapitel G, Rn. 65). Ist die Beklagte zum Beweis der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung (zumindest in Teilen) auch auf einen Zeugenbeweis angewiesen, muss ihr Aussetzungsantrag ohne Erfolg bleiben. Da eine Vernehmung der angebotenen Zeugen nur im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren, jedoch nicht im Verletzungsprozess erfolgt, ist bereits unvorhersehbar, in welcher Weise die benannten Zeugen überhaupt aussagen werden und ob ihre Aussagen, wenn sie für den Einsprechenden / Nichtigkeitskläger günstig sind, für glaubhaft gehalten werden. Schon wegen dieser gänzlich unsicheren Prognose verbietet sich die Annahme, es sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Vernichtung des Patents zu erwarten (Kühnen, a.a.O., Kapitel G, Rn. 65).
161Diese vorstehenden Voraussetzungen an den Nachweis der offenkundigen Vorbenutzung hat die Beklagte nicht erfüllt. Wie bereits zuvor unter Ziff. I.3. ausgeführt ist die Ausgestaltung der Spritzen, die die Beklagte vor dem Anmeldetag des Klagepatents vertrieben hat, zwischen den Parteien streitig mit der Folge, dass die Beklagte näher zu der Ausgestaltung und den Vertriebshandlungen hätte vortragen müssen. Gleiches gilt für die Ausgestaltung der als offenkundige Vorbenutzung gerügten klägerischen Spritzen vor 2015.
1622)
163Auch der auf den Aspekt der fehlenden erfinderischen Tätigkeit gestützte Nichtigkeitsangriff hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
164Für die Frage, ob die beanspruchte Lehre für den Fachmann im Zeitpunkt ihrer Anmeldung nahegelegen hat, kommt es entscheidend darauf an, welche Informationen im Stand der Technik vorhanden waren, auf die der Fachmann bei seinen Überlegungen zurückgreifen konnte. Zwischen den Parteien ist vorliegend streitig, wie die zum Stand der Technik Spritzen gehörenden Spritzen am Anmeldetag ausgestaltet waren, insbesondere ob die seitens der Beklagten vertriebenen älteren Spritzenmodelle des Typs „M“ einen Zentrierbereich aufgewiesen haben, der zur Aufnahme eines Zentrierelements der Dosiervorrichtung jedenfalls geeignet gewesen wäre. Unstreitig ist jedoch, dass die vor dem Anmeldetag des Klagepatents auf dem Markt befindlichen Dosiervorrichtungen ein Zentrierelement, das Bestandteil der hier streitgegenständlichen Lehre ist, nicht aufgewiesen haben. Ebenso unstreitig ist, dass die „alten“ Spritzen jeweils unterschiedliche Innendurchmesser für die einzelnen Spritzengrößen aufgewiesen haben. Insoweit ist weder vorgetragen, noch ersichtlich, dass der Fachmann einen Anlass gehabt haben sollte, auf Grundlage der ihm bekannten Spritzen und Dosiervorrichtungen einen Zentrierbereich vorzusehen. Gleiches gilt erst Recht für das Merkmal 8. des Anspruchs 8. Danach umfassen die Zentrierbereiche sämtlicher Spritzen einer Spritzenfamilie mit unterschiedlichen Füllvolumina eine übereinstimmende Innenkontur. Eine solche übereinstimmende Innenkontur ist jedoch nur deswegen erforderlich, damit alle Spritzen mit dem Zentrierelement der Dosiervorrichtung zusammenwirken können.
1653)
166Eine Aussetzung des Rechtsstreits dürfte auch nicht vor dem Hintergrund der im Zwischenbescheid des EPA vom 25.07.2016 mitgeteilten vorläufigen Meinung der Einspruchsabteilung zu den Erfolgsaussichten des Einspruchs geboten sein.
167Die Einspruchsabteilung hat in ihrem Zwischenbescheid mitgeteilt, dass sie einen Zentrierbereich des Spritzenzylinders als im Stand der Technik vorbekannt ansieht. Selbst wenn man zu Gunsten der hiesigen Klägerin einen Spalt zwischen Spritzenzylinder und –kolben mit einer Größe von lediglich 0,15 mm als vorbekannt unterstellen würde, so schließe selbst diese geringe Spaltgröße die Einführung eines Zentrierelements nicht aus. So seien im Stand der Technik etwa Feinstbleche oder Drähte bekannt, die dünner als 0,15 mm seien und daher für ein Zentrierelement verwendet werden könnten. Vor diesem Hintergrund beruhe der Anspruch 1 des Klagepatents jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit bzw. fehle es dem Anspruch 8 an Neuheit.
168Im Rahmen der Aussetzungsentscheidung ist vorliegend zu berücksichtigen, dass es sich bei einem Zwischenbescheid um eine lediglich vorläufige und – wie das Amt selbst ausführt – unverbindliche Einschätzung der Erfolgsaussichten des Einspruchs handelt. Anders als in den Fällen des Vorliegens einer erstinstanzlichen Entscheidung, die auf Grund ihrer präjudiziellen Wirkung vom Verletzungsgericht entsprechend zu würdigen ist, gibt ein Zwischenbescheid lediglich ein Indiz dafür, wie die Einspruchsabteilung die Sache vor der mündlichen Verhandlung einschätzt. Selbst bei Vorliegen einer erstinstanzlichen Entscheidung im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren kann das Verletzungsgericht – ausnahmsweise – von einer Aussetzung absehen, wenn es auf Grund eigener Sachkunde verlässlich beurteilen kann, dass die vernichtende Erkenntnis des Amtes bzw. des BPatG keinen Bestand haben wird (vgl. Kühnen, a.a.O., Kapitel E., Rn. 536). Gleiches muss erst Recht im Hinblick auf eine vorläufige Einschätzung der Einspruchsabteilung gelten.
169Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze vermochte die Kammer nicht festzustellen, dass das Klagepatent mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vernichtet bzw. eingeschränkt wird. Die Einspruchsabteilung hat ohne weitere Begründung ausgeführt, dass das Zentrierelement auch aus Draht oder Feinstblech bestehen könne. Dabei hat sie jedoch außer Acht gelassen, dass dem Zentrierelement der Dosiervorrichtung nicht nur die Aufgabe zukommt, die einzusetzende Spritze richtig auszurichten. Vielmehr ist es auch Aufgabe des Zentrierelements ein Kippen der Spritze bei Belastungen, wie sie etwa bei der in der Laborpraxis üblichen Flüssigkeitsabgabe gegen die Wand eines Gefäßes vorkommt, zu verhindern. Ein Feinstblech mit einer Stärke von weniger als 0,15 mm scheint jedoch nicht geeignet, den bei Druck auf die Spritze und in Folge auch auf das Zentrierelement einwirkenden Kräften standzuhalten. Gleiches gilt erst Recht für Zentrierelemente aus Draht. Insoweit vermochte die Kammer auch kein anderes Material zu erkennen, welches geeignet wäre, als Ausgangsmaterial für ein Zentrierelement zu dienen.
1706.
171Mit Blick auf den Schriftsatz der Klägerin vom 08.08.2016 war der Beklagten auch kein Schriftsatznachlass zu gewähren.
172Der Schriftsatznachlass nach § 283 ZPO setzt voraus, dass sich eine Partei in der mündlichen Verhandlung nicht auf ein Vorbringen des Gegners erklären kann, da es ihr nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden ist. Das entsprechende Vorbringen muss dabei neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel enthalten und darf sich daher nicht (nur) in der Wiederholung früheren Vorbringens erschöpfen (vgl. Greger in Zöller, Kommentar zur ZPO, 31. Aufl. 2016, § 283, Rn. 2a). Ferner muss die gegnerische Partei in Folge des späten Vortrags zu einer sofortigen Erklärung außer Stande sein (vgl. Greger/Zöller, a.a.O., § 283, Rn. 2c).
173Soweit der Schriftsatz der Klägerin vom 08.08.2016 weiteres Vorbringen zu den Spaltmaßen der „alten“ Spritzen enthält, handelt es sich hierbei nicht um neuen Vortrag, da die Klägerin bereits in ihrer Replik vom 21.04.2016 umfassend zu der von ihr gemessenen Spaltgröße vorgetragen und die pauschale Behauptung der Beklagten damit streitig gestellt hat. Soweit mit Schriftsatz vom 08.08.2016 der Zwischenbescheid der Einspruchsabteilung vorgelegt und zu diesem Bescheid inhaltlich Stellung genommen wurde, handelt es sich ebenfalls um keine neuen Angriffs- oder Verteidigungsmittel der Klägerin, da der Bescheid günstig für die Beklagten ist. Zudem war der Bescheid Inhalt der mündlichen Verhandlung und die Beklagte hat sich umfassend zu dem Bescheid und der in ihm aufgeworfenen Fragen geäußert.
174II.
175Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
176Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
177Gemäß § 51 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO ist der Streitwert vom Gericht grundsätzlich nach billigem Ermessen auf der Grundlage des objektiven Interesses der Klägerin an der Erlangung des von ihr begehrten Rechtsschutzes festzusetzen (vgl. Kühnen, a.a.O., Kapitel J, Rd. 99). Dabei kommt es auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung, hier den Zeitpunkt der Klageerhebung, an, vgl. § 40 GKG. Maßgeblich ist das wirtschaftliche Interesse, das die Klägerin mit ihrem Antrag objektiv verfolgt. Ist Gegenstand des Rechtsstreits – wie hier – (auch) ein Unterlassungsanspruch, kommt es für dessen Bemessung darauf an, mit welchen Nachteilen die Klägerin bei einer Fortsetzung des beanstandeten Verhaltens rechnen muss (vgl. Kühnen, a.a.O., Kapitel J, Rd. 100). Zu berücksichtigen sind insoweit die Verhältnisse bei der Klägerin (wie Umsatz, Größe und Marktstellung), die Aufschluss über den voraussichtlich drohenden Schaden geben, des weiteren Art, Ausmaß und Schädlichkeit der Verletzungshandlung sowie die Intensität der Begehungs- oder Wiederholungsgefahr. Werden mit der Klage zudem Ansprüche auf Auskunft, Rechnungslegung, Entschädigung und Schadensersatz geltend gemacht, so ist der begehrte Kompensationsanspruch zu schätzen und ein entsprechender Gesamtstreitwert zu bilden (vgl. OLG Düsseldorf GRUR-RR 2011, 341f. – Streitwertheraufsetzung II).
178Zu berücksichtigen ist ferner, dass der klägerischen Wertangabe im gewerblichen Rechtsschutz indizielle Bedeutung zukommt, weil die Klägerin erstens am besten in der Lage ist, ihr für den Streitwert maßgebliches Angriffsinteresse zu bestimmen, und weil sie zweitens bei einer anfänglichen Angabe diese ohne Kenntnis von den Erfolgschancen seiner Rechtsverfolgung machen wird (vgl. Büttner in Ahrens, Wettbewerbsprozess, 7. Auflage, Kapitel 40, Rd. 40f.). Indizielle Bedeutung für die Festsetzung des Streitwertes kann darüber hinaus auch dem in einer der Klage vorangegangenen Abmahnung angegebenen Gegenstandswert zukommen. Eine Bindung des Gerichts an solche – auch unstreitigen – Angaben besteht jedoch nicht (vgl. Grabinski/Zülch in Benkard, Kommentar zum Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 139, Rn. 166).
179Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die klägerische Streitwertangabe von 750.000,00 € nicht zu beanstanden. Denn dieser Betrag entspricht dem wirtschaftlichen Interesse der Klägerin. Dieses Interesse ist vorliegend bereits deshalb als hoch zu bewerten, da das Klagepatent noch eine verhältnismäßig lange Restlaufzeit aufweist und somit von der Klägerin noch lange verwertet werden kann. Eine Herabsetzung des Gegenstandswerts auf Grundlage der Streitwertfestsetzung des OLG Hamburg ist vorliegend nicht angezeigt. Die Kammer vermag mangels Vortrags der Beklagten nicht nachzuvollziehen, wieso das OLG Hamburg den Streitwert auf 200.000,00 € bemessen hat.

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(1) Die Wirkung des Patents tritt gegen den nicht ein, der zur Zeit der Anmeldung bereits im Inland die Erfindung in Benutzung genommen oder die dazu erforderlichen Veranstaltungen getroffen hatte. Dieser ist befugt, die Erfindung für die Bedürfnisse seines eigenen Betriebs in eigenen oder fremden Werkstätten auszunutzen. Die Befugnis kann nur zusammen mit dem Betrieb vererbt oder veräußert werden. Hat der Anmelder oder sein Rechtsvorgänger die Erfindung vor der Anmeldung anderen mitgeteilt und sich dabei seine Rechte für den Fall der Patenterteilung vorbehalten, so kann sich der, welcher die Erfindung infolge der Mitteilung erfahren hat, nicht auf Maßnahmen nach Satz 1 berufen, die er innerhalb von sechs Monaten nach der Mitteilung getroffen hat.
(2) Steht dem Patentinhaber ein Prioritätsrecht zu, so ist an Stelle der in Absatz 1 bezeichneten Anmeldung die frühere Anmeldung maßgebend. Dies gilt jedoch nicht für Angehörige eines ausländischen Staates, der hierin keine Gegenseitigkeit verbürgt, soweit sie die Priorität einer ausländischen Anmeldung in Anspruch nehmen.
Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung
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ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen; - 2.
ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten; - 3.
das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.
(1) Das Patent hat ferner die Wirkung, daß es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich dieses Gesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.
(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn es sich bei den Mitteln um allgemein im Handel erhältliche Erzeugnisse handelt, es sei denn, daß der Dritte den Belieferten bewußt veranlaßt, in einer nach § 9 Satz 2 verbotenen Weise zu handeln.
(3) Personen, die die in § 11 Nr. 1 bis 3 genannten Handlungen vornehmen, gelten im Sinne des Absatzes 1 nicht als Personen, die zur Benutzung der Erfindung berechtigt sind.
(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. In diesem Fall ist dem Verletzten ein angemessener Ausgleich in Geld zu gewähren. Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.
(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte.
(3) Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen.
(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.
(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.
(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. In diesem Fall ist dem Verletzten ein angemessener Ausgleich in Geld zu gewähren. Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.
(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte.
(3) Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen.
(1) Artikel IV ist nur auf die nach seinem Inkrafttreten beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichten Patentanmeldungen und die darauf erteilten Patente anzuwenden.
(2) Eine innerhalb von sechs Monaten nach dem Inkrafttreten von Artikel IV Nr. 3 eingereichte Patentanmeldung kann nicht deshalb zurückgewiesen und ein darauf erteiltes Patent nicht deshalb für nichtig erklärt werden, weil die Erfindung innerhalb von sechs Monaten vor der Anmeldung beschrieben oder benutzt worden ist, wenn die Beschreibung oder Benutzung auf der Erfindung des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers beruht. Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Beschreibung oder Benutzung der Erfindung durch den Anmelder oder seinen Rechtsnachfolger selbst erfolgt ist und erst nach dem Inkrafttreten von Artikel IV Nr. 3 vorgenommen worden ist.
(3) Die vor dem Inkrafttreten von Artikel IV Nr. 7 und Artikel VI entstandenen Wirkungen des zeitweiligen Schutzes bleiben von dem Inkrafttreten der genannten Bestimmungen unberührt.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der benutzten Erzeugnisse in Anspruch genommen werden.
(2) In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung oder in Fällen, in denen der Verletzte gegen den Verletzer Klage erhoben hat, besteht der Anspruch unbeschadet von Absatz 1 auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß
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rechtsverletzende Erzeugnisse in ihrem Besitz hatte, - 2.
rechtsverletzende Dienstleistungen in Anspruch nahm, - 3.
für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte oder - 4.
nach den Angaben einer in Nummer 1, 2 oder Nummer 3 genannten Person an der Herstellung, Erzeugung oder am Vertrieb solcher Erzeugnisse oder an der Erbringung solcher Dienstleistungen beteiligt war,
(3) Der zur Auskunft Verpflichtete hat Angaben zu machen über
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Namen und Anschrift der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Erzeugnisse oder der Nutzer der Dienstleistungen sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren, und - 2.
die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie über die Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse oder Dienstleistungen bezahlt wurden.
(4) Die Ansprüche nach den Absätzen 1 und 2 sind ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist.
(5) Erteilt der zur Auskunft Verpflichtete die Auskunft vorsätzlich oder grob fahrlässig falsch oder unvollständig, so ist er dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(6) Wer eine wahre Auskunft erteilt hat, ohne dazu nach Absatz 1 oder Absatz 2 verpflichtet gewesen zu sein, haftet Dritten gegenüber nur, wenn er wusste, dass er zur Auskunftserteilung nicht verpflichtet war.
(7) In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung kann die Verpflichtung zur Erteilung der Auskunft im Wege der einstweiligen Verfügung nach den §§ 935 bis 945 der Zivilprozessordnung angeordnet werden.
(8) Die Erkenntnisse dürfen in einem Strafverfahren oder in einem Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten wegen einer vor der Erteilung der Auskunft begangenen Tat gegen den Verpflichteten oder gegen einen in § 52 Abs. 1 der Strafprozessordnung bezeichneten Angehörigen nur mit Zustimmung des Verpflichteten verwertet werden.
(9) Kann die Auskunft nur unter Verwendung von Verkehrsdaten (§ 3 Nummer 70 des Telekommunikationsgesetzes) erteilt werden, ist für ihre Erteilung eine vorherige richterliche Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung der Verkehrsdaten erforderlich, die von dem Verletzten zu beantragen ist. Für den Erlass dieser Anordnung ist das Landgericht, in dessen Bezirk der zur Auskunft Verpflichtete seinen Wohnsitz, seinen Sitz oder eine Niederlassung hat, ohne Rücksicht auf den Streitwert ausschließlich zuständig. Die Entscheidung trifft die Zivilkammer. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. Die Kosten der richterlichen Anordnung trägt der Verletzte. Gegen die Entscheidung des Landgerichts ist die Beschwerde statthaft. Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen. Die Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten bleiben im Übrigen unberührt.
(10) Durch Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 9 wird das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) eingeschränkt.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten auf Vernichtung der im Besitz oder Eigentum des Verletzers befindlichen Erzeugnisse, die Gegenstand des Patents sind, in Anspruch genommen werden. Satz 1 ist auch anzuwenden, wenn es sich um Erzeugnisse handelt, die durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellt worden sind.
(2) Absatz 1 ist entsprechend auf die im Eigentum des Verletzers stehenden Materialien und Geräte anzuwenden, die vorwiegend zur Herstellung dieser Erzeugnisse gedient haben.
(3) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten auf Rückruf der Erzeugnisse, die Gegenstand des Patents sind, oder auf deren endgültiges Entfernen aus den Vertriebswegen in Anspruch genommen werden. Satz 1 ist auch anzuwenden, wenn es sich um Erzeugnisse handelt, die durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellt worden sind.
(4) Die Ansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 sind ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit sind auch die berechtigten Interessen Dritter zu berücksichtigen.
Entspricht die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn, so kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. In den Fällen des § 679 steht dieser Anspruch dem Geschäftsführer zu, auch wenn die Übernahme der Geschäftsführung mit dem Willen des Geschäftsherrn in Widerspruch steht.
(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.
Kann sich eine Partei in der mündlichen Verhandlung auf ein Vorbringen des Gegners nicht erklären, weil es ihr nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden ist, so kann auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann; gleichzeitig wird ein Termin zur Verkündung einer Entscheidung anberaumt. Eine fristgemäß eingereichte Erklärung muss, eine verspätet eingereichte Erklärung kann das Gericht bei der Entscheidung berücksichtigen.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.
(1) In Rechtsmittelverfahren des gewerblichen Rechtsschutzes (§ 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 14) und in Verfahren über Ansprüche nach dem Patentgesetz, dem Gebrauchsmustergesetz, dem Markengesetz, dem Designgesetz, dem Halbleiterschutzgesetz und dem Sortenschutzgesetz ist der Wert nach billigem Ermessen zu bestimmen.
(2) In Verfahren über Ansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und nach dem Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(3) Ist die Bedeutung der Sache für den Beklagten erheblich geringer zu bewerten als der nach Absatz 2 ermittelte Streitwert, ist dieser angemessen zu mindern. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts hinsichtlich des Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruchs keine genügenden Anhaltspunkte, ist insoweit ein Streitwert von 1 000 Euro anzunehmen. Dieser Wert ist auch anzunehmen, wenn die dem Rechtsstreit zugrunde liegende Zuwiderhandlung angesichts ihrer Art, ihres Ausmaßes und ihrer Folgen die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern oder sonstigen Marktteilnehmern in nur unerheblichem Maße beeinträchtigt. Der nach Satz 2 oder Satz 3 anzunehmende Wert ist auch maßgebend, wenn in den dort genannten Fällen die Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung nebeneinander geltend gemacht werden.
(4) Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist der sich aus den Absätzen 2 und 3 ergebende Wert in der Regel unter Berücksichtigung der geringeren Bedeutung gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen.
(5) Die Vorschriften über die Anordnung der Streitwertbegünstigung (§ 12 Absatz 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, § 144 des Patentgesetzes, § 26 des Gebrauchsmustergesetzes, § 142 des Markengesetzes, § 54 des Designgesetzes, § 22 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen) sind anzuwenden.
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.
Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet.