Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 18. Jan. 2017 - 7 Sa 513/15

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2017:0118.7Sa513.15.00
18.01.2017

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 15. September 2015, Az. 8 Ca 551/15, wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob Zeiten, die der Kläger im Rahmen ihm dienstlich obliegender Touren im Ausland für die Fahrten zwischen dem jeweiligen Lkw-Abstellplatz und Hotel aufwendet, als Arbeitszeit zu werten und zu vergüten sind.

2

Der 1975 geborene, verheiratete Kläger ist seit dem 1. Februar 2009 bei den US Stationierungsstreitkräften als Kraftfahrer beschäftigt. Er wird entsprechend der Gehaltsgruppe A5/7 bei einem monatlichen Grundgehalt von (nach Angaben der Beklagten) zuletzt 2.993,74 € vergütet. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TV AL II Anwendung.

3

In der Einheit des Klägers sind 154 Kraftfahrer beschäftigt.

4

Der Kläger fährt regelmäßig längere Touren im In- und Ausland, die mit einer Übernachtung in einem Hotel verbunden sind. Zum Zweck des Diebstahlschutzes wird dem Kläger vorgegeben, an welcher Örtlichkeit er den Lkw genau abzustellen hat. Meist handelt es sich um Kasernen der US Stationierungsstreitkräfte. Dort angekommen stellt er den Lkw ordnungsgemäß ab, sichtet etwaige Schäden und vervollständigt den Fahrbefehl.

5

Um zu dem Hotel zu gelangen, kann der Kläger je nach den Umständen des Einzelfalls entweder eine durch die US Streitkräfte vor Ort angebotene Fahrgelegenheit oder ein Taxi in Anspruch nehmen. Die Kosten der Taxifahrt werden dem Kläger in voller Höhe erstattet.

6

Bis etwa Sommer 2014 wurde die Zeit bis zum Erreichen des Hotels als Arbeitszeit gewertet und vergütet. Seit Sommer 2014 werden Fahrtzeiten zwischen dem Lkw-Abstellplatz und dem Hotel ausnahmslos nicht mehr als Arbeitszeit vergütet.

7

Die (Rück-)Fahrt vom Hotel zum Lkw-Arbeitsplatz nimmt der Kläger in der Regel (aus Gründen der Frühstückszeit im Hotel oder der festgelegten Abladezeit beim Kunden) während der Arbeitszeit, die um 7.00 Uhr beginnt, vor. Er bekommt sie dementsprechend vergütet.

8

Der Kläger trägt bei Ausführung der Arbeit keine Uniform im engeren Sinn, sondern einheitliche olivgrüne Arbeitskleidung, im Wesentlichen bestehend aus einem Oberhemd, einer Hose, einer Jacke und schwarzen (Sicherheits-)Schuhen. Auf dem Oberteil befinden sich seitlich ein Abzeichen betreffend den Bezahlgrad sowie ein Wappen mit dem Zeichen der Unterstützungseinheit für die US Stationierungsstreitkräfte sowie ein weiteres Abzeichen auf der anderen Seite. Mit E-Mail vom 12. Mai 2011 erteilte die zuständige Dienststelle der US Stationierungsstreitkräfte (...) eine Weisung zum Tragen einheitlicher Arbeitskleidung. Wegen ihres Inhalts wird auf Bl. 107 f. d. A. Bezug genommen.

9

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen,
der Zeitaufwand für die Fahrt vom Abstellplatz des Fahrzeugs zum Hotel sei als Arbeitszeit zu werten und zu vergüten. Seine Arbeitszeit ende nicht bereits am Abstellplatz. Erst im Hotel beginne seine Freizeit.

10

Während in US Liegenschaften (meistens) das Übernachten möglich sei, sei eine Übernachtung in der betreffenden Liegenschaft der nationalen Streitkräfte in Ungarn, Rumänien, Bulgarien oder der Ukraine ausgeschlossen. Für die Fahrer und damit auch für ihn gebe es dort nicht einmal eine Möglichkeit zum Duschen oder Umziehen. Es gebe auch keine Möglichkeiten einer irgendwie gearteten „Freizeitgestaltung“. Nach dem Abstellen des Lkw müsse er die Liegenschaft in Uniform verfassen und sich selbst darum kümmern, wo er übernachte. Bei der Strecke zwischen Liegenschaft und Hotel handele es sich meist um eine größere Entfernung, da die zur Abstellung des Lkw bestimmten Liegenschaften regelmäßig "weit außerhalb" lägen.

11

Sofern mehrere Lastzüge gleichzeitig zu mehrtägigen Fahrten mit Übernachtung eingeteilt würden, sei dem Konvoi in der Regel ein Begleitkleinbus beigefügt. Mit diesem Kleinbus würden die Fahrer dann von der jeweiligen Abstell-Liegenschaft zum nächstgelegenen Hotel gebracht. Die Nutzung des Kleinbusses sei vorgeschrieben. In den übrigen Fällen müsse er ein Taxi nutzen.

12

Er ist der Ansicht, es sei widersprüchlich, dass die Fahrt vom Hotel zum Abstellplatz als Arbeitszeit vergütet werde, nicht aber die Fahrt vom Abstellplatz zum Hotel. Auch die Erstattung der Taxikosten zum Hotel ließe sich nicht erklären, wenn die Arbeitgeberseite diese Fahrt als Freizeitgestaltung ansehe. Im Sommer 2014 habe es keine Änderung der Rechtslage gegeben. Es habe auch keine Information an die Beschäftigten gegeben.

13

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

14

festzustellen, dass diejenigen Zeiten, die er im Rahmen ihm dienstlich obliegender Fahrten zwischen dem jeweiligen Lkw-Abstellplatz einerseits und dem für die Übernachtung vorgesehenen Hotel andererseits aufwendet, als Arbeitszeit zu werten und zu vergüten sind.

15

Die Beklagte hat beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Die Beklagte hat vorgetragen,
im Laufe des Jahres 2014 sei die Rechtslage seitens der US Stationierungsstreitkräfte eingehend geprüft und der frühere Rechtsirrtum in Bezug auf die Vergütung der Fahrzeiten zum Hotel erkannt worden. Die Mitarbeiter der Beschäftigungs-stelle - und damit auch der Kläger - seien über die (neue) Rechtslage informiert und darüber aufgeklärt worden, dass künftig, in richtiger Umsetzung des TV AL II, Fahrtzeiten zwischen dem Lkw-Abstellplatz und dem Hotel ausnahmslos nicht mehr als Arbeitszeit vergütet würden.

18

Ein Hotel in der Nähe zum Abstellplatz des Fahrzeugs könne der Kläger zur Übernachtung selbst auswählen. Eine Anweisung seitens der Dienststelle, sofort zum Hotel zu fahren, gebe es nicht. Der Kläger sei nicht angewiesen, bis zum Dienstantritt am nächsten Morgen den US Stationierungsstreitkräften weiterhin zur Verfügung zu stehen oder sonstige Tätigkeiten auszuüben.

19

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt,
der Kläger habe keinen Anspruch darauf, dass die Zeit zwischen dem Abstellen des Lkw und der Restarbeiten bis zur Fahrt zum Hotel als Arbeitszeit vergütet werde. Der Kläger verrichte nach dem Abstellen des Lkws und den Restarbeiten dort, wie Ausfüllen der Papiere, keine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit, wenn er zum Hotel fahre. Es sei ihm auch überhaupt nicht vorgegeben ins Hotel zu fahren oder sich für weitere Aufgaben bereitzuhalten. Es bestünde insofern kein Unterschied zwischen dem Abstellen des Lkw am Heimatstandplatz und der Fahrt nach Hause. Auch tarifvertraglich ließen sich die Zeiten nicht nach den Sonderbestimmungen S (richtig: F) für Kraftfahrer zum TV AL II als Arbeitszeit einordnen. Die Fahrt zum Hotel lasse sich nicht unter die Definitionen "a) Arbeitsbereitschaft, b) Be- und Entladearbeiten (Hinweis auf Abs. 3, Protokollnotiz), c) Fahrzeuginstandhaltungsarbeiten, Vor- und Abschlussarbeiten" subsumieren. Auch aus den Vorschriften für Dienstreisen (Anhang R des TV AL II, Bestimmungen über auswärtige Beschäftigung) lasse sich nicht entnehmen, dass die Rückfahrt ins Hotel als Arbeitszeit zu vergüten sei. Widersprüche zu der Handhabung bei der Hinfahrt und zu der Übernahme der Taxikosten führten nicht dazu, dass die Zeiten als Arbeitszeiten zu vergüten seien. Die Berufung hat das Arbeitsgericht, das den Streitwert auf 600,00 € festgesetzt hat, zugelassen. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern (Bl. 40 ff. d. A.) Bezug genommen.

20

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 28. Oktober 2015 zugestellt worden. Der Kläger hat hiergegen mit einem am 19. November 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 18. November 2015 Berufung eingelegt und diese mit am 19. Januar 2016 - innerhalb der durch Beschluss vom 22. Dezember 2015 verlängerten Berufungsbegründungsfrist - beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag begründet.

21

Zur Begründung der Berufung macht der Kläger nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes sowie des Schriftsatzes vom 23. November 2016 (Bl. 65 ff, 133 ff. d. A.) zusammengefasst geltend,
es sei davon auszugehen, dass er dann, wenn er im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses als Berufskraftfahrer mit seinem Lastzug eine mehrtägige Fahrt im Inland und/oder Ausland durchzuführen habe, immer jeweils eine (einzige) Dienstreise durchführe. Die Dienstreise ende nicht mit seiner Ankunft an dem Ort, an dem er den Lkw abzustellen habe und auch nicht in dem Zeitpunkt, in dem er den Ort erreiche, an dem er übernachte (Hotel/Unterkunft). Sie beginne vielmehr mit seiner Abfahrt von seiner ständigen Beschäftigungsstelle und ende auch bei mehrtätiger Dauer erst mit der Rückkehr dorthin (vgl. Anhang R Abschnitt I, Ziffer 2a). Bei der Zeit, die er aufwenden müsse, um von dem vorgegebenen Lkw-Abstellort zu dem ebenfalls vorgegebenen Übernachtungsort zu gelangen, handele es sich nicht um eine "Reisezeit" im Sinn von Anhang R, Abschnitt I Ziffer 3b (1), wo normiert sei, dass Reisezeiten keine Arbeitszeit seien. Schon gar nicht handele es sich um "Freizeit". Der Umstand, dass der Kläger den ihm zugewiesenen Lkw-Abstellort verlassen müsse und dort nicht übernachten dürfe, belege den dienstlichen Bezug der unabdingbar notwendigen und dem Kläger sogar ausdrücklich vorgeschriebenen "Weiterfahrt" vom Lkw-Abstellort zum Übernachtungsort. Der dienstliche Bezug werde zumindest teilweise auch von den US Stationierungsstreitkräften anerkannt, die für die Fahrt vom Lkw-Abstellort und Übernachtungsort anfallende Taxikosten erstatteten.

22

Die Regelung im Anhang R, Abschnitt I, Ziffer 3 c, die die Regelung im Anhang R, Abschnitt I Ziffer 3 b (1) einschränke bzw. modifiziere, sei Anspruchsgrundlage für den streitgegenständlichen (Feststellungs-)Anspruch des Klägers. Der Umstand, dass die zusätzliche Fahrt vom Lkw-Abstellort zum Übernachtungsort ausschließlich und ausdrücklich nur deshalb notwendig sei und überhaupt anfalle, weil ihm dienstlich vorgeschrieben werde, dass er den Lkw an einem Ort abstellen müsse, an dem er nicht übernachten könne und auch nicht dürfe, belege zweifelsfrei, dass er während der diesbezüglichen Zeit seinem Arbeitsauftrag entsprechend Arbeit leisten bzw. sich zur Verfügung halten müsse.

23

Es gebe vorausgewählte Hotels, aus denen er sich ein Hotel aussuchen könne. Der für den Transport Verantwortliche entscheide über die Auswahl des Hotels. Das Umkleiden auf den Liegenschaften, auf denen das Fahrzeug abgestellt werde, sei nicht vorgesehen. Es handele sich um einen Sicherheitsbereich, der verlassen werden müsse.

24

Es sei ausdrücklich gemäß Ziffer 2 Abs. 3 der Anordnung vom 12. Mai 2011 verboten, die dienstliche Arbeitskleidung mit privater Kleidung zu kombinieren. Eine dieser Anordnung entgegenstehende Genehmigung gebe es nicht. Auch mündlich sei keinem Fahrer eine diesbezügliche Genehmigung erteilt worden. Auch sei ein Austausch des zur Dienstkleidung gehörenden Hemdes durch ein privates Hemd schon grundsätzlich nicht geeignet, den Wechsel von „Dienstzeit“ zu „Freizeit“ herbeizuführen. Selbst dann habe die zur Dienstkleidung gehörende Hose insbesondere in Verbindung mit den zur Dienstkleidung gehörenden Schuhen nach wie vor einen so deutlichen Uniformcharakter, dass von einer privaten Kleidung oder gar Freizeitkleidung keinesfalls gesprochen werden könne.

25

Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass er auf den streitgegenständlichen längeren dienstlichen Auslandsfahrten selbstverständlich auch mindestens eine größere Tasche oder sogar einen Koffer dabei habe. Von einer tatsächlichen „Freizeitgestaltung“ könne keine Rede sein, wenn er sein privates Gepäck mit sich führen müsse. Schließlich sei in diesem Zusammenhang auch auf die ihm zustehende Körperpflege hinzuweisen. Er ist der Ansicht, insbesondere nach Maßgabe des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 19. September 2012 (5 AZR 678/11) sei dann, wenn eine arbeitgeberseitig vorgeschriebene dienstliche Kleidung während des Dienstes getragen und bei Dienstende abgelegt werden müsse, die Zeitspanne zwischen dem Ende der eigentlichen Arbeitsleistung einerseits und dem Ablegen der Dienstkleidung andererseits als Teil der Arbeitszeit anzusetzen und dementsprechend zu vergüten.

26

Der Kläger beantragt,

27

in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 15. September 2015, Az. 8 Ca 551/15, festzustellen,
dass auch diejenigen Zeiten, die er im Rahmen ihm dienstlich obliegender Touren für die Fahrten zwischen dem jeweiligen Lkw-Abstellplatz im Ausland einerseits und dem für die Übernachtung vorgesehenen Hotel andererseits aufwendet und die außerhalb seiner regulären Arbeitszeit liegen, als Arbeitszeit zu werten und zu vergüten sind.

28

Die Beklagte beantragt,

29

die Berufung zurückzuweisen.

30

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe des Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 29. März 2016 sowie des Schriftsatzes vom 9. November 2016, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 90 ff., 123 ff. d. A.), als rechtlich zutreffend.

31

Die vom Kläger zwischen dem Lkw-Abstellplatz und dem Hotel aufzubringende Zeit sei nicht als Arbeitszeit zu vergüten. Die Frage, wann die Dienstreise beginne und wann sie ende, habe letztlich keinen Einfluss auf die zu vergütende Arbeitszeit. Entscheidend sei vielmehr, ob die für die Fahrten zwischen dem Lkw-Abstellplatz und dem vom Kläger ausgewählten Hotel aufgebrachte Zeit zur regelmäßigen Arbeitszeit zähle, da nur diese zu vergüten sei. Bei der Fahrzeit zwischen Lkw-Abstellplatz und dem Hotel handele es sich weder um Lenkzeit, Be- und Entladearbeiten, Fahrzeuginstandhaltungsarbeiten, Vor- und Abschlussarbeiten noch um Arbeitsbereitschaft im Sinn von Abschnitt I Ziffer 2 a (2) des Anhangs F zum TV AL II. Nach Abschnitt I 3. b (1), c des Anhangs R zum TV AL II seien Reisezeiten (Fahrzeiten) des Klägers nur dann als vergütungspflichtige Arbeitszeit zu werten, wenn der Kläger während der entsprechenden Fahrzeit seinem Arbeitsauftrag entsprechend Arbeit leiste oder sich zur Verfügung halten müsse. Dies sei während der Fahrzeit zum Hotel mit einer durch die US Stationierungsstreitkräfte vor Ort angebotenen Fahrgelegenheit oder ein Taxi nicht gegeben. Auch am Heimatstandort dürfe der Kläger nicht übernachten und sei nicht weniger gezwungen, nach dem weisungsgemäßen Abstellen seines Lkw seine Wohnung aufzusuchen. Es gebe seitens der US Stationierungsstreitkräfte keine Anweisung, nach dem Abstellen des Lkws auf dem jeweiligen Abstellplatz sofort das Hotel (bei dem Abstellen des Lkws auf dem Lkw-Abstellplatz außerhalb Kaiserslautern) bzw. die Wohnung (bei dem Abstellen des Lkws auf dem Heimatstandplatz) aufzusuchen.

32

Nur das Oberhemd weise Auffälligkeiten auf. Die übrigen olivgrünen Kleidungs-stücke – bzw. schwarze Schuhe – seien hingegen unauffällig. Die Untersagung des Tragens der Arbeitskleidung auch in der Freizeit gelte nicht während einer Dienstreise, während derer das Tragen der Dienstkleidung ausdrücklich erlaubt sei. Aufgrund der in jüngerer Vergangenheit in der Zivilbevölkerung mehrerer Länder festzustellenden Antipathien gegenüber den Bediensteten der US Streitkräfte sei von der Dienststelle ... die Anweisung an US militärisches Personal erteilt worden, dass dieses auch auf Dienstreisen, sofern keine tatsächliche Arbeit verrichtet werde, das Oberhemd zu wechseln habe bzw. ihnen untersagt sei, dieses in der arbeitsfreien Zeit auf Dienstreisen zu tragen. Eine Kombination von einem eigenen privaten Oberteil mit der Arbeitshose sei dabei jedoch ausdrücklich zugestanden. Diese Anweisung werde seither - abweichend von der vom Kläger dargelegten Anweisung per E-Mail vom 12. Mai 2011 - analog auf ortsansässige Beschäftigte der US Stationierungsstreitkräfte angewandt, sofern diese sich in derselben Lage befänden. Der Kläger sei nach alledem lediglich verpflichtet, nach dem Abstellen des Lkws auf dem Abstellplatz das Oberhemd zu wechseln. Dies sei ohne weiteres im Lkw möglich. Der Kläger fahre überwiegend Lkws der Marke Freightliner (Marke der Daimler Trucks North America LLC), die einen Fahrzeuginnenraum aufwiesen, der – bezogen auf den vorderen Fahrzeuginnenraum – größer sei als der in sämtlichen marktüblichen Pkws.

33

Die Beklagte ist der Ansicht, die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 17. November 2015 (1 ABR 76/13), vom 12. November 2013 (1 ABR 59/12) und vom 10. November 2009 (1 ABR 54/08) hätten den Arbeitszeitbegriff im Sinn des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zum Gegenstand gehabt, welcher nicht mit dem vergütungsrechtlichen Arbeitszeitbegriff deckungsgleich sei. Vielmehr seien die Entscheidungen des 5. Senats vom 19. März 2014 (5 AZR 954/12) und 19. September 2012 (5 AZR 678/11) maßgeblich heranzuziehen, in denen das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich festgestellt habe, dass selbst in den Fällen, in denen es den Beschäftigten aufgrund fehlender Umkleidevorrichtung nicht möglich sei, die (auffällige) Dienstkleidung erst am Arbeitsplatz anzulegen, es sich bei dem Zurücklegen des Weges zwischen Wohnung und Arbeitsstelle nicht um ver-gütungspflichtige Zeit handele. Eine für eine Tätigkeit aufgewendete Arbeitszeit sei danach vergütungspflichtig, weil sei dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber im Rahmen des diesem zustehenden Direktionsrechts abverlangt worden sei, mit seiner eigentlichen Tätigkeit unmittelbar zusammenhänge und ausschließlich den Interessen der Beklagten diene. Unter Berücksichtigung einer weiteren bundesarbeitsgerichtlichen Entscheidung vom 11. Oktober 2000 (5 AZR 122/99) bedürfte es ergänzend einer Vergütungserwartung, wenn sich der Vergütungsanspruch aus § 612 Abs. 1 BGB ergebe. Vorliegend sei das Anziehen der Dienstkleidung nicht ausschließlich fremdnützig. Der Fremdnützigkeit stehe entgegen, wenn der Beschäftigte berechtigt sei, die Dienstkleidung auf dem Weg zur Arbeit und von der Arbeit zu tragen. Das gelte zumindest dann, wenn der Beschäftigte durch das Tragen der Kleidung im öffentlichen Raum nicht ohne weiteres als Mitarbeiter des Arbeitgebers erkennbar sei. Es könne im vorliegenden Fall auch keine Vergütungserwartung festgestellt werden. Der TV AL II regele nicht nur ganz allgemein die Arbeitszeit, sondern sehe vielmehr detaillierte Sonderregeln für Kraftfahrer sowie hinsichtlich vergütungspflichtiger Reisezeiten vor. Danach sei die regelmäßige Arbeitszeit eines Kraftfahrers klar definiert. Die explizite Regelung von Arbeits-zeiten im TV AL II ohne Regelungen zu Vergütungspflichten von Wegezeiten zwischen Lkw-Abstellplatz (während oder außerhalb Dienstreisen), obgleich den Tarifvertragsparteien die tatsächlichen Umstände – bereits aufgrund der normierten Sonderbestimmungen erkennbar – bekannt gewesen seien, zeige auf, dass eine Vergütungserwartung nicht bestehen könne.

34

Aus der Erstattung der Taxi-Kosten könne der Kläger nicht den Rückschluss ziehen, dass auch die Fahrzeit zu erstatten sei. Zwischen der Erstattung von Nebenkosten und der Vergütung von Arbeitszeit könnten keine Parallelen gezogen werden.

35

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Sitzungen vom 28. September 2016 und 18. Januar 2017 (Bl. 100 ff., 148 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

36

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 a ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

B.

37

In der Sache hatte die Berufung des Klägers keinen Erfolg.

I.

38

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist sie gegen die Beklagte als Prozessstandschafterin für die US Stationierungsstreitkräfte nach Art. 56 Abs. 8 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut gerichtet.

39

Es kann dahin stehen, ob für den so genannten Elementenfeststellungsantrag das nach § 256 Abs. 1 ZO erforderliche Feststellungsinteresse besteht. Jedenfalls ist die Klage als Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig (vgl. BAG, Urteil vom 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - NZA-RR 2013, 63, 64 Rz. 16).

II.

40

In der Sache hat die Klage jedoch keinen Erfolg. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass er (stets) Anspruch auf Vergütung der - außerhalb seiner regulären Arbeitszeit gelegenen - Fahrzeit vom Lkw-Abstellplatz zum Hotel im Rahmen mehrtägiger dienstlich veranlasster Fahrten im Ausland hat. Bei diesen - mit einer zur Verfügung gestellten Mitfahrmöglichkeit oder einem Taxi zurückgelegte - Fahrten handelt es sich, wenn sie außerhalb der regulären Arbeitszeiten liegen, jedenfalls nicht stets um zu vergütende Arbeitszeit.

1.

41

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der TV AL II Anwendung, der in seinem § 9 auszugsweise bestimmt:

42

"§ 9 Regelmäßige Arbeitszeit

43

1. a) Die regelmäßige Arbeitszeit ausschließlich der Pausen beträgt 38,5 Stunden in der Arbeitswoche.
(…)
2. a) (…)
b) Arbeitsbereitschaft ist die Zeit, während der sich der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz oder an einem anderen, von der Beschäftigungsstelle zu bezeichnenden Ort - jedoch außerhalb seines privaten Bereichs - aufzuhalten hat, um im Bedarfsfall unverzüglich die Arbeit aufzunehmen.
Bereitschaftsdienst liegt vor, wenn der Arbeitnehmer sich für Zwecke des Betriebes an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhalten muss, um bei Abruf erforderlichenfalls seine volle Arbeitstätigkeit unverzüglich aufnehmen zu können.
Die Zeit der Arbeitsbereitschaft oder des Bereitschaftsdienstes gilt als volle Arbeitszeit im Rahmen der gemäß Ziffer 1 oder Ziffer 2a für die Arbeits-woche festgesetzten Stundenzahl.
(…)
7. a) Die Arbeitszeit beginnt und endet an dem Platz, an dem der Arbeitnehmer seine Tätigkeit ausübt (Arbeitsplatz), oder an dem er sich vor Aufnahme und/oder nach Beendigung der Arbeit einzufinden hat."

44

Auf den Kläger als Kraftfahrer finden die "Sonderbestimmungen F für Kraft-fahrer" Anwendung, in denen es unter anderem heißt:

45

"I.
Mantelbestimmungen

46

1. Zu § 9 Regelmäßige Arbeitszeit

47

a) Ziffer 1 entfällt. Stattdessen ist vereinbart:

48

(1) Die regelmäßige Arbeitszeit ausschließlich Pausen
beträgt 38,5 Stunden
in der Arbeitswoche.

49

(2) Die regelmäßige Arbeitszeit kann ausgedehnt werden
auf bis zu 46,5 Stunden
in der Arbeitswoche.

50

Sie kann außer der Lenkzeit auch enthalten:

51

(a) Arbeitsbereitschaft
(b) Be- und Entladearbeiten (Hinweis auf Absatz (3), Protokollnotiz)
(c) Fahrzeuginstandhaltungsarbeiten, Vor- und Abschlussarbeiten

52

(…)"

53

Fährt der Kläger eine Tour im In- und Ausland, die mit einer Übernachtung verbunden ist, befindet er sich auf einer Dienstreise entsprechend dem Anhang R zum TV AL II, in dem bestimmt ist:

54

"Anhang R Bestimmungen über auswärtige Beschäftigung (zu § 35)

55

3. Arbeitsverdienst während der Dienstreise

56

a) Für die Zeit vom Beginn bis zur Beendigung der Dienstreise erhält der Arbeitnehmer seinen Arbeitsverdienst für die in seiner Beschäftigungsdienststelle festgelegte regelmäßige Arbeitszeit fortgezahlt.
Während der Dienstreise geleistete Mehrarbeit, Nachtarbeit, Sonntagsarbeit und Feiertagsarbeit im Sinne der tarifvertraglichen Vorschriften (§§ 10 bis 13) wird nach den einschlägigen Tarifbestimmungen vergütet.

57

b) (1) Reisezeiten sind keine Arbeitszeit. Sie bleiben deshalb bei der Feststellung von Mehrarbeit, Nachtarbeit, Sonntagsarbeit und Feiertagsarbeit unberücksichtigt.
(…)

58

c) Abweichend von Abschnitt b) erhalten Kraftfahrer Vergütung für Mehrarbeitsstunden, Nachtarbeitsstunden, Sonntagsarbeitsstunden und Feiertagsarbeitsstunden, die mit Reisezeiten (Fahrzeiten) zusammen-fallen, wenn sie während solcher Zeiten ihrem Arbeitsauftrag entsprechend Arbeit leisten oder sich zur Verfügung halten müssen.
(…)

59

Protokollnotiz zu Ziffer 3c

60

Für Arbeitnehmer, die mit ihrem eigenen oder dienstlichen PKW fahren, gelten die Fahrzeiten dann als Arbeitszeit im Sinne des Abschnitts c), wenn sie im Interesse der Beschäftigungsdienststelle und mit deren ausdrücklicher Genehmigung entsprechend ihrem Arbeitsauftrag Personen, Güter oder Gegenstände transportieren."

61

Nach Abschnitt I Ziffer 3 c des Anhangs R erhält der Arbeitnehmer somit grundsätzlich seinen Arbeitsverdienst für die in seiner Beschäftigungsdienststelle festgelegte regelmäßige Arbeitszeit fortgezahlt. Zusätzlich erhalten Kraftfahrer Vergütung für Mehrarbeitsstunden, Nachtarbeitsstunden, Sonntagsarbeitsstunden und Feiertagsarbeitsstunden, die mit Reisezeiten (Fahrzeiten) zusammenfallen, wenn sie während solcher Zeiten ihrem Arbeitsauftrag entsprechend Arbeit leisten oder sich zur Verfügung halten müssen.

2.

62

Der Kläger hat für die Fahrzeiten vom Abstellplatz des Lkw zum Hotel somit einen Anspruch auf Vergütung, wenn diese innerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit erfolgen oder er Arbeit im engeren Sinn leistet oder sich zur Verfügung halten muss. Das ist zwischen den Parteien unstreitig.

3.

63

Während der Fahrt zum Hotel mit dem Taxi oder einem nicht von ihm gelenkten Begleitfahrzeug leistet der Kläger jedoch keine Arbeit im engeren Sinn. Weder lenkt er ein Fahrzeug, noch befindet er sich in Arbeitsbereitschaft, noch be- oder entlädt er sein Fahrzeug oder führt Fahrzeuginstandhaltungsarbeiten oder Vor- und Abschlussarbeiten durch (Abschnitt I Ziffer 1 a (2) der Sonderbestimmungen F zum TV AL II).

4.

64

Der Kläger hat auch nicht die Voraussetzungen dafür vorgetragen, dass die Fahrzeit vom Abstellplatz des Fahrzeugs zum Hotel als Wegezeit zum Umkleiden (stets) vergütungspflichtige Arbeitszeit ist.

a)

65

Zum einen enthält der Anhang R in Abschnitt I Ziffer 3 eine speziellere Regelung zur Vergütung während Dienstreisen und damit auch zu während dieser anfallenden Wege- und Umkleidezeiten von Kraftfahrern. Die Tarifvertragsparteien haben sowohl den Sonderfall der Dienstreisen als auch denjenigen der Kraftfahrer auf Dienstreisen gesehen und einer abschließenden Regelung zugeführt. Sie waren auch grundsätzlich berechtigt, die Höhe des Entgelts für die Arbeitszeit festzulegen, pauschalierende Vergütungsregelungen für Dienstreisezeiten zu schaffen und die Vergütungspflicht von Umkleide- und Wegezeiten einzuschränken (vgl. LAG Hamburg, Urteil vom 6. Juli 2015 – 8 Sa 53/14 – NZA-RR 2016, 66, 68 Rz. 44, 48, 51). Durch Tarifvertrag kann eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentliche Tätigkeit getroffen werden (vgl. BAG, Urteil vom 26. Oktober 2016 - 5 AZR 226/16 - BeckRS 2016, 112090 Rz. 23).

66

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regelungen. Auszugehen ist vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien ist über den reinen Wortlaut hinaus mit zu berücksichtigen, soweit er in der tariflichen Norm seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt sich auf diesem Weg kein eindeutiges Auslegungsergebnis ermitteln, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrags, gegebenenfalls auch eine praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorrang, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BAG, Urteil vom 10. Februar 2015 – 3 AZR 904/13 – AP BetrAVG § 1 Auslegung Nr. 55 Rz. 27; vom 21. Dezember 2006 – 6 AZR 341/06 – AP BGB § 611 Wegezeit Nr. 10, jeweils m. w. N.).

67

Der TV AL II enthält in seinem Anhang R Bestimmungen über auswärtige Beschäftigung und in dessen Abschnitt I Ziffer 3 Regelungen über den Arbeitsverdienst während der Dienstreise. Im Wortlaut dieser Bestimmung finden Umkleidezeiten und Zeiten des Weges zum Umkleiden keine Erwähnung. Aufgrund der Systematik dieser Regelungen ist jedoch davon auszugehen, dass diese Zeiten neben der Fortzahlung der Vergütung für die in der Beschäftigungsstelle festgelegte regelmäßige Arbeitszeit nicht gesondert vergütet werden sollten. Abschnitt I Ziffer 3 b (1) S. 1 des Anhangs R geht von dem Grundsatz aus, dass Reisezeiten keine Arbeitszeit sind. Dabei beginnt die Dienstreise mit dem Verlassen des angeordneten Ausgangspunktes und endet mit der Rückkehr an den von der Beschäftigungsdienststelle angeordneten Punkt (Abschnitt I Ziffer 2 a des Anhangs R). Reisezeiten bleiben bei der Feststellung von Mehrarbeit, Nachtarbeit, Sonntagsarbeit und Feiertagsarbeit unberücksichtigt (Abschnitt I Ziffer 3 b (2) S. 2 des Anhangs R). Von diesem Grundsatz sind ausdrückliche Ausnahmen geregelt, so diejenige für Kraftfahrer für solche Zeiten, in denen sie ihrem Arbeitsauftrag entsprechend Arbeit leisten oder sich zur Verfügung halten müssen. Eine Ausnahme für Umkleidezeiten ist gerade nicht vorgesehen. Auch für andere Arbeitnehmer ist eine Ausnahme nur dann vorgesehen, wenn sie „ein Fahrzeug führen, wenn dies zu ihrem Arbeitsauftrag gehört“ (Abschnitt I Ziffer 3 c Abs. 2 der Anlage R). Auch in der Protokollnotiz zu Ziffer 3 c wird darauf abgestellt, dass „Arbeitnehmer, die mit ihrem eigenen oder dienstlichen PKW fahren (…) im Interesse der Beschäftigungsdienststelle und mit deren ausdrücklicher Genehmigung entsprechend ihrem Arbeitsauftrag Personen, Güter oder Gegenstände transportieren“. Hinsichtlich des An- und Ablegens der Arbeitskleidung bestehen auch keine Unterschiede zwischen den Kraftfahrern und den übrigen Dienstreisenden, die ebenfalls die zum Aufsuchen des Hotels und zum Umkleiden erforderliche Zeit nicht gesondert vergütet erhalten. Ebenfalls erhält der Kläger bei einer Tätigkeit an der Beschäftigungsstelle Umkleidezeiten und damit verbundene Wegezeiten nicht vergütet. § 9 Ziffer 7 a TV AL II bestimmt ausdrücklich, dass die Arbeitszeit an dem Platz beginnt und endet, an dem der Arbeitnehmer seine Tätigkeit ausübt (Arbeitsplatz), oder an dem er sich vor Aufnahme und/oder nach Beendigung der Arbeitszeit einzufinden hat. Eine Regelung zur Einordnung von Wegezeiten als Arbeitszeit findet sich in § 9 Ziffer 7 b TV AL II und betrifft nur den Fall, dass die Entfernung vom – zum Arbeitsplatz nächstgelegenen – Eingang der Beschäftigungsstelle – oder von der Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels im Gelände der Beschäftigungsstelle – bis zum Arbeitsplatz mehr als 2 km beträgt und in diesem Fall vom Betrieb kein Beförderungsmittel gestellt wird. Schließlich ist in den Sonderbestimmungen F für Kraftfahrer unter Abschnitt I in Ziffer 2 a (2) ausdrücklich geregelt, welche Tätigkeiten die regelmäßige Arbeitszeit außer der Lenkzeit enthalten sind. Hier sind zwar unter anderem Vor- und Abschlussarbeiten genannt, Umkleidezeiten finden sich ebenfalls nicht.

b)

68

Zum anderen hat der insoweit darlegungspflichtige Kläger jedenfalls nicht ausreichend substantiiert vorgetragen, dass während der Fahrt vom Abstellplatz zum Hotel im Ausland (stets) die allgemeinen Voraussetzungen der Vergütung von erforderlichen Wegezeiten zum Umkleiden vorliegen. Daher wären auch beim Bestehen einer Regelungslücke im Tarifvertrag jedenfalls nicht alle Zeiten, die der Kläger im Rahmen ihm dienstlich obliegender Touren für die Fahrten zwischen dem jeweiligen Lkw-Abstellplatz im Ausland einerseits und dem für die Übernachtung vorgesehenen Hotel andererseits aufwendet, als Arbeitszeit zu werten und zu vergüten.

69

Umkleidezeiten können dann Arbeitszeit im Sinn des § 2 Abs. 1 ArbZG sowie im Sinn von § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG sein, wenn diese Teil der geschuldeten Tätigkeit sind. Dies ist „jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis erfüllt“. Die Umkleidezeit gehört damit dann zur vertraglich geschuldeten Tätigkeit, wenn das An- oder Ablegen der Dienstkleidung einem fremden Bedürfnis dient und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis des Mitarbeiters erfüllt (BAG, Beschluss vom 17. November 2015 - 1 ABR 76/13 - NZA 2016, 247, 249 Rz. 25). Danach gehört Umkleiden grundsätzlich zur Arbeitszeit, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Arbeitskleidung vorschreibt und der Arbeitnehmer sich im Betrieb umkleiden muss. An der ausschließlichen Fremdnützigkeit fehlt es, wenn dem Arbeitnehmer gestattet ist, eine an sich besonders auffällige Dienstkleidung außerhalb der Arbeitszeit zu tragen, und er sich entscheidet, diese nicht im Betrieb an- und abzulegen. Dann dient das Umkleiden außerhalb des Betriebs nicht nur einem fremden Bedürfnis, weil der Arbeitnehmer keine eigenen Kleidungsstücke auf dem Arbeitsweg einsetzen muss oder sich aus anderen, selbstbestimmten Gründen gegen das An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb entscheidet (BAG, Beschluss vom 17. November 2015 - 1 ABR 76/13 - NZA 2016, 247, 249 Rz. 25). Dabei ist die besondere Auffälligkeit im öffentlichen Raum objektiv zu bestimmen (BAG, Beschluss vom 10. November 2009 – 1 ABR 54/08 – NZA-RR 2010, 301, 302 f. Rz. 15 m. w. N., 18). Es handelt sich um eine besonders auffällige Dienstkleidung, wenn der Arbeitnehmer im öffentlichen Raum auf Grund der Ausgestaltung seiner Kleidungsstücke ohne Weiteres als Angehöriger seines Arbeitgebers erkannt werden kann. Eine solche Zuordnungsmöglichkeit besteht auch bei einer unauffälligen Farbgestaltung der Dienstkleidung, wenn auf dieser ein Enblem oder Schriftzüge angebracht sind, die auf Grund ihrer Bekanntheit in der Öffentlichkeit mit einem bestimmten Rechtsträger oder einer Unternehmensgruppe in Verbindung gebracht werden. Hierfür kommt es - unabhängig von der Größe der Schriftzüge oder Logos - nur auf deren Erkennbarkeit an (BAG, Beschluss vom 17. November 2015 - 1 ABR 76/13 - NZA 2016, 247, 249 Rz. 31) Zur Arbeitszeit zählt im Fall der ausschließlichen Fremdnützigkeit des Umkleidens auch das Zurücklegen des Weg von der Umkleide- zur Arbeitsstelle (vgl. BAG, Beschluss vom 17. November 2015 - 1 ABR 76/13 - NZA 2016, 247, 249 Rz. 25).

70

Die Qualifikation einer bestimmten Zeitspanne als Arbeitszeit im Sinn des gesetzlichen Arbeitszeitschutzrechts führt aber nicht zwingend zu einer Vergütungspflicht, wie umgekehrt die Herausnahme bestimmter Zeiten aus der Arbeitszeit nicht die Vergütungspflicht ausschließen muss (BAG, Urteil vom 26. Oktober 2016 - 5 AZR 226/16 - BeckRS 2016, 112090; vom 12. Dezember 2012 – 5 AZR 355/12 – NZA 2013, 1158, 1159).

71

Während das Bundesarbeitsgericht früher (Urteil vom 21. Dezember 2006 – 6 AZR 341/06 – AP BGB § 611 Wegezeit Nr. 10) davon ausgegangen ist, dass Umkleidezeiten als reine Vor- und Nachbereitungshandlungen nicht vergütungspflichtig sind und eine Vergütungspflicht nach § 612 BGB eine Vergütungserwartung voraussetze (BAG, Urteil vom 11. Oktober 2000 - 5 AZR 122/99 - NZA 21001, 458, 460), geht es mittlerweile (Urteil vom 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - NZA-RR 2013, 63, 65) davon aus, dass sich die Vergütungspflicht des § 611 Abs. 1 BGB nicht auf die eigentliche Tätigkeit beschränkt, sondern sich auf jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme erstreckt, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise von deren Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Der Arbeitgeber verspricht regelmäßig die Vergütung für alle Dienste, die er dem Arbeitnehmer aufgrund eines arbeitsvertraglich vermittelten Direktionsrechts abverlangt (Urteil vom 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - NZA-RR 2013, 63, 65).

72

Eine Umkleidezeit zählt daher - vorbehaltlich einer abweichenden tariflichen Regelung - dann zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Arbeitskleidung vorschreibt und das Umkleiden im Betrieb erfolgt (BAG, Urteil vom 26. Oktober 2016 – 5 AZR 168/16; vom 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - NZA-RR 2013, 63; LAG Hessen, Urteil vom 23. November 2015 – 16 Sa 494/15). Dieser Fall ist vorliegend nicht gegeben.

73

Darf der Mitarbeiter hingegen die Dienstkleidung bereits zu Hause anlegen bzw. erst dort ablegen, ist grundsätzlich nicht von einer Fremdnützigkeit des Umkleidens auszugeben.

74

Auch für den Fall des Vorliegens auffälliger Dienstkleidung ist der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 19. März 2014 (5 AZR 954/12 – Rz. 28) davon ausgegangen, dass die Zeit, die ein Arbeitnehmer für das Zurücklegen des Weges zwischen Wohnung und Arbeitsstelle in auffälliger Dienstkleidung aufwenden muss, nicht vergütungspflichtig ist. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung besteht im vorliegenden Fall keine Vergütungspflicht seitens der Beklagten.

75

Aber auch dann, wenn man - entgegen der vorstehenden Ansicht des 5. Senats des Bundesarbeitsgerichts - Wegezeiten grundsätzlich als vergütungspflichtig ansieht, wenn der Arbeitnehmer eine bestimmte besonders auffällige Kleidung tragen und diese außerhalb des Betriebs anlegen muss, hat der Kläger im vor-liegenden Fall nicht dargetan, dass diese Voraussetzungen im Rahmen ihm dienstlich obliegender Touren für die Fahrten zwischen dem jeweiligen Lkw-Abstellplatz im Ausland einerseits und dem für die Übernachtung vorgesehenen Hotel andererseits gegeben sind. Dafür, dass Umkleide- und Wegezeiten angefallen sind, vom Arbeitgeber veranlasst wurden und im geltend gemachten Umfang erforderlich waren, trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast (BAG, Urteil vom 26. Oktober 2016 - 5 AZR 168/16 - NZA 2017, 323, 325 Rz. 30).

76

Der Kläger hat insbesondere nicht ausreichend substantiiert dargelegt, dass in den vom Feststellungsantrag des Klägers umfassten Fällen keine Umkleidemöglichkeit für den Kläger auf den Liegenschaften bestand, auf denen er das Fahrzeug abstellte. Auf Fragen des Gerichts hat der Kläger angegeben, er gehe davon aus, dass man dort eine Notdurft hätte verrichten können. Sind jedoch sanitäre Anlagen mit Umkleidemöglichkeit vorhanden, erfolgt die Fahrt zum Hotel nicht mehr ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers. Auch eine ausdrückliche Anweisung der US Streitkräfte, in Arbeitskleidung zum Hotel zu fahren und diese erst dort zu wechseln, existierte nicht. Allein daraus, dass ein Umkleiden in den Liegenschaften bislang unüblich war und der Kläger solche gegebenenfalls be-stehende Umkleidemöglichkeiten nicht wahrgenommen hat, folgt kein Vergütungsanspruch.

77

Zu berücksichtigen ist weiter, dass diese Zeiten nur im Rahmen des für den einzelnen Arbeitnehmer unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit Erforderlichen als Arbeitszeit anzusehen sind (BAG, Urteil vom 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - NZA-RR 2013, 63, 65 Rz. 24). Der Kläger hat zur Frage, durch wen das Hotel ausgewählt wird, widersprüchlich vorgetragen, während die Beklagte vorgetragen hat, dass der Kläger aus einer Vorauswahl sein Hotel selbst auswählen konnte. Nachdem die Widersprüche im klägerischen Vortrag nicht aufgeklärt werden konnten, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger stets ein von Seiten der Arbeitgeberin vorgegebenes oder das am von vorausgewählten Hotels am nächsten liegende Hotel ausgewählt hat.

c)

78

Eine Vergütungspflicht der für die Fahrt vom Abstellplatz zum Hotel aufgewendeten Zeiten ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer erforderlichen Waschzeit. Waschzeiten und Wege zum Waschen können nur dann als vergütungspflichtige Arbeitszeit zu werten sein, wenn diese aus hygienischen Gründen erforderlich sind. Solche hygienischen Gründe sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.

d)

79

Der notwendige Transport eines Koffers etc. macht die Fahrt vom Abstellplatz zum Hotel ebenfalls entgegen der Ansicht des Klägers nicht zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit. Dieser Transport ist für Reisezeiten üblich, für die ausdrücklich in Anhang R Abschnitt I Ziffer 3 die Fortzahlung des Arbeitsverdienstes im Umfang der in der Beschäftigungsdienststelle des Arbeitnehmers festgelegten regelmäßigen Arbeitszeit festgelegt ist (Buchst. a).

5.

80

Ein Anspruch auf Vergütung der für die Fahrt ins Hotel aufgewendeten Zeit ergibt sich auch nicht daraus, dass dem Kläger die Fahrtzeit vom Hotel zum Abstellplatz vergütet wird. Letzteres folgt daraus, dass der Kläger diese Fahrt in der Regel innerhalb seiner regulären Arbeitszeit zurücklegt, die ihm nach Ziffer 3 a Abs. 1 des Anhangs R zum TV AL II zu vergüten ist. Sofern der Kläger die Fahrt vom Abstellplatz zum Hotel ebenfalls innerhalb der regulären Arbeitszeit zurücklegt, wird diese unstreitig gleichermaßen vergütet.

6.

81

Ein solcher Anspruch ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte die hierfür angefallenen Fahrtkosten erstattet.

7.

82

Auch aus der früheren Handhabung ergibt sich kein Anspruch des Klägers auf Vergütung der Fahrtzeiten vom Abstellplatz des Fahrzeugs zum Hotel. Ein solcher Anspruch folgt insbesondere nicht aus einer betrieblichen Übung.

83

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. nur Urteil vom 16. Juli 1997 – 3 AZR 352/95 – NZA 1997, 664, 665 m. w. N.) kann ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers vertragliche An-sprüche auf eine Leistung begründen, wenn die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen durften, ihnen werde die Leistung auch künftig gewährt. Wann ein Anspruch aus betrieblicher Übung folgt, lässt sich nicht grundsätzlich verallgemeinernd, sondern nur im Einzelfall beurteilen. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung kann nur entstehen, wenn es an einer anderen kollektiv- oder individualrechtlichen Grundlage für die Leistungsgewährung fehlt (BAG, Urteil vom 20. Juni 2007 – 10 AZR 410/06 – NZA 2007, 1293, 1295 m. w. N.). Insoweit muss der Arbeitnehmer davon ausgehen, dass der Arbeitgeber lediglich den anderweit begründeten Anspruch erfüllen oder einer Verpflichtung nachkommen will. Geht der Arbeitgeber irrtümlich davon aus, zur Zahlung verpflichtet zu sein, kann er grundsätzlich die Leistung für die Zukunft einstellen, da es an einem für den Arbeitnehmer erkennbaren eigenständigen Verpflichtungstatbestand fehlt. Ein Anspruch auf die Weitergewährung der bisherigen Leistung aus betrieblicher Übung entsteht lediglich, wenn aufgrund besonderer Anhaltspunkte für den Arbeitnehmer erkennbar ist, dass der Arbeitgeber trotz der fehlenden Rechtspflicht weiterhin zur Leistungserbringung bereit ist. Es ist Sache der klagenden Partei, die Anspruchsvoraussetzungen darzulegen. Dazu gehört im Falle der betrieblichen Übung auch die Darlegung, dass das Verhalten des Arbeitgebers aus Sicht des Empfängers ausreichende Anhaltspunkte dafür bot, der Arbeitgeber wolle Zahlungen er-bringen, ohne hierzu bereits aus anderen Gründen – etwa auf Grund eines Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung – verpflichtet zu sein. Erst wenn solche Darlegungen des Arbeitnehmers die Entstehung einer betrieblichen Übung belegen, ist es Sache des Arbeitgebers, dem durch geeigneten Vortrag entgegenzutreten (BAG, Urteil vom 29. August 2012 – 10 AZR 571/11 – NZA 2013, 40, 41 Rz. 20).

84

Für Arbeitsverhältnisse des öffentlichen Dienstes gelten außerdem diese Grund-sätze über die Begründung einer betrieblichen Übung nicht uneingeschränkt. Die durch Anweisungen vorgesetzter Dienststellen, Verwaltungsrichtlinien, Verordnungen und gesetzliche Regelungen, vor allem aber durch die Festlegungen des Haushaltsplans gebundenen öffentlichen Arbeitgeber sind anders als private Arbeitgeber gehalten, die Mindestbedingungen des Tarifrechts und die Haushaltsvorgaben bei der Gestaltung von Arbeitsverhältnissen zu beachten. Im Zweifel gilt Normvollzug (BAG, Urteil vom 1. November 2005 - 1 AZR 355/04 – NZA 2007, 1303, 1305; vom 11. Oktober 1995 - 5 AZR 802/94 – NZA 1996, 718, 720 m. w. N.). Ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes muss deshalb grundsätzlich davon ausgehen, dass ihm der Arbeitgeber nur die Leistungen gewähren will, zu denen er rechtlich - tarifvertraglich oder gesetzlich - verpflichtet ist. Der Arbeitnehmer kann selbst bei langjährigen Leistungen nicht ohne zusätzliche konkrete Anhaltspunkte annehmen, ein gezahltes übertarifliches Entgelt oder die Gewährung sonstiger Vergünstigungen sei Vertragsbestandteil geworden und werde auf Dauer weiter gewährt (BAG, Urteil vom 1. November 2005 - 1 AZR 355/04 – NZA 2007, 1303, 1305; vom 11. Oktober 1995 - 5 AZR 802/94 - NZA 1996, 718, 720 m. w. N.).

85

Gemessen hieran kann der Kläger seinen Anspruch auf Vergütung der für den Weg vom Abstellen des Lkws zum Hotel benötigten Zeit nicht aus betrieblicher Übung ableiten. Der Kläger musste davon ausgehen musste, dass ihm nur Leistungen gewährt werden, zu denen seine Arbeitgeberin rechtlich verpflichtet ist. Besondere Anhaltspunkte, die dafür sprechen, dass die Beklagte mit Bindungs-willen darüber hinausgehend Leistungen an ihre Mitarbeiter erbringen wollte und die das Vertrauen hätten begründen können, dass die Übung Vertragsinhalt geworden sei, hat der Kläger nicht vorgetragen. Vor diesem Hintergrund war mit einer Korrektur von fehlerhafter Rechtsanwendung durch die Beklagte zu rechnen.

C.

86

Der unterlegene Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Berufung zu tragen.

87

Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 256 Feststellungsklage


(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverh

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag


(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 87 Mitbestimmungsrechte


(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen: 1. Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;2. Beginn und Ende der täglichen A

Betriebsrentengesetz - BetrAVG | § 1 Zusage des Arbeitgebers auf betriebliche Altersversorgung


(1) Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt (betriebliche Altersversorgung), gelten die Vorschriften dieses Gesetzes. Die Durchführ

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 612 Vergütung


(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. (2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung

Arbeitszeitgesetz - ArbZG | § 2 Begriffsbestimmungen


(1) Arbeitszeit im Sinne dieses Gesetzes ist die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen; Arbeitszeiten bei mehreren Arbeitgebern sind zusammenzurechnen. Im Bergbau unter Tage zählen die Ruhepausen zur Arbeitszeit. (2) Arbeitn

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Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 8. August 2013 - 18 TaBV 3/13 - aufgehoben.

Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 21. März 2013 - 4 BV 213/12 - abgeändert.

Die Anträge werden abgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über Mitbestimmungsrechte bei der Arbeitszeit.

2

Die tarifgebundene Arbeitgeberin betreibt öffentlichen Personennahverkehr in Stuttgart und Umgebung mit Straßenbahnen und Bussen. Am Verfahren beteiligt ist der bei ihr errichtete Betriebsrat.

3

Die Dienste des im Personennahverkehr eingesetzten Fahrpersonals beginnen und enden fahrplanbedingt nicht nur auf den Betriebshöfen der Arbeitgeberin, sondern auch an Haltestellen im Streckennetz. Für die Wege zu den Übernahme-/Ablösestellen stellt die Arbeitgeberin eine Transportmöglichkeit mit einem Personalwagen zur Verfügung, dessen Benutzung dem Fahrpersonal freigestellt ist. Dieses nutzt überwiegend den direkten Weg zwischen der Wohnung und der Übernahme-/Ablösestelle.

4

Bei der Dienstplangestaltung für die Jahre 2011/2012 kam es zwischen den Beteiligten zu Meinungsverschiedenheiten über die dienstplanmäßige Berücksichtigung der Wegezeiten des Fahrpersonals zu den außerhalb der Betriebshöfe im Streckennetz stehenden Fahrzeugen.

5

Der Betrieb der Arbeitgeberin wird ua. vom Bezirkstarifvertrag für die kommunalen Nahverkehrsbetriebe Baden-Württemberg (BzTV-N BW) vom 23. November 2005 erfasst. Die als „Besondere Bestimmungen für Arbeitnehmer im Fahrdienst“ bezeichnete Anlage 3 vom 13. November 2001 idF vom 3. November 2015 lautet:

        

§ 2   

        

(1)     

Die Dienstschicht umfasst die reine Arbeitszeit (einschließlich der in § 4 Abs. 1 Satz 1 genannten Zeiten), die Pausen und die Wendezeiten. …

        

§ 4     

        

(1)     

Für die Vorbereitungs- und Abschlussdienste sowie - bei Abrechnung und Einzahlung - für den Weg zwischen der Ablösungs- und Abrechnungsstelle wird die notwendige Zeit in die Arbeitszeit eingerechnet. Gleiches gilt für die sich aus dem Dienst- und Fahrplan ergebenden Wendezeiten. Betrieblich können abweichende Regelungen vereinbart werden.

        

…       

        
        

§ 7     

        

Arbeitsplatz ist das Fahrzeug oder der angewiesene Aufenthaltsplatz.“

6

Die Beteiligten haben in der Betriebsvereinbarung Nr. 1/2003 eine pauschale Einrechnung von insgesamt 10 Minuten pro Schicht für die Vorbereitungs- und Abschlussdienste sowie für den Weg zwischen Ablösungs- und Abrechnungsstelle vereinbart.

7

In der Betriebsvereinbarung Nr. 1/2011 zur „Neuregelung der Dienstkleiderordnung im Fahrdienst und im Verkehrsaufsichtsdienst - Dienstkleiderordnung (DKLO) - vom 14. Januar 2011 (BV 2011) ist bestimmt:

        

Präambel

        

Das Erscheinungsbild der SSB wird wesentlich durch Verhalten und Auftreten ihrer Mitarbeiter/innen geprägt. Die von der SSB gewollte Kundenorientierung und Außenwirkung verlangt daher von bestimmten Mitarbeitergruppen, dass sie als SSB-Mitarbeiter erkennbar sind und vorbildlich und einheitlich auftreten. Solche Mitarbeiter/innen werden daher verpflichtet, im Dienst die zur Verfügung gestellte Dienstkleidung zu tragen. …

        

§ 1 Personenkreis

        

Diese Dienstkleiderordnung gilt für die Ausstattung

        

a)    

aller Fahrer im Linienverkehr,

        

…       

        
        

§ 2 Beschaffung

        

(1)     

Die Dienstkleidung wird von der SSB AG beschafft und den Mitarbeitern unentgeltlich zur ausschließlichen dienstlichen Nutzung zur Verfügung gestellt.

                 

…       

        

§ 5 Tragepflicht

        

(1)     

Die Mitarbeiter sind verpflichtet, ihren Dienst in korrekter Dienstkleidung und dazu passenden, für die jeweilige Tätigkeit geeignetem Schuhwerk anzutreten und auszuüben. …“

8

Die Gestaltung der Dienstkleidung ist in einem „Katalog Dienstkleidung“ festgelegt. An der Mehrzahl der Übernahme-/Ablösestellen besteht keine Umkleidemöglichkeit für das Fahrpersonal.

9

Nach § 16 Nr. 1 der „Dienstanweisung für den Fahrdienst mit Bussen“ (DA Busse) hat das Fahrpersonal während der Fahrt die dort bestimmten Gegenstände mitzuführen. Zu diesen gehören ua. der Verbundfahrplan und der Wegweiser der Stadt Stuttgart, Formulare für Fundsachenmeldungen und Anträge auf Fahrgeldrückerstattung sowie das Wechselgeld und einen Wechsler. Die vorgenannten Gegenstände können in einem von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten Rucksack mit Firmenlogo oder in einer Tasche ohne Logo transportiert werden. Die Einnahmen sind ua. nach Dienstende oder vor der Aufnahme des nächsten Dienstes abzurechnen, wenn die Summe der Verkaufserlöse die Wertgrenze von 500,00 Euro erreicht hat.

10

Die Arbeitgeberin hat gemeint, bei den Wegezeiten von der und zur Übernahme-/Ablösungsstelle handele es sich nicht um bei der Dienstplangestaltung zu berücksichtigende Arbeitszeit.

11

Die Arbeitgeberin hat beantragt

        

festzustellen, dass folgende Wegezeiten des Fahrpersonals keine Arbeitszeiten im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne sind und somit nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG unterliegen:

        

a)    

die Zeiten für den Weg vor Beginn der jeweiligen Schicht zum Fahrzeug, das außerhalb einer Betriebshöfe der Arbeitgeberin im Streckennetz steht,

        

b)    

die Zeiten für den Weg nach Ende einer Schicht, die nicht auf einem der Betriebshöfe der Arbeitgeberin endet, vom Fahrzeug zu einem Betriebshof der Arbeitgeberin oder anderswohin,

        

soweit es sich nicht um Zeiten für Wege zwischen der Ablösungs- und Abrechnungsstelle iSd. § 4 Abs. 1 Anlage 3 idF. vom 3. November 2011 des BzTV-N BW handelt.

12

Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge abzuweisen.

13

Das Arbeitsgericht hat den Anträgen entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt dieser seinen Abweisungsantrag weiter.

14

B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats gegen die stattgebende Entscheidung des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Die negativen Feststellungsanträge der Arbeitgeberin sind unbegründet.

15

I. Die Anträge sind in der gebotenen Auslegung zulässig.

16

1. Die Arbeitgeberin möchte die Feststellung erreichen, dass es sich - mit Ausnahme der Wege zwischen Ablösungs- und Abrechnungsstelle - bei den Zeiten für die Wege, die von den Arbeitnehmern zu Schichtbeginn zum Fahrzeug und nach Schichtende vom Fahrzeug zurückgelegt werden, nicht um solche handelt, die als betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bei der Dienstplangestaltung des Fahrpersonals zu berücksichtigen sind. Diese Feststellung will die Arbeitgeberin in Bezug auf den Antrag zu a) auch für solche Wege erreichen, die von den Arbeitnehmern nach Anlegen ihrer Dienstkleidung im Betriebshof zu den Fahrzeugen zurückgelegt werden. Dies folgt - anders als bei dem Antrag zu b) - nicht bereits aus seinem Wortlaut, sondern aus dem zur Begründung ihres Antrags gehaltenen Vorbringen. Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, die in den Dienstplänen zu verteilende Arbeitszeit beginne erst, wenn das Fahrpersonal in Dienstkleidung an der Übernahme-/Ablösestelle erscheint. Mit diesem Inhalt sind beide Anträge auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet.

17

2. Die Anträge sind hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

18

Dies gilt auch in Hinblick auf die vom Arbeitsgericht angeregte Einschränkung in Bezug auf „Wege zwischen der Ablösungs- und Abrechnungsstelle“. Das Vorliegen solcher Sachverhalte steht mit der notwendigen Eindeutigkeit fest. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Anlage 3 BzTV-N BW wird bei der Abrechnung und Einzahlung der Fahrgeldeinnahmen die notwendige Zeit für den Weg zwischen der Ablösungs- und Abrechnungsstelle in die Arbeitszeit eingerechnet. Abrechnungsstelle ist in örtlicher Hinsicht der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine Einnahmen abliefert und die Abrechnung vornimmt. Nach der Tarifbestimmung sind dies nur Wege, die er zwischen der Ablösungsstelle und einer Einrichtung der Arbeitgeberin (Betriebshof) zurücklegt und die zur Abrechnung und Einzahlung führen sollen. Die Abrechnungsstelle kann allerdings nicht beliebig aufgesucht werden, sondern nur aufgrund einer Anordnung der Arbeitgeberin (BAG 12. August 1993 - 6 AZR 553/92 - zu II 1 a und c der Gründe, BAGE 74, 85). Diese hat ihr Direktionsrecht in der Dienstanweisung 01/2011 onkretisiert.

19

3. Für die Klärung der aufgeworfenen Fragen nach dem Inhalt der betrieblichen Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG besteht ein Feststellungsinteresse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO.

20

a) Das besondere Feststellungsinteresse für die Anträge der Arbeitgeberin folgt aus den unterschiedlichen Auffassungen der Beteiligten über die nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu verteilende betriebliche Arbeitszeit und ihrer Berücksichtigung in den Dienstplänen. Dieser Streit wird durch die Anträge einer Klärung zugeführt.

21

b) Das Feststellungsinteresse für die Anträge ist nicht deshalb entfallen, weil die Betriebsparteien entsprechend der Vorgaben in § 4 Abs. 1 Satz 3 Anlage 3 BzTV-N BW eine Regelung über die Dauer der notwendigen Vorbereitungs- und Abschlussdienste getroffen haben. Zu diesen gehören die Wegezeiten nicht.

22

II. Die Anträge sind unbegründet. Sie erfassen Sachverhaltsgestaltungen, in denen die betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG Umkleide- und Wegezeiten sowie das Mitführen von Arbeitsmitteln umfasst.

23

1. Die Zeiten für das An- und Ablegen der Dienstkleidung in den Betriebsräumen des Arbeitgebers können ebenso zur verteilungsfähigen Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG gehören, wie die Zeiten, die der Arbeitnehmer braucht, um in Dienstkleidung von dem Ort seines Kleidungswechsels zu seinem Arbeitsplatz zu gelangen.

24

a) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Das Beteiligungsrecht nach dieser Bestimmung dient dazu, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage der Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien Zeit für die Gestaltung ihres Privatlebens zur Geltung zu bringen. Das Mitbestimmungsrecht betrifft die Lage der täglichen „Arbeitszeit“ iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Dies ist die Zeit, während derer der Arbeitnehmer die von ihm in einem bestimmten zeitlichen Umfang vertraglich geschuldete Arbeitsleistung tatsächlich zu erbringen hat. Es geht um die Festlegung des Zeitraums, während dessen der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die Erfüllung seiner vertraglichen Hauptleistungspflichten verlangen und dieser sie ihm ggf. mit der Folge des § 293 BGB anbieten kann. Arbeitszeit iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist deshalb die Zeit, in welcher der Arbeitnehmer verpflichtet bzw. berechtigt ist, seine vertraglich geschuldete Arbeit zu leisten (BAG 14. November 2006 - 1 ABR 5/06 - Rn. 27, BAGE 120, 162).

25

b) Nach der Senatsrechtsprechung gehören Umkleidezeiten zur vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung, wenn das Umkleiden einem fremden Bedürfnis dient und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis erfüllt. Das ist bei einer besonders auffälligen Dienstkleidung der Fall. An der Offenlegung seines Arbeitgebers gegenüber Dritten hat der Arbeitnehmer außerhalb seiner Arbeitszeit kein objektiv feststellbares eigenes Interesse (vgl. BAG 17. Januar 2012 - 1 ABR 45/10 - Rn. 32, BAGE 140, 223). Das Ankleiden mit vorgeschriebener Dienstkleidung ist nicht lediglich fremdnützig und damit nicht Arbeitszeit, wenn sie zu Hause angelegt und - ohne besonders auffällig zu sein - auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann (BAG 10. November 2009 - 1 ABR 54/08 - Rn. 15). An der ausschließlichen Fremdnützigkeit fehlt es auch, wenn es dem Arbeitnehmer gestattet ist, eine an sich besonders auffällige Dienstkleidung außerhalb der Arbeitszeit zu tragen, und er sich entscheidet, diese nicht im Betrieb an- und abzulegen. Dann dient das Umkleiden außerhalb des Betriebs nicht nur einem fremden Bedürfnis, weil der Arbeitnehmer keine eigenen Kleidungsstücke auf dem Arbeitsweg einsetzen muss oder sich aus anderen, selbstbestimmten Gründen gegen das An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb entscheidet (BAG 12. November 2013 - 1 ABR 59/12 - Rn. 33, BAGE 146, 271). Zur Arbeitszeit zählt auch das Zurücklegen des Wegs von der Umkleide- zur Arbeitsstelle. Bei diesen Zeiten handelt es sich um innerbetriebliche Wegezeiten, die der Arbeitnehmer aufgrund der Anordnung des Arbeitgebers über das Anlegen einer besonders auffälligen Dienstkleidung zurücklegen muss (BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 28, BAGE 143, 107).

26

2. Danach erweist sich zwar die vom Betriebsrat vertretene Ansicht als unzutreffend, wonach die Wege von der und zur Übernahme-/Ablösestelle bereits dann betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG darstellen, wenn das Fahrpersonal diese in Dienstkleidung zurücklegt. Jedoch handelt es sich um betriebliche Arbeitszeit, wenn Arbeitnehmer sich im Betriebshof umkleiden und anschließend den Weg zur Übernahme-/Ablösestelle in ihrer Dienstkleidung zurücklegen. Dies gilt gleichermaßen, wenn sie nach Schichtende zum Betriebshof zurückkehren, um dort ihre Dienstkleidung abzulegen.

27

a) Die im Fahrdienst beschäftigten Arbeitnehmer sind nach § 1 Buchst. a, § 5 Abs. 1 BV 2011 zum Tragen der unternehmenseinheitlichen Dienstkleidung verpflichtet. Dies steht zwischen den Beteiligten außer Streit.

28

b) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts handelt es bei den tragepflichtigen Kleidungsstücken des Fahrpersonals um eine besonders auffällige Dienstkleidung.

29

aa) Bei der Beurteilung, ob eine Dienstkleidung als besonders auffällig anzusehen ist, steht dem Beschwerdegericht ein Beurteilungsspielraum zu. Dessen Würdigung ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob das Gericht den Rechtsbegriff selbst verkannt, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungs- und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat (vgl. BAG 13. Mai 2014 - 1 ABR 50/12 - Rn. 19).

30

bb) Diesem eingeschränkten rechtsbeschwerderechtlichen Prüfungsmaßstab hält die angefochtene Entscheidung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat die besondere Auffälligkeit der vom Fahrpersonal zu tragenden Dienstkleidung verneint. Nach der hierzu gegebenen Begründung hat es darauf abgestellt, dass die Dienstkleidung weder in markanten Farben gehalten noch der Firmenname der Arbeitgeberin in größerer, auch aus einer gewissen Entfernung deutlich erkennbarer Schrift oder auffälliger Färbung gestaltet ist.

31

cc) Danach hat das Landesarbeitsgericht die Anforderungen an eine besonders auffällige Dienstkleidung verkannt. Um eine solche handelt es sich, wenn die Arbeitnehmer im öffentlichen Raum aufgrund der Ausgestaltung ihrer Kleidungsstücke als Angehörige ihres Arbeitgebers ohne Weiteres erkannt werden können. Hierfür ist ohne Bedeutung, ob die Dienstkleidung in dezenten oder auffälligen Farben gehalten ist. Die Möglichkeit einer Zuordnung zu einem bestimmten Arbeitgeber besteht auch bei einer unauffälligen Farbgestaltung der Dienstkleidung, wenn auf dieser ein Emblem oder Schriftzüge angebracht sind, die aufgrund ihrer Bekanntheit in der Öffentlichkeit mit einem bestimmten Rechtsträger oder einer Unternehmensgruppe in Verbindung gebracht werden (BAG 12. November 2013 - 1 ABR 59/12 - Rn. 35, BAGE 146, 271). Hierfür kommt es - unabhängig von der Größe der Schriftzüge oder Logos - nur auf deren Erkennbarkeit an.

32

(4) Einer hierauf gestützten Zurückverweisung bedarf es indes nicht. Der Senat kann über die besondere Auffälligkeit der Dienstkleidung selbst befinden. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat nach § 559 Abs. 2 ZPO bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann das Fahrpersonal der Arbeitgeberin aufgrund der darauf angebrachten Schriftzüge von Dritten dem Unternehmen der Arbeitgeberin zugeordnet werden. Das entspricht dem Zweck ihrer Ausgestaltung. Die Dienstkleidung dient nach der Präambel der BV 2011 der Herstellung eines einheitlichen Erscheinungsbilds des Fahrpersonals und dessen Erkennbarkeit in der Öffentlichkeit.

33

c) Die Zuordnung der Umkleide- und Wegezeiten zur betrieblichen Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist von der Entscheidung des Fahrpersonals abhängig, an welchem Ort sie die Dienstkleidung an- und ablegen.

34

aa) Entgegen der Auffassung des Betriebsrats handelt es sich nicht um betriebliche Arbeitszeit, wenn die als Fahrpersonal beschäftigten Arbeitnehmer unmittelbar von ihrer Wohnung zur Übernahme-/Ablösestelle fahren oder nach Dienstende dorthin zurückkehren. Die Arbeitgeberin gestattet dem Fahrpersonal, seine Dienstkleidung bereits zu Hause anzulegen und auf den Wegen von und zur Übernahme-/Ablösestelle zu tragen. Entscheiden sich die Arbeitnehmer, die Kleidungsstücke nicht im Betrieb an- und abzulegen, ist das Tragen der Dienstkleidung auf dem Weg von und zur Arbeit nicht ausschließlich fremdnützig.

35

bb) Hingegen liegt eine ausschließlich fremdnützige Tätigkeit vor, wenn die als Fahrpersonal eingesetzten Arbeitnehmer eine dafür vorgesehene und geeignete Umkleidemöglichkeit im Betrieb für das Anlegen der Dienstkleidung nutzen und sich anschließend zur Übernahme-/Ablösestelle begeben. Dies gilt entsprechend nach Beendigung ihrer Fahrtätigkeit. Nutzen sie eine betriebliche Umkleidemöglichkeit zum An-/Ablegen ihrer Dienstkleidung, handelt es sich bei den dafür notwendigen Wege- und Umkleidezeiten um betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.

36

d) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist nicht nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG eingeschränkt oder ausgeschlossen.

37

aa) Die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten dient dem Schutz der Arbeitnehmer durch gleichberechtigte Teilhabe an den sie betreffenden Angelegenheiten (BAG GS 3. Dezember 1991 - GS 2/90 - zu C II 1 a der Gründe, BAGE 69, 134). § 87 Abs. 1 BetrVG beschränkt wegen der persönlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers und im Hinblick auf den Teilhabegedanken die Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers bei der Vertragsgestaltung und der Ausübung seines Direktionsrechts(Wiese GK-BetrVG 10. Aufl. § 87 Rn. 56). Der Eingangshalbsatz in § 87 Abs. 1 BetrVG beruht dabei auf der Erwägung, dass für die Erreichung des Mitbestimmungszwecks kein Raum mehr besteht, wenn eine den Arbeitgeber bindende Regelung durch Gesetz oder Tarifvertrag bereits vorliegt. In diesem Fall kann davon ausgegangen werden, dass mit dieser Regelung den berechtigten Interessen und Schutzbedürfnissen der Arbeitnehmer hinreichend Rechnung getragen worden ist (BAG 12. November 2013 - 1 ABR 59/12 - Rn. 38, BAGE 146, 271).

38

bb) Die Tarifvertragsparteien haben in dem für das Fahrpersonal einschlägigen BzTV-N BW keine abschließende Regelung über die betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG getroffen.

39

Nach § 2 Abs. 1 Anlage 3 BzTV-N BW umfasst die Dienstschicht die reine Arbeitszeit, die Pausen und die Wendezeiten. In § 2 Abs. 1 ArbZG wird die Arbeitszeit als die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhepausen definiert. Zur Arbeit iSd. genannten Vorschrift gehört auch das Umkleiden für die Arbeit und die innerbetrieblichen Wegezeiten, wenn - wie vorliegend - das Tragen einer besonders auffälligen Dienstkleidung vorgeschrieben ist und betrieblichen Belangen dient. Für ein vom gesetzlichen Arbeitszeitbegriff abweichendes Verständnis der Tarifvertragsparteien hätte es eines hinreichend deutlich zum Ausdruck gebrachten Regelungswillens bedurft, für den jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich sind. Ebenso wird das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nicht durch § 7 Anlage 3 BzTV-N BW, wonach Arbeitsplatz das Fahrzeug oder der angewiesene Aufenthaltsplatz ist, ausgeschlossen oder eingeschränkt. Die Vorschrift enthält schon nach ihrem Wortlaut keine Regelung über die betriebliche Arbeitszeit. Entscheiden sich die Angehörigen des Fahrpersonals, ihre Dienstkleidung erst an einem von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten Ort an- und abzulegen, handelt es sich bei diesem Ort zudem um einen angewiesenen Aufenthaltsplatz iSd. § 7 Anlage 3 BzTV-N BW. Die Arbeitgeberin kann ihr Fahrpersonal nicht anweisen, die auffällige Dienstkleidung auch auf dem Weg von und nach der Übernahme-/Ablösestelle zu tragen.

40

3. Die Anträge der Arbeitgeberin sind auch unbegründet, weil ihre im Fahrdienst mit Bussen eingesetzten Arbeitnehmer berechtigt sind, die von ihnen mitzuführenden Arbeitsmittel an einem der Betriebshöfe der Arbeitgeberin abzugeben und wieder in Empfang zu nehmen. Dementsprechend stellt auch die erforderliche Zeit für das Zurücklegen dieser Wege betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG dar.

41

a) Die Entgegennahme und Abgabe von arbeitsnotwendigen Betriebsmitteln stellt Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG dar, wenn diese Tätigkeiten einem fremden Bedürfnis dienen und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis des Arbeitnehmers erfüllen. In diesem Fall handelt es sich auch um Arbeitszeit iSd. § 2 Abs. 1 ArbZG. Arbeitnehmer sind regelmäßig nicht verpflichtet, Arbeitsmittel, die sie in der dienstfreien Zeit nicht nutzen, nach Beendigung ihrer Arbeitszeit für den Arbeitgeber zu verwahren. Eine solche Tätigkeit dient nicht ihrem eigenen Bedürfnis (BAG 12. November 2013 - 1 ABR 59/12 - Rn. 57 und 60, BAGE 146, 271).

42

b) Bei den nach § 16 Nr. 1 DA Busse mitzuführenden Gegenständen handelt es sich um notwendige Arbeitsmittel. Deren Empfang und Abgabe stellen Arbeitszeit dar. Die Arbeitgeberin erlaubt dem Fahrpersonal zwar die Verwahrung dieser Arbeitsmittel außerhalb des Dienstes. Entscheiden sich die Arbeitnehmer jedoch zu deren Rückgabe nach Dienstende, sind die Abgabe und die erneute Entgegennahme dieser Arbeitsmittel bei Dienstbeginn ausschließlich fremdnützig und damit Arbeitszeit. Dies gilt gleichermaßen für die Wege nach Dienstende zur Abgabestelle und bei Dienstbeginn von dort bis zum Fahrzeug.

        

    Schmidt    

        

    K. Schmidt    

        

    Koch    

        

        

        

    Rath    

        

    N. Schuster    

                 

Tenor

I. Auf die Rechtsbeschwerden der Beteiligten und unter Zurückweisung ihrer weitergehenden Rechtsbeschwerden wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 20. April 2012 - 14 TaBV 102/11 - teilweise aufgehoben und zur Klarstellung neu gefasst:

Auf die Beschwerden der Beteiligten und unter Zurückweisung ihrer weitergehenden Beschwerden wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 7. Juli 2011 - 5 BV 16/10 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 3. Dezember 2010 gemäß der Spruchvorlage „Regelung über Übergangszeiten beim Fahrpersonal des Wahlbetriebes 4.2 S-Bahn Hannover“ unwirksam ist.

2. Es wird festgestellt, dass die Zeiten für das An- und das Ablegen der Unternehmensbekleidung der Mitarbeiter/innen des Fahrpersonals des Wahlbetriebs R 4.2 S-Bahn Hannover außerhalb der Betriebsräume der Arbeitgeberin nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Festlegung von Beginn und Ende der Arbeitszeit im Schichtplan unterliegen.

3. Es wird festgestellt, dass der Betriebsrat bei der Festlegung der Zeitvorgaben für das An- und das Ablegen der Unternehmensbekleidung der Mitarbeiter/innen des Fahrpersonals des Wahlbetriebs R 4.2 S-Bahn Hannover nicht mitzubestimmen hat.

4. Es wird festgestellt, dass das Empfangen und Abgeben des ausschließlich dienstlich nutzbaren Mobiltelefons, des mobilen Terminals, des Zangendruckers, der unbedruckten Fahrscheine sowie der Zahlungsmittel ebenso wie das Einschalten des ausschließlich dienstlich nutzbaren Mobiltelefons und des mobilen Terminals als betriebliche Arbeitszeit bei der Dienstplangestaltung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu berücksichtigen sind.

5. Die weitergehenden Anträge der Beteiligten werden abgewiesen.

II. Die Rechtshängigkeit des von der Arbeitgeberin im Schriftsatz vom 25. Oktober 2011 erhobenen Antrags hat am 10. Juni 2012 geendet.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über das Bestehen von Mitbestimmungsrechten in Arbeitszeitfragen.

2

Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen des Personennahverkehrs. Der Betriebsrat ist die für den Wahlbetrieb R.4.2 (S-Bahn Hannover) nach § 3 Abs. 1 BetrVG gebildete Arbeitnehmervertretung.

3

Für die bei der Arbeitgeberin beschäftigten Triebfahrzeugführer gilt der Tarifvertrag für die Lokomotivführer von Schienenverkehrsunternehmen (LfTV). In §§ 53, 78 LfTV heißt es:

        

§ 53 

        

Beginn und Ende der Arbeitszeit

        

(1)     

Die Arbeitszeit beginnt und endet am vorgeschriebenen Arbeitsplatz. Durch betriebliche Regelungsabrede kann festgelegt werden, dass ein Zeitverwaltungssystem durch ein Daten-Terminal zu bedienen ist.

        

...     

        
        

§ 78   

        

Unternehmensbekleidung

        

Unternehmensbekleidung sind im Eigentum des Arbeitnehmers stehende Kleidungsstücke, die zur Sicherstellung eines einheitlichen und gepflegten Erscheinungsbildes in der Öffentlichkeit an Stelle anderer Kleidung während der Arbeit getragen werden müssen. Einzelheiten werden durch Betriebsvereinbarung und/oder Konzernrichtlinie geregelt.“

4

Für die bei der Arbeitgeberin im Zugbegleitdienst eingesetzten Kundenbetreuer gilt der funktionsgruppenspezifische Tarifvertrag für Tätigkeiten der Funktionsgruppe 5 - Bahnservice und Vertrieb - (FGr 5-TV), der in § 43 Abs. 1, § 48 FGr 5-TV inhaltsgleiche Regelungen über die Arbeitszeit sowie das Tragen von Unternehmensbekleidung enthält.

5

Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 iVm. Anlage 1 der Konzernbetriebsvereinbarung über die Ausstattung mit Unternehmensbekleidung (KBV Ubk) vom 30. November 2011 ist das Fahrpersonal der Arbeitgeberin (Kundenbetreuer und Triebfahrzeugführer) zum Tragen von besonderer Dienstkleidung verpflichtet. Den Arbeitnehmern ist die Nutzung dieser Kleidungsstücke auch außerhalb des Dienstes gestattet. Die Arbeitgeberin verlangt von ihnen, dass sie bereits vollständig umgekleidet zum Dienstantritt in der Meldestelle erscheinen.

6

Die Arbeitgeberin hat ihrem Fahrpersonal für dienstliche Zwecke Mobiltelefone überlassen. Diese können mit einer zweiten SIM-Karte von den Arbeitnehmern für Privatgespräche genutzt werden. Die Kundenbetreuer müssen für die Fahrscheinkontrolle und den -verkauf ein mobiles Terminal, einen Zangendrucker, Zahlungsmittel sowie unbedruckte Fahrscheine mit sich führen. Dem Fahrpersonal steht es frei, ob sie die Arbeitsmittel nach Dienstende mit nach Hause nehmen oder an die Arbeitgeberin zurückgeben.

7

Im November 2010 lehnte der Betriebsrat die von der Arbeitgeberin vorgelegten Entwürfe für die Dienstpläne des Jahresfahrplans 2010/2011 ab. Eine zwischen den Beteiligten gebildete Einigungsstelle endete durch eine als Spruchvorlage „Regelung über Übergangszeiten beim Fahrpersonal des Wahlbetriebes 4.2 S-Bahn Hannover“ bezeichnete Entscheidung vom 3. Dezember 2010 (SV 2010). In §§ 1, 2 SV 2010 ist bestimmt:

        

㤠1 Geltungsbereich

        

Diese Regelung gilt für sämtliche Mitarbeiter/innen des Fahrpersonals, die in vom Arbeitgeber vorgegebenen Schichten eingesetzt und zum Tragen der UBK verpflichtet sind. Diese Regelung findet auch dann Anwendung, wenn prinzipiell zum Tragen der UBK verpflichtete Mitarbeiter in einzelnen Schichten ausnahmsweise keine UBK tragen müssen (Fahrgeldsicherer).

        

§ 2 Übergangszeit

        

Jeder von dieser Regelung erfasste Mitarbeiter erhält vor und nach jeder Schicht eine pauschale Übergangszeit von 7 Minuten Länge. Diese Übergangszeit dient der Herstellung der Dienstfähigkeit u.a. durch Empfangen, Bereitmachen und Abgeben der elektronischen Arbeits- und Kommunikationsmittel (wie MT, Handy, SD-Card, geschäftliche Zahlungsmittel, unbedruckte Fahrscheine, Zangendrucker usw.), Umkleiden, etc. Diese Übergangszeit stellt keine vergütungspflichtige Arbeitszeit und auch keine Arbeitszeit im Sinne der arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften (ArbZG) dar, sie wird jedoch nicht auf die einzuhaltenden Ruhezeiten angerechnet. Die Ruhezeit beginnt nach Ende der Übergangszeit und endet vor Beginn der Übergangszeit.

        

Tarifliche Vorschriften bleiben von dieser Regelung unberührt.“

8

Mit einer am 17. Dezember 2010 bei Gericht eingegangenen Antragsschrift hat die Arbeitgeberin den Spruch der Einigungsstelle angefochten. Sie hat die Auffassung vertreten, Umkleide- und Rüstzeiten gehörten nicht zur Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Ein etwaiges Mitbestimmungsrecht sei durch die tarifvertraglichen Vorschriften ausgeschlossen. Die im Einigungsstellenspruch vorgesehene „Übergangszeit“ lasse sich keiner gesetzlichen Arbeitszeitform zuordnen. Die Einigungsstelle habe mit der vorgesehenen Pauschalierung der Übergangszeit das ihr zustehende Ermessen überschritten.

9

Die Arbeitgeberin hat zuletzt beantragt

1. festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 3. Dezember 2010 gemäß der Spruchvorlage „Regelung über Übergangszeiten beim Fahrpersonal des Wahlbetriebes 4.2 S-Bahn Hannover“ unwirksam ist,

2. festzustellen, dass hinsichtlich der zeitlichen Lage der Umkleidezeiten der Triebfahrzeugführer/innen, Kundenbetreuer/-innen im Nahverkehr (Mitarbeiter/innen des Fahrpersonals) des Wahlbetriebs R 4.2 S-Bahn Hannover kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrat besteht,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 2. festzustellen,

dass hinsichtlich der Zeitvorgaben für die Dauer der Umkleidezeiten der Mitarbeiter/innen des Fahrpersonals des Wahlbetriebs R 4.2 S-Bahn Hannover kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht,

3. festzustellen, dass hinsichtlich der Zeitvorgaben für die Dauer der Umkleidezeiten (dh. der Zeiten für die Herstellung der Dienstfähigkeit durch Empfangen, Bereitmachen und Abgeben der elektronischen Arbeits- und Kommunikationsmittel) der Mitarbeiter/innen des Fahrpersonals des Wahlbetriebs R 4.2 S-Bahn Hannover kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht.

10

Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge der Arbeitgeberin abzuweisen, sowie im Wege des Widerantrags

1. festzustellen, dass dem Betriebsrat bei der zeitlichen Lage der Umkleide- und Bereitmachzeiten der Arbeitnehmer des Wahlbetriebs R 4.2 S-Bahn Hannover ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zusteht,

2. festzustellen, dass § 2 Satz 3 des Spruchs der Einigungsstelle der Regelung über Übergangszeiten beim Fahrpersonal des Wahlbetriebs 4.2 S-Bahn Hannover vom 3. Dezember 2010, namentlich die Passage: „Diese Übergangszeit stellt keine vergütungspflichtige Arbeitszeit und auch keine Arbeitszeit im Sinne der arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften (ArbZG) dar, sie wird jedoch nicht auf die einzuhaltenden Ruhezeiten angerechnet.“ unwirksam ist.

11

Der Betriebsrat hat geltend gemacht, wegen der besonderen Auffälligkeit der vorgeschriebenen Dienstkleidung sei die Zeit für deren An- und Ablegen Arbeitszeit, die in den Dienstplänen zu berücksichtigen sei. Dies gelte gleichermaßen für die Zeit der Entgegennahme, Abgabe sowie das Bereitmachen der notwendigen Arbeits- und Kommunikationsmittel. Für die in § 2 Satz 3 SV 2010 getroffene Regelung sei die Einigungsstelle nicht zuständig.

12

Die Arbeitgeberin hat die Abweisung der Wideranträge beantragt.

13

Das Arbeitsgericht hat den erstinstanzlich noch anders formulierten Feststellungsanträgen der Arbeitgeberin teilweise entsprochen. Es hat die Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs festgestellt und ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei den Zeitvorgaben für die Umkleidezeiten verneint. Dem zu 1. gestellten Widerantrag des Betriebsrats hat es stattgegeben und im Übrigen die Anträge abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Beschwerde der Arbeitgeberin teilweise entsprochen und nach dem zuletzt zu 2. gestellten Hauptantrag erkannt. Im Übrigen hat es die Beschwerden der Arbeitgeberin und des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgen die Beteiligten ihre Anträge im Umfang ihres zweitinstanzlichen Unterliegens weiter.

14

B. Die Rechtsbeschwerden der Beteiligten sind nur teilweise begründet.

15

I. Der von der Arbeitgeberin in der Beschwerdeinstanz antragserweiternd erhobene Antrag zu 3. ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Mit ihm wollte die Arbeitgeberin die negative Feststellung erreichen, dass die Zeitvorgaben für die Rüstzeiten nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliegen. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag zu 3. zwar im Tatbestand wiedergegeben, über ihn jedoch nicht entschieden. Die Arbeitgeberin hätte danach gemäß dem auch in Beschlussverfahren anwendbaren § 321 Abs. 1 ZPO einen Ergänzungsbeschluss beantragen müssen. Dies ist unterblieben. Mit Ablauf der zweiwöchigen Antragsfrist des § 321 Abs. 2 ZPO ist damit die Rechtshängigkeit des Antrags zu 3. entfallen (BAG 15. März 2011 - 1 ABR 97/09 - Rn. 41, BAGE 137, 203). Diese Feststellung hat der Senat klarstellend in den Entscheidungsausspruch aufgenommen.

16

II. Die Anträge der Arbeitgeberin sind nur teilweise begründet. Der Einigungsstellenspruch vom 3. Dezember 2010 ist unwirksam. Hingegen gehören die Zeiten für das An- und Ablegen der Dienstkleidung zur Arbeitszeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, wenn das Umkleiden in den Betriebsräumen erfolgt. Der Betriebsrat hat deshalb bei der Festlegung der Lage dieser Umkleidezeiten mitzubestimmen. Hingegen besteht bei der Festlegung der Dauer für das Umkleiden kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.

17

1. Der auf Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs vom 3. Dezember 2010 gerichtete Antrag zu 1. ist begründet.

18

a) Mit ihrem zutreffend im Wege eines Feststellungsantrags (BAG 9. Juli 2013 - 1 ABR 19/12 - Rn. 11) verfolgten Begehren macht die Arbeitgeberin die Unwirksamkeit des von ihr in der Frist des § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG angefochtenen Einigungsstellenspruchs vom 3. Dezember 2010 geltend. Dies umfasst die Prüfung, ob der Einigungsstellenspruch aus den von ihr angeführten Gründen ganz oder teilweise unwirksam ist.

19

b) Der Einigungsstellenspruch ist unwirksam. Die Einigungsstelle hat bei der Ausgestaltung der Grundsätze über die Umkleidezeiten ihre Regelungskompetenz überschritten. Dies führt zur vollständigen Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs vom 3. Dezember 2010.

20

aa) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Das Beteiligungsrecht nach dieser Bestimmung dient dazu, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage der Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien Zeit für die Gestaltung ihres Privatlebens zur Geltung zu bringen. Das Mitbestimmungsrecht betrifft die Lage der täglichen „Arbeitszeit“ iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Dies ist die Zeit, während derer der Arbeitnehmer die von ihm in einem bestimmten zeitlichen Umfang vertraglich geschuldete Arbeitsleistung tatsächlich zu erbringen hat. Es geht um die Festlegung des Zeitraums, während dessen der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die Erfüllung seiner vertraglichen Hauptleistungspflichten verlangen und dieser sie ihm ggf. mit der Folge des § 293 BGB anbieten kann. Arbeitszeit iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist deshalb die Zeit, in welcher der Arbeitnehmer verpflichtet bzw. berechtigt ist, seine vertraglich geschuldete Arbeit zu leisten (BAG 14. November 2006 - 1 ABR 5/06 - Rn. 27, BAGE 120, 162).

21

bb) Die Einigungsstelle hat mit der Regelung in § 2 Satz 1 SV 2010 ihre Regelungskompetenz überschritten.

22

Der Einigungsstellenspruch nimmt keine Verteilung der tariflich vorgegebenen Arbeitszeit vor. Er regelt nicht ihren Beginn und ihr Ende. Diese Zeitpunkte ergeben sich vielmehr aus den Dienstplänen des Fahrpersonals. § 2 Satz 1 SV 2010 beschränkt sich auf die Gewährung einer siebenminütigen Zeitgutschrift für Umkleide- und Rüstzeiten ohne Rücksicht darauf, ob diese Zeiten überhaupt im Betrieb anfallen. Nach dem Einigungsstellenspruch erhalten Angehörige des Fahrpersonals die Zeitgutschrift für Umkleide- und Bereitmachzeiten auch dann, wenn sie eine besondere Dienstkleidung nicht tragen müssen (§ 1 Satz 2 SV 2010), ein Wechsel von Privat- in Dienstkleidung nicht im Betrieb stattfindet oder die Arbeitsmittel in den dienstfreien Zeiten nicht an die Arbeitgeberin zurückgegeben werden.

23

cc) Die Unwirksamkeit von § 2 SV 2010 führt nach dem § 139 BGB zugrunde liegenden Rechtsgedanken zur Unwirksamkeit des gesamten Einigungsstellenspruchs. Der verbleibende Teil enthält ohne die unwirksamen Bestimmungen keine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung (vgl. BAG 9. Juli 2013 - 1 ABR 19/12 - Rn. 39).

24

2. Der zu 2. als Hauptantrag erhobene negative Feststellungsantrag über die Zuordnung der Umkleidezeiten zur betrieblichen Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist nur teilweise begründet.

25

a) Der Hauptantrag zu 2. ist zulässig.

26

aa) Der Antrag ist auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet. Mit ihm möchte die Arbeitgeberin die Feststellung erreichen, dass es sich bei den Zeiten für das An- und Ablegen der Dienstkleidung nicht um solche handelt, die als betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bei der Dienstplangestaltung des Fahrpersonals zu berücksichtigen sind.

27

bb) Für die Klärung der aufgeworfenen Frage besteht ein Feststellungsinteresse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO.

28

(1) Das besondere Feststellungsinteresse für den Antrag der Arbeitgeberin folgt aus den unterschiedlichen Auffassungen der Beteiligten über die nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu verteilende betriebliche Arbeitszeit und ihrer Berücksichtigung in den Dienstplänen. Dieser Streit wird durch den Hauptantrag zu 2. einer umfassenden Klärung zugeführt.

29

(2) Das Feststellungsinteresse für ihren Antrag ist entgegen der Auffassung des Betriebsrats nicht deshalb entfallen, weil dieser nach Rechtshängigkeit des negativen Feststellungsantrags einen auf das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG gerichteten Feststellungsantrag erhoben hat. Das setzte voraus, dass trotz § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO ein schutzwürdiges rechtliches Interesse an der Bescheidung des spiegelbildlich erhobenen und auf eine positive Feststellung gerichteten Widerantrags wegen ansonsten drohender Rechtsverluste besteht. Hiervon ist beispielsweise auszugehen, wenn allein eine positive gerichtliche Feststellung für nachgelagerte Leistungsansprüche verjährungshemmend iSd. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wirkt(vgl. BGH 8. Juni 1978 - VII ZR 54/76 - zu II 3 e der Gründe, BGHZ 72, 23). Ein solches Interesse des Betriebsrats besteht vorliegend aber nicht. Soweit dieser einen positiven Entscheidungsausspruch aus Gründen der Transparenz für vorzugswürdig erachtet, ist dieses Interesse rechtlich nicht geschützt. Dem vom Betriebsrat gestellten Widerantrag zu 1. steht deshalb das auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz von Amts wegen zu beachtende Hindernis der doppelten Rechtshängigkeit nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO entgegen, soweit der Antrag das Fahrpersonal und die Zuordnung der Umkleidezeiten zur betrieblichen Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG betrifft.

30

cc) Der Streit über das Ausmaß des Mitbestimmungsrechts bei der Verteilung der tariflichen Arbeitszeit kann sich auch zukünftig jederzeit wiederholen. Er wird durch eine Entscheidung über die Wirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle vom 3. Dezember 2010 nicht notwendig beigelegt. Die Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs ist aus Gründen erfolgt, die den Umfang des Mitbestimmungsrechts nicht abschließend klären. Das begründet ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BAG 8. November 2011 - 1 ABR 37/10 - Rn. 13, BAGE 139, 369).

31

b) Der Hauptantrag zu 2. der Arbeitgeberin ist nur teilweise begründet. Die Zeiten für das An- und Ablegen der Dienstkleidung außerhalb der Betriebsräume der Arbeitgeberin gehören zwar nicht zur Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Kleiden sich die Arbeitnehmer hingegen innerhalb des Betriebs um, handelt es sich um Arbeitszeit, die in den Dienstplänen für das Fahrpersonal zu berücksichtigen ist. Das Mitbestimmungsrecht wird nicht durch den Tarifvorbehalt des § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG ausgeschlossen.

32

aa) Bei dem An- und Ablegen der Dienstkleidung innerhalb des Betriebs handelt es sich um eine fremdnützige Tätigkeit des tragepflichtigen Personenkreises und damit um Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.

33

(1) Nach der Senatsrechtsprechung gehören Umkleidezeiten zur vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung, wenn das Umkleiden einem fremden Bedürfnis dient und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis erfüllt. Das Ankleiden mit vorgeschriebener Dienstkleidung ist nicht lediglich fremdnützig und damit nicht Arbeitszeit, wenn sie zu Hause angelegt und - ohne besonders auffällig zu sein - auch auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann (BAG 10. November 2009 - 1 ABR 54/08 - Rn. 15). An der ausschließlichen Fremdnützigkeit fehlt es auch, wenn es dem Arbeitnehmer gestattet ist, eine an sich auffällige Dienstkleidung außerhalb der Arbeitszeit zu tragen und er sich entscheidet, diese nicht im Betrieb an- und abzulegen. Dann dient das Umkleiden auch einem eigenen Bedürfnis, weil der Arbeitnehmer keine eigenen Kleidungsstücke auf dem Arbeitsweg einsetzen muss oder sich aus anderen, selbstbestimmten Gründen gegen das An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb entscheidet.

34

(2) Danach handelt es sich bei dem An- und Ablegen der vorgeschriebenen Dienstkleidung im Betrieb um Arbeitszeiten des Fahrpersonals.

35

Das bei der Arbeitgeberin beschäftigte Fahrpersonal ist nach § 78 LfTV, § 48 FGr 5-TV iVm. § 1 Abs. 1 Satz 2, Anlage 1 KBV Ubk zum Tragen der Dienstkleidung verpflichtet. Dies steht zwischen den Beteiligten außer Streit. Die zu tragenden Kleidungsstücke sind aufgrund ihrer Farbgebung und ihres Zuschnitts besonders auffällig. Sie haben Uniformcharakter und dienen nach den tariflichen Vorschriften zur Herstellung eines einheitlichen Erscheinungsbilds des Fahrpersonals in der Öffentlichkeit. Bahnreisenden soll die schnelle und sichere Identifizierung der Mitarbeiter als Bordpersonal ermöglicht werden. Diesen Zweck hat die Arbeitgeberin selbst in Nr. 1 Abs. 3 der Konzernrichtlinie Nr. 110.0001 „Unternehmensbekleidung bestellen und tragen“ zugrunde gelegt. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin fehlt es an einem auffälligen Erscheinungsbild nicht schon deshalb, weil die Unternehmensbekleidung in dezenten Farben gehalten ist. An den Kleidungsstücken ist das von den Konzerngesellschaften des Personennah- und -fernverkehrs verwandte Emblem angebracht. Dieses weist einen in der Bevölkerung überaus hohen Bekanntheitsgrad auf und ermöglicht eine leichte Zuordnung des Dienstkleidungsträgers zu einem Rechtsträger des Unternehmensverbunds der DB AG. An einer derartigen Offenlegung ihres Arbeitgebers gegenüber Dritten besteht außerhalb ihrer Arbeitszeit kein objektiv feststellbares eigenes Interesse der Arbeitnehmer (vgl. BAG 17. Januar 2012 - 1 ABR 45/10 - Rn. 32, BAGE 140, 223).

36

bb) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Berücksichtigung der Umkleidezeiten in den Dienstplänen ist nicht nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG ausgeschlossen.

37

(1) Die Mitbestimmungsrechte im Bereich der sozialen Mitbestimmung können im Betrieb eines tarifgebundenen Arbeitgebers allerdings durch den Tarifvorbehalt des § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG eingeschränkt oder ausgeschlossen sein.

38

(a) Die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten dient dem Schutz der Arbeitnehmer durch gleichberechtigte Teilhabe an den sie betreffenden Angelegenheiten (BAG 3. Dezember 1991 - GS 2/90 - zu C II 1 a der Gründe, BAGE 69, 134). § 87 Abs. 1 BetrVG beschränkt wegen der persönlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers und im Hinblick auf den Teilhabegedanken die Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers bei der Vertragsgestaltung und der Ausübung seines Direktionsrechts(Wiese GK-BetrVG 10. Aufl. § 87 Rn. 56). Der Eingangshalbsatz in § 87 Abs. 1 BetrVG beruht dabei auf der Erwägung, dass für die Erreichung des Mitbestimmungszwecks kein Raum mehr besteht, wenn eine den Arbeitgeber bindende Regelung durch Gesetz oder Tarifvertrag bereits vorliegt. In diesem Fall kann davon ausgegangen werden, dass mit dieser Regelung den berechtigten Interessen und Schutzbedürfnissen der Arbeitnehmer hinreichend Rechnung getragen worden ist (BAG 18. Oktober 2011 - 1 ABR 25/10 - Rn. 19, BAGE 139, 332).

39

(b) Der Ausschluss des Mitbestimmungsrechts durch den Tarifvorbehalt erfordert, dass die Tarifvertragsparteien selbst über die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit eine zwingende und abschließende inhaltliche Regelung getroffen und damit dem Schutzzweck des verdrängten Mitbestimmungsrechts Genüge getan haben (BAG 3. Dezember 1991 - GS 2/90 - zu C II 1 b der Gründe, BAGE 69, 134). Die Tarifvertragsparteien dürfen das Mitbestimmungsrecht nicht ausschließen oder einschränken, ohne die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit selbst zu regeln (BAG 9. November 2010 - 1 ABR 75/09 - Rn. 17).

40

(2) Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin wird das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG in Bezug auf die Zeiten für das An- und Ablegen der Unternehmensbekleidung nicht durch § 53 Abs. 1 LfTV, § 43 Abs. 1 FGr 5-TV ausgeschlossen.

41

(a) Der Wortlaut der Vorschriften ist allerdings nicht eindeutig. Nach § 53 Abs. 1 LfTV, § 43 Abs. 1 FGr 5-TV beginnt und endet die Arbeitszeit am vorgeschriebenen Arbeitsplatz. Dies ist der Platz, der entweder vertraglich festgelegt oder dem Arbeitnehmer im Wege des Direktionsrechts zugewiesen worden ist und an dem er tatsächlich arbeitet (vgl. BAG 29. April 1982 - 6 ABR 54/79 - zu III 1 der Gründe). Die Tarifnormen knüpfen bei der Bestimmung des Arbeitszeitbeginns nicht an das Betriebsgelände, einzelne Betriebsgebäude oder Abteilungen des Betriebs an. Die Arbeitszeit der von den tariflichen Vorschriften erfassten Arbeitnehmer ist vielmehr an das Erreichen und Verlassen des ihnen zugewiesenen Arbeitsplatzes gebunden. Zeiten vom Betreten des Betriebsgeländes bis zur Aufnahme der zugewiesenen Tätigkeit bleiben bei der Berechnung der Arbeitszeit außer Betracht. Damit haben die Tarifvertragsparteien die Wegezeit bis zum Erreichen bzw. Verlassen des Arbeitsplatzes nicht der betrieblichen Arbeitszeit zugewiesen, sondern der privaten Sphäre des Arbeitnehmers zugeordnet. Der Wortlaut der Tarifbestimmungen lässt aber nicht erkennen, ob der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung vertragsgerecht nur in Dienstkleidung anbieten kann oder es sich beim Umkleiden um Arbeitszeit handelt.

42

(b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts sprechen für die von ihm vertretene Sichtweise nicht die tariflichen Vorschriften über die Unternehmensbekleidung. Zwar enthalten § 78 LfTV, § 48 FGr 5-TV eine Regelung über Kleidungsstücke, die zur Sicherstellung eines einheitlichen und gepflegten Erscheinungsbilds in der Öffentlichkeit an Stelle anderer Kleidung während der Arbeit getragen werden müssen. Hierdurch wird aber nicht bestimmt, ob die tarifliche Arbeitszeit die Zeiten für das An- und Ablegen dieser Kleidungsstücke umfasst. Die Tarifvorschriften beschränken sich auf eine Normierung der Tragepflicht von besonderer Dienstkleidung, die ihrerseits durch betriebliche Regelungen auszugestalten ist.

43

(c) Für die Sichtweise des Beschwerdegerichts spricht auch nicht der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien keine ausdrückliche Regelung über Beginn und Ende der Arbeitszeit getroffen haben. Das Gegenteil ist der Fall.

44

Die Tarifvertragsparteien verwenden keinen eigenständigen Arbeitszeitbegriff. Sie haben in § 42 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 2, 6 und 9 FGr 5-TV von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch tarifliche Regelungen von den Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes abzuweichen. Damit ist davon auszugehen, dass sie ihren Regelungen den gesetzlichen Arbeitszeitbegriff zugrunde gelegt haben. In § 2 Abs. 1 ArbZG wird die Arbeitszeit als die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhepausen definiert. Zur Arbeit iSd. genannten Vorschrift gehört auch das Umkleiden für die Arbeit, wenn das Tragen einer besonderen Dienstkleidung vorgeschrieben ist und betrieblichen Belangen dient (vgl. BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 23). Gerade weil das An- und Ablegen der Dienstkleidung für den tragepflichtigen Personenkreis wegen seiner ausschließlichen Fremdnützigkeit zur Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, § 2 Abs. 1 ArbZG gehört, hätte es eines hinreichend deutlich zum Ausdruck gebrachten Regelungswillens bedurft, um eine das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ausschließende Regelung zu treffen. § 53 Abs. 1 LfTV, § 43 Abs. 1 FGr 5-TV ist eine solche eindeutige Regelungsabsicht nicht zu entnehmen.

45

c) Aufgrund der teilweisen Abweisung des Hauptantrags zu 2. der Arbeitgeberin fällt dem Senat der hilfsweise erhobene negative Feststellungsantrag zur Entscheidung an. Der Hilfsantrag ist begründet. Bei der Festlegung von Zeitvorgaben für das An- und Ablegen der Dienstkleidung hat der Betriebsrat nicht mitzubestimmen.

46

aa) Der Hilfsantrag ist zulässig. Hiermit möchte die Arbeitgeberin die (negative) Feststellung erreichen, dass der Betriebsrat bei einer Festlegung von individualrechtlichen Vorgaben für die Umkleidezeiten nicht mitzubestimmen hat. Er ist auf ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis iSd. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet. Es soll eine gerichtliche Entscheidung über das Nichtbestehen eines Mitbestimmungsrechts für eine Festsetzung der in den Dienstplänen zu berücksichtigenden Zeiten für das An- und Ablegen der Dienstkleidung ergehen. Die Beteiligungspflicht für diese Maßnahme der Arbeitgeberin ist zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat umstritten.

47

bb) Der Hilfsantrag ist begründet.

48

(1) In welchem zeitlichen Umfang Umkleidezeiten zur Arbeitszeit rechnen, ergibt sich - soweit eine anderweitige Regelung nicht besteht - nach allgemeinen Grundsätzen. Der Arbeitnehmer darf seine Leistungspflicht nicht willkürlich selbst bestimmen, er muss vielmehr unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten. Dieser modifizierte subjektive Maßstab gilt auch für das fremdnützige An- und Ablegen von Dienstkleidung. Nur die Zeitspanne, die dazu für den einzelnen Arbeitnehmer unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit erforderlich ist, zählt zur Arbeitszeit (BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 24).

49

(2) Es kann dahinstehen, welche Verbindlichkeit der von der Arbeitgeberin in ihren internen Richtlinien vorgegebenen Planzeiten für die Umkleidevorgänge des Fahrpersonals im Betrieb zukommt. Jedenfalls hat der Betriebsrat bei ihrer Bemessung kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Diese Tätigkeiten gehören zwar zur betriebsüblichen Arbeitszeit. Bei der Festlegung der Zeiten, die ein im Zeitlohn beschäftigter Arbeitnehmer für die Erledigung einzelner Arbeitsaufgaben voraussichtlich benötigt, handelt es sich aber nicht um eine Regelung von Beginn und Ende der Arbeitszeit (vgl. BAG 22. Juli 2003 - 1 ABR 28/02 - Rn. 45, BAGE 107, 78).

50

III. Der Widerantrag zu 1. des Betriebsrats ist im Umfang seiner Zulässigkeit überwiegend begründet. Der zweite Widerantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

51

1. Der erste Widerantrag des Betriebsrats ist nur teilweise zulässig.

52

a) Der Widerantrag zu 1. des Betriebsrats ist aus den bereits dargelegten Gründen (Rn. 29) unzulässig, soweit sein Antragsziel die positive Feststellung eines Mitbestimmungsrechts bei der Berücksichtigung der Umkleidezeiten des Fahrpersonals als betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist. Ihm steht das Verfahrenshindernis der doppelten Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) entgegen.

53

b) Der Widerantrag des Betriebsrats zu 1. ist zulässig, soweit er auf die „Bereitmachungszeiten“ gerichtet ist.

54

aa) In der gebotenen Auslegung ist Gegenstand des Widerantrags zu 1. die Feststellung, dass die Zeiten für das Empfangen, Abgeben und Aufrüsten der notwendigen Arbeitsmittel betriebliche Arbeitszeiten iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG darstellen, die von den Beteiligten bei der Dienstplangestaltung zu berücksichtigen sind. Von dem Antrag umfasste Arbeitsmittel sind nach dem Vorbringen der Beteiligten in den Vorinstanzen bei den Triebfahrzeugführern das ihnen von der Arbeitgeberin überlassene Mobiltelefon und bei den Kundenbetreuern zusätzlich das mobile Terminal, der Zangendrucker, die Zahlungsmittel sowie unbedruckte Fahrscheine. Das Aufrüsten von Arbeitsmitteln beschränkt sich auf das Einschalten des Mobiltelefons und des mobilen Terminals. Hinsichtlich des erfassten Personenkreises bedarf der Antrag der Einschränkung. Nach seinem Wortlaut betrifft er sämtliche im Wahlbetrieb der Arbeitgeberin beschäftigten Arbeitnehmer. Die Beteiligten streiten aber lediglich um die notwendigen Arbeitsmittel des Fahrpersonals. Dies hat auch das Landesarbeitsgericht, wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt, bei seiner Entscheidung übersehen.

55

bb) Der so verstandene Widerantrag ist hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und auf ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis gerichtet. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse liegt wegen der unterschiedlichen Rechtspositionen der Beteiligten vor.

56

c) In dem zulässigen Umfang ist der Widerantrag zu 1. überwiegend begründet. Das Empfangen, Bereitmachen und Abgeben der notwendigen Arbeitsmittel stellt Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG dar, deren Lage von den Betriebsparteien festzulegen ist. Zu diesen Arbeitsmitteln gehört das nicht ausschließlich dienstlich nutzbare Mobiltelefon jedoch nicht.

57

aa) Die Entgegennahme und Abgabe von arbeitsnotwendigen Betriebsmitteln stellt Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG dar, wenn diese Tätigkeiten einem fremden Bedürfnis dienen und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis des Arbeitnehmers erfüllen. In diesem Fall handelt es sich auch um Arbeitszeit iSd. § 2 Abs. 1 ArbZG(ErfK/Wank 13. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 16). Diese umfasst auch die Zeiten für die Herstellung der Einsatzfähigkeit der Arbeitsmittel.

58

bb) Das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG wird nicht durch eine tarifliche Regelung ausgeschlossen. § 53 Abs. 1 LfTV, § 43 Abs. 1 FGr 5-TV liegt aus den bereits dargelegten Gründen(Rn. 40 - 44) kein eigenständiger Arbeitszeitbegriff zugrunde.

59

cc) Danach ist der Widerantrag zu 1. bis auf das nicht ausschließlich dienstlich nutzbare Mobiltelefon begründet.

60

(1) Bei den ausschließlich von den Kundenbetreuern verwandten Gegenständen (mobiles Terminal, Zangendrucker, Zahlungsmittel sowie unbedruckte Fahrscheine) handelt es sich um notwendige Arbeitsmittel. Deren Empfang und Abgabe sowie das Bereitmachen des mobilen Terminals stellen Arbeitszeit dar. Die Arbeitgeberin erlaubt ihren Kundenbetreuern zwar die Verwahrung dieser Arbeitsmittel außerhalb des Dienstes. Entscheiden sich die Arbeitnehmer jedoch zu deren Rückgabe nach Dienstende, sind die Abgabe und die erneute Entgegennahme dieser Arbeitsmittel bei Dienstbeginn ausschließlich fremdnützig und damit Arbeitszeit. Arbeitnehmer sind regelmäßig nicht verpflichtet, Arbeitsmittel, die sie in der dienstfreien Zeit nicht nutzen, nach Beendigung ihrer Arbeitszeit für den Arbeitgeber zu verwahren. Eine solche Tätigkeit dient nicht ihrem eigenen Bedürfnis.

61

(2) Die vorstehenden Grundsätze gelten gleichermaßen für ein dem Fahrpersonal überlassenes Mobiltelefon. Seine Zugehörigkeit zu den notwendigen Arbeitsmitteln folgt aus der erforderlichen durchgängigen Erreichbarkeit des Fahrpersonals während ihres Dienstes. Die Zeiten für die Aushändigung und Abgabe sowie für die Herstellung der Funktionsfähigkeit eines solchen Geräts gehören daher zur Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Kann das Mobiltelefon dagegen mit einer zweiten SIM-Karte auch privat genutzt werden, liegt seine Verwendung auch im eigenen Interesse der Arbeitnehmer, was vorliegend die Fremdnützigkeit und damit die Zuordnung dieser Zeiten zur Arbeitszeit ausschließt.

62

2. Der vom Betriebsrat zu 2. erhobene Widerantrag, mit dem dieser die Unwirksamkeit von § 2 Satz 3 SV 2010 festgestellt wissen will, fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist nur für den Fall gestellt, dass der von der Arbeitgeberin zu 1. gestellte Feststellungsantrag ganz oder teilweise erfolglos bleibt. Nur in diesem Fall bestünde überhaupt Raum für eine isolierte Anfechtung des vom Betriebsrat als unwirksam angesehenen Teils des Einigungsstellenspruchs. Dieses Antragsverständnis hat der Betriebsrat in der Anhörung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt. Da dem Antrag zu 1. der Arbeitgeberin in vollem Umfang entsprochen wird, tritt die vom Betriebsrat mit dem Widerantrag zu 2. verbundene innerprozessuale Bedingung nicht ein.

        

    Linck    

        

    Spelge    

        

    Koch    

        

        

        

    Klebe    

        

    Hann    

                 

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

(3) (weggefallen)

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 02.07.2014 (26 Ca 117/14) abgeändert:

Es wird festgestellt, dass der Kläger berechtigt ist, seine persönliche Schutzausrüstung nach dem Einstempeln zu Beginn der Schicht im Zeiterfassungsterminal anzulegen und vor dem Ausstempeln am Zeiterfassungsterminal abzulegen und dass die Beklagte verpflichtet ist, die mit Hilfe des Zeiterfassungsterminals erfassten Zeiten als Arbeitszeit gemäß MTV zu vergüten.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob Zeiten für das An- und Ablegen persönlicher Schutzausrüstung und die damit zusammenhängenden innerbetrieblichen Wegezeiten vergütungspflichtige Arbeitszeit sind.

2

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie, das in seinem Werk in Hamburg Arbeiten im Bereich des Warm- und Kaltwalzens von Aluminium inklusive Gießerei mit ca. 640 Mitarbeitern durchführt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Verbandsmitgliedschaft die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Anwendung, u.a. der Manteltarifvertrag für das Tarifgebiet Hamburg und Umgebung, Schleswig-Holstein, Mecklenburg Vorpommern, Stand Oktober 2008, vereinbart zwischen Nordmetall – Verband der Metall- und Elektroindustrie e.V. Hamburg und IG Metall, Bezirk Küste, Hamburg (nachfolgend MTV). Auszugsweise ist im MTV Folgendes geregelt:

3

§ 3 Arbeitszeit

4

1. Regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit

5

1.1. Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen beträgt

6

a) Für Hamburg und Umgebung sowie Schleswig-Holstein 35 Stunden
...

7

6. Pausen, Umkleiden und Waschen

8

Zeiten für Umkleiden und Waschen sowie Pausen sind keine Arbeitszeit, soweit nicht innerbetriebliche abweichende Regelungen getroffen werden.
...

9

§ 6 Mehr-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit

10

1. Mehrarbeit

11

Mehrarbeit ist die angeordnete Überschreitung der individuellen regelmäßigen täglichen Arbeitszeit, die bis zum Arbeitsbeginn des darauffolgenden Tages abgefordert wird.
...

12

Mehrarbeitszuschläge sind grundsätzlich in Geld zu vergüten.

13

§ 7 Zuschläge für Mehr, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit

14

1. Für Hamburg und Umgebung gilt:

15

1.1. Höhe des Zuschlages

16

Die Beschäftigten erhalten je Stunde für angeordnete

17

a) Mehrarbeit 25 % Zuschlag
...

18

2.6. Bei regelmäßiger Schichtarbeit ist die zur Übergabe der Schicht notwendige Zeit bis zu 30 Minuten mit dem Monatsentgelt abgegolten.

19

2.7. Eine gelegentliche unvorhergesehene Überschreitung der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ebenfalls mit dem Monatsentgelt abgegolten. Sie darf höchstens vier Stunden im Monat betragen.

20

Das gilt nicht für regelmäßig geleistete Mehrarbeitsstunden. ...“

21

Im Betrieb der Beklagten gilt die „Betriebsvereinbarung über gleitende Arbeitszeit vom 07.09.2006“ (nachfolgend: BV Arbeitszeit). Danach hat der Kläger eine regelmäßige tägliche Soll-Arbeitszeit von sieben Stunden. Die Erfassung der täglichen Arbeitszeit erfolgt mittels eines elektronischen Zeiterfassungssystems. Der Kläger ist verpflichtet, die Arbeitszeit in dem seinem Arbeitsplatz nächstgelegenen Terminal zu erfassen. Die sich aus der Differenz zwischen Kommt- und Geht-Zeit ergebende Anwesenheitszeit am Arbeitsplatz wird dem Arbeitszeitkonto des Klägers gutgeschrieben. Wegen der Einzelheiten dieser Regelung wird auf die Anlage A 1 (Bl. 12f d. A.) Bezug genommen.

22

Im Betrieb der Beklagten gilt weiterhin eine Anweisung zum Tragen von Arbeitskleidung, persönlicher Schutzausrüstung (PSA) und zusätzlicher Schutzausrüstung für Gießereimitarbeiter, Leiharbeitnehmer, Instandhaltung, Fremdfirmen und Besucher in Abhängigkeit von Gefährdung und Tätigkeit. Wegen deren Einzelheiten wird auf die Anlage A 2 (Bl. 16 ff. d. A.) Bezug genommen.

23

Der Kläger arbeitet in der Abteilung Instandhaltung. Er ist verpflichtet, persönliche Schutzausrüstung (PSA) zu tragen. Die für ihn vorgeschriebene Schutzkleidung umfasst Hosen, Arbeitsjacken, Socken, Schuhe, Arbeitshandschuhe, Schutzbrille, Helm sowie Gehörschutz.

24

Zum Zweck des An- und Ablegens der persönlichen Schutzausrüstung muss der Kläger nach Betreten des Betriebsgeländes zunächst zur Waschkaue gehen, die dort für ihn bereit liegende saubere PSA aus einem Wäschefach entnehmen, sich zu seinem Spint begeben, sich vollständig entkleiden und die Schutzkleidung anlegen. Wegen der dadurch veranlassten Wege des Klägers wird auf die Skizze und die Luftaufnahme des Betriebsgeländes der Beklagten, Anlage A 3 (Bl. 30 – 32 d. A.) Bezug genommen.

25

Das An- und Ablegen von Schutzkleidung ist auch für andere Mitarbeiter vorgeschrieben, sofern sie sich in gefährdete Betriebsbereiche begeben. Der Umfang der Schutzkleidung variiert danach, ob sie sich dort auf markierten Gehwegen bewegen oder diese verlassen. Mitarbeiter, die ihre Arbeit regelmäßig in ihrer privaten Kleidung verrichten, sind berechtigt, sich während der bezahlten Arbeitszeit umzukleiden, wenn sie Betriebsbereiche aufsuchen, in denen PSA vorgeschrieben ist. Bei diesen Mitarbeitern vergütet die Beklagten die zum An- und Ablegen der Schutzkleidung erforderliche Zeit als Arbeitszeit.

26

Der Kläger arbeitete in den Monaten September bis November 2013 insgesamt in 39 Schichten. Wegen der Zeitnachweislisten des Klägers aus diesem Zeitraum wird auf die Anlage A 7 (Bl. 36 – 38 d. A.) Bezug genommen.

27

Mit Schreiben vom 04.12.2013 machte der Kläger gegenüber der Beklagten geltend, er benötige pro Schicht mindestens 30 Minuten zum An- und Ablegen der Schutzkleidung und beanstandete, dass diese Zeit nicht als Arbeitszeit abgerechnet bzw. vergütet werde. Er verlangte, diese 30 Minuten pro Schicht ab dem 01.09.2013 seinem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben. Mit seiner am 11.03.2014 beim Arbeitsgericht erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

28

Der Kläger hat behauptet, er benötige unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit für das An- und Ablegen der PSA sowie für die damit verbundenen innerbetrieblichen Wegezeiten 30 Minuten pro Schicht. Er hat die Ansicht vertreten, diese Zeiten seien als vergütungspflichtige Arbeitszeit zu bewerten. Da das An- und Ablegen der PSA durch die Beklagte ausdrücklich angeordnet sei, handele es sich um eine angeordnete Überschreitung der individuellen regelmäßigen täglichen Arbeitszeit im Sinne des § 6 Ziff. 1 MTV und damit um Mehrarbeit.

29

Der Kläger hat beantragt,

30

1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 19,5 Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto/Freizeitkonto gutzuschreiben;

31

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 117,10 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2013 zu zahlen;

32

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger arbeitstäglich 30 Minuten für das An- und Ablegen von vorgeschriebener persönlicher Schutzausrüstung als Arbeitszeit zu vergüten und seinem Zeitkonto gutzuschreiben, und für 30 Minuten arbeitstäglich Mehrarbeitszuschläge gemäß § 6 MTV der Metallindustrie Hamburg zu zahlen;

33

hilfsweise zum Antrag zu 3.

34

festzustellen, dass der Kläger berechtigt ist, seine persönliche Schutzausrüstung nach dem Einstempeln zu Beginn der Schicht am Zeiterfassungsterminal anzulegen und vor dem Ausstempeln am Zeiterfassungsterminal abzulegen und dass die Beklagte verpflichtet ist, die mit Hilfe des Zeiterfassungsterminals erfassten Zeiten als Arbeitszeit gemäß MTV zu vergüten;

35

weiter hilfsweise

36

festzustellen, dass die unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Klägers erforderlichen Zeiten für das An- und Ablegen von vorgeschriebener persönlicher Schutzausrüstung einschließlich der innerbetrieblichen Wegezeiten von der Waschkaue zum Arbeitsbereich vergütungspflichtige Arbeitszeiten sind.

37

Die Beklagte hat beantragt,

38

die Klage abzuweisen.

39

Sie hat die Ansicht vertreten, die Tarifvertragsparteien hätten im Rahmen ihrer Kompetenzen mit § 3 Ziff. 6 MTV die Umkleidezeiten von der Vergütungspflicht ausgenommen.

40

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz wird gemäß § 69 II ArbGG auf die Feststellungen des Arbeitsgerichts (Bl. 88 – 95 d.A.) Bezug genommen.

41

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Anträge des Klägers seien – soweit zulässig – unbegründet, da die Zeiten für das An- und Ablegen der Schutzkleidung sowie für die innerbetrieblichen Wege keine vergütungspflichtige Arbeitszeit seien.

42

Zwar seien die Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten Arbeitszeit im Sinne des § 2 I ArbZG. Diese seien aber nicht vergütungspflichtig. Die Tarifvertragsparteien hätten im Rahmen ihrer Kompetenz die Umkleidezeiten und damit zwangsläufig auch die innerbetrieblichen Wegezeiten durch die Regelung des § 3 Ziff. 6 MTV aus der Vergütungspflicht ausgenommen. Es handele sich nicht um eine abweichende Definition der Arbeitszeit im Sinne von § 2 I ArbZG, sondern um die Festlegung, welcher Teil der Arbeitszeit der tariflichen Vergütungspflicht unterfalle. Der Begriff des „Umkleidens“ i.S.v. § 3 Ziff. 6 MTV erfasse betrieblich veranlasste Umkleidezeiten. Das Wechseln von privater Kleidung und PSA falle unter den Begriff „Umkleiden“.

43

Der Kläger habe auch unter dem Gesichtspunkt des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes keinen Anspruch auf Vergütung der Umkleide- bzw. Wegezeiten. Es werde zwar zwischen Mitarbeitern unterschieden, die vor bzw. nach Beginn ihrer Arbeitszeit Schutzkleidung an- bzw. ablegen und jenen, die dies während der Arbeitszeit erledigen müssten. Diese Differenzierung sei aber sachgerecht und praktikabel, da die Mitarbeiter, die zwischendurch aus besonderem Grund Schutzkleidung an- und ablegen müssten, andernfalls erst ausstempeln und dann wieder einstempeln müssten. Dies sei als abweichende innerbetriebliche Regelung gemäß § 3 Ziff. 6 MTV auch von der Kompetenz der Arbeitgeberin gedeckt.

44

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 95 bis 104 d.A.) Bezug genommen.

45

Gegen das am 02.07.2014 verkündete und der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 25.07.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.08.2014 Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 25.10.2014 – am 24.10.2014 begründet.

46

Der Kläger wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag. Ergänzend meint er, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass § 3 Ziff. 6 MTV eine Entgeltregelung darstelle. Die entsprechende Auslegung des § 3 Ziff. 6 MTV durch das Arbeitsgericht sei durch den Wortlaut nicht gedeckt. Auch ergebe sich daraus nicht, dass mit der Regelung nur das vor- und nachgelagerte Umkleiden gemeint sei. Die Auslegung des Arbeitsgerichts vertrage sich auch nicht mit der Systematik des Tarifvertrages, da die wöchentliche Arbeitsverpflichtung 35 Stunden betrage und es gemäß § 3 Ziff. 1 MTV unzulässig sei, diese wöchentliche Arbeitszeit gegen den Willen des Mitarbeiters zu verlängern. § 3 Ziff. 6 MTV habe den Zweck, dass Dinge, die nicht zur Arbeitszeit gehörten, auf betrieblicher Ebene zu vergütungspflichtiger Arbeitszeit gemacht werden könnten. § 7 MTV enthalte dagegen eine Entgeltregelung. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht für die Auslegung eine jahrelange Praxis der Metallindustrie herangezogen, die weder vorgetragen noch unstreitig sei.

47

Das Bundesarbeitsgericht habe entschieden, dass grundsätzlich jede Arbeitsverpflichtung gemäß § 611 BGB zu vergüten sei. Es sei unzulässig, aus einer – unterstellten – jahrelangen Praxis zu schließen, die Tarifvertragsparteien hätten eine Ausnahmeregelung zu § 611 BGB bzw. § 2 ArbZG treffen wollen.

48

Auch begrifflich stelle das An- und Ablegen von Schutzausrüstung kein „Umkleiden“ im Sinne des § 3 Ziff. 6 MTV dar. Damit sei das private Umkleiden gemeint. Dies ergebe sich bereits daraus, dass der MTV in diesem Punkt älter sei als das Arbeitsschutzgesetz. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Üblichkeit, denn das Anlegen von PSA erfordere nicht üblicherweise auch das Ablegen von privater Kleidung.

49

Die Auslegung des Arbeitsgerichts führe dazu, dass Mitarbeiter die bereits vor Arbeitsbeginn wegen der erhöhten Gefährdung durch ihren Arbeitsplatz PSA anlegen bzw. diese nach Arbeitsbeginn ablegen müssten, benachteiligt würden. Sie hätten im Gegensatz zu Mitarbeitern mit ungefährlicher Arbeit eine um 2,5 Stunden erhöhte Wochenarbeitszeit. Dies verstoße gegen die Festlegung der Wochenarbeitszeit in § 3 Ziff. 1 in Verbindung mit § 8 und § 7 MTV.

50

Schließlich verstoße die Auslegung des § 3 Ziff. 6 MTV durch das Arbeitsgericht gegen die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers aus § 3 ArbSchG.

51

Der MTV schaffe auch keine Ausnahmeregelung für die innerbetrieblichen Wegezeiten als nicht vergütungspflichtige Arbeitszeit. Diese sei von § 3 Ziff. 6 MTV schon nach dem Wortlaut nicht geregelt.

52

Der Antrag zu 1. sei entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts zulässig. Aus der als Anlage A 1 vorgelegten Betriebsvereinbarung ergebe sich, dass ein Arbeitszeitkonto im Betrieb nur als „Zeitkonto“ bezeichnet werde. Der Kläger habe auch zu Recht sowohl die entsprechenden Zeitgutschriften auf seinem Konto als auch die Abgeltung entsprechender Mehrarbeit verlangt. Der Anspruch ergebe sich aus der Betriebsvereinbarung über Gleitzeit und aus § 6 Ziff. 1 MTV. Die Anordnung von Mehrarbeit ergebe sich aus der Anweisung zum An- und Ablegen der PSA in der Waschkaue. Auch nach § 15 ArbSchG sei das Anlegen von Schutzkleidung vorgeschrieben.

53

Der Kläger beantragt,

54

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hamburg vom 02.07.2014 – 8 Ca 117/14 –,

55

1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 19,5 Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto gemäß der Betriebsvereinbarung über gleitende Arbeitszeit vom 07.09.2006 / Freizeitausgleichskonto gutzuschreiben;

56

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 117,10 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2013 zu zahlen;

57

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger arbeitstäglich 30 Minuten für das An- und Ablegen von vorgeschriebener persönlicher Schutzausrüstung als Arbeitszeit zu vergüten und seinem Zeitkonto gutzuschreiben, und für 30 Minuten arbeitstäglich Mehrarbeitszuschläge gemäß § 6 MTV der Metallindustrie Hamburg zu zahlen;

58

hilfsweise zum Antrag zu 3.

59

festzustellen, dass der Kläger berechtigt ist, seine persönliche Schutzausrüstung nach dem Einstempeln zu Beginn der Schicht am Zeiterfassungsterminal anzulegen und vor dem Ausstempeln am Zeiterfassungsterminal abzulegen und dass die Beklagte verpflichtet ist, die mit Hilfe des Zeiterfassungsterminals erfassten Zeiten als Arbeitszeit gemäß MTV zu vergüten;

60

weiter hilfsweise

61

festzustellen, dass die unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Klägers erforderlichen Zeiten für das An- und Ablegen von vorgeschriebener persönlicher Schutzausrüstung einschließlich der innerbetrieblichen Wegezeiten von der Waschkaue zum Arbeitsbereich vergütungspflichtige Arbeitszeiten sind.

62

Die Beklagte beantragt,

63

die Berufung zurückzuweisen.

64

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und weist darauf hin, dass der Wortlaut von § 3 Ziff. 6 MTV seit 1988 unverändert gelte. Eine Änderung des Wortlauts der Regelung sei weder nach dem Inkrafttreten des Arbeitsschutzgesetzes 1996 noch anlässlich der Änderung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Vergütungspflicht fremdnütziger Umkleidezeiten erforderlich gewesen. Es entspreche herrschender Meinung in der Literatur, dass Maßnahmen im Sinne des § 3 ArbSchG nur die Arbeitsmittel beträfen.

65

Die Regelung des § 3 Ziff. 6 MTV verursache als solche keine Ungleichbehandlung. Eine tatsächliche Ungleichbehandlung von Mitarbeitern, die sich vor- und nachgelagert umkleiden müssten und Mitarbeitern, die das während der Arbeitszeit tun könnten, sei im Übrigen durch § 13 ERA kompensiert. Dieser sehe Zuschläge für Mitarbeiter vor, die mit Schutzausrüstung besonders gefährdeter Arbeit nachgingen.

66

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

67

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Die Hauptanträge des Klägers sind unbegründet (I-III). Der erste Hilfsantrag ist begründet (IV).

I.

68

Der Antrag des Klägers, ihm 19,5 Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben, ist zulässig, jedoch nicht begründet.

69

1. Abweichend vom Arbeitsgericht hat die Berufungskammer keine Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrags.

70

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, ist der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“ hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 II Nr. 2 ZPO, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können. Allerdings ist dafür eine Konkretisierung des Leistungsbegehrens erforderlich, an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll (BAG v. 19.03.2014 – 5 AZR 954/12 – Tz 16; Urt. v. 21.03.2012 – 5 AZR 676/11 – Tz 10; Urt. v. 10.11.2010 − 5 AZR 766/09 – Tz 11).

71

b) Dieser Konkretisierungsobliegenheit ist der Kläger nachgekommen, indem er das Arbeitszeitkonto als das Arbeitszeitkonto nach der als Anlage A 1 (Bl. 12f d. A.) vorgelegten Betriebsvereinbarung über gleitende Arbeitszeit vom 07.09.2006 bezeichnet und hinreichend dargelegt hat, dass dies das einzige Konto des Klägers sei, auf dem Zeitgutschriften erfolgen könnten. Zwischen den Parteien besteht damit keine Unklarheit, wie die Gutschrift erfolgen soll. Die Konkretisierung des Leistungsantrags in der Berufungsinstanz ist zulässig.

72

2. Der Antrag zu 1. ist aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gutschrift von 19,5 Stunden für die Monate September bis November 2013 auf seinem Arbeitszeitkonto. Die Frage, ob das An- und Ablegen von Schutzkleidung inklusive der erforderlichen innerbetrieblichen Wege als vergütungspflichtige Arbeitszeit zu bewerten ist, kann hier dahinstehen. Denn der Kläger hat keinen geeigneten Beweis für seine Behauptung angetreten, dass er für das An- und Ablegen der PSA und die innerbetrieblichen Wege an jedem Arbeitstag unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit jeweils 15 Minuten braucht. Zwar hat der Kläger jedenfalls in der Berufungsinstanz den Ablauf des Umkleidens und insbesondere die damit verbundenen Wegezeiten durch die als Anlage A 4 (Bl. 156 – 170 d. A.) vorgelegte Fotodokumentation im Einzelnen dargestellt. Aus der Darstellung ergibt sich aber nicht der genaue zeitliche Umfang. Nachdem die Beklagte den vom Kläger geltend gemachten zeitlichen Umfang substantiiert bestritten hat, hätte es eines Beweisantritts des Klägers bedurft. An einem geeigneten Beweis fehlt es indes. In der Klageschrift wurde als Beweis für diese Behauptung das „Zeugnis anderer Beschäftigter“, „Ortsbesichtigung“ (Bl. 10 d. A.), in der Berufungsbegründung (Bl. 154 d. A.) das Zeugnis „N.N.“ angeboten. Diese Beweisantritte bereits gemäß § 46 II ArbGG i. V. m. § 373 ZPO als unzulässig zu bewerten, da die Zeugen nicht namentlich und mit einer ladungsfähigen Anschrift benannt worden sind (Damrau, MüKo ZPO, 4. Aufl. 2012, § 373 Tz 18). Unabhängig davon ist ein Zeugenbeweis für die Behauptung des Klägers ungeeignet, er brauche nach persönlicher Leistungsfähigkeit an jedem Arbeitstag 30 Minuten für das An- und Ablegen von PSA. Die Zeugen könnten allenfalls bekunden, wie lange der Kläger für das Umkleiden an einzelnen Tagen tatsächlich gebraucht hat. Weshalb die Zeugen darüber hinaus in der Lage sein sollten, über die persönliche Leistungsfähigkeit des Klägers an jedem Arbeitstag auszusagen, ist dem Sachvortrag des Klägers nicht zu entnehmen. Eine Ortsbesichtigung ist zum Beweis der behaupteten Tatsache ebenfalls nicht geeignet.

73

Die Kammer kann die erforderlichen Umkleide- und Wegezeiten auch nicht in entsprechender Anwendung von § 287 II ZPO schätzen, da es an hierfür erforderlichen Anknüpfungspunkten fehlt.

74

II. / III.

75

Der zulässige klägerische Antrag zu 2. auf Vergütung der im Zeitraum von September bis November 2013 aufgewendeten 19,5 Stunden für das An- und Ablegen der PSA und für die innerbetrieblichen Wege sowie der Feststellungsantrag zu 3. sind aus denselben Gründen unbegründet.

IV.

76

Der Hilfsantrag zu dem Hauptantrag zu 3. ist zulässig und begründet.

77

1. Der Hilfsantrag ist zulässig

78

a) Nach § 256 I ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken, wenn deren Klärung geeignet ist, den Streit der Parteien zu befrieden (BAG v. 21.04.2010 – 4 AZR 755/08 – Tz 19).

79

b) Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall gegeben. Das Bestehen des Arbeitsverhältnisses der Parteien und dessen wesentliche Elemente sind unstreitig. Ihr Streit beschränkt sich auf die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Umkleidezeit des Klägers und die mit dem Umkleiden verbundenen Wegezeiten als Arbeitszeit zu vergüten.

80

2. Der Hilfsantrag ist auch begründet. Zwar sind die Tarifvertragsparteien grundsätzlich berechtigt, die Höhe des Entgelts für Arbeitsleistung festzulegen. Dies umfasst auch die Befugnis, für Teile der Arbeitszeit die Vergütungspflicht auszuschließen. Die Tarifvertragsparteien sind bei ihren Regelungen jedoch an höherrangiges Recht gebunden. § 3 Ziff. 6 MTV ist unwirksam, weil er gegen § 3 III ArbSchG verstößt, soweit die Vergütung für vom Arbeitgeber veranlasste Umkleide- und die damit verbundenen Wegezeiten ausgeschlossen wird. Ob die praktische Anwendung der Tarifnorm durch die Beklagte darüber hinaus gegen Artikel 3 GG verstößt kann dahinstehen. Im Einzelnen.

81

a) Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei den streitgegenständlichen Umkleide- und Wegezeiten um Arbeitszeit im Sinne des § 2 I ArbZG handelt.

82

(1) Nach § 2 I 1 ArbZG ist Arbeitszeit die Zeit von Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Arbeit ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (BAG v. 19.09.2012 – 5 AZR 678/11 – Tz 23; Urt. v. 22.4.2009 – 5 AZR 292/08 – Tz 15). Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gehört dazu auch das Umkleiden für die Arbeit, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt und das Umkleiden im Betrieb erfolgen muss. Die Fremdnützigkeit des Umkleidens ergibt sich danach schon aus der Weisung des Arbeitgebers, die ein Anlegen der Arbeitskleidung zu Hause und ein Tragen auf dem Weg zur Arbeitsstätte ausschließt (BAG v. 19.09.2012 – 5 AZR 678/11 – Tz 23; Bes. v. 12.11.2013 – 1 ABR 34/12 – Tz 17).

83

(2) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Der Kläger ist verpflichtet, seine Arbeitskleidung in der Waschkaue des Betriebs anzulegen und dort abzulegen, damit die Reinigung der Kleidung im Betrieb erfolgen kann. Die Fremdnützigkeit der Umkleidung ergibt sich insbesondere auch daraus, dass das Tragen der PSA primär Zwecken des Arbeitsschutzes und damit vor allem auch der Erfüllung gesetzlicher Pflichten und betrieblicher Belange der Beklagten dient. Da die Arbeit in diesem Falle mit dem Umkleiden beginnt, zählen auch die innerbetrieblichen Wege zur Arbeitszeit, die dadurch veranlasst sind, dass der Arbeitgeber das Umkleiden nicht am Arbeitsplatz ermöglicht, sondern dafür eine vom Arbeitsplatz getrennte Umkleidestelle einrichtet, die der Arbeitnehmer zwingend benutzen muss (BAG v. 19.09.2012 – 5 AZR 678/11 – Tz 23; Urt. v. 28.07.1994 – 6 AZR 220/94 – Tz 31).

84

b) Die Vergütungspflicht knüpft nach der gesetzlichen Grundregel des § 611 I BGB an die „Leistung der versprochenen Dienste“ an (BAG v. 19.09.2012 – 5 AZR 678/11 – Tz 28; Urt. v. 20.04.2011 – 5 AZR 200/10 – Tz 20). Dazu zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise von deren Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Zu den im Sinne des § 611 I BGB „versprochenen Diensten“ gehört auch das vom Arbeitgeber angeordnete Umkleiden im Betrieb. In einem solchen Falle macht der Arbeitgeber selbst mit seiner Weisung das Umkleiden und das Zurücklegen des Wegs von der Umkleide- zur Arbeitsstelle zur arbeitsvertraglichen Verpflichtung (BAG v. 19.09.2012 – 5 AZR 678/11 – Tz 28; Urt. v. 28.07.1994 – 6 AZR 220/94 – Tz 33).

85

c) Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Tarifvertragsparteien die Vergütungspflicht für die Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten durch Regelungen im Tarifvertrag grundsätzlich einschränken können und vorliegend eingeschränkt haben.

86

(aa) Die Arbeitszeit ist gesetzlich in § 2 I ArbZG definiert. Von dieser gesetzlichen Definition dürfen die Tarifvertragsparteien nicht zu Lasten des Arbeitnehmers abweichen. Dies ergibt sich daraus, dass §§ 7, 12 ArbZG Öffnungsklauseln für vom Arbeitszeitgesetz abweichende Regelungen in Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen enthalten, beide jedoch nicht auf § 2 I ArbZG als abdingbare Regelung verweisen.

87

Entgegen der Ansicht des Klägers ist jedoch zwischen Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinn und Arbeitszeit im vergütungsrechtlichen Sinne zu unterscheiden. Die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers knüpft nach § 611 I BGB allein an die Leistung der versprochenen Dienste an und ist unabhängig von der arbeitszeitrechtlichen Einordnung der Zeitspanne, während derer der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung erbringt. Das bedeutet, dass die Qualifikation einer bestimmten Zeitspanne als Arbeitszeit nicht zwingend zu einer Vergütungspflicht führt, während umgekehrt die Herausnahme bestimmter Zeiten aus der Arbeitszeit nicht die Vergütungspflicht ausschließen muss (BAG v. 19.03.2014 – 5 AZR 954/12 – Tz 30; BAG v. 19.09.2012 – 5 AZR 678/11 – Tz 15). Die Tarifvertragsparteien sind berechtigt, die Vergütungsregelungen im Tarifvertrag abweichend von den gesetzlichen Vergütungsregelungen festzulegen (BAG v. 19.09.2012 – 5 AZR 678/11 – Tz 29).

88

bb) Bei § 3 Ziff. 6 MTV, wonach Zeiten für Umkleiden und Waschen sowie Pausen keine Arbeitszeit sind, handelt es sich um eine Vergütungsregelung und nicht um eine von § 2 ArbZG abweichende Definition der Arbeitszeit.

89

(1) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien ist über den reinen Wortlaut hinaus mit zu berücksichtigen, soweit er in der tariflichen Norm seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt sich auf diesem Wege kein eindeutiges Auslegungsergebnis ermitteln, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages, gegebenenfalls auch eine praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorrang, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG v. 10.02.2015 – 3 AZR 904/13 – Tz 27; Urt. v. 18.02.2014 – 3 AZR 808/11 – Tz 29).

90

(2) Der Wortlaut des § 3 Ziff. 6 MTV, wonach Umkleidezeiten nicht zur Arbeitszeit gehören, lässt nicht erkennen, ob eine Abweichung von § 2 ArbZG oder eine Vergütungsregelung getroffen werden sollte. Letzteres ergibt sich jedoch eindeutig aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang. So regelt § 3 Ziff. 1.1. MTV eine tarifliche wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden. Gemäß § 3 Ziff. 6 III MTV können ausnahmsweise auch Pausen durch betriebliche Regelungen als vergütungspflichtig anerkannt werden, obwohl sie laut Arbeitszeitgesetz nicht zur Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne gehören. Auch § 3 Ziff. 1.2.4 und Ziff. 9 III MTV regeln die Arbeitszeit im Entgeltzusammenhang, da sie festlegen, dass bei einer Vereinbarung über die Arbeitszeit von bis zu 40 Stunden bzw. bei einer am 24. und 31.12. über sechs Stunden hinausgehenden Arbeitszeit diese entsprechend bezahlt wird. In keiner der Tarifnormen finden sich Anzeichen für eine vom Arbeitszeitgesetz abweichende Definitionen von Arbeitszeit, sondern es werden ausschließlich die tarifrechtlich zu vergütenden Zeiten geregelt. Dies ergibt sich schließlich auch aus einer Gesamtschau des § 3 MTV mit § 7 MTV, der – ergänzend zu § 3 MTV – die Arbeitszeit beschreibt, die mit Mehrarbeitszuschlägen entlohnt wird und somit auf der tariflich „normal“ zu vergütenden Arbeitszeit aufbaut.

91

Dieser Auslegung steht auch nicht entgegen, dass in § 3 Ziff. 1 MTV eine wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden geregelt wird, die Arbeitszeit für Mitarbeiter, die sich vor- und nachgelagert umkleiden müssen, aber ca. 37,5 Stunden beträgt. Denn § 3 Ziff. 1 MTV legt die tarifliche Arbeitszeit fest, also die nach dem Tarifvertrag vergütungspflichtige. Gemäß § 3 Ziff. 6 MTV gehört das Umkleiden aber nicht zur tariflichen Arbeitszeit, sodass diese dadurch nicht erhöht wird.

92

(3) Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt eine Auslegung der streitgegenständlichen Regelung des § 3 Ziff. 6 MTV auch nicht, dass lediglich „privates“ Umkleidezeiten aus der Vergütungspflicht ausgenommen werden sollen, also nicht das durch das ArbSchG gebotene Anlegen und Ablegen von Schutzkleidung. Der Wortlaut von § 3 Ziff. 6 MTV enthält keinen Anhaltspunkt für eine entsprechende Einschränkung. Auch daraus, dass der MTV schon vor der Zeit vor Inkrafttreten des Arbeitsschutzgesetzes bestanden hat, kann dies nicht geschlossen werden. Denn obwohl das Arbeitsschutzgesetz noch nicht in Kraft war, war der Arbeitgeber gleichwohl nach § 618 BGB vertraglich dazu verpflichtet, für den Gesundheits- und Arbeitsschutz zu sorgen. Der Arbeitsschutz an sich war dem deutschen Recht vor Inkrafttreten des Arbeitsschutzgesetzes nicht fremd (Henssler, MüKo BGB, 6. Auflage 2012, § 618 BGB Tz 3 ff.).

93

Im Übrigen regeln alle von der Beklagten zitierten Tarifverträge der Nordmetall (Unterweser, nordwestliches Niedersachsen, Oldenburg – Ostfriesische Werften, Bl. 55, 56 d. A.), dass Umkleidezeiten von der Arbeitszeit ausgenommen sind. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Vielzahl von Tarifverträgen nur ohnehin nicht vergütungspflichtige Umkleidezeiten aus der tariflichen Arbeitszeit ausnehmen wollten.

94

d) § 3 Ziff. 6 MTV verstößt jedoch gegen § 3 III ArbSchG und ist damit rechtsunwirksam, soweit Umkleide- und damit verbundene Wegezeiten aus der Vergütungspflicht ausgeklammert werden, die durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes veranlasst sind.

95

Nach § 3 I 1 ArbSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Gemäß § 3 III ArbSchG darf der Arbeitgeber Kosten für Maßnahmen nach dem Arbeitsschutzgesetz nicht den Beschäftigten auferlegen. Diese Regelung ist nicht abdingbar (Pieper, ArbSchR, 5. Auflage 2012, § 3 Tz 14).

96

aa) Nach überwiegender Ansicht in der Literatur sind mit der Kostentragungspflicht für Maßnahmen des Arbeitsschutzes im Rahmen der Ausstattung mit persönlicher Schutzausrüstung nur die Sachkosten des Arbeitsschutzes gemeint, also der Erwerb des PSA durch den Arbeitgeber und ihre Reinigung (Kohte, Kollmer/Klindt, ArbSchG, 2. Auflage 2011, § 3 Tz 92, 93; Pieper, ArbSchR, § 3 Tz 14, 15; Lorenz, Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht, 2. Auflage 2000, 2.6 Tz 110). Nach anderer Ansicht umfasst die Kostentragungspflicht für Maßnahmen nicht nur die Sachkosten, sondern auch die Vergütungspflicht des Arbeitgebers zur Umsetzung dieser Arbeitsschutzmaßnahmen, wie z.B. das Anlegen der PSA (Wiebauer, Landmann/Rohmer, GewO, 69. Ergänzungslieferung März 2015, § 3 ArbSchG Tz 71).

97

Die Rechtsprechung ist hinsichtlich der Auslegung des Begriffs „Maßnahmen“ im Sinne des § 3 III ArbSchG uneins. So geht das Arbeitsgericht Berlin davon aus, dass das Umkleiden als organisatorische Schutzmaßnahme vergütungspflichtige Arbeitszeit i.S.d. § 87 I Nr. 2 BetrVG sei, da arbeitsschutzrechtliche Umkleidezeiten nach dem Grundgedanken des § 3 III ArbSchG nicht zulasten der Beschäftigten gehen dürften (ArbG Berlin v. 17.10.2012 – 28 BV 14611/12 – Tz 48). Auch das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz geht von einer weiten Auslegung des Begriffs „Maßnahmen“ im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes aus, wenn es unter die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers die Vergütungspflicht die für die Beschäftigung notwendige medizinische Vorsorgeuntersuchung fasst (LAG Rheinland-Pfalz v. 30.01.2014 – 2 Sa 361/13 – Tz 25). Nach Auffassung des LAG Düsseldorf (Urt. v. 26.04.2001 – 13 Sa 1804/00 – Tz 24) erstreckt sich die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers jedenfalls auch auf die Kosten der Reinigung von dem Arbeitnehmer überlassener Schutzkleidung.

98

Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 25.09.2013 (10 AZR 258/12 – Tz 14) § 3 Ziff. 6 MTV im Zusammenhang mit dem Beginn der Sonntagsarbeit angewendet und ausgeführt, Umkleidezeiten seien keine Arbeitszeit i.S.v. § 3 Ziff. 6 MTV. Allerdings handelte es sich hier nicht um einen tragenden Grund des Urteils, so dass die Frage als höchstrichterlich nicht abschließend geklärt zu bewerten ist.

99

bb) Die Kammer ist der Auffassung, dass Maßnahmen i.S.v. § 3 III ArbSchG nicht nur die der Arbeitssicherheit dienenden Sachmittel sind sondern auch Arbeitszeiten, die erforderlich ist, um diese Sachmittel anzuwenden.

100

Nach allgemeinem Sprachgebrauch sind Maßnahmen Handlungen, Regelungen, die etwas Bestimmtes bewirken sollen. Als Synonyme gelten neben Mittel auch Aktion, Schritt, Tat und Manöver (vgl. Duden – Die deutsche Rechtschreibung, 26. Aufl. 2015). Hätte der Gesetzgeber die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers auf die Sachmittel begrenzen wollen, wäre dies unschwer zum Ausdruck zu bringen gewesen. Das An- und Ablegen von Schutzkleidung lässt sich danach als Maßnahme des Arbeitsschutzes bezeichnen. § 3 III ArbSchG enthält keine Einschränkung dahingehend, dass die Maßnahmen des Arbeitsschutzes, deren Kosten die Beschäftigten nicht tragen dürfen, nur Maßnahmen sein dürfen, die der Arbeitgeber selber vornimmt. Vielmehr fallen darunter auch Maßnahmen, die der Arbeitnehmer im Auftrag des Arbeitgebers ausführen muss, um die gesetzlichen Bestimmungen zu beachten. Dazu gehört das An- und Ablegen von PSA. Würde der Arbeitnehmer die persönliche Schutzausrüstung vor Betreten des gefährdeten Arbeitsplatzes nicht anlegen, hätte er eine Maßnahme des Arbeitsschutzes unterlassen.

101

Dies steht auch im Einklang mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Dieser besteht darin, dass der Arbeitgeber den von ihm zu besorgenden Arbeitsschutz nicht auf Arbeitnehmer abwälzen darf, die sich im Rahmen ihrer Arbeitspflicht Gesundheitsgefahren aussetzen.

102

Auch die Begründung Gesetzgebers für die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers spricht für eine weite Auslegung des Begriffes Maßnahmen:

103

Das Verbot, die Kosten für Arbeitsschutzmaßnahmen den Beschäftigten aufzuerlegen (Absatz 3), entspricht Artikel 6 Abs. 5 der Rahmenrichtlinie. Im Zusammenhang mit der Pflicht des Arbeitgebers, die erforderlichen Mittel bereitzustellen, ergibt sich, daß in aller Regel die Kosten für Arbeitsschutzmaßnahmen, insbesondere für die Zurverfügungstellung von persönlichen Schutzausrüstungen, beim Arbeitgeber verbleiben, es sei denn, es bestehen rechtlich abgesicherte Kostenübernahmevereinbarungen oder sonstige spezielle Regelungen.“ (BT-Drucks. 13/3540, S. 16).

104

Dass „insbesondere“ persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung gestellt werden soll, spricht für eine nicht abschließende Regelung, und damit dafür, dass auch die Umsetzung des Arbeitsschutzes in Form des Umkleidens durch die Arbeitgeber zu finanzieren ist.

105

Die § 3 III ArbSchG zugrunde liegende Regelung des Artikel 6 V der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12.06.1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (im Folgenden: Arbeitsschutzrichtlinie) spricht ebenfalls für diese Auslegung. Hier ist genauso weit formuliert:

106

Die Kosten für die Sicherheits-, Hygiene- und Gesundheitsschutzmaßnahmen dürfen auf keinen Fall zu Lasten der Arbeitnehmer gehen.“

107

e) Ohne die wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht nicht anwendbare Tarifnorm des § 3 Ziff. 6 MTV ergibt sich der Anspruch des Klägers auf die von ihm begehrte Feststellung aus dem vom Bundesarbeitsgericht anerkannten Grundsatz, wonach Zeiten für „fremdnütziges“ Umziehen vom Arbeitgeber vergütet werden müssen (vgl. BAG v. 19.09.2012 – 5 AZR 678/11 – Tz 23; Urt. v. 28.07.1994 – 6 AZR 220/94 – Tz 31).

108

f) Da § 3 Ziff. 6 MTV jegliches Umkleiden von der vergütungspflichtigen Arbeitszeit ausnimmt, verstößt die Tarifnorm nicht (auch) gegen Art. 3 GG. Ob die betriebliche Praxis der Beklagten, vor- und nachgelagertes Umkleiden von der vergütungspflichtigen Arbeitszeit auszunehmen, das während der Arbeitszeit ungeplant erforderlich werdende Umkleiden aber zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit zu zählen, gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 I GG verstößt, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.

V.

109

Der zweite Hilfsantrag des Klägers ist wegen Nichteintritts seiner innerprozessualen Bedingung nicht zur Entscheidung angefallen.

VI.

110

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 VI ArbGG i. V. m. § 92 II ZPO. Die Kammer hat der Beklagten die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegt, obwohl sie bzgl. der Hauptanträge obsiegt hat, weil es in allen Anträgen um die gleiche Rechtsfrage geht, welche die Kammer im Sinne des Klägers entschieden hat.

VII.

111

Die Zulassung der Revision beruht auf. § 72 II Nr. 1 ArbGG.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 22. Januar 2016 - 6 Sa 1054/15 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Vergütung von Fahrzeiten zu auswärtigen Arbeitsstellen.

2

Der Kläger ist seit 1999 als Elektriker bei der Beklagten beschäftigt. Die Tarifverträge der elektrotechnischen Handwerke in Nordrhein-Westfalen finden kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Der Bruttostundenlohn des Klägers belief sich im Streitzeitraum auf 14,64 Euro.

3

Der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der elektrotechnischen Handwerke in Nordrhein-Westfalen vom 5. November 2013 (im Folgenden MTV) bestimmt ua.:

        

§ 2 Arbeitszeit

        

1.1 Die tarifliche Regelarbeitszeit beträgt wöchentlich 36 Stunden. Sie kann gleichmäßig oder ungleichmäßig auf fünf Werktage in der Woche verteilt werden. …

        

13. An- und Auskleiden, Waschen sowie Pausen im Sinne des Arbeitszeitgesetzes gelten nicht als Arbeitszeit. …

        

…       

        

§ 11 Grundsätze der Entgeltzahlung

        

1. Alle Arbeitnehmer erhalten ein verstetigtes Monatsentgelt. Das Monatsentgelt ergibt sich durch Multiplikation des vereinbarten Stundenentgeltes mit der individuellen monatlichen Arbeitszeit …

        

…       

        

§ 13 Geltendmachung von Ansprüchen

        

1. Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, sind innerhalb folgender Ausschlussfristen schriftlich geltend zu machen:

        

1.1 Ansprüche auf Zuschläge aller Art …;

        

1.2 Alle übrigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten.“

4

Das Entgeltrahmenabkommen für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der elektrotechnischen Handwerke in Nordrhein-Westfalen vom 29. Mai 2013 (im Folgenden ERA) regelt ua.:

        

§ 5 Aufwandsentschädigung (Auslösungen)

        

1. Für alle Arbeiten außerhalb der Werkstatt (Betriebssitz) mit einer Entfernung von dieser bis zu 12 km in der Luftlinie wird nur das übliche Fahrgeld zur Benutzung des billigsten zur Verfügung stehenden öffentlichen Verkehrsmittels für Hin- und Rückweg vergütet. Falls der Weg des Arbeitnehmers von seinem Wohnsitz zur Außenarbeitsstelle kürzer ist, werden nur diese Fahrtkosten ersetzt. …

        

2. Beträgt die Entfernung von der Werkstatt zur Außenarbeitsstelle mehr als 12 km in der Luftlinie, erhalten gewerbliche Arbeitnehmer bei wechselnden Einsatzstellen das Fahrgeld und Tagesaufwandsentschädigungen ab 01.08.2009 nach folgender Staffel bezahlt:

        

in der Zone 1

12 - 18 km

0,00 €

        
        

in der Zone 2

19 - 25 km

0,00 €

        
        

in der Zone 3

26 - 35 km

13,00 €

        
        

in der Zone 4

36 - 45 km

20,00 €

        
        

in der Zone 5

ab 46 km

25,00 €

        
        

Ist in Zone 1 der Weg von der Wohnung zur Montagestelle kürzer als der Weg von der Wohnung zum Betriebssitz, entfällt die Aufwandsentschädigung.

        

3. Bei der Auswärtsmontage mit Übernachtung wird anstelle der Aufwandsentschädigung ein Übernachtungsgeld/Tagegeld von 37,74 € pro Tag gewährt. ...

        

4. Der Anspruch auf Aufwandsentschädigung setzt die Einhaltung der vollen Arbeitszeit an der Montagestelle voraus. Wird der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zur Abholung von Materialien oder aus anderen Gründen zum Betrieb bestellt, gilt diese Zeit als an der Montagestelle verbrachte Arbeitszeit. Zur Berücksichtigung besonderer Verhältnisse (z.B. … Transport mit Unternehmerfahrzeug usw.) kann eine abweichende vorherige Vereinbarung getroffen werden.

        

5. Diese Bestimmungen zur Aufwandsentschädigung gelten nur für gewerbliche Arbeitnehmer mit wechselnden Montagestellen.“

5

Der Kläger ist auf wechselnden Baustellen tätig. Zu Beginn eines jeden Arbeitstags begibt er sich zum Betrieb der Beklagten, belädt dort einen Hubsteiger, nimmt ggf. an einer Einsatzbesprechung teil und fährt danach den Hubsteiger zur ersten Baustelle, um dort Reparaturen vorzunehmen. Danach sucht er die nächste Baustelle auf. Am Ende des Arbeitstags fährt er den Hubsteiger zurück zum Betrieb.

6

Die Beklagte vergütet die Tätigkeiten des Klägers in ihrem Betrieb, die Arbeit auf und die Fahrten zwischen den Baustellen mit dem Tariflohn. Für Fahrten vom Betrieb zur ersten Baustelle und von der letzten Baustelle zurück zum Betrieb zahlt die Beklagte 7,75 Euro brutto/Stunde, die sie mit „Aufwandsentschädigung“ abrechnet. Im Zeitraum März bis Dezember 2014 betrug die in dieser Höhe vergütete Fahrzeit des Klägers vom bzw. zum Betrieb insgesamt 101,03 Stunden.

7

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat der Kläger Zahlungsklage erhoben. Er fordert die Vergütungsdifferenzen zum tariflichen Stundenlohn für den Zeitraum März bis Dezember 2014.

8

Der Kläger meint, bei den Fahrten vom Betrieb zur ersten bzw. von der letzten Baustelle zurück handele es sich um Arbeitszeit, für die der tarifliche Stundenlohn geschuldet sei. Eine anderweitige individualrechtliche oder tarifliche Regelung zur Vergütung dieser Arbeitszeit bestehe nicht.

9

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 696,10 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 18. Februar 2015 zu zahlen.

10

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie ist der Ansicht, die Vergütung von Fahrzeiten von und zum Betrieb sei in § 5 ERA abschließend geregelt. Da der Kläger seit Beginn des Arbeitsverhältnisses Vergütung für Fahrzeiten iHv. 7,75 Euro/Stunde erhalten habe, liege außerdem eine stillschweigende Vereinbarung hierüber vor.

11

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen. Der Kläger hat Anspruch auf weitere Vergütung in der zugesprochenen Höhe.

13

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Sie ist auf konkrete Vergütungsdifferenzen über eine Zeit von zehn Monaten gerichtet. Die Klage ist für den streitbefangenen Zeitraum als abschließende Gesamtklage zu verstehen (vgl. BAG 23. September 2015 - 5 AZR 626/13 - Rn. 12).

14

II. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat nach § 611 Abs. 1 BGB iVm. den tariflichen Entgeltregelungen Anspruch auf Vergütung der Fahrten vom Betrieb zur auswärtigen Arbeitsstelle und von dieser zurück zum Betrieb iHv. jedenfalls 14,64 Euro brutto/Stunde.

15

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden nach nicht angegriffener Feststellung des Landesarbeitsgerichts kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die Tarifverträge für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der elektrotechnischen Handwerke in Nordrhein-Westfalen mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG).

16

2. Die streitgegenständlichen Fahrzeiten sind Bestandteil der tariflichen Arbeitszeit des Klägers. Mangels anderweitiger Tarifregelung oder wirksamer Vereinbarung sind diese mit dem tariflichen Stundenlohn zu vergüten.

17

a) Der MTV enthält keine allgemeine Definition der tariflichen Arbeitszeit. § 2 MTV legt lediglich die Dauer der wöchentlichen Regelarbeitszeit und die Möglichkeit zur Einführung flexibler Arbeitszeit fest. Nach § 2 Nr. 13 Satz 1 MTV gelten An- und Auskleiden, Waschen sowie Pausen iSd. Arbeitszeitgesetzes nicht als Arbeitszeit. Dies zeigt, dass der Tarifvertrag nur insoweit von der gesetzlichen Regelung abweichen soll, wie es ausdrücklich geregelt ist.

18

b) Besteht danach keine spezielle Regelung zur Zuordnung der streitgegenständlichen Fahrzeiten zur tariflichen Arbeitszeit und fehlt im Übrigen deren Definition, belegt dies, dass die Tarifvertragsparteien den Begriff der Arbeitszeit mit der Bedeutung verwenden, die er im Arbeitszeitrecht gefunden hat (vgl. BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 21, BAGE 143, 107). Nach dieser Definition zählen die streitgegenständlichen Fahrten zur tariflichen Arbeitszeit.

19

aa) Arbeitszeit ist gemäß § 2 Abs. 1 ArbZG die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Arbeit ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (vgl. BAG 18. November 2015 - 5 AZR 814/14 - Rn. 25; vgl. auch EuGH 10. September 2015 - C-266/14 - [Federación de Servicios Privados del sindicato Comisiones obreras] Rn. 25).

20

bb) Der Kläger fährt auf Anordnung der Beklagten mit dem von ihm zur Erbringung seiner Arbeitsleistung benötigten Hubsteiger vom Betrieb zu den jeweiligen auswärtigen Arbeitsstellen. Damit handelt es sich um primär fremdnützige, den betrieblichen Belangen der Beklagten dienende Tätigkeiten und damit um „Arbeit“.

21

3. Die innerhalb der tariflichen Arbeitszeit vom Kläger erbrachten Fahrleistungen sind vergütungspflichtig.

22

a) § 611 Abs. 1 BGB knüpft die Vergütungspflicht des Arbeitgebers allein an die „Leistung der versprochenen Dienste“, also an jede im Synallagma vom Arbeitgeber verlangte Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt(vgl. BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 28, BAGE 143, 107; 18. November 2015 - 5 AZR 814/14 - Rn. 25). Zu den iSv. § 611 Abs. 1 BGB „versprochenen Diensten“ gehört auch das vom Arbeitgeber angeordnete Fahren vom Betrieb zu einer auswärtigen Arbeitsstelle. Wegen der Fremdnützigkeit der Fahrten sind diese nicht nur im arbeitszeitrechtlichen, sondern auch im vergütungsrechtlichen Sinn „Arbeit“. Durch das Anordnen der Fahrten macht der Arbeitgeber diese zur arbeitsvertraglichen Verpflichtung (vgl. BAG 12. Dezember 2012 - 5 AZR 355/12 - Rn. 17).

23

b) Mit der Einordnung der Fahrzeiten als Teil der iSv. § 611 Abs. 1 BGB „versprochenen Dienste“ ist jedoch noch nicht geklärt, wie sie zu vergüten sind. Durch Arbeits- oder Tarifvertrag kann eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentliche Tätigkeit und damit auch für Fahrzeiten vom Betrieb zur auswärtigen Arbeitsstelle getroffen werden (vgl. BAG 12. Dezember 2012 - 5 AZR 355/12 - Rn. 18; vgl. auch EuGH 10. September 2015 - C-266/14 - [Federación de Servicios Privados del sindicato Comisiones obreras] Rn. 47 ff.).

24

c) Eine gesonderte Vergütungsregelung ergibt sich nicht aus § 5 ERA. Eine solche ist nicht Gegenstand der Tarifbestimmung. Das ergibt die Auslegung des Tarifvertrags.

25

aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., vgl. nur BAG 29. Juni 2016 - 5 AZR 696/15 - Rn. 19).

26

bb) Danach regelt § 5 ERA nicht die Vergütung der streitgegenständlichen Fahrzeiten, sondern ausschließlich Aufwendungsersatz in Form der Fahrtkostenerstattung und der Auslösung.

27

(1) Nach § 5 Nr. 1 Satz 1 ERA wird für alle Arbeiten außerhalb der Werkstatt (Betriebssitz) mit einer Entfernung von dieser bis zu 12 km in der Luftlinie nur das übliche Fahrgeld zur Benutzung des billigsten zur Verfügung stehenden öffentlichen Verkehrsmittels für Hin- und Rückweg vergütet. § 5 Nr. 2 ERA enthält Regelungen über Tagesaufwandsentschädigungen in Abhängigkeit der Entfernung von der Werkstatt zur Außenarbeitsstelle. In § 5 Nr. 3 ERA finden sich Bestimmungen zu Übernachtungs-/Tagegeld für den Fall der Auswärtsmontage mit Übernachtung.

28

Ausgehend vom tariflichen Wortlaut und dem hierdurch vermittelten Sinn bezwecken Fahrgeld, Aufwandsentschädigung und Übernachtungsgeld den Ausgleich von Mehraufwendungen, die ein Arbeitnehmer zum Erreichen der Baustelle außerhalb des Betriebssitzes tätigen muss. Die Regelung betrifft damit die von jeder Arbeitsleistung unabhängige Reisezeit, nicht aber die für eine Wegstrecke zwischen zwei Arbeitsplätzen benötigte Fahrzeit. Eine solche ist jedoch die vom Betrieb der Beklagten zur auswärtigen Arbeitsstelle und von dieser zurück zum Betrieb.

29

(2) Ein solches Verständnis des § 5 ERA fügt sich in den tariflichen Gesamtzusammenhang. Die Regelung des § 5 Nr. 4 Satz 2 ERA betrifft allein die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Aufwandsentschädigung. Das Erfordernis der Einhaltung der vollen Arbeitszeit an der Montagestelle nach § 5 Nr. 4 Satz 1 ERA soll danach auch durch Fahrten von und zur Baustelle gewahrt sein. Der Anspruch auf Fahrgeld nach § 5 Nr. 1 ERA ist ohnehin davon unabhängig.

30

cc) Der Kläger fährt täglich zunächst zum Betrieb der Beklagten, erbringt dort Arbeitsleistung und fährt dann erst zur auswärtigen Arbeitsstelle. Damit handelt es sich nicht um von der Regelung des § 5 ERA erfasste Fahrten.

31

d) Darüber hinaus enthalten weder die übrigen Bestimmungen des ERA noch die Tarifnormen des MTV eine gesonderte Vergütungsregelung. Daher richtet sich die Vergütungspflicht für die streitgegenständlichen Fahrten nach der allgemeinen Entgeltregelung des MTV. Danach ist tarifliche Arbeitszeit mit dem Tariflohn zu vergüten. Dies folgt aus § 11 Nr. 1 Satz 1 MTV, wonach alle Arbeitnehmer ein verstetigtes Monatsentgelt erhalten, das sich durch Multiplikation des vereinbarten Stundenentgelts mit der individuellen monatlichen Arbeitszeit ergibt.

32

e) Da die streitgegenständlichen Fahrzeiten zur tariflichen Arbeitszeit rechnen und mit dem Tarifentgelt zu vergüten sind, konnten die Parteien wegen § 4 Abs. 3 TVG keine vom Tarif abweichende Vergütungsvereinbarung treffen. Es kommt deshalb für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht darauf an, ob die Parteien stillschweigend für die streitgegenständlichen Fahrten eine Vergütung iHv. 7,75 Euro brutto/Stunde vereinbarten. Die Tariföffnungsklausel in § 5 Nr. 4 Satz 3 ERA betrifft allein die Aufwandsentschädigung.

33

4. In der streitgegenständlichen Zeit hat der Kläger Arbeitsleistung durch Fahrten zu und von auswärtigen Arbeitsstellen mit einer Dauer von insgesamt 101,03 Stunden erbracht. Hieraus ergibt sich bei einem Stundenlohn iHv. 14,64 Euro brutto ein Vergütungsanspruch iHv. 1.479,08 Euro brutto. Auf diese Forderung hat die Beklagte Vergütung iHv. 782,98 Euro (101,03 Stunden x 7,75 Euro) brutto geleistet, sodass der Anspruch in dieser Höhe gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen ist. Damit verbleibt ein Zahlungsanspruch iHv. 696,10 Euro brutto.

34

5. Der Anspruch des Klägers ist nicht gemäß § 13 Nr. 1.2 MTV verfallen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger seine Forderungen rechtzeitig geltend gemacht hat. Gegen die diesbezüglichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat sich die Beklagte mit ihrer Revision nicht gewandt.

35

6. Der Anspruch auf Verzugszinsen ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

36

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Weber    

        

    Volk    

        

        

        

    A. Christen    

        

    Dirk Pollert    

                 

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 3. September 2013 - 7 Sa 484/12 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Dynamisierung der Beiträge zu einer zur Durchführung der Altersversorgung abgeschlossenen Direktversicherung.

2

Der im September 1954 geborene Kläger ist bei dem Beklagten tätig und seit dem 1. Oktober 1980 im Rettungsdienst beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis der Parteien liegt der schriftliche Arbeitsvertrag vom 1. Januar 1983 zugrunde. Dieser bestimmt auszugsweise:

        

㤠1

        

Herr H K

        

wird ab 01.10.1980 als Angestellter im Rettungsdienst beschäftigt.

        

…       

        

§ 2

        

Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Bestimmungen des Manteltarifvertrages vom 18.12.1982 für die Angestellten des Arbeiter-Samariter-Bundes Landesverband Bayern e.V. und den zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträgen in ihrer jeweils geltenden Fassung. Das gleiche gilt für die an ihre Stelle tretenden Tarifverträge. Daneben finden die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils in Kraft befindlichen sonstigen Tarifverträge Anwendung.

        

…       

        

§ 5

        

Der Beginn der Beschäftigungszeit wird auf den 01.10.1980 festgesetzt.“

3

Seit dem 1. Juli 1981 besteht für den Kläger bei der G Versicherung eine Kapitalversicherung mit einer Laufzeit bis zum 1. Juli 2017.

4

Am 23. April 1985 einigten sich die Gewerkschaft ÖTV auf der einen und der Arbeiter-Samariter-Bund - Landesverband Bayern - auf der anderen Seite nach längeren Verhandlungen auf einen Tarifvertrag über eine betriebliche Altersversorgung für Angestellte/Arbeiter des ASB, Landesverband Bayern (im Folgenden: TV Altersversorgung). Dieser bestimmt auszugsweise:

        

㤠1

        

Geltungsbereich

        

1.    

Dieser Tarifvertrag gilt räumlich für alle Dienststellen des Arbeiter-Samariter-Bundes, Landesverband Bayern.

                 

Dieser Tarifvertrag gilt persönlich für alle Arbeitnehmer, die in einem versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis zum Arbeiter-Samariter-Bund, Landesverband Bayern e.V. stehen und Mitglied der vertragsschließenden Gewerkschaft sind.

                 
        

§ 2

        

Umfang der betrieblichen Altersversorgung

        

Arbeitnehmer, die die Voraussetzung für die BAV (betriebliche Altersversorgung) nach § 4 dieses Tarifvertrages erfüllen, sind durch den Arbeitgeber in Form einer Direktversicherung gemäß § 1 Abs. 2 AVG, § 4 b EStG und § 40 b EStG zu versichern. Der Versicherungsschutz beinhaltet eine Kapitalversicherung auf den Todes- und Erlebensfall sowie eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung.

                 
        

§ 3

        

Aufbringung der Mittel

        

Die betriebliche Altersversorgung wird durch Beiträge des Arbeitgebers finanziert.

                 
        

§ 4

        

Persönliche Voraussetzung und Beginn der Versicherung

        

1.    

Der in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum Arbeiter-Samariter-Bund, Landesverband Bayern, stehende Arbeitnehmer ist im Rahmen der BAV zu versichern, wenn er

                 

a)    

zum Fälligkeitstag des Abschlusses von Direktversicherungen das 25. Lebensjahr vollendet hat.

                          

(Als Fälligkeitstage werden der 1. Juni und 1. Dezember eines jeden Jahres festgelegt,)

                          

und     

                 

b)    

zum jeweiligen Fälligkeitstag drei Jahre beim Arbeiter-Samariter-Bund, Landesverband Bayern, beschäftigt war. Dabei zählen bei der Erfüllung dieser Wartezeit Wehrdienst-, Wehrersatzdienstzeiten, Zeiten des Mutterschutzes gemäß den gesetzlichen Bestimmungen als Dienstzeit (§ 6 ArbplSchG, §§ 3 u. 6 MSchG) sowie Zeiten nach dem Gesetz über den Mutterschaftsurlaub mit, und

                 

…       

        
        

§ 5

        

Ende der Beitragszahlungspflicht des Arbeitgebers

        

1.    

Die Pflicht des Arbeitgebers zur Beitragszahlung endet mit dem Eintritt des Versicherungsfalles.

                 

Der Versicherungsfall tritt ein bei

                 

a)    

Erreichen der vertraglich vereinbarten Altersgrenze (Fälligkeitstag, der der Vollendung des 60. Lebensjahres folgt).

                          

Bei Versicherungen, die am 1. Juni eines jeden Jahres begonnen haben, ist dieses der 1. Juni des Jahres, in dem die Versicherung abläuft; bei Versicherungen, die am 1. Dezember eines Jahres begonnen haben, ist dies der 1. Dezember des Ablaufjahres.

        

…       

                 
        

§ 9

        

Höhe der dynamischen Versorgungsleistung

        

1.    

Der ASB-Landesverband Bayern schließt für jeden Arbeitnehmer, der die im § 4 genannten Voraussetzungen erfüllt, eine Kapitallebensversicherung auf das 60. Lebensjahr in Höhe des gewichteten Rentenbarwertes einer 0,25%-igen Altersrente incl. einer 60%-igen Witwen- bzw. Witwerrente pro tatsächlichem und noch möglichem Dienstjahr sowie eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ab.

        

2.    

Als anrechnungsfähige Dienstzeit (Beschäftigungszeit) gilt die Zeit ab Abschluß des Arbeitsverhältnisses bis zum 60. Lebensjahr.

        

3.    

Die Bezugsgröße für die Berechnung nach Absatz 1 ist das zum Stichtag des Abschlusses von Direktversicherungen errechenbare jährliche Bruttogehalt gemäß § 20 Abs. 1 Manteltarifvertrag, in der Fassung des jeweils gültigen Vergütungstarifvertrages zuzüglich tariflichem Weihnachts- und Urlaubsgeld des Arbeitnehmers im jeweiligen Kalenderjahr.

        

4.    

Die Berufungsunfähigkeitsrente pro Jahr beträgt 12 % der nach Ziffer 3 errechneten Kapitalversicherungssumme.

        

5.    

Die aus der Kapitallebensversicherung resultierenden Gewinnanteile werden ausschließlich zur Verbesserung der Versicherungsleistung verwendet.

                 

Die aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung resultierenden Gewinnanteile werden ausschließlich zur Erhöhung laufender Berufsunfähigkeitsrenten verwendet. Wenn die Berufsunfähigkeitsrente bis zum Fälligkeitstag der Kapitallebensversicherung nicht in Anspruch genommen wird, werden die aufgelaufenen Gewinnanteile der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zusammen mit der Ablaufleistung der Kapitallebensversicherung ausgezahlt.

                 

Damit ist die Anpassungspflicht der laufenden Leistungen gemäß § 16 BetrAVG abgegolten.

                 
        

§ 10

        

Ansprüche des Versicherten

        

Die Ansprüche des Versicherten richten sich nach dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG), diesem Tarifvertrag, nach dem Versicherungsvertrag sowie nach den AVB des Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherers. Die Versicherungspolice (Versicherungsvertrag) und die allgemeinen Versicherungsbedingungen des Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherers zum Zeitpunkt des Abschlusses der Versicherung werden dem Arbeitnehmer unverzüglich nach Abschluß ausgehändigt.

        

…       

        

§ 14

        

Inkrafttreten/Außerkrafttreten

        

1.    

Der Tarifvertrag tritt mit Wirkung vom 1. Juni 1985 in Kraft.“

5

In Durchführung des Tarifvertrags wurde vom Arbeiter-Samariter-Bund Landesverband Bayern e. V. am 12. Juni 1985 mit der V Lebensversicherung AG ein Gruppenversicherungsvertrag abgeschlossen. Darin ist der Vertragsbeginn auf den 1. Juni 1985 festgelegt. Als Vertragsstichtag wurden der 1. Juni und 1. Dezember (eines jeden Jahres) genannt. Der Gruppenversicherungsvertrag (im Folgenden: GVV) bestimmt auszugsweise:

        

„I    

Besondere Vereinbarungen

        

§ 1

Personenkreis

        

1.    

Zu Vertragsbeginn werden Teilversicherungen abgeschlossen auf das Leben derjenigen Personen, die folgende Voraussetzungen erfüllen:

                 

a)    

sie stehen in einem versicherungspflichtigen unbefristeten Arbeitsverhältnis zum Versicherungsnehmer

                 

b)    

sie haben bei Versicherungsbeginn das 25. Lebensjahr vollendet

                 

c)    

sie stehen seit mindestens 3 Jahren in den Diensten des Versicherungsnehmers

                 

d)    

sie haben eine arbeitsvertragliche durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit von mindestens 50 % der regelmäßigen arbeitstariflichen Arbeitszeit

        

2.    

Nach Vertragsbeginn werden jeweils zum nächstfolgenden Vertragsstichtag Teilversicherungen abgeschlossen auf das Leben derjenigen Personen, die zum Personenkreis gemäß Ziffer 1 hinzugekommen sind.

                          
        

§ 2

Versicherungsform

        

1.    

Die einzelnen Teilversicherungen sind

                 

Todes- und Erlebensfallversicherung nach dem Gruppenversicherungstarif D 11 B der V.

                 

Die Versicherungssumme wird unverzüglich nach dem Tod der versicherten Person, spätestens aber zum Ablauf der Versicherung gezahlt.

                 

Die Teilversicherung läuft an dem Vertragsstichtag des Kalenderjahres ab, in dem die versicherte Person das 60. Lebensjahr vollendet.

                 

Der Vertragsstichtag ist der Stichtag, zu dem die Teilversicherung abgeschlossen worden ist.

        

2.    

Eingeschlossen ist die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung gemäß Anlage 1 zur Sicherstellung der Beitragsfreiheit im Falle von Berufsunfähigkeit und der Berufsunfähigkeitsrente.

                          
        

§ 3

Höhe der versicherten Leistungen

        

1.    

Die Höhe der versicherten Leistungen wird in Abhängigkeit von den anrechenbaren Bezügen und der anrechenbaren Dienstzeit festgesetzt.

                 

-       

Anrechenbare Bezüge sind das jährliche Bruttogehalt gemäß § 20 Absatz 1 Manteltarifvertrag zuzüglich tariflichem Weihnachts- und Urlaubsgeld zu Versicherungsbeginn und danach zu jedem entsprechenden Vertragsstichtag.

                 

-       

Anrechenbare Dienstzeit ist die Zeit vom Diensteintritt bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres.

        

2.    

Die sich hiernach ergebende Altersrente ist maßgeblich für die Höhe der versicherten Leistungen. Sie beträgt

                 

0,25 % der anrechenbaren Bezüge.

                 

Der so ermittelte Betrag wird mit der anrechenbaren Dienstzeit multipliziert.

        

3.    

Die Versicherungssumme ist gleich dem Barwert der Altersrente mit Anwartschaft auf 60 % Witwen-/Witwerrente abzüglich der Versicherungssumme aus bereits vor Vertragsbeginn abgeschlossenen Direktversicherungen.

                 

Der Barwert der Altersrente ist der nach den Richttafeln von Dr. Klaus Heubeck mit einem Zinsfuß von 6 % p.a. zum Alter 60 ermittelte versicherungstechnische Wert der Altersrente mit Anwartschaft auf 60 % Witwen-/Witwerrente.

        

4.    

Die versicherte jährliche Berufsunfähigkeitsrente beträgt 12 % der Versicherungssumme.

                          
        

§ 4

Art und Fälligkeit der Beiträge

                 

Alle Beiträge sind gleichbleibende Jahresbeiträge.

                 

Die Beiträge sind zu Beginn eines jeden Versicherungsjahres zu zahlen, d.h. für Teilversicherungen, die an einem 1.6. abgeschlossen worden sind, zu jedem 1.6. und für Teilversicherungen, die an einem 1.12. abgeschlossen worden sind, zu jedem 1.12.

                 

Die Beitragszahlung endet zum Ablauf der Versicherung. Sie endet vorher, wenn die versicherte Person stirbt oder während des Bestehens der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung berufsunfähig wird.“

6

Für den Kläger wurde im Jahr 1985 zur Erfüllung der Verpflichtung aus dem TV Altersversorgung bei der V Lebensversicherung AG unter der Versicherungsnummer G eine Lebensversicherung abgeschlossen.

7

Unter dem 14. Juni 1991 schlossen die Tarifvertragsparteien einen Änderungstarifvertrag über eine betriebliche Altersversorgung für Angestellte/Arbeiter des Arbeiter-Samariter-Bundes, Landesverband Bayern vom 23. April 1985. Dieser bestimmt in seinen §§ 1 und 2:

        

㤠1

        

In § 4 Nr. 1 a des genannten Tarifvertrages werden die Fälligkeitstage 1. Juni und 1. Dezember in 1. April und 1. Oktober eines jeden Jahres geändert.

        

§ 2

        

Diese Änderung tritt am 01.06.1991 in Kraft.“

8

Ein nicht datiertes Schreiben des vormaligen Geschäftsführers des Arbeiter-Samariter-Bundes Landesverband Bayern e. V., B, das nach dem Vorbringen des Beklagten den Mitarbeitern nicht bekannt gegeben wurde, lautet auszugsweise:

        

§ 7 Höhe der Versorgungsleistungen

        

Die Berechnung der Versicherungssumme können Sie selbst relativ einfach nachvollziehen, wenn Sie sich an das folgende Schema halten:

        

Die Höhe der Versicherungssumme wird im wesentlichen durch 2 Faktoren bestimmt:

        

a)    

die insgesamt maximal mögliche Dienstzeit (das ist die Zeit, vom Eintritt in die Dienste des ASB bis zum 60. Lebensjahr)

                 

und     

        

b)    

das Gehalt gem. § 20 Abs. 1 MTV zuzüglich Weihnachts- und Urlaubsgeld, das aufgrund der Dynamisierung nach § 9 Abs. 3 Tarifvertrag jährlich neu gemeldet und in die Berechnung einbezogen wird.“

9

Bis ins Jahr 1999 wurden die jährlich vom Arbeitgeber zu zahlenden Versicherungsbeiträge an das jeweils zum Stichtag bezogene aktuelle Gehalt angepasst. Ab dem Jahr 2000 wurde eine solche Dynamisierung des Versicherungsbeitrags nicht mehr vorgenommen. Der Versicherungsbeitrag, der für das jeweilige Versicherungsjahr aufgewendet wurde, lag danach unverändert bei 698,02 Euro jährlich.

10

Mit Schreiben vom 3. März 2011 forderte der Kläger den Beklagten auf, die zu seinen Gunsten an die V Lebensversicherung AG abzuführenden Versicherungsbeiträge auch nach dem Jahr 1999 ausgehend von seinem jeweils erzielten Jahresverdienst zu ermitteln und an die Versicherung abzuführen. Dies hat der Beklagte abgelehnt.

11

Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, der Beklagte sei aufgrund des TV Altersversorgung verpflichtet, auch nach dem Jahr 1999 eine Dynamisierung der Jahresbeiträge entsprechend des jeweiligen aktuellen Jahreseinkommens vorzunehmen. Diese Verpflichtung ergebe sich aus § 9 TV Altersversorgung, jedenfalls aus betrieblicher Übung und aus dem Schreiben des früheren Landesgeschäftsführers B. Sie folge zudem aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Arbeitskollegen, die hinsichtlich des Gehalts und des Geburtsjahrs und damit der Laufzeit des Versicherungsvertrags vergleichbar seien, erhielten höhere Versicherungsleistungen.

12

Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

        

1.    

den Beklagten zu verurteilen, an die V Lebensversicherung AG sein jährliches Bruttoentgelt zuzüglich Weihnachts- und Urlaubsgeld für die einzelnen Kalenderjahre im Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis 31. Dezember 2010 zu melden und den für diesen Zeitraum für das jeweilige Versicherungsjahr auf der Grundlage seines nachgemeldeten jeweiligen Bruttoentgelts von der V Lebensversicherung AG jeweils zu berechnenden Differenzbetrag aus neuem Versicherungsbeitrag und bereits aufgewendetem Versicherungsbeitrag für den für ihn unter der Versicherungsnummer G bestehenden Versicherungsvertrag zu zahlen,

        

2.    

festzustellen, dass der Beklagte über den 31. Dezember 2010 hinaus verpflichtet ist, den jährlich für ihn aufzuwendenden Versicherungsbeitrag für den bei der V Lebensversicherung AG unter der Versicherungsnummer G bestehenden Versicherungsvertrag anzupassen, indem er das jährliche Bruttoentgelt zuzüglich Weihnachts- und Urlaubsgeld an die V Lebensversicherung AG meldet und den für das jeweilige Versicherungsjahr auf der Grundlage des jeweiligen Bruttojahresentgelts von der V Lebensversicherung AG jeweils zu berechnenden Versicherungsbeitrag zahlt,

        

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 1. und 2.,

        

3.    

festzustellen, dass § 9 Nr. 1 iVm. Nr. 3 des Tarifvertrags über eine betriebliche Altersversorgung für Angestellte/Arbeiter des Arbeiter-Samariter-Bundes, Landesverband Bayern, vom 23. April 1985, eine Dynamisierung der Versorgungsleistungen dahingehend enthält, dass der Berechnung der Versicherungsleistungen aus dem Versicherungsvertrag bei der V Lebensversicherung AG als ein Unternehmen der E Versicherungsgruppe, mit der Vertragsnummer G, das im Zeitpunkt des Todes- oder Erlebensfalles oder des Eintritts einer Berufsunfähigkeit, sein jeweils aktuelles jährliches Bruttogehalt gemäß § 20 Abs. 1 MTV idF des jeweils gültigen Vergütungstarifvertrages zuzüglich Weihnachts- und Urlaubsgeld für das jeweilige Kalenderjahr zugrunde zu legen ist,

        

4.    

festzustellen, dass die gemäß des Versicherungsvertrages mit der Versicherungsnummer G bei der V Lebensversicherung AG, als ein Unternehmen der E Versicherungsgruppe, bestehende und im Erlebensfall mit Vollendung seines 60. Lebensjahres am 27. September 2014 auszuzahlende Versicherungssumme anhand seines im Kalenderjahr 2014 bezogenen Bruttojahresgehaltes gemäß § 20 Abs. 1 MTV in der Fassung des jeweils gültigen Tarifvertrages zuzüglich tariflichem Weihnachts- und Urlaubsgeld für das jeweilige Kalenderjahr zu berechnen ist.

13

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

14

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die vom Kläger geführte Berufung zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter. Der Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision ist hinsichtlich des Hauptantrags zu 1. und der Hilfsanträge zu 3. und 4. unzulässig. Hinsichtlich des Hauptantrags zu 2. ist die Revision zulässig, aber unbegründet.

16

I. Soweit sich die Revision gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Hauptantrag zu 1. und die Hilfsanträge zu 3. und 4. richtet, ist sie mangels der erforderlichen Begründung unzulässig.

17

1. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Dabei muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll. Bei mehreren Streitgegenständen muss bei einer unbeschränkt eingelegten Revision für jeden eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem Streitgegenstand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig. Eine eigenständige Begründung ist lediglich dann nicht erforderlich, wenn die Entscheidung über den einen Streitgegenstand notwendig von der Entscheidung über den anderen abhängt, sodass mit der Begründung der Revision über den einen Streitgegenstand gleichzeitig auch dargelegt ist, inwiefern die Entscheidung über den anderen unrichtig ist (BAG 15. Oktober 2013 - 3 AZR 653/11 - Rn. 11; 16. November 2011 - 4 AZR 246/10 - Rn. 14 mwN).

18

2. Danach genügt die Revisionsbegründung hinsichtlich des abgewiesenen Hauptantrags zu 1. und der Hilfsanträge zu 3. und 4. nicht den gesetzlichen Anforderungen und die Revision ist insoweit unzulässig.

19

a) Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers hinsichtlich des Hauptantrags zu 1. mit der Begründung zurückgewiesen, der Antrag sei unzulässig, da er nicht bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sei. Der Kläger begehre mit dem Antrag eine Geldleistung, die zu beziffern sei, woran es vorliegend fehle. Der Hauptantrag zu 2. sei unbegründet, dem Kläger stünde der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Die Hilfsanträge zu 3. und 4. seien unzulässig, denn ihnen fehle das erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO. Wie die Versicherungsleistung bei Eintritt des Versicherungsfalls zu berechnen sei, ergebe sich aus dem Versicherungsvertrag zwischen dem Beklagten und der Versicherung. Da Letztere am Rechtsstreit nicht beteiligt sei, könne ein Urteil im vorliegenden Rechtsstreit für die Versicherung nicht bindend sein und deshalb zur Klärung des Rechtsverhältnisses zwischen dem Kläger und dem Beklagten nicht beitragen.

20

b) Der Kläger hat gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts unbeschränkt Revision eingelegt, die Revision allerdings nur im Hinblick auf die Abweisung des Hauptantrags zu 2. begründet. Soweit mit der Revision die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Hauptantrag zu 1. und die Hilfsanträge zu 3. und 4. angegriffen wird, fehlt es an der erforderlichen Auseinandersetzung mit den insoweit vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründungen. Mit der Argumentation des Landesarbeitsgerichts, der Hauptantrag zu 1. sei nicht bestimmt und den Hilfsanträgen zu 3. und 4. fehle das erforderliche Feststellungsinteresse, befasst sich die Revisionsbegründung vom 23. Dezember 2013 an keiner Stelle. Folglich fehlt jede Auseinandersetzung mit den tragenden Begründungen des Landesarbeitsgerichts zur Unzulässigkeit des Hauptantrags zu 1. und der Hilfsanträge zu 3. und 4.

21

II. Die Revision ist - soweit sie zulässig ist - unbegründet. Die Klage ist mit dem Hauptantrag zu 2. zulässig, aber unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass der Kläger keinen Anspruch auf jährliche Anpassung der Beitragsleistung für die Versicherung G bei der V Lebensversicherung AG hat. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus dem TV Altersversorgung noch aus dem undatierten Schreiben des früheren Landesgeschäftsführers oder betrieblicher Übung. Ebenso wenig folgt er aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

22

1. Die Klage ist mit dem Hauptantrag zu 2. zulässig.

23

a) Mit dem Antrag will der Kläger festgestellt wissen, dass der Beklagte über den 31. Dezember 2010 hinaus verpflichtet ist, bis zum Eintritt des Versorgungsfalls entsprechend seinem jährlichen Bruttoeinkommen einschließlich des tariflichen Weihnachts- und Urlaubsgelds Versicherungsbeiträge zugunsten der für ihn bei der V Lebensversicherung AG abgeschlossenen Kapitallebensversicherung G zu entrichten und damit erreichen, dass der gewählte Durchführungsweg Direktversicherung eingehalten wird. Der Kläger hat zwar die Beschränkung auf den Eintritt des Versorgungsfalls nicht in den Antrag aufgenommen. Diese ergibt sich jedoch aus seiner Klagebegründung.

24

b) Es kann dahinstehen, ob der Kläger an dieser Feststellung das erforderliche Feststellungsinteresse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO hat, denn das ist nur für ein stattgebendes Urteil echte Prozessvoraussetzung(BAG 12. Februar 2003 - 10 AZR 299/02 - zu II 1 der Gründe mwN, BAGE 104, 324). Die Klage ist jedoch - dazu unter Rn. 25 ff. - unbegründet. Es ist deshalb vorliegend unerheblich, ob der Versorgungsfall bereits zum 1. Dezember 2014 eingetreten ist oder erst am 1. Juni 2015 eintreten wird und welche Auswirkungen das auf das Feststellungsinteresse hat.

25

2. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Dynamisierung der Versicherungsbeiträge zu seiner Direktversicherung.

26

a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Dynamisierung der Versicherungsbeiträge für die Versicherung G bei der V Lebensversicherung AG nach § 9 TV Altersversorgung, der aufgrund von § 2 des Arbeitsvertrags Anwendung findet. Dies ergibt die Auslegung des Tarifvertrags.

27

aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., vgl. etwa BAG 18. Februar 2014 - 3 AZR 808/11 - Rn. 29; 26. März 2013 - 3 AZR 68/11 - Rn. 25 mwN).

28

bb) Danach ergibt sich aus § 9 TV Altersversorgung kein Anspruch auf jährliche Dynamisierung des Versicherungsbeitrags.

29

(1) Der Wortlaut von § 9 Abs. 3 TV Altersversorgung ist - entgegen der Auffassung des Klägers - eindeutig. Danach ist die Bezugsgröße für die Berechnung der Leistungen nach § 9 Abs. 1 TV Altersversorgung - und abhängig davon auch der nach § 3 TV Altersversorgung vom Arbeitgeber abzuführenden Beiträge - das zum Stichtag des Abschlusses von Direktversicherungen errechenbare jährliche Bruttogehalt gemäß § 20 Abs. 1 Manteltarifvertrag, in der Fassung des jeweils gültigen Vergütungstarifvertrags, zuzüglich tariflichem Weihnachts- und Urlaubsgeld des Arbeitnehmers im jeweiligen Kalenderjahr. Damit stellt § 9 Abs. 3 TV Altersversorgung auf das Jahreseinkommen in dem Jahr ab, in dem die jeweilige Kapitallebensversicherung für den einzelnen Arbeitnehmer nach § 9 Abs. 1 TV Altersversorgung abgeschlossen wird, dh. den nach § 4 Abs. 1 TV Altersversorgung festgelegten „Fälligkeitstag“ für den Abschluss der Versicherung.

30

Mit § 4 Abs. 1 TV Altersversorgung wird entgegen der Auffassung des Klägers ein einmaliger Zeitpunkt für den Abschluss der Versicherung für den berechtigten Arbeitnehmer festgelegt. Aus der Regelung ergibt sich nicht, dass das Jahresgehalt jährlich neu der Versicherung zu melden und der Beitrag entsprechend anzupassen ist. § 4 Abs. 1 TV Altersversorgung bestimmt die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen ein Arbeitnehmer Anspruch auf Abschluss einer Direktversicherung zu seinen Gunsten hat. Dazu muss er in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten stehen, zum Fälligkeitstag des Abschlusses von Direktversicherungen das 25. Lebensjahr vollendet haben, zum jeweiligen Fälligkeitsdatum (1. Juni oder 1. Dezember) eine Betriebszugehörigkeit von drei Jahren aufweisen und arbeitsvertraglich eine Arbeitszeit von mindestens der Hälfte der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit vereinbart haben und nicht aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert sein, seinen dienstlichen Obliegenheiten nachzukommen. Aus diesen Regelungen lässt sich nicht ableiten, dass das Jahreseinkommen jährlich neu der Berechnung der Versicherungsleistung und damit auch der Versicherungsbeiträge zugrunde gelegt werden soll. Vielmehr legt die Bestimmung fest, wann die Versicherung abzuschließen ist, nachdem die tariflichen Voraussetzungen vorliegen. Der Begriff des Fälligkeitstags hat nicht die Bedeutung, dass damit der Tag gemeint ist, an dem jährlich die Beiträge an die Versicherung abgeführt werden, sondern bezeichnet ausschließlich den Tag, zu dem die Voraussetzungen für den Abschluss einer Direktversicherung für den einzelnen Arbeitnehmer zu prüfen sind und an dem ggf. die Versicherung abgeschlossen werden muss.

31

Das wird auch nicht durch den Wortlaut des letzten Satzteils von § 9 Abs. 3 TV Altersversorgung „in der Fassung des jeweils gültigen Vergütungstarifvertrags zuzüglich tariflichem Weihnachts- und Urlaubsgeld des Arbeitnehmers im jeweiligen Kalenderjahr“ infrage gestellt. Damit stellen die Tarifvertragsparteien lediglich klar, dass es für die Berechnung der Versicherungsleistung nach § 9 Abs. 1 TV Altersversorgung auf das Jahreseinkommen des Arbeitnehmers in dem Jahr des Abschlusses der Versicherung ankommen soll. Maßgeblich ist dabei der im Jahr des Vertragsschlusses gültige Vergütungstarifvertrag. Eine Abweichung von dem im ersten Satzteil bestimmten Stichtag des Abschlusses der einzelnen Direktversicherung ist damit nicht gewollt. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, die Annahme, dass im ersten Satzteil von § 9 Abs. 3 TV Altersversorgung ein „jeweilig“ eingefügt sein müsste, sei unzutreffend. Der Abschluss der einzelnen Direktversicherung erfolgt nach § 4 Abs. 1 TV Altersversorgung einmalig. Es kann also nur auf den Abschluss des einzelnen (Teil-)Versicherungsvertrags abgestellt werden. Die Formulierung im zweiten Satzteil dient dazu sicherzustellen, dass die Berechnung der Versicherungsleistung nach § 9 Abs. 1 TV Altersversorgung für jeden vom Tarifvertrag erfassten Arbeitnehmer unter Zugrundelegung seines individuellen Jahresgehalts einschließlich des tariflichen Weihnachts- und Urlaubsgelds in der Höhe erfolgt, wie es im Jahr des Abschlusses der Versicherung für den Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zu zahlen ist.

32

Soweit der Kläger der Auffassung ist, der letzte Satzteil von § 9 Abs. 3 TV Altersversorgung „im jeweiligen Kalenderjahr“ führe dazu, dass die Bestimmung nicht eindeutig sei, ist dies unzutreffend. Diese Formulierung ist dem Umstand geschuldet, dass der Tarifvertrag für zahlreiche Arbeitsverhältnisse gilt und der Zeitpunkt des Abschlusses der Direktversicherungen davon abhängt, wann die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 TV Altersversorgung jeweils eingetreten sind. Mit der Bezugnahme auf das jeweilige Kalenderjahr, in dem diese Voraussetzungen erfüllt sind, wird auch klargestellt, dass maßgeblich das Einkommen in diesem Kalenderjahr sein soll und nicht etwa in dem Jahr (letzten zwölf Monate) vor dem jeweiligen individuellen Stichtag.

33

(2) Auch aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergibt sich nichts anderes. Die Überschrift von § 9 TV Altersversorgung („Höhe der dynamischen Versorgungsleistung“) erfordert kein anderes Auslegungsergebnis. Aus der Überschrift kann nicht geschlossen werden, dass damit eine Dynamik der Beitragshöhe zur Direktversicherung vorgegeben sein soll. Die Versicherungsleistung ist zum einen schon deshalb dynamisch, weil sich nach § 9 Abs. 1 TV Altersversorgung die Höhe der Kapitalleistung bei Vollendung des 60. Lebensjahrs nach dem gewichteten Rentenbarwert einer 0,25%igen Altersrente incl. einer 60%igen Witwen- bzw. Witwerrente pro tatsächlichem und noch möglichem Dienstjahr bestimmt. Die Versicherungssumme ist damit dynamisch von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängig. Zum anderen ergibt sich eine Dynamik daraus, dass die Gewinnanteile nach § 9 Abs. 5 TV Altersversorgung ausschließlich zur Verbesserung der Versicherungsleistung verwendet werden.

34

(3) Auch die von § 10 TV Altersversorgung in Bezug genommenen Regelungen des Gruppenversicherungsvertrags sprechen gegen eine Dynamisierung der Versicherungsbeiträge in dem vom Kläger verstandenen Sinne.

35

Nach I § 1 Nr. 2 GVV werden nach Vertragsbeginn - das ist der 1. Juni 1985 - jeweils zum nächsten Vertragsstichtag Teilversicherungen abgeschlossen auf das Leben derjenigen Personen, die zum Personenkreis gemäß Ziffer 1 gehören, also die zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 TV Altersversorgung erfüllen. Nach I § 2 Nr. 1 Unterabs. 5 GVV ist Vertragsstichtag der Stichtag, zu dem die Teilversicherung abgeschlossen worden ist. Nach I § 3 Nr. 1 GVV sind anrechenbare Bezüge das jährliche Bruttogehalt gemäß § 20 Abs. 1 Manteltarifvertrag zuzüglich tariflichem Weihnachts- und Urlaubsgeld zu Versicherungsbeginn und danach zu „jedem entsprechenden Vertragsstichtag“. Es kommt zunächst auf das danach zu berechnende Einkommen zu Beginn des Gruppenversicherungsvertrags und später auf das Einkommen des Arbeitnehmers an, für den am Vertragsstichtag nach I § 2 Nr. 1 GVV ein Teilversicherungsvertrag abzuschließen ist. Schließlich bestimmt I § 4 GVV, dass alle Beiträge gleichbleibende Jahresbeiträge sind, sich der Jahresbeitrag nach der erstmaligen Festsetzung für jeden Arbeitnehmer folglich nicht mehr ändert.

36

Diese Regelungen zeigen damit ebenfalls, dass keine jährliche Neuberechnung der Versicherungsbeiträge für die jeweilige Teilversicherung erfolgen soll, sondern die maßgeblichen Beträge für jede Teilversicherung einmalig festgelegt werden zu dem Stichtag, zu dem die jeweilige Teilversicherung abgeschlossen wird. Das zu diesem Zeitpunkt aktuelle Jahresgehalt entsprechend § 20 Abs. 1 Manteltarifvertrag (einschließlich Weihnachts- und Urlaubsgeld) des jeweiligen Arbeitnehmers wird für die Berechnung der danach feststehenden weiteren Jahresbeiträge zugrunde gelegt.

37

(4) Ein anderes Verständnis der tariflichen Regelungen ist auch nicht deshalb geboten, weil nach Auffassung des Klägers bei Lebensversicherungen eine Dynamisierung üblich ist. Zwar ist es zutreffend, dass aufgrund des inflationsbedingten Kaufkraftverlusts die Versicherungssumme einer Lebensversicherung bei Eintritt des Versicherungsfalls einen anderen realen Wert aufweist, als dies bei Abschluss der Versicherung der Fall war. Ebenso zutreffend ist es, dass aus diesem Grund in vielen Lebensversicherungen dynamische Beitragsregelungen vorgesehen werden, um bei Eintritt des Versicherungsfalls einen höheren Leistungsanspruch zu haben. Dies führt aber nicht dazu, dass die Regelung in § 9 Abs. 3 TV Altersversorgung im Sinne des Klägers dynamisch zu verstehen ist. Die Versicherungsleistung erhöht sich auch dann, wenn - wie vorliegend - die Gewinnanteile ausschließlich zur Verbesserung der Versicherungsleistung und nicht zur Beitragssenkung verwendet werden. Dies führt zu einer Steigerung der Versicherungsleistung bei Eintritt des Versicherungsfalls. Zudem gibt die Regelung in der hier gefundenen Auslegung durchaus Sinn, weil sie dem Arbeitgeber eine sichere Kalkulationsgrundlage vermittelt.

38

(5) Die Entstehungsgeschichte des TV Altersversorgung ist für seine Auslegung ebenso ohne Bedeutung wie die tatsächliche Handhabung der tariflichen Regelung bis ins Jahr 1999, weil die Auslegung des TV Altersversorgung nach Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck bereits zu einem eindeutigen Ergebnis führt (vgl. BAG 24. Februar 2010 - 10 AZR 1035/08 - Rn. 29 mwN). Damit ist auch die vom Kläger in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge unerheblich; sie richtet sich allein gegen unterbliebene Tatsachenfeststellungen zur Entstehung des TV Altersversorgung.

39

b) Auf das Schreiben des vormaligen Geschäftsführers B kann der Kläger seinen Anspruch nicht mit Erfolg stützen. Es kann dahinstehen, ob das Schreiben überhaupt den Arbeitnehmern bekannt gegeben wurde oder ob es lediglich ein Entwurf war. Jedenfalls hat das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise erkannt, dass der frühere Landesgeschäftsführer mit dem Schreiben lediglich den TV Altersversorgung erläutern wollte.

40

c) Der Kläger hat keinen Anspruch auf jährliche Dynamisierung der Versicherungsbeiträge für die Versicherung G bei der V Lebensversicherung AG aus betrieblicher Übung (zu den Voraussetzungen einer betrieblichen Übung vgl. ausführlich BAG 12. August 2014 - 3 AZR 194/12 - Rn. 46 ff.; 23. August 2011 - 3 AZR 650/09 - Rn. 46 ff., BAGE 139, 69) wegen der praktischen Handhabung der Beitragszahlung. Der Kläger konnte zu keinem Zeitpunkt davon ausgehen, der Arbeitgeber wolle dadurch im Hinblick auf die Beiträge zur Direktversicherung übertarifliche Leistungen erbringen. Der Anspruch scheitert deshalb bereits daran, dass der Arbeitgeber erkennbar ausschließlich seine Verpflichtung aus dem TV Altersversorgung erfüllen wollte.

41

d) Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (zu den Voraussetzungen vgl. ausführlich BAG 12. August 2014 - 3 AZR 764/12 - Rn. 22 ff. mwN). Es ist schon zweifelhaft, ob der Kläger eine Ungleichbehandlung überhaupt schlüssig dargelegt hat. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass er nicht einmal behauptet hat, dass die höhere Versicherungsleistung des von ihm zu Vergleichszwecken herangezogenen Kollegen überhaupt darauf beruht, dass dessen Versicherungsbeiträge über das Jahr 2000 hinaus nach dessen jeweiligem Jahreseinkommen abgeführt wurden. Jedenfalls hat der Kläger auch keine Gruppenbildung durch den Beklagten dargelegt, was Voraussetzung für Ansprüche aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ist.

42

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Zwanziger  

        

  Schlewing    

        

   Spinner    

        

        

        

  Blömeke     

        

  G. Kanzleiter    

                 

(1) Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt (betriebliche Altersversorgung), gelten die Vorschriften dieses Gesetzes. Die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung kann unmittelbar über den Arbeitgeber oder über einen der in § 1b Abs. 2 bis 4 genannten Versorgungsträger erfolgen. Der Arbeitgeber steht für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann ein, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt.

(2) Betriebliche Altersversorgung liegt auch vor, wenn

1.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, bestimmte Beiträge in eine Anwartschaft auf Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung umzuwandeln (beitragsorientierte Leistungszusage),
2.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung zu zahlen und für Leistungen zur Altersversorgung das planmäßig zuzurechnende Versorgungskapital auf der Grundlage der gezahlten Beiträge (Beiträge und die daraus erzielten Erträge), mindestens die Summe der zugesagten Beiträge, soweit sie nicht rechnungsmäßig für einen biometrischen Risikoausgleich verbraucht wurden, hierfür zur Verfügung zu stellen (Beitragszusage mit Mindestleistung),
2a.
der Arbeitgeber durch Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung verpflichtet wird, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung nach § 22 zu zahlen; die Pflichten des Arbeitgebers nach Absatz 1 Satz 3, § 1a Absatz 4 Satz 2, den §§ 1b bis 6 und 16 sowie die Insolvenzsicherungspflicht nach dem Vierten Abschnitt bestehen nicht (reine Beitragszusage),
3.
künftige Entgeltansprüche in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistungen umgewandelt werden (Entgeltumwandlung) oder
4.
der Arbeitnehmer Beiträge aus seinem Arbeitsentgelt zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung leistet und die Zusage des Arbeitgebers auch die Leistungen aus diesen Beiträgen umfasst; die Regelungen für Entgeltumwandlung sind hierbei entsprechend anzuwenden, soweit die zugesagten Leistungen aus diesen Beiträgen im Wege der Kapitaldeckung finanziert werden.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

(1) Arbeitszeit im Sinne dieses Gesetzes ist die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen; Arbeitszeiten bei mehreren Arbeitgebern sind zusammenzurechnen. Im Bergbau unter Tage zählen die Ruhepausen zur Arbeitszeit.

(2) Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten.

(3) Nachtzeit im Sinne dieses Gesetzes ist die Zeit von 23 bis 6 Uhr, in Bäckereien und Konditoreien die Zeit von 22 bis 5 Uhr.

(4) Nachtarbeit im Sinne dieses Gesetzes ist jede Arbeit, die mehr als zwei Stunden der Nachtzeit umfaßt.

(5) Nachtarbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeitnehmer, die

1.
auf Grund ihrer Arbeitszeitgestaltung normalerweise Nachtarbeit in Wechselschicht zu leisten haben oder
2.
Nachtarbeit an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr leisten.

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 8. August 2013 - 18 TaBV 3/13 - aufgehoben.

Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 21. März 2013 - 4 BV 213/12 - abgeändert.

Die Anträge werden abgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über Mitbestimmungsrechte bei der Arbeitszeit.

2

Die tarifgebundene Arbeitgeberin betreibt öffentlichen Personennahverkehr in Stuttgart und Umgebung mit Straßenbahnen und Bussen. Am Verfahren beteiligt ist der bei ihr errichtete Betriebsrat.

3

Die Dienste des im Personennahverkehr eingesetzten Fahrpersonals beginnen und enden fahrplanbedingt nicht nur auf den Betriebshöfen der Arbeitgeberin, sondern auch an Haltestellen im Streckennetz. Für die Wege zu den Übernahme-/Ablösestellen stellt die Arbeitgeberin eine Transportmöglichkeit mit einem Personalwagen zur Verfügung, dessen Benutzung dem Fahrpersonal freigestellt ist. Dieses nutzt überwiegend den direkten Weg zwischen der Wohnung und der Übernahme-/Ablösestelle.

4

Bei der Dienstplangestaltung für die Jahre 2011/2012 kam es zwischen den Beteiligten zu Meinungsverschiedenheiten über die dienstplanmäßige Berücksichtigung der Wegezeiten des Fahrpersonals zu den außerhalb der Betriebshöfe im Streckennetz stehenden Fahrzeugen.

5

Der Betrieb der Arbeitgeberin wird ua. vom Bezirkstarifvertrag für die kommunalen Nahverkehrsbetriebe Baden-Württemberg (BzTV-N BW) vom 23. November 2005 erfasst. Die als „Besondere Bestimmungen für Arbeitnehmer im Fahrdienst“ bezeichnete Anlage 3 vom 13. November 2001 idF vom 3. November 2015 lautet:

        

§ 2   

        

(1)     

Die Dienstschicht umfasst die reine Arbeitszeit (einschließlich der in § 4 Abs. 1 Satz 1 genannten Zeiten), die Pausen und die Wendezeiten. …

        

§ 4     

        

(1)     

Für die Vorbereitungs- und Abschlussdienste sowie - bei Abrechnung und Einzahlung - für den Weg zwischen der Ablösungs- und Abrechnungsstelle wird die notwendige Zeit in die Arbeitszeit eingerechnet. Gleiches gilt für die sich aus dem Dienst- und Fahrplan ergebenden Wendezeiten. Betrieblich können abweichende Regelungen vereinbart werden.

        

…       

        
        

§ 7     

        

Arbeitsplatz ist das Fahrzeug oder der angewiesene Aufenthaltsplatz.“

6

Die Beteiligten haben in der Betriebsvereinbarung Nr. 1/2003 eine pauschale Einrechnung von insgesamt 10 Minuten pro Schicht für die Vorbereitungs- und Abschlussdienste sowie für den Weg zwischen Ablösungs- und Abrechnungsstelle vereinbart.

7

In der Betriebsvereinbarung Nr. 1/2011 zur „Neuregelung der Dienstkleiderordnung im Fahrdienst und im Verkehrsaufsichtsdienst - Dienstkleiderordnung (DKLO) - vom 14. Januar 2011 (BV 2011) ist bestimmt:

        

Präambel

        

Das Erscheinungsbild der SSB wird wesentlich durch Verhalten und Auftreten ihrer Mitarbeiter/innen geprägt. Die von der SSB gewollte Kundenorientierung und Außenwirkung verlangt daher von bestimmten Mitarbeitergruppen, dass sie als SSB-Mitarbeiter erkennbar sind und vorbildlich und einheitlich auftreten. Solche Mitarbeiter/innen werden daher verpflichtet, im Dienst die zur Verfügung gestellte Dienstkleidung zu tragen. …

        

§ 1 Personenkreis

        

Diese Dienstkleiderordnung gilt für die Ausstattung

        

a)    

aller Fahrer im Linienverkehr,

        

…       

        
        

§ 2 Beschaffung

        

(1)     

Die Dienstkleidung wird von der SSB AG beschafft und den Mitarbeitern unentgeltlich zur ausschließlichen dienstlichen Nutzung zur Verfügung gestellt.

                 

…       

        

§ 5 Tragepflicht

        

(1)     

Die Mitarbeiter sind verpflichtet, ihren Dienst in korrekter Dienstkleidung und dazu passenden, für die jeweilige Tätigkeit geeignetem Schuhwerk anzutreten und auszuüben. …“

8

Die Gestaltung der Dienstkleidung ist in einem „Katalog Dienstkleidung“ festgelegt. An der Mehrzahl der Übernahme-/Ablösestellen besteht keine Umkleidemöglichkeit für das Fahrpersonal.

9

Nach § 16 Nr. 1 der „Dienstanweisung für den Fahrdienst mit Bussen“ (DA Busse) hat das Fahrpersonal während der Fahrt die dort bestimmten Gegenstände mitzuführen. Zu diesen gehören ua. der Verbundfahrplan und der Wegweiser der Stadt Stuttgart, Formulare für Fundsachenmeldungen und Anträge auf Fahrgeldrückerstattung sowie das Wechselgeld und einen Wechsler. Die vorgenannten Gegenstände können in einem von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten Rucksack mit Firmenlogo oder in einer Tasche ohne Logo transportiert werden. Die Einnahmen sind ua. nach Dienstende oder vor der Aufnahme des nächsten Dienstes abzurechnen, wenn die Summe der Verkaufserlöse die Wertgrenze von 500,00 Euro erreicht hat.

10

Die Arbeitgeberin hat gemeint, bei den Wegezeiten von der und zur Übernahme-/Ablösungsstelle handele es sich nicht um bei der Dienstplangestaltung zu berücksichtigende Arbeitszeit.

11

Die Arbeitgeberin hat beantragt

        

festzustellen, dass folgende Wegezeiten des Fahrpersonals keine Arbeitszeiten im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne sind und somit nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG unterliegen:

        

a)    

die Zeiten für den Weg vor Beginn der jeweiligen Schicht zum Fahrzeug, das außerhalb einer Betriebshöfe der Arbeitgeberin im Streckennetz steht,

        

b)    

die Zeiten für den Weg nach Ende einer Schicht, die nicht auf einem der Betriebshöfe der Arbeitgeberin endet, vom Fahrzeug zu einem Betriebshof der Arbeitgeberin oder anderswohin,

        

soweit es sich nicht um Zeiten für Wege zwischen der Ablösungs- und Abrechnungsstelle iSd. § 4 Abs. 1 Anlage 3 idF. vom 3. November 2011 des BzTV-N BW handelt.

12

Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge abzuweisen.

13

Das Arbeitsgericht hat den Anträgen entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt dieser seinen Abweisungsantrag weiter.

14

B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats gegen die stattgebende Entscheidung des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Die negativen Feststellungsanträge der Arbeitgeberin sind unbegründet.

15

I. Die Anträge sind in der gebotenen Auslegung zulässig.

16

1. Die Arbeitgeberin möchte die Feststellung erreichen, dass es sich - mit Ausnahme der Wege zwischen Ablösungs- und Abrechnungsstelle - bei den Zeiten für die Wege, die von den Arbeitnehmern zu Schichtbeginn zum Fahrzeug und nach Schichtende vom Fahrzeug zurückgelegt werden, nicht um solche handelt, die als betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bei der Dienstplangestaltung des Fahrpersonals zu berücksichtigen sind. Diese Feststellung will die Arbeitgeberin in Bezug auf den Antrag zu a) auch für solche Wege erreichen, die von den Arbeitnehmern nach Anlegen ihrer Dienstkleidung im Betriebshof zu den Fahrzeugen zurückgelegt werden. Dies folgt - anders als bei dem Antrag zu b) - nicht bereits aus seinem Wortlaut, sondern aus dem zur Begründung ihres Antrags gehaltenen Vorbringen. Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, die in den Dienstplänen zu verteilende Arbeitszeit beginne erst, wenn das Fahrpersonal in Dienstkleidung an der Übernahme-/Ablösestelle erscheint. Mit diesem Inhalt sind beide Anträge auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet.

17

2. Die Anträge sind hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

18

Dies gilt auch in Hinblick auf die vom Arbeitsgericht angeregte Einschränkung in Bezug auf „Wege zwischen der Ablösungs- und Abrechnungsstelle“. Das Vorliegen solcher Sachverhalte steht mit der notwendigen Eindeutigkeit fest. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Anlage 3 BzTV-N BW wird bei der Abrechnung und Einzahlung der Fahrgeldeinnahmen die notwendige Zeit für den Weg zwischen der Ablösungs- und Abrechnungsstelle in die Arbeitszeit eingerechnet. Abrechnungsstelle ist in örtlicher Hinsicht der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine Einnahmen abliefert und die Abrechnung vornimmt. Nach der Tarifbestimmung sind dies nur Wege, die er zwischen der Ablösungsstelle und einer Einrichtung der Arbeitgeberin (Betriebshof) zurücklegt und die zur Abrechnung und Einzahlung führen sollen. Die Abrechnungsstelle kann allerdings nicht beliebig aufgesucht werden, sondern nur aufgrund einer Anordnung der Arbeitgeberin (BAG 12. August 1993 - 6 AZR 553/92 - zu II 1 a und c der Gründe, BAGE 74, 85). Diese hat ihr Direktionsrecht in der Dienstanweisung 01/2011 onkretisiert.

19

3. Für die Klärung der aufgeworfenen Fragen nach dem Inhalt der betrieblichen Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG besteht ein Feststellungsinteresse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO.

20

a) Das besondere Feststellungsinteresse für die Anträge der Arbeitgeberin folgt aus den unterschiedlichen Auffassungen der Beteiligten über die nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu verteilende betriebliche Arbeitszeit und ihrer Berücksichtigung in den Dienstplänen. Dieser Streit wird durch die Anträge einer Klärung zugeführt.

21

b) Das Feststellungsinteresse für die Anträge ist nicht deshalb entfallen, weil die Betriebsparteien entsprechend der Vorgaben in § 4 Abs. 1 Satz 3 Anlage 3 BzTV-N BW eine Regelung über die Dauer der notwendigen Vorbereitungs- und Abschlussdienste getroffen haben. Zu diesen gehören die Wegezeiten nicht.

22

II. Die Anträge sind unbegründet. Sie erfassen Sachverhaltsgestaltungen, in denen die betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG Umkleide- und Wegezeiten sowie das Mitführen von Arbeitsmitteln umfasst.

23

1. Die Zeiten für das An- und Ablegen der Dienstkleidung in den Betriebsräumen des Arbeitgebers können ebenso zur verteilungsfähigen Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG gehören, wie die Zeiten, die der Arbeitnehmer braucht, um in Dienstkleidung von dem Ort seines Kleidungswechsels zu seinem Arbeitsplatz zu gelangen.

24

a) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Das Beteiligungsrecht nach dieser Bestimmung dient dazu, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage der Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien Zeit für die Gestaltung ihres Privatlebens zur Geltung zu bringen. Das Mitbestimmungsrecht betrifft die Lage der täglichen „Arbeitszeit“ iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Dies ist die Zeit, während derer der Arbeitnehmer die von ihm in einem bestimmten zeitlichen Umfang vertraglich geschuldete Arbeitsleistung tatsächlich zu erbringen hat. Es geht um die Festlegung des Zeitraums, während dessen der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die Erfüllung seiner vertraglichen Hauptleistungspflichten verlangen und dieser sie ihm ggf. mit der Folge des § 293 BGB anbieten kann. Arbeitszeit iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist deshalb die Zeit, in welcher der Arbeitnehmer verpflichtet bzw. berechtigt ist, seine vertraglich geschuldete Arbeit zu leisten (BAG 14. November 2006 - 1 ABR 5/06 - Rn. 27, BAGE 120, 162).

25

b) Nach der Senatsrechtsprechung gehören Umkleidezeiten zur vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung, wenn das Umkleiden einem fremden Bedürfnis dient und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis erfüllt. Das ist bei einer besonders auffälligen Dienstkleidung der Fall. An der Offenlegung seines Arbeitgebers gegenüber Dritten hat der Arbeitnehmer außerhalb seiner Arbeitszeit kein objektiv feststellbares eigenes Interesse (vgl. BAG 17. Januar 2012 - 1 ABR 45/10 - Rn. 32, BAGE 140, 223). Das Ankleiden mit vorgeschriebener Dienstkleidung ist nicht lediglich fremdnützig und damit nicht Arbeitszeit, wenn sie zu Hause angelegt und - ohne besonders auffällig zu sein - auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann (BAG 10. November 2009 - 1 ABR 54/08 - Rn. 15). An der ausschließlichen Fremdnützigkeit fehlt es auch, wenn es dem Arbeitnehmer gestattet ist, eine an sich besonders auffällige Dienstkleidung außerhalb der Arbeitszeit zu tragen, und er sich entscheidet, diese nicht im Betrieb an- und abzulegen. Dann dient das Umkleiden außerhalb des Betriebs nicht nur einem fremden Bedürfnis, weil der Arbeitnehmer keine eigenen Kleidungsstücke auf dem Arbeitsweg einsetzen muss oder sich aus anderen, selbstbestimmten Gründen gegen das An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb entscheidet (BAG 12. November 2013 - 1 ABR 59/12 - Rn. 33, BAGE 146, 271). Zur Arbeitszeit zählt auch das Zurücklegen des Wegs von der Umkleide- zur Arbeitsstelle. Bei diesen Zeiten handelt es sich um innerbetriebliche Wegezeiten, die der Arbeitnehmer aufgrund der Anordnung des Arbeitgebers über das Anlegen einer besonders auffälligen Dienstkleidung zurücklegen muss (BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 28, BAGE 143, 107).

26

2. Danach erweist sich zwar die vom Betriebsrat vertretene Ansicht als unzutreffend, wonach die Wege von der und zur Übernahme-/Ablösestelle bereits dann betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG darstellen, wenn das Fahrpersonal diese in Dienstkleidung zurücklegt. Jedoch handelt es sich um betriebliche Arbeitszeit, wenn Arbeitnehmer sich im Betriebshof umkleiden und anschließend den Weg zur Übernahme-/Ablösestelle in ihrer Dienstkleidung zurücklegen. Dies gilt gleichermaßen, wenn sie nach Schichtende zum Betriebshof zurückkehren, um dort ihre Dienstkleidung abzulegen.

27

a) Die im Fahrdienst beschäftigten Arbeitnehmer sind nach § 1 Buchst. a, § 5 Abs. 1 BV 2011 zum Tragen der unternehmenseinheitlichen Dienstkleidung verpflichtet. Dies steht zwischen den Beteiligten außer Streit.

28

b) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts handelt es bei den tragepflichtigen Kleidungsstücken des Fahrpersonals um eine besonders auffällige Dienstkleidung.

29

aa) Bei der Beurteilung, ob eine Dienstkleidung als besonders auffällig anzusehen ist, steht dem Beschwerdegericht ein Beurteilungsspielraum zu. Dessen Würdigung ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob das Gericht den Rechtsbegriff selbst verkannt, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungs- und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat (vgl. BAG 13. Mai 2014 - 1 ABR 50/12 - Rn. 19).

30

bb) Diesem eingeschränkten rechtsbeschwerderechtlichen Prüfungsmaßstab hält die angefochtene Entscheidung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat die besondere Auffälligkeit der vom Fahrpersonal zu tragenden Dienstkleidung verneint. Nach der hierzu gegebenen Begründung hat es darauf abgestellt, dass die Dienstkleidung weder in markanten Farben gehalten noch der Firmenname der Arbeitgeberin in größerer, auch aus einer gewissen Entfernung deutlich erkennbarer Schrift oder auffälliger Färbung gestaltet ist.

31

cc) Danach hat das Landesarbeitsgericht die Anforderungen an eine besonders auffällige Dienstkleidung verkannt. Um eine solche handelt es sich, wenn die Arbeitnehmer im öffentlichen Raum aufgrund der Ausgestaltung ihrer Kleidungsstücke als Angehörige ihres Arbeitgebers ohne Weiteres erkannt werden können. Hierfür ist ohne Bedeutung, ob die Dienstkleidung in dezenten oder auffälligen Farben gehalten ist. Die Möglichkeit einer Zuordnung zu einem bestimmten Arbeitgeber besteht auch bei einer unauffälligen Farbgestaltung der Dienstkleidung, wenn auf dieser ein Emblem oder Schriftzüge angebracht sind, die aufgrund ihrer Bekanntheit in der Öffentlichkeit mit einem bestimmten Rechtsträger oder einer Unternehmensgruppe in Verbindung gebracht werden (BAG 12. November 2013 - 1 ABR 59/12 - Rn. 35, BAGE 146, 271). Hierfür kommt es - unabhängig von der Größe der Schriftzüge oder Logos - nur auf deren Erkennbarkeit an.

32

(4) Einer hierauf gestützten Zurückverweisung bedarf es indes nicht. Der Senat kann über die besondere Auffälligkeit der Dienstkleidung selbst befinden. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat nach § 559 Abs. 2 ZPO bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann das Fahrpersonal der Arbeitgeberin aufgrund der darauf angebrachten Schriftzüge von Dritten dem Unternehmen der Arbeitgeberin zugeordnet werden. Das entspricht dem Zweck ihrer Ausgestaltung. Die Dienstkleidung dient nach der Präambel der BV 2011 der Herstellung eines einheitlichen Erscheinungsbilds des Fahrpersonals und dessen Erkennbarkeit in der Öffentlichkeit.

33

c) Die Zuordnung der Umkleide- und Wegezeiten zur betrieblichen Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist von der Entscheidung des Fahrpersonals abhängig, an welchem Ort sie die Dienstkleidung an- und ablegen.

34

aa) Entgegen der Auffassung des Betriebsrats handelt es sich nicht um betriebliche Arbeitszeit, wenn die als Fahrpersonal beschäftigten Arbeitnehmer unmittelbar von ihrer Wohnung zur Übernahme-/Ablösestelle fahren oder nach Dienstende dorthin zurückkehren. Die Arbeitgeberin gestattet dem Fahrpersonal, seine Dienstkleidung bereits zu Hause anzulegen und auf den Wegen von und zur Übernahme-/Ablösestelle zu tragen. Entscheiden sich die Arbeitnehmer, die Kleidungsstücke nicht im Betrieb an- und abzulegen, ist das Tragen der Dienstkleidung auf dem Weg von und zur Arbeit nicht ausschließlich fremdnützig.

35

bb) Hingegen liegt eine ausschließlich fremdnützige Tätigkeit vor, wenn die als Fahrpersonal eingesetzten Arbeitnehmer eine dafür vorgesehene und geeignete Umkleidemöglichkeit im Betrieb für das Anlegen der Dienstkleidung nutzen und sich anschließend zur Übernahme-/Ablösestelle begeben. Dies gilt entsprechend nach Beendigung ihrer Fahrtätigkeit. Nutzen sie eine betriebliche Umkleidemöglichkeit zum An-/Ablegen ihrer Dienstkleidung, handelt es sich bei den dafür notwendigen Wege- und Umkleidezeiten um betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.

36

d) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist nicht nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG eingeschränkt oder ausgeschlossen.

37

aa) Die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten dient dem Schutz der Arbeitnehmer durch gleichberechtigte Teilhabe an den sie betreffenden Angelegenheiten (BAG GS 3. Dezember 1991 - GS 2/90 - zu C II 1 a der Gründe, BAGE 69, 134). § 87 Abs. 1 BetrVG beschränkt wegen der persönlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers und im Hinblick auf den Teilhabegedanken die Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers bei der Vertragsgestaltung und der Ausübung seines Direktionsrechts(Wiese GK-BetrVG 10. Aufl. § 87 Rn. 56). Der Eingangshalbsatz in § 87 Abs. 1 BetrVG beruht dabei auf der Erwägung, dass für die Erreichung des Mitbestimmungszwecks kein Raum mehr besteht, wenn eine den Arbeitgeber bindende Regelung durch Gesetz oder Tarifvertrag bereits vorliegt. In diesem Fall kann davon ausgegangen werden, dass mit dieser Regelung den berechtigten Interessen und Schutzbedürfnissen der Arbeitnehmer hinreichend Rechnung getragen worden ist (BAG 12. November 2013 - 1 ABR 59/12 - Rn. 38, BAGE 146, 271).

38

bb) Die Tarifvertragsparteien haben in dem für das Fahrpersonal einschlägigen BzTV-N BW keine abschließende Regelung über die betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG getroffen.

39

Nach § 2 Abs. 1 Anlage 3 BzTV-N BW umfasst die Dienstschicht die reine Arbeitszeit, die Pausen und die Wendezeiten. In § 2 Abs. 1 ArbZG wird die Arbeitszeit als die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhepausen definiert. Zur Arbeit iSd. genannten Vorschrift gehört auch das Umkleiden für die Arbeit und die innerbetrieblichen Wegezeiten, wenn - wie vorliegend - das Tragen einer besonders auffälligen Dienstkleidung vorgeschrieben ist und betrieblichen Belangen dient. Für ein vom gesetzlichen Arbeitszeitbegriff abweichendes Verständnis der Tarifvertragsparteien hätte es eines hinreichend deutlich zum Ausdruck gebrachten Regelungswillens bedurft, für den jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich sind. Ebenso wird das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nicht durch § 7 Anlage 3 BzTV-N BW, wonach Arbeitsplatz das Fahrzeug oder der angewiesene Aufenthaltsplatz ist, ausgeschlossen oder eingeschränkt. Die Vorschrift enthält schon nach ihrem Wortlaut keine Regelung über die betriebliche Arbeitszeit. Entscheiden sich die Angehörigen des Fahrpersonals, ihre Dienstkleidung erst an einem von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten Ort an- und abzulegen, handelt es sich bei diesem Ort zudem um einen angewiesenen Aufenthaltsplatz iSd. § 7 Anlage 3 BzTV-N BW. Die Arbeitgeberin kann ihr Fahrpersonal nicht anweisen, die auffällige Dienstkleidung auch auf dem Weg von und nach der Übernahme-/Ablösestelle zu tragen.

40

3. Die Anträge der Arbeitgeberin sind auch unbegründet, weil ihre im Fahrdienst mit Bussen eingesetzten Arbeitnehmer berechtigt sind, die von ihnen mitzuführenden Arbeitsmittel an einem der Betriebshöfe der Arbeitgeberin abzugeben und wieder in Empfang zu nehmen. Dementsprechend stellt auch die erforderliche Zeit für das Zurücklegen dieser Wege betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG dar.

41

a) Die Entgegennahme und Abgabe von arbeitsnotwendigen Betriebsmitteln stellt Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG dar, wenn diese Tätigkeiten einem fremden Bedürfnis dienen und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis des Arbeitnehmers erfüllen. In diesem Fall handelt es sich auch um Arbeitszeit iSd. § 2 Abs. 1 ArbZG. Arbeitnehmer sind regelmäßig nicht verpflichtet, Arbeitsmittel, die sie in der dienstfreien Zeit nicht nutzen, nach Beendigung ihrer Arbeitszeit für den Arbeitgeber zu verwahren. Eine solche Tätigkeit dient nicht ihrem eigenen Bedürfnis (BAG 12. November 2013 - 1 ABR 59/12 - Rn. 57 und 60, BAGE 146, 271).

42

b) Bei den nach § 16 Nr. 1 DA Busse mitzuführenden Gegenständen handelt es sich um notwendige Arbeitsmittel. Deren Empfang und Abgabe stellen Arbeitszeit dar. Die Arbeitgeberin erlaubt dem Fahrpersonal zwar die Verwahrung dieser Arbeitsmittel außerhalb des Dienstes. Entscheiden sich die Arbeitnehmer jedoch zu deren Rückgabe nach Dienstende, sind die Abgabe und die erneute Entgegennahme dieser Arbeitsmittel bei Dienstbeginn ausschließlich fremdnützig und damit Arbeitszeit. Dies gilt gleichermaßen für die Wege nach Dienstende zur Abgabestelle und bei Dienstbeginn von dort bis zum Fahrzeug.

        

    Schmidt    

        

    K. Schmidt    

        

    Koch    

        

        

        

    Rath    

        

    N. Schuster    

                 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 22. Januar 2016 - 6 Sa 1054/15 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Vergütung von Fahrzeiten zu auswärtigen Arbeitsstellen.

2

Der Kläger ist seit 1999 als Elektriker bei der Beklagten beschäftigt. Die Tarifverträge der elektrotechnischen Handwerke in Nordrhein-Westfalen finden kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Der Bruttostundenlohn des Klägers belief sich im Streitzeitraum auf 14,64 Euro.

3

Der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der elektrotechnischen Handwerke in Nordrhein-Westfalen vom 5. November 2013 (im Folgenden MTV) bestimmt ua.:

        

§ 2 Arbeitszeit

        

1.1 Die tarifliche Regelarbeitszeit beträgt wöchentlich 36 Stunden. Sie kann gleichmäßig oder ungleichmäßig auf fünf Werktage in der Woche verteilt werden. …

        

13. An- und Auskleiden, Waschen sowie Pausen im Sinne des Arbeitszeitgesetzes gelten nicht als Arbeitszeit. …

        

…       

        

§ 11 Grundsätze der Entgeltzahlung

        

1. Alle Arbeitnehmer erhalten ein verstetigtes Monatsentgelt. Das Monatsentgelt ergibt sich durch Multiplikation des vereinbarten Stundenentgeltes mit der individuellen monatlichen Arbeitszeit …

        

…       

        

§ 13 Geltendmachung von Ansprüchen

        

1. Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, sind innerhalb folgender Ausschlussfristen schriftlich geltend zu machen:

        

1.1 Ansprüche auf Zuschläge aller Art …;

        

1.2 Alle übrigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten.“

4

Das Entgeltrahmenabkommen für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der elektrotechnischen Handwerke in Nordrhein-Westfalen vom 29. Mai 2013 (im Folgenden ERA) regelt ua.:

        

§ 5 Aufwandsentschädigung (Auslösungen)

        

1. Für alle Arbeiten außerhalb der Werkstatt (Betriebssitz) mit einer Entfernung von dieser bis zu 12 km in der Luftlinie wird nur das übliche Fahrgeld zur Benutzung des billigsten zur Verfügung stehenden öffentlichen Verkehrsmittels für Hin- und Rückweg vergütet. Falls der Weg des Arbeitnehmers von seinem Wohnsitz zur Außenarbeitsstelle kürzer ist, werden nur diese Fahrtkosten ersetzt. …

        

2. Beträgt die Entfernung von der Werkstatt zur Außenarbeitsstelle mehr als 12 km in der Luftlinie, erhalten gewerbliche Arbeitnehmer bei wechselnden Einsatzstellen das Fahrgeld und Tagesaufwandsentschädigungen ab 01.08.2009 nach folgender Staffel bezahlt:

        

in der Zone 1

12 - 18 km

0,00 €

        
        

in der Zone 2

19 - 25 km

0,00 €

        
        

in der Zone 3

26 - 35 km

13,00 €

        
        

in der Zone 4

36 - 45 km

20,00 €

        
        

in der Zone 5

ab 46 km

25,00 €

        
        

Ist in Zone 1 der Weg von der Wohnung zur Montagestelle kürzer als der Weg von der Wohnung zum Betriebssitz, entfällt die Aufwandsentschädigung.

        

3. Bei der Auswärtsmontage mit Übernachtung wird anstelle der Aufwandsentschädigung ein Übernachtungsgeld/Tagegeld von 37,74 € pro Tag gewährt. ...

        

4. Der Anspruch auf Aufwandsentschädigung setzt die Einhaltung der vollen Arbeitszeit an der Montagestelle voraus. Wird der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zur Abholung von Materialien oder aus anderen Gründen zum Betrieb bestellt, gilt diese Zeit als an der Montagestelle verbrachte Arbeitszeit. Zur Berücksichtigung besonderer Verhältnisse (z.B. … Transport mit Unternehmerfahrzeug usw.) kann eine abweichende vorherige Vereinbarung getroffen werden.

        

5. Diese Bestimmungen zur Aufwandsentschädigung gelten nur für gewerbliche Arbeitnehmer mit wechselnden Montagestellen.“

5

Der Kläger ist auf wechselnden Baustellen tätig. Zu Beginn eines jeden Arbeitstags begibt er sich zum Betrieb der Beklagten, belädt dort einen Hubsteiger, nimmt ggf. an einer Einsatzbesprechung teil und fährt danach den Hubsteiger zur ersten Baustelle, um dort Reparaturen vorzunehmen. Danach sucht er die nächste Baustelle auf. Am Ende des Arbeitstags fährt er den Hubsteiger zurück zum Betrieb.

6

Die Beklagte vergütet die Tätigkeiten des Klägers in ihrem Betrieb, die Arbeit auf und die Fahrten zwischen den Baustellen mit dem Tariflohn. Für Fahrten vom Betrieb zur ersten Baustelle und von der letzten Baustelle zurück zum Betrieb zahlt die Beklagte 7,75 Euro brutto/Stunde, die sie mit „Aufwandsentschädigung“ abrechnet. Im Zeitraum März bis Dezember 2014 betrug die in dieser Höhe vergütete Fahrzeit des Klägers vom bzw. zum Betrieb insgesamt 101,03 Stunden.

7

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat der Kläger Zahlungsklage erhoben. Er fordert die Vergütungsdifferenzen zum tariflichen Stundenlohn für den Zeitraum März bis Dezember 2014.

8

Der Kläger meint, bei den Fahrten vom Betrieb zur ersten bzw. von der letzten Baustelle zurück handele es sich um Arbeitszeit, für die der tarifliche Stundenlohn geschuldet sei. Eine anderweitige individualrechtliche oder tarifliche Regelung zur Vergütung dieser Arbeitszeit bestehe nicht.

9

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 696,10 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 18. Februar 2015 zu zahlen.

10

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie ist der Ansicht, die Vergütung von Fahrzeiten von und zum Betrieb sei in § 5 ERA abschließend geregelt. Da der Kläger seit Beginn des Arbeitsverhältnisses Vergütung für Fahrzeiten iHv. 7,75 Euro/Stunde erhalten habe, liege außerdem eine stillschweigende Vereinbarung hierüber vor.

11

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen. Der Kläger hat Anspruch auf weitere Vergütung in der zugesprochenen Höhe.

13

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Sie ist auf konkrete Vergütungsdifferenzen über eine Zeit von zehn Monaten gerichtet. Die Klage ist für den streitbefangenen Zeitraum als abschließende Gesamtklage zu verstehen (vgl. BAG 23. September 2015 - 5 AZR 626/13 - Rn. 12).

14

II. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat nach § 611 Abs. 1 BGB iVm. den tariflichen Entgeltregelungen Anspruch auf Vergütung der Fahrten vom Betrieb zur auswärtigen Arbeitsstelle und von dieser zurück zum Betrieb iHv. jedenfalls 14,64 Euro brutto/Stunde.

15

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden nach nicht angegriffener Feststellung des Landesarbeitsgerichts kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die Tarifverträge für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der elektrotechnischen Handwerke in Nordrhein-Westfalen mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG).

16

2. Die streitgegenständlichen Fahrzeiten sind Bestandteil der tariflichen Arbeitszeit des Klägers. Mangels anderweitiger Tarifregelung oder wirksamer Vereinbarung sind diese mit dem tariflichen Stundenlohn zu vergüten.

17

a) Der MTV enthält keine allgemeine Definition der tariflichen Arbeitszeit. § 2 MTV legt lediglich die Dauer der wöchentlichen Regelarbeitszeit und die Möglichkeit zur Einführung flexibler Arbeitszeit fest. Nach § 2 Nr. 13 Satz 1 MTV gelten An- und Auskleiden, Waschen sowie Pausen iSd. Arbeitszeitgesetzes nicht als Arbeitszeit. Dies zeigt, dass der Tarifvertrag nur insoweit von der gesetzlichen Regelung abweichen soll, wie es ausdrücklich geregelt ist.

18

b) Besteht danach keine spezielle Regelung zur Zuordnung der streitgegenständlichen Fahrzeiten zur tariflichen Arbeitszeit und fehlt im Übrigen deren Definition, belegt dies, dass die Tarifvertragsparteien den Begriff der Arbeitszeit mit der Bedeutung verwenden, die er im Arbeitszeitrecht gefunden hat (vgl. BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 21, BAGE 143, 107). Nach dieser Definition zählen die streitgegenständlichen Fahrten zur tariflichen Arbeitszeit.

19

aa) Arbeitszeit ist gemäß § 2 Abs. 1 ArbZG die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Arbeit ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (vgl. BAG 18. November 2015 - 5 AZR 814/14 - Rn. 25; vgl. auch EuGH 10. September 2015 - C-266/14 - [Federación de Servicios Privados del sindicato Comisiones obreras] Rn. 25).

20

bb) Der Kläger fährt auf Anordnung der Beklagten mit dem von ihm zur Erbringung seiner Arbeitsleistung benötigten Hubsteiger vom Betrieb zu den jeweiligen auswärtigen Arbeitsstellen. Damit handelt es sich um primär fremdnützige, den betrieblichen Belangen der Beklagten dienende Tätigkeiten und damit um „Arbeit“.

21

3. Die innerhalb der tariflichen Arbeitszeit vom Kläger erbrachten Fahrleistungen sind vergütungspflichtig.

22

a) § 611 Abs. 1 BGB knüpft die Vergütungspflicht des Arbeitgebers allein an die „Leistung der versprochenen Dienste“, also an jede im Synallagma vom Arbeitgeber verlangte Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt(vgl. BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 28, BAGE 143, 107; 18. November 2015 - 5 AZR 814/14 - Rn. 25). Zu den iSv. § 611 Abs. 1 BGB „versprochenen Diensten“ gehört auch das vom Arbeitgeber angeordnete Fahren vom Betrieb zu einer auswärtigen Arbeitsstelle. Wegen der Fremdnützigkeit der Fahrten sind diese nicht nur im arbeitszeitrechtlichen, sondern auch im vergütungsrechtlichen Sinn „Arbeit“. Durch das Anordnen der Fahrten macht der Arbeitgeber diese zur arbeitsvertraglichen Verpflichtung (vgl. BAG 12. Dezember 2012 - 5 AZR 355/12 - Rn. 17).

23

b) Mit der Einordnung der Fahrzeiten als Teil der iSv. § 611 Abs. 1 BGB „versprochenen Dienste“ ist jedoch noch nicht geklärt, wie sie zu vergüten sind. Durch Arbeits- oder Tarifvertrag kann eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentliche Tätigkeit und damit auch für Fahrzeiten vom Betrieb zur auswärtigen Arbeitsstelle getroffen werden (vgl. BAG 12. Dezember 2012 - 5 AZR 355/12 - Rn. 18; vgl. auch EuGH 10. September 2015 - C-266/14 - [Federación de Servicios Privados del sindicato Comisiones obreras] Rn. 47 ff.).

24

c) Eine gesonderte Vergütungsregelung ergibt sich nicht aus § 5 ERA. Eine solche ist nicht Gegenstand der Tarifbestimmung. Das ergibt die Auslegung des Tarifvertrags.

25

aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., vgl. nur BAG 29. Juni 2016 - 5 AZR 696/15 - Rn. 19).

26

bb) Danach regelt § 5 ERA nicht die Vergütung der streitgegenständlichen Fahrzeiten, sondern ausschließlich Aufwendungsersatz in Form der Fahrtkostenerstattung und der Auslösung.

27

(1) Nach § 5 Nr. 1 Satz 1 ERA wird für alle Arbeiten außerhalb der Werkstatt (Betriebssitz) mit einer Entfernung von dieser bis zu 12 km in der Luftlinie nur das übliche Fahrgeld zur Benutzung des billigsten zur Verfügung stehenden öffentlichen Verkehrsmittels für Hin- und Rückweg vergütet. § 5 Nr. 2 ERA enthält Regelungen über Tagesaufwandsentschädigungen in Abhängigkeit der Entfernung von der Werkstatt zur Außenarbeitsstelle. In § 5 Nr. 3 ERA finden sich Bestimmungen zu Übernachtungs-/Tagegeld für den Fall der Auswärtsmontage mit Übernachtung.

28

Ausgehend vom tariflichen Wortlaut und dem hierdurch vermittelten Sinn bezwecken Fahrgeld, Aufwandsentschädigung und Übernachtungsgeld den Ausgleich von Mehraufwendungen, die ein Arbeitnehmer zum Erreichen der Baustelle außerhalb des Betriebssitzes tätigen muss. Die Regelung betrifft damit die von jeder Arbeitsleistung unabhängige Reisezeit, nicht aber die für eine Wegstrecke zwischen zwei Arbeitsplätzen benötigte Fahrzeit. Eine solche ist jedoch die vom Betrieb der Beklagten zur auswärtigen Arbeitsstelle und von dieser zurück zum Betrieb.

29

(2) Ein solches Verständnis des § 5 ERA fügt sich in den tariflichen Gesamtzusammenhang. Die Regelung des § 5 Nr. 4 Satz 2 ERA betrifft allein die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Aufwandsentschädigung. Das Erfordernis der Einhaltung der vollen Arbeitszeit an der Montagestelle nach § 5 Nr. 4 Satz 1 ERA soll danach auch durch Fahrten von und zur Baustelle gewahrt sein. Der Anspruch auf Fahrgeld nach § 5 Nr. 1 ERA ist ohnehin davon unabhängig.

30

cc) Der Kläger fährt täglich zunächst zum Betrieb der Beklagten, erbringt dort Arbeitsleistung und fährt dann erst zur auswärtigen Arbeitsstelle. Damit handelt es sich nicht um von der Regelung des § 5 ERA erfasste Fahrten.

31

d) Darüber hinaus enthalten weder die übrigen Bestimmungen des ERA noch die Tarifnormen des MTV eine gesonderte Vergütungsregelung. Daher richtet sich die Vergütungspflicht für die streitgegenständlichen Fahrten nach der allgemeinen Entgeltregelung des MTV. Danach ist tarifliche Arbeitszeit mit dem Tariflohn zu vergüten. Dies folgt aus § 11 Nr. 1 Satz 1 MTV, wonach alle Arbeitnehmer ein verstetigtes Monatsentgelt erhalten, das sich durch Multiplikation des vereinbarten Stundenentgelts mit der individuellen monatlichen Arbeitszeit ergibt.

32

e) Da die streitgegenständlichen Fahrzeiten zur tariflichen Arbeitszeit rechnen und mit dem Tarifentgelt zu vergüten sind, konnten die Parteien wegen § 4 Abs. 3 TVG keine vom Tarif abweichende Vergütungsvereinbarung treffen. Es kommt deshalb für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht darauf an, ob die Parteien stillschweigend für die streitgegenständlichen Fahrten eine Vergütung iHv. 7,75 Euro brutto/Stunde vereinbarten. Die Tariföffnungsklausel in § 5 Nr. 4 Satz 3 ERA betrifft allein die Aufwandsentschädigung.

33

4. In der streitgegenständlichen Zeit hat der Kläger Arbeitsleistung durch Fahrten zu und von auswärtigen Arbeitsstellen mit einer Dauer von insgesamt 101,03 Stunden erbracht. Hieraus ergibt sich bei einem Stundenlohn iHv. 14,64 Euro brutto ein Vergütungsanspruch iHv. 1.479,08 Euro brutto. Auf diese Forderung hat die Beklagte Vergütung iHv. 782,98 Euro (101,03 Stunden x 7,75 Euro) brutto geleistet, sodass der Anspruch in dieser Höhe gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen ist. Damit verbleibt ein Zahlungsanspruch iHv. 696,10 Euro brutto.

34

5. Der Anspruch des Klägers ist nicht gemäß § 13 Nr. 1.2 MTV verfallen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger seine Forderungen rechtzeitig geltend gemacht hat. Gegen die diesbezüglichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat sich die Beklagte mit ihrer Revision nicht gewandt.

35

6. Der Anspruch auf Verzugszinsen ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

36

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Weber    

        

    Volk    

        

        

        

    A. Christen    

        

    Dirk Pollert    

                 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. Dezember 2011 - 11 Sa 1107/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten, soweit für die Revision von Interesse, über die Vergütung von Fahrzeiten zu auswärtigen Arbeitsstellen.

2

Der Kläger ist seit Dezember 1992 bei der Beklagten als Elektromechaniker beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge für das Metallbauerhandwerk, Feinwerkmechanikerhandwerk, Metall- und Glockengießerhandwerk Nordrhein-Westfalen Anwendung.

3

Im Manteltarifvertrag für das Metallbauerhandwerk, Feinwerkmechanikerhandwerk, Metall- und Glockengießerhandwerk Nordrhein-Westfalen vom 16. Oktober 2006 (im Folgenden: MTV) ist zur Arbeitszeit ua. bestimmt:

        

㤠2

        

Arbeitszeit

        

1.    

Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 37 Stunden; bei einer 5-Tage-Woche beträgt die tägliche Arbeitszeit 7,4 Stunden.

        

2.    

Durch Betriebsvereinbarung kann für einzelne Arbeitnehmer, Arbeitnehmergruppen, Betriebsteile oder den Gesamtbetrieb eine unterschiedliche Wochenarbeitszeit zwischen 28 und 43 Stunden festgelegt werden.

                 

...     

        

14.     

An- und Auskleiden, Waschen sowie Pausen im Sinne der Arbeitszeitordnung gelten nicht als Arbeitszeit.“

4

Zu auswärtigen Arbeiten heißt es im Lohntarifvertrag für das Metallbauerhandwerk, Feinwerkmechanikerhandwerk, Metall- und Glockengießerhandwerk Nordrhein-Westfalen vom 22. Januar 2010 (im Folgenden: LTV) gleichlautend wie in dem vorangegangenen Lohntarifvertrag vom 11. Oktober 2007:

        

„VII. 

        

Auswärtige Arbeiten (Montagearbeiten)

        

1.    

Notwendiges Fahrgeld wird bei Arbeiten auf auswärtigen Arbeitsstellen erstattet für Fahrten zwischen der auswärtigen Arbeitsstelle und dem Sitz des entsendenden Betriebes.

                 

Es wird das übliche Fahrgeld zur Benutzung des billigsten zur Verfügung stehenden öffentlichen Verkehrsmittels für Hin- und Rückfahrt vergütet.

        

2.    

Beträgt die Entfernung vom Sitz des Betriebes bis zur auswärtigen Arbeitsstelle mehr als eine Wegstrecke von 5 km, wird dem Montagearbeiter je Montagearbeitstag neben dem Fahrgeld Auslösung nach folgender Staffel gezahlt:

                 

in Zone 1 von 5 - 10 km

60 % des tariflichen Ecklohnes,

                 

in Zone 2 von 11 - 20 km

120 % des tariflichen Ecklohnes,

                 

in Zone 3 von 21 - 30 km

150 % des tariflichen Ecklohnes,

                 

in Zone 4 von 31 - 50 km

250 % des tariflichen Ecklohnes,

                 

in Zone 5 über 50 km

280 % des tariflichen Ecklohnes.

                 

Der tarifliche Ecklohn ist der Tariflohn der Lohngruppe 3, 2. Gesellenjahr.

        

3.    

Der Anspruch auf Auslösung setzt die Einhaltung der vollen betriebsüblichen täglichen Arbeitszeit auf der auswärtigen Arbeitsstelle voraus. Überstunden zählen nicht zur betriebsüblichen Arbeitszeit.

        

4.    

Bei auswärtigen Arbeitsstellen, von denen eine tägliche Heimfahrt nicht möglich ist, wird eine Auslösung nach folgender Staffel je Kalendertag gezahlt:

                 

während der ersten 2 Wochen

33,75 Euro

                 

nach 2 Wochen

 32,72 Euro.

                 

In Sonderfällen werden besondere Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Montagearbeiter getroffen. Sofern eine Betriebsvertretung vorhanden ist, ist diese zu hören.

        

5.    

Stellt der Arbeitgeber auf der auswärtigen Arbeitsstelle Unterkunft und Verpflegung kostenfrei zur Verfügung, wird eine besondere Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Montagearbeiter getroffen.

        

6.    

Bei Arbeitsversäumnis infolge nachgewiesener Krankheit wird die Auslösung bis zur Dauer von drei Tagen gezahlt, sofern der Montagearbeiter nicht nach Hause fahren kann oder keine Aufnahme in einem Krankenhaus findet.

        

7.    

Jeder auf einer auswärtigen Arbeitsstelle tätige Montagearbeiter hat zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten Anspruch auf eine Heimreise an dem diesen Feiertagen vorausgehenden Wochentag, wobei ihm die Reisezeit mit dem normalen Stundenlohn und das Fahrgeld vergütet werden. Die Heimreise ist so zu legen, dass der Montagearbeiter seinen Wohnort bis 12 Uhr erreichen kann. Im Falle der Heimreise ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, eine Auslösung für die Feiertage zu gewähren.

        

...     

        
        

9.    

Für Montagearbeiten auf auswärtigen Arbeitsstellen wird eine Montagezulage von 5 % auf den Tariflohn gewährt, sofern die Montagearbeitszeit auf der auswärtigen Arbeitsstelle mindestens 6 ½ Stunden am Arbeitstag beträgt.

                 

Erstreckt sich eine Montage über einen Arbeitstag hinaus, dann ist die Montagezulage für alle Montagearbeitsstunden zu zahlen.

                 

Nahmontagen, die in einer Entfernung der Wegstrecke vom Sitz des Betriebes bis zu 5 km ausgeführt werden, gelten nicht als zulagepflichtige Montagearbeiten. In Sonderfällen werden besondere Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Montagearbeiter getroffen. Sofern eine Betriebsvertretung vorhanden ist, ist diese zu hören.“

5

Ab dem 1. November 2008 erhielt der Kläger einen Stundenlohn von 16,44 Euro brutto, der sich zusammensetzte aus einem Grundlohn der Tarifgruppe 5 (13,82 Euro), einer Montagezulage (0,69 Euro), einer Leistungszulage (1,66 Euro) sowie einer „Übertarif-Zulage“ (0,27 Euro). Mit Schreiben vom 6. August 2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ab 1. Juni 2010 betrage sein Stundenlohn 15,84 Euro brutto und setze sich zusammen aus einem Grundlohn der Tarifgruppe 5 iHv. 14,08 Euro, einer Montagezulage iHv. 0,70 Euro und einer Leistungszulage iHv. 1,06 Euro. Fahrten zu auswärtigen Arbeitsstellen entgalt die Beklagte (nur) mit der tarifvertraglichen Auslösung.

6

Mit der am 21. Januar 2010 eingereichten und mehrfach erweiterten Klage hat der Kläger die - weitere - Vergütung von Fahrzeiten vom Betrieb zu auswärtigen Arbeitsstellen im Zeitraum September 2009 bis Juli 2010 geltend gemacht und die Auffassung vertreten, diese Fahrzeiten seien als vergütungspflichtige Arbeitszeit mit dem ihm zustehenden Stundenlohn zu vergüten.

7

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.729,75 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach näherer betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung zu zahlen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Vergütung der Fahrzeiten zu auswärtigen Arbeitsstellen sei mit den Bestimmungen für auswärtige Arbeiten im LTV abschließend geregelt.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.

11

I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung der Fahrten vom Betrieb zu auswärtigen Arbeitsstellen (und zurück) mit dem vereinbarten Stundenlohn. Hierfür fehlt eine Anspruchsgrundlage.

12

1. Auf eine ausdrückliche arbeitsvertragliche Vereinbarung, wonach die Fahrzeiten vom Betrieb zu einer auswärtigen Arbeitsstelle wie Arbeitszeit mit dem dafür vorgesehenen Stundenlohn zu vergüten wären, hat sich der Kläger nicht berufen.

13

2. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass auf ihr Arbeitsverhältnis kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge für das Metallbauerhandwerk, Feinwerkmechanikerhandwerk, Metall- und Glockengießerhandwerk Nordrhein-Westfalen Anwendung finden. Mithin hängt die Einordnung der streitgegenständlichen Fahrzeiten als Arbeitszeit und deren Vergütungspflicht davon ab, ob sie nach den tariflichen Bestimmungen Bestandteil der tariflichen Arbeitszeit und mit dem (tariflichen) Stundenlohn zu vergüten sind.

14

a) Fahrzeiten von der Betriebsstätte zur auswärtigen Arbeitsstelle sind schon nicht Bestandteil der tariflichen Arbeitszeit.

15

Eine ausdrückliche Bestimmung hierzu enthält der MTV allerdings nicht. § 2 MTV regelt lediglich die Dauer der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit sowie deren Flexibilisierung und nimmt in Nr. 14 ausdrücklich nur An- und Auskleiden, Waschen sowie Pausen im Sinne des Arbeitszeitrechts aus der tariflichen Arbeitszeit heraus. Was tarifliche Arbeitszeit ist, definiert der MTV aber ansonsten nicht. Doch wird aus dem Zusammenhang mit dem LTV deutlich, dass der MTV Fahrzeiten wie die streitgegenständlichen nicht zur tariflichen Arbeitszeit zählt. Denn nach VII Nr. 3 LTV setzt der Anspruch auf Auslösung die Einhaltung der vollen betriebsüblichen täglichen Arbeitszeit auf der auswärtigen Arbeitsstelle voraus. Damit bringt der Tarifvertrag zum Ausdruck, dass An- und Rückfahrt zur bzw. von der auswärtigen Arbeitsstelle nicht zur tariflichen Arbeitszeit zählen. Anderenfalls würde der Anspruch auf Auslösung stets eine Überschreitung der betriebsüblichen täglichen Arbeitszeit voraussetzen. Außerdem soll dem Arbeitgeber für die auswärtige Baustelle die volle, nicht durch An- und Abfahrt geschmälerte betriebsübliche tägliche Arbeitszeit zur Verfügung stehen, ohne dass er mitbestimmungspflichtige (§ 3 Nr. 4 MTV, § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) und ggf. zuschlagspflichtige (§ 4 MTV) Überstunden gewärtigen muss. Damit ergeben sich weder aus dem MTV noch aus dem LTV Anhaltspunkte für eine Einordnung der Fahrzeiten zu auswärtigen Arbeitsstellen als Bestandteil der tariflichen Arbeitszeit.

16

b) Unerheblich für das Ob und Wie der Vergütung der streitgegenständlichen Fahrzeiten ist es, dass die sog. Wegezeiten für die Fahrt vom Betriebssitz zu einer auswärtigen Arbeitsstätte - anders als die Wegezeit von der Wohnung des Arbeitnehmers zum Betrieb - arbeitszeitschutzrechtlich der Arbeitszeit iSd. § 2 Abs. 1 ArbZG zugerechnet werden(vgl. ErfK/Wank 13. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 16 mwN; Buschmann/Ulber ArbZG 7. Aufl. § 2 Rn. 7 f.; Schliemann ArbZG § 2 Rn. 37 ff.; Anzinger/Koberski ArbZG 3. Aufl. § 2 Rn. 16 ff.). Denn die Qualifikation einer bestimmten Zeitspanne als Arbeitszeit im Sinne des gesetzlichen Arbeitszeitschutzrechts führt nicht zwingend zu einer Vergütungspflicht, wie umgekehrt die Herausnahme bestimmter Zeiten aus der Arbeitszeit nicht die Vergütungspflicht ausschließen muss (BAG 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 20, BAGE 137, 366; 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 9, NZA 2012, 939; 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 23 f., BB 2013, 445).

17

c) Die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers knüpft nach § 611 BGB an die Leistung der versprochenen Dienste an(BAG 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 20, BAGE 137, 366). Dazu zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise von deren Erbringung unmittelbar zusammenhängt (BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 28, BB 2013, 445 unter Aufgabe von BAG 11. Oktober 2000 - 5 AZR 122/99 - BAGE 96, 45). Zu den iSv. § 611 Abs. 1 BGB „versprochenen Diensten“ gehört auch das vom Arbeitgeber angeordnete Fahren vom Betrieb zu einer auswärtigen Arbeitsstelle. Derartige Fahrten sind eine primär fremdnützige, den betrieblichen Belangen des Arbeitgebers dienende Tätigkeit und damit „Arbeit“ (zum Begriff der Arbeit, vgl. BAG 22. April 2009 - 5 AZR 292/08 - Rn. 15, AP BGB § 611 Wegezeit Nr. 11; 20. April 20115 AZR 200/10 - Rn. 21, BAGE 137, 366 - jeweils mwN). Durch das Anordnen der Fahrten macht der Arbeitgeber diese zur arbeitsvertraglichen Verpflichtung.

18

Mit der Einordnung der Fahrzeiten als Teil der iSv. § 611 Abs. 1 BGB „versprochenen Dienste“ ist aber noch nicht geklärt, wie sie zu vergüten sind. Durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag kann eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentliche Tätigkeit und damit auch für Fahrzeiten vom Betrieb zur auswärtigen Arbeitsstelle getroffen werden (vgl. BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 29, BB 2013, 445 [Umkleidezeiten]; 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 32, BAGE 137, 366 [Beifahrerzeiten]; 21. Dezember 2006 - 6 AZR 341/06 - Rn. 13, BAGE 120, 361). Eine solche gesonderte Vergütungsregelung enthält im Streitfalle der LTV.

19

Schon der Umstand, dass die tariflichen Vorschriften Fahrzeiten nicht ausdrücklich der tariflichen Arbeitszeit zuordnen, spricht dafür, dass diese nicht mit dem „normalen“ Stundenlohn entgolten werden sollen. Dementsprechend enthält unter der Überschrift „Auswärtige Arbeiten (Montagearbeiten)“ VII LTV eine eigenständige und abschließende Regelung für die „Entlohnung“ des mit der Arbeit an auswärtigen Arbeitsstellen verbundenen (Zeit-)Aufwands. Vorgesehen sind ein Fahrgeld bei tatsächlichen Fahrtkosten, eine nach Entfernung und Aufenthaltsdauer auf der auswärtigen Arbeitsstelle gestaffelte, vom tatsächlichen Aufwand und steuerrechtlichen Pauschalbeträgen losgelöste Auslösung, deren Höhe bei täglicher Heimfahrt an bestimmte Prozentsätze des tariflichen Zeitlohnes anknüpft, und eine Montagezulage. Dagegen fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, zusätzlich zu diesen Leistungen solle die Fahrzeit zur auswärtigen Arbeitsstelle (und zurück) mit dem „normalen“ Stundenlohn vergütet werden.

20

Mit dem Begriff „Auslösung“ wird zwar gemeinhin ein pauschalierter Aufwendungsersatz bezeichnet, der Fahrt-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten abdecken soll (vgl. ErfK/Preis 13. Aufl. § 611 BGB Rn. 517). Die „Auslösung“ bei täglicher Heimfahrt nach VII Nr. 2 LTV hat jedoch - zumindest auch - Entgeltcharakter: Fahrgeld wird gesondert nach VII Nr. 1 LTV erstattet, Übernachtungskosten fallen bei täglicher Heimfahrt nicht an und höhere Verpflegungskosten als bei einer Arbeit im Betrieb müssen nicht zwingend entstehen. Zudem bemisst sich die „Auslösung“ bei täglicher Heimfahrt nicht wie diejenige bei nicht täglicher Heimfahrt (VII Nr. 4 LTV) nach einem bestimmten Euro-Betrag, sondern an einem mit zunehmender Entfernung (und damit im Regelfall längeren Fahrzeit) steigenden Prozentsatz des tariflichen Ecklohns. Bei dieser Ausgestaltung hätte es einer ausdrücklichen Regelung bedurft, wenn neben den in VII LTV vorgesehenen Leistungen für Arbeit auf auswärtigen Arbeitsstellen zusätzlich die Fahrzeit mit dem normalen Stundenlohn vergütet werden soll.

21

Das belegt VII Nr. 7 LTV, in der ausdrücklich bestimmt ist, dass bei Heimreisen zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten - neben dem Fahrgeld - „die Reisezeit mit dem normalen Stundenlohn“ vergütet werden muss, und zwar auch dann, wenn der Arbeitnehmer zunächst zum Betrieb zurückfährt, um dort zB Werkzeug abzugeben oder das Montagefahrzeug abzustellen, und erst anschließend zu seiner Wohnung weiterreist. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass andere Reisezeiten und damit auch die streitgegenständlichen Fahrzeiten nicht mit dem normalen Stundenlohn zu vergüten sind.

22

II. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Hromadka    

        

    Zoller    

                 

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

(3) (weggefallen)

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. Februar 2016 - 3 Sa 1331/15 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Vergütung von Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten.

2

Der Kläger ist bei der nicht tarifgebundenen Beklagten, die insbesondere für Unternehmen der „S-Gruppe“ technische und handwerkliche Serviceleistungen erbringt, beschäftigt. Er wird in der Lebensmittelproduktion eingesetzt und bezieht einen Stundenlohn. Im Arbeitsvertrag vom 6. November 2002 heißt es ua.:

        

㤠1

        

…       

        

Aufgrund der bei der Produktion von Lebensmitteln geltenden Hygieneverordnung ist jeder Arbeitnehmer verpflichtet, den Dienst täglich mit sauberer und vollständiger Dienstkleidung anzutreten und zu erfüllen. Die Bedienung der Zeiterfassungsanlage, dh. das An- und Abstempeln hat ausschließlich persönlich und zwar immer in einwandfreier Dienstkleidung zu erfolgen.

        

Die Wegezeiten zu bzw. von den Stempeluhren oder Pausenräumen sind leistungsentgeltfrei.

        

…“    

3

Die Arbeitskleidung wird von der Beklagten gestellt. Sie darf nach den für die Tätigkeit des Klägers geltenden Hygienevorschriften nicht mit nach Hause genommen werden und ist im Betrieb an- und abzulegen. Hierzu muss der Kläger nach Betreten des Betriebsgeländes die Arbeitskleidung an einer Ausgabestelle abholen, sich in einem Umkleideraum umziehen und anschließend im Bereich der Pforte an einer ersten Stempeluhr, die dazu dient, die Anwesenheit im Betrieb zu registrieren, abstempeln. Danach hat er sich zum Betriebsgebäude zu begeben und dort an einer zweiten Stempeluhr erneut zu stempeln. Der Vorgang ist nach Schichtende in umgekehrter Folge zu absolvieren.

4

Mit der am 19. Dezember 2014 eingereichten, der Beklagten am 12. Januar 2015 zugestellten Klage begehrt der Kläger Vergütung für die vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2014 an 737 Arbeitstagen mit dem An- und Ablegen der Arbeitskleidung verbundenen Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten. Er hat geltend gemacht, hierfür arbeitstäglich 36 Minuten benötigt zu haben.

5

Der Kläger hat erstinstanzlich sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.219,57 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB ab dem 13. Januar 2015 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Vergütungspflichtig sei nur die Zeit nach Betätigen der zweiten Stempeluhr. Ein Anspruch auf Vergütung der für das Umkleiden und das Zurücklegen der Wege erforderlichen Zeit, die arbeitstäglich allenfalls 24 Minuten betrage, sei nach § 1 Arbeitsvertrag ausgeschlossen. Etwaige Ansprüche seien verwirkt.

7

Das Arbeitsgericht hat dem Kläger für arbeitstäglich 27 Minuten 4.665,42 Euro brutto zugesprochen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Im Rahmen der Beweisaufnahme wurden der Umkleidevorgang einschließlich der zurückzulegenden Wege durch Vertreter des Klägers und der Beklagten auf dem Betriebsgelände nachgestellt, die Wegstrecken von der Kammer des Arbeitsgerichts abgeschritten, der Umkleidevorgang durch die Vorsitzende vollzogen und die jeweils aufgewendeten Zeiten festgestellt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage teilweise stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist in dem in der Revisionsinstanz noch anhängigen Umfang begründet. Die Beklagte schuldet dem Kläger als Vergütung für die an 737 Arbeitstagen im Zeitraum 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2014 erbrachten Umkleide- und Wegezeiten 4.665,42 Euro brutto nebst Prozesszinsen in gesetzlicher Höhe.

9

I. Der Kläger hat für jeden Arbeitstag im streitgegenständlichen Zeitraum gemäß § 611 BGB Anspruch auf Vergütung der Zeit, die er unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit benötigte, um sich umzukleiden und die damit verbundenen Wege zwischen Ausgabestelle und zweiter Stempeluhr zurückzulegen. Das haben die Vorinstanzen zu Recht erkannt.

10

1. Die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers knüpft nach § 611 Abs. 1 BGB an die Leistung der versprochenen Dienste an(BAG 12. Dezember 2012 - 5 AZR 355/12 - Rn. 16 f.; 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 17). Zu den „versprochenen Diensten“ iSv. § 611 BGB zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Der Arbeitgeber verspricht die Vergütung für alle Dienste, die er dem Arbeitnehmer aufgrund seines arbeitsvertraglich vermittelten Weisungsrechts abverlangt. „Arbeit“ als Leistung der versprochenen Dienste iSd. § 611 Abs. 1 BGB ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient(BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 28, BAGE 143, 107; 12. Dezember 2012 - 5 AZR 355/12 - Rn. 17; 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 18).

11

2. Der Kläger hat mit dem An- und Ablegen der Arbeitskleidung und dem Zurücklegen der damit verbundenen innerbetrieblichen Wege eine Arbeitsleistung erbracht, die als Teil der versprochenen Dienste vergütungspflichtig ist.

12

a) Zur Arbeit gehören auch das Umkleiden und Zurücklegen der hiermit verbundenen innerbetrieblichen Wege, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt, die im Betrieb an- und abgelegt werden muss, und er das Umkleiden nicht am Arbeitsplatz ermöglicht, sondern dafür eine vom Arbeitsplatz getrennte Umkleidestelle einrichtet (BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 23, BAGE 143, 107). Die Fremdnützigkeit ergibt sich in diesem Fall aus der Weisung des Arbeitgebers, die Arbeitskleidung erst im Betrieb anzulegen und sich dort an einer zwingend vorgegebenen, vom Arbeitsplatz getrennten Umkleidestelle umzuziehen (BAG 10. November 2009 - 1 ABR 54/08 - Rn. 15; 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 23, aaO; 17. November 2015 - 1 ABR 76/13 - Rn. 25, BAGE 153, 225).

13

b) Das Umkleiden und das Zurücklegen der damit verbundenen innerbetrieblichen Wege sind danach Teil der vom Kläger geschuldeten Arbeitsleistung.

14

aa) Dem Kläger wurde von der Beklagten im Rahmen des ihr zustehenden Weisungsrechts abverlangt, eine bestimmte Arbeitskleidung zu tragen. Er war nach § 1 Arbeitsvertrag verpflichtet, seine Tätigkeit mit „sauberer und vollständiger“ Dienstkleidung anzutreten. Nach den Vorgaben der Beklagten durfte er sie erst in den eigens dafür vorgesehenen Räumlichkeiten auf dem Betriebsgelände anlegen und musste sie dort ablegen. Das Tragen der Arbeitskleidung stand in unmittelbarem Zusammenhang mit der eigentlichen Tätigkeit des Klägers. Es entsprach den bei der Produktion von Lebensmitteln geltenden Hygienevorschriften und diente den Interessen der Beklagten.

15

bb) Die Beklagte hat, indem sie - getrennt vom eigentlichen Arbeitsplatz des Klägers - eine Ausgabestelle für die Arbeitskleidung und Umkleideräume einrichtete, die Arbeit so organisiert, dass sie dort begann und endete. Der Weg von der Ausgabestelle zum eigentlichen Arbeitsplatz ist deshalb nicht dem Arbeitsweg zuzurechnen (vgl. hierzu BAG 28. Juli 1994 - 6 AZR 220/94 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 77, 285; 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 23, BAGE 143, 107).

16

3. Die Vergütungspflicht war nicht abbedungen oder abweichend geregelt.

17

a) Grundsätzlich kann durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentliche Tätigkeit getroffen werden (BAG 12. Dezember 2012 - 5 AZR 355/12 - Rn. 18; 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 30).

18

b) Tarifliche Regelungen finden auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung. § 1 Arbeitsvertrag schließt die Vergütungspflicht für das Umkleiden und Zurücklegen der damit verbundenen innerbetrieblichen Wege nicht aus. Dies ergibt die Auslegung des Arbeitsvertrags, bei dessen Bestimmungen es sich nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts um Allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB) handelt.

19

aa) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind - ausgehend vom Wortlaut - nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Parteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist durch das Revisionsgericht uneingeschränkt überprüfbar (BAG 21. Januar 2015 - 10 AZR 84/14 - Rn. 26, BAGE 150, 286; 18. November 2015 - 5 AZR 814/14 - Rn. 46; 24. Februar 2016 - 5 AZR 258/14 - Rn. 26).

20

bb) Nach diesen Auslegungsgrundsätzen bezieht sich § 1 Arbeitsvertrag nur auf Leistungsentgelte und nicht auf den dem Kläger zugesagten Stundenlohn.

21

(1) Leistungsentgelte sind nach allgemeinem juristischen Verständnis solche Vergütungen, bei denen die Leistung des Arbeitnehmers gemessen und mit einer Bezugsleistung verglichen wird, also sich die Höhe der Vergütung unmittelbar nach dem Verhältnis beider Leistungen zueinander bestimmt (st. Rspr., vgl. BAG 15. Mai 2001 - 1 ABR 39/00 - zu B II 1 a der Gründe, BAGE 97, 379; Fitting BetrVG 28. Aufl. § 87 Rn. 530; ErfK/Kania 17. Aufl. § 87 BetrVG Rn. 127).

22

(2) Die Regelung in § 1 Arbeitsvertrag „die Wegezeiten zu bzw. von den Stempeluhren oder Pausenräumen sind leistungsentgeltfrei“ erfasst nicht den im Arbeitsvertrag vereinbarten Stundenlohn.

23

(a) Bedient sich der Arbeitgeber in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Rechtsbegriffs, der im juristischen Sprachgebrauch eine bestimmte Bedeutung hat, ist der Begriff in seiner allgemeinen juristischen Bedeutung auszulegen, sofern sich nicht aus dem Sinnzusammenhang der Klausel etwas anderes ergibt (vgl. Schaub/Linck ArbR-HdB 16. Aufl. § 35 Rn. 30; zur Auslegung von Tarifverträgen BAG 17. März 2010 - 5 AZR 317/09 - Rn. 13, BAGE 133, 337; 22. Juli 2010 - 6 AZR 78/09 - Rn. 20, BAGE 135, 179; 16. April 2014 - 4 AZR 802/11 - Rn. 24, BAGE 148, 68; 19. November 2014 - 5 AZR 121/13 - Rn. 18, BAGE 150, 88).

24

(b) Bei der dem Kläger zugesagten Vergütung handelt es sich nicht um ein Leistungsentgelt. Der Stundenlohn ist dem Kläger, unabhängig von der Relation seiner Leistung zu einer Bezugsleistung, als Gegenleistung für die Arbeitsleistung zu zahlen. Für ein vom juristischen Sprachgebrauch abweichendes Verständnis bietet weder § 1 Arbeitsvertrag noch der Sinnzusammenhang der Klausel Anhaltspunkte.

25

(3) Dem gefundenen Auslegungsergebnis steht nicht entgegen, dass dem Kläger kein Leistungsentgelt, sondern ausschließlich ein Stundenentgelt geschuldet ist. Allgemeine Geschäftsbedingungen werden der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags vom Verwender als für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen gestellt. Ein durchschnittlicher Arbeitnehmer muss, selbst wenn in seinem Fall nur eine leistungsunabhängige Vergütung vereinbart ist, nicht davon ausgehen, der Rechtsbegriff „leistungsentgeltfrei“ sei erweiternd dahingehend auszulegen, auch nicht leistungsbezogene Vergütungsbestandteile seien erfasst.

26

cc) Angesichts der Eindeutigkeit der Regelung ist für die Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB kein Raum. Die Unklarheitenregelung setzt voraus, dass die Auslegung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (BAG 9. Juni 2010 - 5 AZR 332/09 - Rn. 39; 21. Januar 2015 - 10 AZR 84/14 - Rn. 26, BAGE 150, 286; 9. Dezember 2015 - 7 AZR 68/14 - Rn. 13; 24. Februar 2016 - 5 AZR 258/14 - Rn. 30). Im Übrigen führte diese gesetzliche Auslegungsregel zum selben Ergebnis.

27

4. Die Vorinstanzen haben den zeitlichen Umfang der vergütungspflichtigen Umkleide- und Wegezeit rechtsfehlerfrei unter Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO ermittelt.

28

a) Vergütungspflichtig ist die Zeit, die für das An- und Ablegen der Arbeitskleidung und das Zurücklegen der damit verbundenen innerbetrieblichen Wege erforderlich ist (vgl. BAG 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 26). Zur Ermittlung der Zeitspanne ist ein modifizierter subjektiver Maßstab anzulegen, denn der Arbeitnehmer darf seine Leistungspflicht nicht frei selbst bestimmen, sondern muss unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten. „Erforderlich“ ist nur die Zeit, die der einzelne Arbeitnehmer für das Umkleiden und den Weg zur und von der Umkleidestelle im Rahmen der objektiven Gegebenheiten unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit benötigt (BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 24, BAGE 143, 107; 12. November 2013 - 1 ABR 59/12 - Rn. 48, BAGE 146, 271; 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 47). Bei Ermittlung der erforderlichen Zeit gilt es, die Variablen des Umkleidevorgangs zu berücksichtigen. Hierzu gehören ua. die Fragen, welche Privatkleidung je nach Jahreszeit der Arbeitnehmer zuvor getragen hat und welche Wartezeiten (auf die Ausgabe der Kleidung, auf Aufzüge etc.) notwendigerweise entstehen (BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 41, aaO).

29

b) Die unter Beachtung der vorgenannten Grundsätze vorgenommene Schätzung der erforderlichen Umkleide- und Wegezeit nach § 287 Abs. 2 ZPO hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

30

aa) Der Arbeitnehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass Umkleide- und Wegezeiten angefallen sind, vom Arbeitgeber veranlasst wurden und im geltend gemachten Umfang erforderlich waren (vgl. BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 25 ff., BAGE 141, 330; 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 15 ff.).

31

bb) Steht fest (§ 286 ZPO), dass Umkleide- und Wegezeiten auf Veranlassung des Arbeitgebers entstanden sind, kann aber der Arbeitnehmer seiner Darlegungs- oder Beweislast für den zeitlichen Umfang, in dem diese erforderlich waren, nicht in jeder Hinsicht genügen, darf das Gericht die erforderlichen Umkleide- und damit verbundenen Wegezeiten nach § 287 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO schätzen (vgl. BAG 21. Mai 1980 - 5 AZR 194/78 - zu 4 a der Gründe; 25. März 2015 - 5 AZR 602/13 - Rn. 18, BAGE 151, 180; aA Franzen NZA 2016, 136, 140). § 287 ZPO bietet damit Erleichterungen für das Beweismaß und das Verfahren, hat aber keine Auswirkungen auf die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Die Norm dehnt das richterliche Ermessen für die Feststellung der Forderungshöhe über die Schranken des § 286 ZPO aus(vgl. BAG 26. September 2012 - 10 AZR 370/10 - Rn. 19, 22 mwN, BAGE 143, 165). Zudem reicht bei der Entscheidung über die Höhe einer Forderung - im Unterschied zu den strengen Anforderungen des § 286 Abs. 1 ZPO - eine erhebliche, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit für die richterliche Überzeugungsbildung aus(vgl. BGH 17. Dezember 2014 - VIII ZR 88/13 - Rn. 45).

32

(1) Nach § 287 Abs. 2 ZPO gelten die Vorschriften des § 287 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten entsprechend. Die Vorschrift erlaubt damit auch die Schätzung des Umfangs von Erfüllungsansprüchen, wenn unter den Parteien die Höhe der Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände entweder mit Schwierigkeiten, die zu der Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stehen, verbunden (BAG 25. März 2015 - 5 AZR 602/13 - Rn. 20, BAGE 151, 180) oder unmöglich ist (BGH 29. Juni 1961 - VII ZR 32/60 -; Stein/Jonas/Leipold ZPO 22. Aufl. § 287 Rn. 29; Wieczorek/Schütze/Ahrens 4. Aufl. § 287 ZPO Rn. 61). Das Tatsachengericht muss unter Würdigung aller Umstände entscheiden, ob nach seiner Überzeugung Umkleide- und Wegezeiten entstanden sind und in welchem Umfang sie erforderlich waren. Es hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu beurteilen, ob Beweis zu erheben ist oder auf Grundlage des festgestellten Sachverhalts nach § 287 Abs. 2 ZPO nicht wenigstens die Schätzung eines Mindestumfangs benötigter Umkleide- und Wegezeiten möglich ist.

33

(2) Die Vorinstanzen haben die Voraussetzungen einer Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO zu Recht bejaht.

34

(a) Eine Schätzung hat zu unterbleiben, wenn sie mangels jeglicher konkreter Anhaltspunkte vollkommen „in der Luft hinge“ und daher willkürlich wäre. Die für eine Schätzung unabdingbaren Anknüpfungstatsachen muss derjenige, der den Erfüllungsanspruch geltend macht, darlegen und beweisen (vgl. BAG 25. März 2015 - 5 AZR 602/13 - Rn. 19, BAGE 151, 180; BGH 17. Dezember 2014 - VIII ZR 88/13 - Rn. 46 mwN).

35

(b) Der Umkleidevorgang, den der Kläger auf Weisung der Beklagten jeweils vor Beginn und nach Ende des Arbeitstags vollziehen musste und die mit diesem verbundenen innerbetrieblichen Wege, als die für eine Schätzung unerlässlichen Anknüpfungstatsachen, sind vorliegend festgestellt und stehen außer Streit. Die Parteien streiten allein über die hierfür arbeitstäglich erforderliche Zeit, die sich nachträglich nicht weiter belegen lässt.

36

(3) Die von den Tatsacheninstanzen vorgenommene Schätzung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

37

(a) Eine vom Tatsachengericht gemäß § 287 Abs. 2 ZPO nach freier Überzeugung vorzunehmende Schätzung unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung. Ob das Tatsachengericht das Mindestmaß der erforderlichen Umkleide- und Wegezeiten zutreffend geschätzt hat, ist nur auf Ermessensüberschreitung dahingehend zu überprüfen, ob das Tatsachengericht wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder der Schätzung unrichtige oder unbewiesene Anknüpfungstatsachen zugrunde gelegt hat und damit die Schätzung mangels konkreter Anhaltspunkte völlig „in der Luft hängt“, also willkürlich ist (vgl. BAG 26. September 2012 - 10 AZR 370/10 - Rn. 25 mwN, BAGE 143, 165; 25. März 2015 - 5 AZR 602/13 - Rn. 24, BAGE 151, 180).

38

(b) Die von den Vorinstanzen vorgenommene Schätzung der arbeitstäglichen Umkleide- und Wegezeiten auf 27 Minuten ist frei von Rechtsfehlern. Die Revision zeigt keine Umstände auf, die die Schätzung als willkürlich gegriffen erscheinen ließe. Die Beklagte behauptet nicht, die auf den festgestellten und zudem unstreitigen Anknüpfungstatsachen sowie dem Ergebnis der vom Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme beruhende Schätzung sei rechtsfehlerhaft oder lasse Variablen des Umkleidevorgangs außer Acht.

39

5. Gegen die Berechnung der Anspruchshöhe, der die festgestellte Zahl der Arbeitstage, der Stundenlohn des Klägers und die durch Schätzung als erforderlich ermittelten Umkleide- und Wegezeiten zugrunde liegen, hat die Revision keine Angriffe erhoben.

40

II. Der Anspruch des Klägers ist nicht verwirkt.

41

1. Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung und soll dem Bedürfnis nach Rechtsklarheit dienen. Sie hat nicht den Zweck, Schuldner, denen gegenüber Gläubiger ihre Rechte längere Zeit nicht geltend gemacht haben, von ihrer Pflicht zur Leistung vorzeitig zu befreien. Deshalb kann allein der Zeitablauf die Verwirkung eines Rechts nicht rechtfertigen (Zeitmoment). Es müssen vielmehr besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten hinzutreten (Umstandsmoment), die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen. Der Berechtigte muss unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erwecken konnten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Durch die Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Die Verwirkung dient dem Vertrauensschutz. Weiterhin muss - als Zumutbarkeitsmoment - das Erfordernis des Vertrauensschutzes das Interesse des Berechtigten an einer sachlichen Prüfung des von ihm behaupteten Anspruchs derart überwiegen, dass dem in Anspruch Genommenen die Erfüllung des Anspruchs oder die Einlassung auf die Klage nicht mehr zuzumuten ist (BAG 25. April 2006 - 3 AZR 372/05 - Rn. 20, BAGE 118, 51; 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 43; 25. September 2013 - 5 AZR 936/12 - Rn. 15; 24. August 2016 - 5 AZR 129/16 - Rn. 60).

42

2. Eine Verwirkung scheidet vorliegend schon deshalb aus, weil sich aus dem Vorbringen der Beklagten und dem unstreitigen Sachverhalt keine Tatsachen ergeben, die geeignet wären, die Annahme zu rechtfertigen, der Beklagten sei es aufgrund eigener Dispositionen „unzumutbar“ geworden (vgl. BAG 25. September 2013 - 5 AZR 936/12 - Rn. 28; 24. August 2016 - 5 AZR 129/16 - Rn. 60), die Ansprüche des Klägers zu erfüllen.

43

III. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, § 187 Abs. 1 BGB.

44

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Weber     

        

    Volk     

        

        

        

    A. Christen     

        

    Pollert    

                 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 9. Mai 2011 - 7 Sa 1698/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Rahmen eines „Pilotverfahrens“ über Sonderzuwendungen aus Dienstzeitzuschlägen.

2

Der Kläger trat 1985 als Busfahrer in die Dienste einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, mit der das Arbeitsverhältnis sei Januar 1999 besteht.

3

Die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerinnen zahlten an den Kläger eine jährliche Weihnachtszuwendung aufgrund Tarifvertrags sowie eine weitere Jahressonderzuwendung, zunächst auf der Grundlage der ab 1. Januar 1992 geltenden Betriebsvereinbarung Nr. 20, seit dem Jahr 2002 auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 21. Dezember 2001.

4

§ 14 Abs. 1 des Rahmentarifvertrags für die Versorgungs- und Verkehrsunternehmen vom 31. März 2006 (RTV AVE 2006) - der vorausgegangene Tarifvertrag enthielt eine gleichlautende Regelung - lautet:

        

„Die Arbeitnehmer erhalten anlässlich des Weihnachtsfestes eine Weihnachtszuwendung mindestens in Höhe von 60 % der laufenden Arbeitsbezüge eines Monats. Diese Weihnachtszuwendung erhöht sich im 2. Dienstjahr auf 80 % und im 3. Dienstjahr auf 100 % der laufenden Arbeitsbezüge eines Monats.“

5

Die „laufenden Arbeitsbezüge“ definierte der Rahmentarifvertrag für die Versorgungs- und Verkehrsunternehmen vom 1. Juli 2002 ( RTV AVE 2002) in der bis zum 30. April 2006 geltenden Fassung in § 9 Abs. 2 wie folgt:

        

„Die laufenden Arbeitsbezüge bestehen aus der nach dem Vergütungstarifvertrag für die regelmäßige Arbeitszeit zu zahlenden Tabellenvergütung sowie aus etwaigen, ständig wiederkehrenden Arbeitszulagen und -zuschlägen (z. B. Dauerzulagen, Schichtzulagen, Fahrdienstzulagen, ständige Prämien). Nur zeitweise zu zahlende Arbeitsbezüge (z. B. stundenweise anfallende Zeit- und Erschwerniszuschläge) rechnen nicht zu den laufenden Bezügen, es sei denn, dass sie pauschaliert sind.“

6

In § 8 Abs. 2 des RTV AVE 2006 in der seit dem 1. Mai 2006 geltenden Fassung sind die „laufenden Arbeitsbezüge“ wie folgt beschrieben:

        

„Die laufenden Arbeitsbezüge bestehen aus der nach dem Vergütungstarifvertrag für die regelmäßige Arbeitszeit zu zahlenden Tabellenvergütung sowie aus etwaigen, ständig wiederkehrenden Arbeitszulagen und -zuschlägen (z. B. Dauerzulagen, Schichtzulagen). Nur zeitweise zu zahlende Arbeitsbezüge (z. B. stundenweise anfallende Zeitzuschläge nach § 10 und Erschwerniszuschläge) rechnen nicht zu den laufenden Bezügen, es sei denn, dass sie pauschaliert sind.“

7

Die - die weitere Sonderzuwendung betreffende - Regelung in der Betriebsvereinbarung von 2001 lautet:

        

„2.     

Die Sonderzuwendung beträgt 100 % der laufenden Arbeitsbezüge gemäß § 9 Abs. 2 Rahmentarifvertrag ohne Sozialzulagen im Monat Dezember des Geschäftsjahres, für das die Sonderzuwendung gewährt wird. Sie wird mit der April-Vergütung des folgenden Jahres ausgezahlt.“

8

In den Lohnabrechnungen des Klägers ist die tarifliche Sonderzuwendung jeweils als „Weihnachtszuwendung“, die in der Betriebsvereinbarung geregelte Zahlung als „Sonderzuwendung“ aufgeführt.

9

Der Kläger und die anderen bei der Beklagten beschäftigten Busfahrer erhielten jedenfalls seit 1991 bis zum Jahr 2005 vorbehaltlos mit der Weihnachtszuwendung in tariflicher Höhe und der Sonderzuwendung in durch die Betriebsvereinbarung geregelter Höhe jeweils zusätzlich weitere Sonderzahlungen. Sie waren in den Lohnabrechnungen unmittelbar jeweils unterhalb der Weihnachts- bzw. Sonderzuwendung als „Weihnachtszuw. a. D-Zusch“ bzw. „Sonderzuw. aus D-Zuschl“ getrennt ausgewiesen. Die Beklagte berechnete diese zusätzlich gezahlten Beträge auf der Grundlage der nach der tariflichen Definition nicht zu den laufenden Arbeitsbezügen zählenden Dienstzeitzuschläge. Ab November 2006 erbrachte die Beklagte keine zusätzlichen Leistungen aus Dienstzeitzuschlägen mehr.

10

Mit seiner Klage macht der Kläger diese zusätzlichen Weihnachtszuwendungen aus Dienstzeitzuschlägen für die Jahre 2006, 2007, 2008 und 2009 sowie die zusätzlichen Sonderzuwendungen aus Dienstzeitzuschlägen für die Jahre 2007, 2008 und 2009 in unstreitiger Höhe geltend.

11

Vorprozessual hatten die Parteien sich zunächst darauf verständigt, den Ausgang eines Rechtsstreits vor dem Bundesarbeitsgericht (- 10 AZR 395/08 -) abzuwarten, in dem es bei im Wesentlichen identischer Tatsachenlage ebenfalls um Weihnachts- und Sonderzuwendungen aus Dienstzeitzuschlägen ging. Nachdem jener Rechtsstreit durch Zurückweisung der Revision rechtskräftig im Sinne der dortigen Klagepartei entschieden war (BAG 1. April 2009 - 10 AZR 395/08 -; ebenso: 1. April 2009 - 10 AZR 393/08 - AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 84), erklärte die Beklagte, dass sie sich dieser Entscheidung nicht unterwerfen wolle. Daraufhin schlossen die Beklagte und die ua. den Kläger vertretende Gewerkschaft eine Vereinbarung zur Durchführung des vorliegenden Rechtsstreits als „Musterverfahren“.

12

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er könne die zusätzlichen Weihnachts- und Sonderzuwendungen aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung verlangen. Die gesonderte Ausweisung der betreffenden Zahlungen in den Abrechnungen sei von den Empfängern der Zahlungen nur in dem Sinne zu verstehen gewesen, dass der Arbeitgeber sich damit über die kollektivrechtlichen Ansprüche hinaus zu weiteren Leistungen habe verpflichten wollen.

13

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.740,23 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 540,31 Euro ab 1. Dezember 2006, aus 444,18 Euro ab 1. Dezember 2007, aus 545,96 Euro ab 1. Dezember 2008, aus 610,75 Euro seit 1. Dezember 2009 sowie aus 529,39 Euro ab 1. Mai 2007, aus 473,53 Euro ab 1. Mai 2008 und aus 596,11 Euro ab 1. Mai 2009 zu zahlen.

14

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, den zusätzlichen Zahlungen habe ein Irrtum zugrunde gelegen. Sie und ihre Rechtsvorgängerinnen hätten die falsche Vorstellung gehabt, sie seien auf kollektivrechtlicher Grundlage zur Zahlung der Zuwendungen in erfolgter Höhe verpflichtet. Selbst ihre Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sei bei einer Revision im Jahr 2000 davon ausgegangen, dass es sich um kollektivrechtlich geschuldete Leistungen gehandelt habe. Dies stehe der Annahme einer betrieblichen Übung entgegen. Durch die Verwendung der Begriffe „Weihnachtszuwendung“ und „Sonderzuwendung“ habe sie auch erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass sie nur die rechtlichen Verpflichtungen aus dem Tarifvertrag und der Betriebsvereinbarung habe erfüllen wollen. Daher habe ihrem tatsächlichen Verhalten auch aus der Sicht der Arbeitnehmer nicht der Wille zugrunde gelegen, eine bestimmte übertarifliche Leistung zu erbringen.

15

Das Arbeitsgericht hat nach dem Klageantrag erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben richtig entschieden.

17

I. Die Klage ist begründet. Dem Kläger stehen die erhobenen Ansprüche zu. Sie finden ihre Rechtsgrundlage im Arbeitsvertrag der Parteien (§ 611 BGB)iVm. den Grundsätzen der betrieblichen Übung.

18

1. Ansprüche der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber können durch die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen (insbesondere Zahlungen) des Arbeitgebers begründet werden, wenn die Arbeitnehmer aus diesen Verhaltensweisen schließen können, ihnen solle ein Anspruch auf eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden (betriebliche Übung).

19

a) Aus einem solchen als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte. Entstehung und Inhalt einer betrieblichen Übung unterliegen der unbeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht (BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 670/10 - Rn. 18, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 56; 19. Oktober 2011 - 5 AZR 359/10 - Rn. 13, EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 14).

20

b) Grundsätzlich kann eine betriebliche Übung auch bezüglich übertariflicher Leistungen und übertariflicher Anteile einer einheitlichen Leistung entstehen (BAG 24. März 2010 - 10 AZR 43/09 - Rn. 17, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 90 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 13). Dem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers muss aber aus der Sicht der Arbeitnehmer der Wille zugrunde liegen, eine bestimmte übertarifliche Leistung zu erbringen. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass nicht der Arbeitgeber die Darlegungslast dafür trägt, dass er für den Arbeitnehmer erkennbar irrtümlich glaubte, die betreffenden Leistungen in Erfüllung tarifvertraglicher oder sonstiger Pflichten erbringen zu müssen. Vielmehr ist es Sache der klagenden Partei, die Anspruchsvoraussetzungen darzulegen. Dazu gehört im Falle der betrieblichen Übung auch die Darlegung, dass das Verhalten des Arbeitgebers aus Sicht des Empfängers ausreichende Anhaltspunkte dafür bot, der Arbeitgeber wolle Zahlungen erbringen, ohne hierzu bereits aus anderen Gründen - etwa aufgrund eines Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung - verpflichtet zu sein (vgl. BAG 23. August 2011 - 3 AZR 650/09 - Rn. 58, AP BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 10 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 11). Erst wenn solche Darlegungen des Arbeitnehmers die Entstehung einer betrieblichen Übung belegen, ist es Sache des Arbeitgebers, dem durch geeigneten Vortrag entgegenzutreten.

21

2. Nach diesen Maßgaben ist die Beklagte im Streitfall vertraglich verpflichtet, an den Kläger zusätzlich zu den kollektivrechtlich begründeten Sonderzahlungen weitere Sonderzahlungen aus Dienstzeitzuschlägen zu leisten.

22

a) Der Kläger und die anderen Busfahrer erhielten jedenfalls seit Beginn der 90er Jahre vorbehaltlos höhere Zuwendungen als ihnen nach dem Tarifvertrag und der Betriebsvereinbarung zustanden. Die Beklagte hat in den dem Kläger erteilten Entgeltabrechnungen für November und April neben den kollektivrechtlich begründeten Zuwendungen jeweils eine Zuwendung aus Dienstzeitzuschlägen gesondert ausgewiesen. Eine kollektivrechtliche Grundlage für diese Zahlungen gab es nicht. Nach § 8 bzw. § 9 der jeweils einschlägigen Tarifverträge sollten die Dienstzeitzuschläge nicht in die Berechnung der laufenden Arbeitsbezüge eingehen. Werden bei dieser Lage Sonderzuwendungen einerseits über viele Jahre hinweg - hier seit über einem Jahrzehnt - in der tariflich korrekt berechneten Höhe, darüber hinaus aber gesondert abgerechnete Sonderzuwendungen in der nach der unzweideutigen Anordnung des Tarifvertrags nicht geschuldeten Höhe gezahlt, so muss der Arbeitnehmer davon ausgehen, dass diese Leistungen gerade nicht zur Erfüllung der kollektivrechtlich begründeten Pflichten erfolgen. Ihre gesonderte Ausweisung und die ausdrückliche, auf die tarifliche Differenzierung zwischen zu berücksichtigenden und nicht zu berücksichtigenden Zuschlägen hinweisende Bezeichnung kann aus der Sicht des Empfängers nur dahin verstanden werden, es handele sich um nach dem Tarifvertrag nicht geschuldete Leistungen (vgl. 1. April 2009 - 10 AZR 393/08 - Rn. 16, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 84).

23

b) Für eine - auch für die Arbeitnehmer erkennbare - irrtümliche Zahlung hat die Beklagte keine Anhaltspunkte vorgetragen. Angesichts des unstreitigen Sachverhalts mussten die Arbeitnehmer nicht von einem fehlerhaften Tarifverständnis bei der Beklagten ausgehen, sondern durften annehmen, die Beklagte wolle auf Dauer übertarifliche Leistungen erbringen.

24

aa) Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte auf die Entscheidung des Fünften Senats vom 17. März 2010 (- 5 AZR 317/09 - BAGE 133, 337). In diesem Fall hatte der Arbeitgeber über Jahre hinweg für den Ostersonntag Feiertagszuschläge gezahlt, und zwar in der Annahme, der Ostersonntag sei ein gesetzlicher Feiertag, was sich als Irrtum herausstellte. Die Höhe des Feiertagszuschlags ergab sich aus dem einschlägigen Tarifvertrag. Die Arbeitnehmer waren - wie vorher auch der Arbeitgeber - der Auffassung, der Ostersonntag sei ein Feiertag. Arbeitnehmer und Arbeitgeber waren einem gemeinsamen Irrtum erlegen und hatten die geleisteten Zahlungen als in Erfüllung tarifvertraglicher Ansprüche erfolgt angesehen. Deshalb hat der Fünfte Senat ausgeführt, die Arbeitnehmer hätten das Verhalten des Arbeitgebers nicht im Sinne eines Angebots zur Leistung von Zahlungen verstehen können, die über den tarifvertraglich begründeten Anspruch hinausgingen. Im Streitfall ist für eine vergleichbare Lage kein Anhaltspunkt gegeben.

25

bb) Ob, und wenn ja, welche für die Beklagte zu Entscheidungen befugte Personen tatsächlich einem Irrtum, also einer subjektiven Fehlvorstellung über die Einbeziehung von Zeitzuschlägen in die Berechnungsgrundlage für Sonderzahlungen, unterlegen sind, ist für sich genommen nicht maßgeblich. Es kommt nicht auf das Vorhandensein solcher Fehlvorstellungen an, sondern darauf, ob aus Sicht der Arbeitnehmer eine solche Fehlvorstellung vorlag und die Zahlung aus ihrer Sicht zur Erfüllung tariflicher bzw. aus der Betriebsvereinbarung folgender Ansprüche erfolgte. Dafür sind keine Anhaltspunkte festgestellt.

26

cc) Aus dem Vorbringen der Beklagten über die interne Zuordnung der für die „D-Zuschläge“ aufgewandten Personalkosten als tarifliche Leistungen mag sich ein Irrtum ergeben, der aber, wie leicht vermeidbar er auch gewesen sein mag, jedenfalls deshalb nicht zu einer anderen Beurteilung der hier maßgeblichen Frage führen kann, weil er für die Arbeitnehmer nicht erkennbar war. Dass die Beklagte die entsprechenden Vorgänge ihren Arbeitnehmern bekannt gegeben hätte oder dass sie auf andere Weise Zugang zu deren Kenntnis gehabt hätten, ist nicht festgestellt.

27

dd) Auch die Grundsätze zur korrigierenden Rückgruppierung, auf die sich die Beklagte bezogen hat, führen nicht zu einer anderen Beurteilung. Es entspricht zwar der ständigen Rechtsprechung, dass der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes regelmäßig keine übertarifliche Vergütung, sondern nur das gewähren will, was dem Arbeitnehmer tatsächlich zusteht (BAG 20. April 2011 - 4 AZR 368/09 - Rn. 33, AP BAT-O §§ 22, 23 Nr. 41; 24. Januar 2007 - 4 AZR 28/06 - Rn. 10, NZA-RR 2007, 495). Indes gehört die Beklagte jedenfalls nicht unmittelbar zum öffentlichen Dienst. Außerdem steht im Streitfall die über Jahre hinweg praktizierte Gewährung von Leistungen, auf die nach dem Tarifvertrag nicht nur kein Anspruch bestand, sondern auf die ein Anspruch ausgeschlossen war, in Rede. Dieses über Jahre beibehaltene Verhalten kann nicht mehr, wie die Mitteilung der Vergütungsgruppe bei Vertragsschluss, als reine Wissenserklärung angesehen werden, sondern hat die rechtliche Verbindlichkeit eines Vertragsangebots.

28

c) Ob die Voraussetzungen einer Irrtumsanfechtung nach § 119 BGB vorliegen(vgl. MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 611 Rn. 414 mwN), kann dahinstehen. Die Beklagte hat keine Anfechtungserklärung abgegeben. Sie hat auch keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich die Unverzüglichkeit einer solchen Erklärung ergäbe (§ 121 Abs. 1 BGB).

29

II. Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen der Beklagten nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Mikosch     

        

    W. Reinfelder     

        

        

        

    Fieback    

        

    Simon    

                 

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.