Landesarbeitsgericht Hamburg Urteil, 06. Juli 2015 - 8 Sa 53/14

bei uns veröffentlicht am06.07.2015

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 02.07.2014 (26 Ca 117/14) abgeändert:

Es wird festgestellt, dass der Kläger berechtigt ist, seine persönliche Schutzausrüstung nach dem Einstempeln zu Beginn der Schicht im Zeiterfassungsterminal anzulegen und vor dem Ausstempeln am Zeiterfassungsterminal abzulegen und dass die Beklagte verpflichtet ist, die mit Hilfe des Zeiterfassungsterminals erfassten Zeiten als Arbeitszeit gemäß MTV zu vergüten.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob Zeiten für das An- und Ablegen persönlicher Schutzausrüstung und die damit zusammenhängenden innerbetrieblichen Wegezeiten vergütungspflichtige Arbeitszeit sind.

2

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie, das in seinem Werk in Hamburg Arbeiten im Bereich des Warm- und Kaltwalzens von Aluminium inklusive Gießerei mit ca. 640 Mitarbeitern durchführt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Verbandsmitgliedschaft die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Anwendung, u.a. der Manteltarifvertrag für das Tarifgebiet Hamburg und Umgebung, Schleswig-Holstein, Mecklenburg Vorpommern, Stand Oktober 2008, vereinbart zwischen Nordmetall – Verband der Metall- und Elektroindustrie e.V. Hamburg und IG Metall, Bezirk Küste, Hamburg (nachfolgend MTV). Auszugsweise ist im MTV Folgendes geregelt:

3

§ 3 Arbeitszeit

4

1. Regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit

5

1.1. Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen beträgt

6

a) Für Hamburg und Umgebung sowie Schleswig-Holstein 35 Stunden
...

7

6. Pausen, Umkleiden und Waschen

8

Zeiten für Umkleiden und Waschen sowie Pausen sind keine Arbeitszeit, soweit nicht innerbetriebliche abweichende Regelungen getroffen werden.
...

9

§ 6 Mehr-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit

10

1. Mehrarbeit

11

Mehrarbeit ist die angeordnete Überschreitung der individuellen regelmäßigen täglichen Arbeitszeit, die bis zum Arbeitsbeginn des darauffolgenden Tages abgefordert wird.
...

12

Mehrarbeitszuschläge sind grundsätzlich in Geld zu vergüten.

13

§ 7 Zuschläge für Mehr, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit

14

1. Für Hamburg und Umgebung gilt:

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1.1. Höhe des Zuschlages

16

Die Beschäftigten erhalten je Stunde für angeordnete

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a) Mehrarbeit 25 % Zuschlag
...

18

2.6. Bei regelmäßiger Schichtarbeit ist die zur Übergabe der Schicht notwendige Zeit bis zu 30 Minuten mit dem Monatsentgelt abgegolten.

19

2.7. Eine gelegentliche unvorhergesehene Überschreitung der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ebenfalls mit dem Monatsentgelt abgegolten. Sie darf höchstens vier Stunden im Monat betragen.

20

Das gilt nicht für regelmäßig geleistete Mehrarbeitsstunden. ...“

21

Im Betrieb der Beklagten gilt die „Betriebsvereinbarung über gleitende Arbeitszeit vom 07.09.2006“ (nachfolgend: BV Arbeitszeit). Danach hat der Kläger eine regelmäßige tägliche Soll-Arbeitszeit von sieben Stunden. Die Erfassung der täglichen Arbeitszeit erfolgt mittels eines elektronischen Zeiterfassungssystems. Der Kläger ist verpflichtet, die Arbeitszeit in dem seinem Arbeitsplatz nächstgelegenen Terminal zu erfassen. Die sich aus der Differenz zwischen Kommt- und Geht-Zeit ergebende Anwesenheitszeit am Arbeitsplatz wird dem Arbeitszeitkonto des Klägers gutgeschrieben. Wegen der Einzelheiten dieser Regelung wird auf die Anlage A 1 (Bl. 12f d. A.) Bezug genommen.

22

Im Betrieb der Beklagten gilt weiterhin eine Anweisung zum Tragen von Arbeitskleidung, persönlicher Schutzausrüstung (PSA) und zusätzlicher Schutzausrüstung für Gießereimitarbeiter, Leiharbeitnehmer, Instandhaltung, Fremdfirmen und Besucher in Abhängigkeit von Gefährdung und Tätigkeit. Wegen deren Einzelheiten wird auf die Anlage A 2 (Bl. 16 ff. d. A.) Bezug genommen.

23

Der Kläger arbeitet in der Abteilung Instandhaltung. Er ist verpflichtet, persönliche Schutzausrüstung (PSA) zu tragen. Die für ihn vorgeschriebene Schutzkleidung umfasst Hosen, Arbeitsjacken, Socken, Schuhe, Arbeitshandschuhe, Schutzbrille, Helm sowie Gehörschutz.

24

Zum Zweck des An- und Ablegens der persönlichen Schutzausrüstung muss der Kläger nach Betreten des Betriebsgeländes zunächst zur Waschkaue gehen, die dort für ihn bereit liegende saubere PSA aus einem Wäschefach entnehmen, sich zu seinem Spint begeben, sich vollständig entkleiden und die Schutzkleidung anlegen. Wegen der dadurch veranlassten Wege des Klägers wird auf die Skizze und die Luftaufnahme des Betriebsgeländes der Beklagten, Anlage A 3 (Bl. 30 – 32 d. A.) Bezug genommen.

25

Das An- und Ablegen von Schutzkleidung ist auch für andere Mitarbeiter vorgeschrieben, sofern sie sich in gefährdete Betriebsbereiche begeben. Der Umfang der Schutzkleidung variiert danach, ob sie sich dort auf markierten Gehwegen bewegen oder diese verlassen. Mitarbeiter, die ihre Arbeit regelmäßig in ihrer privaten Kleidung verrichten, sind berechtigt, sich während der bezahlten Arbeitszeit umzukleiden, wenn sie Betriebsbereiche aufsuchen, in denen PSA vorgeschrieben ist. Bei diesen Mitarbeitern vergütet die Beklagten die zum An- und Ablegen der Schutzkleidung erforderliche Zeit als Arbeitszeit.

26

Der Kläger arbeitete in den Monaten September bis November 2013 insgesamt in 39 Schichten. Wegen der Zeitnachweislisten des Klägers aus diesem Zeitraum wird auf die Anlage A 7 (Bl. 36 – 38 d. A.) Bezug genommen.

27

Mit Schreiben vom 04.12.2013 machte der Kläger gegenüber der Beklagten geltend, er benötige pro Schicht mindestens 30 Minuten zum An- und Ablegen der Schutzkleidung und beanstandete, dass diese Zeit nicht als Arbeitszeit abgerechnet bzw. vergütet werde. Er verlangte, diese 30 Minuten pro Schicht ab dem 01.09.2013 seinem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben. Mit seiner am 11.03.2014 beim Arbeitsgericht erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

28

Der Kläger hat behauptet, er benötige unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit für das An- und Ablegen der PSA sowie für die damit verbundenen innerbetrieblichen Wegezeiten 30 Minuten pro Schicht. Er hat die Ansicht vertreten, diese Zeiten seien als vergütungspflichtige Arbeitszeit zu bewerten. Da das An- und Ablegen der PSA durch die Beklagte ausdrücklich angeordnet sei, handele es sich um eine angeordnete Überschreitung der individuellen regelmäßigen täglichen Arbeitszeit im Sinne des § 6 Ziff. 1 MTV und damit um Mehrarbeit.

29

Der Kläger hat beantragt,

30

1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 19,5 Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto/Freizeitkonto gutzuschreiben;

31

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 117,10 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2013 zu zahlen;

32

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger arbeitstäglich 30 Minuten für das An- und Ablegen von vorgeschriebener persönlicher Schutzausrüstung als Arbeitszeit zu vergüten und seinem Zeitkonto gutzuschreiben, und für 30 Minuten arbeitstäglich Mehrarbeitszuschläge gemäß § 6 MTV der Metallindustrie Hamburg zu zahlen;

33

hilfsweise zum Antrag zu 3.

34

festzustellen, dass der Kläger berechtigt ist, seine persönliche Schutzausrüstung nach dem Einstempeln zu Beginn der Schicht am Zeiterfassungsterminal anzulegen und vor dem Ausstempeln am Zeiterfassungsterminal abzulegen und dass die Beklagte verpflichtet ist, die mit Hilfe des Zeiterfassungsterminals erfassten Zeiten als Arbeitszeit gemäß MTV zu vergüten;

35

weiter hilfsweise

36

festzustellen, dass die unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Klägers erforderlichen Zeiten für das An- und Ablegen von vorgeschriebener persönlicher Schutzausrüstung einschließlich der innerbetrieblichen Wegezeiten von der Waschkaue zum Arbeitsbereich vergütungspflichtige Arbeitszeiten sind.

37

Die Beklagte hat beantragt,

38

die Klage abzuweisen.

39

Sie hat die Ansicht vertreten, die Tarifvertragsparteien hätten im Rahmen ihrer Kompetenzen mit § 3 Ziff. 6 MTV die Umkleidezeiten von der Vergütungspflicht ausgenommen.

40

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz wird gemäß § 69 II ArbGG auf die Feststellungen des Arbeitsgerichts (Bl. 88 – 95 d.A.) Bezug genommen.

41

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Anträge des Klägers seien – soweit zulässig – unbegründet, da die Zeiten für das An- und Ablegen der Schutzkleidung sowie für die innerbetrieblichen Wege keine vergütungspflichtige Arbeitszeit seien.

42

Zwar seien die Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten Arbeitszeit im Sinne des § 2 I ArbZG. Diese seien aber nicht vergütungspflichtig. Die Tarifvertragsparteien hätten im Rahmen ihrer Kompetenz die Umkleidezeiten und damit zwangsläufig auch die innerbetrieblichen Wegezeiten durch die Regelung des § 3 Ziff. 6 MTV aus der Vergütungspflicht ausgenommen. Es handele sich nicht um eine abweichende Definition der Arbeitszeit im Sinne von § 2 I ArbZG, sondern um die Festlegung, welcher Teil der Arbeitszeit der tariflichen Vergütungspflicht unterfalle. Der Begriff des „Umkleidens“ i.S.v. § 3 Ziff. 6 MTV erfasse betrieblich veranlasste Umkleidezeiten. Das Wechseln von privater Kleidung und PSA falle unter den Begriff „Umkleiden“.

43

Der Kläger habe auch unter dem Gesichtspunkt des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes keinen Anspruch auf Vergütung der Umkleide- bzw. Wegezeiten. Es werde zwar zwischen Mitarbeitern unterschieden, die vor bzw. nach Beginn ihrer Arbeitszeit Schutzkleidung an- bzw. ablegen und jenen, die dies während der Arbeitszeit erledigen müssten. Diese Differenzierung sei aber sachgerecht und praktikabel, da die Mitarbeiter, die zwischendurch aus besonderem Grund Schutzkleidung an- und ablegen müssten, andernfalls erst ausstempeln und dann wieder einstempeln müssten. Dies sei als abweichende innerbetriebliche Regelung gemäß § 3 Ziff. 6 MTV auch von der Kompetenz der Arbeitgeberin gedeckt.

44

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 95 bis 104 d.A.) Bezug genommen.

45

Gegen das am 02.07.2014 verkündete und der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 25.07.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.08.2014 Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 25.10.2014 – am 24.10.2014 begründet.

46

Der Kläger wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag. Ergänzend meint er, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass § 3 Ziff. 6 MTV eine Entgeltregelung darstelle. Die entsprechende Auslegung des § 3 Ziff. 6 MTV durch das Arbeitsgericht sei durch den Wortlaut nicht gedeckt. Auch ergebe sich daraus nicht, dass mit der Regelung nur das vor- und nachgelagerte Umkleiden gemeint sei. Die Auslegung des Arbeitsgerichts vertrage sich auch nicht mit der Systematik des Tarifvertrages, da die wöchentliche Arbeitsverpflichtung 35 Stunden betrage und es gemäß § 3 Ziff. 1 MTV unzulässig sei, diese wöchentliche Arbeitszeit gegen den Willen des Mitarbeiters zu verlängern. § 3 Ziff. 6 MTV habe den Zweck, dass Dinge, die nicht zur Arbeitszeit gehörten, auf betrieblicher Ebene zu vergütungspflichtiger Arbeitszeit gemacht werden könnten. § 7 MTV enthalte dagegen eine Entgeltregelung. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht für die Auslegung eine jahrelange Praxis der Metallindustrie herangezogen, die weder vorgetragen noch unstreitig sei.

47

Das Bundesarbeitsgericht habe entschieden, dass grundsätzlich jede Arbeitsverpflichtung gemäß § 611 BGB zu vergüten sei. Es sei unzulässig, aus einer – unterstellten – jahrelangen Praxis zu schließen, die Tarifvertragsparteien hätten eine Ausnahmeregelung zu § 611 BGB bzw. § 2 ArbZG treffen wollen.

48

Auch begrifflich stelle das An- und Ablegen von Schutzausrüstung kein „Umkleiden“ im Sinne des § 3 Ziff. 6 MTV dar. Damit sei das private Umkleiden gemeint. Dies ergebe sich bereits daraus, dass der MTV in diesem Punkt älter sei als das Arbeitsschutzgesetz. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Üblichkeit, denn das Anlegen von PSA erfordere nicht üblicherweise auch das Ablegen von privater Kleidung.

49

Die Auslegung des Arbeitsgerichts führe dazu, dass Mitarbeiter die bereits vor Arbeitsbeginn wegen der erhöhten Gefährdung durch ihren Arbeitsplatz PSA anlegen bzw. diese nach Arbeitsbeginn ablegen müssten, benachteiligt würden. Sie hätten im Gegensatz zu Mitarbeitern mit ungefährlicher Arbeit eine um 2,5 Stunden erhöhte Wochenarbeitszeit. Dies verstoße gegen die Festlegung der Wochenarbeitszeit in § 3 Ziff. 1 in Verbindung mit § 8 und § 7 MTV.

50

Schließlich verstoße die Auslegung des § 3 Ziff. 6 MTV durch das Arbeitsgericht gegen die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers aus § 3 ArbSchG.

51

Der MTV schaffe auch keine Ausnahmeregelung für die innerbetrieblichen Wegezeiten als nicht vergütungspflichtige Arbeitszeit. Diese sei von § 3 Ziff. 6 MTV schon nach dem Wortlaut nicht geregelt.

52

Der Antrag zu 1. sei entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts zulässig. Aus der als Anlage A 1 vorgelegten Betriebsvereinbarung ergebe sich, dass ein Arbeitszeitkonto im Betrieb nur als „Zeitkonto“ bezeichnet werde. Der Kläger habe auch zu Recht sowohl die entsprechenden Zeitgutschriften auf seinem Konto als auch die Abgeltung entsprechender Mehrarbeit verlangt. Der Anspruch ergebe sich aus der Betriebsvereinbarung über Gleitzeit und aus § 6 Ziff. 1 MTV. Die Anordnung von Mehrarbeit ergebe sich aus der Anweisung zum An- und Ablegen der PSA in der Waschkaue. Auch nach § 15 ArbSchG sei das Anlegen von Schutzkleidung vorgeschrieben.

53

Der Kläger beantragt,

54

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hamburg vom 02.07.2014 – 8 Ca 117/14 –,

55

1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 19,5 Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto gemäß der Betriebsvereinbarung über gleitende Arbeitszeit vom 07.09.2006 / Freizeitausgleichskonto gutzuschreiben;

56

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 117,10 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2013 zu zahlen;

57

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger arbeitstäglich 30 Minuten für das An- und Ablegen von vorgeschriebener persönlicher Schutzausrüstung als Arbeitszeit zu vergüten und seinem Zeitkonto gutzuschreiben, und für 30 Minuten arbeitstäglich Mehrarbeitszuschläge gemäß § 6 MTV der Metallindustrie Hamburg zu zahlen;

58

hilfsweise zum Antrag zu 3.

59

festzustellen, dass der Kläger berechtigt ist, seine persönliche Schutzausrüstung nach dem Einstempeln zu Beginn der Schicht am Zeiterfassungsterminal anzulegen und vor dem Ausstempeln am Zeiterfassungsterminal abzulegen und dass die Beklagte verpflichtet ist, die mit Hilfe des Zeiterfassungsterminals erfassten Zeiten als Arbeitszeit gemäß MTV zu vergüten;

60

weiter hilfsweise

61

festzustellen, dass die unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Klägers erforderlichen Zeiten für das An- und Ablegen von vorgeschriebener persönlicher Schutzausrüstung einschließlich der innerbetrieblichen Wegezeiten von der Waschkaue zum Arbeitsbereich vergütungspflichtige Arbeitszeiten sind.

62

Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

64

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und weist darauf hin, dass der Wortlaut von § 3 Ziff. 6 MTV seit 1988 unverändert gelte. Eine Änderung des Wortlauts der Regelung sei weder nach dem Inkrafttreten des Arbeitsschutzgesetzes 1996 noch anlässlich der Änderung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Vergütungspflicht fremdnütziger Umkleidezeiten erforderlich gewesen. Es entspreche herrschender Meinung in der Literatur, dass Maßnahmen im Sinne des § 3 ArbSchG nur die Arbeitsmittel beträfen.

65

Die Regelung des § 3 Ziff. 6 MTV verursache als solche keine Ungleichbehandlung. Eine tatsächliche Ungleichbehandlung von Mitarbeitern, die sich vor- und nachgelagert umkleiden müssten und Mitarbeitern, die das während der Arbeitszeit tun könnten, sei im Übrigen durch § 13 ERA kompensiert. Dieser sehe Zuschläge für Mitarbeiter vor, die mit Schutzausrüstung besonders gefährdeter Arbeit nachgingen.

66

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Die Hauptanträge des Klägers sind unbegründet (I-III). Der erste Hilfsantrag ist begründet (IV).

I.

68

Der Antrag des Klägers, ihm 19,5 Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben, ist zulässig, jedoch nicht begründet.

69

1. Abweichend vom Arbeitsgericht hat die Berufungskammer keine Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrags.

70

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, ist der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“ hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 II Nr. 2 ZPO, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können. Allerdings ist dafür eine Konkretisierung des Leistungsbegehrens erforderlich, an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll (BAG v. 19.03.2014 – 5 AZR 954/12 – Tz 16; Urt. v. 21.03.2012 – 5 AZR 676/11 – Tz 10; Urt. v. 10.11.2010 − 5 AZR 766/09 – Tz 11).

71

b) Dieser Konkretisierungsobliegenheit ist der Kläger nachgekommen, indem er das Arbeitszeitkonto als das Arbeitszeitkonto nach der als Anlage A 1 (Bl. 12f d. A.) vorgelegten Betriebsvereinbarung über gleitende Arbeitszeit vom 07.09.2006 bezeichnet und hinreichend dargelegt hat, dass dies das einzige Konto des Klägers sei, auf dem Zeitgutschriften erfolgen könnten. Zwischen den Parteien besteht damit keine Unklarheit, wie die Gutschrift erfolgen soll. Die Konkretisierung des Leistungsantrags in der Berufungsinstanz ist zulässig.

72

2. Der Antrag zu 1. ist aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gutschrift von 19,5 Stunden für die Monate September bis November 2013 auf seinem Arbeitszeitkonto. Die Frage, ob das An- und Ablegen von Schutzkleidung inklusive der erforderlichen innerbetrieblichen Wege als vergütungspflichtige Arbeitszeit zu bewerten ist, kann hier dahinstehen. Denn der Kläger hat keinen geeigneten Beweis für seine Behauptung angetreten, dass er für das An- und Ablegen der PSA und die innerbetrieblichen Wege an jedem Arbeitstag unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit jeweils 15 Minuten braucht. Zwar hat der Kläger jedenfalls in der Berufungsinstanz den Ablauf des Umkleidens und insbesondere die damit verbundenen Wegezeiten durch die als Anlage A 4 (Bl. 156 – 170 d. A.) vorgelegte Fotodokumentation im Einzelnen dargestellt. Aus der Darstellung ergibt sich aber nicht der genaue zeitliche Umfang. Nachdem die Beklagte den vom Kläger geltend gemachten zeitlichen Umfang substantiiert bestritten hat, hätte es eines Beweisantritts des Klägers bedurft. An einem geeigneten Beweis fehlt es indes. In der Klageschrift wurde als Beweis für diese Behauptung das „Zeugnis anderer Beschäftigter“, „Ortsbesichtigung“ (Bl. 10 d. A.), in der Berufungsbegründung (Bl. 154 d. A.) das Zeugnis „N.N.“ angeboten. Diese Beweisantritte bereits gemäß § 46 II ArbGG i. V. m. § 373 ZPO als unzulässig zu bewerten, da die Zeugen nicht namentlich und mit einer ladungsfähigen Anschrift benannt worden sind (Damrau, MüKo ZPO, 4. Aufl. 2012, § 373 Tz 18). Unabhängig davon ist ein Zeugenbeweis für die Behauptung des Klägers ungeeignet, er brauche nach persönlicher Leistungsfähigkeit an jedem Arbeitstag 30 Minuten für das An- und Ablegen von PSA. Die Zeugen könnten allenfalls bekunden, wie lange der Kläger für das Umkleiden an einzelnen Tagen tatsächlich gebraucht hat. Weshalb die Zeugen darüber hinaus in der Lage sein sollten, über die persönliche Leistungsfähigkeit des Klägers an jedem Arbeitstag auszusagen, ist dem Sachvortrag des Klägers nicht zu entnehmen. Eine Ortsbesichtigung ist zum Beweis der behaupteten Tatsache ebenfalls nicht geeignet.

73

Die Kammer kann die erforderlichen Umkleide- und Wegezeiten auch nicht in entsprechender Anwendung von § 287 II ZPO schätzen, da es an hierfür erforderlichen Anknüpfungspunkten fehlt.

74

II. / III.

75

Der zulässige klägerische Antrag zu 2. auf Vergütung der im Zeitraum von September bis November 2013 aufgewendeten 19,5 Stunden für das An- und Ablegen der PSA und für die innerbetrieblichen Wege sowie der Feststellungsantrag zu 3. sind aus denselben Gründen unbegründet.

IV.

76

Der Hilfsantrag zu dem Hauptantrag zu 3. ist zulässig und begründet.

77

1. Der Hilfsantrag ist zulässig

78

a) Nach § 256 I ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken, wenn deren Klärung geeignet ist, den Streit der Parteien zu befrieden (BAG v. 21.04.2010 – 4 AZR 755/08 – Tz 19).

79

b) Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall gegeben. Das Bestehen des Arbeitsverhältnisses der Parteien und dessen wesentliche Elemente sind unstreitig. Ihr Streit beschränkt sich auf die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Umkleidezeit des Klägers und die mit dem Umkleiden verbundenen Wegezeiten als Arbeitszeit zu vergüten.

80

2. Der Hilfsantrag ist auch begründet. Zwar sind die Tarifvertragsparteien grundsätzlich berechtigt, die Höhe des Entgelts für Arbeitsleistung festzulegen. Dies umfasst auch die Befugnis, für Teile der Arbeitszeit die Vergütungspflicht auszuschließen. Die Tarifvertragsparteien sind bei ihren Regelungen jedoch an höherrangiges Recht gebunden. § 3 Ziff. 6 MTV ist unwirksam, weil er gegen § 3 III ArbSchG verstößt, soweit die Vergütung für vom Arbeitgeber veranlasste Umkleide- und die damit verbundenen Wegezeiten ausgeschlossen wird. Ob die praktische Anwendung der Tarifnorm durch die Beklagte darüber hinaus gegen Artikel 3 GG verstößt kann dahinstehen. Im Einzelnen.

81

a) Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei den streitgegenständlichen Umkleide- und Wegezeiten um Arbeitszeit im Sinne des § 2 I ArbZG handelt.

82

(1) Nach § 2 I 1 ArbZG ist Arbeitszeit die Zeit von Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Arbeit ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (BAG v. 19.09.2012 – 5 AZR 678/11 – Tz 23; Urt. v. 22.4.2009 – 5 AZR 292/08 – Tz 15). Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gehört dazu auch das Umkleiden für die Arbeit, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt und das Umkleiden im Betrieb erfolgen muss. Die Fremdnützigkeit des Umkleidens ergibt sich danach schon aus der Weisung des Arbeitgebers, die ein Anlegen der Arbeitskleidung zu Hause und ein Tragen auf dem Weg zur Arbeitsstätte ausschließt (BAG v. 19.09.2012 – 5 AZR 678/11 – Tz 23; Bes. v. 12.11.2013 – 1 ABR 34/12 – Tz 17).

83

(2) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Der Kläger ist verpflichtet, seine Arbeitskleidung in der Waschkaue des Betriebs anzulegen und dort abzulegen, damit die Reinigung der Kleidung im Betrieb erfolgen kann. Die Fremdnützigkeit der Umkleidung ergibt sich insbesondere auch daraus, dass das Tragen der PSA primär Zwecken des Arbeitsschutzes und damit vor allem auch der Erfüllung gesetzlicher Pflichten und betrieblicher Belange der Beklagten dient. Da die Arbeit in diesem Falle mit dem Umkleiden beginnt, zählen auch die innerbetrieblichen Wege zur Arbeitszeit, die dadurch veranlasst sind, dass der Arbeitgeber das Umkleiden nicht am Arbeitsplatz ermöglicht, sondern dafür eine vom Arbeitsplatz getrennte Umkleidestelle einrichtet, die der Arbeitnehmer zwingend benutzen muss (BAG v. 19.09.2012 – 5 AZR 678/11 – Tz 23; Urt. v. 28.07.1994 – 6 AZR 220/94 – Tz 31).

84

b) Die Vergütungspflicht knüpft nach der gesetzlichen Grundregel des § 611 I BGB an die „Leistung der versprochenen Dienste“ an (BAG v. 19.09.2012 – 5 AZR 678/11 – Tz 28; Urt. v. 20.04.2011 – 5 AZR 200/10 – Tz 20). Dazu zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise von deren Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Zu den im Sinne des § 611 I BGB „versprochenen Diensten“ gehört auch das vom Arbeitgeber angeordnete Umkleiden im Betrieb. In einem solchen Falle macht der Arbeitgeber selbst mit seiner Weisung das Umkleiden und das Zurücklegen des Wegs von der Umkleide- zur Arbeitsstelle zur arbeitsvertraglichen Verpflichtung (BAG v. 19.09.2012 – 5 AZR 678/11 – Tz 28; Urt. v. 28.07.1994 – 6 AZR 220/94 – Tz 33).

85

c) Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Tarifvertragsparteien die Vergütungspflicht für die Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten durch Regelungen im Tarifvertrag grundsätzlich einschränken können und vorliegend eingeschränkt haben.

86

(aa) Die Arbeitszeit ist gesetzlich in § 2 I ArbZG definiert. Von dieser gesetzlichen Definition dürfen die Tarifvertragsparteien nicht zu Lasten des Arbeitnehmers abweichen. Dies ergibt sich daraus, dass §§ 7, 12 ArbZG Öffnungsklauseln für vom Arbeitszeitgesetz abweichende Regelungen in Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen enthalten, beide jedoch nicht auf § 2 I ArbZG als abdingbare Regelung verweisen.

87

Entgegen der Ansicht des Klägers ist jedoch zwischen Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinn und Arbeitszeit im vergütungsrechtlichen Sinne zu unterscheiden. Die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers knüpft nach § 611 I BGB allein an die Leistung der versprochenen Dienste an und ist unabhängig von der arbeitszeitrechtlichen Einordnung der Zeitspanne, während derer der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung erbringt. Das bedeutet, dass die Qualifikation einer bestimmten Zeitspanne als Arbeitszeit nicht zwingend zu einer Vergütungspflicht führt, während umgekehrt die Herausnahme bestimmter Zeiten aus der Arbeitszeit nicht die Vergütungspflicht ausschließen muss (BAG v. 19.03.2014 – 5 AZR 954/12 – Tz 30; BAG v. 19.09.2012 – 5 AZR 678/11 – Tz 15). Die Tarifvertragsparteien sind berechtigt, die Vergütungsregelungen im Tarifvertrag abweichend von den gesetzlichen Vergütungsregelungen festzulegen (BAG v. 19.09.2012 – 5 AZR 678/11 – Tz 29).

88

bb) Bei § 3 Ziff. 6 MTV, wonach Zeiten für Umkleiden und Waschen sowie Pausen keine Arbeitszeit sind, handelt es sich um eine Vergütungsregelung und nicht um eine von § 2 ArbZG abweichende Definition der Arbeitszeit.

89

(1) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien ist über den reinen Wortlaut hinaus mit zu berücksichtigen, soweit er in der tariflichen Norm seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt sich auf diesem Wege kein eindeutiges Auslegungsergebnis ermitteln, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages, gegebenenfalls auch eine praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorrang, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG v. 10.02.2015 – 3 AZR 904/13 – Tz 27; Urt. v. 18.02.2014 – 3 AZR 808/11 – Tz 29).

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(2) Der Wortlaut des § 3 Ziff. 6 MTV, wonach Umkleidezeiten nicht zur Arbeitszeit gehören, lässt nicht erkennen, ob eine Abweichung von § 2 ArbZG oder eine Vergütungsregelung getroffen werden sollte. Letzteres ergibt sich jedoch eindeutig aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang. So regelt § 3 Ziff. 1.1. MTV eine tarifliche wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden. Gemäß § 3 Ziff. 6 III MTV können ausnahmsweise auch Pausen durch betriebliche Regelungen als vergütungspflichtig anerkannt werden, obwohl sie laut Arbeitszeitgesetz nicht zur Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne gehören. Auch § 3 Ziff. 1.2.4 und Ziff. 9 III MTV regeln die Arbeitszeit im Entgeltzusammenhang, da sie festlegen, dass bei einer Vereinbarung über die Arbeitszeit von bis zu 40 Stunden bzw. bei einer am 24. und 31.12. über sechs Stunden hinausgehenden Arbeitszeit diese entsprechend bezahlt wird. In keiner der Tarifnormen finden sich Anzeichen für eine vom Arbeitszeitgesetz abweichende Definitionen von Arbeitszeit, sondern es werden ausschließlich die tarifrechtlich zu vergütenden Zeiten geregelt. Dies ergibt sich schließlich auch aus einer Gesamtschau des § 3 MTV mit § 7 MTV, der – ergänzend zu § 3 MTV – die Arbeitszeit beschreibt, die mit Mehrarbeitszuschlägen entlohnt wird und somit auf der tariflich „normal“ zu vergütenden Arbeitszeit aufbaut.

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Dieser Auslegung steht auch nicht entgegen, dass in § 3 Ziff. 1 MTV eine wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden geregelt wird, die Arbeitszeit für Mitarbeiter, die sich vor- und nachgelagert umkleiden müssen, aber ca. 37,5 Stunden beträgt. Denn § 3 Ziff. 1 MTV legt die tarifliche Arbeitszeit fest, also die nach dem Tarifvertrag vergütungspflichtige. Gemäß § 3 Ziff. 6 MTV gehört das Umkleiden aber nicht zur tariflichen Arbeitszeit, sodass diese dadurch nicht erhöht wird.

92

(3) Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt eine Auslegung der streitgegenständlichen Regelung des § 3 Ziff. 6 MTV auch nicht, dass lediglich „privates“ Umkleidezeiten aus der Vergütungspflicht ausgenommen werden sollen, also nicht das durch das ArbSchG gebotene Anlegen und Ablegen von Schutzkleidung. Der Wortlaut von § 3 Ziff. 6 MTV enthält keinen Anhaltspunkt für eine entsprechende Einschränkung. Auch daraus, dass der MTV schon vor der Zeit vor Inkrafttreten des Arbeitsschutzgesetzes bestanden hat, kann dies nicht geschlossen werden. Denn obwohl das Arbeitsschutzgesetz noch nicht in Kraft war, war der Arbeitgeber gleichwohl nach § 618 BGB vertraglich dazu verpflichtet, für den Gesundheits- und Arbeitsschutz zu sorgen. Der Arbeitsschutz an sich war dem deutschen Recht vor Inkrafttreten des Arbeitsschutzgesetzes nicht fremd (Henssler, MüKo BGB, 6. Auflage 2012, § 618 BGB Tz 3 ff.).

93

Im Übrigen regeln alle von der Beklagten zitierten Tarifverträge der Nordmetall (Unterweser, nordwestliches Niedersachsen, Oldenburg – Ostfriesische Werften, Bl. 55, 56 d. A.), dass Umkleidezeiten von der Arbeitszeit ausgenommen sind. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Vielzahl von Tarifverträgen nur ohnehin nicht vergütungspflichtige Umkleidezeiten aus der tariflichen Arbeitszeit ausnehmen wollten.

94

d) § 3 Ziff. 6 MTV verstößt jedoch gegen § 3 III ArbSchG und ist damit rechtsunwirksam, soweit Umkleide- und damit verbundene Wegezeiten aus der Vergütungspflicht ausgeklammert werden, die durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes veranlasst sind.

95

Nach § 3 I 1 ArbSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Gemäß § 3 III ArbSchG darf der Arbeitgeber Kosten für Maßnahmen nach dem Arbeitsschutzgesetz nicht den Beschäftigten auferlegen. Diese Regelung ist nicht abdingbar (Pieper, ArbSchR, 5. Auflage 2012, § 3 Tz 14).

96

aa) Nach überwiegender Ansicht in der Literatur sind mit der Kostentragungspflicht für Maßnahmen des Arbeitsschutzes im Rahmen der Ausstattung mit persönlicher Schutzausrüstung nur die Sachkosten des Arbeitsschutzes gemeint, also der Erwerb des PSA durch den Arbeitgeber und ihre Reinigung (Kohte, Kollmer/Klindt, ArbSchG, 2. Auflage 2011, § 3 Tz 92, 93; Pieper, ArbSchR, § 3 Tz 14, 15; Lorenz, Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht, 2. Auflage 2000, 2.6 Tz 110). Nach anderer Ansicht umfasst die Kostentragungspflicht für Maßnahmen nicht nur die Sachkosten, sondern auch die Vergütungspflicht des Arbeitgebers zur Umsetzung dieser Arbeitsschutzmaßnahmen, wie z.B. das Anlegen der PSA (Wiebauer, Landmann/Rohmer, GewO, 69. Ergänzungslieferung März 2015, § 3 ArbSchG Tz 71).

97

Die Rechtsprechung ist hinsichtlich der Auslegung des Begriffs „Maßnahmen“ im Sinne des § 3 III ArbSchG uneins. So geht das Arbeitsgericht Berlin davon aus, dass das Umkleiden als organisatorische Schutzmaßnahme vergütungspflichtige Arbeitszeit i.S.d. § 87 I Nr. 2 BetrVG sei, da arbeitsschutzrechtliche Umkleidezeiten nach dem Grundgedanken des § 3 III ArbSchG nicht zulasten der Beschäftigten gehen dürften (ArbG Berlin v. 17.10.2012 – 28 BV 14611/12 – Tz 48). Auch das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz geht von einer weiten Auslegung des Begriffs „Maßnahmen“ im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes aus, wenn es unter die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers die Vergütungspflicht die für die Beschäftigung notwendige medizinische Vorsorgeuntersuchung fasst (LAG Rheinland-Pfalz v. 30.01.2014 – 2 Sa 361/13 – Tz 25). Nach Auffassung des LAG Düsseldorf (Urt. v. 26.04.2001 – 13 Sa 1804/00 – Tz 24) erstreckt sich die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers jedenfalls auch auf die Kosten der Reinigung von dem Arbeitnehmer überlassener Schutzkleidung.

98

Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 25.09.2013 (10 AZR 258/12 – Tz 14) § 3 Ziff. 6 MTV im Zusammenhang mit dem Beginn der Sonntagsarbeit angewendet und ausgeführt, Umkleidezeiten seien keine Arbeitszeit i.S.v. § 3 Ziff. 6 MTV. Allerdings handelte es sich hier nicht um einen tragenden Grund des Urteils, so dass die Frage als höchstrichterlich nicht abschließend geklärt zu bewerten ist.

99

bb) Die Kammer ist der Auffassung, dass Maßnahmen i.S.v. § 3 III ArbSchG nicht nur die der Arbeitssicherheit dienenden Sachmittel sind sondern auch Arbeitszeiten, die erforderlich ist, um diese Sachmittel anzuwenden.

100

Nach allgemeinem Sprachgebrauch sind Maßnahmen Handlungen, Regelungen, die etwas Bestimmtes bewirken sollen. Als Synonyme gelten neben Mittel auch Aktion, Schritt, Tat und Manöver (vgl. Duden – Die deutsche Rechtschreibung, 26. Aufl. 2015). Hätte der Gesetzgeber die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers auf die Sachmittel begrenzen wollen, wäre dies unschwer zum Ausdruck zu bringen gewesen. Das An- und Ablegen von Schutzkleidung lässt sich danach als Maßnahme des Arbeitsschutzes bezeichnen. § 3 III ArbSchG enthält keine Einschränkung dahingehend, dass die Maßnahmen des Arbeitsschutzes, deren Kosten die Beschäftigten nicht tragen dürfen, nur Maßnahmen sein dürfen, die der Arbeitgeber selber vornimmt. Vielmehr fallen darunter auch Maßnahmen, die der Arbeitnehmer im Auftrag des Arbeitgebers ausführen muss, um die gesetzlichen Bestimmungen zu beachten. Dazu gehört das An- und Ablegen von PSA. Würde der Arbeitnehmer die persönliche Schutzausrüstung vor Betreten des gefährdeten Arbeitsplatzes nicht anlegen, hätte er eine Maßnahme des Arbeitsschutzes unterlassen.

101

Dies steht auch im Einklang mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Dieser besteht darin, dass der Arbeitgeber den von ihm zu besorgenden Arbeitsschutz nicht auf Arbeitnehmer abwälzen darf, die sich im Rahmen ihrer Arbeitspflicht Gesundheitsgefahren aussetzen.

102

Auch die Begründung Gesetzgebers für die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers spricht für eine weite Auslegung des Begriffes Maßnahmen:

103

Das Verbot, die Kosten für Arbeitsschutzmaßnahmen den Beschäftigten aufzuerlegen (Absatz 3), entspricht Artikel 6 Abs. 5 der Rahmenrichtlinie. Im Zusammenhang mit der Pflicht des Arbeitgebers, die erforderlichen Mittel bereitzustellen, ergibt sich, daß in aller Regel die Kosten für Arbeitsschutzmaßnahmen, insbesondere für die Zurverfügungstellung von persönlichen Schutzausrüstungen, beim Arbeitgeber verbleiben, es sei denn, es bestehen rechtlich abgesicherte Kostenübernahmevereinbarungen oder sonstige spezielle Regelungen.“ (BT-Drucks. 13/3540, S. 16).

104

Dass „insbesondere“ persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung gestellt werden soll, spricht für eine nicht abschließende Regelung, und damit dafür, dass auch die Umsetzung des Arbeitsschutzes in Form des Umkleidens durch die Arbeitgeber zu finanzieren ist.

105

Die § 3 III ArbSchG zugrunde liegende Regelung des Artikel 6 V der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12.06.1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (im Folgenden: Arbeitsschutzrichtlinie) spricht ebenfalls für diese Auslegung. Hier ist genauso weit formuliert:

106

Die Kosten für die Sicherheits-, Hygiene- und Gesundheitsschutzmaßnahmen dürfen auf keinen Fall zu Lasten der Arbeitnehmer gehen.“

107

e) Ohne die wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht nicht anwendbare Tarifnorm des § 3 Ziff. 6 MTV ergibt sich der Anspruch des Klägers auf die von ihm begehrte Feststellung aus dem vom Bundesarbeitsgericht anerkannten Grundsatz, wonach Zeiten für „fremdnütziges“ Umziehen vom Arbeitgeber vergütet werden müssen (vgl. BAG v. 19.09.2012 – 5 AZR 678/11 – Tz 23; Urt. v. 28.07.1994 – 6 AZR 220/94 – Tz 31).

108

f) Da § 3 Ziff. 6 MTV jegliches Umkleiden von der vergütungspflichtigen Arbeitszeit ausnimmt, verstößt die Tarifnorm nicht (auch) gegen Art. 3 GG. Ob die betriebliche Praxis der Beklagten, vor- und nachgelagertes Umkleiden von der vergütungspflichtigen Arbeitszeit auszunehmen, das während der Arbeitszeit ungeplant erforderlich werdende Umkleiden aber zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit zu zählen, gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 I GG verstößt, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.

V.

109

Der zweite Hilfsantrag des Klägers ist wegen Nichteintritts seiner innerprozessualen Bedingung nicht zur Entscheidung angefallen.

VI.

110

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 VI ArbGG i. V. m. § 92 II ZPO. Die Kammer hat der Beklagten die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegt, obwohl sie bzgl. der Hauptanträge obsiegt hat, weil es in allen Anträgen um die gleiche Rechtsfrage geht, welche die Kammer im Sinne des Klägers entschieden hat.

VII.

111

Die Zulassung der Revision beruht auf. § 72 II Nr. 1 ArbGG.

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§ 21a idF d. Art. 1 Nr. 51 G v. 23.7.2001 I 1852 dient der Umsetzung des Artikels 6 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim

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(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

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(1) Arbeitszeit im Sinne dieses Gesetzes ist die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen; Arbeitszeiten bei mehreren Arbeitgebern sind zusammenzurechnen. Im Bergbau unter Tage zählen die Ruhepausen zur Arbeitszeit.

(2) Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten.

(3) Nachtzeit im Sinne dieses Gesetzes ist die Zeit von 23 bis 6 Uhr, in Bäckereien und Konditoreien die Zeit von 22 bis 5 Uhr.

(4) Nachtarbeit im Sinne dieses Gesetzes ist jede Arbeit, die mehr als zwei Stunden der Nachtzeit umfaßt.

(5) Nachtarbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeitnehmer, die

1.
auf Grund ihrer Arbeitszeitgestaltung normalerweise Nachtarbeit in Wechselschicht zu leisten haben oder
2.
Nachtarbeit an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr leisten.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben.

(2) Zur Planung und Durchführung der Maßnahmen nach Absatz 1 hat der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten

1.
für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen sowie
2.
Vorkehrungen zu treffen, daß die Maßnahmen erforderlichenfalls bei allen Tätigkeiten und eingebunden in die betrieblichen Führungsstrukturen beachtet werden und die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können.

(3) Kosten für Maßnahmen nach diesem Gesetz darf der Arbeitgeber nicht den Beschäftigten auferlegen.

(1) Die Beschäftigten sind verpflichtet, nach ihren Möglichkeiten sowie gemäß der Unterweisung und Weisung des Arbeitgebers für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Sorge zu tragen. Entsprechend Satz 1 haben die Beschäftigten auch für die Sicherheit und Gesundheit der Personen zu sorgen, die von ihren Handlungen oder Unterlassungen bei der Arbeit betroffen sind.

(2) Im Rahmen des Absatzes 1 haben die Beschäftigten insbesondere Maschinen, Geräte, Werkzeuge, Arbeitsstoffe, Transportmittel und sonstige Arbeitsmittel sowie Schutzvorrichtungen und die ihnen zur Verfügung gestellte persönliche Schutzausrüstung bestimmungsgemäß zu verwenden.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben.

(2) Zur Planung und Durchführung der Maßnahmen nach Absatz 1 hat der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten

1.
für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen sowie
2.
Vorkehrungen zu treffen, daß die Maßnahmen erforderlichenfalls bei allen Tätigkeiten und eingebunden in die betrieblichen Führungsstrukturen beachtet werden und die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können.

(3) Kosten für Maßnahmen nach diesem Gesetz darf der Arbeitgeber nicht den Beschäftigten auferlegen.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. März 2011 - 5 Sa 2328/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Berechtigung der Beklagten, in ein Arbeitszeitkonto eingestellte Stunden zu streichen.

2

Die Klägerin ist bei der Beklagten in deren Betrieb „Niederlassung B“ als Zustellerin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden aufgrund vertraglicher Vereinbarung die für das Unternehmen der Beklagten jeweils geltenden Tarifverträge Anwendung.

3

Zur Arbeitszeit bestimmt der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Deutschen Post AG (im Folgenden: MTV-DP AG) vom 18. Juni 2003 ua.:

        

㤠22 Arbeitszeit

        

(1)     

Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Ruhepausen 38,5 Stunden im wöchentlichen Durchschnitt. Für teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer gilt die im Arbeitsvertrag vereinbarte Wochenarbeitszeit als durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit. Eine abweichende Einteilung der regelmäßigen Arbeitszeit ist innerhalb von zwölf Monaten auszugleichen.

        

…       

        
        

(3)     

Bei Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage hat der Betriebsrat nach den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes mitzubestimmen.

        

…“    

        
4

Innerhalb der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit erhalten die Arbeitnehmer nach der Anlage 2a zum MTV-DP AG ua. eine Erholungszeit, die zu Kurzpausen zusammenzufassen und im Dienstplan auszuweisen ist. Bis zum 31. März 2008 betrug nach dem Tarifvertrag Nr. 111 die Erholungszeit pro Arbeitsstunde 3,50 Minuten, von denen mindestens 3,14 Minuten je Stunde Arbeitszeit zu Kurzpausen zusammenzufassen waren. Mit Wirkung ab 1. April 2008 wurde durch den Tarifvertrag Nr. 142a die Erholungszeit auf 2,25 Minuten pro Arbeitsstunde verkürzt, von denen mindestens 2,03 Minuten je Stunde Arbeitszeit zu Kurzpausen zusammenzufassen sind.

5

Zur Überzeitarbeit heißt es in dem mit Wirkung vom 1. September 2003 in Kraft getretenen Entgelttarifvertrag für Arbeitnehmer der Deutschen Post AG (im Folgenden: ETV-DP AG):

        

㤠14

        

Überzeitarbeit

        

(1)     

Arbeitsstunden, die auf Anordnung, Anforderung oder mit Billigung des Dienstvorgesetzten bzw. des von ihm hierfür Beauftragten über die tägliche dienstplanmäßige Arbeitszeit hinaus geleistet werden, sind Überstunden. Sie dürfen nur angeordnet bzw. geleistet werden, wenn zwingende dienstliche Gründe dies erfordern.

        

…       

        
        

(4)     

Überstunden werden durch Freizeit ausgeglichen. Für jede Überstunde wird ein Überstundenzuschlag gemäß Abs. 5 UAbs. 2 gewährt. Er wird ebenfalls in Freizeit ausgeglichen. Der Freizeitausgleich für Überstunden und Überstundenzuschläge muss innerhalb von zwölf Monaten nach dem Entstehen erfolgen. Ist dies bis zum Ende des zwölften Kalendermonats nach dem Monat, in dem die Überstunden entstanden sind, nicht möglich, werden mit der Entgeltabrechnung für den darauffolgenden Kalendermonat das jeweilige Stundenentgelt der für den Arbeitnehmer maßgebenden Entgeltgruppe und der Überstundenzuschlag gezahlt.

                 

Beim Freizeitausgleich sind die betrieblichen Erfordernisse und die Interessen des einzelnen Arbeitnehmers gleichgewichtig zu berücksichtigen.

        

…“    

        
6

Im Betrieb „Niederlassung B“ ist ein Betriebsrat gebildet. Die Arbeitszeit in der Zustellung ist in der Betriebsvereinbarung Nr. 11 geregelt, die den Arbeitnehmern die Wahl zwischen zwei Arbeitszeitmodellen lässt. Zu dem von der Klägerin gewählten „Arbeitszeitmodell B“ heißt es in der Betriebsvereinbarung:

        

㤠12 Arbeitszeitregelungen

        

1.    

Für Beschäftigte, die innerhalb des Modells B arbeiten, gilt die dienstplanmäßige Arbeitszeit als erbracht.

                 
        

§ 13 Überzeitarbeit

        

1.    

Überzeitarbeit entsteht

                  ·       

anlässlich von Wochenfeiertagen entsprechend der Berechnungsregelung lt. ETV Arb § 14 Absatz 7

                  ·       

bei Arbeitsleistungen in besonderer Schicht

                  ·       

bei Dienstplanwechsel und Dienstplanänderung

                  ·       

bei Übertragungen von Zustellabschnitten in Höhe des zeitlichen Anteils der zu übernehmenden Zustellabschnitte

                  ·       

bei Warten vor Ablagekästen und Havarien in Höhe der aus diesem Anlass verbrauchten Arbeitszeit.

        

2.    

Überzeitarbeit aus überprüfungsbedürftiger Bemessung wird - auch rückwirkend - anerkannt.“

7

           

Zur Überzeitarbeit bestimmt die Betriebsvereinbarung Nr. 1 vom 12. Juli 1996 ua.:

        

㤠2 Geltungsbereich

        
        

…       

                 
        

2.    

Überzeitarbeit im Sinne dieser Betriebsvereinbarung beinhaltet die Überstunden bei Arbeitern und Angestellten und die Mehrarbeit bei Beamten. Als Überzeitarbeit gelten alle Arbeitszeiten, die über die individuelle tägliche dienstplanmäßige Arbeitszeit hinausgehen. Hierzu zählt auch die ÜZA infolge der zusätzlichen Übernahme eines Teiles eines anderen Zustellbezirks (Übertragung) sowie die ÜZA infolge von Wartezeit aus Störungen des Regelablaufes (z. B. durch verspäteten Verteilschluss oder nicht zeitgerechte Bedienung von Ablagestellen) und ÜZA infolge des unmittelbaren Wechsels in einen anderen Dienstplan (…).

        
        

…       

                 
        

§ 4 Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates

        
        

…       

                 
        

4.    

Um dem einzelnen Beschäftigten die notwendige Kontrolle über seine Freizeitansprüche aus ÜZA zu ermöglichen, stellt der Arbeitgeber sicher, daß der Beschäftigte sich jederzeit über die Höhe seiner noch auszugleichenden Freizeitansprüche aus Überzeitarbeit informieren kann.

        
        

…       

                 
        

§ 6 Freizeitausgleich für geleistete Überzeitarbeit

        
        

1.    

Auch unvorhersehbare Überzeitarbeit ist entsprechend den tarifvertraglichen Regelungen in Freizeit auszugleichen. Der Ausgleich soll zeitnah innerhalb von 3 Monaten erfolgen. Dieser Zeitraum soll dazu beitragen, den geleisteten Freizeitausgleich gegenüber der Bezahlung in den Vordergrund zu stellen und auch zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen zu können. Dabei gehen die Betriebsparteien von der Erwartung aus, daß der Freizeitausgleich innerhalb der tarifvertraglichen Frist gewährt wird und hinsichtlich der zeitlichen Lage die Wünsche der Arbeitnehmer im Rahmen des Möglichen berücksichtigt werden.

        
        

…“    

                 
8

Die Klägerin arbeitete bis zum 30. Juni 2008 nach Dienstplänen, denen (noch) die Erholungszeit nach dem TV Nr. 111 zugrunde lag. Die Umsetzung der Kürzung der Erholungszeit nach dem TV Nr. 142a in die Dienstpläne erfolgte erst mit Wirkung ab dem 1. Juli 2008.

9

Am 6. November 2008 kürzte die Beklagte das Überzeitarbeitskonto (im Folgenden: ÜZA-Konto) der Klägerin um die dort eingestellten 7,20 Stunden und gab dazu unter der Rubrik „Zeitumbuchungsart“ als Grund an: „0073 Verfall ÜZA“. Der außergerichtlichen Aufforderung der Klägerin, die Kürzung ihres Zeitguthabens rückgängig zu machen, kam die Beklagte nicht nach.

10

Mit ihrer am 21. September 2009 eingereichten Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Beklagte sei zur Kürzung des Guthabens auf dem ÜZA-Konto nicht berechtigt (gewesen). Sie habe im streitgegenständlichen Zeitraum nach ihr vorgegebenen Dienstplänen gearbeitet und damit die geschuldete Arbeitszeit erbracht. Wenn die Beklagte ihr zu lange bezahlte Pausen gewährte, könne das allenfalls einen (Rück-)Zahlungsanspruch begründen. Zudem verstoße das Vorgehen der Beklagten gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, weil sie Kürzungen nur bei den Beschäftigten vorgenommen habe, deren ÜZA-Konto ein Guthaben aufwies.

11

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, auf dem Arbeitszeitkonto der Klägerin eine Zeitgutschrift iHv. 7,20 Stunden vorzunehmen.

12

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, zur Kürzung des Guthabens auf dem ÜZA-Konto der Klägerin berechtigt (gewesen) zu sein. Nach der (rückwirkenden) Kürzung der Erholungszeit pro Arbeitsstunde durch den Tarifvertrag Nr. 142a habe die Klägerin die tarifvertraglich geschuldete Arbeitszeit nicht vollständig erbracht. Es sei eine Arbeitszeitschuld entstanden, die sie gegen das Arbeitszeitguthaben habe aufrechnen dürfen. Gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz habe sie schon deshalb nicht verstoßen, weil es an einer verteilenden Entscheidung fehle. Zudem sei es ein sachlicher Grund, Beschäftigte, deren ÜZA-Konto kein Guthaben aufwies, nicht ins Minus zu bringen.

13

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.

15

I. Die Klage ist mit der gebotenen Auslegung des Leistungsantrags zulässig.

16

1. Das Bundesarbeitsgericht hat bereits mehrfach entschieden, der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, sei hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können. Gleichermaßen könne der Arbeitnehmer die Korrektur eines oder mehrerer auf seinem Arbeitszeitkonto ausgewiesener Salden beantragen (BAG 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 11 mwN, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3; 17. November 2011 - 5 AZR 681/09 -; BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 424/09 - Rn. 27, NZA 2012, 281). Allerdings ist dafür eine Konkretisierung des Leistungsbegehrens erforderlich, an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll.

17

2. Dieses für Klagen auf Gutschrift bislang nicht in das Arbeitszeitkonto aufgenommener Stunden entwickelte Bestimmtheitserfordernis kann nicht unbesehen auf einen Antrag übertragen werden, bei dem die begehrte Zeitgutschrift lediglich der Rückgängigmachung der Streichung eines Zeitguthabens dient. Wird in einem solchen Fall dem Antrag auf Gutschrift stattgegeben, weiß der Arbeitgeber, was er zu tun hat, nämlich die von ihm auf einem bestimmten Arbeitszeitkonto vorgenommene Kürzung ungeschehen zu machen.

18

Auf welchem Arbeitszeitkonto die Gutschrift erfolgen soll, kommt im Wortlaut des Antrags nicht zum Ausdruck, kann aber durch Auslegung ermittelt werden. Es steht zwischen den Parteien außer Streit, dass die Beklagte das ÜZA-Konto der Klägerin gekürzt hat und die begehrte Gutschrift auf eben diesem erfolgen soll.

19

II. Die Klage ist begründet. Die Beklagte war und ist nicht berechtigt, das streitgegenständliche Zeitguthaben zu streichen. Infolge dessen ist sie verpflichtet, diese Stunden dem ÜZA-Konto der Klägerin wieder zuzuführen, also „gutzuschreiben“.

20

1. Ein Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands(zB § 616 Satz 1 BGB, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 EntgeltFG, § 1 BUrlG, § 37 Abs. 2 BetrVG) nicht erbringen musste. Wegen dieser Dokumentationsfunktion darf der Arbeitgeber nicht ohne Befugnis korrigierend in ein Arbeitszeitkonto eingreifen und dort eingestellte Stunden streichen. Neben der materiellrechtlichen Rechtfertigung muss die der Führung des Arbeitszeitkontos zugrunde liegende Vereinbarung (Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag) dem Arbeitgeber überhaupt die Möglichkeit eröffnen, in das Arbeitszeitkonto eingestellte und damit grundsätzlich streitlos gestellte (vgl. dazu BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 19, BAGE 135, 197) Arbeitsstunden wieder zu streichen.

21

2. Daran fehlt es im Streitfall. Die dem ÜZA-Konto zugrunde liegenden Vereinbarungen erlauben es der Beklagten nicht, dieses Arbeitszeitkonto mit Minusstunden zu belasten, die sich - möglicherweise - aus der Nichtausschöpfung der tarifvertraglichen Wochenarbeitszeit in den Dienstplänen ergeben.

22

a) Das ÜZA-Konto ist ein spezielles Arbeitszeitkonto, das nur die aus Überzeitarbeit erworbenen „Gutstunden“, die grundsätzlich in Freizeit auszugleichen sind, erfasst und dokumentiert. Weder § 14 ETV-DP AG, der die Überzeitarbeit materiellrechtlich regelt, noch die Betriebsvereinbarungen Nr. 1 und Nr. 11 sehen die Möglichkeit vor, in dem ÜZA-Konto Minusstunden aus der Nichtausschöpfung der tarifvertraglich tatsächlich zu arbeitenden Zeit durch den bzw. im Dienstplan zu verrechnen.

23

b) Ebenso wenig kann aus § 22 Abs. 1 MTV-DP AG eine entsprechende Befugnis der Beklagten hergeleitet werden. Abgesehen davon, dass die Tarifnorm nur die tarifliche Arbeitszeit regelt, jedoch keine Vorschriften zur Führung des ÜZA-Kontos enthält, bestimmt § 22 Abs. 1 Satz 3 MTV-DP AG, dass eine abweichende Einteilung der regelmäßigen Arbeitszeit nach Satz 1 und Satz 2 innerhalb von zwölf Monaten auszugleichen ist. Die Kürzung bzw. Streichung eines Guthabens auf dem ÜZA-Konto, das gerade durch Arbeit außerhalb der dienstplanmäßigen Arbeitszeit erworben wurde, ist keine abweichende Einteilung der regelmäßigen Arbeitszeit. Eine solche muss, wie sich zumindest aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergibt, in die Zukunft gerichtet sein und erfolgt durch die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage, bei der der Betriebsrat nach § 22 Abs. 3 MTV-DP AG iVm. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitzubestimmen hat.

24

Zudem hat die (rückwirkende) Kürzung der Erholungszeit durch den TV Nr. 142a nicht zu einer abweichenden Einteilung der regelmäßigen Arbeitszeit iSd. § 22 Abs. 1 Satz 3 MTV-DP AG geführt. Die nach dem 1. April 2008 geltenden Dienstpläne haben wie zuvor eine regelmäßige Arbeitszeit von 38,5 Stunden im wöchentlichen Durchschnitt verteilt und dabei lediglich die tatsächlich zu arbeitende Zeit insoweit nicht ausgeschöpft, als die Arbeitszeit einen zu hohen Anteil als Erholungszeit bezahlter Pausen enthielt. Überdies gilt für Zusteller, die wie die Klägerin im Arbeitszeitmodell B arbeiten, die dienstplanmäßige Arbeitszeit nach § 12 Ziff. 1 Betriebsvereinbarung Nr. 11 als erbracht, unabhängig davon, wie lange sie für die von ihnen zu erledigende Zustelltätigkeit tatsächlich brauchen. Die tarifvertraglich zu arbeitende Zeit ist für diese Beschäftigten daher ohne Belang, wobei der Senat nicht zu entscheiden braucht, ob die Betriebsvereinbarung Nr. 11 insoweit tarifwidrig ist.

25

3. Kürzt oder streicht der Arbeitgeber zu Unrecht ein Guthaben auf einem Arbeitszeitkonto, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf (Wieder-)Gutschrift der auf dem Arbeitszeitkonto gestrichenen Stunden. Dieser Anspruch ist jeder Vereinbarung über die Führung eines Arbeitszeitkontos immanent.

26

a) Das Bundesarbeitsgericht hat bislang einen Anspruch des Arbeitnehmers auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos bejaht bzw. in Betracht gezogen, wenn das Arbeitszeitkonto nach der zugrunde liegenden Abrede der Vertragsparteien den Vergütungsanspruch verbindlich bestimmt (vgl. BAG 19. März 2008 - 5 AZR 328/07 - Rn. 10 mwN, AP BGB § 611 Feiertagsvergütung Nr. 1; 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3; 17. November 2011 - 5 AZR 681/09 -). Doch muss ein Arbeitszeitkonto nicht stets einen Vergütungsanspruch verbindlich bestimmen, es kann auch - wie hier - für die Höhe eines Anspruchs auf Freizeitausgleich oder die Höhe eines Vorschusses maßgebend sein.

27

b) Unabhängig davon, ob ein Arbeitszeitkonto den Vergütungsanspruch oder sonstige Ansprüche maßgeblich bestimmt, kann der Arbeitnehmer stets verlangen, dass der Arbeitgeber, der aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag ein Arbeitszeitkonto für den Arbeitnehmer unterhält, dieses den vereinbarten Vorgaben entsprechend führt. Andernfalls vermag das Arbeitszeitkonto seinen Zweck, den zeitlichen Umfang der vom Arbeitnehmer erbrachten Hauptleistungspflicht zu dokumentieren, nicht zu erfüllen. Greift der Arbeitgeber zu Unrecht in den Saldo eines Arbeitszeitkontos ein, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Wiederherstellung des Status quo ante und damit auf (Wieder-)Gutschrift der aus dem Saldo seines Arbeitszeitkontos gestrichenen Stunden.

28

III. Die Kosten der Revision hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Zoller    

        

    Pollert    

        

        

Der Zeugenbeweis wird durch die Benennung der Zeugen und die Bezeichnung der Tatsachen, über welche die Vernehmung der Zeugen stattfinden soll, angetreten.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 17. Juli 2008 - 10 Sa 1234/07 - aufgehoben.

2. Die Berufungen der klagenden Parteien gegen die Urteile des Arbeitsgerichts Köln vom 23. August 2007 - 1 Ca 3023/07, 1 Ca 3024/07, 1 Ca 3025/07, 1 Ca 3026/07 - und 30. August 2007 - 22 Ca 2394/07, 22 Ca 2395/07 - werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klagen als unzulässig abgewiesen werden.

3. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten in der Berufungs- und der Revisionsinstanz haben die Kläger zu 1) und 3) jeweils 15%, die Klägerin zu 2) 14%, die Kläger zu 4) und 5) jeweils 19% und der Kläger zu 6) 18% zu tragen. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die klagenden Parteien selbst.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine Verpflichtung der Beklagten, an die Klägerin zu 2) sowie an den Kläger zu 1) und zu 3) bis 6) nach § 4c des Tarifvertrages ERA-Anpassungsfonds vom 18. Dezember 2003 idF vom 5. März 2004 für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens(TV ERA-APF) Einmalzahlungen aus den sogenannten ERA-Strukturkomponenten zu zahlen.

2

Die klagenden Parteien waren zunächst bei der KHD GmbH und deren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt. Diese Arbeitgeber waren kraft Verbandsmitgliedschaft an die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen gebunden. Die Arbeitsverträge der klagenden Parteien aus den Jahren 1980 bis 2004 enthalten Bezugnahmeklauseln auf die jeweils geltenden Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen.

3

Am 18. Dezember 2003 schlossen der Verband der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen(METALL NRW) und die IG Metall das Entgeltrahmenabkommen (ERA), mit dem die tarifliche Entgeltfindung für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte vereinheitlicht wurde. Ferner vereinbarten sie den zum 1. März 2004 in Kraft getretenen ERA-Einführungstarifvertrag (ERA-ETV), und den TV ERA-APF.

4

Das ERA enthält ua. folgende Regelung:

        

㤠12

        

1.   

Dieses Entgeltrahmenabkommen tritt am 1. März 2004 in Kraft.

        

2.   

Die betriebliche Geltung richtet sich nach den Regelungen des ERA-Einführungstarifvertrages (ERA-ETV).

        

3.   

Mit seiner Einführung im Betrieb ersetzt das Entgeltrahmenabkommen die folgenden Tarifverträge:

                 

-       

Lohnrahmenabkommen

-       

Gehaltsrahmenabkommen

                 

-       

Tarifvertrag zur Leistungsbeurteilung von Zeitlohnarbeitern

-       

Tarifvertrag zur Leistungsbeurteilung von Angestellten

-       

Abkommen über die Analytische Arbeitsbewertung

        

4.   

Ab 1. März 2009 gilt das Entgeltrahmenabkommen verbindlich für alle Betriebe. …

        

…“   

5

Der ERA-ETV lautet auszugsweise:

        

„§ 1 Einführungszeitraum

        

1.   

Bis zum 1. März 2005 kann das ERA nur mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien eingeführt werden (Vorbereitungsphase).

        

2.   

Die Einführungsphase beginnt am 1. März 2005 und dauert vier Jahre. In dieser Phase soll der Arbeitgeber das ERA stichtagsbezogen im Betrieb einführen.

                 

Ab dem 1. März 2009 gilt das ERA verbindlich für alle Betriebe.

        

 …“

6

Der TV ERA-APF, der zum 22. Dezember 2003 in Kraft trat und am 5. März 2004 geändert wurde, enthält Bestimmungen zum ERA-Anpassungsfonds und zur Einmalzahlung aus den ERA-Strukturkomponenten. Nach den Lohn-, Gehalts- und Ausbildungsvergütungsabkommen in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 23. Mai 2002 und 16. Mai 2004 wurden die Erhöhungen des Tarifvolumens auf zwei Komponenten verteilt. Hierzu bestimmt der TV ERA-APF:

        

„§ 2 Präambel

        

Der ERA-Anpassungsfonds dient der Sicherstellung eines gleitenden Übergangs vom heutigen Tarifsystem auf das ERA-Entgeltsystem für alle Beteiligten. Insbesondere sollen durch die vorübergehende Einbehaltung nicht ausgezahlter ERA-Strukturkomponenten und deren spätere Verwendung entweder

        

-       

zum Ausgleich von betrieblichen Kosten, die eine bestimmte Schwelle überschreiten

        

oder

        

-       

zur unmittelbaren Auszahlung an die Beschäftigten/Auszubildenden nach der betrieblichen ERA-Einführung

        

spätere Verwerfungen bei der Umstellung vermieden werden.“

7

In § 3 TV ERA-APF mit der Überschrift „Aufbau und Verwendung des ERA-Anpassungsfonds“ wird erläutert, wie die Erhöhungen des Tarifvolumens ua. in den Entgeltabkommen der Jahre 2002 und 2004 auf zwei Komponenten verteilt werden. Dazu heißt es in Abs. 1 Satz 2 der Bestimmung:

        

„Eine Komponente dient der dauerhaften Erhöhung der Tabellenwerte der jeweiligen Entgelte (Löhne und Gehälter; ‚lineares Volumen’). Die andere Komponente (‚restliches Erhöhungsvolumen’) fließt in ERA-Strukturkomponenten, die in der ersten Tarifperiode ausgezahlt, in den folgenden Tarifperioden jedoch nicht fällig werden.“

8

§ 4 TV ERA-APF enthält hierzu ua. folgende Regelung:

        

„b)

In den jeweils folgenden Tarifperioden nach ihrer erstmaligen Begründung/Entstehung werden die jeweiligen ERA-Strukturkomponenten aus den vorhergehenden Tarifperioden zwar ebenfalls als Teil der Vergütung ermittelt, aber nicht ausgezahlt, sondern zunächst einbehalten und für die Monate bis einschließlich Februar 2006 nach Maßgabe des § 4 d) dem ERA-Anpassungsfonds zugeführt.

                 

Die bei der betrieblichen ERA-Einführung in dem ERA-Anpassungsfonds befindlichen Beträge müssen entweder zur Deckung betrieblicher Mehrkosten aus der ERA-Einführung oder zur Auszahlung an die Beschäftigten/Auszubildenden verwendet werden.

                 

…       

        

c)   

Ist das ERA im Betrieb noch nicht eingeführt worden, werden ab März 2006 bis zur betrieblichen ERA-Einführung die ERA-Strukturkomponenten in Höhe von 2,79% als Einmalzahlungen geleistet. Die Berechnung erfolgt entsprechend der Methode für die Auszahlung der ERA-Strukturkomponente aus den Entgeltabkommen vom 16. Februar 2004.1

                 

1 Die Tarifvertragsparteien werden Auszahlungszeitpunkte, die aktuelle Bezugsbasis und ggf. weitere Einzelheiten auf Basis der Ergebnisse der Entgeltabkommen 2006 regeln.

                 

…“   

9

In den Entgeltabkommen 2004 waren die Auszahlungszeitpunkte und die Berechnung der Einmalzahlungen aus den Strukturkomponenten für den Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis zum 28. Februar 2006 geregelt. Mit Wirkung zum 15. September 2004 wurde die KHD GmbH auf die nicht tarifgebundene Beklagte verschmolzen. Die Arbeitsverhältnisse der klagenden Parteien gingen zu diesem Zeitpunkt nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Beklagte über.

10

Am 23. November 2005 trafen die IG Metall und METALL NRW eine „Vereinbarung zum Umgang mit den ERA-Strukturkomponenten ab März 2006“ die nähere Regelungen über die Berechnung und die Auszahlungsmodalitäten für die Einmalzahlungen aus den ERA-Strukturkomponenten für den Zeitraum März 2006 bis Dezember 2006 festlegt und die Bestandteil der Entgeltabkommen des Jahres 2006 werden sollen. Nr. 4 der Vereinbarung lautet:

        

„„Die Berechnung der auszuzahlenden Einmalzahlung bzw. der dem ERA-Anpassungsfonds zuzuführenden Beträge erfolgt auf Basis folgender Formel:

        

2,79% x von der Einmalzahlung/Zuführung erfasste Monate des Jahres 2006 x Tarifeinkommen des Auszahlungsmonats.

        

Für die Monate März bis Juni 2006 ist der Monatsfaktor jeweils um 0,17% - Punkte (zur Einbeziehung der zusätzlichen Urlaubsvergütung) und für die Monate Juli bis Dezember 2006 jeweils um 0,09% - Punkte (zur Einbeziehung der betrieblichen Sonderzahlung) anzuheben.“

11

Regelungen über die Auszahlungszeitpunkte und zur Berechnung der Einmalzahlungen aus den ERA-Strukturkomponenten für die Zeit ab 1. März 2006 bis zur betrieblichen ERA-Einführung finden sich dementsprechend in den Entgeltabkommen für das Jahr 2006. § 6 Nr. 4 des Gehaltsabkommens 2006, welches am 1. März 2006 in Kraft trat, bestimmt:

        

„Die Berechnung der auszuzahlenden Einmalzahlung bzw. der dem ERA-Anpassungsfonds zuzuführenden Beträge erfolgt auf Basis folgender Formel:

        

2,79% x von der Einmalzahlung/Zuführung erfasste Monate des Jahres x Tarifeinkommen des Auszahlungsmonats.

        

Der Monatsfaktor ist für die Monate März bis Juni 2006 jeweils um 0,17 auf 1,17 (zur Einbeziehung der zusätzlichen Urlaubsvergütung) und für die Monate Juli bis Dezember jeweils um 0,09 auf 1,09 (zur Einbeziehung der betrieblichen Sonderzahlung) anzuheben.

        

Tarifeinkommen ist das individuelle regelmäßige Arbeitsentgelt des Auszahlungsmonats (feste sowie leistungs- und zeitabhängige variable Bestandteile ohne Mehrarbeitsvergütung), soweit es Gegenstand der Erhöhung gemäß § 2 Nr. 3 war.“

12

Die Beklagte zahlte den klagenden Parteien im November des Jahres 2006 einen als freiwillige Sonderzahlung bezeichneten Betrag, dessen Höhe der Einmalzahlung nach § 4c TV ERA-APF auf Basis des Gehaltsabkommens 2006 entsprach. Gleichzeitig teilte sie den klagenden Parteien mit, dass kein Anspruch auf eine Einmalzahlung aus der ERA-Strukturkomponente bestehe, da sie als tarifungebundene Betriebserwerberin nicht verpflichtet sei, das ERA betrieblich einzuführen.

13

Mit ihren Klagen begehren die klagenden Parteien die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Einmalzahlung aus den ERA-Strukturkomponenten nach § 4c TV ERA-APF bis zur betrieblichen Einführung von ERA zu zahlen. Die klagenden Parteien zu 1) bis 4) sind der Auffassung, die Regelung in § 4c TV ERA-APF sei nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB Inhalt ihrer Arbeitsverhältnisse geworden. § 4c TV ERA-APF stelle eine in sich geschlossene Norm dar, die auch die Berechnung der Einmalzahlung festlege. Für einen Anspruch auf die Einmalzahlung aus der Strukturkomponente reiche es aus, wenn das ERA im Betrieb tatsächlich nicht eingeführt werde. Die Kläger zu 5) und 6) meinen ebenfalls, der Anspruch sei nach dem Betriebsübergang Inhalt ihrer Arbeitsverhältnisse mit der Beklagten geworden. § 4c TV ERA-APF regele ihren Zahlungsanspruch auch hinsichtlich der Berechnungsmethode abschließend. Die dortige Fußnote beinhalte lediglich eine Absichtserklärung, mit der die Tarifvertragsparteien zum Ausdruck hätten bringen wollen, dass nach Abschluss der Entgeltabkommen 2006 Neuregelungen über die Höhe und die Berechnungsmethode in Betracht kommen könnten. Die Beklagte sei verpflichtet, das ERA einzuführen, da sowohl dieses als auch der ERA-ETV vor Betriebsübergang in Kraft getreten seien.

14

Die klagenden Parteien haben zuletzt jeweils beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die ERA-Strukturkomponente gemäß § 4c des Tarifvertrages ERA-Anpassungsfonds vom 18. Dezember 2003 in der Fassung vom 5. März 2004 bis zur betrieblichen ERA-Einführung zu zahlen.

15

Die Beklagte hat beantragt,

        

die Klagen abzuweisen.

16

Sie meint, die Feststellungsklagen seien unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Zum einen sei es den klagenden Parteien möglich, gegenüber den Feststellungsklagen vorrangige Leistungsklagen zu erheben. Die Feststellungsanträge seien nicht geeignet, hinsichtlich der Einmalzahlung eine endgültige Klärung etwaiger Zahlungsverpflichtungen herbeizuführen. Der Verweis auf die Entgeltabkommen des Jahres 2004 gehe ins Leere, denn diese enthielten keine Regelungen zum maßgeblichen Tarifeinkommen, des einschlägigen Berechnungsfaktors sowie zur Fälligkeit. Eine Zahlungspflicht nach § 4c TV ERA-APF setze zudem die Verpflichtung zur betrieblichen Einführung von ERA voraus, die nicht bestehe. Ihr verbleibe weiterhin die Anrechnung etwaiger Zahlungsverpflichtungen mit übertariflichen Zulagen.

17

Das Arbeitsgericht hat die Klagen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufungen der klagenden Parteien, nachdem es die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat, den Klagen stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidungen. Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

18

Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Berufungen der klagenden Parteien zu Unrecht stattgegeben. Die Klagen sind unzulässig. Für die Feststellungsanträge besteht nicht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

19

I. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken - sog. Elementenfeststellungsklage -. Auch die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrages oder Tarifwerkes auf ein Arbeitsverhältnis kann Gegenstand einer Feststellungsklage sein(st. Rspr., s. nur BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 11 mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 66 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 39 ).

20

Eine Feststellungsklage setzt nach § 256 Abs. 1 ZPO weiterhin ein rechtliches Interesse des Klägers voraus, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Dieses besondere Feststellungsinteresse muss als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz gegeben sein. Sein Vorliegen ist von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., etwa BAG 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 14, BAGE 124, 240).

21

Das Feststellungsinteresse ist nur dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann(st. Rspr., etwa BAG 14. Dezember 2005 - 4 AZR 522/04 - Rn. 12, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 94 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 7; 29. November 2001 - 4 AZR 757/00 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 100, 43). Es fehlt, wenn durch die Entscheidung kein Rechtsfrieden geschaffen wird, weil nur einzelne Elemente eines Rechtsverhältnisses zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden. Die Rechtskraft der Entscheidung muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen (st. Rspr., etwa BAG 9. November 2001 -  4 AZR 757/00  - zu I 2 b der Gründe, aaO) . Das ist bei einem auf Feststellung einer Zahlungsverpflichtung gerichteten Antrag in der hier gewählten Form dann der Fall, wenn insbesondere über weitere Faktoren, die die Zahlungshöhe bestimmen, kein Streit besteht und die konkrete Bezifferung dann lediglich eine einfache Rechenaufgabe ist, die von den Parteien in einem unstreitigen Verfahren ebenso selbst umgesetzt werden können wie die weiteren Zahlungsmodalitäten. Anderenfalls müssen auch die weiteren Berechnungskriterien zum Gegenstand des Feststellungsantrages gemacht werden, damit nicht lediglich eine Vorfrage geklärt wird, die die Rechtsgrundlagen für den Entgeltanspruch nicht abschließend klärt (so zur Eingruppierungsfeststellungsklage BAG 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 15, BAGE 124, 240; weiterhin BAG 9. November 2001 -  4 AZR 757/00  - zu I 2 b der Gründe, aaO). Allerdings sind die Gerichte gehalten, Klageanträge nach Möglichkeit auszulegen, damit hierdurch eine vom Antragsteller erkennbar erstrebte Sachentscheidung ermöglicht wird (BAG 12. August 2009 - 7 ABR 15/08 - Rn. 12, AP BetrVG 1972 § 34 Nr. 2 = EzA BetrVG 2001 § 34 Nr. 1).

22

II. Hiervon ausgehend sind die Klageanträge unzulässig. Sie sind auch keiner Auslegung zugänglich, die eine Sachentscheidung ermöglichen würde, für die das erforderliche Rechtsschutzinteresse vorliegt.

23

1. Der Gegenstand der Feststellungsanträge ist die Verpflichtung der Beklagten, die Einmalzahlungen aus den ERA-Strukturkomponenten gemäß § 4c des TV ERA-APF in der Fassung vom 5. März 2004 bis zur betrieblichen ERA-Einführung zu leisten. Dabei handelt es sich um eine zwischen den Parteien streitige Vorfrage, die nicht geeignet ist, das zwischen den Parteien streitige Rechtsverhältnis abschließend zu klären. Durch die zur Entscheidung gestellten Anträge würde nur die Vorfrage geklärt, ob die Beklagte überhaupt verpflichtet ist, eine Einmalzahlung aus den ERA-Strukturkomponenten zu zahlen. Ungeklärt und ggf. einem weiteren Rechtsstreit vorbehalten bliebe, wie die von den klagenden Parteien begehrten Zahlungen zu berechnen und wann sie zu leisten sind.

24

a) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts und der der klagenden Parteien lässt sich die erforderliche Feststellung über die konkrete Berechnung der Einmalzahlungen für die Jahre ab 2006 bis zur betrieblichen Einführung des ERA sowie ihre Auszahlungszeitpunkte nicht dem in dem Klageantrag aufgenommenen § 4c TV ERA-APF entnehmen. Das gilt auch dann, wenn man davon ausgeht, es handele sich bei § 4c ERA-APF für die Auszahlungszeiträume nach dem 28. Februar 2006 nicht lediglich um eine schuldrechtliche Abrede der Tarifvertragsparteien, sondern bereits um eine tarifliche Inhaltsnorm iSd. § 1 Abs. 1 Satz 1 TVG, die die Verpflichtung des Arbeitgebers jedoch lediglich dem Grunde nach regelt(so BAG 14. Januar 2009 - 5 AZR 175/08 - Rn. 18, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 134 für den gleichlautenden § 4c TV ERA-APF Berlin-Brandenburg). Auch dann enthält § 4c TV ERA-APF keine Regelung zur Berechnung und zu den weiteren Zahlungsmodalitäten der Einmalzahlung für die Zeit ab dem 1. März 2006. Das ergibt die Auslegung des Tarifvertrages (zu den Maßstäben der Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages s. nur BAG 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 40, BAGE 124, 240).

25

aa) Aus dem Wortlaut der in den Text des Tarifvertrages aufgenommenen Fußnote zu § 4c Satz 2 TV ERA-APF ergibt sich, dass die Tarifvertragsparteien die Auszahlungszeitpunkte, die aktuelle Bezugsbasis sowie etwaige weitere Einzelheiten für die Einmalzahlungen aus den ERA-Strukturkomponenten ab März 2006 erst auf Basis der zukünftigen Entgeltabkommen des Jahres 2006 regeln wollten. Diese waren weder bei Abschluss des TV ERA-APF am 18. Dezember 2003 noch bei seiner Modifikation am 5. März 2004 geschlossen. Erst durch die „Vereinbarung zum Umgang mit den ERA-Strukturkomponenten ab März 2006“ vom 23. November 2005 haben die Tarifvertragsparteien für den Zeitraum von März 2006 bis Dezember 2006 eine Einigung über die für die Berechnung zugrundezulegende Bezugsbasis, den für die jeweiligen Monate anzuwendenden Faktor sowie die Fälligkeitszeitpunkte getroffen. In Nr. 2 des Verhandlungsergebnisses der Tarifvertragsparteien vom 23. November 2005 haben sie ausdrücklich niedergelegt, dass für die Betriebe die genannte Vereinbarung über den Umgang mit den ERA-Strukturkomponenten getroffen wird und die dortigen Regelungen Bestandteile der Entgeltabkommen des Jahres 2006 werden sollen, damit für die Betriebe rechtzeitig Planungssicherheit besteht. Damit haben die Tarifvertragsparteien erst zu diesem Zeitpunkt diejenigen Punkte festgelegt, die nach ihrer übereinstimmenden Ansicht noch regelungsbedürftig waren. Solche Regelungen für die Einmalzahlungen aus den ERA-Strukturkomponenten ab dem 1. März 2006 wurden dann auch Inhalt der später geschlossenen Entgeltabkommen vom 22. April 2006(§ 7, insb. Nr. 4 Lohnabkommen 2006 und § 6, insb. Nr. 4 Gehaltsabkommen 2006).

26

bb) Ein anderes folgt nicht aus dem Verweis in § 4c Satz 2 TV ERA-APF, wonach für die „Berechnung“ der Einmalzahlungen auf dieMethode für die Auszahlung der ERA-Strukturkomponenten in den Entgeltabkommen vom 16. Februar 2004“ verwiesen wird. Die Bestimmungen in den Entgeltabkommen 2004 - § 5 Nr. 1 Gehaltsabkommen 2004, § 6 Nr. 1 Lohnabkommen 2004 - galten nur für die Zeit bis zum 28. Februar 2006. Der Verweis auf die „Methode für die Auszahlung“ bedeutet lediglich, dass sich die Tarifvertragsparteien darüber einig waren, die Höhe der Einmalzahlungen nach einem tariflich noch festzulegenden Faktor und einer tariflich noch zu bestimmenden Bezugsbasis zu berechnen. Hätten die Tarifvertragsparteien die Bezugnahme auf die Entgeltabkommen hingegen als abschließend verstanden, wäre die Fußnote zu § 4c Satz 2 TV ERA-APF überflüssig gewesen. Weiterhin wäre es auch nicht erforderlich gewesen, im Interesse einer rechtzeitigen Planungssicherheit bereits im November 2005 eine Vereinbarung über die Berechnung der „auszuzahlenden Einmalzahlung“ zu treffen und in Nr. 4 des Verhandlungsergebnisses zu vereinbaren, dass für „die Zeit ab 2007 ... entsprechende Regelungen“ noch getroffen werden.

27

b) Zwischen den klagenden Parteien und der Beklagten steht nicht außer Streit, nach welchen Berechnungsregeln die Einmalzahlung im Falle einer entsprechenden Zahlungsverpflichtung nach § 4c TV ERA-APF zu erfolgen hat. Die klagenden Parteien sind der Auffassung, bereits durch § 4c TV ERA-APF und dem Verweis auf die Entgeltabkommen für das Jahr 2004 seien die erforderlichen Regelungen erfolgt. Demgegenüber hat die Beklagte bereits in den Tatsacheninstanzen geltend gemacht, dass eine Regelung für Zahlungen aus der ERA-Strukturkomponente für das Jahr 2006 erst durch die Entgeltabkommen für dieses Jahr erfolgt sei. Zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Entgeltabkommen sei sie aber nicht tarifgebunden gewesen, sodass dieses für sie nicht mehr maßgebend sein könne.

28

c) Ob für die klagenden Parteien darüber hinaus hinsichtlich einer Feststellung für das Jahr 2006 auch deshalb kein Rechtsschutzinteresse besteht, weil sie selbst davon ausgehen, sie könnten für das Jahr 2006 keine Ansprüche auf eine Einmalzahlung aus den ERA-Strukturkomponenten mehr geltend machen, da die Beklagte im November 2006 eine von ihr als freiwillige Sonderzahlung bezeichnete Vergütungszahlung in Höhe des Anspruchs nach § 4c TV ERA-APF erbracht habe und diese mit ihren Ansprüchen nach dieser Bestimmung verrechnen könne, muss der Senat daher nicht entscheiden.

29

2. Der Senat ist daran gehindert, die Anträge unter Berücksichtigung des Vortrags der klagenden Parteien dahin auszulegen, dass sie den Anforderungen an das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse genügen.

30

a) Nach dem Vortrag der klagenden Parteien zu 1) bis 4) ist eine solche Auslegung nicht möglich. Sie haben, nachdem die Beklagte bereits erstinstanzlich eingewendet hatte, § 4c TV ERA-APF enthalte für eine ab dem 1. März 2006 zu leistende Einmalzahlung keine Berechnungsregelungen, in ihren Schriftsätzen vom 13. Juli 2007 ausgeführt, die Bestimmung enthalte „eine abschließende anwendbare Regelung“. In ihrer Berufungsbegründung vom 14. Dezember 2007 machen die klagenden Parteien ausdrücklich geltend, dass „einzig und allein die Verpflichtung“ der Beklagten „zur Zahlung der Strukturkomponente“ streitgegenständlich ist, hingegen „nicht die Zahlungsmodalitäten“. Eine Auslegung der Klageanträge, dass auch die Berechnungsgrundlagen und die Zahlungsmodalitäten von ihnen erfasst werden, ist daher ohne Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO nicht möglich.

31

b) Auch in Bezug auf die Feststellungsanträge der Kläger zu 5) und zu 6) scheidet entsprechende Auslegung ihrer Feststellungsanträge aus. Ihrem Vorbringen ist weder zu entnehmen, auf welcher tariflichen Grundlage die Einmalzahlung für die Zeit ab dem 1. März 2006 bis zum 31. Dezember 2006 und in den Jahren 2007 sowie 2008 zu berechnen ist, wenn - wie vorliegend der Fall - § 4c TV ERA-APF entgegen ihrer Auffassung nicht allein maßgebend ist.

32

III. Entgegen der Auffassung der Kläger zu 5) und zu 6) ist der Senat nicht gehindert, nach § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden und die Revision mit der Maßgabe zurückweisen, dass die Klagen unzulässig sind. Eine Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts nach § 562 Abs. 1 ZPO und die Zurückverweisung nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht ist nur dann geboten, wenn die klagenden Parteien nach dem Verfahrensverlauf nicht ausreichend Gelegenheit und Veranlassung gehabt hätten, einen Antrag zu stellen, der den Erfordernissen des § 256 Abs. 1 ZPO entspricht(vgl. BAG 11. November 2009 - 7 AZR 387/08 - Rn. 16, EzA ZPO 2002 § 253 Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Die Beklagte hat bereits in den Tatsacheninstanzen darauf hingewiesen, dass sich allein aus der Bestimmung des § 4c TV ERA-APF die erforderliche Berechnung und die weiteren Zahlungsmodalitäten des Anspruchs nicht ergeben, namentlich seien die Entgeltabkommen des Jahres 2004 nicht maßgebend. Aufgrund dieses Vortrages der Beklagten hatten die klagenden Parteien ausreichend Anlass, ihren Antrag, ggf. in Form eines Hilfsantrages, und ihren Vortrag weiter zu konkretisieren, ohne dass ein richterlicher Hinweis nach § 139 Abs. 1 ZPO geboten gewesen wäre(vgl. BAG 24. Januar 2007 - 4 AZR 28/06 - Rn. 37 ff. mwN, NZA-RR 2007, 495).

33

Ein anderes folgt nicht aus der in der Revisionsinstanz von den Klägern zu 5) und zu 6) angeführten Entscheidung des Siebten Senats vom 11. November 2009. Der Siebte Senat hat den bei ihm anhängigen Rechtsstreit deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, weil der Kläger ursprünglich einen grundsätzlich sachdienlichen und zulässigen Klageantrag gestellt hatte, diesen jedoch auf Anregung des Arbeitsgerichts in einen unzulässigen Feststellungsantrag abgeändert hatte(- 7 AZR 387/08 - Rn. 16, EzA ZPO 2002 § 253 Nr. 3). Eine solche Fallgestaltung ist vorliegend nicht gegeben.

34

IV. Die klagenden Parteien haben die Kosten des Revisionsverfahrens und der Berufung im Umfang ihrer Beteiligung zu tragen (§ 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 2 ZPO).

        

    Bepler    

        

    Creutzfeldt    

        

    Treber    

        

        

        

    Hannig    

        

    Drechsler    

                 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 26. Januar 2012 - 5 TaBV 30/11 - aufgehoben.

Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Gießen vom 17. Februar 2011 - 1 BV 13/10 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das An- und Ablegen der Unternehmensbekleidung im Betrieb für das Fahrpersonal als betriebliche Arbeitszeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bei der Dienstplangestaltung zu berücksichtigen ist.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über das Bestehen von Mitbestimmungsrechten in Arbeitszeitfragen.

2

Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs. Der Betriebsrat ist die für den Wahlbetrieb R.8.2 (Gießen) nach § 3 Abs. 1 BetrVG gebildete Arbeitnehmervertretung.

3

Für die bei der Arbeitgeberin beschäftigten Triebfahrzeugführer gilt der Tarifvertrag für die Lokomotivführer von Schienenverkehrsunternehmen (LfTV). In §§ 53, 78 LfTV heißt es:

        

§ 53 

        

Beginn und Ende der Arbeitszeit

        

(1)     

Die Arbeitszeit beginnt und endet am vorgeschriebenen Arbeitsplatz. Durch betriebliche Regelungsabrede kann festgelegt werden, dass ein Zeitverwaltungssystem durch ein Daten-Terminal zu bedienen ist.

        

...     

        
                          
                          
        

§ 78   

        

Unternehmensbekleidung

        

Unternehmensbekleidung sind im Eigentum des Arbeitnehmers stehende Kleidungsstücke, die zur Sicherstellung eines einheitlichen und gepflegten Erscheinungsbildes in der Öffentlichkeit an Stelle anderer Kleidung während der Arbeit getragen werden müssen. Einzelheiten werden durch Betriebsvereinbarung und/oder Konzernrichtlinie geregelt.“

4

Für die bei der Arbeitgeberin im Zugbegleitdienst eingesetzten Kundenbetreuer gilt der funktionsgruppenspezifische Tarifvertrag für Tätigkeiten der Funktionsgruppe 5 - Bahnservice und Vertrieb - (FGr 5-TV), der in § 43 Abs. 1, § 48 FGr 5-TV inhaltsgleiche Regelungen über die Arbeitszeit sowie das Tragen von Unternehmensbekleidung enthält.

5

Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 iVm. Anlage 1 der Konzernbetriebsvereinbarung über die Ausstattung mit Unternehmensbekleidung (KBV Ubk) vom 30. November 2011 ist das Fahrpersonal der Arbeitgeberin (Kundenbetreuer und Triebfahrzeugführer) zum Tragen von besonderer Dienstkleidung verpflichtet. Den Arbeitnehmern ist die Nutzung dieser Kleidungsstücke auch außerhalb des Dienstes gestattet. Die Arbeitgeberin verlangt von ihnen, dass sie bereits vollständig umgekleidet zum Dienstantritt in der Meldestelle erscheinen.

6

Im November 2010 lehnte der Betriebsrat die von der Arbeitgeberin vorgelegten Entwürfe für die Dienstpläne des Jahresfahrplans 2010/2011 ab. Eine zwischen den Beteiligten gebildete Einigungsstelle ersetzte durch Spruch vom 2. Dezember 2010 die Zustimmung des Betriebsrats zum Jahresfahrplan 2010/2011.

7

Der Betriebsrat hat geltend gemacht, die Zeiten für das An- und Ablegen der Dienstkleidung sei als betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG in den Dienstplänen zu berücksichtigen.

8

Der Betriebsrat hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass der Betriebsrat bei der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht hat bzgl. der Frage, dass die Arbeitszeit iSd. genannten Vorschrift mit Beginn des Umkleidens in die von der Arbeitgeberin vorgeschriebene Unternehmensdienstbekleidung beginnt und mit Ende des Umziehens in die private Bekleidung endet;

        

2.    

festzustellen, dass der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hat bei der Festlegung des „vorgeschriebenen Arbeitsplatzes“ iSd. bei der Arbeitgeberin geltenden tariflichen Bestimmungen.

9

Die Arbeitgeberin hat die Abweisung der Anträge beantragt.

10

Beide Vorinstanzen haben die Anträge des Betriebsrats, die dieser mit seiner Rechtsbeschwerde ursprünglich weiterverfolgt hat, abgewiesen. Auf Anregung des Senats hat der Betriebsrat seine Antragstellung auf die Feststellung beschränkt, dass die betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG für den tragepflichtigen Personenkreis die Zeiten für das An- und das Ablegen der Unternehmenskleidung in den Betriebsräumen der Arbeitgeberin umfasst und diese Zeiten dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Festlegung von Beginn und Ende der Arbeitszeit im Schichtplan unterliegen.

11

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist mit dem zuletzt gestellten Antrag begründet.

12

I. Der Antrag ist zulässig.

13

1. Der Antrag ist auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet. Mit ihm möchte der Betriebsrat die Feststellung erreichen, dass die Zeiten für das An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb als betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bei der Dienstplangestaltung des Fahrpersonals zu berücksichtigen sind.

14

2. Das besondere Feststellungsinteresse für den Antrag der Arbeitgeberin folgt aus den unterschiedlichen Auffassungen der Beteiligten über die nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu verteilende betriebliche Arbeitszeit und ihre Berücksichtigung in den Dienstplänen. Dieser Streit wird durch den Antrag des Betriebsrats einer umfassenden Klärung zugeführt.

15

II. Der Antrag ist begründet. Die Zeiten für das An- und Ablegen der Dienstkleidung in den Betriebsräumen der Arbeitgeberin gehören zur Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, die in den Dienstplänen für das Fahrpersonal zu berücksichtigen ist.

16

1. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Das Beteiligungsrecht nach dieser Bestimmung dient dazu, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage der Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien Zeit für die Gestaltung ihres Privatlebens zur Geltung zu bringen. Das Mitbestimmungsrecht betrifft die Lage der täglichen „Arbeitszeit“ iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Dies ist die Zeit, während derer der Arbeitnehmer die von ihm in einem bestimmten zeitlichen Umfang vertraglich geschuldete Arbeitsleistung tatsächlich zu erbringen hat. Es geht um die Festlegung des Zeitraums, während dessen der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die Erfüllung seiner vertraglichen Hauptleistungspflichten verlangen und dieser sie ihm ggf. mit der Folge des § 293 BGB anbieten kann. Arbeitszeit iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist deshalb die Zeit, in welcher der Arbeitnehmer verpflichtet bzw. berechtigt ist, seine vertraglich geschuldete Arbeit zu leisten (BAG 14. November 2006 - 1 ABR 5/06 - Rn. 27, BAGE 120, 162).

17

2. Nach der Senatsrechtsprechung gehören Umkleidezeiten zur vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung, wenn das Umkleiden einem fremden Bedürfnis dient und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis erfüllt. Das Ankleiden mit vorgeschriebener Dienstkleidung ist nicht lediglich fremdnützig und damit nicht Arbeitszeit, wenn sie zu Hause angelegt und - ohne besonders auffällig zu sein - auch auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann (BAG 10. November 2009 - 1 ABR 54/08 - Rn. 15). An der ausschließlichen Fremdnützigkeit fehlt es auch, wenn es dem Arbeitnehmer gestattet ist, eine an sich auffällige Dienstkleidung außerhalb der Arbeitszeit zu tragen und er sich entscheidet, diese nicht im Betrieb an- und abzulegen. Dann dient das Umkleiden auch einem eigenen Bedürfnis, weil der Arbeitnehmer keine eigenen Kleidungsstücke auf dem Arbeitsweg einsetzen muss oder sich aus anderen, selbstbestimmten Gründen gegen das An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb entscheidet.

18

3. Danach handelt es sich bei dem An- und Ablegen der vorgeschriebenen Dienstkleidung im Betrieb um Arbeitszeiten des Fahrpersonals. Das Mitbestimmungsrecht wird nicht durch den Tarifvorbehalt des § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG ausgeschlossen.

19

a) Das bei der Arbeitgeberin beschäftigte Fahrpersonal ist nach § 78 LfTV, § 48 FGr 5-TV iVm. § 1 Abs. 1 Satz 2, Anlage 1 KBV Ubk zum Tragen der Dienstkleidung verpflichtet. Dies steht zwischen den Beteiligten außer Streit. Die zu tragenden Kleidungsstücke sind aufgrund ihrer Farbgebung und ihres Zuschnitts besonders auffällig. Sie haben Uniformcharakter und dienen nach den tariflichen Vorschriften der Herstellung eines einheitlichen Erscheinungsbilds des Fahrpersonals in der Öffentlichkeit. Bahnreisenden soll die schnelle und sichere Identifizierung der Mitarbeiter als Bordpersonal ermöglicht werden. Diesen Zweck hat die Arbeitgeberin selbst in Nr. 1 Abs. 3 der Konzernrichtlinie Nr. 110.0001 „Unternehmensbekleidung bestellen und tragen“ zugrunde gelegt. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin fehlt es an einem auffälligen Erscheinungsbild nicht schon deshalb, weil die Unternehmensbekleidung in dezenten Farben gehalten ist. An den Kleidungsstücken ist das von den Konzerngesellschaften des Personennah- und -fernverkehrs verwandte Emblem angebracht. Dieses weist einen in der Bevölkerung überaus hohen Bekanntheitsgrad auf und ermöglicht eine leichte Zuordnung des Dienstkleidungsträgers zu einem Rechtsträger des Unternehmensverbunds der DB AG. An einer derartigen Offenlegung ihres Arbeitgebers gegenüber Dritten besteht außerhalb ihrer Arbeitszeit kein objektiv feststellbares eigenes Interesse der Arbeitnehmer (vgl. BAG 17. Januar 2012 - 1 ABR 45/10 - Rn. 32, BAGE 140, 223).

20

b) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Berücksichtigung der Umkleidezeiten in den Dienstplänen ist nicht nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG ausgeschlossen.

21

aa) Die Mitbestimmungsrechte im Bereich der sozialen Mitbestimmung können im Betrieb eines tarifgebundenen Arbeitgebers allerdings durch den Tarifvorbehalt des § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG eingeschränkt oder ausgeschlossen sein.

22

(1) Die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten dient dem Schutz der Arbeitnehmer durch gleichberechtigte Teilhabe an den sie betreffenden Angelegenheiten (BAG 3. Dezember 1991 - GS 2/90 - zu C II 1 a der Gründe, BAGE 69, 134). § 87 Abs. 1 BetrVG beschränkt wegen der persönlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers und im Hinblick auf den Teilhabegedanken die Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers bei der Vertragsgestaltung und der Ausübung seines Direktionsrechts(Wiese GK-BetrVG 10. Aufl. § 87 Rn. 56). Der Eingangshalbsatz in § 87 Abs. 1 BetrVG beruht dabei auf der Erwägung, dass für die Erreichung des Mitbestimmungszwecks kein Raum mehr besteht, wenn eine den Arbeitgeber bindende Regelung durch Gesetz oder Tarifvertrag bereits vorliegt. In diesem Fall kann davon ausgegangen werden, dass mit dieser Regelung den berechtigten Interessen und Schutzbedürfnissen der Arbeitnehmer hinreichend Rechnung getragen worden ist (BAG 18. Oktober 2011 - 1 ABR 25/10 - Rn. 19, BAGE 139, 332).

23

(2) Der Ausschluss des Mitbestimmungsrechts durch den Tarifvorbehalt erfordert, dass die Tarifvertragsparteien selbst über die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit eine zwingende und abschließende inhaltliche Regelung getroffen und damit dem Schutzzweck des verdrängten Mitbestimmungsrechts Genüge getan haben (BAG 3. Dezember 1991 - GS 2/90 - zu C II 1 b der Gründe, BAGE 69, 134). Die Tarifvertragsparteien dürfen das Mitbestimmungsrecht nicht ausschließen oder einschränken, ohne die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit selbst zu regeln (BAG 9. November 2010 - 1 ABR 75/09 - Rn. 17).

24

bb) Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin wird das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG in Bezug auf die Zeiten für das An- und Ablegen der Unternehmensbekleidung nicht durch § 53 Abs. 1 LfTV, § 43 Abs. 1 FGr 5-TV ausgeschlossen.

25

(1) Der Wortlaut der Vorschriften ist allerdings nicht eindeutig. Nach § 53 Abs. 1 LfTV, § 43 Abs. 1 FGr 5-TV beginnt und endet die Arbeitszeit am vorgeschriebenen Arbeitsplatz. Dies ist der Platz, der entweder vertraglich festgelegt oder dem Arbeitnehmer im Wege des Direktionsrechts zugewiesen worden ist und an dem er tatsächlich arbeitet (vgl. BAG 29. April 1982 - 6 ABR 54/79 - zu III 1 der Gründe). Die Tarifnormen knüpfen bei der Bestimmung des Arbeitszeitbeginns nicht an das Betriebsgelände, einzelne Betriebsgebäude oder Abteilungen des Betriebs an. Die Arbeitszeit der von den tariflichen Vorschriften erfassten Arbeitnehmer ist vielmehr an das Erreichen und Verlassen des ihnen zugewiesenen Arbeitsplatzes gebunden. Zeiten vom Betreten des Betriebsgeländes bis zur Aufnahme der zugewiesenen Tätigkeit bleiben bei der Berechnung der Arbeitszeit außer Betracht. Damit haben die Tarifvertragsparteien die Wegezeit bis zum Erreichen bzw. Verlassen des Arbeitsplatzes nicht der betrieblichen Arbeitszeit zugewiesen, sondern der privaten Sphäre des Arbeitnehmers zugeordnet. Der Wortlaut der Tarifbestimmungen lässt aber nicht erkennen, ob der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung vertragsgerecht nur in Dienstkleidung anbieten kann oder es sich beim Umkleiden um Arbeitszeit handelt.

26

(2) Der Ausschluss des Mitbestimmungsrechts folgt auch nicht aus den tariflichen Vorschriften über die Unternehmensbekleidung. Zwar enthalten § 78 LfTV, § 48 FGr 5-TV Regelungen über Kleidungsstücke, die zur Sicherstellung eines einheitlichen und gepflegten Erscheinungsbilds in der Öffentlichkeit an Stelle anderer Kleidung während der Arbeit getragen werden müssen. Hierdurch wird aber nicht bestimmt, ob die tarifliche Arbeitszeit die Zeiten für das An- und Ablegen dieser Kleidungsstücke umfasst. Die Tarifvorschriften beschränken sich auf eine Normierung der Tragepflicht von besonderer Dienstkleidung, die ihrerseits durch betriebliche Regelungen auszugestalten ist.

27

(3) Für die Sichtweise des Beschwerdegerichts spricht auch nicht der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien in § 53 Abs. 1 LfTV, § 43 Abs. 1 FGr 5-TV keine ausdrückliche Regelung über Beginn und Ende der Arbeitszeit getroffen haben. Das Gegenteil ist der Fall.

28

Die Tarifvertragsparteien verwenden keinen eigenständigen Arbeitszeitbegriff. Sie haben in § 42 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 2, 6 und 9 FGr 5-TV von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch tarifliche Regelungen von den Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes abzuweichen. Damit ist davon auszugehen, dass sie ihren Regelungen den gesetzlichen Arbeitszeitbegriff zugrunde gelegt haben. In § 2 Abs. 1 ArbZG wird die Arbeitszeit als die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhepausen definiert. Zur Arbeit iSd. genannten Vorschrift gehört auch das Umkleiden für die Arbeit, wenn das Tragen einer besonderen Dienstkleidung vorgeschrieben ist und betrieblichen Belangen dient (vgl. BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 23). Gerade weil das An- und Ablegen der Dienstkleidung für den tragepflichtigen Personenkreis wegen seiner ausschließlichen Fremdnützigkeit zur Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, § 2 Abs. 1 ArbZG gehört, hätte es eines hinreichend deutlich zum Ausdruck gebrachten Regelungswillens bedurft, um eine das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ausschließende Regelung zu treffen. § 53 Abs. 1 LfTV, § 43 Abs. 1 FGr 5-TV ist eine solche eindeutige Regelungsabsicht nicht zu entnehmen.

        

    Linck    

        

    Spelge    

        

    Koch    

        

        

        

    T. Klebe    

        

    Hann    

                 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 4. Februar 2010 - 2 Sa 498/09 und 2 Sa 839/09 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über die Vergütung von Beifahrerzeiten.

2

Der Kläger war vom 14. Februar 2003 bis zum 31. März 2008 bei der Beklagten, die ein Speditionsunternehmen betreibt, als Kraftfahrer beschäftigt. Die Bruttomonatsvergütung betrug zuletzt 1.636,00 Euro. Im Arbeitsvertrag der Parteien heißt es ua.:

        

„§ 1 Tätigkeit

        

1.    

Der Arbeitnehmer wird ab 14.02.2003 eingestellt als: Kraftfahrer

                 

Die Tätigkeit umfaßt hiernach:

                 

Lt. Anweisung des Disponenten

        

…       

        
        

§ 3 Betriebsordnung, Arbeitszeit - Mehrarbeit

        

…       

        

2.    

Für das Fahrpersonal richten sich die Lenkzeiten, Lenkzeitunterbrechungen, die Ruhezeiten u. die Schichtzeit nach

        

3.    

den Bestimmungen der VO (EWG) 3820/85. Im übrigen richtet sich die Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitrechtgesetz.

        

4.    

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, Nacht-, Wechsel-, Sonntags- und Mehrarbeit zu leisten; alle gesetzlich zulässigen Arbeiten sind Bestandteil dieses Vertrages.

        

5.    

Der Arbeitnehmer erklärt sich mit der Anordnung von Kurzarbeit, flexibler Arbeitszeit und Arbeitszeitverlängerung einverstanden.

        

6.    

Die Bezahlung von Mehrarbeit nur bei Anordnung oder wissentlicher Duldung durch den Arbeitgeber.

        

§ 4 Vergütung

        

1.    

Der Arbeitnehmer erhält für seine vertragliche Tätigkeit einen Bruttomonatslohn in Höhe von EUR 1.500,00

                 

Ab 01.08.2003 = 1.636,00 EUR

                 

…       

        

…       

        
        

§ 7 Dienstreisen

        

1.    

Für Reisen, die im Interesse der Firma notwendig sind und angeordnet werden, erhält der Arbeitnehmer Fahrtkostenerstattung (soweit angefallen) und freiwillige Spesen nach folgenden Sätzen:

                 

mehr als 8 Std. = 6 Euro

                 

mehr als 14 Std. = 12 Euro

                 

mehr als 24 Std. = 24 Euro

                 

Die Festlegung der Höhe der jeweiligen Spesen wird durch den Arbeitgeber bestimmt. Die Zahlung erfolgt unter Berücksichtigung der steuerlichen Vorschrift.

        

…       

        
        

3.    

Reisezeiten, die außerhalb der normalen Arbeitszeit anfallen, sind mit der nach § 4 zu zahlenden Vergütung abgegolten.

        

…       

        
        

§ 14 Verfallfristen

        

Alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sind binnen einer Ausschlussfrist von 2 Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Fall der Ablehnung durch die Gegenpartei binnen einer Ausschlussfrist von einem Monat einzuklagen.“

3

Die Beklagte setzte den Kläger im Werksfernverkehr ein. Dabei wechselten sich auf den bis zu 30-stündigen LKW-Fahrten jeweils zwei bis drei Fahrer ab.

4

Mit seiner am 2. Juni 2008 eingereichten Klage hat der Kläger ua. die Vergütung der als Beifahrer auf dem LKW verbrachten Zeiten, soweit sie zusammen mit Lenk- und sonstigen Arbeitszeiten im Durchschnitt 48 Stunden wöchentlich überstiegen, geltend gemacht und die Auffassung vertreten, die Zeiten als Beifahrer seien unabhängig von ihrer arbeitszeitrechtlichen Bewertung vergütungspflichtig.

5

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.659,79 Euro brutto nebst Zinsen hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. Mai 2008 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und eingewandt, die Zeiten als Beifahrer seien nicht zu vergüten. Nach § 21a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 ArbZG sei die im Mehrfahrerbetrieb während der Fahrt neben dem Fahrer oder in einer Schlafkabine verbrachte Zeit keine Arbeitszeit. Dies sei auch für die Vergütungspflicht maßgebend. Zumindest folge dies aus einer richtlinienkonformen Auslegung der Norm. § 21a Abs. 3 ArbZG diene der Umsetzung der Richtlinie 2002/15/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 (ABl. EG L80 vom 23. März 2002 S. 35, im Folgenden: RL 2002/15/EG), deren Ziel auch die Angleichung von Wettbewerbsbedingungen sei.

7

Das Arbeitsgericht hat insoweit der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

8

I. Die Revision der Beklagten ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Vergütung von 4,97 Stunden Fahrertätigkeit am 1. September, 3. Oktober und 19. Dezember 2007 in Höhe von insgesamt 39,06 Euro brutto nebst Zinsen richtet. Es fehlt an der notwendigen Revisionsbegründung.

9

1. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den angenommenen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Daher muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils enthalten (BAG st. Rspr., vgl. zB 19. März 2008 - 5 AZR 442/07 - Rn. 13, AP ZPO § 551 Nr. 65 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 8; 28. Januar 2009 - 4 AZR 912/07 - Rn. 11, AP ZPO § 551 Nr. 66 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 10; 27. Juli 2010 - 1 AZR 186/09 - Rn. 13, NZA 2010, 1446, jeweils mwN). Bei mehreren Streitgegenständen muss für jeden eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem der Streitgegenstände, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig (BAG 24. Februar 2010 - 4 AZR 657/08 - Rn. 21 mwN, AP ZPO § 551 Nr. 68).

10

2. Die Revisionsbegründung enthält keine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Auseinandersetzung mit den Gründen des Berufungsurteils, soweit dieses die Beklagte zur Vergütung von insgesamt 4,97 Stunden Fahrertätigkeit des Klägers am 1. September, 3. Oktober und 19. Dezember 2007 verurteilt hat. In der Revisionsbegründung legt die Beklagte ihre Rechtsauffassung zur Vergütungspflicht der Zeiten, die der Kläger als Beifahrer auf dem LKW verbrachte, dar und setzt sich insoweit mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts auseinander. Mit keinem Wort geht die Beklagte auf die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Vergütungspflicht der Fahrertätigkeit an den genannten Tagen ein.

11

II. Im Übrigen ist die Revision der Beklagten unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von Vergütung für die Zeiten, die er über eine wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden hinaus als Beifahrer geleistet hat.

12

1. Der Vergütungspflicht der streitgegenständlichen Zeiten steht § 7 Ziff. 3 Arbeitsvertrag nicht entgegen. Danach sind Reisezeiten, die außerhalb der normalen Arbeitszeit anfallen, mit der nach § 4 zu zahlenden Vergütung abgegolten. Die Klausel ist unwirksam, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

13

a) Bei § 7 Ziff. 3 Arbeitsvertrag handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB). Dafür begründet das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung (vgl. BAG 1. März 2006 - 5 AZR 363/05 - Rn. 20 ff., BAGE 117, 155; 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - Rn. 18, BAGE 128, 73), der keine der Parteien entgegengetreten ist. Reisezeiten iSd. Klausel können auch die Zeiten sein, die der Arbeitnehmer „reisend“ als Beifahrer auf dem LKW verbringt. Gerade die Spesenregelung in § 7 Ziff. 1 Arbeitsvertrag legt es nahe, unter dem Begriff Reisezeit jede berufsbedingte Abwesenheit zu verstehen.

14

b) Die in § 7 Ziff. 3 des Arbeitsvertrags geregelte Pauschalabgeltung von Reisezeiten ist mangels hinreichender Transparenz unwirksam.

15

aa) Unbeschadet der Frage, ob eine Regelung wie die streitbefangene die Hauptleistungspflichten der Parteien betrifft, unterliegt sie jedenfalls gemäß § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Danach kann sich die zur Unwirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung führende unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass die Bedingung nicht klar und verständlich ist. Dieses Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird (BAG 1. September 2010 - 5 AZR 517/09 - Rn. 14 mwN, AP BGB § 307 Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 50; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht 3. Aufl. § 307 BGB Rn. 146 ff.). Eine Klausel muss im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich umschreiben. Sie verletzt das Bestimmtheitsgebot, wenn sie vermeidbare Unklarheiten und Spielräume enthält (BAG 31. August 2005 - 5 AZR 545/04 - Rn. 45, BAGE 115, 372).

16

bb) Eine die pauschale Vergütung von Reisezeiten regelnde Klausel ist nur dann klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche „Reisetätigkeit“ von ihr in welchem Umfang erfasst werden soll (vgl. zur pauschalen Abgeltung von Mehrarbeit BAG 1. September 2010 - 5 AZR 517/09 - Rn. 15 mwN, AP BGB § 307 Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 50). Der Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was ggf. „auf ihn zukommt“ und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss (vgl. BAG 5. August 2009 - 10 AZR 483/08 - Rn. 14, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 85 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 10; 11. Oktober 2006 - 5 AZR 721/05 - Rn. 28, AP BGB § 308 Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 6).

17

cc) § 7 Ziff. 3 des Arbeitsvertrags ist nicht klar und verständlich. Die Klausel soll alle „Reisezeiten“ erfassen, die außerhalb der „normalen Arbeitszeit“ anfallen. Schon die „normale Arbeitszeit“ wird weder in § 7 Ziff. 3 noch in § 3 Ziff. 2 und 3 Arbeitsvertrag hinreichend deutlich in Stunden festgehalten. § 3 Ziff. 2 und 3 Arbeitsvertrag verweisen lediglich pauschal auf die „Bestimmungen der VO (EWG) 3820/85“ und „die Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitrechtgesetz“. Ob mit diesen Verweisungen die Begriffsbestimmung der Arbeitszeit in § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG, die Arbeitszeit der Arbeitnehmer nach § 3 ArbZG oder die Höchstarbeitszeit von Arbeitnehmern als Fahrer oder Beifahrer bei Straßenverkehrstätigkeiten nach § 21a Abs. 4 ArbZG gemeint ist, bleibt der Spekulation des Arbeitnehmers überlassen.

18

Gänzlich offen lässt die Klausel, welchen Inhalt der Klauselverwender dem Begriff der Reisezeit beimisst, insbesondere fehlt eine Abgrenzung von Reisezeiten ohne und mit Arbeit iSv. § 611 Abs. 1 BGB. Zudem ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag nicht, welchen Umfang die ohne zusätzliche Vergütung zu leistenden Reisezeiten haben sollen.

19

2. Der Kläger hat nach § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 3 Ziff. 6 Arbeitsvertrag Anspruch auf Vergütung der streitgegenständlichen Zeiten, die er als Beifahrer auf dem LKW verbrachte. Denn er hat mit seiner über eine wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden hinausgehenden „Beifahrertätigkeit“ Mehrarbeit geleistet, die die Beklagte durch ihre Arbeitseinteilung (zumindest konkludent) angeordnet hat.

20

a) Die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers ist unabhängig von der arbeitszeitrechtlichen Einordnung der Zeitspanne, während derer der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung erbringt. § 611 Abs. 1 BGB knüpft die Vergütungspflicht des Arbeitgebers allein an die „Leistung der versprochenen Dienste“. Für die gesetzliche Vergütungspflicht ist deshalb ausschließlich entscheidend, ob der Kläger, der unstreitig als Wechselfahrer eingesetzt war, mit dem Verbringen von Zeit während der Fahrt neben dem Fahrer oder in einer Schlafkabine vertraglich geschuldete Arbeit erbracht hat.

21

b) Arbeit als Leistung der versprochenen Dienste iSd. § 611 Abs. 1 BGB ist nicht nur jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient(BAG 11. Oktober 2000 - 5 AZR 122/99 - zu IV 3 d der Gründe, BAGE 96, 45; 22. April 2009 - 5 AZR 292/08 - Rn. 15 mwN, AP BGB § 611 Wegezeit Nr. 11; vgl. auch - zum bloßen Unterlassen während einer tarifvertraglich verpflichtenden Regenerationskur - 19. März 2008 - 5 AZR 328/07 - Rn. 14, AP BGB § 611 Feiertagsvergütung Nr. 1). Arbeit in diesem Sinne ist auch die vom Arbeitgeber veranlasste Untätigkeit, während derer der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz anwesend sein muss und nicht frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann, er also weder eine Pause iSd. Arbeitszeitgesetzes (zum Begriff der Pause s. BAG 16. Dezember 2009 - 5 AZR 157/09 - Rn. 10 mwN, AP ArbZG § 4 Nr. 3 = EzA ArbZG § 4 Nr. 3) noch Freizeit hat (in diese Richtung auch Schliemann ArbZG § 2 Rn. 8).

22

Danach hat der Kläger während der als Beifahrer verbrachten Zeit gearbeitet und die von ihm geschuldete Tätigkeit als Kraftfahrer erbracht. Er musste sich aufgrund der Arbeitseinteilung der Beklagten an seinem Arbeitsplatz, dem LKW (vgl. Art. 3 Buchst. c RL 2002/15/EG), aufhalten und konnte nicht frei über die Nutzung seiner Zeit bestimmen.

23

3. § 21a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 ArbZG schließt die Vergütungspflicht für die Arbeit als Beifahrer nicht aus.

24

a) Nach § 21a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 ArbZG ist für Arbeitnehmer, die sich beim Fahren abwechseln, die während der Fahrt neben dem Fahrer oder in einer Schlafkabine verbrachte Zeit abweichend von § 2 Abs. 1 ArbZG keine Arbeitszeit. Gleichzeitig bestimmt § 21a Abs. 3 Satz 3 ArbZG, dass diese Zeit auch keine Ruhezeit ist(Art. 3 Buchst. b RL 2002/15/EG ordnet sie der Bereitschaftszeit zu). Eine Modifizierung dessen, was unter Arbeit zu verstehen ist, enthält § 21a Abs. 3 ArbZG jedoch nicht(Schliemann ArbZG § 21a Rn. 22). Ebenso wenig schließt die Vorschrift die Vergütung der dort genannten Zeiten aus.

25

b) Eine ergänzende Auslegung des § 21a Abs. 3 ArbZG dahin gehend, es solle für die dort genannten Zeiten eine Vergütung des Arbeitnehmers ausgeschlossen werden, gestatten Sinn und Zweck der Norm nicht. § 21a ArbZG dient der Umsetzung der RL 2002/15/EG und bezweckt, den öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitschutz für Arbeitnehmer als Fahrer oder Beifahrer bei Straßenverkehrstätigkeiten europarechtskonform neu zu ordnen(vgl. nur BT-Drucks. 16/1685 S. 11 ff.; Schliemann ArbZG § 21a Rn. 4 ff.; Buschmann/Ulber ArbZG 6. Aufl. § 21a Rn. 1 ff.). Für die Annahme, der Gesetzgeber habe mit der Modifizierung des Begriffs der Arbeitszeit (§ 2 Abs. 1 ArbZG) in § 21a Abs. 3 ArbZG gleichzeitig Vergütungsfragen regeln wollen, fehlt jeglicher Anhaltspunkt. Allein die Einordnung einer bestimmten Zeit bzw. Zeitspanne als Arbeitszeit besagt nichts über deren Vergütungspflicht (st. Rspr., vgl. nur BAG 28. Januar 2004 - 5 AZR 530/02 - zu III 1 der Gründe, BAGE 109, 254; 24. September 2008 - 10 AZR 770/07 - Rn. 35 f., BAGE 128, 42; zur Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ebenso: EuGH 1. Dezember 2005 - C-14/04 - [Dellas ua.] Rn. 38, Slg. 2005, I-10253).

26

c) Ein Ausschluss der Vergütungspflicht für Beifahrerzeiten iSv. § 21a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 ArbZG lässt sich nicht mit Unionsrecht begründen. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob eine „Auslegung“ in dem von der Beklagten gewünschten Sinne die Grenzen einer richtlinienkonformen Auslegung überschreiten und eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts bedeuten würde (vgl. dazu EuGH 5. Oktober 2004 - C-397/01 - [Pfeiffer ua.] Rn. 114 ff., Slg. 2004, I-8835; 10. März 2011 - C-109/09 - [Deutsche Lufthansa] Rn. 52 ff., NZA 2011, 397; BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 65, BAGE 130, 119; ErfK/Wißmann 11. Aufl. Vorbem. zum AEUV Rn. 28, jeweils mwN). Weder Wortlaut noch Zielsetzung der RL 2002/15/EG bieten irgendeinen Anhaltspunkt dafür, die Richtlinie regele Vergütungsfragen.

27

aa) Nach ihrer Bezeichnung wurde die RL 2002/15/EG „zur Regelung der Arbeitszeit von Personen, die Fahrtätigkeiten im Bereich des Straßentransports ausüben“, erlassen. Ihr Zweck ist es, Mindestvorschriften für die Gestaltung der Arbeitszeit festzulegen, um die Sicherheit und die Gesundheit der Personen, die Fahrtätigkeiten im Bereich des Straßentransports ausüben, verstärkt zu schützen, die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen und die Wettbewerbsbedingungen einander stärker anzugleichen (Art. 1 RL 2002/15/EG). Dass auch die Vergütung der Arbeitnehmer bei Straßenverkehrstätigkeiten geregelt werden soll, lässt sich dem Wortlaut der Richtlinie nicht entnehmen. Zumal die nationalen Vergütungsregelungen nicht angepasst, nicht einmal angesprochen werden.

28

bb) Auch die Erwägungsgründe geben dafür keinen Anhaltspunkt.

29

(1) Der zweite und der vierte Erwägungsgrund verweisen auf die RL 93/104/EG und deren Art. 14, der spezifischere Vorschriften für die Arbeitszeitgestaltung ermögliche, die mit der RL 2002/15/EG „zur Arbeitszeit im Straßenverkehr“ erstellt werden sollen. Nachdem die RL 93/104/EG auf die Vergütung der Arbeitnehmer keine Anwendung findet (EuGH 1. Dezember 2005 - C-14/04 - [Dellas ua.] Rn. 38, Slg. 2005, I-10253), hätte es - wäre die Regelung von Vergütungsfragen gewollt gewesen - nahegelegen, in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass mit der RL 2002/15/EG nicht nur spezifischere Vorschriften zur Arbeitszeit im Straßenverkehr, sondern auch und anders als in der RL 93/104/EG Vergütungsfragen geregelt werden sollen.

30

(2) Im zehnten Erwägungsgrund heißt es, zur Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr, zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen und zur Gewährleistung der Sicherheit und Gesundheit des unter diese Richtlinie fallenden Fahrpersonals sollten diese Personen genau wissen, welche Zeiten für Tätigkeiten im Straßenverkehr als Arbeitszeiten gelten und welche Zeiten hiervon ausgenommen sind und als Pausen, als Ruhezeiten oder als Bereitschaftszeiten gelten. Dass zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen auch Vergütungsfragen (mit-)geregelt werden sollen, ergibt sich weder aus dem zehnten noch einem anderen Erwägungsgrund.

31

d) Zur Klärung der Frage, ob die RL 2002/15/EG einer Vergütung von Beifahrerzeiten iSd. § 21a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 ArbZG entgegensteht, ist eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht erforderlich(zu den Voraussetzungen der Vorlagepflicht vgl. EuGH 6. Oktober 1982 - C-283/81 - [CILFIT] Rn. 16 ff., Slg. 1982, I-3415; 15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 33, 37, Slg. 2005, I-8151; BAG 7. Januar 2011 - 6 AZR 526/09 - Rn. 55 ff.; BGH 22. März 2010 - NotZ 16/09 - Rn. 33 ff., BGHZ 185, 30). Der Gerichtshof hat im Rahmen von Nichtigkeitsklagen des Königreichs Spanien und der Republik Finnland bereits entschieden, dass die RL 2002/15/EG im Wesentlichen die wöchentliche Höchstarbeitszeit, die Ruhepausen, die Ruhezeit der Auszubildenden und Praktikanten sowie die Nachtarbeit von Personen, die Fahrtätigkeiten im Bereich des Straßentransports ausüben, regelt, ohne auch nur zu erwähnen, die Richtlinie befasse sich zudem mit Vergütungsfragen (EuGH 9. September 2004 - C-184/02 und C-223/02 - Slg. 2004, I-7789 = AuR 2004, 465 mit Anm. Lörcher). Dass die RL 2002/15/EG die Vergütung der Arbeitnehmer, die Fahrtätigkeiten im Bereich des Straßentransports ausüben, nicht regelt und insbesondere einer Vergütung von Beifahrerzeiten iSd. § 21a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 ArbZG nicht entgegensteht, kann nach der Überzeugung des Senats keinen vernünftigen Zweifeln unterliegen. Eine gegenteilige Auffassung wird auch im Schrifttum - soweit ersichtlich - nicht vertreten.

32

4. Der Kläger kann für die streitgegenständliche Beifahrertätigkeit die in § 4 Ziff. 1 Arbeitsvertrag vereinbarte Vergütung beanspruchen. Eine gesonderte Vergütungsregelung für die Zeit, die der Kläger während der Fahrt neben dem Fahrer oder in einer Schlafkabine verbringt, haben die Parteien nicht getroffen. Gegen den vom Landesarbeitsgericht auf der Basis der Bruttomonatsvergütung errechneten Bruttostundenlohn hat die Revision ebenso wie gegen die festgestellte Anzahl der geleisteten Mehrarbeitsstunden keine Rügen erhoben.

33

5. Der Anspruch des Klägers ist nicht nach § 14 Arbeitsvertrag verfallen. Die dort geregelte zweistufige Ausschlussfrist ist unwirksam, weil sie den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB(vgl. dazu im Einzelnen: BAG 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 - Rn. 34 ff., BAGE 116, 66; 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - zu IV 7 der Gründe, BAGE 115, 19).

34

6. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 286 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.

35

III. Die Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Kremser    

        

    Ilgenfritz-Donné    

                 

(1) In einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann zugelassen werden,

1.
abweichend von § 3
a)
die Arbeitszeit über zehn Stunden werktäglich zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt,
b)
einen anderen Ausgleichszeitraum festzulegen,
c)
(weggefallen)
2.
abweichend von § 4 Satz 2 die Gesamtdauer der Ruhepausen in Schichtbetrieben und Verkehrsbetrieben auf Kurzpausen von angemessener Dauer aufzuteilen,
3.
abweichend von § 5 Abs. 1 die Ruhezeit um bis zu zwei Stunden zu kürzen, wenn die Art der Arbeit dies erfordert und die Kürzung der Ruhezeit innerhalb eines festzulegenden Ausgleichszeitraums ausgeglichen wird,
4.
abweichend von § 6 Abs. 2
a)
die Arbeitszeit über zehn Stunden werktäglich hinaus zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt,
b)
einen anderen Ausgleichszeitraum festzulegen,
5.
den Beginn des siebenstündigen Nachtzeitraums des § 2 Abs. 3 auf die Zeit zwischen 22 und 24 Uhr festzulegen.

(2) Sofern der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer durch einen entsprechenden Zeitausgleich gewährleistet wird, kann in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung ferner zugelassen werden,

1.
abweichend von § 5 Abs. 1 die Ruhezeiten bei Rufbereitschaft den Besonderheiten dieses Dienstes anzupassen, insbesondere Kürzungen der Ruhezeit infolge von Inanspruchnahmen während dieses Dienstes zu anderen Zeiten auszugleichen,
2.
die Regelungen der §§ 3, 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 in der Landwirtschaft der Bestellungs- und Erntezeit sowie den Witterungseinflüssen anzupassen,
3.
die Regelungen der §§ 3, 4, 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 bei der Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen der Eigenart dieser Tätigkeit und dem Wohl dieser Personen entsprechend anzupassen,
4.
die Regelungen der §§ 3, 4, 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 bei Verwaltungen und Betrieben des Bundes, der Länder, der Gemeinden und sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie bei anderen Arbeitgebern, die der Tarifbindung eines für den öffentlichen Dienst geltenden oder eines im wesentlichen inhaltsgleichen Tarifvertrags unterliegen, der Eigenart der Tätigkeit bei diesen Stellen anzupassen.

(2a) In einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann abweichend von den §§ 3, 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 zugelassen werden, die werktägliche Arbeitszeit auch ohne Ausgleich über acht Stunden zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt und durch besondere Regelungen sichergestellt wird, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird.

(3) Im Geltungsbereich eines Tarifvertrags nach Absatz 1, 2 oder 2a können abweichende tarifvertragliche Regelungen im Betrieb eines nicht tarifgebundenen Arbeitgebers durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung oder, wenn ein Betriebs- oder Personalrat nicht besteht, durch schriftliche Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer übernommen werden. Können auf Grund eines solchen Tarifvertrags abweichende Regelungen in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung getroffen werden, kann auch in Betrieben eines nicht tarifgebundenen Arbeitgebers davon Gebrauch gemacht werden. Eine nach Absatz 2 Nr. 4 getroffene abweichende tarifvertragliche Regelung hat zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Geltung, wenn zwischen ihnen die Anwendung der für den öffentlichen Dienst geltenden tarifvertraglichen Bestimmungen vereinbart ist und die Arbeitgeber die Kosten des Betriebs überwiegend mit Zuwendungen im Sinne des Haushaltsrechts decken.

(4) Die Kirchen und die öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften können die in Absatz 1, 2 oder 2a genannten Abweichungen in ihren Regelungen vorsehen.

(5) In einem Bereich, in dem Regelungen durch Tarifvertrag üblicherweise nicht getroffen werden, können Ausnahmen im Rahmen des Absatzes 1, 2 oder 2a durch die Aufsichtsbehörde bewilligt werden, wenn dies aus betrieblichen Gründen erforderlich ist und die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird.

(6) Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Ausnahmen im Rahmen des Absatzes 1 oder 2 zulassen, sofern dies aus betrieblichen Gründen erforderlich ist und die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird.

(7) Auf Grund einer Regelung nach Absatz 2a oder den Absätzen 3 bis 5 jeweils in Verbindung mit Absatz 2a darf die Arbeitszeit nur verlängert werden, wenn der Arbeitnehmer schriftlich eingewilligt hat. Der Arbeitnehmer kann die Einwilligung mit einer Frist von sechs Monaten schriftlich widerrufen. Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer nicht benachteiligen, weil dieser die Einwilligung zur Verlängerung der Arbeitszeit nicht erklärt oder die Einwilligung widerrufen hat.

(8) Werden Regelungen nach Absatz 1 Nr. 1 und 4, Absatz 2 Nr. 2 bis 4 oder solche Regelungen auf Grund der Absätze 3 und 4 zugelassen, darf die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von zwölf Kalendermonaten nicht überschreiten. Erfolgt die Zulassung auf Grund des Absatzes 5, darf die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen nicht überschreiten.

(9) Wird die werktägliche Arbeitszeit über zwölf Stunden hinaus verlängert, muss im unmittelbaren Anschluss an die Beendigung der Arbeitszeit eine Ruhezeit von mindestens elf Stunden gewährt werden.

In einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann zugelassen werden,

1.
abweichend von § 11 Abs. 1 die Anzahl der beschäftigungsfreien Sonntage in den Einrichtungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2, 3, 4 und 10 auf mindestens zehn Sonntage, im Rundfunk, in Theaterbetrieben, Orchestern sowie bei Schaustellungen auf mindestens acht Sonntage, in Filmtheatern und in der Tierhaltung auf mindestens sechs Sonntage im Jahr zu verringern,
2.
abweichend von § 11 Abs. 3 den Wegfall von Ersatzruhetagen für auf Werktage fallende Feiertage zu vereinbaren oder Arbeitnehmer innerhalb eines festzulegenden Ausgleichszeitraums beschäftigungsfrei zu stellen,
3.
abweichend von § 11 Abs. 1 bis 3 in der Seeschiffahrt die den Arbeitnehmern nach diesen Vorschriften zustehenden freien Tage zusammenhängend zu geben,
4.
abweichend von § 11 Abs. 2 die Arbeitszeit in vollkontinuierlichen Schichtbetrieben an Sonn- und Feiertagen auf bis zu zwölf Stunden zu verlängern, wenn dadurch zusätzliche freie Schichten an Sonn- und Feiertagen erreicht werden.
§ 7 Abs. 3 bis 6 findet Anwendung.

(1) Arbeitszeit im Sinne dieses Gesetzes ist die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen; Arbeitszeiten bei mehreren Arbeitgebern sind zusammenzurechnen. Im Bergbau unter Tage zählen die Ruhepausen zur Arbeitszeit.

(2) Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten.

(3) Nachtzeit im Sinne dieses Gesetzes ist die Zeit von 23 bis 6 Uhr, in Bäckereien und Konditoreien die Zeit von 22 bis 5 Uhr.

(4) Nachtarbeit im Sinne dieses Gesetzes ist jede Arbeit, die mehr als zwei Stunden der Nachtzeit umfaßt.

(5) Nachtarbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeitnehmer, die

1.
auf Grund ihrer Arbeitszeitgestaltung normalerweise Nachtarbeit in Wechselschicht zu leisten haben oder
2.
Nachtarbeit an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr leisten.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 3. September 2013 - 7 Sa 484/12 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Dynamisierung der Beiträge zu einer zur Durchführung der Altersversorgung abgeschlossenen Direktversicherung.

2

Der im September 1954 geborene Kläger ist bei dem Beklagten tätig und seit dem 1. Oktober 1980 im Rettungsdienst beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis der Parteien liegt der schriftliche Arbeitsvertrag vom 1. Januar 1983 zugrunde. Dieser bestimmt auszugsweise:

        

㤠1

        

Herr H K

        

wird ab 01.10.1980 als Angestellter im Rettungsdienst beschäftigt.

        

…       

        

§ 2

        

Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Bestimmungen des Manteltarifvertrages vom 18.12.1982 für die Angestellten des Arbeiter-Samariter-Bundes Landesverband Bayern e.V. und den zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträgen in ihrer jeweils geltenden Fassung. Das gleiche gilt für die an ihre Stelle tretenden Tarifverträge. Daneben finden die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils in Kraft befindlichen sonstigen Tarifverträge Anwendung.

        

…       

        

§ 5

        

Der Beginn der Beschäftigungszeit wird auf den 01.10.1980 festgesetzt.“

3

Seit dem 1. Juli 1981 besteht für den Kläger bei der G Versicherung eine Kapitalversicherung mit einer Laufzeit bis zum 1. Juli 2017.

4

Am 23. April 1985 einigten sich die Gewerkschaft ÖTV auf der einen und der Arbeiter-Samariter-Bund - Landesverband Bayern - auf der anderen Seite nach längeren Verhandlungen auf einen Tarifvertrag über eine betriebliche Altersversorgung für Angestellte/Arbeiter des ASB, Landesverband Bayern (im Folgenden: TV Altersversorgung). Dieser bestimmt auszugsweise:

        

㤠1

        

Geltungsbereich

        

1.    

Dieser Tarifvertrag gilt räumlich für alle Dienststellen des Arbeiter-Samariter-Bundes, Landesverband Bayern.

                 

Dieser Tarifvertrag gilt persönlich für alle Arbeitnehmer, die in einem versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis zum Arbeiter-Samariter-Bund, Landesverband Bayern e.V. stehen und Mitglied der vertragsschließenden Gewerkschaft sind.

                 
        

§ 2

        

Umfang der betrieblichen Altersversorgung

        

Arbeitnehmer, die die Voraussetzung für die BAV (betriebliche Altersversorgung) nach § 4 dieses Tarifvertrages erfüllen, sind durch den Arbeitgeber in Form einer Direktversicherung gemäß § 1 Abs. 2 AVG, § 4 b EStG und § 40 b EStG zu versichern. Der Versicherungsschutz beinhaltet eine Kapitalversicherung auf den Todes- und Erlebensfall sowie eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung.

                 
        

§ 3

        

Aufbringung der Mittel

        

Die betriebliche Altersversorgung wird durch Beiträge des Arbeitgebers finanziert.

                 
        

§ 4

        

Persönliche Voraussetzung und Beginn der Versicherung

        

1.    

Der in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum Arbeiter-Samariter-Bund, Landesverband Bayern, stehende Arbeitnehmer ist im Rahmen der BAV zu versichern, wenn er

                 

a)    

zum Fälligkeitstag des Abschlusses von Direktversicherungen das 25. Lebensjahr vollendet hat.

                          

(Als Fälligkeitstage werden der 1. Juni und 1. Dezember eines jeden Jahres festgelegt,)

                          

und     

                 

b)    

zum jeweiligen Fälligkeitstag drei Jahre beim Arbeiter-Samariter-Bund, Landesverband Bayern, beschäftigt war. Dabei zählen bei der Erfüllung dieser Wartezeit Wehrdienst-, Wehrersatzdienstzeiten, Zeiten des Mutterschutzes gemäß den gesetzlichen Bestimmungen als Dienstzeit (§ 6 ArbplSchG, §§ 3 u. 6 MSchG) sowie Zeiten nach dem Gesetz über den Mutterschaftsurlaub mit, und

                 

…       

        
        

§ 5

        

Ende der Beitragszahlungspflicht des Arbeitgebers

        

1.    

Die Pflicht des Arbeitgebers zur Beitragszahlung endet mit dem Eintritt des Versicherungsfalles.

                 

Der Versicherungsfall tritt ein bei

                 

a)    

Erreichen der vertraglich vereinbarten Altersgrenze (Fälligkeitstag, der der Vollendung des 60. Lebensjahres folgt).

                          

Bei Versicherungen, die am 1. Juni eines jeden Jahres begonnen haben, ist dieses der 1. Juni des Jahres, in dem die Versicherung abläuft; bei Versicherungen, die am 1. Dezember eines Jahres begonnen haben, ist dies der 1. Dezember des Ablaufjahres.

        

…       

                 
        

§ 9

        

Höhe der dynamischen Versorgungsleistung

        

1.    

Der ASB-Landesverband Bayern schließt für jeden Arbeitnehmer, der die im § 4 genannten Voraussetzungen erfüllt, eine Kapitallebensversicherung auf das 60. Lebensjahr in Höhe des gewichteten Rentenbarwertes einer 0,25%-igen Altersrente incl. einer 60%-igen Witwen- bzw. Witwerrente pro tatsächlichem und noch möglichem Dienstjahr sowie eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ab.

        

2.    

Als anrechnungsfähige Dienstzeit (Beschäftigungszeit) gilt die Zeit ab Abschluß des Arbeitsverhältnisses bis zum 60. Lebensjahr.

        

3.    

Die Bezugsgröße für die Berechnung nach Absatz 1 ist das zum Stichtag des Abschlusses von Direktversicherungen errechenbare jährliche Bruttogehalt gemäß § 20 Abs. 1 Manteltarifvertrag, in der Fassung des jeweils gültigen Vergütungstarifvertrages zuzüglich tariflichem Weihnachts- und Urlaubsgeld des Arbeitnehmers im jeweiligen Kalenderjahr.

        

4.    

Die Berufungsunfähigkeitsrente pro Jahr beträgt 12 % der nach Ziffer 3 errechneten Kapitalversicherungssumme.

        

5.    

Die aus der Kapitallebensversicherung resultierenden Gewinnanteile werden ausschließlich zur Verbesserung der Versicherungsleistung verwendet.

                 

Die aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung resultierenden Gewinnanteile werden ausschließlich zur Erhöhung laufender Berufsunfähigkeitsrenten verwendet. Wenn die Berufsunfähigkeitsrente bis zum Fälligkeitstag der Kapitallebensversicherung nicht in Anspruch genommen wird, werden die aufgelaufenen Gewinnanteile der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zusammen mit der Ablaufleistung der Kapitallebensversicherung ausgezahlt.

                 

Damit ist die Anpassungspflicht der laufenden Leistungen gemäß § 16 BetrAVG abgegolten.

                 
        

§ 10

        

Ansprüche des Versicherten

        

Die Ansprüche des Versicherten richten sich nach dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG), diesem Tarifvertrag, nach dem Versicherungsvertrag sowie nach den AVB des Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherers. Die Versicherungspolice (Versicherungsvertrag) und die allgemeinen Versicherungsbedingungen des Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherers zum Zeitpunkt des Abschlusses der Versicherung werden dem Arbeitnehmer unverzüglich nach Abschluß ausgehändigt.

        

…       

        

§ 14

        

Inkrafttreten/Außerkrafttreten

        

1.    

Der Tarifvertrag tritt mit Wirkung vom 1. Juni 1985 in Kraft.“

5

In Durchführung des Tarifvertrags wurde vom Arbeiter-Samariter-Bund Landesverband Bayern e. V. am 12. Juni 1985 mit der V Lebensversicherung AG ein Gruppenversicherungsvertrag abgeschlossen. Darin ist der Vertragsbeginn auf den 1. Juni 1985 festgelegt. Als Vertragsstichtag wurden der 1. Juni und 1. Dezember (eines jeden Jahres) genannt. Der Gruppenversicherungsvertrag (im Folgenden: GVV) bestimmt auszugsweise:

        

„I    

Besondere Vereinbarungen

        

§ 1

Personenkreis

        

1.    

Zu Vertragsbeginn werden Teilversicherungen abgeschlossen auf das Leben derjenigen Personen, die folgende Voraussetzungen erfüllen:

                 

a)    

sie stehen in einem versicherungspflichtigen unbefristeten Arbeitsverhältnis zum Versicherungsnehmer

                 

b)    

sie haben bei Versicherungsbeginn das 25. Lebensjahr vollendet

                 

c)    

sie stehen seit mindestens 3 Jahren in den Diensten des Versicherungsnehmers

                 

d)    

sie haben eine arbeitsvertragliche durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit von mindestens 50 % der regelmäßigen arbeitstariflichen Arbeitszeit

        

2.    

Nach Vertragsbeginn werden jeweils zum nächstfolgenden Vertragsstichtag Teilversicherungen abgeschlossen auf das Leben derjenigen Personen, die zum Personenkreis gemäß Ziffer 1 hinzugekommen sind.

                          
        

§ 2

Versicherungsform

        

1.    

Die einzelnen Teilversicherungen sind

                 

Todes- und Erlebensfallversicherung nach dem Gruppenversicherungstarif D 11 B der V.

                 

Die Versicherungssumme wird unverzüglich nach dem Tod der versicherten Person, spätestens aber zum Ablauf der Versicherung gezahlt.

                 

Die Teilversicherung läuft an dem Vertragsstichtag des Kalenderjahres ab, in dem die versicherte Person das 60. Lebensjahr vollendet.

                 

Der Vertragsstichtag ist der Stichtag, zu dem die Teilversicherung abgeschlossen worden ist.

        

2.    

Eingeschlossen ist die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung gemäß Anlage 1 zur Sicherstellung der Beitragsfreiheit im Falle von Berufsunfähigkeit und der Berufsunfähigkeitsrente.

                          
        

§ 3

Höhe der versicherten Leistungen

        

1.    

Die Höhe der versicherten Leistungen wird in Abhängigkeit von den anrechenbaren Bezügen und der anrechenbaren Dienstzeit festgesetzt.

                 

-       

Anrechenbare Bezüge sind das jährliche Bruttogehalt gemäß § 20 Absatz 1 Manteltarifvertrag zuzüglich tariflichem Weihnachts- und Urlaubsgeld zu Versicherungsbeginn und danach zu jedem entsprechenden Vertragsstichtag.

                 

-       

Anrechenbare Dienstzeit ist die Zeit vom Diensteintritt bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres.

        

2.    

Die sich hiernach ergebende Altersrente ist maßgeblich für die Höhe der versicherten Leistungen. Sie beträgt

                 

0,25 % der anrechenbaren Bezüge.

                 

Der so ermittelte Betrag wird mit der anrechenbaren Dienstzeit multipliziert.

        

3.    

Die Versicherungssumme ist gleich dem Barwert der Altersrente mit Anwartschaft auf 60 % Witwen-/Witwerrente abzüglich der Versicherungssumme aus bereits vor Vertragsbeginn abgeschlossenen Direktversicherungen.

                 

Der Barwert der Altersrente ist der nach den Richttafeln von Dr. Klaus Heubeck mit einem Zinsfuß von 6 % p.a. zum Alter 60 ermittelte versicherungstechnische Wert der Altersrente mit Anwartschaft auf 60 % Witwen-/Witwerrente.

        

4.    

Die versicherte jährliche Berufsunfähigkeitsrente beträgt 12 % der Versicherungssumme.

                          
        

§ 4

Art und Fälligkeit der Beiträge

                 

Alle Beiträge sind gleichbleibende Jahresbeiträge.

                 

Die Beiträge sind zu Beginn eines jeden Versicherungsjahres zu zahlen, d.h. für Teilversicherungen, die an einem 1.6. abgeschlossen worden sind, zu jedem 1.6. und für Teilversicherungen, die an einem 1.12. abgeschlossen worden sind, zu jedem 1.12.

                 

Die Beitragszahlung endet zum Ablauf der Versicherung. Sie endet vorher, wenn die versicherte Person stirbt oder während des Bestehens der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung berufsunfähig wird.“

6

Für den Kläger wurde im Jahr 1985 zur Erfüllung der Verpflichtung aus dem TV Altersversorgung bei der V Lebensversicherung AG unter der Versicherungsnummer G eine Lebensversicherung abgeschlossen.

7

Unter dem 14. Juni 1991 schlossen die Tarifvertragsparteien einen Änderungstarifvertrag über eine betriebliche Altersversorgung für Angestellte/Arbeiter des Arbeiter-Samariter-Bundes, Landesverband Bayern vom 23. April 1985. Dieser bestimmt in seinen §§ 1 und 2:

        

㤠1

        

In § 4 Nr. 1 a des genannten Tarifvertrages werden die Fälligkeitstage 1. Juni und 1. Dezember in 1. April und 1. Oktober eines jeden Jahres geändert.

        

§ 2

        

Diese Änderung tritt am 01.06.1991 in Kraft.“

8

Ein nicht datiertes Schreiben des vormaligen Geschäftsführers des Arbeiter-Samariter-Bundes Landesverband Bayern e. V., B, das nach dem Vorbringen des Beklagten den Mitarbeitern nicht bekannt gegeben wurde, lautet auszugsweise:

        

§ 7 Höhe der Versorgungsleistungen

        

Die Berechnung der Versicherungssumme können Sie selbst relativ einfach nachvollziehen, wenn Sie sich an das folgende Schema halten:

        

Die Höhe der Versicherungssumme wird im wesentlichen durch 2 Faktoren bestimmt:

        

a)    

die insgesamt maximal mögliche Dienstzeit (das ist die Zeit, vom Eintritt in die Dienste des ASB bis zum 60. Lebensjahr)

                 

und     

        

b)    

das Gehalt gem. § 20 Abs. 1 MTV zuzüglich Weihnachts- und Urlaubsgeld, das aufgrund der Dynamisierung nach § 9 Abs. 3 Tarifvertrag jährlich neu gemeldet und in die Berechnung einbezogen wird.“

9

Bis ins Jahr 1999 wurden die jährlich vom Arbeitgeber zu zahlenden Versicherungsbeiträge an das jeweils zum Stichtag bezogene aktuelle Gehalt angepasst. Ab dem Jahr 2000 wurde eine solche Dynamisierung des Versicherungsbeitrags nicht mehr vorgenommen. Der Versicherungsbeitrag, der für das jeweilige Versicherungsjahr aufgewendet wurde, lag danach unverändert bei 698,02 Euro jährlich.

10

Mit Schreiben vom 3. März 2011 forderte der Kläger den Beklagten auf, die zu seinen Gunsten an die V Lebensversicherung AG abzuführenden Versicherungsbeiträge auch nach dem Jahr 1999 ausgehend von seinem jeweils erzielten Jahresverdienst zu ermitteln und an die Versicherung abzuführen. Dies hat der Beklagte abgelehnt.

11

Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, der Beklagte sei aufgrund des TV Altersversorgung verpflichtet, auch nach dem Jahr 1999 eine Dynamisierung der Jahresbeiträge entsprechend des jeweiligen aktuellen Jahreseinkommens vorzunehmen. Diese Verpflichtung ergebe sich aus § 9 TV Altersversorgung, jedenfalls aus betrieblicher Übung und aus dem Schreiben des früheren Landesgeschäftsführers B. Sie folge zudem aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Arbeitskollegen, die hinsichtlich des Gehalts und des Geburtsjahrs und damit der Laufzeit des Versicherungsvertrags vergleichbar seien, erhielten höhere Versicherungsleistungen.

12

Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

        

1.    

den Beklagten zu verurteilen, an die V Lebensversicherung AG sein jährliches Bruttoentgelt zuzüglich Weihnachts- und Urlaubsgeld für die einzelnen Kalenderjahre im Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis 31. Dezember 2010 zu melden und den für diesen Zeitraum für das jeweilige Versicherungsjahr auf der Grundlage seines nachgemeldeten jeweiligen Bruttoentgelts von der V Lebensversicherung AG jeweils zu berechnenden Differenzbetrag aus neuem Versicherungsbeitrag und bereits aufgewendetem Versicherungsbeitrag für den für ihn unter der Versicherungsnummer G bestehenden Versicherungsvertrag zu zahlen,

        

2.    

festzustellen, dass der Beklagte über den 31. Dezember 2010 hinaus verpflichtet ist, den jährlich für ihn aufzuwendenden Versicherungsbeitrag für den bei der V Lebensversicherung AG unter der Versicherungsnummer G bestehenden Versicherungsvertrag anzupassen, indem er das jährliche Bruttoentgelt zuzüglich Weihnachts- und Urlaubsgeld an die V Lebensversicherung AG meldet und den für das jeweilige Versicherungsjahr auf der Grundlage des jeweiligen Bruttojahresentgelts von der V Lebensversicherung AG jeweils zu berechnenden Versicherungsbeitrag zahlt,

        

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 1. und 2.,

        

3.    

festzustellen, dass § 9 Nr. 1 iVm. Nr. 3 des Tarifvertrags über eine betriebliche Altersversorgung für Angestellte/Arbeiter des Arbeiter-Samariter-Bundes, Landesverband Bayern, vom 23. April 1985, eine Dynamisierung der Versorgungsleistungen dahingehend enthält, dass der Berechnung der Versicherungsleistungen aus dem Versicherungsvertrag bei der V Lebensversicherung AG als ein Unternehmen der E Versicherungsgruppe, mit der Vertragsnummer G, das im Zeitpunkt des Todes- oder Erlebensfalles oder des Eintritts einer Berufsunfähigkeit, sein jeweils aktuelles jährliches Bruttogehalt gemäß § 20 Abs. 1 MTV idF des jeweils gültigen Vergütungstarifvertrages zuzüglich Weihnachts- und Urlaubsgeld für das jeweilige Kalenderjahr zugrunde zu legen ist,

        

4.    

festzustellen, dass die gemäß des Versicherungsvertrages mit der Versicherungsnummer G bei der V Lebensversicherung AG, als ein Unternehmen der E Versicherungsgruppe, bestehende und im Erlebensfall mit Vollendung seines 60. Lebensjahres am 27. September 2014 auszuzahlende Versicherungssumme anhand seines im Kalenderjahr 2014 bezogenen Bruttojahresgehaltes gemäß § 20 Abs. 1 MTV in der Fassung des jeweils gültigen Tarifvertrages zuzüglich tariflichem Weihnachts- und Urlaubsgeld für das jeweilige Kalenderjahr zu berechnen ist.

13

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

14

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die vom Kläger geführte Berufung zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter. Der Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision ist hinsichtlich des Hauptantrags zu 1. und der Hilfsanträge zu 3. und 4. unzulässig. Hinsichtlich des Hauptantrags zu 2. ist die Revision zulässig, aber unbegründet.

16

I. Soweit sich die Revision gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Hauptantrag zu 1. und die Hilfsanträge zu 3. und 4. richtet, ist sie mangels der erforderlichen Begründung unzulässig.

17

1. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Dabei muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll. Bei mehreren Streitgegenständen muss bei einer unbeschränkt eingelegten Revision für jeden eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem Streitgegenstand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig. Eine eigenständige Begründung ist lediglich dann nicht erforderlich, wenn die Entscheidung über den einen Streitgegenstand notwendig von der Entscheidung über den anderen abhängt, sodass mit der Begründung der Revision über den einen Streitgegenstand gleichzeitig auch dargelegt ist, inwiefern die Entscheidung über den anderen unrichtig ist (BAG 15. Oktober 2013 - 3 AZR 653/11 - Rn. 11; 16. November 2011 - 4 AZR 246/10 - Rn. 14 mwN).

18

2. Danach genügt die Revisionsbegründung hinsichtlich des abgewiesenen Hauptantrags zu 1. und der Hilfsanträge zu 3. und 4. nicht den gesetzlichen Anforderungen und die Revision ist insoweit unzulässig.

19

a) Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers hinsichtlich des Hauptantrags zu 1. mit der Begründung zurückgewiesen, der Antrag sei unzulässig, da er nicht bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sei. Der Kläger begehre mit dem Antrag eine Geldleistung, die zu beziffern sei, woran es vorliegend fehle. Der Hauptantrag zu 2. sei unbegründet, dem Kläger stünde der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Die Hilfsanträge zu 3. und 4. seien unzulässig, denn ihnen fehle das erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO. Wie die Versicherungsleistung bei Eintritt des Versicherungsfalls zu berechnen sei, ergebe sich aus dem Versicherungsvertrag zwischen dem Beklagten und der Versicherung. Da Letztere am Rechtsstreit nicht beteiligt sei, könne ein Urteil im vorliegenden Rechtsstreit für die Versicherung nicht bindend sein und deshalb zur Klärung des Rechtsverhältnisses zwischen dem Kläger und dem Beklagten nicht beitragen.

20

b) Der Kläger hat gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts unbeschränkt Revision eingelegt, die Revision allerdings nur im Hinblick auf die Abweisung des Hauptantrags zu 2. begründet. Soweit mit der Revision die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Hauptantrag zu 1. und die Hilfsanträge zu 3. und 4. angegriffen wird, fehlt es an der erforderlichen Auseinandersetzung mit den insoweit vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründungen. Mit der Argumentation des Landesarbeitsgerichts, der Hauptantrag zu 1. sei nicht bestimmt und den Hilfsanträgen zu 3. und 4. fehle das erforderliche Feststellungsinteresse, befasst sich die Revisionsbegründung vom 23. Dezember 2013 an keiner Stelle. Folglich fehlt jede Auseinandersetzung mit den tragenden Begründungen des Landesarbeitsgerichts zur Unzulässigkeit des Hauptantrags zu 1. und der Hilfsanträge zu 3. und 4.

21

II. Die Revision ist - soweit sie zulässig ist - unbegründet. Die Klage ist mit dem Hauptantrag zu 2. zulässig, aber unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass der Kläger keinen Anspruch auf jährliche Anpassung der Beitragsleistung für die Versicherung G bei der V Lebensversicherung AG hat. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus dem TV Altersversorgung noch aus dem undatierten Schreiben des früheren Landesgeschäftsführers oder betrieblicher Übung. Ebenso wenig folgt er aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

22

1. Die Klage ist mit dem Hauptantrag zu 2. zulässig.

23

a) Mit dem Antrag will der Kläger festgestellt wissen, dass der Beklagte über den 31. Dezember 2010 hinaus verpflichtet ist, bis zum Eintritt des Versorgungsfalls entsprechend seinem jährlichen Bruttoeinkommen einschließlich des tariflichen Weihnachts- und Urlaubsgelds Versicherungsbeiträge zugunsten der für ihn bei der V Lebensversicherung AG abgeschlossenen Kapitallebensversicherung G zu entrichten und damit erreichen, dass der gewählte Durchführungsweg Direktversicherung eingehalten wird. Der Kläger hat zwar die Beschränkung auf den Eintritt des Versorgungsfalls nicht in den Antrag aufgenommen. Diese ergibt sich jedoch aus seiner Klagebegründung.

24

b) Es kann dahinstehen, ob der Kläger an dieser Feststellung das erforderliche Feststellungsinteresse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO hat, denn das ist nur für ein stattgebendes Urteil echte Prozessvoraussetzung(BAG 12. Februar 2003 - 10 AZR 299/02 - zu II 1 der Gründe mwN, BAGE 104, 324). Die Klage ist jedoch - dazu unter Rn. 25 ff. - unbegründet. Es ist deshalb vorliegend unerheblich, ob der Versorgungsfall bereits zum 1. Dezember 2014 eingetreten ist oder erst am 1. Juni 2015 eintreten wird und welche Auswirkungen das auf das Feststellungsinteresse hat.

25

2. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Dynamisierung der Versicherungsbeiträge zu seiner Direktversicherung.

26

a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Dynamisierung der Versicherungsbeiträge für die Versicherung G bei der V Lebensversicherung AG nach § 9 TV Altersversorgung, der aufgrund von § 2 des Arbeitsvertrags Anwendung findet. Dies ergibt die Auslegung des Tarifvertrags.

27

aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., vgl. etwa BAG 18. Februar 2014 - 3 AZR 808/11 - Rn. 29; 26. März 2013 - 3 AZR 68/11 - Rn. 25 mwN).

28

bb) Danach ergibt sich aus § 9 TV Altersversorgung kein Anspruch auf jährliche Dynamisierung des Versicherungsbeitrags.

29

(1) Der Wortlaut von § 9 Abs. 3 TV Altersversorgung ist - entgegen der Auffassung des Klägers - eindeutig. Danach ist die Bezugsgröße für die Berechnung der Leistungen nach § 9 Abs. 1 TV Altersversorgung - und abhängig davon auch der nach § 3 TV Altersversorgung vom Arbeitgeber abzuführenden Beiträge - das zum Stichtag des Abschlusses von Direktversicherungen errechenbare jährliche Bruttogehalt gemäß § 20 Abs. 1 Manteltarifvertrag, in der Fassung des jeweils gültigen Vergütungstarifvertrags, zuzüglich tariflichem Weihnachts- und Urlaubsgeld des Arbeitnehmers im jeweiligen Kalenderjahr. Damit stellt § 9 Abs. 3 TV Altersversorgung auf das Jahreseinkommen in dem Jahr ab, in dem die jeweilige Kapitallebensversicherung für den einzelnen Arbeitnehmer nach § 9 Abs. 1 TV Altersversorgung abgeschlossen wird, dh. den nach § 4 Abs. 1 TV Altersversorgung festgelegten „Fälligkeitstag“ für den Abschluss der Versicherung.

30

Mit § 4 Abs. 1 TV Altersversorgung wird entgegen der Auffassung des Klägers ein einmaliger Zeitpunkt für den Abschluss der Versicherung für den berechtigten Arbeitnehmer festgelegt. Aus der Regelung ergibt sich nicht, dass das Jahresgehalt jährlich neu der Versicherung zu melden und der Beitrag entsprechend anzupassen ist. § 4 Abs. 1 TV Altersversorgung bestimmt die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen ein Arbeitnehmer Anspruch auf Abschluss einer Direktversicherung zu seinen Gunsten hat. Dazu muss er in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten stehen, zum Fälligkeitstag des Abschlusses von Direktversicherungen das 25. Lebensjahr vollendet haben, zum jeweiligen Fälligkeitsdatum (1. Juni oder 1. Dezember) eine Betriebszugehörigkeit von drei Jahren aufweisen und arbeitsvertraglich eine Arbeitszeit von mindestens der Hälfte der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit vereinbart haben und nicht aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert sein, seinen dienstlichen Obliegenheiten nachzukommen. Aus diesen Regelungen lässt sich nicht ableiten, dass das Jahreseinkommen jährlich neu der Berechnung der Versicherungsleistung und damit auch der Versicherungsbeiträge zugrunde gelegt werden soll. Vielmehr legt die Bestimmung fest, wann die Versicherung abzuschließen ist, nachdem die tariflichen Voraussetzungen vorliegen. Der Begriff des Fälligkeitstags hat nicht die Bedeutung, dass damit der Tag gemeint ist, an dem jährlich die Beiträge an die Versicherung abgeführt werden, sondern bezeichnet ausschließlich den Tag, zu dem die Voraussetzungen für den Abschluss einer Direktversicherung für den einzelnen Arbeitnehmer zu prüfen sind und an dem ggf. die Versicherung abgeschlossen werden muss.

31

Das wird auch nicht durch den Wortlaut des letzten Satzteils von § 9 Abs. 3 TV Altersversorgung „in der Fassung des jeweils gültigen Vergütungstarifvertrags zuzüglich tariflichem Weihnachts- und Urlaubsgeld des Arbeitnehmers im jeweiligen Kalenderjahr“ infrage gestellt. Damit stellen die Tarifvertragsparteien lediglich klar, dass es für die Berechnung der Versicherungsleistung nach § 9 Abs. 1 TV Altersversorgung auf das Jahreseinkommen des Arbeitnehmers in dem Jahr des Abschlusses der Versicherung ankommen soll. Maßgeblich ist dabei der im Jahr des Vertragsschlusses gültige Vergütungstarifvertrag. Eine Abweichung von dem im ersten Satzteil bestimmten Stichtag des Abschlusses der einzelnen Direktversicherung ist damit nicht gewollt. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, die Annahme, dass im ersten Satzteil von § 9 Abs. 3 TV Altersversorgung ein „jeweilig“ eingefügt sein müsste, sei unzutreffend. Der Abschluss der einzelnen Direktversicherung erfolgt nach § 4 Abs. 1 TV Altersversorgung einmalig. Es kann also nur auf den Abschluss des einzelnen (Teil-)Versicherungsvertrags abgestellt werden. Die Formulierung im zweiten Satzteil dient dazu sicherzustellen, dass die Berechnung der Versicherungsleistung nach § 9 Abs. 1 TV Altersversorgung für jeden vom Tarifvertrag erfassten Arbeitnehmer unter Zugrundelegung seines individuellen Jahresgehalts einschließlich des tariflichen Weihnachts- und Urlaubsgelds in der Höhe erfolgt, wie es im Jahr des Abschlusses der Versicherung für den Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zu zahlen ist.

32

Soweit der Kläger der Auffassung ist, der letzte Satzteil von § 9 Abs. 3 TV Altersversorgung „im jeweiligen Kalenderjahr“ führe dazu, dass die Bestimmung nicht eindeutig sei, ist dies unzutreffend. Diese Formulierung ist dem Umstand geschuldet, dass der Tarifvertrag für zahlreiche Arbeitsverhältnisse gilt und der Zeitpunkt des Abschlusses der Direktversicherungen davon abhängt, wann die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 TV Altersversorgung jeweils eingetreten sind. Mit der Bezugnahme auf das jeweilige Kalenderjahr, in dem diese Voraussetzungen erfüllt sind, wird auch klargestellt, dass maßgeblich das Einkommen in diesem Kalenderjahr sein soll und nicht etwa in dem Jahr (letzten zwölf Monate) vor dem jeweiligen individuellen Stichtag.

33

(2) Auch aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergibt sich nichts anderes. Die Überschrift von § 9 TV Altersversorgung („Höhe der dynamischen Versorgungsleistung“) erfordert kein anderes Auslegungsergebnis. Aus der Überschrift kann nicht geschlossen werden, dass damit eine Dynamik der Beitragshöhe zur Direktversicherung vorgegeben sein soll. Die Versicherungsleistung ist zum einen schon deshalb dynamisch, weil sich nach § 9 Abs. 1 TV Altersversorgung die Höhe der Kapitalleistung bei Vollendung des 60. Lebensjahrs nach dem gewichteten Rentenbarwert einer 0,25%igen Altersrente incl. einer 60%igen Witwen- bzw. Witwerrente pro tatsächlichem und noch möglichem Dienstjahr bestimmt. Die Versicherungssumme ist damit dynamisch von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängig. Zum anderen ergibt sich eine Dynamik daraus, dass die Gewinnanteile nach § 9 Abs. 5 TV Altersversorgung ausschließlich zur Verbesserung der Versicherungsleistung verwendet werden.

34

(3) Auch die von § 10 TV Altersversorgung in Bezug genommenen Regelungen des Gruppenversicherungsvertrags sprechen gegen eine Dynamisierung der Versicherungsbeiträge in dem vom Kläger verstandenen Sinne.

35

Nach I § 1 Nr. 2 GVV werden nach Vertragsbeginn - das ist der 1. Juni 1985 - jeweils zum nächsten Vertragsstichtag Teilversicherungen abgeschlossen auf das Leben derjenigen Personen, die zum Personenkreis gemäß Ziffer 1 gehören, also die zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 TV Altersversorgung erfüllen. Nach I § 2 Nr. 1 Unterabs. 5 GVV ist Vertragsstichtag der Stichtag, zu dem die Teilversicherung abgeschlossen worden ist. Nach I § 3 Nr. 1 GVV sind anrechenbare Bezüge das jährliche Bruttogehalt gemäß § 20 Abs. 1 Manteltarifvertrag zuzüglich tariflichem Weihnachts- und Urlaubsgeld zu Versicherungsbeginn und danach zu „jedem entsprechenden Vertragsstichtag“. Es kommt zunächst auf das danach zu berechnende Einkommen zu Beginn des Gruppenversicherungsvertrags und später auf das Einkommen des Arbeitnehmers an, für den am Vertragsstichtag nach I § 2 Nr. 1 GVV ein Teilversicherungsvertrag abzuschließen ist. Schließlich bestimmt I § 4 GVV, dass alle Beiträge gleichbleibende Jahresbeiträge sind, sich der Jahresbeitrag nach der erstmaligen Festsetzung für jeden Arbeitnehmer folglich nicht mehr ändert.

36

Diese Regelungen zeigen damit ebenfalls, dass keine jährliche Neuberechnung der Versicherungsbeiträge für die jeweilige Teilversicherung erfolgen soll, sondern die maßgeblichen Beträge für jede Teilversicherung einmalig festgelegt werden zu dem Stichtag, zu dem die jeweilige Teilversicherung abgeschlossen wird. Das zu diesem Zeitpunkt aktuelle Jahresgehalt entsprechend § 20 Abs. 1 Manteltarifvertrag (einschließlich Weihnachts- und Urlaubsgeld) des jeweiligen Arbeitnehmers wird für die Berechnung der danach feststehenden weiteren Jahresbeiträge zugrunde gelegt.

37

(4) Ein anderes Verständnis der tariflichen Regelungen ist auch nicht deshalb geboten, weil nach Auffassung des Klägers bei Lebensversicherungen eine Dynamisierung üblich ist. Zwar ist es zutreffend, dass aufgrund des inflationsbedingten Kaufkraftverlusts die Versicherungssumme einer Lebensversicherung bei Eintritt des Versicherungsfalls einen anderen realen Wert aufweist, als dies bei Abschluss der Versicherung der Fall war. Ebenso zutreffend ist es, dass aus diesem Grund in vielen Lebensversicherungen dynamische Beitragsregelungen vorgesehen werden, um bei Eintritt des Versicherungsfalls einen höheren Leistungsanspruch zu haben. Dies führt aber nicht dazu, dass die Regelung in § 9 Abs. 3 TV Altersversorgung im Sinne des Klägers dynamisch zu verstehen ist. Die Versicherungsleistung erhöht sich auch dann, wenn - wie vorliegend - die Gewinnanteile ausschließlich zur Verbesserung der Versicherungsleistung und nicht zur Beitragssenkung verwendet werden. Dies führt zu einer Steigerung der Versicherungsleistung bei Eintritt des Versicherungsfalls. Zudem gibt die Regelung in der hier gefundenen Auslegung durchaus Sinn, weil sie dem Arbeitgeber eine sichere Kalkulationsgrundlage vermittelt.

38

(5) Die Entstehungsgeschichte des TV Altersversorgung ist für seine Auslegung ebenso ohne Bedeutung wie die tatsächliche Handhabung der tariflichen Regelung bis ins Jahr 1999, weil die Auslegung des TV Altersversorgung nach Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck bereits zu einem eindeutigen Ergebnis führt (vgl. BAG 24. Februar 2010 - 10 AZR 1035/08 - Rn. 29 mwN). Damit ist auch die vom Kläger in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge unerheblich; sie richtet sich allein gegen unterbliebene Tatsachenfeststellungen zur Entstehung des TV Altersversorgung.

39

b) Auf das Schreiben des vormaligen Geschäftsführers B kann der Kläger seinen Anspruch nicht mit Erfolg stützen. Es kann dahinstehen, ob das Schreiben überhaupt den Arbeitnehmern bekannt gegeben wurde oder ob es lediglich ein Entwurf war. Jedenfalls hat das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise erkannt, dass der frühere Landesgeschäftsführer mit dem Schreiben lediglich den TV Altersversorgung erläutern wollte.

40

c) Der Kläger hat keinen Anspruch auf jährliche Dynamisierung der Versicherungsbeiträge für die Versicherung G bei der V Lebensversicherung AG aus betrieblicher Übung (zu den Voraussetzungen einer betrieblichen Übung vgl. ausführlich BAG 12. August 2014 - 3 AZR 194/12 - Rn. 46 ff.; 23. August 2011 - 3 AZR 650/09 - Rn. 46 ff., BAGE 139, 69) wegen der praktischen Handhabung der Beitragszahlung. Der Kläger konnte zu keinem Zeitpunkt davon ausgehen, der Arbeitgeber wolle dadurch im Hinblick auf die Beiträge zur Direktversicherung übertarifliche Leistungen erbringen. Der Anspruch scheitert deshalb bereits daran, dass der Arbeitgeber erkennbar ausschließlich seine Verpflichtung aus dem TV Altersversorgung erfüllen wollte.

41

d) Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (zu den Voraussetzungen vgl. ausführlich BAG 12. August 2014 - 3 AZR 764/12 - Rn. 22 ff. mwN). Es ist schon zweifelhaft, ob der Kläger eine Ungleichbehandlung überhaupt schlüssig dargelegt hat. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass er nicht einmal behauptet hat, dass die höhere Versicherungsleistung des von ihm zu Vergleichszwecken herangezogenen Kollegen überhaupt darauf beruht, dass dessen Versicherungsbeiträge über das Jahr 2000 hinaus nach dessen jeweiligem Jahreseinkommen abgeführt wurden. Jedenfalls hat der Kläger auch keine Gruppenbildung durch den Beklagten dargelegt, was Voraussetzung für Ansprüche aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ist.

42

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Zwanziger  

        

  Schlewing    

        

   Spinner    

        

        

        

  Blömeke     

        

  G. Kanzleiter    

                 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 5. August 2011 - 3 Sa 60/11 - aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach vom 1. Dezember 2010 - 5 Ca 350/10 - teilweise abgeändert, soweit der Klage stattgegeben wurde.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Berechnung des Altersruhegeldes des Klägers.

2

Der im März 1946 geborene Kläger war seit dem 24. Oktober 1966 bei der Bundesanstalt für Flugsicherung (im Folgenden: BFS) als Fluglotse beschäftigt. Mit Wirkung zum 1. Januar 1993 wurden die Aufgaben der BFS auf die Beklagte übertragen. Die Dienstverhältnisse der Beamten und Angestellten der BFS wurden auf die Beklagte übergeleitet. Der Kläger schloss mit der Beklagten am 28. August/27. September 1993 einen Arbeitsvertrag, der ua. Folgendes vorsieht:

        

§ 1   

        

Vertragsgegenstand

        

…       

        
        

2.    

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Manteltarifvertrag für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 07.07.1993 und den diesen ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung.

        

…       

        

§ 5     

        

Versorgung

        

Es gilt der Versorgungstarifvertrag vom 07.07.1993.“

3

Der von der Beklagten und der DAG abgeschlossene Tarifvertrag über die Versorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 7. Juli 1993 (im Folgenden: VersTV 1993) sah vor, dass Mitarbeiter, die das 25. Lebensjahr vollendet und mindestens ein Jahr bei der Beklagten oder der BFS beschäftigt waren, Anspruch auf ein Altersruhegeld haben. Am 29. September 2006 vereinbarte die Beklagte mit der Gewerkschaft der Flugsicherung (im Folgenden: GdF) den rückwirkend zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Tarifvertrag über die Versorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (im Folgenden: VersTV 2005). Der VersTV 2005 trat nach seiner Präambel an die Stelle der Versorgungszusage nach dem Tarifvertrag vom 7. Juli 1993. Nach § 6 Abs. 2 VersTV 2005 betrug das Altersruhegeld 0,4 % des ruhegeldfähigen Jahreseinkommens bis zum Durchschnitt der im letzten Beschäftigungsjahr geltenden Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung in den alten Bundesländern zuzüglich 1,2 % des den Durchschnitt der im letzten Beschäftigungsjahr geltenden Beitragsbemessungsgrenze in den alten Bundesländern übersteigenden Teils des ruhegeldfähigen Jahreseinkommens, jeweils multipliziert mit der anrechenbaren Beschäftigungszeit.

4

Am 21. August 2009 schlossen die Beklagte und die GdF den Tarifvertrag über die Versorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (im Folgenden: VersTV 2009). Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

        

Präambel

        

Für alle vor 2005 eingetretenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gilt das bisherige Versorgungssystem auf der Grundlage des VersTV 2005 nach der Maßgabe dieses VersTV 2009 (Teil A) weiter. Teil A gilt ferner für alle Empfänger von Versorgungsleistungen aus dem VersTV 1993 oder VersTV 2005 sowie für ehemalige Beschäftigte der DFS, die mit einer unverfallbaren Anwartschaft vor 2009 ausgeschieden waren.

        

…       

        

Teil A

        

§ 1     

        

Geltungsbereich

        

(1)     

Die §§ 1 bis 17 (Teil A) dieses Tarifvertrags gelten für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die vor dem 1. Januar 2005 ein Arbeitsverhältnis mit der DFS aufgenommen haben, unter den Geltungsbereich des Manteltarifvertrages in der jeweils geltenden Fassung fallen und am 1. Januar 2009 noch in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis standen oder sich am 1. Januar 2009 in der Übergangsversorgung für Lotsen oder FDB befanden.

        

…       

        
        

§ 2     

        

Art der Versorgungsleistung

        

(1)     

Folgende Leistungen werden nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen gewährt:

                 

a)    

Altersruhegeld (§ 6),

                 

b)    

vorzeitiges Altersruhegeld (§ 7),

                 

…       

        
        

(2)     

Bemessungsgrundlagen für die Leistung sind versorgungsfähiges Einkommen (§ 4) und versorgungsfähige Beschäftigungszeit (§ 5).

        

…       

        

§ 4     

        

Versorgungsfähiges Einkommen

        

(1)     

Das versorgungsfähige Einkommen ermittelt sich aus den Grundbeträgen nach dem maßgebenden Vergütungstarifvertrag (VTV), aus ggf. festen monatlichen Zulagen nach dem maßgebenden Zulagentarifvertrag (ZTV) und aus dem anteiligen Urlaubs- und Weihnachtsgeld nach dem maßgebenden VTV in den letzten zwölf Beschäftigungsmonaten. … Zeitzuschläge und variable Vergütungsbestandteile bleiben unberücksichtigt.

        

(2)     

Das versorgungsfähige Einkommen wird unterteilt

                 

-       

in den Teil bis zur Splittinggrenze

                 

und     

                 

-       

in den diese Splittinggrenze übersteigenden Teil.

                 

Die Splittinggrenze beträgt 64.800,00 Euro. ...

        

…       

        

§ 5     

        

Versorgungsfähige Beschäftigungszeit

        

(1)     

Als versorgungsfähige Beschäftigungszeit gelten alle Jahre und volle Monate, in denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ununterbrochen aktiv in einem Beschäftigungsverhältnis mit der DFS bzw. unmittelbar vorausgehend der BFS und dem LBA gestanden haben, sowie sonstige, tarifvertraglich anerkannte Beschäftigungszeiten, jedoch nicht über die Regelaltersgrenze hinaus. … Die anrechenbare Beschäftigungszeit ist auf 40 volle Jahre begrenzt.

        

(2)     

Als versorgungsfähige Beschäftigungszeit gilt auch die Zeit, in der die DFS tarifliches Übergangsgeld oder tarifliches Vorruhestandsgeld zahlt, längstens jedoch bis zur Altersgrenze für den vorzeitigen Bezug der gesetzlichen Altersrente für langjährig Versicherte.

        

…       

        
        

§ 6     

        

Altersruhegeld

        

…       

        
        

(2)     

Das jährliche Altersruhegeld setzt sich zusammen aus

                 

-       

0,4 % des versorgungsfähigen Jahreseinkommens bis zur durchschnittlichen Splittinggrenze der letzten 12 Beschäftigungsmonate

                 

zuzüglich

                 

-       

1,2 % des diese Splittinggrenze übersteigenden Teils des versorgungsfähigen Jahreseinkommens, jeweils multipliziert mit der nach § 5 versorgungsfähigen Beschäftigungszeit.

                                   
        

§ 7     

        

Vorzeitiges Altersruhegeld

        

(1)     

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die vorzeitige Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (Vollrente) beziehen und aus der Beschäftigung bei der DFS endgültig ausgeschieden sind, können vorzeitiges Altersruhegeld in Anspruch nehmen. …

        

(2)     

Die Höhe des vorzeitigen Altersruhegeldes errechnet sich wie das Altersruhegeld gemäß § 6 Abs. 2, wobei wegen des früheren Zahlungsbeginns eine Kürzung um 0,5 % für jeden Monat erfolgt, um den der Beginn der Ruhegeldzahlung vor Erreichen der Regelaltersgrenze liegt, maximal jedoch um 18 %.

        

…       

        
        

Teil C

        

Allgemeine und Schlussbestimmungen

        

…       

        
        

§ 24   

        

Inkrafttreten und Laufzeit

        

(1)     

Dieser Tarifvertrag tritt hinsichtlich des Teils B rückwirkend zum 1. Januar 2005, im Übrigen rückwirkend zum 1. Januar 2009 in Kraft. …

        

…       

                 
        

(3)     

Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2009 gilt dieser Tarifvertrag - unbeschadet des nach einer früheren Fassung erworbenen Stammrechts - für alle mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschiedenen ehemaligen Beschäftigten der DFS sowie für alle Bezieher von laufenden Versorgungsleistungen.“

5

Die Splittinggrenze in Teil A § 4 Abs. 2 Satz 2 VersTV 2009 von 64.800,00 Euro entspricht der nach der Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2009 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2009, BGBl. I S. 2336) geltenden Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 2009.

6

Nach dem Zulagentarifvertrag für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 20. August 1993 (im Folgenden: ZTV 1993) erhielten die Mitarbeiter der Beklagten in den operativen Diensten, die für die Ausübung ihrer Tätigkeit eine Erlaubnis und Berechtigungen nach der Verordnung über das erlaubnispflichtige Personal der Flugsicherung und seine Ausbildung vom 1. April 1993 (FSPAV) benötigten, eine operative Zulage (§ 2 Abs. 1 Satz 1 ZTV 1993). Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 ZTV 1993 wurde die operative Zulage für Fluglotsen in unterschiedlicher Höhe je nach Kategorie der Niederlassung bzw. des Betriebsteils gezahlt, in dem sie überwiegend tätig waren. § 2 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a ZTV 1993 sah für Fluglotsen drei verschiedene Kategorien von Niederlassungen vor. Der Frankfurter Flughafen fiel in die Kategorie III. Die Höhe der je nach Kategorie zu zahlenden operativen Zulage war in § 2 Abs. 2 ZTV 1993 festgelegt.

7

Durch den 8. Änderungstarifvertrag zum ZTV 1993 vom 28. April 2000 (im Folgenden: ZTV 2000) wurden die Niederlassungen der Beklagten für die Fluglotsen neu kategorisiert. Hintergrund hierfür war ein arbeitswissenschaftliches Gutachten, durch das bestimmte Belastungsparameter - wie zB die Anzahl der von den Fluglotsen zu kontrollierenden Flugzeuge - unter Berücksichtigung weiterer Faktoren neu definiert wurden. § 2 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a ZTV 2000 enthielt nunmehr sieben Kategorien von Niederlassungen. Der Tower des Frankfurter Flughafens wurde der Kategorie VII zugeordnet. § 2 Abs. 2 ZTV 2000 lautete nunmehr ua. wie folgt:

        

§ 2   

        

Operative Zulagen

        

…       

        
        

(2)     

Die Zulagen nach Abs. 1 werden ab dem 1. April 2000 monatlich in folgender Höhe gezahlt:

                 

Kategorie I:

…       

                 

…       

        
                 

Kategorie VII:

…       

                 

Erreicht diese Zulage bei unveränderter Tätigkeit nicht die Höhe der am 31. März 2000 gezahlten Zulage, wird der Differenzbetrag als Besitzstandszulage gezahlt.

                 

…“    

8

Für die am Tower des Frankfurter Flughafens beschäftigten Fluglotsen erhöhte sich die operative Zulage dadurch zum 1. April 2000 von 4.368,00 DM brutto auf 5.150,00 DM brutto.

9

Der Kläger war bei der Beklagten bis zum 30. September 1999 als Fluglotse im Tower des Frankfurter Flughafens tätig. Seine aus dem Grundbetrag nach dem Vergütungstarifvertrag und der operativen Zulage nach § 2 ZTV 1993 bestehende monatliche Vergütung belief sich in der Zeit vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 1998 auf 13.262,00 DM und in der Zeit vom 1. Januar bis zum 30. September 1999 auf 13.674,00 DM. Zudem erhielt der Kläger nach dem zum 1. November 1996 in Kraft getretenen Vergütungstarifvertrag Nr. 3 vom 31. Oktober 1996 für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie dem zum 1. November 1998 in Kraft getretenen Vergütungstarifvertrag Nr. 4 vom 27. November 1998 für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jahren 1998 und 1999 Weihnachts- und Urlaubsgeld iHv. jeweils jährlich 55 % des tariflichen Grundbetrags und der operativen Zulage.

10

Ab dem 1. Oktober 1999 bezog der Kläger von der Beklagten ein Übergangsgeld nach dem Tarifvertrag über die Übergangsversorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Fluglotsen vom 7. Juli 1993 idF des Änderungstarifvertrags vom 27. November 1998 (im Folgenden: Ü-VersTV 1998). Zum 1. November 2004 trat der von der Beklagten mit der GdF abgeschlossene Tarifvertrag über die Übergangsversorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Fluglotsen vom 19. November 2004 in Kraft (im Folgenden: Ü-VersTV 2004), der durch Tarifvertrag vom 21. August 2009 mit Wirkung zum 1. Januar 2009 geändert wurde. Der Ü-VersTV 2004 idF vom 1. Januar 2009 (im Folgenden: Ü-VersTV 2009) bestimmt ua.:

        

§ 5   

        

Höhe des Übergangsgeldes

        

…       

        
        

(4)     

Das Übergangsgeld erhöht sich jeweils zu dem Zeitpunkt, zu dem die Tarifgehälter angepasst werden, um den entsprechenden Prozentsatz.

        

…       

        
        

§ 8     

        

Betriebliche Altersversorgung

        

(1)     

Zeiten, in denen Übergangsgeld bezogen wird, gelten als versorgungsfähige Beschäftigungszeiten i.S.d. Versorgungstarifvertrages der DFS.

        

(2)     

Als versorgungsfähiges Einkommen wird das vor Beginn des Übergangsgeldes bezogene versorgungsfähige Einkommen unterlegt, jeweils dynamisiert mit den Tariferhöhungen bis zum Ende des Bezugszeitraumes. In die Dynamisierung wird eine Veränderung von nicht monatlich wiederkehrenden Vergütungsbestandteilen rechnerisch so mit einbezogen, wie an ihrer Stelle eine höhere lineare Anpassung stattgefunden hätte. Die Unterteilung des versorgungsfähigen Einkommens gemäß § 4 Abs. 2 VersTV erfolgt auf der Basis des Durchschnitts der im letzten Bezugsjahr des Übergangsgeldes geltenden Splittinggrenze.

        

(3)     

§ 7 Abs. 2 in Teil A und B des Versorgungstarifvertrages findet keine Anwendung.“

11

Die tarifliche Vergütung wurde bei der Beklagten zum 1. November 1999 um 3 %, zum 1. November 2000 um 2,8 %, zum 1. November 2001 und zum 1. Mai 2003 um jeweils 3,1 %, zum 1. November 2003 um 0,8 %, zum 1. November 2004 um 1,9 %, zum 1. November 2006 und 2007 um jeweils 3 %, sowie zum 1. November 2008 um 4,8 % erhöht. Zum 1. Mai 2006 erfolgte eine Erhöhung der tariflichen Grundbeträge um 2,5 % sowie der operativen Zulagen um 7 %.

12

Seit dem 1. April 2009 bezieht der Kläger eine gesetzliche Altersrente sowie ein Altersruhegeld von der Beklagten iHv. 3.151,43 Euro. Bei der Berechnung des Altersruhegeldes legte die Beklagte ein dynamisiertes versorgungsfähiges Einkommen des Klägers iHv. 121.385,75 Euro zugrunde. Die sich durch den 8. Änderungstarifvertrag zum ZTV 1993 vom 28. April 2000 ergebende Erhöhung der operativen Zulage für die am Tower des Frankfurter Flughafens beschäftigten Fluglotsen berücksichtigte die Beklagte dabei nicht.

13

Der Kläger hat mit seiner Klage die Einbeziehung der Erhöhung der operativen Zulage am Tower des Frankfurter Flughafens in die Dynamisierung seines versorgungsfähigen Einkommens begehrt. Er hat die Ansicht vertreten, es handele sich hierbei um eine Tariferhöhung iSd. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009. Unter Berücksichtigung der übrigen tariflichen Entgeltsteigerungen ergebe sich daher ein dynamisiertes versorgungsfähiges Einkommen iHv. 127.818,21 Euro, so dass sich sein Altersruhegeld auf 3.408,73 Euro brutto belaufe.

14

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. April 2009 bis zum 31. August 2010 zusätzliche Betriebsrente iHv. 4.374,10 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 257,30 Euro für jeden Monat beginnend mit dem 1. September 2009, mit dem ersten Tag der jeweiligen Folgemonate und endend mit dem 30. September 2010 zu zahlen und ihm ab dem 1. September 2010 eine Betriebsrente iHv. 3.408,73 Euro brutto im Monat zu zahlen.

15

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

16

Die Vorinstanzen haben der Klage, soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt ist, stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision ist begründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte schuldet dem Kläger ab dem 1. April 2009 kein höheres als das von ihr gezahlte Altersruhegeld iHv. 3.151,43 Euro brutto monatlich. Deshalb steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Zahlung rückständigen Altersruhegeldes für die Zeit vom 1. April 2009 bis zum 31. August 2010 iHv. 4.374,10 Euro brutto zu.

18

I. Die Berechnung des Altersruhegeldes des Klägers bei Eintritt des Versorgungsfalls am 1. April 2009 bestimmt sich nach den Regelungen in Teil A des VersTV 2009 und nach § 8 Ü-VersTV 2009.

19

1. Der VersTV 2009 und der Ü-VersTV 2009 finden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeits- bzw. das (Übergangs-)Versorgungsverhältnis der Parteien Anwendung. § 1 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 28. August/27. September 1993 enthält eine dynamische Verweisung auf die jeweils bei der Beklagten geltenden Versorgungstarifverträge und die Tarifverträge für die Übergangsversorgung. Nach § 1 des Arbeitsvertrags bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Manteltarifvertrag für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 7. Juli 1993 und die den MTV ergänzenden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung. Sowohl der VersTV 2009 als auch der Ü-VersTV 2009 sind den MTV ergänzende Tarifverträge und werden demnach von der dynamischen Verweisung in § 1 des Arbeitsvertrags erfasst.

20

Aus § 5 des Arbeitsvertrags ergibt sich nichts anderes. Dort ist zwar bestimmt, dass für die Versorgung der Versorgungstarifvertrag vom 7. Juli 1993 gilt. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine statische Verweisung ausschließlich auf diesen Tarifvertrag. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind Verweisungen auf die für die betriebliche Altersversorgung beim Arbeitgeber geltenden Bestimmungen im Regelfall dynamisch. Sie verweisen, soweit keine gegenteiligen Anhaltspunkte bestehen, auf die jeweils beim Arbeitgeber geltenden Regelungen. Will der Arbeitgeber eine Versorgung unabhängig von der jeweils geltenden allgemeinen Versorgungsordnung zusagen, muss er dies deutlich zum Ausdruck bringen (st. Rspr., vgl. etwa BAG 23. April 2013 - 3 AZR 23/11 - Rn. 22). An derartigen Anhaltspunkten fehlt es vorliegend. § 5 des Arbeitsvertrags stellt daher lediglich deklaratorisch klar, dass sich die Versorgung im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags nach dem Versorgungstarifvertrag vom 7. Juli 1993 richtete (vgl. für einen insoweit wortlautidentischen Arbeitsvertrag bereits BAG 23. April 2013 - 3 AZR 23/11 - Rn. 23).

21

2. Für die Berechnung des Altersruhegeldes des Klägers sind - neben den Bestimmungen in § 8 Ü-VersTV 2009 - die Regelungen in Teil A des VersTV 2009 maßgebend.

22

a) Nach der Präambel des VersTV 2009 gilt für alle vor dem Jahr 2005 eingetretenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das bisherige Versorgungssystem der Beklagten auf der Grundlage des VersTV 2005 nach der Maßgabe des VersTV 2009 (Teil A) weiter. Demgemäß richten sich die Versorgungsansprüche der ehemaligen Beschäftigten der Beklagten, die mit einer unverfallbaren Anwartschaft vor dem Jahr 2009 ausgeschieden sind, nach den gemäß § 24 Abs. 1 und Abs. 3 VersTV 2009 am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Bestimmungen in Teil A des VersTV 2009 (vgl. Satz 2 der Präambel zum VersTV 2009). Teil A § 1 Abs. 1 VersTV 2009 sieht vor, dass die Regelungen dieses Teils ua. für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelten, die vor dem 1. Januar 2005 ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aufgenommen haben und sich am 1. Januar 2009 in der Übergangsversorgung für Lotsen befanden.

23

b) Die in der Präambel zum VersTV 2009 und in Teil A § 1 Abs. 1 VersTV 2009 genannten Voraussetzungen erfüllt der Kläger. Er ist vor dem Jahr 2009 - nämlich am 30. September 1999 - mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft nach § 1b Abs. 1 iVm. § 30f Abs. 1 Satz 1 BetrAVG aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausgeschieden, er hatte vor dem 1. Januar 2005 ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aufgenommen und befand sich am 1. Januar 2009 noch in der Übergangsversorgung für Fluglotsen. Damit richten sich seine Versorgungsansprüche nach Teil A des VersTV 2009 iVm. § 8 Ü-VersTV 2009.

24

II. Auf der Grundlage der Regelungen in Teil A VersTV 2009 und in § 8 Ü-VersTV 2009 ergibt sich kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung eines monatlich 3.151,43 Euro brutto übersteigenden Altersruhegeldes ab dem 1. April 2009.

25

1. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 VersTV 2009 setzt sich das jährliche Altersruhegeld zusammen aus 0,4 % des versorgungsfähigen Jahreseinkommens bis zur durchschnittlichen Splittinggrenze der letzten zwölf Beschäftigungsmonate zuzüglich 1,2 % des diese Splittinggrenze übersteigenden Teils des versorgungsfähigen Jahreseinkommens, jeweils multipliziert mit der nach § 5 VersTV 2009 versorgungsfähigen Beschäftigungszeit. Das versorgungsfähige Einkommen ermittelt sich nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VersTV 2009 aus den Grundbeträgen nach dem Vergütungstarifvertrag, etwaigen festen monatlichen Zulagen nach dem Zulagentarifvertrag sowie aus dem anteiligen Urlaubs- und Weihnachtsgeld in den letzten zwölf Beschäftigungsmonaten vor Eintritt des Versorgungsfalls. Für Fluglotsen, die - wie der Kläger - vor Eintritt des Versorgungsfalls ein Übergangsgeld bezogen haben, werden diese Regelungen durch § 8 Abs. 2 Ü-VersTV 2009 modifiziert. Danach erfolgt die Unterteilung des versorgungsfähigen Einkommens nach § 4 Abs. 2 VersTV 2009 auf der Basis des Durchschnitts der im letzten Bezugsjahr des Übergangsgeldes geltenden Splittinggrenze(§ 8 Abs. 2 Satz 3 Ü-VersTV 2009). Zudem wird als versorgungsfähiges Einkommen das vor Beginn des Übergangsgeldes bezogene versorgungsfähige Einkommen zugrunde gelegt, jeweils dynamisiert mit den Tariferhöhungen bis zum Ende des Bezugszeitraumes (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009).

26

2. Entgegen der Ansicht des Klägers hat die Beklagte bei der Berechnung seines Altersruhegeldes zu Recht ein dynamisiertes versorgungsfähiges Einkommen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VersTV 2009 iVm. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 iHv. 121.385,75 Euro zugrunde gelegt.

27

a) Das versorgungsfähige Einkommen des Klägers in den letzten zwölf Beschäftigungsmonaten vor dem Beginn seines Übergangsgeldbezugs am 1. Oktober 1999 belief sich auf 177.780,12 DM. Der Kläger erhielt in der Zeit vom 1. Oktober 1998 bis zum 31. Dezember 1998 einen tariflichen Grundbetrag und eine operative Zulage iHv. insgesamt monatlich 13.262,00 DM brutto. In der Zeit vom 1. Januar 1999 bis zum 30. September 1999 betrug der tarifliche Grundbetrag einschließlich der operativen Zulage monatlich 13.674,00 DM brutto. Für die Zeit vom 1. Oktober 1998 bis zum 30. September 1999 ergibt dies einen Betrag iHv. 162.852,00 DM. Hinzu kommen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VersTV 2009 das anteilig zu berücksichtigende Weihnachts- und Urlaubsgeld für die Jahre 1998 und 1999. Im Jahr 1998 erhielt der Kläger ein Weihnachts- und Urlaubsgeld iHv. jeweils 7.294,10 DM (55 % von 13.262,00 DM) und im Jahr 1999 iHv. jeweils 7.520,70 DM (55 % von 13.674,00 DM). Da beide Sonderzahlungen auf das Kalenderjahr bezogen gewährt wurden, ergeben sich ein anteilig zu berücksichtigendes Weihnachts- und Urlaubsgeld für die Zeit vom 1. Oktober 1998 bis zum 31. Dezember 1998 iHv. jeweils 1.823,53 DM brutto und für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis zum 30. September 1999 iHv. jeweils 5.640,53 DM brutto. Demgemäß betrug das versorgungsfähige Einkommen des Klägers vor dem Beginn seines Übergangsgeldbezugs insgesamt 177.780,12 DM.

28

b) Die Beklagte hat das versorgungsfähige Einkommen des Klägers vor dem Beginn seines Übergangsgeldbezugs iHv. 177.780,12 DM nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 zutreffend entsprechend den während der Bezugsdauer des Übergangsgeldes bis zum Eintritt des Versorgungsfalls am 1. April 2009 erfolgten prozentualen Tariferhöhungen auf 121.385,75 Euro angehoben. Entgegen der Ansicht des Klägers war die sich durch den 8. Änderungstarifvertrag zum ZTV 1993 vom 28. April 2000 ergebende Erhöhung der operativen Zulage für die am Tower des Frankfurter Flughafens beschäftigten Fluglotsen nicht in die Dynamisierung seines versorgungsfähigen Einkommens mit einzubeziehen. Diese stellt keine Tariferhöhung iSd. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 dar. Dies ergibt die Auslegung der Norm.

29

aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., vgl. etwa BAG 26. März 2013 - 3 AZR 68/11 - Rn. 25 mwN).

30

bb) Danach ist die Erhöhung der operativen Zulage für die am Tower des Frankfurter Flughafens beschäftigten Fluglotsen durch den 8. Änderungstarifvertrag zum ZTV 1993 vom 28. April 2000 keine Tariferhöhung iSd. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009.

31

(1) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts spricht bereits der Wortlaut dagegen, die durch den 8. Änderungstarifvertrag zum ZTV 1993 verursachte Erhöhung der operativen Zulage als Tariferhöhung iSd. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 anzusehen.

32

Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 wird das vor Beginn des Übergangsgeldes bezogene versorgungsfähige Einkommen während der Bezugsdauer des Übergangsgeldes mit den „Tariferhöhungen“ dynamisiert. Die Tarifvertragsparteien haben nicht definiert, was sie unter „Tariferhöhungen“ verstehen. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet eine Tariferhöhung die Erhöhung der ausgehandelten und vertraglich festgesetzten Löhne und Gehälter (vgl. Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache S. 3856 Stichworte: „Tarif“, „Tariferhöhung“). Kennzeichnend für die Tariferhöhung ist damit, dass die für die Bemessung des Entgelts maßgebenden Tarife gesteigert werden. Die Tarifvertragsparteien haben durch den 8. Änderungstarifvertrag zum ZTV 1993 indes nicht die bis dahin in § 2 Abs. 2 ZTV 1993 festgesetzten Tarife für die operative Zulage der Fluglotsen in den nach § 2 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a ZTV 1993 bestehenden Kategorien I bis III gesteigert. Vielmehr haben sie die Tätigkeiten der Fluglotsen in den verschiedenen Niederlassungen der Beklagten neu bewertet und infolgedessen die Anzahl der für die Höhe der operativen Zulage maßgebenden Kategorien der Niederlassungen erhöht. Zwar hatten diese Änderungen der tariflichen Regelungen für die Fluglotsen am Tower des Frankfurter Flughafens zur Folge, dass sie eine höhere operative Zulage als zuvor erhielten. Wie die Besitzstandsregelung in § 2 Abs. 2 ZTV 2000 zeigt, ging die neue Kategorisierung der Niederlassungen jedoch nicht zwangsläufig mit einer Erhöhung der operativen Zulage einher. Vielmehr konnte es je nach Einsatzort der Fluglotsen auch zu einer Absenkung der bislang gezahlten operativen Zulage kommen.

33

(2) Der Regelungszusammenhang zeigt zudem, dass die Tarifvertragsparteien mit dem Begriff der Tariferhöhungen iSd. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 nur an die prozentualen Steigerungen der Tarifentgelte anknüpfen wollten.

34

(a) Nach § 8 Abs. 2 Satz 2 Ü-VersTV 2009 wird eine Veränderung von nicht monatlich wiederkehrenden Vergütungsbestandteilen rechnerisch so in die Dynamik nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 einbezogen, wie an ihrer Stelle eine höhere lineare Anpassung stattgefunden hätte. Damit sollen Erhöhungen des für die Berechnung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes maßgeblichen Prozentsatzes des Monatsgehaltes bei der Dynamisierung des versorgungsfähigen Einkommens der Übergangsgeldbezieher berücksichtigt werden. Dies zeigt der tarifliche Gesamtzusammenhang. Da sich das versorgungsfähige Einkommen nur aus den in § 4 Abs. 1 Satz 1 VersTV 2009 genannten Vergütungsbestandteilen ermittelt, kann sich die Bestimmung in § 8 Abs. 2 Satz 2 Ü-VersTV 2009 nur auf Veränderungen in der Höhe des anteilig zu berücksichtigenden Weihnachts- und Urlaubsgeldes beziehen. Sonstige, monatlich nicht wiederkehrende Vergütungsbestandteile, die nach § 8 Abs. 2 Satz 2 Ü-VersTV 2009 eine Veränderung erfahren könnten, fließen nicht in die Ermittlung des versorgungsfähigen Einkommens ein. Auch die Tarifgeschichte bestätigt dieses Verständnis. Bereits der Ü-VersTV 1998 enthielt in § 8 Abs. 2 Satz 2 eine identische Bestimmung. Die Regelung war durch den 2. Änderungstarifvertrag vom 31. Oktober 1996 zum Tarifvertrag über die Übergangsversorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Fluglotsen vom 7. Juli 1993 eingefügt worden, nachdem durch § 8 Abs. 1 des Vergütungstarifvertrags Nr. 2 vom 20. November 1995 für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Höhe des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes von bislang 50 % auf 55 % der monatlichen Vergütung nach dem Vergütungs- und Zulagentarifvertrag angehoben worden war.

35

(b) § 8 Abs. 2 Satz 2 Ü-VersTV 2009 zeigt, dass der Begriff der Tariferhöhungen iSv. Satz 1 nach den Vorstellungen der Tarifparteien nur die prozentualen Steigerungen der Tarifentgelte erfassen soll. Die Regelung will einen Gleichlauf zwischen den Erhöhungen des für die Bemessung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes maßgeblichen Prozentsatzes und den Tariferhöhungen iSv. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 herstellen, indem Erstere bei der Dynamisierung des versorgungsfähigen Einkommens so zu berücksichtigen sind, als ob eine „lineare Anpassung“ stattgefunden hätte. Eine Tariferhöhung iSd. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 ist nach dem Verständnis der Tarifvertragsparteien damit die lineare Steigerung der Tarifentgelte im Sinne einer prozentualen Anhebung der tariflichen Vergütung.

36

(c) Dafür spricht auch die Regelung in § 5 Abs. 4 Ü-VersTV 2009 zur Dynamisierung des Übergangsgeldes. Danach erhöht sich das Übergangsgeld jeweils zu dem Zeitpunkt, zu dem die Tarifgehälter angepasst werden, um den entsprechenden Prozentsatz. Zwar unterscheiden sich die beiden Dynamisierungsregelungen in § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 und § 5 Abs. 4 Ü-VersTV 2009 insoweit, als im Rahmen von § 5 Abs. 4 Ü-VersTV 2009 Bezugsobjekt für die Anpassung nicht alle der Berechnung des Übergangsgeldes zugrunde gelegten Vergütungsbestandteile, sondern nur die tariflichen Grundgehälter sind(vgl. BAG 14. Januar 2009 - 3 AZR 648/07 - Rn. 24 ff.). Demgegenüber knüpft § 8 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Ü-VersTV 2009 nicht lediglich an die Entwicklung der Tarifgehälter, sondern an die Entwicklung der gesamten dem versorgungsfähigen Einkommen zugrunde liegenden Vergütungsbestandteile an. Abgesehen von dem unterschiedlichen Bezugsobjekt für die Dynamisierung gibt es jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass die beiden Regelungen in ihrem sonstigen Anpassungsmechanismus voneinander abweichen sollten. Die Tarifparteien wollten vielmehr sowohl das Übergangsgeld als auch das versorgungsfähige Einkommen der Übergangsgeldbezieher entsprechend den prozentualen Steigerungen der jeweils für sie maßgeblichen Vergleichsobjekte dynamisieren.

37

(3) Auch der Sinn und Zweck der Regelung in § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 bestätigt das vorliegende Ergebnis. Die Dynamisierung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 soll verhindern, dass die Versorgungsanwartschaft der Übergangsgeldbezieher bis zum Eintritt des Versorgungsfalls durch Kaufkraftverlust entwertet wird. Unverfallbare Versorgungsanwartschaften sind - anders als Betriebsrenten nach § 16 BetrAVG - gesetzlich nicht gegen eine Auszehrung durch Kaufkraftverlust geschützt. Deshalb haben die Tarifvertragsparteien entschieden, das versorgungsfähige Einkommen der Übergangsgeldbezieher an der tariflichen Entwicklung bei der Beklagten teilhaben zu lassen. Bei der Neubewertung der Tätigkeit der Fluglotsen an den einzelnen Niederlassungen der Beklagten durch den 8. Änderungstarifvertrag zum ZTV 1993 vom 28. April 2000 handelt es sich indes nicht um eine Maßnahme, die dem Ausgleich von Kaufkraftverlusten dient. Durch die operative Zulage soll vielmehr die unterschiedliche Beanspruchung der Fluglotsen in den verschiedenen Niederlassungen der Beklagten entlohnt werden.

38

(4) In dieser Auslegung enthält die Tarifbestimmung eine sachgerechte und praktikable Regelung. Mit der Anpassung des versorgungsfähigen Einkommens aller Bezieher einer Übergangsversorgung an die allgemeine tarifliche Entwicklung gilt für alle Fluglotsen eine einheitliche Methode der Dynamisierung. Entgegen der Ansicht des Klägers schreibt § 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV 2009 gerade nicht vor, dass bei der Bemessung des versorgungsfähigen Einkommens die Vergütungsstrukturen des einzelnen Arbeitnehmers vor Bezug des Übergangsgeldes fortgeschrieben und an spätere Veränderungen angepasst werden. Dynamisiert wird ausschließlich das vor dem Bezug von Übergangsgeld bezogene versorgungsfähige Entgelt. Eine Dynamisierung, die - je nach dem letzten Einsatzort des Fluglotsen - zu unterschiedlich hohen Anpassungen führen könnte, würde diesem erkennbaren Vereinfachungs- und Vereinheitlichungsinteresse der Tarifvertragsparteien zuwiderlaufen.

39

3. Ausgehend von einem dynamisierten versorgungsfähigen Einkommen iHv. 121.385,75 Euro schuldet die Beklagte dem Kläger damit ab dem 1. April 2009 kein höheres als das von ihr gezahlte Altersruhegeld iHv. 3.151,43 Euro brutto monatlich. Selbst wenn im Rahmen der Berechnung nach § 8 Abs. 2 Satz 3 Ü-VersTV 2009 für den Zeitraum vom 1. April 2008 bis zum 31. Dezember 2008 nicht auf die erst seit dem 1. Januar 2009 geltende Splittinggrenze nach § 4 Abs. 2 Satz 2 VersTV 2009, sondern auf die(niedrigere) Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung abzustellen sein sollte, ergäbe sich kein höheres Altersruhegeld. Nach § 3 der Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2008 vom 5. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2797) betrug die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 2008 63.600,00 Euro jährlich und 5.300,00 Euro monatlich. Damit beläuft sich der durchschnittliche Wert der vom 1. April 2008 bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung und der vom 1. Januar 2009 bis zum 31. März 2009 geltenden Splittinggrenze auf 63.900,00 Euro. Bei einer maximal anrechenbaren Beschäftigungszeit des Klägers nach § 5 VersTV 2009 iVm. § 8 Abs. 1 Ü-VersTV 2009 von 40 Dienstjahren betragen die Anteile des jährlichen Altersruhegeldes nach § 6 Abs. 2 VersTV 2009 für den unter diesem Betrag liegenden Teil des versorgungsfähigen Einkommens 10.224,00 Euro (0,4 % x 40 x 63.900,00 Euro) und für den darüber liegenden Teil 27.593,16 Euro (1,2 % x 40 x 57.485,75 Euro). Auf der Grundlage eines jährlichen Altersruhegeldes iHv. 37.817,16 Euro brutto ergibt sich damit das von der Beklagten seit dem 1. April 2009 gezahlte monatliche Altersruhegeld iHv. 3.151,43 Euro brutto.

40

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

        

    Gräfl    

        

    Spinner    

        

    Ahrendt    

        

        

        

    Blömeke    

        

    H. Frehse    

                 

(1) Arbeitszeit im Sinne dieses Gesetzes ist die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen; Arbeitszeiten bei mehreren Arbeitgebern sind zusammenzurechnen. Im Bergbau unter Tage zählen die Ruhepausen zur Arbeitszeit.

(2) Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten.

(3) Nachtzeit im Sinne dieses Gesetzes ist die Zeit von 23 bis 6 Uhr, in Bäckereien und Konditoreien die Zeit von 22 bis 5 Uhr.

(4) Nachtarbeit im Sinne dieses Gesetzes ist jede Arbeit, die mehr als zwei Stunden der Nachtzeit umfaßt.

(5) Nachtarbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeitnehmer, die

1.
auf Grund ihrer Arbeitszeitgestaltung normalerweise Nachtarbeit in Wechselschicht zu leisten haben oder
2.
Nachtarbeit an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr leisten.

(1) Der Dienstberechtigte hat Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet.

(2) Ist der Verpflichtete in die häusliche Gemeinschaft aufgenommen, so hat der Dienstberechtigte in Ansehung des Wohn- und Schlafraums, der Verpflegung sowie der Arbeits- und Erholungszeit diejenigen Einrichtungen und Anordnungen zu treffen, welche mit Rücksicht auf die Gesundheit, die Sittlichkeit und die Religion des Verpflichteten erforderlich sind.

(3) Erfüllt der Dienstberechtigte die ihm in Ansehung des Lebens und der Gesundheit des Verpflichteten obliegenden Verpflichtungen nicht, so finden auf seine Verpflichtung zum Schadensersatz die für unerlaubte Handlungen geltenden Vorschriften der §§ 842 bis 846 entsprechende Anwendung.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben.

(2) Zur Planung und Durchführung der Maßnahmen nach Absatz 1 hat der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten

1.
für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen sowie
2.
Vorkehrungen zu treffen, daß die Maßnahmen erforderlichenfalls bei allen Tätigkeiten und eingebunden in die betrieblichen Führungsstrukturen beachtet werden und die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können.

(3) Kosten für Maßnahmen nach diesem Gesetz darf der Arbeitgeber nicht den Beschäftigten auferlegen.

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Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 11.07.2013 - 3 Ca 317/13 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Erstattung der Kosten für eine ärztliche Unter-suchung.

2

Der Kläger ist bei den US-Stationierungsstreitkräften seit dem Jahre 1981 als Feuerwehrmann auf dem Flugplatz der US-Air Force in S. beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers findet kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TVAL II) Anwendung.

3

Als Feuerwehrmann, dessen Tätigkeit das Tragen von Atemschutzgeräten der Gruppe 3 erfordert, hat der Kläger turnusmäßig die sog. G26/3-Vorsorge-untersuchung zu absolvieren, bei der es sich um eine Pflichtuntersuchung i.S.v. § 4 der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) handelt. Der Kläger ließ diese arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung im April 2012 durch Herrn Dr. N. durchführen, der als praktizierender Arbeitsmediziner ausweislich des Schreibens des Landesverbandes Rheinland-Westfalen der gewerblichen Berufungsgenossenschaften vom 06. September 2007 (Bl. 42 d. A.) seit dem 03. November 1989 zur Durchführung spezieller arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen nach berufsgenossenschaftlichem Grundsatz 26 "Atemschutzgeräte" unbefristet ermächtigt ist. Die US-Stationierungsstreitkräfte haben wie in den vergangenen Jahren die vom Kläger vorgelegte Bestätigung des von ihm gewählten Arztes über die im April 2012 erfolgreich absolvierte Vorsorgeuntersuchung unbeanstandet entgegengenommen, die Übernahme der Kostenrechnung vom 20. April 2012 in Höhe von 71,50 EUR (Bl. 5 d. A.) aber mit der Begründung abgelehnt, dass die Untersuchung nicht bei dem von ihr als Betriebsarzt bestellten B.A.D. in C-Stadt durchgeführt worden sei.

4

Mit der vorliegenden Klage nimmt der Kläger nach erfolgloser schriftlicher Geltendmachung innerhalb der tarifvertraglichen Ausschlussfrist die Beklagte auf Erstattung der ihm entstandenen Untersuchungskosten in Höhe von 71,50 EUR in Anspruch.

5

Der Kläger trägt vor, die US-Stationierungsstreitkräfte seien entgegen der Ansicht der Beklagten nicht berechtigt, die Kosten der Untersuchung nur dann zu übernehmen, wenn diese beim B.A.D. durchgeführt worden sei. Es stehe ihm grundsätzlich frei, bei welcher hinreichend qualifizierten Stelle er sich der erforderlichen medizinischen Untersuchung unterziehe. Bei der in § 3 Abs. 2 S. 2 ArbMedVV getroffenen Regelung gehe der Verordnungsgeber davon aus, dass es dem Arbeitnehmer in aller Regel gleichgültig sei, welcher qualifizierte Arzt die Untersuchung durchführe. Sinn und Zweck dieser Regelung sei dementsprechend nicht die abschließende und ausschließliche Bestimmung des zu beauftragenden Arztes, sondern vielmehr die Festlegung der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers dafür, dass überhaupt die erforderliche Untersuchung stattfinde und den aufgestellten Vorgaben entsprochen werde. Der Verordnungsgeber habe keinesfalls das uneingeschränkte Recht jedes Arbeitnehmers zur freien Arztwahl außer Kraft gesetzt. Im Hinblick darauf, dass die Dienststelle das Untersuchungsergebnis auch unstreitig uneingeschränkt akzeptiert habe, seien die US-Stationierungsstreitkräfte verpflichtet, ihm die für die Untersuchung vom 20. April 2012 aufgewandten Kosten zu erstatten. Genau für die vorliegende Fallgestaltung sei in § 4 Ziff. 4 b TVAL II normiert, dass der Arbeitgeber die diesbezüglichen Kosten zu tragen habe. Das ergebe sich auch aus dem Regelungsgehalt der ArbMedVV. Die Entscheidung der US-Stationierungsstreitkräfte, die Kosten nur bei einer Durchführung der Untersuchung bei dem eigenen Betriebsarzt, nicht aber bei einem vom Arbeitnehmer ausgewählten und in gleicher Weise qualifizierten Arzt zu übernehmen, stelle mangels sachlichen Grund für die getroffene Differenzierung einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar.

6

Der Kläger hat beantragt,

7

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 71,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB p. a. hieraus seit dem 24. November 2012 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Sie hat erwidert, für den vom Kläger geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch gebe es keine Anspruchsgrundlage. Ein Anspruch auf Kostenerstattung folge insbesondere nicht aus § 4 Ziff. 4 b TVAL II. Aus dem Gesamtzusammenhang der in § 4 Ziff. 4 a und b TVAL II getroffenen Regelungen ergebe sich, dass sich die Kostenerstattung lediglich auf einen von der Beschäftigungsdienststelle bestimmten Arzt beziehe. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 4 Abs. 1 ArbMedVV habe der Arbeitgeber und nicht der Arbeitnehmer die Durchführung der Untersuchung zu veranlassen. Nach § 3 Abs. 2 ArbMedVV solle grundsätzlich der Betriebsarzt die Pflichtuntersuchungen durchführen. Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Regelung sei es, dass der Betriebsarzt, der auch die Arbeitsplätze im Betrieb kenne, die Beurteilung durchführen könne. Demgegenüber habe ein externer Arzt, der die Arbeitsplätze aus eigener Anschauung nicht kenne, keine Möglichkeit, betriebsbezogene Beurteilungen abzugeben. Dementsprechend verstoße die Entscheidung der US-Streitkräfte, nur die Kosten des von ihr bestimmten Betriebsarztes für die Untersuchung zu übernehmen, auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Ein Anspruch des Klägers, selbst einen Arzt für die Vorsorgeuntersuchungen zu mandatieren, sei aufgrund der insoweit eindeutigen Gesetzeslage nicht erkennbar. Dementsprechend bestehe auch kein Anspruch, die durch diese Mandatierung entstandenen Kosten erstattet zu erhalten.

11

Mit Urteil vom 11. Juli 2013 - 3 Ca 317/13 - hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich ein Anspruch des Klägers auf Erstattung der hier in Rede stehenden Untersuchungskosten aus den Bestimmungen des TVAL II ergebe. Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 4 Ziff. 4 b TVAL II trage die Beschäftigungsdienststelle die Kosten für ärztliche Zeugnisse und Bescheinigungen, die sie im Laufe des Beschäftigungsverhältnisses aufgrund gesetzlicher Vorschriften vom Arbeitnehmer verlange. Bei der G26/3-Untersuchung handele es sich unstreitig um eine Pflichtuntersuchung im Sinne des § 4 ArbMedVV, die turnusmäßig zu wiederholen sei und die körperliche und gesundheitliche Diensttauglichkeit des Arbeitnehmers nachzuweisen habe. Entgegen der Ansicht der Beklagten ergebe sich nichts anderes aus der Regelung des § 4 Ziff. 4 a TVAL II, weil sich diese Regelung nach ihrem Wortlaut nur auf einen ganz bestimmten und konkret benannten Fall beziehe, nämlich dass der Arbeitgeber bei Einstellung einen Nachweis über die körperliche Eignung des Arbeitnehmers verlange. Auch eine systematische Auslegung der Ziff. 4 ergebe, dass die Tarifpartner zwei eigenständige, voneinander unabhängige Regelungen hätten treffen wollen. Dieses Auslegungsergebnis werde noch verstärkt durch die Anhangsregelung "Sonderbestimmungen P für Feuerwehrpersonal". Dort sei unter I. Ziff. 2 in Ergänzung von § 4 Ziff. 4 TVAL II festgelegt, dass der Gesundheitszustand des Feuerwehrpersonals durch regelmäßig zu wiederholende ärztliche Untersuchungen nach berufsgenossenschaftlichen Grundsätzen zu überwachen sei und die Kosten hierfür die Beschäftigungsdienststelle trage. Damit handele es sich ebenso wie in § 4 Ziff. 4 b TVAL II um eine Regelung hinsichtlich ärztlicher Untersuchungen, die während des Beschäftigungsdienstverhältnisses erfolgten. Hierfür würden die Sonderbestimmungen P ohne jegliche Einschränkung oder ein Bestimmungsrecht des Arztes durch die Beschäftigungsdienststelle eine vollständige Kostenpflicht der Dienststelle vorsehen. Dies gelte auch in Anbetracht des Umstandes, dass die Untersuchung nicht durch den B.A.D., sondern durch Herrn Dr. N. erfolgt sei. Zum einen sei dieser jedenfalls hinsichtlich der hier allein streitgegenständlichen G26/3-Untersuchung bereits seit dem Jahre 1989 unstreitig vom Landesverband Rheinland-Westfalen der gewerblichen Berufsgenossenschaften zur Durchführung der Untersuchung befugt. Zum anderen handele es sich bei der G26/3-Untersuchung unstreitig um ein bundesweit standardisiertes und von eventuellen Besonderheiten des konkreten Arbeitsplatzes unabhängiges Verfahren, weshalb auch der B.A.D. diese Untersuchung nicht "auswärtig" durchführe, sondern vielmehr seinerseits von den Arbeitnehmern aufgesucht werde. Der Kostenerstattungsanspruch bestehe auch in voller Höhe. Die Beklagte habe weder ihre Behauptung, für die abgerechneten GOÄ-Ziffern seien weniger Punkte anzusetzen gewesen, näher ausgeführt oder begründet, noch habe sie vorgetragen, welcher Rechnungsbetrag ihrer Ansicht richtigerweise hätte veranschlagt werden müssen. Im Hinblick darauf, dass die Stationierungsstreitkräfte seit vielen Jahren genau diese Untersuchungen durch den B.A.D. vornehmen ließen und daher die hierfür zu veranschlagenden Gebühren- und Berechnungsgrundsätze kennen müssten, könne sich die Beklagte insoweit nicht auf ein schlichtes Bestreiten mit Nichtwissen zurückziehen.

12

Gegen das ihr am 02. August 2013 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 19. August 2013, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 22. August 2013 eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 02. Oktober 2013, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.

13

Die Beklagte trägt vor, das Arbeitsgericht habe sich bei seiner Auslegung zu Unrecht allein auf die tariflichen Vorschriften gestützt. Es habe dabei die gesetzlichen Bestimmungen der ArbMedVV verkannt und den Tarifvertrag fehlerhaft ausgelegt. Ohne eine gesetzlich vorgeschriebene Untersuchung bestehe auch tariflich kein Erstattungsanspruch. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 2 ArbMedVV bestehe ein gebundenes Ermessen, welches der Arbeitgeber auszuüben habe. Nach der geleiteten Ermessensentscheidung sei der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, den beauftragten Arbeitsmediziner der Dienststelle auszuwählen. Im Hinblick darauf, dass diese Person vorliegend unstreitig die Pflichtuntersuchung nicht vorgenommen habe, genüge die vorgelegte Bescheinigung nicht den gesetzlichen Anforderungen, so dass aus diesem Grunde auch kein Kostenerstattungsanspruch bestehe. Nach dem Sinn und Zweck des nach § 3 Abs. 2 Satz 2 ArbMedVV geleiteten Ermessens solle der untersuchende Arzt hinreichende Kenntnisse von dem Arbeitsplatz haben, damit er eine richtige Gefährdungsbeurteilung und damit eine qualifizierte Vorsorgeuntersuchung vornehmen könne. Dementsprechend sehe § 3 Abs. 2 Satz 3 ArbMedVV vor, dass dem untersuchenden Arzt alle erforderlichen Auskünfte für die Arbeitsplatzverhältnisse, insbesondere über die Ergebnisse von Gefährdungsbeurteilungen zu erteilen seien und ihm die Begehrung des Arbeitsplatzes zu ermöglichen sei. Der den Kläger untersuchende Arzt habe im Zusammenhang mit der Untersuchung nicht gefragt, ob er die Air-Base besichtigen könne. Dieser dürfte auch keine Informationen hinsichtlich der Betriebsabläufe erhalten haben, die er für die Gesundheitsuntersuchung mit berücksichtigen könnte, weil der Kläger auf einem militärischen Sperrgebiet arbeite. Es sei daher davon auszugehen, dass der den Kläger untersuchende Arzt weder die Räumlichkeiten noch die Anforderungen an die Werksfeuerwehr eines militärisch genutzten Flugplatzes kenne. Demgegenüber sei der vom Arbeitgeber beauftragte B.A.D. regelmäßig auf dem Flugplatz und kenne die Einrichtung. Nach dem eindeutigen Wortlaut in § 3 Abs. 2 und § 4 Satz 1 ArbMedVV habe der Arbeitgeber die Pflichtuntersuchungen der Beschäftigten zu veranlassen, so dass die Untersuchung vom Arbeitgeber ausgehen müsse, was vorliegend nicht geschehen sei. Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht in § 4 Ziff. 4 b TVAL II eine Anspruchsgrundlage gesehen. Dabei habe es das weitere Tatbestandsmerkmal "aufgrund gesetzlicher Vorschriften" in § 4 Ziff. 4 b TVAL II übersehen. Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 ArbMedVV bestehe die Pflicht der Anordnung durch den Arbeitgeber und grundsätzlich die Pflicht zur Untersuchung durch den bestellten Arbeitsmediziner. Nichts anderes folge auch aus I. Ziff. 2 Anhang P zum TVAL II, wonach die Beschäftigungsdienststelle die Kosten für Untersuchungen trage, die nach den "berufsgenossenschaftlichen und ggf. arbeitgeberseitigen Grundsätzen" vorgenommen würden. Nach den berufsgenossenschaftlichen Vorschriften sei es gerade der bestellte Arbeitsmediziner der Dienststelle, der die Untersuchungen durchzuführen habe.

14

Die Beklagte beantragt,

15

das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 11. Juli 2013- 3 Ca 317/13 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

16

Der Kläger beantragt,

17

die Berufung zurückzuweisen.

18

Er erwidert, entgegen der Ansicht der Beklagten ergebe sich aus der ArbMedVV gerade keine ausdrückliche und bindende Weisung des Verordnungsgebers, dass die fragliche Untersuchung unbedingt und nur von dem Betriebsarzt des Arbeitgebers durchzuführen sei. Schon gar nicht lasse sich der Verordnung auch nur ansatzweise entnehmen, dass der Arbeitgeber nur die Kosten einer beim Betriebsarzt des Arbeitgebers durchgeführten Untersuchung zu tragen habe. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sei nicht die Frage, ob der Kläger die Untersuchung G26 bei dem B.A.D. als Betriebsarzt des Arbeitgebers durchführen lassen müsse oder diese auch bei einem anderen einschlägig qualifizierten Arzt durchführen lassen dürfe. Insoweit sei die Argumentation der Beklagten sachlich unzutreffend und in Anbetracht der in den zurückliegenden Jahren noch niemals in Frage gestellten Untersuchungsbescheinigung widersprüchlich. Vielmehr sei Streitgegenstand die Verpflichtung der US-Stationierungsstreitkräfte zur Erstattung derjenigen Kosten, die ihm im Zusammenhang mit der Durchführung der Untersuchung G26 bei einem anderen einschlägig qualifizierten Arzt entstanden seien. Die hierzu einschlägige Regelung in § 4 Ziff. 4 b TVAL II werde ergänzt durch die Regelungen in Abschnitt I Ziff. 2 der Sonderbestimmungen P zum TVAL II, in der auch und gerade die Untersuchung G26 angesprochen und ausdrücklich normiert sei, dass die Kosten dieser Untersuchung die Beschäftigungsdienststelle zu tragen habe. Weder die ArbMedVV noch die tarifvertraglichen Regelungen würden festlegen oder vorschreiben, dass er die ihm obliegende Untersuchung G26 nur beim B.A.D. als Betriebsarzt der US-Stationierungsstreitkräfte durchführen lassen dürfe. Auch der Verordnungsgeber habe gerade nicht den Grundsatz der freien Arztwahl durchbrochen und dem betroffenen Arbeitnehmer vorgeschrieben, die erforderlichen Untersuchungen ausschließlich nur bei einem bestimmten Arzt durchführen zu lassen. Im Hinblick darauf, dass die US-Stationierungsstreitkräfte die von ihm vorgelegte Untersuchungsbescheinigung als Nachweis der ordnungsgemäßen Durchführung entgegengenommen und akzeptiert hätten, müssten sie ihm die hierfür aufgewandten Kosten erstatten.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

20

Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. a ArbGG statthaft, weil sie im Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist. Sie ist frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO).

21

Die auch ansonsten zulässige Berufung der Beklagten hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Klage stattgegeben.

22

Der Kläger hat entsprechend § 670 BGB einen Anspruch auf Erstattung der von ihm aufgewandten Kosten für die G26/3-Vorsorgeuntersuchung in Höhe von 71,50 EUR. Auf die Frage, ob die US-Stationierungsstreitkräfte den Kläger (künftig) nach den Bestimmungen der ArbMedVV und den tariflichen Regelungen anweisen können, die Vorsorgeuntersuchung nur bei ihrem Betriebsarzt durchführen zu lassen, kommt es vorliegend nicht an.

23

1. § 670 BGB ist für Aufwendungsersatzansprüche im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis entsprechend anzuwenden. Die Vorschrift enthält einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der auch für das Arbeitsverhältnis gilt. Danach kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber Ersatz der Aufwendung verlangen, die er in dessen Interesse hatte und die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte (BAG 14. Oktober 2003 - 9 AZR 657/02 - Rn. 41, NZA 2004, 604; BAG 19. Mai 1998 - 9 AZR 307/96 - Rn. 23, NZA 1999, 38).

24

2. Die Voraussetzungen eines solchen Aufwendungsersatzanspruchs sind im Streitfall erfüllt.

25

Die aufgrund der §§ 18 und 19 ArbSchG erlassene Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) sieht vor, dass die vorgeschriebenen arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen in den Pflichtenkreis und Verantwortungsbereich des Arbeitgebers fallen (§§ 3, 4 ArbMedVV). Die vom Kläger als Feuerwehrmann zu absolvierende arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung G26/3 gehört nach Maßgabe des Anhangs zur ArbMedVV zur Pflichtvorsorge (Anhang Teil 4 Abs. 1 Nr. 1) und ist eine Maßnahme des Arbeitsschutzes (vgl. § 1 Abs. 2 ArbMedVV, 2 Abs. 1 ArbSchG). Nach § 3 Abs. 3 ArbSchG darf der Arbeitgeber Kosten für Maßnahmen nach diesem Gesetz nicht den Beschäftigten auferlegen. Dementsprechend sehen auch die tarifvertraglichen Regelungen eine entsprechende Kostentragungspflicht der Beschäftigungsdienststelle vor (§ 4 Ziff. 4 b TVAL II i.V.m. den Sonderbestimmungen P-I. Ziff. 2). Der Kläger hat mit der in den Pflichtenkreis und Verantwortungsbereich seiner Arbeitgeberin fallenden Vorsorgeuntersuchung G26/3 ein vorrangig in deren Interesse liegendes Geschäft durchgeführt.

26

Der Kläger durfte die von ihm bei Herrn Dr. N. durchgeführte Vorsorgeuntersuchung und die hierfür aufgewandten Kosten den Umständen nach auch für erforderlich halten. Herr Dr. N., der unstreitig praktizierender Arbeitsmediziner ist, verfügt ausweislich des Schreibens des Landesverbandes Rheinland-Westfalen der gewerblichen Berufsgenossenschaften vom 06. September 2007 seit dem 03. November 1989 über eine unbefristete Ermächtigung zur Durchführung spezieller arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen nach berufsgenossenschaftlichem Grundsatz 26 "Atemschutzgeräte". Die US-Stationierungs-streitkräfte haben wie in den zurückliegenden Jahren die vom Kläger vorgelegte Untersuchungsbescheinigung des von ihm beauftragten Arztes akzeptiert und ihn auf dieser Grundlage als Feuerwehrmann beschäftigt. Die von ihm hierfür aufgewandten Kosten in Höhe von 71,50 EUR übersteigen unstreitig nicht die Höhe der Kosten, die bei einer entsprechenden Vorsorgeuntersuchung durch den B.A.D. als Betriebsarzt der US-Stationierungsstreitkräfte angefallen wären. Dementsprechend durfte der Kläger die von ihm bei Herrn Dr. N. absolvierte Vorsorgeuntersuchung G26/3 für erforderlich halten, so dass er einen Anspruch auf Ersatz der ihm entstandenen Kosten in Höhe von 71,50 EUR hat. Soweit die Beklagte nunmehr die Auffassung vertritt, dass die Pflichtuntersuchung nur noch durch den Betriebsarzt der US-Stationierungsstreitkräfte durchgeführt und die Bescheinigung eines anderen Arztes nicht mehr anerkannt werden könne, ändert dies nichts daran, dass der Kläger jedenfalls im Zeitpunkt der von ihm im April 2012 absolvierten Vorsorgeuntersuchung diese noch für erforderlich halten durfte, weil seine Arbeitgeberin die von ihm vorgelegte Bescheinigung wie in den zurückliegenden Jahren akzeptiert und ihn auf dieser Grundlage als Feuerwehrmann beschäftigt hat. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die US-Stationierungsstreitkräfte berechtigt bzw. gehalten sind, die vorgeschriebene Vorsorgeuntersuchung nur durch ihren Betriebsarzt durchführen zu lassen und die Bescheinigung eines anderen Arztes nicht anzuerkennen, führt dies allenfalls dazu, dass der Kläger künftig aufgrund der zwischenzeitlich geänderten Verfahrensweise seiner Arbeitgeberin Aufwendungen für die Durchführung der Vorsorgeuntersuchung bei einem anderen Arzt nicht mehr für erforderlich halten darf. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die US-Stationierungsstreitkräfte dem Kläger künftig die Durchführung der Vorsorgeuntersuchung bei ihrem Betriebsarzt vorschreiben und die Bescheinigung eines anderen Arztes als unzureichend zurückweisen können.

27

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

28

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.