Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 27. Sept. 2017 - 7 Sa 192/17

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2017:0927.7Sa192.17.00
27.09.2017

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Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 14. März 2017, Az. 12 Ca 1620/16, abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger auch über den 1. Juni 2014 hinaus nach der Entgeltgruppe E 06 des Firmenbezogenen Verbandstarifvertrags für die C. vom 12. Mai 2014 in Verbindung mit dem Überleitungstarifvertrag zwischen der C. und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie vom 12. Mai 2014 sowie der Betriebsvereinbarung über eine Eingruppierungsrichtlinie und die Überleitung auf die neue Entgeltstruktur zwischen der C. und dem Betriebsrat der C. vom 30. Juni 2014 zu vergüten.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers nach dem Firmenbezogenen Verbandstarifvertrag für die C. vom 12. Mai 2014 (im Folgenden: FVTV) in Verbindung mit dem Überleitungstarifvertrag zwischen der C. und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie vom 12. Mai 2014 (im Folgenden: Ü-TV) sowie der Betriebsvereinbarung über eine Eingruppierungsrichtlinie und die Überleitung auf die neue Entgeltstruktur zwischen der C. und dem Betriebsrat der C. vom 30. Juni 2014 (im Folgenden: BV) und die entsprechende Vergütung.

2

Die Beklagte ist auf dem Gebiet der Verarbeitung und Entwicklung hochwertiger flexibler Packstoffe tätig und führender Erzeuger von Verpackungen für Lebensmittel und Hersteller von Folien. Sie beschäftigt am Standort C-Stadt circa 250 Mitarbeiter. Im dortigen Betrieb existiert ein Betriebsrat.

3

Der 1960 geborene Kläger ist seit dem 2. Februar 1981 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern aufgrund eines mit der Z. GmbH am 13. Januar 1981 abgeschlossenen Arbeitsvertrags, zunächst als "Maschinenbediener", beschäftigt. Wegen des Inhalts des Arbeitsvertrags im Einzelnen wird auf Bl. 5 d. A. Bezug genommen.

4

Laut dem Formular „Personal-Veränderung“ vom 29. Juni 1995 änderte sich seine Eingruppierung mit Wirkung vom „1.9.95“ von bislang Entgeltgruppe E 04 auf Entgeltgruppe E 05. Als “Begründung“ ist in dem Formular angegeben: „Weiterqualifizierung als All-Maschinenfahrer im FB I. Übernimmt Springertätigkeit, Rahmen-tätigkeit. Zuverlässiger Facharbeiter in der Wirkungsstelle. Wartet, rep. Werkzeuge zuverlässig. Mithilfe beim Umbau“. Hinsichtlich des Inhalts des Formulars im Einzelnen wird auf Bl. 178 d. A. Bezug genommen.

5

In einem weiteren Formular „Personal-Veränderung“ vom 8. November 1999 ist eine „Umgruppierung“ von Entgeltgruppe „E 05/3“ zu „E 06/2“ „mit Wirkung ab dem 01.01.2000“ festgehalten. Wegen des Inhalts dieser „Personal-Veränderung“ im Einzelnen wird auf Bl. 6 d. A. Bezug genommen.

6

Seit dem 1. Januar 2000 war der Kläger als Einrichter tätig.

7

Im Jahr 2013 führte die Beklagte Verhandlungen mit der IG BCE zu den künftigen tariflichen Regelungen. Die IG BCE informierte die Mitarbeiter der Beklagten durch öffentliche Aushänge der Tarifkommission der IG BCE vom 2. Juli 2013 und vom 21. August 2013 über die geplanten Einschnitte im Bereich der Personalkosten durch eine Tarifvertragslösung.

8

Mit Schreiben vom 17. Dezember 2013 (Bl. 179 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit:

9

Änderung Einsatz

10

(...)
ab dem 01.01.2014 werden Sie vorübergehend zeitweise oder ständig, unab-hängig von der mit Ihnen arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit, als Maschinenbediener eingesetzt.

11

Dies geschieht aufgrund der organisatorischen Änderungen ab diesem Datum in der Produktion.

12

Wir beziehen uns hierbei auf die Regelung in § 11 Ziffer b) der Arbeitsordnung, wonach Sie, wenn betriebliche Belange es erfordern, auch mit anderen zumut-baren Tätigkeiten betraut werden können, als die, für die Sie eingestellt oder mit denen Sie längere Zeit beschäftigt wurden. Hieraus werden Ihnen keine finanziellen Nachteile entstehen.

13

Die Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 10.12.2013 ist damit hinfällig.“

14

Unter dem 12. Mai 2014 schlossen der Bundesarbeitgeberverband Chemie e.V. und der Arbeitgeberverband Chemie Rheinland-Pfalz e. V. einerseits und die IG BCE und die IG BCE, Landesbezirk Rheinland-Pfalz/Saarland, andererseits rückwirkend ab dem 15. Dezember 2013 den FVTV, der bis zum 31. Dezember 2018 Geltung haben soll. Dieser sieht unter anderem vor, dass für die Beschäftigen der Beklagten ein um 9 % abgesenkter Tarifvertrag zur Anwendung kommt (vgl. § 4 Abs. 1). Zudem soll sich die Zuweisung der Tätigkeiten auf die im Bundesentgelttarifvertrag definierten Entgeltgruppen aus der Betriebsvereinbarung über eine Eingruppierungsrichtlinie und die Überleitung auf die neue Entgeltstruktur vom 12. Mai 2014 zwischen dem Betriebsrat und der Beklagten ergeben (§ 3). Wegen des Inhalts des FVTV im Übrigen wird auf Bl. 10 ff. d. A. Bezug genommen.

15

An demselben Tag schlossen die Beklagte und die IG BCE zur weiteren Ergänzung den Ü-TV mit Wirkung zum 15. Dezember 2013.

16

Zur Anpassung der Eingruppierung der Mitarbeiter der Beklagten schlossen die Beklagte und der Betriebsrat der Beklagten sodann am 30. Juni 2014 mit Wirkung zum 12. Mai 2014 die BV ab. Wegen deren Inhalts wird auf Bl. 13 ff. d. A. Bezug genommen.

17

Die Beklagte informierte mit Schreiben vom Ende Mai 2014 ihre Mitarbeiter über die Geltung des neuen firmenbezogenen Tarifvertrages. Dem Schreiben waren individuelle Vertragsergänzungsangebote zur Eingruppierung entsprechend der BV sowie zur Geltung des neuen Tarifvertrages beigefügt. Danach sollte der Kläger ab dem 1. Juni 2014 bei unveränderter Tätigkeit unter Zugrundelegung der Entgeltgruppe 04 in der Funktion als Maschinenbediener weiter arbeiten. Die Vertragsangebote unterschrieb er nicht.

18

Gleichwohl wurde der Kläger in die Entgeltgruppe E 04 eingruppiert und nach dem BETV in Verbindung mit den sich aus dem FVTV und dem Ü-TV ergebenden Modifikationen vergütet. Die monatliche Bruttogehaltsdifferenz zwischen der Entgeltgruppe E 06 und E 04 nach dem BETV in Verbindung mit den sich aus dem FVTV und Ü-TV ergebenden Modifikationen beträgt beim Kläger rund 650,00 €.

19

Mit Schreiben vom 27. Mai 2014 (Bl. 8 f. d. A.) machte der Kläger eine weitere Vergütung nach der Entgeltgruppe E 06 des BETV auch über den 1. Juni 2014 hinaus geltend.

20

Der Kläger hat bereits Klage vor dem Arbeitsgericht Koblenz mit dem Akten-zeichen 12 Ca 2458/14 (LAG Rheinland-Pfalz, Az. 7 Sa 34/15) erhoben und dort u.a. beantragt, „festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger auch über den 01.06.2014 hinaus nach Entgeltgruppe E 05 des jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrages für die chemische Industrie, zuletzt des Bundesentgelttarifvertrages für die chemische Industrie West vom 18. Juli 1987 in der Fassung vom 30. September 2004 in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag, zu vergüten“. Die Klage wurde rechtskräftig abgewiesen.

21

Mit seiner am 20. Mai 2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn auch über den 1. Juni 2014 hinaus nach der Entgeltgruppe E 06 des BETV in Verbindung mit den sich aus dem FVTV und Ü-TV ergebenden Modifikationen zu vergüten. Er ist der Ansicht, seine Umgruppierung von der Entgeltgruppe E 06 in die E 04 sei rechtswidrig.

22

Im vorliegenden Verfahren gehe es um eine Eingruppierung nach einem abweichenden Tarifsystem als im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Koblenz mit dem Az. 12 Ca 2458/14 (LAG Rheinland-Pfalz, Az. 7 Sa 34/15).

23

Er war unter anderem der Ansicht, das Formular "Personal-Veränderung" vom 8. November 1999 stelle eine einzelvertragliche Vergütungsabrede dar, die über der von der Beklagten gewählten Eingruppierung liege. Seine Tätigkeit selbst habe sich nicht geändert, wohl aber die Bezeichnung, daher sei er von der Entgeltgruppe E 05 in die Entgeltgruppe E 06 höhergruppiert worden. Dieses Dokument gehe weit über ein bloße einseitige Wissenserklärung der Beklagten hinaus.

24

Im Dezember 2013 habe die Beklagte ihm dann mitgeteilt, dass sie beabsichtige, ihn ab dem 1. Januar 2014 als Maschinenbediener einzusetzen. Dies "vorübergehend zeitweise oder ständig". Er habe insoweit seinen Vorgesetzten Y. X. gefragt, inwieweit ihm durch eine entsprechende Versetzung finanzielle Nachteile entstehen würden. Daraufhin habe ihm der Zeuge X. zugesagt, dass sich an seinem Entgelt nichts ändern werde; er werde durch die Versetzung keinerlei finanzielle Nachteile erleiden. Unmittelbar nachfolgend habe die Beklagte ihm dann mit Schreiben vom 17. Dezember 2013 die Versetzung nochmals förmlich mitgeteilt. Gleichzeitig habe sie die Zusage: „Hieraus werden Ihnen keine finanziellen Nachteile entstehen“ wiederholt. Sie habe ihm dann auch zunächst entsprechend der Zusage bis einschließlich Mai 2014 eine Vergütung nach der Entgeltgruppe E 06 gezahlt.

25

Der streitgegenständliche Anspruch folge zudem auch aus dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Manteltarifvertrag für die chemische Industrie West, dort aus § 14 Ziff. 1 und 2.

26

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

27

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn über den 1. Juni 2014 hinaus nach der Entgeltgruppe E 06 des Bundesentgelttarifvertrages für die Chemische Industrie West in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag mit den sich aus dem Firmenbezogenen Verbandstarifvertrag für die C. vom 12. Mai 2014 in Verbindung mit dem Überleitungstarifvertrag zwischen der C. und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie vom 12. Mai 2014 ergebenden Modifikationen zu vergüten.

28

Die Beklagte hat beantragt,

29

die Klage abzuweisen.

30

Sie war der Ansicht,
die Klage sei bereits wegen entgegenstehender materieller Rechtskraft unzulässig. Das vorhergehende Verfahren vor dem Arbeitsgericht Koblenz betreffe denselben Streitgegenstand wie das vorliegende Verfahren. Daher sei eine noch-malige Entscheidung über die bereits festgestellte Rechtsfolge nicht zulässig. Der Klageantrag sei nach wie vor derselbe. Dass der Kläger die Feststellung nun nicht mehr lediglich auf den BETV in Verbindung mit dem Bezirks-Entgelttarifvertrag, sondern auf alle für sie geltenden Tarifverträge stütze, sei unschädlich, denn weder der FVTV noch der Ü-TV definiere selbstständig Entgeltgruppen. Diese seien nach wie vor im BETV geregelt. Die BV konkretisiere lediglich die Tätigkeiten, welche den Entgeltgruppen des BETV zuzuordnen seien. In den vorherigen Verfahren habe der Kläger zum einen festgestellt haben wollen, dass er nach der Entgeltgruppe E 06 zu vergüten sei und zusätzlich dazu, dass FVTV und Ü-TV auf ihn nicht anwendbar seien und ihn somit auch die Tariflohnabsenkung nicht treffe. Der Kläger formuliere den Antrag nun in korrekter Weise, da auch FVTV und Ü-TV auf sein Arbeitsverhältnis anwendbar seien. Inhaltlich ändere die Formulierung allerdings nichts an seinem Begehren. Auch unter Heranziehung des Lebenssachverhalts trete keine Veränderung des Streitgegenstands ein. Der Sachvortrag für den modifizierten Neuantrag sei im Wesentlichen bereits im ersten Verfahren vorgetragen worden. Soweit der Kläger nunmehr weiter ausführe, dass sich eine solche individualvertragliche Verpflichtung vor allem aus dem Formular „Personal-Veränderung“ ergeben würde, ergebe sich daraus kein neuer Lebenssachverhalt, sondern lediglich eine neue bisher nicht vorgetragene Anspruchsbegründung. Insbesondere bei Feststellungsklagen werde der Begriff Sachverhalt auch weit verstanden, um zu verhindern, dass Lebenszusammenhänge auseinander gerissen würden. Im Übrigen wären diese neu hervorgebrachten Tatsachen für diesen Prozess bereits präkludiert, da sie bereits im ersten Verfahren bekannt gewesen seien.

31

Der Kläger könne seinen Anspruch auch nicht auf die "Personal-Veränderung" vom 8. November 1999 stützen. Die jeweiligen Angaben in diesem Formblatt enthielten bloß eine Wissenserklärung und damit lediglich einen Hinweis auf eine Umgruppierung. Die Änderung der Vergütung sei jeweils anlassbezogen erfolgt. Aus den gesamten Formulierungen des Formulars lasse sich keine unveränder-liche Eingruppierungs- oder Gehaltszusage zugunsten des Klägers entnehmen. Vielmehr sehe das Feld „Änderung“ gerade auch eine jederzeitige Änderungsmöglichkeit vor, die sie damit ausdrücklich jederzeit im Rahmen der Vorgaben des BETV und des FVTV bzw. Ü-TV nutzen könne. Ferner sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der Entgeltgruppe E 06 um eine weitere Aufbaufallgruppe zu E 04 und E 05 handele. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit als so genannter „Maschinenführer“ nicht gleich der Tätigkeit eines Maschinenführers entsprechen müsse. Die "Personal-Veränderung" diene der internen Dokumentation und der Kommunikation zwischen den einzelnen Abteilungen. Die Unterschrift des Arbeitnehmers diene nur der Bestätigung der Kenntnisnahme. Die Schaffung einer eigenen vertraglichen Rechtsgrundlage sei gerade nicht beabsichtigt gewesen.

32

Nichts anderes gelte für das Formular „Personal-Veränderung“ vom Juni 1995. Bereits aus der dort gegebenen Begründung lasse sich erkennen, dass die Höhergruppierung anlassbezogen gewesen sei.

33

Er könne seinen Anspruch auch nicht auf ihr Schreiben vom 17. Dezember 2013 stützen.

34

Schließlich ergebe sich sein Anspruch ebenfalls nicht aus § 14 MTV Chemie.

35

Wegen des zu Grunde liegenden Sachverhalts im Übrigen und des Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 270 ff. d.A.) verwiesen.

36

Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, der Feststellungsantrag sei zulässig. Bereits der hiesige Klageantrag sei ein anderer und nicht ein „Weniger“ zu den bereits rechtskräftig abgewiesenen Anträgen in dem Rechtsstreit 12 Ca 2458/14. Der Kläger habe gegen die Beklagte aber keinen Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe E 06 des BETV in Verbindung mit den sich aus dem FVTV in Verbindung mit dem Ü-TV ergebenden Modifikationen. Ein solcher Anspruch ergebe sich weder aus den kollektivrechtlichen Regelungen noch aus einer für den Kläger günstigeren individualvertraglichen Vereinbarung. Nach den für den Kläger maßgeblichen geltenden kollektivrechtlichen Regelungen übe er eine seiner jetzigen Entgeltgruppe E 04 zugeordnete Tätigkeit als „Maschinenbediener“ aus, wie sie in der entsprechenden Stellenausschreibung beschrieben werde. Der Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 14 MTV Chemie in Verbindung mit der BV. Die BV als betriebliche Regelung enthalte eine solche Verdienstsicherung nicht. § 14 MTV selber sei keine eigenständige Anspruchsgrundlage. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe E 06 aufgrund einer für ihn günstigeren einzelvertraglichen Vereinbarung, die insoweit Vorrang vor der kollektivrechtlichen Entgeltgruppe hätte. Das Formular "Personal-Veränderung" vom 29. Juni 1995 stelle keine konstitutive Eingruppierungszusage dar. Es seien keine Anhaltspunkte oder besondere Umstände ersichtlich, aus denen sich ein entsprechendes Angebot der Beklagten auf Zahlung einer übertariflichen Vergütung nach einer höheren als der bisherigen Vergütungsgruppe ableiten ließe. Das Gegenteil sei der Fall. Als Begründung für die Umgruppierung werde in der Personal-Veränderung angeführt: „Weiterqualifizierung“. Damit sei die Änderung der Vergütung ausweislich der Begründung in der Personal-Veränderung anlassbezogen aufgrund der geänderten Tätigkeit erfolgt. Entsprechendes gelte für das Formular „Personal-Veränderung“ vom 8. November 1999. Auch diese stelle keine konstitutive Eingruppierungszusage dar, da nach den Angaben des Klägers Anlass der höheren Vergütung die geänderte Tätigkeit als Einrichter gewesen sei, die er ab dem 1. Januar 2000 ausgeübt habe. Vorher sei er als Maschinenbediener tätig gewesen. Auch aus der Formulierung in dem Schreiben der Beklagten vom 17. Dezember 2013 („Hieraus werden Ihnen keine finanziellen Nachteile entstehen“) lasse sich keine Zusage auf unbeschränkte Gewährung der vom Kläger begehrten Entgeltgruppe herleiten. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der vermeintlichen Aussage seines Vorgesetzten, er werde durch die Versetzung keinerlei finanzielle Nachteile erlangen, die im Ergebnis nur die Formulierung des Schreibens wiedergebe. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts (Bl. 280 ff. d. A.) Bezug genommen.

37

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 28. März 2017 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am 28. April 2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese mit am 26. Mai 2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag be-gründet.

38

Zur Begründung der Berufung macht der Kläger nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes sowie des Schriftsatzes vom 15. September 2017, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 309 ff., 346 f. d. A.), zusammengefasst geltend,
bereits aus der „Personal-Veränderung“ vom 8. November 1999 folge ein individualvertraglicher Anspruch auf eine Vergütung nach der Entgeltgruppe E 06.

39

Ebenso folge aus dem Schreiben der Beklagten vom 17. Dezember 2013 eine bindende Zusage einer von der Tarifautomatik losgelösten Vergütung des Klägers nach der Entgeltgruppe E 06. Er habe die im Vergleich zur bisherigen Tätigkeit als Einrichter einfachere Tätigkeit als Maschinenbediener nur akzeptiert, weil die Beklagte ihm im gleichen Schreiben ausdrücklich zugesagt habe, dass ihm aus der geänderten Tätigkeit als Maschinenbediener keine finanziellen Nachteile entstehen würden. Dies könne nur so verstanden werden, dass ihm auch für die Tätigkeit als Maschinenbediener weiterhin das Entgelt eines Einrichters gezahlt werde. Die Vergütung eines Einrichters bei der Beklagten erfolge auch nach der neuen BV mindestens nach der Entgeltgruppe E 06.

40

Aus der Regelung in § 14 Ziff. 1 MTV folge ebenfalls ein Anspruch auf Fortzahlung einer Vergütung nach der Entgeltgruppe E 06. Ersichtlich habe sich die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 17. Dezember 2013 auch insoweit tariftreu verhalten wollen.

41

Der Kläger beantragt,

42

das Urteil des Arbeitsrechts Koblenz vom 14. März 2017 (Az. 12 Ca 1620/16) abzuändern und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn auch über den 1. Juni 2014 hinaus nach der Entgeltgruppe E 06 des Firmenbezogenen Verbandstarifvertrags für die C. vom 12. Mai 2014 in Verbindung mit dem Überleitungstarifvertrag zwischen der C. und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie vom 12. Mai 2014 sowie der Betriebsvereinbarung über eine Eingruppierungsrichtlinie und die Überleitung auf die neue Entgeltstruktur zwischen der C. und dem Betriebsrat der C. vom 30. Juni 2014 zu vergüten.

43

Die Beklagte beantragt,

44

die Berufung zurückzuweisen.

45

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe des Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 3. Juli 2017, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 317 ff. d. A.). Die Klage sei jedoch bereits wegen entgegenstehender materieller Rechtskraft unzulässig. Das vorhergehende Verfahren vor dem Arbeitsgericht Koblenz mit dem Az. 12 Ca 2458/14 betreffe denselben Streitgegenstand wie das vorliegende Verfahren.

46

Aus dem Formular „Personal-Veränderung“ vom 8. November 1999 ergebe sich gerade kein Anspruch des Klägers auf Weiterzahlung der bisherigen höheren Vergütung nach Entgeltgruppe E 06. Es fehle an einer günstigeren individualvertraglichen Vereinbarung. Die Angabe der Entgeltgruppe in diesem Formular sei anlassbezogen erfolgt, da sich die Tätigkeit des Klägers sehr wohl geändert gehabt habe. Vor der Personal-Veränderung sei der Kläger nach seinem Vortrag Maschinenbediener gewesen, nach der Änderung habe er die Tätigkeit eines Einrichters ausgeübt. Bei der Bewertung dieses Umstandes sei zu berücksichtigen, dass er ohne Zusagecharakter der Mitteilung allein kein Kriterium für eine Eingruppierungszusage darstellen könne, da der Wortlaut keinerlei Hinweise auf eine solche Zusage hergebe. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit als so genannter „Einrichter“ nicht gleich der Tätigkeit eines Einrichters entsprechen müsse. Der Kläger komme zudem seiner ihm obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht nach.

47

Auch aus der Formulierung in ihrem Schreiben vom 17. Dezember 2013 „Hieraus werden Ihnen keine finanziellen Nachteile entstehen“ ergebe sich keine Zusage auf unbeschränkte Gewährung der vom Kläger begehrten Entgeltgruppe. Gemäß der Betreffzeile und dem Wortlaut des Schreibens handele es sich um eine Mit-teilung zur vorübergehenden Änderung der Verantwortlichkeit und Tätigkeit. Sie übe damit nur ihr Direktionsrecht aus. In diesem Kontext sei auch der Satz „Hieraus werden Ihnen keine finanziellen Nachteile entstehen“ zu sehen. Das Wort „Hieraus“ bringe eindeutig zum Ausdruck, dass sich die Garantie für die Vergütung lediglich auf die konkret beschriebene vorübergehende Einsatzänderung beziehe. Eine darüber hinaus gehende, für alle erneuten Änderungen ebenfalls geltende Garantie sei gerade nicht ausgesprochen worden. Diesbezüglich lägen auch keine besonderen Umstände und Anhaltspunkte vor. Um das Schreiben vom 17. Dezember 2013 als Angebot für eine Vergütung nach Entgeltgruppe E 06 qualifizieren zu können, müsste zumindest als essentialia negotii die konkrete Vergütung darin enthalten sein. Die Aussage sei vielmehr vor dem Hintergrund zu sehen, dass sie im Rahmen des Umstrukturierungsprozesses ihre Mitarbeiter zunächst vergütet habe wie zuvor; dies jedoch nur befristet bis zu dem Abschluss der neuen Tarifwerke. Nichts anderes habe sich auch aus ihren Aushängen zum Stand der Verhandlungen mit der IG BCE ergeben. Die Mitteilung sei sodann noch einmal ergänzend zu den Aushängen und der Zusatzvereinbarung erfolgt. Die Anwendung der BETV-Vorgaben ergebe sich ferner aus der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag von 1981, die ausdrücklich eine Gleichstellung des Klägers herbeiführe. Auch die weiteren Formulierungen in diesem Schreiben bezögen sich nur auf einen vorübergehenden und nicht auf einen dauerhaften Einsatz. Bereits die Passage "vorübergehend zeitweise oder ständig" zeige, dass zu einem dauerhaften Einsatz nichts habe geregelt werden sollen. Das Wort "vorübergehend" beziehe sich sowohl auf "zeitweise" als auch auf "ständig". Bewusst sei kein Komma zwischen "vorübergehend" und den folgenden Worten "zeitweise oder ständig" gesetzt worden. "Vorübergehend" betone in diesem Zusammenhang, dass sie gerade keine Aussage für die Zukunft oder zu dauerhaften Einsätzen habe treffen wollen. Dies decke sich auch mit dem Sinn und Zweck des Schreibens. Aufgrund der Ungewissheit in der Planung und aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation hätte sie zu keinem Zeitpunkt eine Aussage zur künftig unveränderlichen Eingruppierung der betroffenen Mitarbeiter getroffen.

48

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Sitzung vom 29. September 2017 (Bl. 353 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

49

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

B.

50

Die Berufung des Klägers ist ebenfalls begründet.

I.

51

Wie das Arbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, ist die Klage insbesondere nicht wegen entgegenstehender materieller Rechtskraft (§ 322 Abs. 1 ZPO) unzulässig. Im vorliegenden Rechtsstreit wird nicht derselbe Streitgegenstand erneut zur Entscheidung gestellt, der Gegenstand der Entscheidungen im Rechtsstreit vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz mit dem Az. 7 Sa 34/15 bzw. dem Arbeitsgericht Koblenz mit dem Az. 12 Ca 2458/14 war. Die rechtskräftige Klageabweisung in dem Vorprozess steht der neuen Klage mit einem anderen Streitgegenstand nach Auffassung der Kammer nicht entgegen.

52

Anknüpfungspunkt für die objektiven Grenzen der Rechtskraft ist ausschließlich der Streitgegenstand, über den im Erstprozess tatsächlich entschieden wurde. Wird dieser in einem neuen Verfahren als Vor- oder Hauptfrage erneut zur Entscheidung gestellt, so hindert die Rechtskraft das Gericht an einer abweichenden Beurteilung bzw. macht den Prozess unzulässig (ne bis in idem; BGH, Urteil vom 24. Januar 2008 - VII ZR 46/07 - NJW-RR 2008, 762 Rz. 13; Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl. 2016, Vorbem. zu § 322 Rn. 35, jeweils m. w. N.). Unzulässig ist deshalb eine erneute Klage, deren Streitgegenstand mit dem eines rechtskräftig entschiedenen Rechtsstreits identisch ist.

53

Der Streitgegenstand der vorliegenden Klage ist mit dem des Vorprozesses nicht identisch.

54

Nach dem für das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren geltenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens durch den dort gestellten Antrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch ge-nommene Rechtsfolge konkretisiert, (Klageantrag) und den ihm zu Grunde liegenden Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet, (Klagegrund) bestimmt (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 1993 - VIII ZR 103/92 - NJW 1993, 2684, 2685). Der Streitgegenstand erfasst alle Tatsachen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht unterbreitet hat (BAG, Urteil vom 26. Juni 2013 - 5 AZR 428/12 - NZA 2013, 1262, 1264 Rn. 16; vom 13. Dezember 2011 - 1 AZR 508/10 - NZA 2012, 876, 877 Rz. 21, jeweils m. w. N.). Ob die einzelnen Tatsachen dieses Lebenssachverhalts von den Parteien vorgetragen worden sind oder nicht und ob die Parteien die im Vorprozess nicht vorgetragenen Tatsachen des Lebensvorgangs damals bereits kannten oder hätten vortragen können, ist nicht erheblich. Infolgedessen gehört zur Rechtskraftwirkung nicht nur die Präklusion der im Vorprozess vorgetragenen Tatsachen, sondern auch die der nicht vorgetragenen Tatsachen, sofern diese nicht erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Prozess entstanden sind, sondern bei natürlicher Anschauung zu dem im Vorprozess vorgetragenen Lebenssachverhalt gehören (BGH, Urteil vom 24. Januar 2008 - VII ZR 46/07 - NJW-RR 2008, 762 Rz. 15, jeweils m. w. N.). Der zugrundeliegende Lebenssachverhalt ist nicht identisch mit dem Tatbestand des Urteils (§ 313 Abs. 1 Nr. 5 ZPO). Dieser muss nämlich einerseits nicht alles vorprozessuale Geschehen enthalten, das zum Sachverhalt gehört, während er andererseits die Anträge und Prozessgeschichte wiedergibt, die nicht zum Sachverhalt gehören (Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, Einl. II Rn. 27).

55

Ein klageabweisendes Urteil nach einer Leistungs- oder positiven Feststellungsklage stellt fest, dass die streitige Rechtsfolge unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt aus diesem Lebenssachverhalt hergeleitet werden kann, mag auch das Gericht die rechtlichen Gesichtspunkte nicht vollzählig geprüft haben. Zu einer Einschränkung der Rechtskraft kann es aber ausnahmsweise dann kommen, wenn das Gericht in der klageabweisenden Entscheidung ausdrücklich sagt, dass es einen oder mehrere rechtliche Gesichtspunkte nicht geprüft hat, etwa weil der Kläger verlangt hatte, die streitgegenständliche Rechtsfolge nur unter ganz bestimmten Gesichtspunkten zu prüfen oder sie unter bestimmten Gesichtspunkten nicht zu prüfen. Stets ist es aber erforderlich, dass das Gericht einen rechtlichen Gesichtspunkt bewusst ausgespart hat (Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl. 2016, Vorbem. zu § 322 Rn. 42). Ein solches Aussparen kann sich auch ohne ausdrücklichen Vorbehalt im Einzelfall im Wege der Auslegung des Urteils ergeben.

56

Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren formal keinen identischen, sondern einen anderen Klageantrag gestellt als im vorangegangenen Rechtsstreit. Dem neuen Klageantrag liegt außerdem nicht nur der bisherige, sondern ein erweiterter und damit anderer Lebenssachverhalt zugrunde.

57

Im vorangegangenen Rechtsstreit mit dem Az. 7 Sa 34/15 (LAG Rheinland-Pfalz) bzw. 12 Ca 2458/14 (ArbG Koblenz) hat der Kläger zuletzt unter anderem beantragt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn auch über den 1. Juni 2014 hinaus nach Entgeltgruppe E 05 des jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrags für die chemische Industrie, zuletzt des BETV in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag zu vergüten. Demgegenüber beantragt er im vorliegenden Rechtsstreit zuletzt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn auch über den 1. Juni 2014 hinaus nach der Entgeltgruppe E 06 des FVTV in Verbindung mit dem Ü-TV sowie der BV zu vergüten.

58

Diese zuletzt beantragte Feststellung, dass er auch über den 1. Juni 2014 hinaus nach Entgeltgruppe E 06 des FVTV in Verbindung mit dem Ü-TV zu vergüten sei, ist auch nicht lediglich ein "Weniger" zu den im vorangegangenen Verfahren abgewiesenen Anträgen. Der Kläger hat auch nicht nur ohne Veränderung des Streitgegenstands eine wechselnde Anspruchsbegründung vorgenommen. Im Vorprozess hat der Kläger lediglich seine Eingruppierung in Entgeltgruppe E 05 nach dem BETV verlangt und die Anwendbarkeit des FVTV, des Ü-TV und der BV gänzlich in Abrede gestellt. Die Feststellung seiner Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 06 nach dem FVTV in Verbindung mit dem Ü-TV sowie der BV hat er bereits formal nicht einmal hilfsweise beantragt.

59

Der FVTV regelt auch nicht nur eine Entgeltabsenkung (§ 4 FVTV), sondern enthält in seinem § 3 weiter die Regelung, dass sich die für die Beklagte, Standort C-Stadt und das Lager in W.-Stadt jetzt und zukünftig geltende Zuweisung der Tätigkeiten auf die im BETV definierten Entgeltgruppen aus der BV ergibt. Die Eingruppierung richtet sich damit nach einem abweichenden Tarifsystem und ist nicht nur an den Vorgaben des BETV zu messen, sondern auch an denjenigen des FVTV (vgl. nur LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. April 2016 - 7 Sa 281/15 - BeckRS 2016, 69976 Rz. 43). Die Tarifsituation hat sich geändert, so dass die materielle Rechtskraft des Urteils im Vorprozess einer neuen und gegebenenfalls anderslautenden gerichtlichen Entscheidung darüber nicht entgegensteht, ob die Tätigkeit des Klägers der Entgeltgruppe E 06 des FVTV in Verbindung mit dem Ü-TV und der BV entspricht (vgl. zur Reichweite der materiellen Rechtskraft BAG, Urteil vom 18. Mai 1977 - 4 AZR 18/76 - AP BAT §§ 22, 23 Nr. 97). Zwar verbleibt es bei den im BETV definierten Entgeltgruppen. Gemäß § 3 FVTV soll sich aus der BV jedoch die "jetzt und zukünftig geltende Zuweisung der Tätigkeiten" auf diese Entgeltgruppen ergeben. Im Zuge dessen haben Arbeitgeber und Betriebsrat sich auch auf genauer definierte Stellenbeschreibungen, die darauf aufbauende Eingruppierungsrichtlinie und eine Überleitung der jetzigen Entgelte auf die neue Struktur (Präambel der BV) geeinigt.

60

Außerdem hat das Landesarbeitsgericht im vorangehenden Verfahren ausdrücklich klargestellt, dass es die Frage der zutreffenden Eingruppierung nicht geprüft hat: "Darauf ob der Kläger von der Beklagten zutreffend eingruppiert worden ist, kommt es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits damit nicht mehr an" (S. 40 in 7 Sa 34/15 vom 10. Juni 2015).

61

Eine entsprechende Klarstellung findet sich im erstinstanzlichen Urteil im Vorgängerverfahren: "Die Klägerseite kann nicht die Feststellung verlangen, nach der Entgeltgruppe E 05 des Entgelttarifvertrages für die chemische Industrie Vergütung zu erhalten. Sie hat bereits keinen Anspruch auf die tarifvertragliche Vergütung einschließlich der Entgelterhöhung von 3,7 %, da ein derartiger Vergütungsanspruch durch die Tarifabsenkung gemäß § 4 Abs. 1 des FVTV in Verbindung mit § 2 Abs. 3 Ü-TV in Höhe von 9 % rückwirkend zum 01.02.2014 gekürzt wurde. Insoweit finden die Bundestarifverträge und die Bezirksentgelttarifverträge gerade keine uneingeschränkte Anwendung, sondern kommen gemäß § 2 FVTV nur insoweit zur Anwendung, wie in den Bestimmungen des FVTV hiervon nicht abgewichen wird. Da der mit dem Klageantrag zu 1 verfolgte Anspruch bereits aus diesem Grund unschlüssig ist, kommt es auf die weitere Frage der richtigen Eingruppierung nicht mehr an." (S. 14 in 12 Ca 2458/14 vom 9. Dezember 2014).

II.

62

Die Klage ist auch begründet. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger aufgrund einer individualvertraglichen Vereinbarung im Formular "Personal-Veränderung" vom 8. November 1999 oder aufgrund des § 14 MTV Chemie Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe E 06 hat. Jedenfalls steht ihm nach Auffassung der Kammer aufgrund einer einzelvertraglichen Zusicherung im Schreiben der Beklagten vom 17. Dezember 2013 ein Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe E 06 auch über den 1. Juni 2014 hinaus zu.

63

Nach den auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren kollektivrechtlichen Regelungen ist die Tätigkeit des Klägers als "Maschinenbediener", die der Kläger seit dem 1. Januar 2014 ausübt, zutreffend nach Entgeltgruppe E 04 eingruppiert. Haben die Arbeitsvertragsparteien jedoch eine für den Arbeitnehmer günstigere eigenständige Entgeltregelung über die maßgebende Entgeltgruppe getroffen, ist diese Entgeltregelung insoweit vorrangig (§ 4 Abs. 3 TVG; vgl. BAG, Urteil vom 21. August 2013 – 4 AZR 656/11 – NZA 2014, 561, 564 Rz. 31).

64

Mit Schreiben der Beklagten vom 17. Dezember 2013 hat die Beklagte sich nach Auffassung der Kammer verpflichtet, an den Kläger unabhängig von dessen konkreter Tätigkeit und der sich hieraus ergebenden Eingruppierung beginnend mit dem 1. Januar 2014 weiterhin Vergütung entsprechend seiner bisherigen Tätigkeit, das heißt entsprechend der Tätigkeit als Einrichter, zu zahlen. Aufgrund der Tätigkeit als Maschinenbediener soll er keine niedrigere Vergütung erhalten als bislang als Einrichter. Die Tätigkeit als "Einrichter/in" ist nach der Anlage 2 zur ab dem 1. Juni 2014 gültigen BV nach Entgeltgruppe E 06 eingruppiert, so dass der Kläger weiterhin Anspruch auf die eingeklagte bisherige Vergütung entsprechend der Entgeltgruppe E 06 hat. Das ergibt die Auslegung des Schreibens der Beklagten vom 17. Dezember 2013.

65

Nach §§ 133, 157 BGB sind Willenserklärungen und Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist. Zur Ermittlung des wirk-lichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Er-klärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und zu einem den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt. Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinn verstanden, so geht der wirkliche Wille dem Wortlaut des Vertrags und jeder anderweitigen Interpretation vor und setzt sich auch gegenüber einem völlig eindeutigen Vertragswortlaut durch (BAG, Urteil vom 14. Dezember 2016 - 7 AZR 717/14 - juris Rz. 17; vom 22. Juli 2014 - 9 AZR 1066/12 - NZA 2014, 1330, 1331 Rz. 13 m. w. N.).

66

Im Schreiben vom 17. Dezember 2013 hat die Beklagte erklärt: "Hieraus werden Ihnen keine finanziellen Nachteile entstehen". "Hieraus" bezieht sich grammatikalisch auf den vorangegangenen ersten Satz des dritten Absatzes, der lautet: "Wir beziehen uns hierbei auf die Regelung in § 11 Ziffer b) der Arbeitsordnung, wonach Sie, wenn betriebliche Belange es erfordern, auch mit anderen zumutbaren Tätigkeiten betraut werden können, als die, für die Sie eingestellt oder mit denen Sie längere Zeit beschäftigt wurden." Um das Betrauen mit welcher konkreten Tätigkeit es geht, ergibt sich aus dem ersten Absatz des Schreibens, der lautet: "ab dem 01.01.2014 werden Sie vorübergebend zeitweise oder ständig, unabhängig von der mit Ihnen arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit, als Maschinenbediener eingesetzt". Dem Kläger sollten also keine finanziellen Nachteile daraus entstehen, dass er nicht mehr - wie bis einschließlich Dezember 2013 - als Einrichter, sondern (vorübergehend zeitweise oder ständig) als Maschinenbediener eingesetzt wurde. Dementsprechend hat die Beklagte dem Kläger auch über den 1. Januar 2014 hinaus weiter das bisherige Entgelt gezahlt.

67

Auch die Beklagte geht davon aus, dass es sich um eine Garantie für die Vergütung handelt, die sich auf die konkret beschriebene vorübergehende Einsatzänderung bezieht. Diese Auslegung entspricht ebenfalls dem Interesse der Parteien. Während der Kläger daran interessiert war, auch bei einer Veränderung seiner Tätigkeit weiterhin Vergütung nach der bisherigen Entgeltgruppe zu erhalten, ging das Interesse der Beklagten im Dezember 2013 zunächst dahin, den Kläger mit einer veränderten, niedriger als bislang eingruppierten Tätigkeit tatsächlich zu beschäftigen, ohne mit dem Kläger darüber streiten zu müssen, ob die Zuweisung dieser Tätigkeit durch Ausübung ihres Direktionsrechts möglich ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten bedurfte es nicht der konkreten Angabe einer Entgeltgruppe im Schreiben vom 17. Dezember 2013, da die bisherigen Bezüge des Klägers zweifelfrei ermittelt werden können und zwischen den Parteien nicht im Streit standen.

68

Die Beklagte hat ihre Zusicherung im Schreiben vom 17. Dezember 2013 nicht zeitlich bis zum Abschluss der Verhandlungen über den FVTV, den Ü-TV und die BV begrenzt. Der Wortlaut des Schreibens vom 17. Dezember 2013 enthält keinen Hinweis auf eine solche zeitliche Begrenzung. Sie ist dem Wortlaut nach insbesondere nicht ausdrücklich begrenzt auf die Zeitspanne bis zum Abschluss der Verhandlungen über einen firmenbezogenen Verbandstarifvertrag. Zwar spricht das Schreiben von einem vorübergehenden zeitweisen oder ständigen Einsatz als Maschinenbediener, die Beklagte hat jedoch nicht behauptet, ihr Direktionsrecht zwischenzeitlich erneut wirksam ausgeübt und damit den aus ihrer Sicht vorübergehenden Zustand beendet und durch eine dauerhafte Tätigkeitszuweisung ersetzt zu haben. Auch eine einvernehmliche Einigung der Parteien über eine dauerhafte Übertragung der Tätigkeit als Maschinenbediener mit entsprechender Vergütung ist nicht zustande gekommen, da der Kläger die von der Beklagten Ende Mai 2014 angebotene Vertragsergänzung nicht angenommen hat.

69

Der Kläger konnte auch nicht aus den Umständen entnehmen, dass ihm nur in der Zeit bis zum Abschluss des FVTV, des Ü-TV und der BV durch die Zuweisung der Tätigkeit als Maschinenbediener keine finanziellen Nachteile entstehen sollten. Das ergibt sich nach Auffassung der Kammer bereits daraus, dass durch den FVTV, den Ü-TV und durch die BV die dauerhafte Zuweisung einer anderen - nach einer niedrigeren Entgeltgruppe vergüteten - Tätigkeit nicht geregelt werden sollte und geregelt wurde. Verhandelt und abgeschlossen wurden gerade kein Interessenausgleich und Sozialplan über eine Betriebsänderung (§ 111 f. BetrVG), etwa wegen einer Einschränkung und Stilllegung von wesentlichen Betriebsteilen. FVTV, Ü-TV und BV enthalten keine Regelungen betreffend den Wegfall von Arbeitsplätzen, sondern vielmehr Regelungen zur Absenkung des Entgelts und zur Eingruppierung und Überleitungsvorschriften. So sollen durch den FVTV die Regelungen der Bundestarifverträge, die zwischen dem Bundesarbeitgeberverband (BAVC) und der IG BCE abgeschlossen wurden, für die Beklagte angepasst werden (Abs. 3 der Präambel des FVTV). Diese Anpassung ist zum einen durch die Zuweisung der Tätigkeiten auf die im BETV definierten Entgeltgruppen (§ 3 FVTV) und zum anderen durch die Anwendung eines um 9 % abgesenkten Tarifs (§ 4 Abs. 1 FVTV) erfolgt. Ziel der BV ist die Zuweisung der verschiedenen, an den Standorten abgeforderten Arbeitsaufgaben auf die im BETV definierten Entgeltgruppen (Abs. 2 der Präambel der BV).

70

Die Beklagte kann auch nicht unter Berufung auf das Urteil des BGH vom 7. Juli 1993, Az. VIII ZR 103/92, NJW 1993, 2684 erfolgreich einwenden, dass der Kläger die im vorliegenden Rechtsstreit vorgetragenen Tatsachen zum Vorliegen einer Individualabrede bereits im vorangegangenen Verfahren hätte geltend machen müssen und daher damit auch im vorliegenden Rechtsstreit ausgeschlossen wäre.

71

Die tatsächlichen Feststellungen in einem Urteil erwachsen für sich nicht in Rechtskraft. Andererseits darf die Rechtskraft der Entscheidung über den erhobenen Anspruch nicht mit dem Vorbringen ausgehöhlt werden, das rechtskräftige Urteil gründe sich auf unrichtige tatsächliche Feststellungen. Zu den Rechtskraftwirkungen gehört aus diesem Grund die Präklusion nicht nur der im ersten Prozess vorgetragenen Tatsachen, die zu einer Abweichung von der rechtskräftig festgestellten Rechtsfolge führen sollen, sondern auch der nicht vorgetragenen Tatsachen, sofern sie nicht erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Prozess entstanden sind. Ausgeschlossen sind danach also Tatsachen, die bei einer natürlichen vom Standpunkt der Parteien ausgehenden Betrachtung zu dem durch ihren Sachvortrag zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehört hätten (BGH, Urteil vom 7. Juli 1993 - VIII ZR 103/92 - NJW 1993, 2684, 2685).

72

Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Der vorliegende Fall ist dem vom BGH entschiedenen Fall der rechtskräftigen Feststellung eines Abrechnungsergebnisses im Vorprozess nicht vergleichbar. Wie dargelegt war die Frage, in welche Vergütungsgruppe der Kläger einzugruppieren ist und ob ihm die Vergütung nach einer für ihn günstigeren Vergütungsgruppe von der Beklagten individualvertraglich zugesagt worden ist, gerade nicht Gegenstand der rechtskräftigen Entscheidung im Vorprozess.

73

Die Berufung des Klägers hatte daher Erfolg.

C.

74

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Betriebsverfassungsgesetz


§ 21a idF d. Art. 1 Nr. 51 G v. 23.7.2001 I 1852 dient der Umsetzung des Artikels 6 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Tarifvertragsgesetz - TVG | § 4 Wirkung der Rechtsnormen


(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 322 Materielle Rechtskraft


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 313 Form und Inhalt des Urteils


(1) Das Urteil enthält:1.die Bezeichnung der Parteien, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Prozessbevollmächtigten;2.die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Richter, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben;3.den Tag, an dem die mündliche Ve

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Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Az.:12 Ca 2458/14 - vom 9. Dezember 2014 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Entlohnung des Klägers nach dem aus seiner Sicht jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrag für die chemische Industrie einschließlich der entsprechenden Eingruppierung nach der Entgeltgruppe 05 sowie über Vergütungsrückstände.

2

Die Beklagte ist auf dem Gebiet der Verarbeitung und Entwicklung hochwertiger flexibler Packstoffe tätig und führender Erzeuger von Verpackungen für Lebensmittel und Hersteller von Folien. Sie beschäftigt am Standort C-Stadt circa 250 Mitarbeiter. Im dortigen Betrieb existiert ein Betriebsrat.

3

Der 1960 geborene, verheiratete Kläger ist gemäß Arbeitsvertrag vom 13. Januar 1981 seit dem 2. Februar 1981 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern als Maschinenbediener beschäftigt.

4

Er war seit dem 2. Februar 1981 Mitglied der IG Chemie-Papier-Keramik und seit 1997 Mitglied der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (im Folgenden: IG BCE). Diese Mitgliedschaft hat er im Juni 2014 gekündigt.

5

Der Arbeitsvertrag vom 13. Januar 1981 (Bl. 8 d. A.), welcher mit der Z. GmbH auf Arbeitgeberseite abgeschlossen wurde, enthält unter anderem folgende Regelungen:

6

"Maßgeblicher Tarifvertrag 1.7.80 Tarifgruppe II

7

Einstell-Lohn           

Tariflohn nach der z. Zt. gültigen Lohntafel

DM 10,10           

        

freiwillige übertarifliche Zulage nach Z.-Gruppe c-1

DM 0,03           

(…)     

                 

Mehrarbeit           

für jede angeordnete, die tarifliche Arbeitszeit überschreitende

        

Arbeitsstunde 25 %

        

(…)     

                 
        

Auf freiwillige übertarifliche Leistungen des Unternehmens besteht auch dann kein Rechtsanspruch, wenn sie wiederholt gewährt werden.

(…)     

                 

Probezeit           

6 Wochen mit beiderseitiger Kündigungsfrist von 3 Tagen.

8

Danach gelten die gesetzlichen und tariflichen Kündigungsfristen".

9

Es existierte ein MTV Chemie in der Fassung vom 1. Juli 1980, der auch entsprechende Tarifgruppen (Vorläufer der Entgeltgruppen) definierte.

10

Die damalige Arbeitgeberin Z. GmbH erwarb durch Beschluss des Vorstandes des Landesverbandes Chemische Industrie Rheinland-Pfalz e. V. rückwirkend zum 1. November 1977 die Mitgliedschaft im D. (damals Landesverband Chemische Industrie Rheinland-Pfalz e. V.). Mit Vertrag vom 23. August 1994 wurde die Z. GmbH auf die Y. GmbH verschmolzen. Letztere war durch Beschluss vom 14. Juni 1988 in den Landesverband Chemische Industrie Rheinland-Pfalz e. V. aufgenommen worden. Sodann wurde der Betrieb der Y. GmbH mit Vertrag vom 27. August 2001 auf die C. Y. GmbH & Co. KG ausgegliedert, die ihr Geschäft per Anwachsung an die C. X. GmbH & Co. KG, als Zweigniederlassung C. C-Stadt übertragen hat. Die neue Firmierung der Zweigniederlassung C. C-Stadt der C. X. GmbH & Co. KG wurde auf der Vorstandssitzung des Landesverbandes Chemische Industrie Rheinland-Pfalz zur Kenntnis genommen und damit die Fortführung der Mitgliedschaft unter neuem Namen gebilligt.

11

Der zuletzt erfolgte Betriebsübergang vollzog sich mit Wirkung zum 1. August 2012. Hierbei ging der Betrieb der C. C-Stadt, Zweigniederlassung der C. X. GmbH & Co. KG auf die Beklagte über. Zugleich wurde die C. C-Stadt, Zweigniederlassung, als Zweigniederlassung der C. X. GmbH & Co. KG aus dem Handelsregister gelöscht. Aus diesem Grund kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 31. August 2012 die Mitgliedschaft der C. C-Stadt, Zweigniederlassung und teilte dem Arbeitgeberverband Chemie Rheinland-Pfalz e. V. zugleich mit, dass es über ihre Verbandszugehörigkeit noch keine Entscheidung gebe.

12

Der "Bundesentgelttarifvertrag für die chemische Industrie West" vom 18. Juli 1987 in der Fassung vom 30. September 2004 (im Folgenden: BETV) enthält u.a. folgende Regelungen:

13

§ 1 Räumlicher, persönlicher und fachlicher Geltungsbereich

14

Der Tarifvertrag gilt für den räumlichen, persönlichen und fachlichen Geltungsbereich des Manteltarifvertrages für die chemische Industrie, jedoch nicht für Auszubildende.

15

§ 2 Öffnungsklausel

16

Arbeitgeber und Betriebsrat können unter Berücksichtigung der tariflichen Mindestbestimmungen ergänzend zu diesem Tarifvertrag Betriebsvereinbarungen unter Beachtung des § 76 Absatz 6 BetrVG abschließen. Bis zum In-Kraft-Treten dieses Tarifvertrages abgeschlossene andere tarifliche Bestimmungen ergänzende Betriebsvereinbarungen gelten unabhängig von dieser Öffnungsklausel weiter und können unter Beachtung des § 76 Absatz 6 BetrVG geändert werden.

17

§ 3 Allgemeine Entgeltbestimmungen

18

1. Der Bundesentgelttarifvertrag ist in Verbindung mit dem jeweils geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag Grundlage der Entgeltfestsetzung.

19

2. Die Arbeitnehmer werden entsprechend der von ihnen ausgeübten Tätigkeit in die Entgeltgruppe eingruppiert. Für die Eingruppierung in eine Entgeltgruppe ist nicht die berufliche Bezeichnung, sondern allein die Tätigkeit des Arbeitnehmers maßgebend. Die Eingruppierung richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Oberbegriffe; hierzu sind als Erläuterung die bei den Entgeltgruppen aufgeführten Richtbeispiele heranzuziehen. Passen die Oberbegriffe nicht auf eine ausgeübte Tätigkeit, so ist ein Arbeitnehmer in diejenige Entgeltgruppe einzugruppieren, die seiner Tätigkeit am nächsten kommt.

20

3. Ein- und Umgruppierungen erfolgen unter Beachtung des Mitbe-stimmungsrechts des Betriebsrates nach den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes.

21

§ 8 Aufbau der Entgeltsätze

22

[….]
5. Die sich aus den Ziffern 1 bis 3 ergebenden Relationen zwischen den einzelnen Tarifentgeltsätzen gelten für die Laufzeit dieses Tarifvertrages. Für Änderungen der Entgeltstruktur sind die Parteien des Bundesentgelttarifvertrages zuständig. [...]

23

§ 10 Tariföffnungsklausel

24

Zur Sicherung der Beschäftigung und/oder zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland, insbesondere auch bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten, können Arbeitgeber und Betriebsrat mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien für Unternehmen und Betriebe durch befristete Betriebsvereinbarung bis zu 10 % von den bezirklichen Tarifentgeltsätzen abweichende niedrigere Entgeltsätze unter Beachtung des § 76 Absatz 6 BetrVG vereinbaren. Diese mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien betrieblich abweichend festgelegten Entgeltsätze gelten als Tarifentgeltsätze. Sie verändern sich – soweit die Betriebsvereinbarung nichts anderes regelt – bei einer Veränderung der in den bezirklichen Entgelttarifverträgen geregelten Tarifentgelte um den gleichen Prozentsatz wie diese.

25

Durch diese Regelung wird der Entgeltaufbau nicht verändert. […]

26

Beschäftigungssichernd und wettbewerbsverbessernd sind unter anderem beschäftigungserhaltende und beschäftigungsfördernde Investitionen am Standort, die Vermeidung von Entlassungen, die Vermeidung der Verlagerung von Produktion, sonstiger Aktivitäten oder Investitionen ins Ausland oder die Vermeidung von Ausgliederungen. Die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit umfasst auch ihre Wiederherstellung oder Erhaltung sowie sonstige existenzsichernde Maßnahmen für das Unternehmen oder den Betrieb.
[…]

27

Die Anwendung dieser Tariföffnungsklausel schließt eine Kombination mit anderen tariflichen Öffnungsklauseln nicht aus.“

28

Protokollnotizen

29

[…] 6. Hintergrund für die Einführung der Tariföffnungsklausel war der Vorschlag der Arbeitgeber zur Schaffung einer tariflichen Spartenlösung für die Chemiefaser-, kunststoffverarbeitende und kautschukverarbeitende Industrie. Die Tarifvertragsparteien gehen gemeinsam davon aus, dass deshalb insbesondere in den Unternehmen dieser Sparten die Anwendung des § 10 geprüft wird. Die Tarifvertragsparteien werden in den vorgenannten Fällen bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Betriebsparteien vermittelnd einwirken."

30

Die Vorbemerkung des zwischen dem BAVC und der IG BCE geschlossenen "Manteltarifvertrages für die chemische Industrie" vom 24. Juni 1992 in der Fassung vom 16. April 2008 (im Folgendem: MTV) lautet wie folgt:

31

"Die Anmerkungen und Protokollnotizen sind von den Tarifvertragsparteien vereinbart und gelten als Bestandteil dieses Tarifvertrages1)."

32

Die Fußnote 1) hierzu lautet:

33

Arbeitgeber und Betriebsrat können unter Berücksichtigung der tariflichen Mindestbestimmungen ergänzend zu diesem Manteltarifvertrag Betriebsvereinbarungen im Sinne des § 77 Abs. 3 BetrVG unter Beachtung des § 76 Abs. 6 BetrVG abschließen. Das gilt nicht für die §§ 1, 4, 5, 7, 8, 10, 17 und 18 dieses Tarifvertrages. […]

34

Zur Sicherung der Beschäftigung oder zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber tarifkonkurrierenden Bereichen können Arbeitgeber und Betriebsrat mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien für Unternehmen, Betriebe und Betriebsabteilungen durch befristete Betriebsvereinbarung von den bezirklichen Tarifentgeltsätzen abweichende niedrigere Entgeltsätze unter Beachtung des § 76 Abs. 6 BetrVG vereinbaren. In der Betriebsvereinbarung kann geregelt werden, dass sie nach Ablauf unbefristet weiter gilt. Tarifkonkurrierend sind solche Tarifverträge, die sich mit dem fachlichen Geltungsbereich des Manteltarifvertrages der chemischen Industrie überschneiden oder unter deren Geltungsbereich das Unternehmen, der Betrieb oder die Betriebsabteilung bei einer Ausgliederung oder Umstrukturierung fallen würde.

35

Zwischen den Tarifvertragsparteien besteht Einvernehmen darüber, dass zur Sicherung der Beschäftigung oder Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit im Einzelfall abweichende tarifliche Regelungen auch in firmenbezogenen Tarifverträgen zwischen dem BAVC und der IG BCE vereinbart werden können. Soweit die tarifliche Regelung auch die bezirklichen Tarifentgeltsätze verändert, sind die firmenbezogenen Verbandstarifverträge von den regional zuständigen Arbeitgeberverbänden mit abzuschließen.“

36

Im Jahr 2013 führte die Beklagte Verhandlungen mit der IG BCE zu den künftigen tariflichen Regelungen. Die IG BCE informierte die Mitarbeiter der Beklagten durch öffentliche Aushänge der Tarifkommission der IG BCE vom 2. Juli 2013 und vom 21. August 2013 über die geplanten Einschnitte im Bereich der Personalkosten durch eine Tarifvertragslösung. Mit gemeinsamem Aushang der Geschäftsleitung der Beklagten und der Tarifkommission der IG BCE C. vom 20. Januar 2014 im Betrieb der Beklagten wurden konkrete Eckpunkte (Eingruppierungsrichtlinien, Entgeltabsenkung, Überleitungsvereinbarung) als Verhandlungsergebnis vorgestellt. Dort heißt es unter anderem: „Diese Anpassung soll insbesondere über eine Anrechnung der zukünftigen Tariferhöhungen geschehen.“

37

Am 5. Februar 2014 einigten sich die Tarifparteien des Bundesarbeitgeberverbandes Chemie e.V. und der IG BCE auf eine Erhöhung der Entgelte um 3,7 %. Die Tariflohnerhöhung für den Tarifbezirk Rheinland-Pfalz sollte rückwirkend zum 1. Februar 2014 erfolgen. Unter dem 12. Mai 2014 schlossen der Bundesarbeitgeberverband Chemie e.V. und der Arbeitgeberverband Chemie Rheinland-Pfalz e. V. einerseits und die IG BCE und die IG BCE, Landesbezirk Rheinland-Pfalz/Saarland, andererseits rückwirkend ab dem 15. Dezember 2013 einen "firmenbezogenen Verbandstarifvertrag für die C. gemäß Fußnote 1 Abs. 3 zum Manteltarifvertrag vom 24. Juni 1992 i.d.F. vom 16. April 2008 (im Folgenden: FVTV) für die Beklagte, der bis zum 31. Dezember 2018 Geltung haben soll. Dieser sieht unter anderem vor, dass für die Beschäftigen der Beklagten ein um 9 % abgesenkter Tarifvertrag zur Anwendung kommt (vgl. § 4 Abs. 1). Zudem soll sich die Zuweisung der Tätigkeiten auf die im Bundesentgelttarifvertrag definierten Entgeltgruppen aus der Betriebsvereinbarung über eine Eingruppierungsrichtlinie und die Überleitung auf die neue Entgeltstruktur vom 12. Mai 2014 zwischen dem Betriebsrat und der Beklagten ergeben (§ 3).

38

In dem FVTV ist unter anderem Folgendes geregelt:

39

Präambel

40

Bei der C. handelt es sich um eine Tochter des C. Konzerns mit Sitz in W.-Stadt, Finnland.

41

Am Standort in C-Stadt werden Kunststoffprodukte zur Verpackung, Transport oder Präsentation von Lebensmitteln hergestellt und mit ähnlichen Produkten aus Schwesterwerken in Deutschland und der EU gehandelt.

42

Auf Grund der derzeitigen Wettbewerbssituation in diesem Marktsegment und der Notwendigkeit, eine langfristige Planung und damit Anreize für Investitionen seitens des Konzerns zu ermöglichen besteht die Notwendigkeit, die Regelungen der Bundestarifverträge, die zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) und der IG BCE abgeschlossen wurden für die C. anzupassen.

43

Dieser firmenbezogenes Verbandstarifvertrag dient damit der Sicherung der Beschäftigung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit.

44

§ 1 Geltungsbereich

45

Dieser Tarifvertrag gilt räumlich für die C., Standort C-Stadt und das Lager in V.-Stadt und persönlich für alle an diesen Standorten tariflich beschäftigten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

46

§ 2 Bundestarifverträge und Bezirksentgelttarifverträge

47

(1) Die zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie vereinbarten Bundestarifverträge einschließlich der Schlichtungsregelungen finden in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung, soweit nicht in den nachfolgenden Bestimmungen von diesen Tarifverträgen abgewichen wird. […]

48

(2) Die zwischen dem AGV Chemie Rheinland-Pfalz e. V. und der Indus-triegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie abgeschlossenen Bezirksentgelttarifverträge finden nur insoweit Anwendung, wie in den nachfolgenden Bestimmungen von diesen Tarifverträgen nicht abgewichen wird.

49

§ 3 Eingruppierung

50

Die für die C., Standort C-Stadt und das Lager in V.-Stadt jetzt und zukünftig geltende Zuweisung der Tätigkeiten auf die im Bundesentgelttarifvertrag (BETV) definierten Entgeltgruppen ergibt sich aus der Betriebsvereinbarung über eine Eingruppierungsrichtlinie und die Überleitung auf die neue Entgeltstruktur vom 12.05.2014 zwischen dem Betriebsrat und der C., Standort C-Stadt.

51

§ 4 Entgelthöhe

52

(1) Es wird vereinbart, dass für die Beschäftigten im Sinne des § 1 dieses firmenbezogenen Verbandstarifvertrages ein um 9 % abgesenkter Tarif zur Anwendung kommt.

53

(2) Ausgehend von diesem abgesenkten Tarif werden zukünftige, zwischen dem BAVC und der IG BCE vereinbarte Tariferhöhungen ohne Anrechnung sonstiger tariflicher Entgeltbestandteile berechnet und weitergegeben.

54

(3) Zur Regelung der Überleitung der jetzigen Entgelte auf die abgesenkten Entgelte wird ein zusätzlicher Überleitungstarifvertrag abgeschlossen.“

55

[…]

56

§ 6 Beginn und Laufzeit

57

Dieser Tarifvertrag gilt rückwirkend ab dem 15.12.2013 bis zum 31.12.2018 und kann mit einer Frist von drei Monaten zum Jahresende gekündigt werden."

58

An demselben Tag schlossen die Beklagte und die IG BCE zur weiteren Ergänzung einen "Überleitungstarifvertrag" (im Folgenden: Ü-TV) mit Wirkung zum 15. Dezember 2013. Dort heißt es auszugsweise:

59

Präambel

60

Auf Grund der derzeitigen Wettbewerbssituation und der Notwendigkeit, eine langfristige Planung und damit Anreize für Investitionen seitens des Konzerns zu ermöglichen sind die Regelungen der Bundestarifverträge, die zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) abgeschlossen wurden, für die C., Standort C-Stadt und das Lager in V.-Stadt mit Wirkung des firmenbezogenen Verbandstarifvertrages zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. und dem Arbeitgeberverband Chemie Rheinland-Pfalz e. V. sowie der IG BCE vom 12.05.2014 angepasst worden.

61

Diese Anpassung erfordert eine ergänzende Regelung, die den Übergang der individuellen Auswirkungen auf die Bedingungen des firmenbezogenen Verbandstarifvertrages regelt.

62

§ 1 Geltungsbereich

63

Dieser Tarifvertrag gilt räumlich für die C., Standort C-Stadt und das Lager in V.-Stadt und persönlich für alle an diesen Standorten tariflich beschäftigten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

64

§ 2 Überleitung der Entgelte

65

(1) Zur Überführung des bisherigen Entgeltes auf das neue Entgelt wird eine nicht tarifdynamisierte Besitzstandszulage gebildet.

66

(2) Die Besitzstandszulage setzt sich aus den Beträgen zusammen, die sich zum einen aus der neuen Entgeltgruppe gemäß § 3 des firmenbezogenen Verbandstarifvertrages vom 12.05.2014 i. V. m. der Betriebsvereinbarung über eine Eingruppierungsrichtlinie und die Überleitung auf die neue Entgeltstruktur vom 12.05.2014 („Abschmelzungsbetrag I“) ergibt und zum anderen aus der Absenkung des Entgelts nach § 4 des firmenbezogenen Verbandstarifvertrages vom 12.05.2014 („Abschmelzungsbetrag II“).

67

(3) Bei der Absenkung des Entgelts nach § 4 des firmenbezogenen Verbandstarifvertrages vom 12.05.2014 („Abschmelzungsbetrag II“) ist die ab dem 01.02.2014 vereinbarte Tarifsteigerung um 3,7 % bereits zu berücksichtigen, so dass aus zukünftigen Tarifsteigerungen maximal noch 5,3 % nicht zur Anwendung kommen. Bei künftigen Tariferhöhungen wird die Steigerung des Tarifentgelts gegen die Besitzstandszulage gerechnet.
[…]

68

§ 3 Beginn und Laufzeit

69

Dieser Tarifvertrag gilt rückwirkend ab dem 15.12.2013 und längstens bis die im Verbandstarifvertrag vereinbarte Entgeltabsenkung erreicht ist."

70

Zur Anpassung der Eingruppierung der Mitarbeiter der Beklagten schlossen die Beklagte und der Betriebsrat der Beklagten am 30. Juni 2014 mit Wirkung zum 12. Mai 2014 eine "Betriebsvereinbarung über eine Eingruppierungsrichtlinie und die Überleitung auf die neue Entgeltstruktur" (im Folgenden: BV) ab. In der Präambel heißt es unter anderem:

71

Präambel

72

Auf Grund verschiedener personeller und struktureller Veränderungen passen die im Werk C-Stadt der C. GmbH & Co. KG und im Lager V.-Stadt zurzeit geltenden individuellen Eingruppierungen und gezahlten Entgelte nicht in allen Fällen mit den im - zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. und der IG BCE abgeschlossenen - Bundesentgelttarifvertrag (BETV) für die chemische Industrie in der Fassung vom 30. September 2004 vereinbarten Beschreibungen und nachgelagerten Honorierungen der Entgeltgruppen zusammen.

73

Um die Zuweisung der verschiedenen, an den Standorten abgeforderten Arbeitsaufgaben inhaltlich und strukturell wieder klarer auf die im BETV definierten Entgeltgruppen zu beziehen einigen sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf die im Folgenden genauer definierten Stellenbeschreibungen, die darauf aufbauende Eingruppierungsrichtlinie und eine Überleitung der jetzigen Entgelte auf die neue Struktur.

74

[….]

75

§ 2 Stellenbeschreibungen

76

(1) Für alle vom Arbeitgeber zurzeit abgeforderten Tätigkeiten sind entsprechende Stellenbeschreibungen (Anlage 1) definiert worden.

77

(2) Diese Stellenbeschreibungen umfassen jeweils die einzelnen Tätigkeit, die geforderte Qualifikation und relevante Besonderheiten der einzelnen Tätigkeit. [….]

78

§ 3 Zuweisung der Entgeltgruppen des BETV

79

(1) Die beschriebenen Tätigkeiten (Stellen) werden den im zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. (BAVC) und der IG BCE vereinbarten Bundesentgelttarifvertrag in der Fassung vom 30. September 2004 (BETV) definierten Entgeltgruppen zugeordnet (Anlage 2).

80

(2) Diese Zuweisung gilt für alle derzeitigen und zukünftigen Eingruppierungen.

81

§ 7 Mitbestimmung der Betriebsräte

82

Für die auf Grundlage dieser Eingruppierungsrichtlinie zwischen den Betriebsparteien final verhandelten erstmalig individuell vorzunehmenden Umgruppierungen der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Anlage 4) in Verbindung mit der Umsetzung der §§ 4 und 5 dieser Betriebsvereinbarung gilt die Zustimmung i. S. d. § 99 Abs. 1 BetrVG als erteilt.

83

[…]

84

§ 9 Laufzeit und Kündigung

85

(1) Diese Betriebsvereinbarung gilt ab dem 12.05.2014 und längstens bis die stufenweise Anpassung der Entgeltveränderungen erreicht ist.
(2) […].“

86

Mit Schreiben vom 10. April 2014 teilte der Arbeitgeberverband Chemie Rheinland-Pfalz e. V. der Beklagten mit, dass diese entsprechend ihrem Antrag auf Mitgliedschaft vom 11. März 2014 rückwirkend zum 1. Januar 2014 neu im Kreise ihrer Mitgliedsunternehmen aufgenommen sei.

87

Die Beklagte informierte mit Schreiben vom 21. Mai 2014 "Überführung in den C.-Tarifvertrag" (Bl. 9 ff. d. A.) die Arbeitnehmer, darunter den Kläger, über die Geltung des neuen firmenbezogenen Tarifvertrages. Dem Schreiben waren je eine vorformulierte Vertragsergänzung zur Eingruppierung sowie zur Geltung des neuen firmenbezogenen Verbandstarifvertrages beigefügt.

88

Danach sollte der Kläger ab dem 1. Juni 2014 als Maschinenbediener unter Zugrundelegung der Entgeltgruppe 04 beschäftigt werden. Der Tätigkeit als Maschinenbediener liegt die Funktionsbeschreibung der Beklagten vom 7. Mai 2014 (Bl. 13 d. A.) zugrunde. Die Vertragsangebote unterschrieb der Kläger nicht.

89

Der Kläger erzielte bislang ein Tarifentgelt in Höhe von 3.039 € brutto entsprechend der Entgeltgruppe E 06. Die seit dem 1. Februar 2014 geltende Tariflohnerhöhung von 3,7 % zahlte die Beklagte bislang nicht aus. Im Zuge des Änderungsangebotes der Beklagten würde das Regel-Tarifentgelt - ohne Berücksichtigung der Besitzstandszulage - 2.364,00 € brutto betragen. Der firmenbezogene Tarifvertrag würde zu einer Reduzierung des Tarifentgelts um 9 % führen.

90

Der Kläger hat mit außergerichtlichem Schreiben vom 27. Mai 2014 (Bl. 14 f. d. A.) die Vergütung nach seiner bisherigen Entgeltgruppe verlangt und ferner Entgeltdifferenzen aufgrund der an ihn nicht weitergegebenen Tariflohnerhöhung mit Wirkung zum 1. Februar 2014 geltend gemacht. Seine Ansprüche verfolgte er mit seiner am 26. Juni 2014 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Klage weiter.

91

Er war der Ansicht,
seine Entgeltansprüche richteten sich nach den allgemeinen Tarifverträgen der chemischen Industrie und nicht nach dem FVTV und dem Ü-TV. Dies ergebe sich aus der Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel.

92

Trotz der statischen Formulierung und der Bezugnahme eines Tarifvertrages in einer bestimmten Fassung liege vorliegend eine kleine dynamische Bezugnahmeklausel auf den BETV vor. Die Parteien hätten die existierenden Vorschriften für die Branche der chemischen Industrie in Bezug genommen. Die Einbeziehung weiterer Normen, die lediglich im Bereich des Arbeitgebers gelten sollten, sei dieser Klausel hingegen nicht zu entnehmen. Die Formulierung „Tariflohn“ verdeutliche gerade, dass eine globale Sichtweise anzulegen sei. Es liege eine Bezugnahmeklausel vor, aus der sich für den Kläger nicht erkennbar ergebe, dass die für den Betrieb einschlägigen kollektivrechtlichen Rechtnormen für die im Arbeitsvertrag ausdrücklich genannte Branche insgesamt im Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung finden sollten. Die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB streite für ihn. Dabei verdränge der Bestandteil des Arbeitsvertrages gewordene und im Gesamtvergleich günstigere (Verbands-)Tarifvertrag den betreffenden Firmentarifvertrag. Das gelte selbst dann, wenn der Arbeitnehmer an den Haustarifvertrag als Gewerkschaftsmitglied gebunden sei; auch dann setze sich der Arbeitsvertrag mit der Bezugnahme zu einem günstigeren Flächentarifvertrag durch. Etwas anderes ergebe sich auch nicht etwa aus der Tariföffnungsklausel des § 10 BETV.

93

Der MTV habe keine Regelungen zu abweichenden Entgeltsätzen festlegen können, da insofern gerade ein eigener ETV existiere, der gerade entgeltliche Fragen für den im Übrigen identischen Anwendungsbereich des MTV normiere.

94

Der Kläger bestreitet, dass der FVTV und der Ü-TV wirksam zustande gekommen sind. Der FVTV sei weder von der Öffnungsklausel der Fußnote 1 des MTV noch von § 10 BETV gedeckt. Äußerst fraglich sei, ob die erforderliche ausdrückliche Normierung einer Tariföffnungsklausel im Tarifvertrag einer Fußnote bzw. Vormerkung entnommen werden könne. Er bestreitet, dass der FVTV zum Zweck der Sicherung der Beschäftigung oder zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, noch dazu gegenüber tarifkonkurrierenden Bereichen, geschlossen worden sei. Er bestreitet weiter, dass vor allem die Tarifverträge der kunststoffverarbeitenden Industrie tarifkonkurrierend im Sinn von Fn. 1 Abs. 2 S. 3 MTV seien und sich daraus für die Beklagte ein Wettbewerbsnachteil mit vergleichbaren Firmen ergebe. Im Übrigen hätten die Mitarbeiter der Beklagten nicht mit einer rückwirkenden Regelung des firmenbezogenen Verbandstarifvertrages rechnen müssen.

95

Bezüglich der erfolgten Rückgruppierung ist die Klägerseite der Ansicht, die Darlegungslast liege bei der Beklagten, warum und inwieweit die bisherige Bewertung seiner Tätigkeit fehlerhaft gewesen sei und deshalb die Eingruppierung korrigiert werden müsse. Die Eingruppierung habe außerdem allein anhand der Regelungen des BETV zu erfolgen. Von der darin enthaltenen Öffnungsklausel seien lediglich „ergänzende“ Regelungen durch Betriebsvereinbarung, nicht hingegen „ersetzende“ Bestimmungen zum Entgelttarifvertrag erfasst. Letzteres sei vorliegend der Fall, da allein durch die Anlage 2 der BV in Verbindung mit den jeweiligen Tätigkeitsbeschreibungen eine verbindliche Zuordnung zu den Entgeltgruppen stattfinde. Dies widerspreche auch dem Grundsatz der Tarifautomatik. Bestritten werde, dass der Betriebsrat an der Betriebsvereinbarung über eine Eingruppierungsrichtlinie und der Überleitung auf die neue Entgeltstruktur ordnungsgemäß mitgewirkt habe. Er bestreitet weiter, dass durch § 7 der Betriebsvereinbarung eine nach § 99 Abs. 1 BetrVG notwendige Zustimmung als erteilt gilt.

96

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

97

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger auch über den 1. Juni 2014 hinaus nach Entgeltgruppe E05 des jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrages für die chemische Industrie, zuletzt des Bundesentgelttarifvertrages für die chemische Industrie West vom 18. Juli 1987 in der Fassung vom 30. September 2004 in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag, zu vergüten;

98

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 127,31 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2014, weitere 123,48 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2014, weitere 123,27 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2014 sowie weitere 135,10 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2014 zu zahlen.

99

Die Beklagte hat beantragt,

100

die Klage abzuweisen.

101

Sie ist der Ansicht, der Kläger habe keinen Anspruch, zu unveränderten Bedingungen nach der Entgeltgruppe E 05 des BETV über den 1. Juni 2014 hinaus vergütet zu werden. Sie habe sich unter anderem entschieden, die Tarifentgelte zur Sicherung der Beschäftigung und Verbesserung des Wettbewerbs abzusenken.

102

Der geschlossene FVTV habe normative Geltung zwischen den Parteien nach §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG. Die Geltung des FVTV ergebe sich für den Fall der fehlenden normativen Geltung des FVTV jedenfalls aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel. Diese stelle nach ihrem Wortlaut und ihrem Zweck unter Berücksichtigung der Stichtagsregelung des Bundesarbeitsgerichtes eine Gleichstellungsabrede dar. Aufgrund dessen würden nicht nur die Verbandstarifverträge, sondern gleichzeitig auch der FVTV erfasst. Die Verweisung könne sich auf mehrere Tarifverträge beziehen, die sich im Geltungsbereich deckten, aber unterschiedliche Regelungen aufwiesen. Dieser Fall sei durch die Kollisionsauflösungsregel zu lösen mit der Folge, dass die Bundestarifverträge und Bezirksentgelttarifverträge gemäß § 2 FVTV nur insoweit Anwendung finden würden, wie in den Bestimmungen des FVTV nicht abgewichen werde.

103

Der FVTV und die darin getroffenen abweichenden Regelungen zu den Entgelt-sätzen seien unter Mitwirkung des regional zuständigen Arbeitgeberverbands Chemie Rheinland-Pfalz e. V. wirksam zustande gekommen. Er basiere auf dem MTV und passe diesen nur unternehmensspezifisch an. Der MTV ermögliche aufgrund seiner in § 1 Fußnote 1 enthaltenen Öffnungsklausel, abweichende Entgeltsätze festzulegen. Unerheblich sei hierbei, ob die Öffnungsklausel als Fußnote spezifiziert, als Protokollnotiz ergänzt oder als eigenständiger Paragraph verfasst sei.

104

Die Absenkung des Tarifentgelts um 9 % erfasse gemäß § 4 Absatz 3 FVTV in Verbindung mit § 2 Abs. 3 Ü-TV jedenfalls auch die Tarifsteigerung von 3,7 % der Bundestarifvertragsparteien zum 1. Februar 2014. Wegen der vorhergehenden eingehenden Information der Mitarbeiter durch öffentliche Aushänge bestünde kein Vertrauensschutz, so dass die rückwirkende Geltung der Tarifabsenkungsregelungen auf den Zeitraum der Tarifsteigerung im Februar 2014 zulässig sei.

105

Die in der BV vorgenommene Zuordnung der 63 abstrakten Stellenbeschrei-bungen auf die im BETV definierten Entgeltgruppen stelle eine Korrekturmaßnahme aufgrund von fehlerhaften Eingruppierungen dar. Daher stelle die BV eine Richtlinie zur Eingruppierung und keine Regelung zur Schaffung eines eigenen Tarifsystems dar. Mit der Definition eigener Funktionsbeschreibungen und personenunabhängigen Bewertungen von Arbeitsplätzen hätten die Betriebsparteien in zulässiger Weise die abstrakten Formulierungen des BETV mit passgenauen Formulierungen der BV ausgefüllt, ohne dabei die Entgeltgruppe selbst zu verändern. Es handele sich hierbei um einen gängigen Vorgang und eine übliche Regelung der Betriebsparteien. Die neu erfolgte Eingruppierung (Umgruppierung) entspreche der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit des Klägers. Er übe gemäß Anlage 2 der BV eine Tätigkeit aus, die der Entgeltgruppe 04 des § 7 BETV vollumfänglich entspreche.

106

Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Klage durch Urteil vom 9. Dezember 2014 abgewiesen.

107

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Das erforderliche Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO für den Feststellungsantrag zu 1. ergebe sich daraus, dass auch hinsichtlich der Zukunft zwischen den Parteien Uneinigkeit darüber bestehe, nach welcher Entgeltgruppe und nach welchem Entgelttarifvertrag der Kläger zu vergüten sei. Mit dem Feststellungsantrag solle außerdem zugleich geklärt werden, welche Entgelttarifverträge auf das vorliegende Arbeitsverhältnis anzuwenden seien (sog. Elementenfeststellungsklage).

108

Der Kläger könne nicht die Feststellung verlangen, nach der Entgeltgruppe E 05 des Entgelttarifvertrages für die chemische Industrie Vergütung zu erhalten. Er habe bereits keinen Anspruch auf die tarifvertragliche Vergütung einschließlich der Entgelterhöhung von 3,7 %, da ein derartiger Vergütungsanspruch durch die Tarifabsenkung gemäß § 4 Abs. 1 des FVTV in Verbindung mit § 2 Abs. 3 Ü-TV in Höhe von 9 % rückwirkend zum 1. Februar 2014 gekürzt worden sei. Insoweit fänden die Bundestarifverträge und die Bezirksentgelttarifverträge gerade keine uneingeschränkte Anwendung, sondern kämen gemäß § 2 FVTV nur insoweit zur Anwendung wie in den Bestimmungen des FVTV hiervon nicht abgewichen werde. Da der mit dem Klageantrag zu 1. verfolgte Anspruch bereits aus diesem Grund unschlüssig sei, komme es auf die weitere Frage der richtigen Eingruppierung nicht mehr an. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fänden die Regelungen des FVTV und des Ü-TV kraft normativer Wirkung gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend Anwendung. Ob die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel den FVTV sowie den Ü-TV erfasse, könne mithin offen bleiben. Beide Tarifverträge ergänzten lediglich, wenn auch zum Nachteil der Arbeitnehmer, den BETV auf derselben Normenhierarchieebene (Verbandstarifvertrag). Das Verhältnis der beiden Tarifverträge zum BETV werde nach den Grundsätzen der Tarifkonkurrenz gelöst, wobei die Verbandstarifverträge zusammen mit den firmenbezogenen Verbandstarifverträgen ein Sinnganzes darstellten. Der FVTV sei als firmenbezogener Verbandstarifvertrag in seinem Anwendungsbereich der speziellere Tarifvertrag und finde damit vorrangig auf das Arbeitsverhältnis der tarifgebundenen Parteien unmittelbar und zwingend Anwendung, § 4 Abs. 1 TVG. Die zwischen den Tarifvertragsparteien abgeschlossenen Bundestarifverträge fänden gemäß § 2 FVTV Anwendung, „soweit nicht in den nachfolgenden Bestimmungen von diesen Tarifverträgen abgewichen" werde. Das Günstigkeitsprinzip nach § 4 Abs. 3 TVG sei bei dieser Fallgestaltung nicht anwendbar. Der FVTV und demzufolge auch der Ü-TV seien wirksam zustande gekommen. Der MTV enthalte in der Fußnote 1 Abs. 2 und 3 MTV Öffnungsklauseln. Die Öffnungsklausel in der Fußnote 1 Abs. 3 des MTV-Chemie werde auch nicht durch die in § 10 BETV geregelte Öffnungsklausel als speziellere verdrängt. Sämtliche in der Fußnote 1 Abs. 3 des MTV genannten Voraussetzungen zum Abschluss eines firmenbezogenen Verbandstarifvertrages zur Entgeltabsenkung seien erfüllt. Soweit die Klägerseite bestreite, dass dieser firmenbezogene Verbandstarifvertrag der Sicherung der Beschäftigung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit diene, stehe dem bereits die Präambel des FVTV entgegen, in der die tarifvertragsschließenden Parteien die Gründe für den Abschluss dieses Tarifvertrages ausdrücklich aufgeführt hätten. Schließlich hätten auch die regional zuständigen Tarifvertragsparteien diesen Verbandstarifvertrag mitunterschrieben. Die in § 4 Abs. 1 FVTV vorgesehene Absenkung des Tariflohns um 9 % habe bei der ab dem 1. Februar 2014 vereinbarten Tarifsteigerung um 3,7 % bereits berücksichtigt werden können, § 2 Abs. 3 Ü-TV. Denn diese tarifvertraglichen Regelungen gälten gemäß den Bestimmungen in § 6 FVTV und § 3 Ü-TV rückwirkend ab dem 15. Dezember 2013 und damit rückwirkend auf den Zeitraum vor der Tariflohnerhöhung im Februar 2014. Die rückwirkende Anwendung der Tariflohnkürzung um 3,7 % auf die entsprechende Tariflohnerhöhung ab dem 1. Februar 2014 sei als Fall der echten Rückwirkung zulässig. Für die Mitarbeiter der Beklagten bestehe kein Vertrauensschutz.

109

Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz (Bl. 343 ff. d. A.) Bezug genommen.

110

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 5. Januar 2015 zugestellt worden. Der Kläger hat hiergegen mit einem am 2. Februar 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

111

Zur Begründung der Berufung macht der Kläger nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes sowie der Schriftsätze vom 12. März 2015 und vom 21. Mai 2015, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 368 ff., 497 f., 550 ff. d. A.), seinen erstinstanzlichen Vortrag ergänzend und vertiefend zusammengefasst geltend,

112

der FVTV und der hierzu geschlossene Ü-TV seien nicht wirksam zustande gekommen. Es fehle an einer entsprechenden Ermächtigungsnorm (Öffnungsklausel), welche die Tarifvertragsparteien entsprechend ermächtige, den FVTV nebst Ü-TV samt den in Bezug genommenen Regelungen betreffend die Vergütung und Eingruppierung des Klägers abzuschließen. § 10 BETV sei keine taugliche Ermächtigungsnorm. Die Formulierung "in Kombination mit" in § 10 BETV erfordere, dass die grundsätzliche Regelungsbefugnis der Parteien (der Beklagten und der beteiligten Tarifvertragsparteien) bereits aus § 10 BETV folgen müsse und nurergänzend weitere Öffnungsklauseln hinzutreten dürften. Der Begriff "ergänzend" sei sonst sinnentleert. Die Öffnungsklausel in Fn. 1 zum MTV werde durch die in § 10 BETV enthaltene "Tariföffnungsklausel" als speziellere Regelung verdrängt. Sie sei keine geeignete Ermächtigungsnorm zum Abschluss des FVTV und des Ü-TV. Auch lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Öffnungsklausel in Fn. 1 zum MTV nicht vor. Diese lasse nur ergänzende Regelungen zu, sofern diese den eigentlichen Regelungsbereich des MTV beträfen ("zu diesem Manteltarifvertrag"), gelte lediglich für Sonderfälle und stelle gerade keine generelle Ermächtigung an die Tarifvertragsparteien dar. Firmenbezogene Tarifverträge hätten nur dann zulässiges Regelungsinstrument sein sollen, wenn dies im Einzelfall nicht anders, das heißt durch eine befristete Betriebsvereinbarung (vgl. Fn. 1 Abs. 1 und 2) geregelt werden könne.

113

Der Kläger bestreitet weiter, dass insbesondere der FVTV und der Ü-TV der Sicherung der Beschäftigung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Beklagten dienten. Er ist der Ansicht, der bloße Hinweis auf die Präambel des FVTV sei nicht ausreichend, die Beklagte sei insoweit darlegungs- und beweispflichtig. Der Aushang der Beklagten vom 13. Februar 2015 bestätige seine Bedenken hinsichtlich deren Behauptung, der FVTV diene der Sicherung der Beschäftigung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Beklagten.

114

Der Kläger ist weiter der Ansicht, der FVTV und Ü-TV seien nicht auf das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der Beklagten anwendbar. Erstinstanzlich sei offen geblieben, ob die Z. GmbH im Zeitpunkt der Einstellung Mitglied des Arbeitgeberverbands gewesen sei. Die Beklagte selbst sei zunächst nicht Mitglied des Arbeitgeberverbandes geworden. Bei inkongruenter Tarifbindung im Zeitpunkt des Betriebsübergangs würden die bei dem Betriebsveräußerer geltenden Tarifnormen jedoch nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses. Es liege eine kleine dynamische Bezugnahmeklausel auf den BETV vor. Der Verbandstarifvertrag verdränge den FVTV. Die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB streite bezüglich des Umfangs der Bezugnahme für ihn.

115

Der zu seinen Gunsten anzunehmende Vertrauensschutz stehe der Zulässigkeit einer Rückwirkung der hier in Rede stehenden tarifvertraglichen Regelungen entgegen. Er sei davon ausgegangen, dass allein die Regelung des BETV für ihn Anwendung finde. Die Informationen hätten sich nicht konkret an ihn, sondern lediglich an die Belegschaft in ihrer Gesamtheit gerichtet. Er habe angenommen, dass sich die von der Beklagten genannten Informationen unter Umständen an andere Beschäftigte richteten, welche eben keine mit seiner eigenen arbeitsrechtlichen Regelung übereinstimmende Regelung hätten.

116

Hinsichtlich des nunmehr unter Ziffer 3 weitergehend geltend gemachten Zahlungsantrags handele es sich lediglich um die weitere Geltendmachung der ihm nicht ausgezahlten Fehlbeträge. Die Entgelterhöhungen ergäben sich aus je 3,7 % von den Tarifentgelten gemäß der Lohnabrechnungen (exklusiv vermögenswirksame Leistungen und exklusiv Kontoführungsgebühren).

117

Der Kläger beantragt,

118

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 9. Dezember 2014, Az. 12 Ca 2458/14 abzuändern und

119

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn auch über den 1. Juni 2014 hinaus nach Entgeltgruppe E 05 des jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrages für die chemische Industrie, zuletzt des Bundesentgelttarifvertrages für die chemische Industrie West vom 18. Juli 1987 in der Fassung vom 30. September 2004 in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag, zu vergüten,

120

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn
127,31 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2014,
weitere 123,48 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2014,
weitere 123,27 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2014 sowie
weitere 135,10 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2014 zu zahlen.

121

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn

122

141,16 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2014,
weitere 120,71 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2014,
weitere 118,36 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2014,
weitere 120,69 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2014,
weitere 120,40 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2014,
weitere 197,37 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2014 sowie
weitere 117,46 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2015 zu zahlen.

123

Die Beklagte beantragt,

124

die Berufung zurückzuweisen.

125

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 9. März 2015 sowie des Schriftsatzes vom 3. Juni 2015, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 425 ff., 553 ff. d. A.), unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags als rechtlich zutreffend. Sie ist der Ansicht,

126

eine einschlägige Ermächtigungsnorm für den Abschluss des FVTV und des Ü-TV sei in Form der Öffnungsklausel in Fn. 1 zum MTV vorhanden, die unabhängig von der gewählten Form als Fußnote wirksamer Bestandteil des MTV sei. Die Bundestarifvertragsparteien hielten mit dem FVTV ihre Normsetzungskompetenz aufrecht. § 4 Abs. 3 Var. 1 TVG lasse die Tarifvertragsparteien selbst darüber entscheiden, ob sie die Abmachung gestatteten. Grundsätzlich seien Öffnungsklauseln in eben jenem Tarifvertrag enthalten, dem sie die Abweichung gestatteten. Schließlich könnten Öffnungsklauseln Unternehmen in der Krise erlauben, tarifliche Arbeitsbedingungen zu unterschreiten, um Betrieb und Arbeitsplätze zu erhalten. Alle Maßnahmen, die der Beschäftigungssicherung oder der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit dienten, rechtfertigten die Anwendung der Tariföffnungsklausel. Aufgrund der Eigenständigkeit der Öffnungsklausel "Tarifkonkurrierende Bereiche" fänden die Bestimmungen des § 10 BETV keine Anwendung. § 10 BETV sei nicht die Öffnungsklausel für eine Kombination mit der Öffnungsklausel der Fußnote 1 zu § 1 MTV, sondern eine eigenständige Regelungsmöglichkeit auf Betriebsebene mittels Betriebsvereinbarung. Demzufolge könne eine Kombination auch nur mit einer anderen Öffnungsklausel, die zu einer Betriebsvereinbarung berechtige, in Frage kommen (so zum Beispiel eine Kombination des Entgeltkorridors mit dem Arbeitszeitkorridor, § 2 Abs. 1 Ziff. 3 MTV). Diese Lösung sei jedoch für die Beklagte kein gangbarer Weg gewesen, da zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit eine unbefristete Entkoppelung vom Tarifgeleitzug notwendig geworden sei. Die Bewertung, ob diese Voraussetzung erfüllt sei, sei Aufgabe der Tarifvertragsparteien. Das Vorliegen eines tarifkonkurrierenden Bereichs sei nicht bereits für die Möglichkeit von den tariflichen Regelungen des MTV Chemie durch FVTV abzuweichen erforderlich, sondern erst dann, wenn eine Gesamtregelung gefunden werden solle, die nach Abs. 2 der Fn. 1 zu § 1 MTV niedrige Entgeltsätze im Vergleich zu einem tarifkonkurrierenden Bereich nach sich ziehe. Solle wie im hier vorliegenden Fall eine Gesamtlösung (Entgeltabsenkung, Eingruppierung, Jahresleistung etc.) zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit vorliegen, müssten die Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 kumulativ erfüllt werden. Tarifkonkurrierend im Sinn der Fn. 1 Abs. 2 seien vor allem die Tarifverträge der kunststoffverarbeitenden Industrie, die für Arbeitgeber im Schnitt circa 15 % günstiger als die Verbandsflächentarifverträge der Chemie seien.

127

Sie befinde sich seit Jahren in wirtschaftlich sehr schwerer Lage. 2012/2013 seien von ursprünglich rund 400 Mitarbeitern nahezu 200 Mitarbeiter abgebaut worden. Die Firma U. stelle nahezu die gleichen Produkte her.

128

Der FVTV bzw. der Ü-TV seien daher kraft normativer Wirkung anwendbar. Eine Gleichstellungsabrede spiele bei Anwendung kraft normativer Wirkung keine Rolle. Durch ihre zwischenzeitlich fehlende Tarifgebundenheit zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs am 1. August 2002 habe sich nichts geändert. Wegen ihres Beitritts zum Arbeitgeberverband greife die der Bezugnahmeklausel innewohnende auflösende Bedingung nicht mehr ein.

129

Die Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel ergebe im vorliegenden Fall, dass die Parteien für den Streitzeitraum den FVTV vereinbart hätten. Seien die Verbandstarifverträge durch die Bezugnahmeklausel erfasst, müsse davon auch der FVTV als Verbandstarifvertrag erfasst sein. Eine differenzierende Formulierung finde sich in der Bezugnahmeklausel nicht und widerspräche auch der Normenhierarchie. Vor dem Hintergrund einer Gleichstellungsabrede könne eine solche Differenzierung weder gewollt noch vereinbart sein. Dafür spreche auch das Verhalten der Parteien nach dem Vertragsschluss. Der Kläger habe an der gesamten Tarifentwicklung - positiv wie negativ - teilgenommen, insbesondere auch an der Anwendung der tarifvertraglichen Öffnungsklauseln nach § 10 BETV Chemie bzw. nach § 2 Abs. 1 MTV Chemie zur Absenkung der Tarifentgelte. Zudem seien über Jahre und Jahrzehnte hinweg Tariflohnerhöhungen und sonstige Besserstellungen weitergegeben worden. Der übereinstimmenden Vorstellung der Vertragsparteien stehe auch nicht entgegen, dass die Anwendbarkeit des FVTV für den Verwender in diesem Fall günstiger sei. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Bezugnahme nicht auch die Öffnungsklauseln der Fußnote 1 zu § 1 MTV und die damit verbundenen firmenbezogenen Anpassungen erfassen solle. Es sei auch nicht ausgeschlossen, dass die Verweisung sich auf mehrere Tarifverträge beziehen könne, die sich im Geltungsbereich deckten, aber unterschiedliche Regelungen aufwiesen. Danach hätten die Arbeitsvertragsparteien mit ihrer Verweisung bei einer möglichen Konkurrenz zwischen mehreren in Bezug genommenen Tarifverträgen dem spezielleren Tarifvertrag den Vorrang einräumen wollen.

130

Der Aushang vom 13. Februar 2015 lasse keinen Rückschluss auf "gut gefüllte Auftragsbücher" zum Zeitpunkt des Tarifvertragsabschlusses zu. Die wirtschaft-liche Lage sei nach wie vor sehr angespannt.

131

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll des Kammertermins vom 10. Juni 2015 (Bl. 571 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

132

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Zwar ist das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz dem Klägervertreter ausweislich des Empfangsbekenntnisses erst am 5. Januar 2015 zugestellt worden, während es bei dem Beklagtenvertreter bereits am 19. Dezember 2014 eingegangen ist. Die Zustellung eines Urteils per Empfangsbekenntnis bei einem Prozessbevollmächtigten (§ 212 a ZPO) ist aber erst dann bewirkt, wenn dieser das Urteil mit dem Willen, es als zugestellt gegen sich gelten zu lassen, entgegennimmt und dies durch seine Unterschrift auf dem Empfangsbekenntnis mit Angabe des Zustellungszeitpunkts dokumentiert. Der Eingang in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten ist insoweit nicht maßgeblich (st. Rspr. des BGH, vgl. nur Urteil vom 19. Juni 2002 - IV ZR 147/01 - juris; vom 18. September 1990 - XI ZB 8/90 - NJW 1991, 42). Im vorliegenden Berufungsverfahren spricht das auf den 5. Januar 2015 datierte Empfangsbekenntnis für eine Zustellung an diesem Tag. Denn ein Empfangsbekenntnis erbringt grundsätzlich Beweis nicht nur für die Entgegennahme des darin bezeichneten Schriftstücks als zugestellt, sondern auch für den Zeitpunkt der Entgegennahme durch den Unterzeichner und damit für den Zeitpunkt der Zustellung.

133

Die Berufung erweist sich auch sonst als zulässig.

B.

134

In der Sache hatte die Berufung des Klägers keinen Erfolg.

I.

135

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO für Klageantrag zu 1. gegeben. Die Anwendbarkeit eines im Klageantrag hinreichend bestimmten (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) Tarifwerks auf ein Arbeitsverhältnis kann durch eine so genannte Elementenfeststellungsklage geklärt werden (BAG, Urteil vom 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - NZA 2012, 100, 101, Rz. 15; vom 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - NZA 2009, 151, 152, Rz. 11 m. w. N.).

136

Die mit der Berufungsbegründung erfolgte Klageerweiterung ist zulässig, § 264 Nr. 2 ZPO. Durch diese ist keine Änderung des Klagegrundes erfolgt (§ 533 ZPO).

II.

137

Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Beklagte ist weder kollektivrechtlich noch individualvertraglich verpflichtet, an den Kläger auch über den 1. Juni 2014 hinaus Vergütung nach der Entgeltgruppe E 05 des jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrages für die chemische Industrie, zuletzt des Bundesentgelttarifvertrages für die chemische Industrie West vom 18. Juli 1987 in der Fassung vom 30. September 2004 in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag zu zahlen (Antrag zu 1.). Auch für die Zeit vom 1. Februar 2014 bis zum 31. Mai 2014 hat der Kläger keinen Anspruch auf die Zahlung der Vergütungserhöhung in Höhe von 3,7 % durch die Beklagte, so dass auch der Antrag zu 2. unbegründet ist. Die zweitinstanzlich erfolgte Klageerweiterung hinsichtlich der Differenzbeträge für die Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 31. Dezember 2014 (Antrag zu 3.) hat ebenfalls keinen Erfolg.

138

1. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Vergütung über den 1. Juni 2014 hinaus nach Entgeltgruppe E 05 des jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrages für die chemische Industrie, zuletzt des BETV für die chemische Industrie West vom 18. Juli 1987 in der Fassung vom 30. September 2004 in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag besteht weder kollektivrechtlich noch aufgrund einer für den Kläger günstigeren einzelvertraglichen Abrede.

139

a) Der Kläger hat keinen entsprechenden Anspruch aus dem BETV in Verbindung mit dem jeweils geltenden Bezirkstarifvertrag für Rheinland-Pfalz in der jeweils geltenden Fassung gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG. Die jeweils aktuelle Fassung findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung, da die Bestimmungen des FVTV und des Ü-TV für die Zeit ab dem 1. Juni 2014 den Regelungen des BETV in Verbindung mit dem jeweils geltenden Bezirkstarifvertrag für Rheinland-Pfalz in der jeweils geltenden Fassung vorgehen. Der FVTV und der Ü-TV sehen gemäß § 4 Abs. 1 FVTV in Verbindung mit § 2 Abs. 3 Ü-TV eine Tarifabsenkung in Höhe von 9 % rückwirkend zum 1. Februar 2014 vor.

140

(1) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Vorschriften der Tarifverträge für die chemische Industrie kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit Anwendung. Der Kläger war seit dem 2. Februar 1981 Gewerkschaftsmitglied. Auch wenn der Kläger seine Mitgliedschaft in der IG BCE im Juni 2014 gekündigt hat, ist er an die zuvor abgeschlossenen Tarifverträge (noch) gemäß § 3 Abs. 3 TVG gebunden. Die Beklagte ist seit dem 1. Januar 2014 Mitglied des Arbeitgeberverbandes Chemie Rheinland-Pfalz.

141

(2) Der BETV in Verbindung mit dem jeweils geltenden Bezirkstarifvertrag für Rheinland-Pfalz findet kollektivrechtlich jedoch nur insoweit Anwendung auf das Arbeitsverhältnis als der FVTV und der Ü-TV für das Arbeitsverhältnis der Parteien keine vorgehenden Regelungen enthalten.

142

(3) Der FVTV und der Ü-TV sind in räumlicher Hinsicht auf Arbeitsverhältnis anwendbar. Diese beiden Tarifverträge gelten persönlich für alle an den Stand-orten C-Stadt und Lager V.-Stadt tariflich beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (§ 1 FVTV, § 1 Ü-TV) und damit für den am Standort C-Stadt tariflich beschäftigten Kläger.

143

(4) Der FVTV und der Ü-TV sind wirksam zustande gekommen. Beide sind schriftlich (§ 1 Abs. 2 TVG) zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden (§ 2 Abs. 1 TVG) abgeschlossen worden. Die jeweiligen Bundesverbände konnten sich beim Vertragsabschluss durch ihre Landesverbände vertreten lassen.

144

(5) Dem wirksamen Zustandekommen dieser Tarifverträge stehen auch nicht die Regelungen des BETV entgegen.

145

(a) Grundsätzlich sind die Tarifvertragsparteien frei darin, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten Tarifverträge abzuschließen und von ihnen geschlossene Tarifverträge abzuändern. Aus dem Ablösungsprinzip, nach dem die jüngere Tarifregelung der älteren vorgeht, ergibt sich, dass eine Tarifnorm stets unter dem Vorbehalt steht, durch eine nachfolgende tarifliche Regelung verschlechtert oder ganz gestrichen zu werden (BAG, Urteil vom 6. Juni 2007 – 4 AZR 382/06 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 9, Rz. 18 und 20). Die Tarifvertragsparteien bedürfen keiner tariflichen Öffnungsklausel, um einen firmenbezogenen Verbandstarifvertrag zu vereinbaren, der einem anderen Verbandstarifvertrag vorgehen soll (vgl. BAG, Urteil vom 19. November 2014 - 4 AZR 761/12 - BeckRS 2015, 67088, Rz. 28; ErfK/Franzen, 15. Aufl. 2015, § 4 TVG Rn.30 m. w. N.). Es ist daher unerheblich, ob der MTV eine Öffnungsklausel enthält (vgl. BAG, Urteil vom 23. März 2005 – 4 AZR 203/04 – NZA 2005, 1003, 1006). An ihre Protokollnotizen sind die Tarifvertragsparteien nicht gebunden (vgl. BAG, Urteil vom 20. Januar 2009 - 9 AZR 146/08 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 18, Rz. 25). Eine Grenze bilden lediglich der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 2 GG sowie zwingendes einfach-gesetzliches Recht. Dabei gehört es insbesondere zu dem durch das Grundgesetz geschützten Kernbereich der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG), dass die Tarifvertragsparteien bis zur Grenze der Willkür in freier Selbstbestimmung festlegen, ob und für welche Berufsgruppen und Tätigkeiten sie überhaupt tarifliche Regelungen treffen oder nicht treffen wollen (vgl. BAG, Urteil vom 29. August 2001 – 4 AZR 352/00 – NZA 2002, 863, 865; vom 30. August 2000 – 4 AZR 563/99 – NZA 2001, 613, 615 zur Festlegung des persönlichen Geltungsbereichs eines Tarifvertrags m. w. N.). Diese Grenze haben die Tarifvertragsparteien mit dem Abschluss des FVTV und des Ü-TV nicht überschritten.

146

(b) Mit dem Abschluss des FVTV und des Ü-TV sind die Tarifvertragsparteien überdies im Rahmen der Kompetenzen geblieben, die sie sich selbst durch die Öffnungsklausel in Fußnote 1 Abs. 3 zur Vorbemerkung MTV eingeräumt haben.

147

Gemäß der Fußnote 1 Abs. 3 zur Vorbemerkung MTV besteht zwischen den Tarifvertragsparteien Einvernehmen darüber, dass zur Sicherung der Beschäftigung oder Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit im Einzelfall abweichende tarifliche Regelungen auch in firmenbezogenen Tarifverträgen zwischen dem BAVC und der IG BCE vereinbart werden können. Dabei sind diese firmenbezogenen Tarifverträge von den regional zuständigen Arbeitgeberverbänden mit abzuschließen, soweit die tarifliche Regelung auch die bezirklichen Tarifentgeltsätze verändert.

148

Diese Klausel ist wirksamer Bestandteil des Tarifvertrags geworden. Die Tarifvertragsparteien des MTV haben in der Vormerkung zu diesem Tarifvertrag ausdrücklich klargestellt, dass (auch) die Anmerkungen und Protokollnotizen von ihnen vereinbart sind und als Bestandteil dieses Tarifvertrages gelten. Die Protokollnotiz ist auch in der erforderlichen Schriftform vereinbart worden. Eine Öffnungsklausel kann sich auch auf einen anderen Tarifvertrag beziehen. Dadurch nimmt der sich öffnende Tarifvertrag seinen Geltungsanspruch gegenüber dem anderen Tarifvertrag zurück (ErfK/Franzen, 15. Aufl. 2015, § 4 TVG Rn. 30).

149

Die Öffnungsklausel in Fußnote 1 Abs. 2 und 3 Vorbemerkung MTV wird auch nicht für den Bereich der Vergütung durch die in § 10 BETV geregelte Öffnungsklausel als speziellere Regelung verdrängt. Eine solche Verdrängung ergibt sich weder aus dem Wortlaut des § 10 BETV, dass „eine Kombination mit anderen tariflichen Öffnungsklauseln“ nicht ausgeschlossen ist, noch aus den verschiedenen Wirkungsmechanismen der beiden tarifvertraglichen Öffnungsklauseln. § 10 BETV regelt nicht die Zulässigkeit der Vereinbarung niedriger Entgeltsätze durch Verbandstarifvertrag, sondern den Abschluss befristeter Betriebsvereinbarungen mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien.

150

Schließlich gilt auch insoweit, dass die Tarifvertragsparteien nicht an ihre eigene Öffnungsklausel in § 10 BETV gebunden sind.

151

Die Voraussetzungen der Öffnungsklausel der Fn. 1 zur Vorbemerkung MTV sind gegeben. Insoweit haben die Tarifvertragsparteien selbst eine Einschätzungsprärogative. Diese steht den Tarifvertragsparteien zu, soweit es um die Beurteilung der tatsächlichen Regelungsprobleme geht. Weiter steht ihnen ein Beurteilungs- bzw. Ermessensspielraum zu, soweit es um die inhaltliche Gestaltung der Regelungen geht (BAG, Urteil vom 29. August 2001 – 4 AZR 352/00 – NZA 2002, 863, 865 m. w. N.). Die Tarifvertragsparteien haben in der Präambel zum FVTV durch die Formulierung „Dieser firmenbezogene Verbandstarifvertrag dient damit der Sicherung der Beschäftigung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit“ deutlich gemacht, dass sie die Voraussetzungen der Fn. 1 Vorbemerkung MTV als gegeben erachtet haben.

152

Die Beklagte, die auf dem Gebiet der Verarbeitung und Entwicklung hochwertiger flexibler Packstoffe tätig ist und Verpackungen für Lebensmittel erzeugt sowie Folien herstellt, steht in Wettbewerb mit den im Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie e. V. zusammengeschlossenen Unternehmen der Kunststoffpackmittelindustrie in Deutschland, die ebenfalls Lebensmittelfolien und Kunststoffverpackungen herstellen, so insbesondere zur Firma U.. Die Tariflöhne in der kunststoffverarbeitenden Industrie liegen unter denjenigen in der chemischen Industrie. Die Beklagte befand sich in der Vergangenheit in einer schweren wirtschaftlichen Situation, die sich in einem erheblichen Stellenabbau widerspiegelte.

153

Dem Vortrag der Beklagten, der FVTV und der Ü-TV seien zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit abgeschlossen worden, stehen auch nicht die Entwicklungen im Jahr 2015, insbesondere der Aushang vom 13. Februar 2015 entgegen. Aus der wirtschaftlichen Entwicklung nach Abschluss der firmenbezogenen Verbandtarifverträge kann nicht auf die wirtschaftliche Lage bei Vertragsabschluss geschlossen werden.

154

(6) Die Bestimmungen des FVTV und des Ü-TV gehen im Rahmen ihres Geltungsbereichs den Regelungen des BETV und des für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrags vor. Dies ergibt sich aus dem Willen der Tarifvertragsparteien, der in den von ihnen abgeschlossenen Bestimmungen zum Ausdruck kommt. Im vorliegenden Fall wurden die Tarifverträge von denselben Tarifvertragsparteien abgeschlossen. Diese legen fest, in welchem Verhältnis die von ihnen abgeschlossenen Tarifverträge stehen.

155

Insoweit ist unschädlich, dass neben den Bundesverbänden auch die regionalen Verbände den FVTV und den Ü-TV mitunterzeichnet haben.

156

Auch kommt es nicht darauf an, ob die Bundesverbände oder die regionalen Verbände die den Tarifvertragsabschlüssen vorangehenden Verhandlungen geführt oder maßgeblich beeinflusst haben. Entscheidend ist allein, ob Tarifverträge letztlich durch die Bundesverbände wirksam abgeschlossen wurden.

157

Sowohl in der Fn. 1 zur Vorbemerkung MTV als auch in der Präambel und in § 2 FVTV sowie in der Präambel des Ü-TV haben die Tarifvertragsparteien deutlich gemacht, dass die Bestimmungen des FVTV und des Ü-TV im Rahmen ihres Geltungsbereichs dem BETV vorgehen sollen, soweit in diesen abweichende Regelungen enthalten sind. Die Fn. 1 zur Vorbemerkung MTV sieht ausdrücklich die Vereinbarung abweichender tariflicher Regelungen vor. Dies macht nur dann Sinn, wenn die so vereinbarten Bestimmungen den übrigen tariflichen Regelungen vorgehen. In der Präambel des FVTV weisen die Tarifvertragsparteien ausdrücklich darauf hin, dass die Regelungen der Bundestarifverträge für die Beklagte angepasst werden müssen. Schließlich ist in § 2 FVTV explizit formuliert:"(1) Die zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie vereinbarten Bundestarifverträge einschließlich der Schlichtungsregelungen finden in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung, soweit nicht in den nachfolgenden Bestimmungen von diesen Tarifverträgen abgewichen wird. (2) Die zwischen dem AGV Chemie Rheinland-Pfalz e. V. und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie abgeschlossenen Bezirksentgelttarifverträge finden nur insoweit Anwendung, wie in den nachfolgenden Bestimmungen von diesen Tarifverträgen nicht abgewichen wird." In der Präambel des Ü-TV haben die Tarifvertragsparteien klargestellt, dass die Anpassung der Regelungen der Bundestarifverträge durch den FVTV "eine ergänzende Regelung" erfordert.

158

Zudem stellen der FVTV und der Ü-TV den spezielleren Tarifvertrag dar und verdrängen auch aus diesem Grund den BETV. Firmenbezogene Verbandstarifverträge stellen gegenüber Flächentarifverträgen stets die speziellere Regelung dar. Dieselbe Rechtsfolge ergibt sich aus dem Ablösungsprinzip, das im Verhältnis von zwei zeitlich aufeinanderfolgenden Normen desselben Normgebers gilt. Danach können die Tarifvertragsparteien grundsätzlich jederzeit einen von ihnen früher selbst vereinbarten Tarifvertrag abändern, einschränken oder aufheben (BAG, Urteil vom 20. Januar 2009 - 9 AZR 146/08 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 18, Urteil vom 6. Juni 2007 - 4 AZR 382/06 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 39, Rz. 18, jeweils m. w. N.).

159

Für die Anwendbarkeit des Günstigkeitsprinzips nach § 4 Abs. 3 TVG ist im Verhältnis des FVTV und des Ü-TV zum BETV kein Raum. Das Günstigkeitsprinzip stellt eine Kollisionsregelung für das Verhältnis von schwächeren zu stärkeren Rechtsnormen dar. Es ist nicht anzuwenden, wenn mehrere tarifvertragliche und damit gleichrangige Regelungen zusammentreffen (BAG, Urteil vom 24. Januar 2001 – 4 AZR 655/99 – NZA 2001, 788, 790).

160

b) Der Kläger hat auch keinen gegenüber der kollektivrechtlichen Regelung günstigeren arbeitsvertraglichen Anspruch auf Vergütung nach dem jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrag für die chemische Industrie, zuletzt des Bundesentgelttarifvertrages für die chemische Industrie West vom 18. Juli 1987 in der Fassung vom 30. September 2004 in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag (§ 4 Abs. 3 TVG). Ein solcher Anspruch des Klägers ergibt sich insbesondere nicht aus einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel in Verbindung mit § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB. Infolge des (letzten) Betriebsübergangs ist die Beklagte gemäß § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB in die arbeitsvertraglich begründeten Rechte und Pflichten der Vorarbeitgeberin eingetreten.

161

Der Bezugnahmeklausel kommt rechtsbegründende Wirkung zu, auch wenn die in Bezug genommenen Tarifnormen ohnehin nach §§ 4 Abs. 1, 3 Abs. 1 TVG zwingend und unmittelbar gelten. Die Wirkung einer Bezugnahmeklausel wird nicht dadurch berührt, dass der in Bezug genommene Tarifvertrag noch aus einem weiteren rechtlichen Grund für das Arbeitsverhältnis der Parteien maßgebend ist (Urteil vom 29. August 2007 - 4 AZR 767/06 - NZA 2008, 364, 365, Rz. 13; vom 19. März 2003 - 4 AZR 331/02 - NZA 2003, 1207, 1209). Auch dann, wenn ein Arbeitnehmer gleichzeitig Gewerkschaftsmitglied ist, wirkt die Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf Tarifverträge stets konstitutiv (und nicht nur deklaratorisch). Dies ergibt sich bereits aus der tatsächlichen Situation des Arbeitsvertragsschlusses und im Hinblick darauf, dass die Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit des Bewerbers nicht zulässig ist (Däubler/Lorenz, TVG, 3. Aufl. 2012, § 3 Rn. 225). Die konstitutive Wirkung der Bezugnahmeklausel konnte auch nicht dadurch später entfallen, dass die Beklagte in den Arbeitgeberverband eingetreten ist.

162

In dem von den Parteien am 13. Januar 1981 abgeschlossenen Arbeitsvertrag haben die damaligen Arbeitsvertragsparteien eine Bezugnahmeregelung vorge-sehen. Bei dieser handelt es sich um eine so genannte Gleichstellungsabrede im Sinn der früheren Rechtsprechung des 4. Senats des Bundesarbeitsgerichts. Infolge des Betriebsübergangs auf die Beklagte sind die aus dem in Bezug genommenen Tarifwerk herrührenden individualvertraglichen Rechte und Pflichten nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten als Erwerberin geworden und zwar mit dem tariflichen Regelungsbestand vom 31. Juli 2012. Die Bezugnahme erstreckt sich damit nicht mehr auf die nach diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Tarifverträge, insbesondere auch nicht auf die Tarifeinigung vom 5. Februar 2014. Aber auch dann, wenn man annehmen würde, dass mit dem Eintritt der Beklagten in den Arbeitgeberverband Chemie aufgrund der im Arbeitsvertrag vereinbarten Gleichstellungsabrede wieder die tariflichen Regelungen Anwendung finden würden, hätte der Kläger keinen Anspruch auf die Vergütungserhöhungen. In diesem Fall wären - wie oben dargelegt - der FVTV und der Ü-TV auf das Arbeitsverhältnis anwendbar. Im Einzelnen:

163

(a) Nach dem in § 4 Abs. 3 TVG normierten Günstigkeitsprinzip gehen abweichende arbeitsvertragliche Regelungen den Abmachungen eines Tarifvertrags dann vor, wenn sie für Arbeitnehmer günstiger sind. Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag steht außerhalb des tarifkollisionsrechtlichen Rahmens. Die Kollision zwischen den kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit für das Arbeitsverhältnis der Parteien normativ geltenden und den aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren Tarifvorschriften ist nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) zu lösen (BAG, Urteil vom 10. Dezember 2014 – 4 AZR 503/12, Rz. 41 m. w. N.). Seine insoweit anders lautende Rechtsauffassung (Urteil vom 23. März 2005 – 4 AZR 203/04 – NZA 2005, 1003) hat das Bundesarbeitsgericht zwischenzeitlich ausdrücklich wieder aufgegeben (Urteil vom 29. August 2007 – 4 AZR 767/06 – NZA 2008, 364, 366, Rz. 20). Eine Tarifkonkurrenz kann bei der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag nicht entstehen (BAG, Urteil vom 9. Juni 2010 - 5 AZR 122/09 - BeckRS 2010, 73884, Rz. 24 m. w. N.). Es geht nicht um die Konkurrenz zweier Tarifverträge, sondern um die Konkurrenz einer arbeitsvertraglichen Regelung und eines normativ wirkenden Tarifvertrags. Nach dem Günstigkeitsprinzip treten unmittelbar und zwingend geltende Tarifbestimmungen hinter einzelvertraglichen Vereinbarungen mit für den Arbeitnehmer günstigeren Bedingungen zurück.

164

(b) Im vorliegenden Fall ist der Kläger durch die arbeitsvertraglichen Vereinbarung hinsichtlich der jeweiligen Vergütungserhöhungen jedoch nicht besser gestellt als durch die kollektivrechtlich geltenden Bestimmungen.

165

Im Arbeitsvertrag vom 13. Januar 1981 haben der Kläger und die Rechtsvorgängerin der Beklagten (Z. GmbH) eine so genannte Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Rechtsprechung des 4. Senats des Bundesarbeitsgerichts vereinbart.

166

Nach dieser Rechtsprechung waren bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers - anders als bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern - Verweisungsklauseln in aller Regel als so genannte Gleichstellungsabreden auszulegen. Mit der Verweisung auf die einschlägigen Tarifverträge sollen die Arbeitnehmer so gestellt werden, wie sie tarifrechtlich stünden, wenn sie tatsächlich tarifgebunden wären. Das bedeutet, dass das Arbeitsverhältnis an der dynamischen Entwicklung der in Bezugnahme stehenden Tarifverträge nur so lange teilnimmt, wie der Arbeitgeber selbst tarifgebunden ist (BAG, Urteil vom 27. Januar 2010 - 4 AZR 570/08 - NJW-Spezial 2010, 402 Rz. 18). Ab diesem Zeitpunkt sind die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch anzuwenden (BAG, Urteil vom 14. Dezember 2011 - 4 AZR 79/10 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 104, Rz. 18; vom 19. März 2003 - 4 AZR 331/02 - NZA 2003, 1207). Dies beruhte auf der Vorstellung, dass mit einer solchen von einem tarifgebundenen Arbeitgeber gestellten Vertragsklausel lediglich die möglicherweise fehlende Gebundenheit des Arbeitnehmers an die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge ersetzt werden soll, um jedenfalls zu einer vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrags zu kommen und damit - bei deren genereller Verwendung - zu dessen Geltung für alle Beschäftigten (vgl. nur BAG, Urteil vom 21. August 2002 - 4 AZR 263/01 - NZA 2003, 442). Diese Auslegungsregel hält der 4. Senat des Bundesarbeitsgerichts nicht mehr aufrecht. Er wendet sie aus Gründen des Vertrauensschutzes aber weiterhin auf die Verweisungsklauseln in Arbeitsverträgen an, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 abgeschlossen worden sind (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAG, Urteil vom 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - NZA 2012, 100, 102 Rz. 18 m. w. N.; vom 23. Januar 2007 - 4 AZR 602/06 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 63 Rz. 21). Dieser Vertrauensschutz unterliegt keiner zeitlichen Beschränkung (BAG, Urteil vom 14. Dezember 2011 - 4 AZR 79/10 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 104, Rz. 18).

167

Da die im Arbeitsvertrag enthaltene Verweisung vor dem 1. Januar 2002 vereinbart worden ist, kommt bei deren Auslegung weiterhin die frühere Rechtsprechung des 4. Senats des Bundesarbeitsgerichts zur Anwendung. Danach ist die Bezugnahme im Arbeitsvertrag eine Gleichstellungsabrede. Sie ist dahin auszulegen, dass sie auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge der chemischen Industrie verweist, an die die damalige Arbeitgeberin tarifgebunden war. Auf diese Weise sind deren Regelungen mit der sich aus dem Charakter als Gleichstellungsabrede ergebenden Maßgabe Inhalt des Arbeitsvertrages des Klägers geworden.

168

Die Z. GmbH war im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags tarifgebunden. Sie hatte durch Beschluss des Vorstandes des Landesverbandes Chemische Industrie Rheinland-Pfalz e. V. rückwirkend zum 1. November 1977 die Mitgliedschaft im damaligen Landesverband Chemische Industrie Rheinland-Pfalz e. V. erworben (vgl. die Niederschrift der Vorstandssitzung des Landesverbands Chemische Industrie Rheinland-Pfalz vom 18. Januar 1978).

169

Bei dem zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrag handelt es sich dem äußeren Erscheinungsbild nach um ein vervielfältigtes Klauselwerk dieser Rechtsvorgängerin der Beklagten, bei dem prima facie anzunehmen ist, dass es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Der Inhalt dieses Formularvertrags ist als Allgemeine Geschäftsbedingung nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie er von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zu Grunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage (BAG, Urteil vom 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - NZA 2012, 100, 102, Rz. 21 m. w. N.).

170

Danach enthält der Arbeitsvertrag eine zeitdynamische Bezugnahme auf die jeweiligen Regelungen der Verbandstarifverträge der Chemischen Industrie. Der Kläger und die Rechtsvorgängerin der Beklagten haben im Arbeitsvertrag an die tariflichen Regelungen der Chemischen Industrie in ihrer Gesamtheit angeknüpft und gestalten sie zeitdynamisch. Davon gehen die Parteien übereinstimmend aus und dem entsprach auch die arbeitsvertragliche Praxis. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten wollte in ihrem Betrieb in C-Stadt das für die chemische Industrie geltende Tarifwerk anwenden und die dort stattfindende tarifliche Entwicklung in dem Arbeitsverhältnis des Klägers nachvollziehen. Zwar nimmt der Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich auf die "Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung" Bezug, sondern nennt als "maßgeblichen Tarifvertrag" das Datum "1.7.80". Aufgrund des Ausnahmecharakters statischer Bezugnahmen ist jedoch zu verlangen, dass sich die fehlende Dynamik aus der Klausel selbst ausdrücklich ergibt. Etwas anderes kann nur dann angenommen werden, wenn besondere Umstände darauf hindeuten, dass auf Grund der arbeitsvertraglichen In-Bezugnahme die Tarifentwicklung nicht ohne Weiteres nachvollzogen werden, der in Bezug genommene Tarifvertrag also nur in der zu einem bestimmten Zeitpunkt geltenden Fassung Anwendung finden soll (BAG, Urteil vom 25. Februar 2015 - 5 AZR 481/13 - BeckRS 2015, 68604, Rz. 15; vom 11. Oktober 2006 - 4 AZR 486/05 - NZA 2007, 634, 635 Rz. 15 m. w. N.). Nicht allein ausreichend für eine statische Bezugnahme ist dagegen, wenn auf den "Tarifvertrag vom (konkretes Datum)" verwiesen wird, da es sich hierbei um eine Formulierung handeln kann, die allein im zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschlussdatum des Arbeitsvertrages steht (Däubler/Lorenz, TVG, 3. Aufl. 2012, § 3 Rn. 229 m. w. N.). Aus der Formulierung "Tariflohn nach der z. Zt. gültigen Lohntafel DM 10,10" wird deutlich, dass nicht nur der gegenwärtige Tariflohn vereinbart werden, sondern der Kläger auch an späteren Tariflohnerhöhungen teilnehmen sollte. Die Formulierung "zur Zeit gültigen" deutet auf die dynamische Verweisung hin.

171

Die Bezugnahme bezieht sich auch nicht nur auf die tariflichen Regelungen, die das Entgelt betreffen, sondern auf das gesamte Tarifwerk der Chemischen Industrie. Bei dem genannten Tarifwerk "1.7.80" handelte es sich um einen Mantel-, nicht um einen reinen Entgelttarifvertrag. Hinsichtlich der Definition von "Mehrarbeit" knüpft der Arbeitsvertrag an die tarifliche Arbeitszeit an: "jede angeordnete, die tarifliche Arbeitszeit überschreitende Arbeitsstunde". Auch hinsichtlich der Kündigungsfrist sollen die "gesetzlichen und tariflichen Kündigungsfristen" gelten. Für die Bezugnahme des gesamten Tarifwerks spricht auch der enge Zusammenhang der Regelungen, so beispielsweise zwischen Arbeitszeit und Tarifentgelt. Zu dem Tarifwerk der chemischen Industrie gehören auch firmenbezogene Verbandstarifverträge. Auch sie werden von den Tarifvertragsparteien der chemischen Industrie (Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. bzw. Arbeitgeberverband Chemie Rheinland-Pfalz einerseits und IG BCE andererseits) abgeschlossen.

172

Das Auslegungsergebnis wird durch die von den Parteien bzw. der Rechtsvorgängerin der Beklagten praktizierte Durchführung des Arbeitsvertrags bestätigt. Für die Auslegung einer vertraglichen Vereinbarung ist gegebenenfalls auch die vertragliche Praxis heranzuziehen, weil diese für den Fall der Einvernehmlichkeit Rückschlüsse auf den Willen der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zulässt (BAG, Urteil vom 14. Dezember 2005 – 10 AZR 296/05 – NZA 2006, 744, 745).

173

Die Bezugnahmeklausel ist keine überraschende Klausel und deshalb Vertragsbestandteil geworden (§ 305c Abs. 1 BGB). Dynamische Verweisungen auf einschlägige Tarifverträge sind im Arbeitsleben als Gestaltungsinstrument so verbreitet, dass ihre Aufnahme in Formularverträge nicht überraschend ist (BAG, Urteil vom 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - NZA 2009, 154, 156, Rz. 20). Das gilt auch soweit durch die Bezugnahme Tarifverträge zur Beschäftigungssicherung in Bezug genommen werden.

174

Für die Anwendung der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB ist angesichts des Auslegungsergebnisses kein Raum.

175

Infolge des Betriebsübergangs wurden die begründeten, aus dem in Bezug genommenen Tarifwerk herrührenden individualvertraglichen Rechte und Pflichten nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten als Erwerberin und zwar, weil es sich um eine Gleichstellungsabrede handelt, mit dem tariflichen Regelungsbestand vom 31. Juli 2012. Mit dem Betriebsübergang auf die - zunächst - nicht tarifgebundene Beklagte hat sich die in der Gleichstellungsabrede enthaltene auflösende Bedingung für die dynamische Fortgeltung realisiert. Der in Bezug genommene Tarifvertrag ist nur noch in der zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs geltenden Fassung anzuwenden. Davon geht auch der Kläger aus.

176

Infolge der eingetretenen Statik hat der Kläger jedoch individualvertraglich keinen Anspruch auf die erst nach Betriebsübergang von den Tarifvertragsparteien des Bundearbeitgeberverbandes Chemie e. V. und der IG BCE nach Betriebsübergang (mit Wirkung zum 1. August 2012) am 5. Februar 2014 beschlossene Erhöhung der Entgelte um 3,7 % und zukünftige Lohnerhöhungen.

177

Aber auch dann, wenn man davon ausgehen würde, dass infolge des - späteren - Verbandseintritts der Beklagten die Bezugnahmeklausel wieder dynamisch zu verstehen wäre, wäre ein individualvertraglicher Anspruch des Klägers nicht gegeben. In diesem Fall würden auch die Regelungen des FVTV und des Ü-TV auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Auch die Regelungen firmenbezogener Verbandstarifverträge sind von der Bezugnahmeklausel im Arbeitsverhältnis erfasst. Wie dargelegt, bezieht sich diese auf das gesamte Tarifwerk. Zu diesem gehören auch firmenbezogene Verbandstarifverträge (vgl. BAG, Urteil vom 20. Januar 2009 - 9 AZR 146/08 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 18). Es kann daher letztlich dahinstehen, ob die zwischen den Parteien vereinbarte Bezugnahmeklausel so auszulegen ist und ausgelegt werden kann, dass mit einem erneuten Verbandseintritt des Arbeitgebers die ursprüngliche Dynamik wiederauflebt bzw. die Klausel wieder "ein Bezugnahmeobjekt" findet und "die schuldrechtliche Tarifgeltung" "aktualisiert" wird (Löwisch/Rieble, TVG, 3. Aufl. 2012, § 3 Rn. 656).

178

Darauf ob der Kläger von der Beklagten zutreffend eingruppiert worden ist, kommt es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits damit nicht mehr an.

179

2. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf die Zahlung von Vergütungsdifferenzen für die Monate Februar bis Mai 2014. Auch in diesem Zeitraum gehen jedenfalls die Bestimmungen des FVTV und des Ü-TV den Regelungen des BETV und des für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrags vor.

180

Die in § 4 Abs. 1 FVTV vorgesehenen Absenkung des Tariflohns um 9 % konnte bereits bei der ab dem 1. Februar 2014 vereinbarten Tarifsteigerung um 3,7 % berücksichtigt werden.

181

§ 6 FVTV und § 3 Ü-TV sehen ihre rückwirkende Geltung ausdrücklich vor. Die Vereinbarung, dass die Tarifverträge rückwirkend die Tariflohnerhöhung zum 1. Februar 2014 erfassen, ist nicht unwirksam.

182

Aus dem Ablösungsprinzip, nach dem die jüngere Tarifregelung der älteren vorgeht, ergibt sich, dass eine Tarifnorm stets unter dem Vorbehalt steht, durch eine nachfolgende tarifliche Regelung verschlechtert oder ganz gestrichen zu werden (BAG, Urteil vom 6. Juni 2007 – 4 AZR 382/06 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 39, Rz. 20; vom 23. März 2005 – 4 AZR 203/04 – NZA 2005, 1003, 1006). Ein Vertrauensschutz besteht insoweit grundsätzlich nicht. Dies gilt in gleicher Weise bei der Änderung eines Tarifvertrags durch einen anderen – spezielleren – Tarifvertrag. Soweit die Änderungen der Tarifnorm Sachverhalte berühren, die in der Vergangenheit liegen, haben die Tarifvertragsparteien allerdings die Grenzen für eine Rückwirkung einzuhalten, die auch vom Gesetzgeber zu beachten sind. Die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien zur rückwirkenden Änderung tarifvertraglicher Regelungen ist durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes der Normunterworfenen begrenzt (BAG, Urteil vom 6. Juni 2007 – 4 AZR 382/06 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 39, Rz. 20; vom 11. Oktober 2006 - 4 AZR 486/05 - NZA 2007, 634). Die den Tarifvertragsparteien in Art. 9 Abs. 3 GG eingeräumte Normsetzungsbefugnis umfasst die rückwirkende Inkraftsetzung von verschlechternden Bedingungen nur insoweit, als sie nicht den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes verletzen, wie ihn das BVerfG für die Rückwirkung von Gesetzen aus Art. 20 GG ableitet. Dabei ist das Vertrauen in den Bestand des tariflichen Anspruchs unabhängig davon schutzwürdig, ob der Tarifvertrag für das Arbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit gilt oder ob dessen Anwendung vertraglich vereinbart ist. Für die Beantwortung der Frage, ob ein Tarifvertrag rückwirkend in einen tariflichen Anspruch eingreifen kann, ist maßgeblich auf den Zeitpunkt der Anspruchsentstehung und nicht auf den gegebenenfalls später liegenden Zeitpunkt der Fälligkeit abzustellen. Bereits von diesem Zeitpunkt an hat der Arbeitnehmer nicht nur eine Anwartschaft, sondern einen Rechtsanspruch erworben, auf dessen Bestand er grundsätzlich vertrauen kann.

183

Die Grundlage für schützenswertes Vertrauen besteht nicht mehr, wenn und sobald die Normunterworfenen mit einer Änderung rechnen müssen. Dabei hat der Wegfall des Vertrauensschutzes nicht zur Voraussetzung, dass der einzelne Tarifunterworfene positive Kenntnis von den maßgeblichen Umständen hat. Entscheidend und ausreichend ist vielmehr die Kenntnis der betroffenen Kreise (BAG, Urteil vom 11. Oktober 2006 - 4 AZR 486/05 - NZA 2007, 634, 636 Rz. 27; vom 23. November 1994 – 4 AZR 879/93 – NZA 1995, 844, 849 f.). In der Regel müssen Arbeitnehmer nicht damit rechnen, dass in bereits entstandene Ansprüche eingegriffen wird, auch wenn sie noch nicht erfüllt oder noch nicht fällig sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn bereits vor der Entstehung des Anspruchs hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Tarifvertragsparteien diesen Anspruch zu Ungunsten der Arbeitnehmer ändern werden. Dann ist das Vertrauen der Arbeitnehmer in die Fortgeltung der Tarifnorm nicht mehr schutzwürdig. Auch dann, wenn die Tarifnorm nicht oder nicht wirksam gekündigt worden ist, kann das schutzwürdige Vertrauen in ihren Fortbestand beseitigt werden. Eine gemeinsame Erklärung der Tarifvertragsparteien, eine ungekündigte tarifliche Regelung werde zu einem bestimmten Zeitpunkt einen näher beschriebenen anderen Inhalt erhalten, ist ein Beispiel dafür, dass das Vertrauen der Normunterworfenen in den Fortbestand dieser Regelung über den bekanntgegebenen Zeitpunkt ihrer Änderung hinaus nicht mehr schutzwürdig ist (BAG, Urteil vom 23. November 1994 – 4 AZR 879/93 – NZA 1995, 844, 849 f.). Es können aber auch andere Umstände eine rückwirkende Änderung ungekündigter kollektiver Normen ankündigen und damit das schutzwürdige Vertrauen in den unveränderten Bestand der Tarifregelung beseitigen (BAG, Urteil vom 17. Mai 2000 - 4 AZR 216/99 - NZA 2000, 1297, 1299 m. w. N.).

184

Wegen der vorangehenden, eingehenden Information der Mitarbeiter der Beklagten können sich diese wie auch der Kläger nicht auf Vertrauensschutz berufen. Sie mussten mit einer rückwirkenden Regelung rechnen.

185

Bereits durch die Tarifinfo vom 2. Juli 2013 der Tarifkommission der IG BCE wurden die Beschäftigten darüber informiert, dass eine erste Verhandlungsrunde zu den zukünftigen tariflichen Regelungen der Beklagten stattfand, in der die Notwendigkeit diskutiert wurde, mit Blick auf die Wettbewerbssituation die Kosten-basis der Beklagten mittel- bis langfristig anzupassen. Beide Seiten der Verhandlungsrunde hätten dabei für den Bereich der Personalkosten eine verbandsbezogene Haustariflösung als sinnvollste Variante angesehen.

186

Insbesondere aber durch den gemeinsamen Aushang der Geschäftsleitung der Beklagten und der Tarifkommission der IG BCE C. vom 20. Januar 2014 wurden konkrete Eckpunkte (Eingruppierungsrichtlinien, Entgeltabsenkung, Überleitungsvereinbarung) als Verhandlungsergebnis vorgestellt. So hieß es in diesem Aushang ausdrücklich: „Diese Anpassung soll insbesondere über eine Anrechnung der zukünftigen Tariflohnerhöhungen geschehen.“ Diese Hinweise sind hinreichend konkret. Es ist weder erforderlich, dass über eine bereits getroffene Entscheidung zu den beabsichtigten Eingriffen informiert wird, noch, dass konkrete Angaben über das Ausmaß der beabsichtigten Eingriffe gemacht werden. Anderenfalls würden die Gestaltungsmöglichkeiten der Tarifvertragsparteien unangemessen eingeschränkt.

187

Die Hinweise mussten nicht an den Kläger persönlich gerichtet sein. Sie stammten von der der Beklagten und der Tarifkommission selbst, also aus einer verläss-lichen Quelle. Die Tarifinfo ist von dem General Manager C. Q.P. sowie dem Vorsitzenden der IG BCE Tarifkommission C. M.N. veröffentlicht worden, deren Namen unter der Tarifinfo angegeben sind.

188

Die Beschäftigten mussten die Informationen so verstehen, dass Tarifverhand-lungen über einen Sanierungstarifvertrag mit den genannten Regelungsgegenständen geführt werden. Dies ergibt sich insbesondere aus dem ersten Absatz dieser Tarifinfo, wonach sich die IG BCE Tarifkommission C. "heute in konstruktiven Gesprächen mit den Arbeitgebern auf folgende Eckpunkte geeinigt" hat.

189

3. Aus den unter 1. dargelegten Gründen folgt, dass der Kläger gegen die Beklagte ebenfalls keinen Anspruch auf die – mit der Klageerweiterung in der Berufungsinstanz – eingeklagte Zahlung von Vergütungsdifferenzen für die Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 31. Dezember 2014 hat.

III.

190

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

191

Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt; insbesondere hat die Rechtssache nach Auffassung der Kammer keine grundsätzliche Bedeutung. Die Frage des Verhältnisses mehrerer Tarifverträge derselben Tarifvertragsparteien zueinander ist höchstrichterlich ebenso geklärt wie diejenige des Verhältnisses zwischen normativ geltenden tariflichen Bestimmungen einerseits und kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren tariflichen Regelungen andererseits. Auf die Auslegung des § 10 BETV und der Fn. 1 zur Vorbemerkung MTV kommt es nicht entscheidungserheblich an. Auch die Frage der Dynamik einer Bezugnahme nach Betriebsübergang ist im vorliegenden Rechtsstreit letztlich nicht entscheidungserheblich. Bei dem vorliegenden Verfahren handelt es sich ebenfalls nicht um ein Musterverfahren.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Urteile sind der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist.

(2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig.

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Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Az.:12 Ca 2458/14 - vom 9. Dezember 2014 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Entlohnung des Klägers nach dem aus seiner Sicht jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrag für die chemische Industrie einschließlich der entsprechenden Eingruppierung nach der Entgeltgruppe 05 sowie über Vergütungsrückstände.

2

Die Beklagte ist auf dem Gebiet der Verarbeitung und Entwicklung hochwertiger flexibler Packstoffe tätig und führender Erzeuger von Verpackungen für Lebensmittel und Hersteller von Folien. Sie beschäftigt am Standort C-Stadt circa 250 Mitarbeiter. Im dortigen Betrieb existiert ein Betriebsrat.

3

Der 1960 geborene, verheiratete Kläger ist gemäß Arbeitsvertrag vom 13. Januar 1981 seit dem 2. Februar 1981 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern als Maschinenbediener beschäftigt.

4

Er war seit dem 2. Februar 1981 Mitglied der IG Chemie-Papier-Keramik und seit 1997 Mitglied der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (im Folgenden: IG BCE). Diese Mitgliedschaft hat er im Juni 2014 gekündigt.

5

Der Arbeitsvertrag vom 13. Januar 1981 (Bl. 8 d. A.), welcher mit der Z. GmbH auf Arbeitgeberseite abgeschlossen wurde, enthält unter anderem folgende Regelungen:

6

"Maßgeblicher Tarifvertrag 1.7.80 Tarifgruppe II

7

Einstell-Lohn           

Tariflohn nach der z. Zt. gültigen Lohntafel

DM 10,10           

        

freiwillige übertarifliche Zulage nach Z.-Gruppe c-1

DM 0,03           

(…)     

                 

Mehrarbeit           

für jede angeordnete, die tarifliche Arbeitszeit überschreitende

        

Arbeitsstunde 25 %

        

(…)     

                 
        

Auf freiwillige übertarifliche Leistungen des Unternehmens besteht auch dann kein Rechtsanspruch, wenn sie wiederholt gewährt werden.

(…)     

                 

Probezeit           

6 Wochen mit beiderseitiger Kündigungsfrist von 3 Tagen.

8

Danach gelten die gesetzlichen und tariflichen Kündigungsfristen".

9

Es existierte ein MTV Chemie in der Fassung vom 1. Juli 1980, der auch entsprechende Tarifgruppen (Vorläufer der Entgeltgruppen) definierte.

10

Die damalige Arbeitgeberin Z. GmbH erwarb durch Beschluss des Vorstandes des Landesverbandes Chemische Industrie Rheinland-Pfalz e. V. rückwirkend zum 1. November 1977 die Mitgliedschaft im D. (damals Landesverband Chemische Industrie Rheinland-Pfalz e. V.). Mit Vertrag vom 23. August 1994 wurde die Z. GmbH auf die Y. GmbH verschmolzen. Letztere war durch Beschluss vom 14. Juni 1988 in den Landesverband Chemische Industrie Rheinland-Pfalz e. V. aufgenommen worden. Sodann wurde der Betrieb der Y. GmbH mit Vertrag vom 27. August 2001 auf die C. Y. GmbH & Co. KG ausgegliedert, die ihr Geschäft per Anwachsung an die C. X. GmbH & Co. KG, als Zweigniederlassung C. C-Stadt übertragen hat. Die neue Firmierung der Zweigniederlassung C. C-Stadt der C. X. GmbH & Co. KG wurde auf der Vorstandssitzung des Landesverbandes Chemische Industrie Rheinland-Pfalz zur Kenntnis genommen und damit die Fortführung der Mitgliedschaft unter neuem Namen gebilligt.

11

Der zuletzt erfolgte Betriebsübergang vollzog sich mit Wirkung zum 1. August 2012. Hierbei ging der Betrieb der C. C-Stadt, Zweigniederlassung der C. X. GmbH & Co. KG auf die Beklagte über. Zugleich wurde die C. C-Stadt, Zweigniederlassung, als Zweigniederlassung der C. X. GmbH & Co. KG aus dem Handelsregister gelöscht. Aus diesem Grund kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 31. August 2012 die Mitgliedschaft der C. C-Stadt, Zweigniederlassung und teilte dem Arbeitgeberverband Chemie Rheinland-Pfalz e. V. zugleich mit, dass es über ihre Verbandszugehörigkeit noch keine Entscheidung gebe.

12

Der "Bundesentgelttarifvertrag für die chemische Industrie West" vom 18. Juli 1987 in der Fassung vom 30. September 2004 (im Folgenden: BETV) enthält u.a. folgende Regelungen:

13

§ 1 Räumlicher, persönlicher und fachlicher Geltungsbereich

14

Der Tarifvertrag gilt für den räumlichen, persönlichen und fachlichen Geltungsbereich des Manteltarifvertrages für die chemische Industrie, jedoch nicht für Auszubildende.

15

§ 2 Öffnungsklausel

16

Arbeitgeber und Betriebsrat können unter Berücksichtigung der tariflichen Mindestbestimmungen ergänzend zu diesem Tarifvertrag Betriebsvereinbarungen unter Beachtung des § 76 Absatz 6 BetrVG abschließen. Bis zum In-Kraft-Treten dieses Tarifvertrages abgeschlossene andere tarifliche Bestimmungen ergänzende Betriebsvereinbarungen gelten unabhängig von dieser Öffnungsklausel weiter und können unter Beachtung des § 76 Absatz 6 BetrVG geändert werden.

17

§ 3 Allgemeine Entgeltbestimmungen

18

1. Der Bundesentgelttarifvertrag ist in Verbindung mit dem jeweils geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag Grundlage der Entgeltfestsetzung.

19

2. Die Arbeitnehmer werden entsprechend der von ihnen ausgeübten Tätigkeit in die Entgeltgruppe eingruppiert. Für die Eingruppierung in eine Entgeltgruppe ist nicht die berufliche Bezeichnung, sondern allein die Tätigkeit des Arbeitnehmers maßgebend. Die Eingruppierung richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Oberbegriffe; hierzu sind als Erläuterung die bei den Entgeltgruppen aufgeführten Richtbeispiele heranzuziehen. Passen die Oberbegriffe nicht auf eine ausgeübte Tätigkeit, so ist ein Arbeitnehmer in diejenige Entgeltgruppe einzugruppieren, die seiner Tätigkeit am nächsten kommt.

20

3. Ein- und Umgruppierungen erfolgen unter Beachtung des Mitbe-stimmungsrechts des Betriebsrates nach den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes.

21

§ 8 Aufbau der Entgeltsätze

22

[….]
5. Die sich aus den Ziffern 1 bis 3 ergebenden Relationen zwischen den einzelnen Tarifentgeltsätzen gelten für die Laufzeit dieses Tarifvertrages. Für Änderungen der Entgeltstruktur sind die Parteien des Bundesentgelttarifvertrages zuständig. [...]

23

§ 10 Tariföffnungsklausel

24

Zur Sicherung der Beschäftigung und/oder zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland, insbesondere auch bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten, können Arbeitgeber und Betriebsrat mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien für Unternehmen und Betriebe durch befristete Betriebsvereinbarung bis zu 10 % von den bezirklichen Tarifentgeltsätzen abweichende niedrigere Entgeltsätze unter Beachtung des § 76 Absatz 6 BetrVG vereinbaren. Diese mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien betrieblich abweichend festgelegten Entgeltsätze gelten als Tarifentgeltsätze. Sie verändern sich – soweit die Betriebsvereinbarung nichts anderes regelt – bei einer Veränderung der in den bezirklichen Entgelttarifverträgen geregelten Tarifentgelte um den gleichen Prozentsatz wie diese.

25

Durch diese Regelung wird der Entgeltaufbau nicht verändert. […]

26

Beschäftigungssichernd und wettbewerbsverbessernd sind unter anderem beschäftigungserhaltende und beschäftigungsfördernde Investitionen am Standort, die Vermeidung von Entlassungen, die Vermeidung der Verlagerung von Produktion, sonstiger Aktivitäten oder Investitionen ins Ausland oder die Vermeidung von Ausgliederungen. Die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit umfasst auch ihre Wiederherstellung oder Erhaltung sowie sonstige existenzsichernde Maßnahmen für das Unternehmen oder den Betrieb.
[…]

27

Die Anwendung dieser Tariföffnungsklausel schließt eine Kombination mit anderen tariflichen Öffnungsklauseln nicht aus.“

28

Protokollnotizen

29

[…] 6. Hintergrund für die Einführung der Tariföffnungsklausel war der Vorschlag der Arbeitgeber zur Schaffung einer tariflichen Spartenlösung für die Chemiefaser-, kunststoffverarbeitende und kautschukverarbeitende Industrie. Die Tarifvertragsparteien gehen gemeinsam davon aus, dass deshalb insbesondere in den Unternehmen dieser Sparten die Anwendung des § 10 geprüft wird. Die Tarifvertragsparteien werden in den vorgenannten Fällen bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Betriebsparteien vermittelnd einwirken."

30

Die Vorbemerkung des zwischen dem BAVC und der IG BCE geschlossenen "Manteltarifvertrages für die chemische Industrie" vom 24. Juni 1992 in der Fassung vom 16. April 2008 (im Folgendem: MTV) lautet wie folgt:

31

"Die Anmerkungen und Protokollnotizen sind von den Tarifvertragsparteien vereinbart und gelten als Bestandteil dieses Tarifvertrages1)."

32

Die Fußnote 1) hierzu lautet:

33

Arbeitgeber und Betriebsrat können unter Berücksichtigung der tariflichen Mindestbestimmungen ergänzend zu diesem Manteltarifvertrag Betriebsvereinbarungen im Sinne des § 77 Abs. 3 BetrVG unter Beachtung des § 76 Abs. 6 BetrVG abschließen. Das gilt nicht für die §§ 1, 4, 5, 7, 8, 10, 17 und 18 dieses Tarifvertrages. […]

34

Zur Sicherung der Beschäftigung oder zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber tarifkonkurrierenden Bereichen können Arbeitgeber und Betriebsrat mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien für Unternehmen, Betriebe und Betriebsabteilungen durch befristete Betriebsvereinbarung von den bezirklichen Tarifentgeltsätzen abweichende niedrigere Entgeltsätze unter Beachtung des § 76 Abs. 6 BetrVG vereinbaren. In der Betriebsvereinbarung kann geregelt werden, dass sie nach Ablauf unbefristet weiter gilt. Tarifkonkurrierend sind solche Tarifverträge, die sich mit dem fachlichen Geltungsbereich des Manteltarifvertrages der chemischen Industrie überschneiden oder unter deren Geltungsbereich das Unternehmen, der Betrieb oder die Betriebsabteilung bei einer Ausgliederung oder Umstrukturierung fallen würde.

35

Zwischen den Tarifvertragsparteien besteht Einvernehmen darüber, dass zur Sicherung der Beschäftigung oder Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit im Einzelfall abweichende tarifliche Regelungen auch in firmenbezogenen Tarifverträgen zwischen dem BAVC und der IG BCE vereinbart werden können. Soweit die tarifliche Regelung auch die bezirklichen Tarifentgeltsätze verändert, sind die firmenbezogenen Verbandstarifverträge von den regional zuständigen Arbeitgeberverbänden mit abzuschließen.“

36

Im Jahr 2013 führte die Beklagte Verhandlungen mit der IG BCE zu den künftigen tariflichen Regelungen. Die IG BCE informierte die Mitarbeiter der Beklagten durch öffentliche Aushänge der Tarifkommission der IG BCE vom 2. Juli 2013 und vom 21. August 2013 über die geplanten Einschnitte im Bereich der Personalkosten durch eine Tarifvertragslösung. Mit gemeinsamem Aushang der Geschäftsleitung der Beklagten und der Tarifkommission der IG BCE C. vom 20. Januar 2014 im Betrieb der Beklagten wurden konkrete Eckpunkte (Eingruppierungsrichtlinien, Entgeltabsenkung, Überleitungsvereinbarung) als Verhandlungsergebnis vorgestellt. Dort heißt es unter anderem: „Diese Anpassung soll insbesondere über eine Anrechnung der zukünftigen Tariferhöhungen geschehen.“

37

Am 5. Februar 2014 einigten sich die Tarifparteien des Bundesarbeitgeberverbandes Chemie e.V. und der IG BCE auf eine Erhöhung der Entgelte um 3,7 %. Die Tariflohnerhöhung für den Tarifbezirk Rheinland-Pfalz sollte rückwirkend zum 1. Februar 2014 erfolgen. Unter dem 12. Mai 2014 schlossen der Bundesarbeitgeberverband Chemie e.V. und der Arbeitgeberverband Chemie Rheinland-Pfalz e. V. einerseits und die IG BCE und die IG BCE, Landesbezirk Rheinland-Pfalz/Saarland, andererseits rückwirkend ab dem 15. Dezember 2013 einen "firmenbezogenen Verbandstarifvertrag für die C. gemäß Fußnote 1 Abs. 3 zum Manteltarifvertrag vom 24. Juni 1992 i.d.F. vom 16. April 2008 (im Folgenden: FVTV) für die Beklagte, der bis zum 31. Dezember 2018 Geltung haben soll. Dieser sieht unter anderem vor, dass für die Beschäftigen der Beklagten ein um 9 % abgesenkter Tarifvertrag zur Anwendung kommt (vgl. § 4 Abs. 1). Zudem soll sich die Zuweisung der Tätigkeiten auf die im Bundesentgelttarifvertrag definierten Entgeltgruppen aus der Betriebsvereinbarung über eine Eingruppierungsrichtlinie und die Überleitung auf die neue Entgeltstruktur vom 12. Mai 2014 zwischen dem Betriebsrat und der Beklagten ergeben (§ 3).

38

In dem FVTV ist unter anderem Folgendes geregelt:

39

Präambel

40

Bei der C. handelt es sich um eine Tochter des C. Konzerns mit Sitz in W.-Stadt, Finnland.

41

Am Standort in C-Stadt werden Kunststoffprodukte zur Verpackung, Transport oder Präsentation von Lebensmitteln hergestellt und mit ähnlichen Produkten aus Schwesterwerken in Deutschland und der EU gehandelt.

42

Auf Grund der derzeitigen Wettbewerbssituation in diesem Marktsegment und der Notwendigkeit, eine langfristige Planung und damit Anreize für Investitionen seitens des Konzerns zu ermöglichen besteht die Notwendigkeit, die Regelungen der Bundestarifverträge, die zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) und der IG BCE abgeschlossen wurden für die C. anzupassen.

43

Dieser firmenbezogenes Verbandstarifvertrag dient damit der Sicherung der Beschäftigung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit.

44

§ 1 Geltungsbereich

45

Dieser Tarifvertrag gilt räumlich für die C., Standort C-Stadt und das Lager in V.-Stadt und persönlich für alle an diesen Standorten tariflich beschäftigten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

46

§ 2 Bundestarifverträge und Bezirksentgelttarifverträge

47

(1) Die zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie vereinbarten Bundestarifverträge einschließlich der Schlichtungsregelungen finden in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung, soweit nicht in den nachfolgenden Bestimmungen von diesen Tarifverträgen abgewichen wird. […]

48

(2) Die zwischen dem AGV Chemie Rheinland-Pfalz e. V. und der Indus-triegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie abgeschlossenen Bezirksentgelttarifverträge finden nur insoweit Anwendung, wie in den nachfolgenden Bestimmungen von diesen Tarifverträgen nicht abgewichen wird.

49

§ 3 Eingruppierung

50

Die für die C., Standort C-Stadt und das Lager in V.-Stadt jetzt und zukünftig geltende Zuweisung der Tätigkeiten auf die im Bundesentgelttarifvertrag (BETV) definierten Entgeltgruppen ergibt sich aus der Betriebsvereinbarung über eine Eingruppierungsrichtlinie und die Überleitung auf die neue Entgeltstruktur vom 12.05.2014 zwischen dem Betriebsrat und der C., Standort C-Stadt.

51

§ 4 Entgelthöhe

52

(1) Es wird vereinbart, dass für die Beschäftigten im Sinne des § 1 dieses firmenbezogenen Verbandstarifvertrages ein um 9 % abgesenkter Tarif zur Anwendung kommt.

53

(2) Ausgehend von diesem abgesenkten Tarif werden zukünftige, zwischen dem BAVC und der IG BCE vereinbarte Tariferhöhungen ohne Anrechnung sonstiger tariflicher Entgeltbestandteile berechnet und weitergegeben.

54

(3) Zur Regelung der Überleitung der jetzigen Entgelte auf die abgesenkten Entgelte wird ein zusätzlicher Überleitungstarifvertrag abgeschlossen.“

55

[…]

56

§ 6 Beginn und Laufzeit

57

Dieser Tarifvertrag gilt rückwirkend ab dem 15.12.2013 bis zum 31.12.2018 und kann mit einer Frist von drei Monaten zum Jahresende gekündigt werden."

58

An demselben Tag schlossen die Beklagte und die IG BCE zur weiteren Ergänzung einen "Überleitungstarifvertrag" (im Folgenden: Ü-TV) mit Wirkung zum 15. Dezember 2013. Dort heißt es auszugsweise:

59

Präambel

60

Auf Grund der derzeitigen Wettbewerbssituation und der Notwendigkeit, eine langfristige Planung und damit Anreize für Investitionen seitens des Konzerns zu ermöglichen sind die Regelungen der Bundestarifverträge, die zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) abgeschlossen wurden, für die C., Standort C-Stadt und das Lager in V.-Stadt mit Wirkung des firmenbezogenen Verbandstarifvertrages zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. und dem Arbeitgeberverband Chemie Rheinland-Pfalz e. V. sowie der IG BCE vom 12.05.2014 angepasst worden.

61

Diese Anpassung erfordert eine ergänzende Regelung, die den Übergang der individuellen Auswirkungen auf die Bedingungen des firmenbezogenen Verbandstarifvertrages regelt.

62

§ 1 Geltungsbereich

63

Dieser Tarifvertrag gilt räumlich für die C., Standort C-Stadt und das Lager in V.-Stadt und persönlich für alle an diesen Standorten tariflich beschäftigten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

64

§ 2 Überleitung der Entgelte

65

(1) Zur Überführung des bisherigen Entgeltes auf das neue Entgelt wird eine nicht tarifdynamisierte Besitzstandszulage gebildet.

66

(2) Die Besitzstandszulage setzt sich aus den Beträgen zusammen, die sich zum einen aus der neuen Entgeltgruppe gemäß § 3 des firmenbezogenen Verbandstarifvertrages vom 12.05.2014 i. V. m. der Betriebsvereinbarung über eine Eingruppierungsrichtlinie und die Überleitung auf die neue Entgeltstruktur vom 12.05.2014 („Abschmelzungsbetrag I“) ergibt und zum anderen aus der Absenkung des Entgelts nach § 4 des firmenbezogenen Verbandstarifvertrages vom 12.05.2014 („Abschmelzungsbetrag II“).

67

(3) Bei der Absenkung des Entgelts nach § 4 des firmenbezogenen Verbandstarifvertrages vom 12.05.2014 („Abschmelzungsbetrag II“) ist die ab dem 01.02.2014 vereinbarte Tarifsteigerung um 3,7 % bereits zu berücksichtigen, so dass aus zukünftigen Tarifsteigerungen maximal noch 5,3 % nicht zur Anwendung kommen. Bei künftigen Tariferhöhungen wird die Steigerung des Tarifentgelts gegen die Besitzstandszulage gerechnet.
[…]

68

§ 3 Beginn und Laufzeit

69

Dieser Tarifvertrag gilt rückwirkend ab dem 15.12.2013 und längstens bis die im Verbandstarifvertrag vereinbarte Entgeltabsenkung erreicht ist."

70

Zur Anpassung der Eingruppierung der Mitarbeiter der Beklagten schlossen die Beklagte und der Betriebsrat der Beklagten am 30. Juni 2014 mit Wirkung zum 12. Mai 2014 eine "Betriebsvereinbarung über eine Eingruppierungsrichtlinie und die Überleitung auf die neue Entgeltstruktur" (im Folgenden: BV) ab. In der Präambel heißt es unter anderem:

71

Präambel

72

Auf Grund verschiedener personeller und struktureller Veränderungen passen die im Werk C-Stadt der C. GmbH & Co. KG und im Lager V.-Stadt zurzeit geltenden individuellen Eingruppierungen und gezahlten Entgelte nicht in allen Fällen mit den im - zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. und der IG BCE abgeschlossenen - Bundesentgelttarifvertrag (BETV) für die chemische Industrie in der Fassung vom 30. September 2004 vereinbarten Beschreibungen und nachgelagerten Honorierungen der Entgeltgruppen zusammen.

73

Um die Zuweisung der verschiedenen, an den Standorten abgeforderten Arbeitsaufgaben inhaltlich und strukturell wieder klarer auf die im BETV definierten Entgeltgruppen zu beziehen einigen sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf die im Folgenden genauer definierten Stellenbeschreibungen, die darauf aufbauende Eingruppierungsrichtlinie und eine Überleitung der jetzigen Entgelte auf die neue Struktur.

74

[….]

75

§ 2 Stellenbeschreibungen

76

(1) Für alle vom Arbeitgeber zurzeit abgeforderten Tätigkeiten sind entsprechende Stellenbeschreibungen (Anlage 1) definiert worden.

77

(2) Diese Stellenbeschreibungen umfassen jeweils die einzelnen Tätigkeit, die geforderte Qualifikation und relevante Besonderheiten der einzelnen Tätigkeit. [….]

78

§ 3 Zuweisung der Entgeltgruppen des BETV

79

(1) Die beschriebenen Tätigkeiten (Stellen) werden den im zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. (BAVC) und der IG BCE vereinbarten Bundesentgelttarifvertrag in der Fassung vom 30. September 2004 (BETV) definierten Entgeltgruppen zugeordnet (Anlage 2).

80

(2) Diese Zuweisung gilt für alle derzeitigen und zukünftigen Eingruppierungen.

81

§ 7 Mitbestimmung der Betriebsräte

82

Für die auf Grundlage dieser Eingruppierungsrichtlinie zwischen den Betriebsparteien final verhandelten erstmalig individuell vorzunehmenden Umgruppierungen der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Anlage 4) in Verbindung mit der Umsetzung der §§ 4 und 5 dieser Betriebsvereinbarung gilt die Zustimmung i. S. d. § 99 Abs. 1 BetrVG als erteilt.

83

[…]

84

§ 9 Laufzeit und Kündigung

85

(1) Diese Betriebsvereinbarung gilt ab dem 12.05.2014 und längstens bis die stufenweise Anpassung der Entgeltveränderungen erreicht ist.
(2) […].“

86

Mit Schreiben vom 10. April 2014 teilte der Arbeitgeberverband Chemie Rheinland-Pfalz e. V. der Beklagten mit, dass diese entsprechend ihrem Antrag auf Mitgliedschaft vom 11. März 2014 rückwirkend zum 1. Januar 2014 neu im Kreise ihrer Mitgliedsunternehmen aufgenommen sei.

87

Die Beklagte informierte mit Schreiben vom 21. Mai 2014 "Überführung in den C.-Tarifvertrag" (Bl. 9 ff. d. A.) die Arbeitnehmer, darunter den Kläger, über die Geltung des neuen firmenbezogenen Tarifvertrages. Dem Schreiben waren je eine vorformulierte Vertragsergänzung zur Eingruppierung sowie zur Geltung des neuen firmenbezogenen Verbandstarifvertrages beigefügt.

88

Danach sollte der Kläger ab dem 1. Juni 2014 als Maschinenbediener unter Zugrundelegung der Entgeltgruppe 04 beschäftigt werden. Der Tätigkeit als Maschinenbediener liegt die Funktionsbeschreibung der Beklagten vom 7. Mai 2014 (Bl. 13 d. A.) zugrunde. Die Vertragsangebote unterschrieb der Kläger nicht.

89

Der Kläger erzielte bislang ein Tarifentgelt in Höhe von 3.039 € brutto entsprechend der Entgeltgruppe E 06. Die seit dem 1. Februar 2014 geltende Tariflohnerhöhung von 3,7 % zahlte die Beklagte bislang nicht aus. Im Zuge des Änderungsangebotes der Beklagten würde das Regel-Tarifentgelt - ohne Berücksichtigung der Besitzstandszulage - 2.364,00 € brutto betragen. Der firmenbezogene Tarifvertrag würde zu einer Reduzierung des Tarifentgelts um 9 % führen.

90

Der Kläger hat mit außergerichtlichem Schreiben vom 27. Mai 2014 (Bl. 14 f. d. A.) die Vergütung nach seiner bisherigen Entgeltgruppe verlangt und ferner Entgeltdifferenzen aufgrund der an ihn nicht weitergegebenen Tariflohnerhöhung mit Wirkung zum 1. Februar 2014 geltend gemacht. Seine Ansprüche verfolgte er mit seiner am 26. Juni 2014 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Klage weiter.

91

Er war der Ansicht,
seine Entgeltansprüche richteten sich nach den allgemeinen Tarifverträgen der chemischen Industrie und nicht nach dem FVTV und dem Ü-TV. Dies ergebe sich aus der Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel.

92

Trotz der statischen Formulierung und der Bezugnahme eines Tarifvertrages in einer bestimmten Fassung liege vorliegend eine kleine dynamische Bezugnahmeklausel auf den BETV vor. Die Parteien hätten die existierenden Vorschriften für die Branche der chemischen Industrie in Bezug genommen. Die Einbeziehung weiterer Normen, die lediglich im Bereich des Arbeitgebers gelten sollten, sei dieser Klausel hingegen nicht zu entnehmen. Die Formulierung „Tariflohn“ verdeutliche gerade, dass eine globale Sichtweise anzulegen sei. Es liege eine Bezugnahmeklausel vor, aus der sich für den Kläger nicht erkennbar ergebe, dass die für den Betrieb einschlägigen kollektivrechtlichen Rechtnormen für die im Arbeitsvertrag ausdrücklich genannte Branche insgesamt im Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung finden sollten. Die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB streite für ihn. Dabei verdränge der Bestandteil des Arbeitsvertrages gewordene und im Gesamtvergleich günstigere (Verbands-)Tarifvertrag den betreffenden Firmentarifvertrag. Das gelte selbst dann, wenn der Arbeitnehmer an den Haustarifvertrag als Gewerkschaftsmitglied gebunden sei; auch dann setze sich der Arbeitsvertrag mit der Bezugnahme zu einem günstigeren Flächentarifvertrag durch. Etwas anderes ergebe sich auch nicht etwa aus der Tariföffnungsklausel des § 10 BETV.

93

Der MTV habe keine Regelungen zu abweichenden Entgeltsätzen festlegen können, da insofern gerade ein eigener ETV existiere, der gerade entgeltliche Fragen für den im Übrigen identischen Anwendungsbereich des MTV normiere.

94

Der Kläger bestreitet, dass der FVTV und der Ü-TV wirksam zustande gekommen sind. Der FVTV sei weder von der Öffnungsklausel der Fußnote 1 des MTV noch von § 10 BETV gedeckt. Äußerst fraglich sei, ob die erforderliche ausdrückliche Normierung einer Tariföffnungsklausel im Tarifvertrag einer Fußnote bzw. Vormerkung entnommen werden könne. Er bestreitet, dass der FVTV zum Zweck der Sicherung der Beschäftigung oder zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, noch dazu gegenüber tarifkonkurrierenden Bereichen, geschlossen worden sei. Er bestreitet weiter, dass vor allem die Tarifverträge der kunststoffverarbeitenden Industrie tarifkonkurrierend im Sinn von Fn. 1 Abs. 2 S. 3 MTV seien und sich daraus für die Beklagte ein Wettbewerbsnachteil mit vergleichbaren Firmen ergebe. Im Übrigen hätten die Mitarbeiter der Beklagten nicht mit einer rückwirkenden Regelung des firmenbezogenen Verbandstarifvertrages rechnen müssen.

95

Bezüglich der erfolgten Rückgruppierung ist die Klägerseite der Ansicht, die Darlegungslast liege bei der Beklagten, warum und inwieweit die bisherige Bewertung seiner Tätigkeit fehlerhaft gewesen sei und deshalb die Eingruppierung korrigiert werden müsse. Die Eingruppierung habe außerdem allein anhand der Regelungen des BETV zu erfolgen. Von der darin enthaltenen Öffnungsklausel seien lediglich „ergänzende“ Regelungen durch Betriebsvereinbarung, nicht hingegen „ersetzende“ Bestimmungen zum Entgelttarifvertrag erfasst. Letzteres sei vorliegend der Fall, da allein durch die Anlage 2 der BV in Verbindung mit den jeweiligen Tätigkeitsbeschreibungen eine verbindliche Zuordnung zu den Entgeltgruppen stattfinde. Dies widerspreche auch dem Grundsatz der Tarifautomatik. Bestritten werde, dass der Betriebsrat an der Betriebsvereinbarung über eine Eingruppierungsrichtlinie und der Überleitung auf die neue Entgeltstruktur ordnungsgemäß mitgewirkt habe. Er bestreitet weiter, dass durch § 7 der Betriebsvereinbarung eine nach § 99 Abs. 1 BetrVG notwendige Zustimmung als erteilt gilt.

96

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

97

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger auch über den 1. Juni 2014 hinaus nach Entgeltgruppe E05 des jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrages für die chemische Industrie, zuletzt des Bundesentgelttarifvertrages für die chemische Industrie West vom 18. Juli 1987 in der Fassung vom 30. September 2004 in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag, zu vergüten;

98

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 127,31 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2014, weitere 123,48 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2014, weitere 123,27 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2014 sowie weitere 135,10 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2014 zu zahlen.

99

Die Beklagte hat beantragt,

100

die Klage abzuweisen.

101

Sie ist der Ansicht, der Kläger habe keinen Anspruch, zu unveränderten Bedingungen nach der Entgeltgruppe E 05 des BETV über den 1. Juni 2014 hinaus vergütet zu werden. Sie habe sich unter anderem entschieden, die Tarifentgelte zur Sicherung der Beschäftigung und Verbesserung des Wettbewerbs abzusenken.

102

Der geschlossene FVTV habe normative Geltung zwischen den Parteien nach §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG. Die Geltung des FVTV ergebe sich für den Fall der fehlenden normativen Geltung des FVTV jedenfalls aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel. Diese stelle nach ihrem Wortlaut und ihrem Zweck unter Berücksichtigung der Stichtagsregelung des Bundesarbeitsgerichtes eine Gleichstellungsabrede dar. Aufgrund dessen würden nicht nur die Verbandstarifverträge, sondern gleichzeitig auch der FVTV erfasst. Die Verweisung könne sich auf mehrere Tarifverträge beziehen, die sich im Geltungsbereich deckten, aber unterschiedliche Regelungen aufwiesen. Dieser Fall sei durch die Kollisionsauflösungsregel zu lösen mit der Folge, dass die Bundestarifverträge und Bezirksentgelttarifverträge gemäß § 2 FVTV nur insoweit Anwendung finden würden, wie in den Bestimmungen des FVTV nicht abgewichen werde.

103

Der FVTV und die darin getroffenen abweichenden Regelungen zu den Entgelt-sätzen seien unter Mitwirkung des regional zuständigen Arbeitgeberverbands Chemie Rheinland-Pfalz e. V. wirksam zustande gekommen. Er basiere auf dem MTV und passe diesen nur unternehmensspezifisch an. Der MTV ermögliche aufgrund seiner in § 1 Fußnote 1 enthaltenen Öffnungsklausel, abweichende Entgeltsätze festzulegen. Unerheblich sei hierbei, ob die Öffnungsklausel als Fußnote spezifiziert, als Protokollnotiz ergänzt oder als eigenständiger Paragraph verfasst sei.

104

Die Absenkung des Tarifentgelts um 9 % erfasse gemäß § 4 Absatz 3 FVTV in Verbindung mit § 2 Abs. 3 Ü-TV jedenfalls auch die Tarifsteigerung von 3,7 % der Bundestarifvertragsparteien zum 1. Februar 2014. Wegen der vorhergehenden eingehenden Information der Mitarbeiter durch öffentliche Aushänge bestünde kein Vertrauensschutz, so dass die rückwirkende Geltung der Tarifabsenkungsregelungen auf den Zeitraum der Tarifsteigerung im Februar 2014 zulässig sei.

105

Die in der BV vorgenommene Zuordnung der 63 abstrakten Stellenbeschrei-bungen auf die im BETV definierten Entgeltgruppen stelle eine Korrekturmaßnahme aufgrund von fehlerhaften Eingruppierungen dar. Daher stelle die BV eine Richtlinie zur Eingruppierung und keine Regelung zur Schaffung eines eigenen Tarifsystems dar. Mit der Definition eigener Funktionsbeschreibungen und personenunabhängigen Bewertungen von Arbeitsplätzen hätten die Betriebsparteien in zulässiger Weise die abstrakten Formulierungen des BETV mit passgenauen Formulierungen der BV ausgefüllt, ohne dabei die Entgeltgruppe selbst zu verändern. Es handele sich hierbei um einen gängigen Vorgang und eine übliche Regelung der Betriebsparteien. Die neu erfolgte Eingruppierung (Umgruppierung) entspreche der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit des Klägers. Er übe gemäß Anlage 2 der BV eine Tätigkeit aus, die der Entgeltgruppe 04 des § 7 BETV vollumfänglich entspreche.

106

Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Klage durch Urteil vom 9. Dezember 2014 abgewiesen.

107

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Das erforderliche Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO für den Feststellungsantrag zu 1. ergebe sich daraus, dass auch hinsichtlich der Zukunft zwischen den Parteien Uneinigkeit darüber bestehe, nach welcher Entgeltgruppe und nach welchem Entgelttarifvertrag der Kläger zu vergüten sei. Mit dem Feststellungsantrag solle außerdem zugleich geklärt werden, welche Entgelttarifverträge auf das vorliegende Arbeitsverhältnis anzuwenden seien (sog. Elementenfeststellungsklage).

108

Der Kläger könne nicht die Feststellung verlangen, nach der Entgeltgruppe E 05 des Entgelttarifvertrages für die chemische Industrie Vergütung zu erhalten. Er habe bereits keinen Anspruch auf die tarifvertragliche Vergütung einschließlich der Entgelterhöhung von 3,7 %, da ein derartiger Vergütungsanspruch durch die Tarifabsenkung gemäß § 4 Abs. 1 des FVTV in Verbindung mit § 2 Abs. 3 Ü-TV in Höhe von 9 % rückwirkend zum 1. Februar 2014 gekürzt worden sei. Insoweit fänden die Bundestarifverträge und die Bezirksentgelttarifverträge gerade keine uneingeschränkte Anwendung, sondern kämen gemäß § 2 FVTV nur insoweit zur Anwendung wie in den Bestimmungen des FVTV hiervon nicht abgewichen werde. Da der mit dem Klageantrag zu 1. verfolgte Anspruch bereits aus diesem Grund unschlüssig sei, komme es auf die weitere Frage der richtigen Eingruppierung nicht mehr an. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fänden die Regelungen des FVTV und des Ü-TV kraft normativer Wirkung gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend Anwendung. Ob die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel den FVTV sowie den Ü-TV erfasse, könne mithin offen bleiben. Beide Tarifverträge ergänzten lediglich, wenn auch zum Nachteil der Arbeitnehmer, den BETV auf derselben Normenhierarchieebene (Verbandstarifvertrag). Das Verhältnis der beiden Tarifverträge zum BETV werde nach den Grundsätzen der Tarifkonkurrenz gelöst, wobei die Verbandstarifverträge zusammen mit den firmenbezogenen Verbandstarifverträgen ein Sinnganzes darstellten. Der FVTV sei als firmenbezogener Verbandstarifvertrag in seinem Anwendungsbereich der speziellere Tarifvertrag und finde damit vorrangig auf das Arbeitsverhältnis der tarifgebundenen Parteien unmittelbar und zwingend Anwendung, § 4 Abs. 1 TVG. Die zwischen den Tarifvertragsparteien abgeschlossenen Bundestarifverträge fänden gemäß § 2 FVTV Anwendung, „soweit nicht in den nachfolgenden Bestimmungen von diesen Tarifverträgen abgewichen" werde. Das Günstigkeitsprinzip nach § 4 Abs. 3 TVG sei bei dieser Fallgestaltung nicht anwendbar. Der FVTV und demzufolge auch der Ü-TV seien wirksam zustande gekommen. Der MTV enthalte in der Fußnote 1 Abs. 2 und 3 MTV Öffnungsklauseln. Die Öffnungsklausel in der Fußnote 1 Abs. 3 des MTV-Chemie werde auch nicht durch die in § 10 BETV geregelte Öffnungsklausel als speziellere verdrängt. Sämtliche in der Fußnote 1 Abs. 3 des MTV genannten Voraussetzungen zum Abschluss eines firmenbezogenen Verbandstarifvertrages zur Entgeltabsenkung seien erfüllt. Soweit die Klägerseite bestreite, dass dieser firmenbezogene Verbandstarifvertrag der Sicherung der Beschäftigung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit diene, stehe dem bereits die Präambel des FVTV entgegen, in der die tarifvertragsschließenden Parteien die Gründe für den Abschluss dieses Tarifvertrages ausdrücklich aufgeführt hätten. Schließlich hätten auch die regional zuständigen Tarifvertragsparteien diesen Verbandstarifvertrag mitunterschrieben. Die in § 4 Abs. 1 FVTV vorgesehene Absenkung des Tariflohns um 9 % habe bei der ab dem 1. Februar 2014 vereinbarten Tarifsteigerung um 3,7 % bereits berücksichtigt werden können, § 2 Abs. 3 Ü-TV. Denn diese tarifvertraglichen Regelungen gälten gemäß den Bestimmungen in § 6 FVTV und § 3 Ü-TV rückwirkend ab dem 15. Dezember 2013 und damit rückwirkend auf den Zeitraum vor der Tariflohnerhöhung im Februar 2014. Die rückwirkende Anwendung der Tariflohnkürzung um 3,7 % auf die entsprechende Tariflohnerhöhung ab dem 1. Februar 2014 sei als Fall der echten Rückwirkung zulässig. Für die Mitarbeiter der Beklagten bestehe kein Vertrauensschutz.

109

Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz (Bl. 343 ff. d. A.) Bezug genommen.

110

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 5. Januar 2015 zugestellt worden. Der Kläger hat hiergegen mit einem am 2. Februar 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

111

Zur Begründung der Berufung macht der Kläger nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes sowie der Schriftsätze vom 12. März 2015 und vom 21. Mai 2015, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 368 ff., 497 f., 550 ff. d. A.), seinen erstinstanzlichen Vortrag ergänzend und vertiefend zusammengefasst geltend,

112

der FVTV und der hierzu geschlossene Ü-TV seien nicht wirksam zustande gekommen. Es fehle an einer entsprechenden Ermächtigungsnorm (Öffnungsklausel), welche die Tarifvertragsparteien entsprechend ermächtige, den FVTV nebst Ü-TV samt den in Bezug genommenen Regelungen betreffend die Vergütung und Eingruppierung des Klägers abzuschließen. § 10 BETV sei keine taugliche Ermächtigungsnorm. Die Formulierung "in Kombination mit" in § 10 BETV erfordere, dass die grundsätzliche Regelungsbefugnis der Parteien (der Beklagten und der beteiligten Tarifvertragsparteien) bereits aus § 10 BETV folgen müsse und nurergänzend weitere Öffnungsklauseln hinzutreten dürften. Der Begriff "ergänzend" sei sonst sinnentleert. Die Öffnungsklausel in Fn. 1 zum MTV werde durch die in § 10 BETV enthaltene "Tariföffnungsklausel" als speziellere Regelung verdrängt. Sie sei keine geeignete Ermächtigungsnorm zum Abschluss des FVTV und des Ü-TV. Auch lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Öffnungsklausel in Fn. 1 zum MTV nicht vor. Diese lasse nur ergänzende Regelungen zu, sofern diese den eigentlichen Regelungsbereich des MTV beträfen ("zu diesem Manteltarifvertrag"), gelte lediglich für Sonderfälle und stelle gerade keine generelle Ermächtigung an die Tarifvertragsparteien dar. Firmenbezogene Tarifverträge hätten nur dann zulässiges Regelungsinstrument sein sollen, wenn dies im Einzelfall nicht anders, das heißt durch eine befristete Betriebsvereinbarung (vgl. Fn. 1 Abs. 1 und 2) geregelt werden könne.

113

Der Kläger bestreitet weiter, dass insbesondere der FVTV und der Ü-TV der Sicherung der Beschäftigung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Beklagten dienten. Er ist der Ansicht, der bloße Hinweis auf die Präambel des FVTV sei nicht ausreichend, die Beklagte sei insoweit darlegungs- und beweispflichtig. Der Aushang der Beklagten vom 13. Februar 2015 bestätige seine Bedenken hinsichtlich deren Behauptung, der FVTV diene der Sicherung der Beschäftigung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Beklagten.

114

Der Kläger ist weiter der Ansicht, der FVTV und Ü-TV seien nicht auf das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der Beklagten anwendbar. Erstinstanzlich sei offen geblieben, ob die Z. GmbH im Zeitpunkt der Einstellung Mitglied des Arbeitgeberverbands gewesen sei. Die Beklagte selbst sei zunächst nicht Mitglied des Arbeitgeberverbandes geworden. Bei inkongruenter Tarifbindung im Zeitpunkt des Betriebsübergangs würden die bei dem Betriebsveräußerer geltenden Tarifnormen jedoch nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses. Es liege eine kleine dynamische Bezugnahmeklausel auf den BETV vor. Der Verbandstarifvertrag verdränge den FVTV. Die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB streite bezüglich des Umfangs der Bezugnahme für ihn.

115

Der zu seinen Gunsten anzunehmende Vertrauensschutz stehe der Zulässigkeit einer Rückwirkung der hier in Rede stehenden tarifvertraglichen Regelungen entgegen. Er sei davon ausgegangen, dass allein die Regelung des BETV für ihn Anwendung finde. Die Informationen hätten sich nicht konkret an ihn, sondern lediglich an die Belegschaft in ihrer Gesamtheit gerichtet. Er habe angenommen, dass sich die von der Beklagten genannten Informationen unter Umständen an andere Beschäftigte richteten, welche eben keine mit seiner eigenen arbeitsrechtlichen Regelung übereinstimmende Regelung hätten.

116

Hinsichtlich des nunmehr unter Ziffer 3 weitergehend geltend gemachten Zahlungsantrags handele es sich lediglich um die weitere Geltendmachung der ihm nicht ausgezahlten Fehlbeträge. Die Entgelterhöhungen ergäben sich aus je 3,7 % von den Tarifentgelten gemäß der Lohnabrechnungen (exklusiv vermögenswirksame Leistungen und exklusiv Kontoführungsgebühren).

117

Der Kläger beantragt,

118

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 9. Dezember 2014, Az. 12 Ca 2458/14 abzuändern und

119

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn auch über den 1. Juni 2014 hinaus nach Entgeltgruppe E 05 des jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrages für die chemische Industrie, zuletzt des Bundesentgelttarifvertrages für die chemische Industrie West vom 18. Juli 1987 in der Fassung vom 30. September 2004 in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag, zu vergüten,

120

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn
127,31 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2014,
weitere 123,48 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2014,
weitere 123,27 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2014 sowie
weitere 135,10 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2014 zu zahlen.

121

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn

122

141,16 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2014,
weitere 120,71 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2014,
weitere 118,36 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2014,
weitere 120,69 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2014,
weitere 120,40 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2014,
weitere 197,37 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2014 sowie
weitere 117,46 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2015 zu zahlen.

123

Die Beklagte beantragt,

124

die Berufung zurückzuweisen.

125

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 9. März 2015 sowie des Schriftsatzes vom 3. Juni 2015, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 425 ff., 553 ff. d. A.), unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags als rechtlich zutreffend. Sie ist der Ansicht,

126

eine einschlägige Ermächtigungsnorm für den Abschluss des FVTV und des Ü-TV sei in Form der Öffnungsklausel in Fn. 1 zum MTV vorhanden, die unabhängig von der gewählten Form als Fußnote wirksamer Bestandteil des MTV sei. Die Bundestarifvertragsparteien hielten mit dem FVTV ihre Normsetzungskompetenz aufrecht. § 4 Abs. 3 Var. 1 TVG lasse die Tarifvertragsparteien selbst darüber entscheiden, ob sie die Abmachung gestatteten. Grundsätzlich seien Öffnungsklauseln in eben jenem Tarifvertrag enthalten, dem sie die Abweichung gestatteten. Schließlich könnten Öffnungsklauseln Unternehmen in der Krise erlauben, tarifliche Arbeitsbedingungen zu unterschreiten, um Betrieb und Arbeitsplätze zu erhalten. Alle Maßnahmen, die der Beschäftigungssicherung oder der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit dienten, rechtfertigten die Anwendung der Tariföffnungsklausel. Aufgrund der Eigenständigkeit der Öffnungsklausel "Tarifkonkurrierende Bereiche" fänden die Bestimmungen des § 10 BETV keine Anwendung. § 10 BETV sei nicht die Öffnungsklausel für eine Kombination mit der Öffnungsklausel der Fußnote 1 zu § 1 MTV, sondern eine eigenständige Regelungsmöglichkeit auf Betriebsebene mittels Betriebsvereinbarung. Demzufolge könne eine Kombination auch nur mit einer anderen Öffnungsklausel, die zu einer Betriebsvereinbarung berechtige, in Frage kommen (so zum Beispiel eine Kombination des Entgeltkorridors mit dem Arbeitszeitkorridor, § 2 Abs. 1 Ziff. 3 MTV). Diese Lösung sei jedoch für die Beklagte kein gangbarer Weg gewesen, da zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit eine unbefristete Entkoppelung vom Tarifgeleitzug notwendig geworden sei. Die Bewertung, ob diese Voraussetzung erfüllt sei, sei Aufgabe der Tarifvertragsparteien. Das Vorliegen eines tarifkonkurrierenden Bereichs sei nicht bereits für die Möglichkeit von den tariflichen Regelungen des MTV Chemie durch FVTV abzuweichen erforderlich, sondern erst dann, wenn eine Gesamtregelung gefunden werden solle, die nach Abs. 2 der Fn. 1 zu § 1 MTV niedrige Entgeltsätze im Vergleich zu einem tarifkonkurrierenden Bereich nach sich ziehe. Solle wie im hier vorliegenden Fall eine Gesamtlösung (Entgeltabsenkung, Eingruppierung, Jahresleistung etc.) zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit vorliegen, müssten die Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 kumulativ erfüllt werden. Tarifkonkurrierend im Sinn der Fn. 1 Abs. 2 seien vor allem die Tarifverträge der kunststoffverarbeitenden Industrie, die für Arbeitgeber im Schnitt circa 15 % günstiger als die Verbandsflächentarifverträge der Chemie seien.

127

Sie befinde sich seit Jahren in wirtschaftlich sehr schwerer Lage. 2012/2013 seien von ursprünglich rund 400 Mitarbeitern nahezu 200 Mitarbeiter abgebaut worden. Die Firma U. stelle nahezu die gleichen Produkte her.

128

Der FVTV bzw. der Ü-TV seien daher kraft normativer Wirkung anwendbar. Eine Gleichstellungsabrede spiele bei Anwendung kraft normativer Wirkung keine Rolle. Durch ihre zwischenzeitlich fehlende Tarifgebundenheit zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs am 1. August 2002 habe sich nichts geändert. Wegen ihres Beitritts zum Arbeitgeberverband greife die der Bezugnahmeklausel innewohnende auflösende Bedingung nicht mehr ein.

129

Die Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel ergebe im vorliegenden Fall, dass die Parteien für den Streitzeitraum den FVTV vereinbart hätten. Seien die Verbandstarifverträge durch die Bezugnahmeklausel erfasst, müsse davon auch der FVTV als Verbandstarifvertrag erfasst sein. Eine differenzierende Formulierung finde sich in der Bezugnahmeklausel nicht und widerspräche auch der Normenhierarchie. Vor dem Hintergrund einer Gleichstellungsabrede könne eine solche Differenzierung weder gewollt noch vereinbart sein. Dafür spreche auch das Verhalten der Parteien nach dem Vertragsschluss. Der Kläger habe an der gesamten Tarifentwicklung - positiv wie negativ - teilgenommen, insbesondere auch an der Anwendung der tarifvertraglichen Öffnungsklauseln nach § 10 BETV Chemie bzw. nach § 2 Abs. 1 MTV Chemie zur Absenkung der Tarifentgelte. Zudem seien über Jahre und Jahrzehnte hinweg Tariflohnerhöhungen und sonstige Besserstellungen weitergegeben worden. Der übereinstimmenden Vorstellung der Vertragsparteien stehe auch nicht entgegen, dass die Anwendbarkeit des FVTV für den Verwender in diesem Fall günstiger sei. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Bezugnahme nicht auch die Öffnungsklauseln der Fußnote 1 zu § 1 MTV und die damit verbundenen firmenbezogenen Anpassungen erfassen solle. Es sei auch nicht ausgeschlossen, dass die Verweisung sich auf mehrere Tarifverträge beziehen könne, die sich im Geltungsbereich deckten, aber unterschiedliche Regelungen aufwiesen. Danach hätten die Arbeitsvertragsparteien mit ihrer Verweisung bei einer möglichen Konkurrenz zwischen mehreren in Bezug genommenen Tarifverträgen dem spezielleren Tarifvertrag den Vorrang einräumen wollen.

130

Der Aushang vom 13. Februar 2015 lasse keinen Rückschluss auf "gut gefüllte Auftragsbücher" zum Zeitpunkt des Tarifvertragsabschlusses zu. Die wirtschaft-liche Lage sei nach wie vor sehr angespannt.

131

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll des Kammertermins vom 10. Juni 2015 (Bl. 571 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

132

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Zwar ist das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz dem Klägervertreter ausweislich des Empfangsbekenntnisses erst am 5. Januar 2015 zugestellt worden, während es bei dem Beklagtenvertreter bereits am 19. Dezember 2014 eingegangen ist. Die Zustellung eines Urteils per Empfangsbekenntnis bei einem Prozessbevollmächtigten (§ 212 a ZPO) ist aber erst dann bewirkt, wenn dieser das Urteil mit dem Willen, es als zugestellt gegen sich gelten zu lassen, entgegennimmt und dies durch seine Unterschrift auf dem Empfangsbekenntnis mit Angabe des Zustellungszeitpunkts dokumentiert. Der Eingang in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten ist insoweit nicht maßgeblich (st. Rspr. des BGH, vgl. nur Urteil vom 19. Juni 2002 - IV ZR 147/01 - juris; vom 18. September 1990 - XI ZB 8/90 - NJW 1991, 42). Im vorliegenden Berufungsverfahren spricht das auf den 5. Januar 2015 datierte Empfangsbekenntnis für eine Zustellung an diesem Tag. Denn ein Empfangsbekenntnis erbringt grundsätzlich Beweis nicht nur für die Entgegennahme des darin bezeichneten Schriftstücks als zugestellt, sondern auch für den Zeitpunkt der Entgegennahme durch den Unterzeichner und damit für den Zeitpunkt der Zustellung.

133

Die Berufung erweist sich auch sonst als zulässig.

B.

134

In der Sache hatte die Berufung des Klägers keinen Erfolg.

I.

135

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO für Klageantrag zu 1. gegeben. Die Anwendbarkeit eines im Klageantrag hinreichend bestimmten (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) Tarifwerks auf ein Arbeitsverhältnis kann durch eine so genannte Elementenfeststellungsklage geklärt werden (BAG, Urteil vom 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - NZA 2012, 100, 101, Rz. 15; vom 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - NZA 2009, 151, 152, Rz. 11 m. w. N.).

136

Die mit der Berufungsbegründung erfolgte Klageerweiterung ist zulässig, § 264 Nr. 2 ZPO. Durch diese ist keine Änderung des Klagegrundes erfolgt (§ 533 ZPO).

II.

137

Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Beklagte ist weder kollektivrechtlich noch individualvertraglich verpflichtet, an den Kläger auch über den 1. Juni 2014 hinaus Vergütung nach der Entgeltgruppe E 05 des jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrages für die chemische Industrie, zuletzt des Bundesentgelttarifvertrages für die chemische Industrie West vom 18. Juli 1987 in der Fassung vom 30. September 2004 in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag zu zahlen (Antrag zu 1.). Auch für die Zeit vom 1. Februar 2014 bis zum 31. Mai 2014 hat der Kläger keinen Anspruch auf die Zahlung der Vergütungserhöhung in Höhe von 3,7 % durch die Beklagte, so dass auch der Antrag zu 2. unbegründet ist. Die zweitinstanzlich erfolgte Klageerweiterung hinsichtlich der Differenzbeträge für die Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 31. Dezember 2014 (Antrag zu 3.) hat ebenfalls keinen Erfolg.

138

1. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Vergütung über den 1. Juni 2014 hinaus nach Entgeltgruppe E 05 des jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrages für die chemische Industrie, zuletzt des BETV für die chemische Industrie West vom 18. Juli 1987 in der Fassung vom 30. September 2004 in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag besteht weder kollektivrechtlich noch aufgrund einer für den Kläger günstigeren einzelvertraglichen Abrede.

139

a) Der Kläger hat keinen entsprechenden Anspruch aus dem BETV in Verbindung mit dem jeweils geltenden Bezirkstarifvertrag für Rheinland-Pfalz in der jeweils geltenden Fassung gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG. Die jeweils aktuelle Fassung findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung, da die Bestimmungen des FVTV und des Ü-TV für die Zeit ab dem 1. Juni 2014 den Regelungen des BETV in Verbindung mit dem jeweils geltenden Bezirkstarifvertrag für Rheinland-Pfalz in der jeweils geltenden Fassung vorgehen. Der FVTV und der Ü-TV sehen gemäß § 4 Abs. 1 FVTV in Verbindung mit § 2 Abs. 3 Ü-TV eine Tarifabsenkung in Höhe von 9 % rückwirkend zum 1. Februar 2014 vor.

140

(1) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Vorschriften der Tarifverträge für die chemische Industrie kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit Anwendung. Der Kläger war seit dem 2. Februar 1981 Gewerkschaftsmitglied. Auch wenn der Kläger seine Mitgliedschaft in der IG BCE im Juni 2014 gekündigt hat, ist er an die zuvor abgeschlossenen Tarifverträge (noch) gemäß § 3 Abs. 3 TVG gebunden. Die Beklagte ist seit dem 1. Januar 2014 Mitglied des Arbeitgeberverbandes Chemie Rheinland-Pfalz.

141

(2) Der BETV in Verbindung mit dem jeweils geltenden Bezirkstarifvertrag für Rheinland-Pfalz findet kollektivrechtlich jedoch nur insoweit Anwendung auf das Arbeitsverhältnis als der FVTV und der Ü-TV für das Arbeitsverhältnis der Parteien keine vorgehenden Regelungen enthalten.

142

(3) Der FVTV und der Ü-TV sind in räumlicher Hinsicht auf Arbeitsverhältnis anwendbar. Diese beiden Tarifverträge gelten persönlich für alle an den Stand-orten C-Stadt und Lager V.-Stadt tariflich beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (§ 1 FVTV, § 1 Ü-TV) und damit für den am Standort C-Stadt tariflich beschäftigten Kläger.

143

(4) Der FVTV und der Ü-TV sind wirksam zustande gekommen. Beide sind schriftlich (§ 1 Abs. 2 TVG) zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden (§ 2 Abs. 1 TVG) abgeschlossen worden. Die jeweiligen Bundesverbände konnten sich beim Vertragsabschluss durch ihre Landesverbände vertreten lassen.

144

(5) Dem wirksamen Zustandekommen dieser Tarifverträge stehen auch nicht die Regelungen des BETV entgegen.

145

(a) Grundsätzlich sind die Tarifvertragsparteien frei darin, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten Tarifverträge abzuschließen und von ihnen geschlossene Tarifverträge abzuändern. Aus dem Ablösungsprinzip, nach dem die jüngere Tarifregelung der älteren vorgeht, ergibt sich, dass eine Tarifnorm stets unter dem Vorbehalt steht, durch eine nachfolgende tarifliche Regelung verschlechtert oder ganz gestrichen zu werden (BAG, Urteil vom 6. Juni 2007 – 4 AZR 382/06 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 9, Rz. 18 und 20). Die Tarifvertragsparteien bedürfen keiner tariflichen Öffnungsklausel, um einen firmenbezogenen Verbandstarifvertrag zu vereinbaren, der einem anderen Verbandstarifvertrag vorgehen soll (vgl. BAG, Urteil vom 19. November 2014 - 4 AZR 761/12 - BeckRS 2015, 67088, Rz. 28; ErfK/Franzen, 15. Aufl. 2015, § 4 TVG Rn.30 m. w. N.). Es ist daher unerheblich, ob der MTV eine Öffnungsklausel enthält (vgl. BAG, Urteil vom 23. März 2005 – 4 AZR 203/04 – NZA 2005, 1003, 1006). An ihre Protokollnotizen sind die Tarifvertragsparteien nicht gebunden (vgl. BAG, Urteil vom 20. Januar 2009 - 9 AZR 146/08 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 18, Rz. 25). Eine Grenze bilden lediglich der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 2 GG sowie zwingendes einfach-gesetzliches Recht. Dabei gehört es insbesondere zu dem durch das Grundgesetz geschützten Kernbereich der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG), dass die Tarifvertragsparteien bis zur Grenze der Willkür in freier Selbstbestimmung festlegen, ob und für welche Berufsgruppen und Tätigkeiten sie überhaupt tarifliche Regelungen treffen oder nicht treffen wollen (vgl. BAG, Urteil vom 29. August 2001 – 4 AZR 352/00 – NZA 2002, 863, 865; vom 30. August 2000 – 4 AZR 563/99 – NZA 2001, 613, 615 zur Festlegung des persönlichen Geltungsbereichs eines Tarifvertrags m. w. N.). Diese Grenze haben die Tarifvertragsparteien mit dem Abschluss des FVTV und des Ü-TV nicht überschritten.

146

(b) Mit dem Abschluss des FVTV und des Ü-TV sind die Tarifvertragsparteien überdies im Rahmen der Kompetenzen geblieben, die sie sich selbst durch die Öffnungsklausel in Fußnote 1 Abs. 3 zur Vorbemerkung MTV eingeräumt haben.

147

Gemäß der Fußnote 1 Abs. 3 zur Vorbemerkung MTV besteht zwischen den Tarifvertragsparteien Einvernehmen darüber, dass zur Sicherung der Beschäftigung oder Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit im Einzelfall abweichende tarifliche Regelungen auch in firmenbezogenen Tarifverträgen zwischen dem BAVC und der IG BCE vereinbart werden können. Dabei sind diese firmenbezogenen Tarifverträge von den regional zuständigen Arbeitgeberverbänden mit abzuschließen, soweit die tarifliche Regelung auch die bezirklichen Tarifentgeltsätze verändert.

148

Diese Klausel ist wirksamer Bestandteil des Tarifvertrags geworden. Die Tarifvertragsparteien des MTV haben in der Vormerkung zu diesem Tarifvertrag ausdrücklich klargestellt, dass (auch) die Anmerkungen und Protokollnotizen von ihnen vereinbart sind und als Bestandteil dieses Tarifvertrages gelten. Die Protokollnotiz ist auch in der erforderlichen Schriftform vereinbart worden. Eine Öffnungsklausel kann sich auch auf einen anderen Tarifvertrag beziehen. Dadurch nimmt der sich öffnende Tarifvertrag seinen Geltungsanspruch gegenüber dem anderen Tarifvertrag zurück (ErfK/Franzen, 15. Aufl. 2015, § 4 TVG Rn. 30).

149

Die Öffnungsklausel in Fußnote 1 Abs. 2 und 3 Vorbemerkung MTV wird auch nicht für den Bereich der Vergütung durch die in § 10 BETV geregelte Öffnungsklausel als speziellere Regelung verdrängt. Eine solche Verdrängung ergibt sich weder aus dem Wortlaut des § 10 BETV, dass „eine Kombination mit anderen tariflichen Öffnungsklauseln“ nicht ausgeschlossen ist, noch aus den verschiedenen Wirkungsmechanismen der beiden tarifvertraglichen Öffnungsklauseln. § 10 BETV regelt nicht die Zulässigkeit der Vereinbarung niedriger Entgeltsätze durch Verbandstarifvertrag, sondern den Abschluss befristeter Betriebsvereinbarungen mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien.

150

Schließlich gilt auch insoweit, dass die Tarifvertragsparteien nicht an ihre eigene Öffnungsklausel in § 10 BETV gebunden sind.

151

Die Voraussetzungen der Öffnungsklausel der Fn. 1 zur Vorbemerkung MTV sind gegeben. Insoweit haben die Tarifvertragsparteien selbst eine Einschätzungsprärogative. Diese steht den Tarifvertragsparteien zu, soweit es um die Beurteilung der tatsächlichen Regelungsprobleme geht. Weiter steht ihnen ein Beurteilungs- bzw. Ermessensspielraum zu, soweit es um die inhaltliche Gestaltung der Regelungen geht (BAG, Urteil vom 29. August 2001 – 4 AZR 352/00 – NZA 2002, 863, 865 m. w. N.). Die Tarifvertragsparteien haben in der Präambel zum FVTV durch die Formulierung „Dieser firmenbezogene Verbandstarifvertrag dient damit der Sicherung der Beschäftigung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit“ deutlich gemacht, dass sie die Voraussetzungen der Fn. 1 Vorbemerkung MTV als gegeben erachtet haben.

152

Die Beklagte, die auf dem Gebiet der Verarbeitung und Entwicklung hochwertiger flexibler Packstoffe tätig ist und Verpackungen für Lebensmittel erzeugt sowie Folien herstellt, steht in Wettbewerb mit den im Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie e. V. zusammengeschlossenen Unternehmen der Kunststoffpackmittelindustrie in Deutschland, die ebenfalls Lebensmittelfolien und Kunststoffverpackungen herstellen, so insbesondere zur Firma U.. Die Tariflöhne in der kunststoffverarbeitenden Industrie liegen unter denjenigen in der chemischen Industrie. Die Beklagte befand sich in der Vergangenheit in einer schweren wirtschaftlichen Situation, die sich in einem erheblichen Stellenabbau widerspiegelte.

153

Dem Vortrag der Beklagten, der FVTV und der Ü-TV seien zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit abgeschlossen worden, stehen auch nicht die Entwicklungen im Jahr 2015, insbesondere der Aushang vom 13. Februar 2015 entgegen. Aus der wirtschaftlichen Entwicklung nach Abschluss der firmenbezogenen Verbandtarifverträge kann nicht auf die wirtschaftliche Lage bei Vertragsabschluss geschlossen werden.

154

(6) Die Bestimmungen des FVTV und des Ü-TV gehen im Rahmen ihres Geltungsbereichs den Regelungen des BETV und des für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrags vor. Dies ergibt sich aus dem Willen der Tarifvertragsparteien, der in den von ihnen abgeschlossenen Bestimmungen zum Ausdruck kommt. Im vorliegenden Fall wurden die Tarifverträge von denselben Tarifvertragsparteien abgeschlossen. Diese legen fest, in welchem Verhältnis die von ihnen abgeschlossenen Tarifverträge stehen.

155

Insoweit ist unschädlich, dass neben den Bundesverbänden auch die regionalen Verbände den FVTV und den Ü-TV mitunterzeichnet haben.

156

Auch kommt es nicht darauf an, ob die Bundesverbände oder die regionalen Verbände die den Tarifvertragsabschlüssen vorangehenden Verhandlungen geführt oder maßgeblich beeinflusst haben. Entscheidend ist allein, ob Tarifverträge letztlich durch die Bundesverbände wirksam abgeschlossen wurden.

157

Sowohl in der Fn. 1 zur Vorbemerkung MTV als auch in der Präambel und in § 2 FVTV sowie in der Präambel des Ü-TV haben die Tarifvertragsparteien deutlich gemacht, dass die Bestimmungen des FVTV und des Ü-TV im Rahmen ihres Geltungsbereichs dem BETV vorgehen sollen, soweit in diesen abweichende Regelungen enthalten sind. Die Fn. 1 zur Vorbemerkung MTV sieht ausdrücklich die Vereinbarung abweichender tariflicher Regelungen vor. Dies macht nur dann Sinn, wenn die so vereinbarten Bestimmungen den übrigen tariflichen Regelungen vorgehen. In der Präambel des FVTV weisen die Tarifvertragsparteien ausdrücklich darauf hin, dass die Regelungen der Bundestarifverträge für die Beklagte angepasst werden müssen. Schließlich ist in § 2 FVTV explizit formuliert:"(1) Die zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie vereinbarten Bundestarifverträge einschließlich der Schlichtungsregelungen finden in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung, soweit nicht in den nachfolgenden Bestimmungen von diesen Tarifverträgen abgewichen wird. (2) Die zwischen dem AGV Chemie Rheinland-Pfalz e. V. und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie abgeschlossenen Bezirksentgelttarifverträge finden nur insoweit Anwendung, wie in den nachfolgenden Bestimmungen von diesen Tarifverträgen nicht abgewichen wird." In der Präambel des Ü-TV haben die Tarifvertragsparteien klargestellt, dass die Anpassung der Regelungen der Bundestarifverträge durch den FVTV "eine ergänzende Regelung" erfordert.

158

Zudem stellen der FVTV und der Ü-TV den spezielleren Tarifvertrag dar und verdrängen auch aus diesem Grund den BETV. Firmenbezogene Verbandstarifverträge stellen gegenüber Flächentarifverträgen stets die speziellere Regelung dar. Dieselbe Rechtsfolge ergibt sich aus dem Ablösungsprinzip, das im Verhältnis von zwei zeitlich aufeinanderfolgenden Normen desselben Normgebers gilt. Danach können die Tarifvertragsparteien grundsätzlich jederzeit einen von ihnen früher selbst vereinbarten Tarifvertrag abändern, einschränken oder aufheben (BAG, Urteil vom 20. Januar 2009 - 9 AZR 146/08 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 18, Urteil vom 6. Juni 2007 - 4 AZR 382/06 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 39, Rz. 18, jeweils m. w. N.).

159

Für die Anwendbarkeit des Günstigkeitsprinzips nach § 4 Abs. 3 TVG ist im Verhältnis des FVTV und des Ü-TV zum BETV kein Raum. Das Günstigkeitsprinzip stellt eine Kollisionsregelung für das Verhältnis von schwächeren zu stärkeren Rechtsnormen dar. Es ist nicht anzuwenden, wenn mehrere tarifvertragliche und damit gleichrangige Regelungen zusammentreffen (BAG, Urteil vom 24. Januar 2001 – 4 AZR 655/99 – NZA 2001, 788, 790).

160

b) Der Kläger hat auch keinen gegenüber der kollektivrechtlichen Regelung günstigeren arbeitsvertraglichen Anspruch auf Vergütung nach dem jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrag für die chemische Industrie, zuletzt des Bundesentgelttarifvertrages für die chemische Industrie West vom 18. Juli 1987 in der Fassung vom 30. September 2004 in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag (§ 4 Abs. 3 TVG). Ein solcher Anspruch des Klägers ergibt sich insbesondere nicht aus einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel in Verbindung mit § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB. Infolge des (letzten) Betriebsübergangs ist die Beklagte gemäß § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB in die arbeitsvertraglich begründeten Rechte und Pflichten der Vorarbeitgeberin eingetreten.

161

Der Bezugnahmeklausel kommt rechtsbegründende Wirkung zu, auch wenn die in Bezug genommenen Tarifnormen ohnehin nach §§ 4 Abs. 1, 3 Abs. 1 TVG zwingend und unmittelbar gelten. Die Wirkung einer Bezugnahmeklausel wird nicht dadurch berührt, dass der in Bezug genommene Tarifvertrag noch aus einem weiteren rechtlichen Grund für das Arbeitsverhältnis der Parteien maßgebend ist (Urteil vom 29. August 2007 - 4 AZR 767/06 - NZA 2008, 364, 365, Rz. 13; vom 19. März 2003 - 4 AZR 331/02 - NZA 2003, 1207, 1209). Auch dann, wenn ein Arbeitnehmer gleichzeitig Gewerkschaftsmitglied ist, wirkt die Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf Tarifverträge stets konstitutiv (und nicht nur deklaratorisch). Dies ergibt sich bereits aus der tatsächlichen Situation des Arbeitsvertragsschlusses und im Hinblick darauf, dass die Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit des Bewerbers nicht zulässig ist (Däubler/Lorenz, TVG, 3. Aufl. 2012, § 3 Rn. 225). Die konstitutive Wirkung der Bezugnahmeklausel konnte auch nicht dadurch später entfallen, dass die Beklagte in den Arbeitgeberverband eingetreten ist.

162

In dem von den Parteien am 13. Januar 1981 abgeschlossenen Arbeitsvertrag haben die damaligen Arbeitsvertragsparteien eine Bezugnahmeregelung vorge-sehen. Bei dieser handelt es sich um eine so genannte Gleichstellungsabrede im Sinn der früheren Rechtsprechung des 4. Senats des Bundesarbeitsgerichts. Infolge des Betriebsübergangs auf die Beklagte sind die aus dem in Bezug genommenen Tarifwerk herrührenden individualvertraglichen Rechte und Pflichten nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten als Erwerberin geworden und zwar mit dem tariflichen Regelungsbestand vom 31. Juli 2012. Die Bezugnahme erstreckt sich damit nicht mehr auf die nach diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Tarifverträge, insbesondere auch nicht auf die Tarifeinigung vom 5. Februar 2014. Aber auch dann, wenn man annehmen würde, dass mit dem Eintritt der Beklagten in den Arbeitgeberverband Chemie aufgrund der im Arbeitsvertrag vereinbarten Gleichstellungsabrede wieder die tariflichen Regelungen Anwendung finden würden, hätte der Kläger keinen Anspruch auf die Vergütungserhöhungen. In diesem Fall wären - wie oben dargelegt - der FVTV und der Ü-TV auf das Arbeitsverhältnis anwendbar. Im Einzelnen:

163

(a) Nach dem in § 4 Abs. 3 TVG normierten Günstigkeitsprinzip gehen abweichende arbeitsvertragliche Regelungen den Abmachungen eines Tarifvertrags dann vor, wenn sie für Arbeitnehmer günstiger sind. Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag steht außerhalb des tarifkollisionsrechtlichen Rahmens. Die Kollision zwischen den kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit für das Arbeitsverhältnis der Parteien normativ geltenden und den aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren Tarifvorschriften ist nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) zu lösen (BAG, Urteil vom 10. Dezember 2014 – 4 AZR 503/12, Rz. 41 m. w. N.). Seine insoweit anders lautende Rechtsauffassung (Urteil vom 23. März 2005 – 4 AZR 203/04 – NZA 2005, 1003) hat das Bundesarbeitsgericht zwischenzeitlich ausdrücklich wieder aufgegeben (Urteil vom 29. August 2007 – 4 AZR 767/06 – NZA 2008, 364, 366, Rz. 20). Eine Tarifkonkurrenz kann bei der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag nicht entstehen (BAG, Urteil vom 9. Juni 2010 - 5 AZR 122/09 - BeckRS 2010, 73884, Rz. 24 m. w. N.). Es geht nicht um die Konkurrenz zweier Tarifverträge, sondern um die Konkurrenz einer arbeitsvertraglichen Regelung und eines normativ wirkenden Tarifvertrags. Nach dem Günstigkeitsprinzip treten unmittelbar und zwingend geltende Tarifbestimmungen hinter einzelvertraglichen Vereinbarungen mit für den Arbeitnehmer günstigeren Bedingungen zurück.

164

(b) Im vorliegenden Fall ist der Kläger durch die arbeitsvertraglichen Vereinbarung hinsichtlich der jeweiligen Vergütungserhöhungen jedoch nicht besser gestellt als durch die kollektivrechtlich geltenden Bestimmungen.

165

Im Arbeitsvertrag vom 13. Januar 1981 haben der Kläger und die Rechtsvorgängerin der Beklagten (Z. GmbH) eine so genannte Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Rechtsprechung des 4. Senats des Bundesarbeitsgerichts vereinbart.

166

Nach dieser Rechtsprechung waren bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers - anders als bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern - Verweisungsklauseln in aller Regel als so genannte Gleichstellungsabreden auszulegen. Mit der Verweisung auf die einschlägigen Tarifverträge sollen die Arbeitnehmer so gestellt werden, wie sie tarifrechtlich stünden, wenn sie tatsächlich tarifgebunden wären. Das bedeutet, dass das Arbeitsverhältnis an der dynamischen Entwicklung der in Bezugnahme stehenden Tarifverträge nur so lange teilnimmt, wie der Arbeitgeber selbst tarifgebunden ist (BAG, Urteil vom 27. Januar 2010 - 4 AZR 570/08 - NJW-Spezial 2010, 402 Rz. 18). Ab diesem Zeitpunkt sind die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch anzuwenden (BAG, Urteil vom 14. Dezember 2011 - 4 AZR 79/10 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 104, Rz. 18; vom 19. März 2003 - 4 AZR 331/02 - NZA 2003, 1207). Dies beruhte auf der Vorstellung, dass mit einer solchen von einem tarifgebundenen Arbeitgeber gestellten Vertragsklausel lediglich die möglicherweise fehlende Gebundenheit des Arbeitnehmers an die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge ersetzt werden soll, um jedenfalls zu einer vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrags zu kommen und damit - bei deren genereller Verwendung - zu dessen Geltung für alle Beschäftigten (vgl. nur BAG, Urteil vom 21. August 2002 - 4 AZR 263/01 - NZA 2003, 442). Diese Auslegungsregel hält der 4. Senat des Bundesarbeitsgerichts nicht mehr aufrecht. Er wendet sie aus Gründen des Vertrauensschutzes aber weiterhin auf die Verweisungsklauseln in Arbeitsverträgen an, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 abgeschlossen worden sind (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAG, Urteil vom 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - NZA 2012, 100, 102 Rz. 18 m. w. N.; vom 23. Januar 2007 - 4 AZR 602/06 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 63 Rz. 21). Dieser Vertrauensschutz unterliegt keiner zeitlichen Beschränkung (BAG, Urteil vom 14. Dezember 2011 - 4 AZR 79/10 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 104, Rz. 18).

167

Da die im Arbeitsvertrag enthaltene Verweisung vor dem 1. Januar 2002 vereinbart worden ist, kommt bei deren Auslegung weiterhin die frühere Rechtsprechung des 4. Senats des Bundesarbeitsgerichts zur Anwendung. Danach ist die Bezugnahme im Arbeitsvertrag eine Gleichstellungsabrede. Sie ist dahin auszulegen, dass sie auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge der chemischen Industrie verweist, an die die damalige Arbeitgeberin tarifgebunden war. Auf diese Weise sind deren Regelungen mit der sich aus dem Charakter als Gleichstellungsabrede ergebenden Maßgabe Inhalt des Arbeitsvertrages des Klägers geworden.

168

Die Z. GmbH war im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags tarifgebunden. Sie hatte durch Beschluss des Vorstandes des Landesverbandes Chemische Industrie Rheinland-Pfalz e. V. rückwirkend zum 1. November 1977 die Mitgliedschaft im damaligen Landesverband Chemische Industrie Rheinland-Pfalz e. V. erworben (vgl. die Niederschrift der Vorstandssitzung des Landesverbands Chemische Industrie Rheinland-Pfalz vom 18. Januar 1978).

169

Bei dem zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrag handelt es sich dem äußeren Erscheinungsbild nach um ein vervielfältigtes Klauselwerk dieser Rechtsvorgängerin der Beklagten, bei dem prima facie anzunehmen ist, dass es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Der Inhalt dieses Formularvertrags ist als Allgemeine Geschäftsbedingung nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie er von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zu Grunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage (BAG, Urteil vom 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - NZA 2012, 100, 102, Rz. 21 m. w. N.).

170

Danach enthält der Arbeitsvertrag eine zeitdynamische Bezugnahme auf die jeweiligen Regelungen der Verbandstarifverträge der Chemischen Industrie. Der Kläger und die Rechtsvorgängerin der Beklagten haben im Arbeitsvertrag an die tariflichen Regelungen der Chemischen Industrie in ihrer Gesamtheit angeknüpft und gestalten sie zeitdynamisch. Davon gehen die Parteien übereinstimmend aus und dem entsprach auch die arbeitsvertragliche Praxis. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten wollte in ihrem Betrieb in C-Stadt das für die chemische Industrie geltende Tarifwerk anwenden und die dort stattfindende tarifliche Entwicklung in dem Arbeitsverhältnis des Klägers nachvollziehen. Zwar nimmt der Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich auf die "Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung" Bezug, sondern nennt als "maßgeblichen Tarifvertrag" das Datum "1.7.80". Aufgrund des Ausnahmecharakters statischer Bezugnahmen ist jedoch zu verlangen, dass sich die fehlende Dynamik aus der Klausel selbst ausdrücklich ergibt. Etwas anderes kann nur dann angenommen werden, wenn besondere Umstände darauf hindeuten, dass auf Grund der arbeitsvertraglichen In-Bezugnahme die Tarifentwicklung nicht ohne Weiteres nachvollzogen werden, der in Bezug genommene Tarifvertrag also nur in der zu einem bestimmten Zeitpunkt geltenden Fassung Anwendung finden soll (BAG, Urteil vom 25. Februar 2015 - 5 AZR 481/13 - BeckRS 2015, 68604, Rz. 15; vom 11. Oktober 2006 - 4 AZR 486/05 - NZA 2007, 634, 635 Rz. 15 m. w. N.). Nicht allein ausreichend für eine statische Bezugnahme ist dagegen, wenn auf den "Tarifvertrag vom (konkretes Datum)" verwiesen wird, da es sich hierbei um eine Formulierung handeln kann, die allein im zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschlussdatum des Arbeitsvertrages steht (Däubler/Lorenz, TVG, 3. Aufl. 2012, § 3 Rn. 229 m. w. N.). Aus der Formulierung "Tariflohn nach der z. Zt. gültigen Lohntafel DM 10,10" wird deutlich, dass nicht nur der gegenwärtige Tariflohn vereinbart werden, sondern der Kläger auch an späteren Tariflohnerhöhungen teilnehmen sollte. Die Formulierung "zur Zeit gültigen" deutet auf die dynamische Verweisung hin.

171

Die Bezugnahme bezieht sich auch nicht nur auf die tariflichen Regelungen, die das Entgelt betreffen, sondern auf das gesamte Tarifwerk der Chemischen Industrie. Bei dem genannten Tarifwerk "1.7.80" handelte es sich um einen Mantel-, nicht um einen reinen Entgelttarifvertrag. Hinsichtlich der Definition von "Mehrarbeit" knüpft der Arbeitsvertrag an die tarifliche Arbeitszeit an: "jede angeordnete, die tarifliche Arbeitszeit überschreitende Arbeitsstunde". Auch hinsichtlich der Kündigungsfrist sollen die "gesetzlichen und tariflichen Kündigungsfristen" gelten. Für die Bezugnahme des gesamten Tarifwerks spricht auch der enge Zusammenhang der Regelungen, so beispielsweise zwischen Arbeitszeit und Tarifentgelt. Zu dem Tarifwerk der chemischen Industrie gehören auch firmenbezogene Verbandstarifverträge. Auch sie werden von den Tarifvertragsparteien der chemischen Industrie (Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. bzw. Arbeitgeberverband Chemie Rheinland-Pfalz einerseits und IG BCE andererseits) abgeschlossen.

172

Das Auslegungsergebnis wird durch die von den Parteien bzw. der Rechtsvorgängerin der Beklagten praktizierte Durchführung des Arbeitsvertrags bestätigt. Für die Auslegung einer vertraglichen Vereinbarung ist gegebenenfalls auch die vertragliche Praxis heranzuziehen, weil diese für den Fall der Einvernehmlichkeit Rückschlüsse auf den Willen der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zulässt (BAG, Urteil vom 14. Dezember 2005 – 10 AZR 296/05 – NZA 2006, 744, 745).

173

Die Bezugnahmeklausel ist keine überraschende Klausel und deshalb Vertragsbestandteil geworden (§ 305c Abs. 1 BGB). Dynamische Verweisungen auf einschlägige Tarifverträge sind im Arbeitsleben als Gestaltungsinstrument so verbreitet, dass ihre Aufnahme in Formularverträge nicht überraschend ist (BAG, Urteil vom 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - NZA 2009, 154, 156, Rz. 20). Das gilt auch soweit durch die Bezugnahme Tarifverträge zur Beschäftigungssicherung in Bezug genommen werden.

174

Für die Anwendung der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB ist angesichts des Auslegungsergebnisses kein Raum.

175

Infolge des Betriebsübergangs wurden die begründeten, aus dem in Bezug genommenen Tarifwerk herrührenden individualvertraglichen Rechte und Pflichten nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten als Erwerberin und zwar, weil es sich um eine Gleichstellungsabrede handelt, mit dem tariflichen Regelungsbestand vom 31. Juli 2012. Mit dem Betriebsübergang auf die - zunächst - nicht tarifgebundene Beklagte hat sich die in der Gleichstellungsabrede enthaltene auflösende Bedingung für die dynamische Fortgeltung realisiert. Der in Bezug genommene Tarifvertrag ist nur noch in der zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs geltenden Fassung anzuwenden. Davon geht auch der Kläger aus.

176

Infolge der eingetretenen Statik hat der Kläger jedoch individualvertraglich keinen Anspruch auf die erst nach Betriebsübergang von den Tarifvertragsparteien des Bundearbeitgeberverbandes Chemie e. V. und der IG BCE nach Betriebsübergang (mit Wirkung zum 1. August 2012) am 5. Februar 2014 beschlossene Erhöhung der Entgelte um 3,7 % und zukünftige Lohnerhöhungen.

177

Aber auch dann, wenn man davon ausgehen würde, dass infolge des - späteren - Verbandseintritts der Beklagten die Bezugnahmeklausel wieder dynamisch zu verstehen wäre, wäre ein individualvertraglicher Anspruch des Klägers nicht gegeben. In diesem Fall würden auch die Regelungen des FVTV und des Ü-TV auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Auch die Regelungen firmenbezogener Verbandstarifverträge sind von der Bezugnahmeklausel im Arbeitsverhältnis erfasst. Wie dargelegt, bezieht sich diese auf das gesamte Tarifwerk. Zu diesem gehören auch firmenbezogene Verbandstarifverträge (vgl. BAG, Urteil vom 20. Januar 2009 - 9 AZR 146/08 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 18). Es kann daher letztlich dahinstehen, ob die zwischen den Parteien vereinbarte Bezugnahmeklausel so auszulegen ist und ausgelegt werden kann, dass mit einem erneuten Verbandseintritt des Arbeitgebers die ursprüngliche Dynamik wiederauflebt bzw. die Klausel wieder "ein Bezugnahmeobjekt" findet und "die schuldrechtliche Tarifgeltung" "aktualisiert" wird (Löwisch/Rieble, TVG, 3. Aufl. 2012, § 3 Rn. 656).

178

Darauf ob der Kläger von der Beklagten zutreffend eingruppiert worden ist, kommt es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits damit nicht mehr an.

179

2. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf die Zahlung von Vergütungsdifferenzen für die Monate Februar bis Mai 2014. Auch in diesem Zeitraum gehen jedenfalls die Bestimmungen des FVTV und des Ü-TV den Regelungen des BETV und des für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrags vor.

180

Die in § 4 Abs. 1 FVTV vorgesehenen Absenkung des Tariflohns um 9 % konnte bereits bei der ab dem 1. Februar 2014 vereinbarten Tarifsteigerung um 3,7 % berücksichtigt werden.

181

§ 6 FVTV und § 3 Ü-TV sehen ihre rückwirkende Geltung ausdrücklich vor. Die Vereinbarung, dass die Tarifverträge rückwirkend die Tariflohnerhöhung zum 1. Februar 2014 erfassen, ist nicht unwirksam.

182

Aus dem Ablösungsprinzip, nach dem die jüngere Tarifregelung der älteren vorgeht, ergibt sich, dass eine Tarifnorm stets unter dem Vorbehalt steht, durch eine nachfolgende tarifliche Regelung verschlechtert oder ganz gestrichen zu werden (BAG, Urteil vom 6. Juni 2007 – 4 AZR 382/06 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 39, Rz. 20; vom 23. März 2005 – 4 AZR 203/04 – NZA 2005, 1003, 1006). Ein Vertrauensschutz besteht insoweit grundsätzlich nicht. Dies gilt in gleicher Weise bei der Änderung eines Tarifvertrags durch einen anderen – spezielleren – Tarifvertrag. Soweit die Änderungen der Tarifnorm Sachverhalte berühren, die in der Vergangenheit liegen, haben die Tarifvertragsparteien allerdings die Grenzen für eine Rückwirkung einzuhalten, die auch vom Gesetzgeber zu beachten sind. Die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien zur rückwirkenden Änderung tarifvertraglicher Regelungen ist durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes der Normunterworfenen begrenzt (BAG, Urteil vom 6. Juni 2007 – 4 AZR 382/06 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 39, Rz. 20; vom 11. Oktober 2006 - 4 AZR 486/05 - NZA 2007, 634). Die den Tarifvertragsparteien in Art. 9 Abs. 3 GG eingeräumte Normsetzungsbefugnis umfasst die rückwirkende Inkraftsetzung von verschlechternden Bedingungen nur insoweit, als sie nicht den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes verletzen, wie ihn das BVerfG für die Rückwirkung von Gesetzen aus Art. 20 GG ableitet. Dabei ist das Vertrauen in den Bestand des tariflichen Anspruchs unabhängig davon schutzwürdig, ob der Tarifvertrag für das Arbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit gilt oder ob dessen Anwendung vertraglich vereinbart ist. Für die Beantwortung der Frage, ob ein Tarifvertrag rückwirkend in einen tariflichen Anspruch eingreifen kann, ist maßgeblich auf den Zeitpunkt der Anspruchsentstehung und nicht auf den gegebenenfalls später liegenden Zeitpunkt der Fälligkeit abzustellen. Bereits von diesem Zeitpunkt an hat der Arbeitnehmer nicht nur eine Anwartschaft, sondern einen Rechtsanspruch erworben, auf dessen Bestand er grundsätzlich vertrauen kann.

183

Die Grundlage für schützenswertes Vertrauen besteht nicht mehr, wenn und sobald die Normunterworfenen mit einer Änderung rechnen müssen. Dabei hat der Wegfall des Vertrauensschutzes nicht zur Voraussetzung, dass der einzelne Tarifunterworfene positive Kenntnis von den maßgeblichen Umständen hat. Entscheidend und ausreichend ist vielmehr die Kenntnis der betroffenen Kreise (BAG, Urteil vom 11. Oktober 2006 - 4 AZR 486/05 - NZA 2007, 634, 636 Rz. 27; vom 23. November 1994 – 4 AZR 879/93 – NZA 1995, 844, 849 f.). In der Regel müssen Arbeitnehmer nicht damit rechnen, dass in bereits entstandene Ansprüche eingegriffen wird, auch wenn sie noch nicht erfüllt oder noch nicht fällig sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn bereits vor der Entstehung des Anspruchs hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Tarifvertragsparteien diesen Anspruch zu Ungunsten der Arbeitnehmer ändern werden. Dann ist das Vertrauen der Arbeitnehmer in die Fortgeltung der Tarifnorm nicht mehr schutzwürdig. Auch dann, wenn die Tarifnorm nicht oder nicht wirksam gekündigt worden ist, kann das schutzwürdige Vertrauen in ihren Fortbestand beseitigt werden. Eine gemeinsame Erklärung der Tarifvertragsparteien, eine ungekündigte tarifliche Regelung werde zu einem bestimmten Zeitpunkt einen näher beschriebenen anderen Inhalt erhalten, ist ein Beispiel dafür, dass das Vertrauen der Normunterworfenen in den Fortbestand dieser Regelung über den bekanntgegebenen Zeitpunkt ihrer Änderung hinaus nicht mehr schutzwürdig ist (BAG, Urteil vom 23. November 1994 – 4 AZR 879/93 – NZA 1995, 844, 849 f.). Es können aber auch andere Umstände eine rückwirkende Änderung ungekündigter kollektiver Normen ankündigen und damit das schutzwürdige Vertrauen in den unveränderten Bestand der Tarifregelung beseitigen (BAG, Urteil vom 17. Mai 2000 - 4 AZR 216/99 - NZA 2000, 1297, 1299 m. w. N.).

184

Wegen der vorangehenden, eingehenden Information der Mitarbeiter der Beklagten können sich diese wie auch der Kläger nicht auf Vertrauensschutz berufen. Sie mussten mit einer rückwirkenden Regelung rechnen.

185

Bereits durch die Tarifinfo vom 2. Juli 2013 der Tarifkommission der IG BCE wurden die Beschäftigten darüber informiert, dass eine erste Verhandlungsrunde zu den zukünftigen tariflichen Regelungen der Beklagten stattfand, in der die Notwendigkeit diskutiert wurde, mit Blick auf die Wettbewerbssituation die Kosten-basis der Beklagten mittel- bis langfristig anzupassen. Beide Seiten der Verhandlungsrunde hätten dabei für den Bereich der Personalkosten eine verbandsbezogene Haustariflösung als sinnvollste Variante angesehen.

186

Insbesondere aber durch den gemeinsamen Aushang der Geschäftsleitung der Beklagten und der Tarifkommission der IG BCE C. vom 20. Januar 2014 wurden konkrete Eckpunkte (Eingruppierungsrichtlinien, Entgeltabsenkung, Überleitungsvereinbarung) als Verhandlungsergebnis vorgestellt. So hieß es in diesem Aushang ausdrücklich: „Diese Anpassung soll insbesondere über eine Anrechnung der zukünftigen Tariflohnerhöhungen geschehen.“ Diese Hinweise sind hinreichend konkret. Es ist weder erforderlich, dass über eine bereits getroffene Entscheidung zu den beabsichtigten Eingriffen informiert wird, noch, dass konkrete Angaben über das Ausmaß der beabsichtigten Eingriffe gemacht werden. Anderenfalls würden die Gestaltungsmöglichkeiten der Tarifvertragsparteien unangemessen eingeschränkt.

187

Die Hinweise mussten nicht an den Kläger persönlich gerichtet sein. Sie stammten von der der Beklagten und der Tarifkommission selbst, also aus einer verläss-lichen Quelle. Die Tarifinfo ist von dem General Manager C. Q.P. sowie dem Vorsitzenden der IG BCE Tarifkommission C. M.N. veröffentlicht worden, deren Namen unter der Tarifinfo angegeben sind.

188

Die Beschäftigten mussten die Informationen so verstehen, dass Tarifverhand-lungen über einen Sanierungstarifvertrag mit den genannten Regelungsgegenständen geführt werden. Dies ergibt sich insbesondere aus dem ersten Absatz dieser Tarifinfo, wonach sich die IG BCE Tarifkommission C. "heute in konstruktiven Gesprächen mit den Arbeitgebern auf folgende Eckpunkte geeinigt" hat.

189

3. Aus den unter 1. dargelegten Gründen folgt, dass der Kläger gegen die Beklagte ebenfalls keinen Anspruch auf die – mit der Klageerweiterung in der Berufungsinstanz – eingeklagte Zahlung von Vergütungsdifferenzen für die Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 31. Dezember 2014 hat.

III.

190

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

191

Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt; insbesondere hat die Rechtssache nach Auffassung der Kammer keine grundsätzliche Bedeutung. Die Frage des Verhältnisses mehrerer Tarifverträge derselben Tarifvertragsparteien zueinander ist höchstrichterlich ebenso geklärt wie diejenige des Verhältnisses zwischen normativ geltenden tariflichen Bestimmungen einerseits und kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren tariflichen Regelungen andererseits. Auf die Auslegung des § 10 BETV und der Fn. 1 zur Vorbemerkung MTV kommt es nicht entscheidungserheblich an. Auch die Frage der Dynamik einer Bezugnahme nach Betriebsübergang ist im vorliegenden Rechtsstreit letztlich nicht entscheidungserheblich. Bei dem vorliegenden Verfahren handelt es sich ebenfalls nicht um ein Musterverfahren.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 12. Januar 2012 - 5 Sa 269/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den Verfall von Gleitzeitguthaben auf einem Arbeitszeitkonto.

2

Der 1947 geborene Kläger war seit November 1980 bei der Beklagten in deren Bundesanstalt Technisches Hilfswerk am Dienstort K beschäftigt, zuletzt seit 1. August 2008 als Bürosachbearbeiter. Das Arbeitsverhältnis endete wegen Erreichens des Rentenalters im Januar 2012.

3

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 (TVöD) Anwendung. Dieser enthält zur Arbeitszeit ua. folgende Regelungen:

        

㤠6

        

Regelmäßige Arbeitszeit

        

(1)     

Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen für

                 

a)    

die Beschäftigten des Bundes durchschnittlich 39 Stunden wöchentlich,

                 

…       

        
                 

Die regelmäßige Arbeitszeit kann auf fünf Tage, aus notwendigen betrieblichen/dienstlichen Gründen auch auf sechs Tage verteilt werden.

        

(2)     

Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen. (…)

        

…       

        
        

(6)     

Durch Betriebs-/Dienstvereinbarung kann ein wöchentlicher Arbeitszeitkorridor von bis zu 45 Stunden eingerichtet werden. Die innerhalb eines Arbeitszeitkorridors geleisteten zusätzlichen Arbeitsstunden werden im Rahmen des nach Absatz 2 Satz 1 festgelegten Zeitraums ausgeglichen.

        

(7)     

Durch Betriebs-/Dienstvereinbarung kann in der Zeit von 6 bis 20 Uhr eine tägliche Rahmenzeit von bis zu zwölf Stunden eingeführt werden. Die innerhalb der täglichen Rahmenzeit geleisteten zusätzlichen Arbeitsstunden werden im Rahmen des nach Absatz 2 Satz 1 festgelegten Zeitraums ausgeglichen.

        

(8)     

Die Absätze 6 und 7 gelten nur alternativ und nicht bei Wechselschicht- und Schichtarbeit.

        

…       

        
        

Protokollerklärung zu § 6:

        

Gleitzeitregelungen sind unter Wahrung der jeweils geltenden Mitbestimmungsrechte unabhängig von den Vorgaben zu Arbeitszeitkorridor und Rahmenzeit (Absätze 6 und 7) möglich. (…)

        

…       

        

§ 10

        

Arbeitszeitkonto

        

(1)     

Durch Betriebs-/Dienstvereinbarung kann ein Arbeitszeitkonto eingerichtet werden. (…)

        

…       

        
        

(3)     

Auf das Arbeitszeitkonto können Zeiten, die bei Anwendung des nach § 6 Abs. 2 festgelegten Zeitraums als Zeitguthaben oder als Zeitschuld bestehen bleiben, nicht durch Freizeit ausgeglichene Zeiten nach § 8 Abs. 1 Satz 5 und Abs. 2 sowie in Zeit umgewandelte Zuschläge nach § 8 Abs. 1 Satz 4 gebucht werden. Weitere Kontingente (z.B. Rufbereitschafts-/Bereitschaftsdienstentgelte) können durch Betriebs-/Dienstvereinbarung zur Buchung freigegeben werden. Die/Der Beschäftigte entscheidet für einen in der Betriebs-/Dienstvereinbarung festgelegten Zeitraum, welche der in Satz 1 genannten Zeiten auf das Arbeitszeitkonto gebucht werden.

        

(4)     

Im Falle einer unverzüglich angezeigten und durch ärztliches Attest nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeit während eines Zeitausgleichs vom Arbeitszeitkonto (Zeiten nach Absatz 3 Satz 1 und 2) tritt eine Minderung des Zeitguthabens nicht ein.

        

(5)     

In der Betriebs-/Dienstvereinbarung sind insbesondere folgende Regelungen zu treffen:

                 

a)    

Die höchstmögliche Zeitschuld (bis zu 40 Stunden) und das höchstzulässige Zeitguthaben (bis zu einem Vielfachen von 40 Stunden), die innerhalb eines bestimmten Zeitraums anfallen dürfen;

                 

b)    

nach dem Umfang des beantragten Freizeitausgleichs gestaffelte Fristen für das Abbuchen von Zeitguthaben oder für den Abbau von Zeitschulden durch die/den Beschäftigten;

                 

c)    

die Berechtigung, das Abbuchen von Zeitguthaben zu bestimmten Zeiten (z. B. an so genannten Brückentagen) vorzusehen;

                 

d)    

die Folgen, wenn der Arbeitgeber einen bereits genehmigten Freizeitausgleich kurzfristig widerruft.“

4

In der Dienststelle des Klägers galt im Streitzeitraum die „Dienstvereinbarung zur Arbeitszeitflexibilisierung in der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk“ vom 12. Juni 2008 (fortan: DV), in der es auszugsweise heißt:

        

„…    

        

§ 2 Regelmäßige wöchentliche/tägliche Arbeitszeit

        

(1)     

Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit richtet sich nach den tariflichen bzw. gesetzlichen Vorschriften.

        

(2)     

Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit entspricht bei Vollbeschäftigten 1/5 der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Bei Teilzeitbeschäftigten gilt die individuell festgelegte Arbeitszeit.

        

§ 3 Rahmenarbeitszeiten

        

(1)     

Für die regelmäßigen täglichen Arbeitszeiten wird die Rahmenarbeitszeit wie folgt festgesetzt:

                 

montags bis freitags von 6.00 Uhr bis 20.00 Uhr und

                 

samstags von 8.00 Uhr bis 13.00 Uhr.

        

(2)     

Für Betreuungs- und Repräsentationstätigkeiten gelten zusätzlich folgende Arbeitszeiten:

                 

montags bis freitags von 20:00 Uhr bis 24:00 Uhr und

                 

samstags von 13:00 Uhr bis 24:00 Uhr.

        

…       

        

§ 5 Dienst an Samstagen

        

(1)     

Durch die Möglichkeit, Dienst an Samstagen zu leisten, wird keine 6-Tage-Woche eingeführt.

        

(2)     

Dienst an Samstagen kann wie folgt geleistet werden:

                 

1.    

die Beschäftigten entscheiden dies freiwillig und aus eigenem Ermessen mit der Zustimmung des direkten Vorgesetzten. Die Zustimmung kann nur aus dienstlichen Gründen versagt werden.

                 

2.    

aufgrund einer Anordnung von Mehrarbeit oder Überstunden.

        

§ 6 Höchstgrenzen der täglichen Arbeitsstunden

        

(1)     

Die tägliche Arbeitszeit ohne Pausen darf 12 Stunden und 15 Minuten nicht überschreiten. Darüber hinaus geleistete Arbeitsstunden werden nicht als Arbeitszeit gutgeschrieben. § 2 ist zu beachten.

        

(2)     

Soweit besondere Vorschriften (Mutterschutzgesetz, Jugendarbeitsschutzgesetz u. ä.) eine niedrigere Stundenzahl festsetzen, darf diese nicht überschritten werden.

        

(3)     

Die Höchstgrenze der täglichen Arbeitszeit darf bei Einsätzen, Übungen, Bereitstellungen und Großveranstaltungen ausnahmsweise überschritten werden. Der nächste Dienst darf erst nach 11 Stunden Ruhe angeordnet werden.

        

§ 7 Gleitzeitkonto

        

(1)     

Die Beschäftigten können ein Gleitzeitkonto aufbauen. Stunden können wie folgt angesammelt werden:

                 

a)    

bei Beschäftigung bis 100 % der Arbeitszeit Höchstgrenze 80 Stunden

                 

b)    

bei Beschäftigung bis 75 % der Arbeitszeit Höchstgrenze 60 Stunden

                 

c)    

bei Beschäftigung bis 50 % der Arbeitszeit Höchstgrenze 40 Stunden

                 

d)    

bei Beschäftigung bis 25 % der Arbeitszeit Höchstgrenze 20 Stunden.

        

(2)     

Das Arbeitszeitguthaben, welches die Höchstgrenzen nach Abs. 1 überschreitet, verfällt ohne jeglichen Ausgleich zum Monatsabschluss.

                 

Die nach § 3 Abs. 2 geleisteten Stunden unterliegen bis zu einer Höchstgrenze von 20 Stunden monatlich nicht dieser Kappung.

        

(3)     

Es dürfen höchstens 50 % der in Absatz 1 festgesetzten Höchstgrenzen in den nächsten Abrechnungszeitraum übertragen werden. Der Abrechnungszeitraum beginnt am 01. April eines Jahres und endet am 31. März des jeweiligen Folgejahres.

        

(4)     

Angesammelte Stunden können mit Genehmigung des direkten Vorgesetzten grundsätzlich jederzeit - sowohl zusammenhängend als auch vor oder nach einem Urlaub - durch die Inanspruchnahme von Gleittagen abgebaut werden. Die Höchstgrenze der Gleittage innerhalb eines Kalenderjahres beträgt maximal 24 Tage.

                 

Der stundenweise Abbau ist ebenso möglich.

        

(5)     

Die Gutschrift eines Gleittages, der wegen plötzlicher Erkrankung wider Erwarten nicht angetreten werden kann, erfolgt nur bei Vorlage eines ärztlichen Attestes.

        

…       

        
        

(8)     

Bei Beschäftigten, deren Gleitzeitkonto bei Beendigung des Dienst- bzw. Arbeitsverhältnisses einen Minusbetrag aufweist, wird die Besoldung/das Entgelt für diese Fehlzeiten zurückgefordert.

        

(9)     

Die Beschäftigten haben vor Beginn von planbaren längeren Abwesenheiten (z. B. Abordnungen zu einer anderen Behörde, Mutterschutz, Elternzeit, sonstige Beurlaubungen) Minusstunden rechtzeitig auszugleichen. Ein ausgewiesener Minusbetrag wird über das Entgelt/die Besoldung zurückgefordert.

        

…       

        

§ 13 Überstunden

        

(1)     

Samstage, Heiligabend und Silvester sind grundsätzlich dienstfrei. Soweit dienstliche Gründe es erfordern, können an Samstagen, Heiligabend, Silvester, Sonntagen, gesetzlich anerkannten Feiertagen sowie außerhalb der Rahmenarbeitszeit i.S.d. § 3 Überstunden durch den Dienststellenleiter angeordnet werden. An allen anderen Tagen sind die bestehenden Flexibilisierungsmöglichkeiten zu nutzen.

        

(2)     

Nach Abs. 1 angeordnete Überstunden sind grundsätzlich im Rahmen der Dienstvereinbarung durch Freizeit auszugleichen. Der Abbau von angeordneten Überstunden zählt nicht als Gleittag.

        

…“    

        
5

Mit E-Mail vom 10. Februar 2010 wurden die Beschäftigten darüber informiert, dass „im Einvernehmen mit dem BPR und der Gleichstellungsbeauftragten“ der Abrechnungszeitraum des § 7 Abs. 3 DV bis einschließlich 30. September 2010 verlängert wurde. Auf eine entsprechende Absicht hatte die Beklagte bereits mit E-Mail vom 22. Januar 2010 hingewiesen, und dabei gebeten, „das Gleitzeitkonto unter Anwendung von Zeitausgleich (statt Urlaubsabgeltung) entsprechend rechtzeitig herunter zu fahren und das Gleitzeitkonto unter Anwendung der Flexibilisierungsinstrumente gar nicht erst außerordentlich anwachsen zu lassen“. Angeordnete Überstunden sollten auf dem Überstundenkonto „gesichert“ werden.

6

Das Gleitzeitkonto des Klägers wies Ende Mai 2010 ein Guthaben von 80 Stunden auf. Zu diesem Zeitpunkt erkrankte der Kläger und war über den Abrechnungszeitraum hinaus arbeitsunfähig. Mit Ablauf des 30. September 2010 kürzte die Beklagte unter Berufung auf § 7 Abs. 3 DV auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers das Gleitzeitguthaben von 80 auf 40 Stunden.

7

Mit der am 22. März 2011 eingereichten Klage hat der Kläger die Gutschrift von 40 Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto begehrt und geltend gemacht, die Beklagte habe das Guthaben zu Unrecht gekürzt, weil er krankheitsbedingt bis zum Stichtag keinen Freizeitausgleich habe nehmen können. Ihm dürfe nicht die Gegenleistung für erbrachte Arbeit entzogen werden. Es wäre auch widersprüchlich, wenn bei Erkrankung während des Freizeitausgleichs die Krankentage gemäß § 7 Abs. 5 DV gutgeschrieben würden, bei lang andauernder Erkrankung der Freizeitausgleich aber verfallen solle. Letzterem stünde auch die neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Nichtverfall von Urlaub bei lang andauernder Erkrankung entgegen.

8

Der Kläger hat in den Vorinstanzen beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, dem Arbeitszeitkonto des Klägers 40 Stunden gutzuschreiben.

9

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, § 7 Abs. 3 DV sehe die Kappung eines - bei Vollbeschäftigten - über 40 Stunden hinausgehenden Gleitzeitguthabens am Ende eines Abrechnungszeitraums vor. Die Dienstvereinbarung sei rechtlich nicht zu beanstanden. § 10 TVöD eröffne den Dienststellenpartnern einen weiten Regelungsspielraum. Auch tariflich bewirke nur die Arbeitsunfähigkeit, die „während eines Zeitausgleichs“ eintrete, keine Minderung des Zeitguthabens. Wenn die Beschäftigten selbst entscheiden können, ob und wie lange sie arbeiten, sei es nicht unbillig, ihnen auch die Verantwortung dafür zu übertragen, Guthaben durch Gleittage rechtzeitig abzubauen. Dabei fielen Schicksalsschläge wie eine lang andauernde Erkrankung in den Risikobereich der Beschäftigten.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat am 12. Januar 2012 die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision hat der Kläger die Klage geändert und beantragt, nunmehr unter Aufhebung des Berufungsurteils und Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 650,40 Euro brutto zu zahlen.

11

Aufgrund seines Ausscheidens im Januar 2012 habe er nunmehr Anspruch auf Abgeltung der dem Arbeitszeitkonto gutzuschreibenden 40 Stunden. Sein Bruttostundenentgelt habe sich zuletzt bei Vergütung nach Entgeltgruppe 8 Stufe 6 TVöD auf 16,26 Euro belaufen. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

12

I. Die Revision ist zulässig. Der Kläger ist durch das angefochtene Urteil auch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses beschwert.

13

Der Sinn eines Rechtsmittelverfahrens, dem Revisionskläger Gelegenheit zu geben, eine ihm ungünstige vorinstanzliche Entscheidung durch Inanspruchnahme einer weiteren Instanz überprüfen zu lassen, gebietet es, dass der Rechtsmittelkläger durch die angefochtene Entscheidung nicht nur bei der Einlegung, sondern noch im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel beschwert sein muss (BAG 21. März 2012 - 5 AZR 320/11 - Rn. 11 mwN). Das ist vorliegend der Fall. Der Kläger verfolgt zwar in der Revision den in den Vorinstanzen gestellten Sachantrag auf Gutschrift gestrichener Stunden auf dem Gleitzeitkonto nicht mehr weiter. Gleichwohl bleibt er durch das Berufungsurteil beschwert. Dieses steht dem nunmehrigen Klageziel - „Abgeltung“ der von dem Gleitzeitkonto gestrichenen Stunden - entgegen. Dass der Kläger wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt hätte erklären können, ist für die Fortdauer der Beschwer ohne Belang.

14

II. Die Revision ist unbegründet.

15

1. Der erstmals in der Revisionsinstanz gestellte Zahlungsantrag ist unzulässig. Insoweit liegt eine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageänderung vor.

16

a) Nach dem für das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren geltenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens durch den dort gestellten Antrag (Klageantrag) und dem ihm zugrunde liegenden Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt. Der Streitgegenstand erfasst alle Tatsachen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht unterbreitet hat. Der Streitgegenstand ändert sich dementsprechend iSv. § 263 ZPO, wenn der gestellte Antrag oder der ihm zugrunde liegende Lebenssachverhalt ein anderer geworden ist(BAG 13. Dezember 2011 - 1 AZR 508/10 - Rn. 21 mwN).

17

Der Kläger hat in der Revisionsbegründung einen anderen Klageantrag gestellt als in den Tatsacheninstanzen. Zudem liegt dem neuen Klageantrag nicht nur der bisherige, sondern ein erweiterter und damit anderer Lebenssachverhalt zugrunde.

18

b) Die Klageänderung ist nach § 559 Abs. 1 ZPO unzulässig. Danach ist in der Revisionsinstanz eine Klageänderung grundsätzlich ausgeschlossen. Der Schluss der mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz bildet nicht nur bezüglich des tatsächlichen Vorbringens, sondern auch bezüglich der Anträge der Parteien die Entscheidungsgrundlage für das Revisionsgericht. Hiervon hat das Bundesarbeitsgericht insbesondere aus prozessökonomischen Gründen Ausnahmen in den Fällen des § 264 Nr. 2 ZPO zugelassen, sowie dann, wenn sich der geänderte Sachantrag auf einen in der Berufungsinstanz festgestellten oder von den Parteien übereinstimmend vorgetragenen Sachverhalt stützen kann, sich das rechtliche Prüfprogramm nicht wesentlich ändert und die Verfahrensrechte der anderen Partei durch eine Sachentscheidung nicht verkürzt werden(BAG 13. Dezember 2011 - 1 AZR 508/10 - Rn. 23; 5. Dezember 2012 - 7 AZR 698/11 - Rn. 60, jeweils mwN).

19

Im Streitfall ist eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 559 Abs. 1 ZPO nicht geboten. Ein Fall des § 264 Nr. 2 ZPO liegt nicht vor. Der Kläger hat nicht lediglich ohne Änderung des Klagegrundes den Klageantrag in der Hauptsache erweitert oder beschränkt, sondern einen völlig neuen Antrag gestellt. Der bisherige und der neue Klageantrag unterliegen unterschiedlichen „Prüfprogrammen“. Während bei dem Antrag auf Gutschrift von Stunden auf dem Gleitzeitkonto (nur) zu prüfen ist, ob die Beklagte nach § 7 Abs. 3 DV am 30. September 2010 das Guthaben auf dem Gleitzeitkonto auf 40 Stunden reduzieren durfte oder sogar musste (§ 74 Abs. 1 BPersVG), erfordert der neue Klageantrag ein anderes, erweitertes Prüfprogramm. Nunmehr geht es darum, ob sich aus der Dienstvereinbarung, sonstigen Normen oder Rechtsgrundsätzen - gesetzt den Fall, die Beklagte hätte am 30. September 2010 40 Stunden zu Unrecht von dem Gleitzeitkonto des Klägers gestrichen - der geltend gemachte Zahlungsanspruch ergibt.

20

Der Antrag kann sich nicht allein auf die vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen stützen. Schon der Vortrag des Klägers zu seinem Verdienst ist neu. Zudem normiert die einschlägige Dienstvereinbarung für Gutstunden ausdrücklich keine Zahlungsansprüche. Sollte dem Kläger ein Schadensersatzanspruch vorschweben, wäre dafür neuer Tatsachenvortrag zum Vorliegen eines Schadens bei Nichtgewährung von Freizeitausgleich, dessen Höhe und ggf. zum Verschulden der Beklagten erforderlich. Soweit sich der Kläger auf „neue Rechtsprechung zum Urlaubsrecht“ beruft, ergibt sich aus dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt nicht, wie lange die Arbeitsunfähigkeit des Klägers angedauert hat (vgl. zum Zeitraum von 15 Monaten im Urlaubsrecht BAG 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 32 ff.).

21

2. Der in den Vorinstanzen gestellte, nicht wirksam (§ 269 Abs. 1 ZPO) zurückgenommene Antrag, dem Gleitzeitkonto 40 Stunden „gutzuschreiben“, ist zulässig (vgl. BAG 21. März 2012 - 5 AZR 676/11 - Rn. 17), weil der Antrag bei interessengerechter Auslegung auf die Korrektur einer von der Beklagten vorgenommenen Buchung gerichtet ist, aber jedenfalls durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses unbegründet geworden ist. Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die Beklagte am 30. September 2010 das Gleitzeitkonto zu Recht gekürzt hat und § 7 Abs. 3 DV wirksam ist, kommt es nicht mehr an.

22

a) Die Gutschrift auf einem Arbeitszeitkonto setzt voraus, dass der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zum Zeitpunkt der Rechtskraft einer entsprechenden gerichtlichen Entscheidung nicht erfasste oder zu Unrecht gekürzte Arbeitsstunden noch gutgeschrieben werden können. Dies ist nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der regelmäßig damit einhergehenden Schließung eines Arbeitszeitkontos nicht mehr der Fall. Damit ist seit dem Ausscheiden des Klägers die ursprüngliche Klage auf eine unmögliche Leistung gerichtet.

23

b) Etwas anderes folgt nicht aus der Funktion eines Arbeitszeitkontos. Dieses hält zunächst fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands nicht erbringen musste(BAG 21. März 2012 - 5 AZR 676/11 - Rn. 20). Die Dokumentationsfunktion gebietet es - jedenfalls bei einem Gleitzeitkonto - nicht, einen Anspruch auf Korrektur des Arbeitszeitkontos auch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu bejahen. Das Gleitzeitkonto dokumentiert, sofern es im Plus ist, in welchem Umfang der Arbeitnehmer zukünftig noch Freizeitausgleich nehmen kann. Ein solcher ist aber nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers nicht mehr möglich, die Dokumentationsfunktion geht ins Leere. Soweit der Arbeitnehmer für auf dem Arbeitszeitkonto nicht (mehr) dokumentierte Stunden wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses „Abgeltung“ beansprucht, kann er einen entsprechenden Zahlungsanspruch unmittelbar verfolgen. Er braucht hierfür den „Umweg“ über eine Korrektur des Arbeitszeitkontos nicht.

24

III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl   

      

        

        

    Pollert    

        

    Mattausch    

                 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 27. Mai 2010 - 11 Sa 438/10 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine Bonuszahlung für das Jahr 2008.

2

Der Kläger war bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen bis zu seinem Ausscheiden im Jahr 2009 beschäftigt. Bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten bestand eine Betriebsvereinbarung über die Gewährung von Bonuszahlungen (BV Vergütungssystem), deren Teil E lautet:

        

        

„Die Geschäftsleitung entscheidet zu Beginn eines jeden Jahres darüber, ob den Arbeitnehmern Bonuszahlungen gewährt werden können. Die Gewährung von Bonuszahlungen stellt eine freiwillige Leistung von R Europe dar, auf die auch nach wiederholter vorbehaltloser Zahlung kein Rechtsanspruch entsteht. Falls die Geschäftsleitung entscheidet, den Arbeitnehmern Bonuszahlungen zu gewähren, gelten dafür die nachfolgenden Regelungen unter Ziffer 1 bis 7.

        

1.    

…“    

3

Am 28. Januar 2009 beschloss der Vorstand der Beklagten, für die von der BV Vergütungssystem erfassten Mitarbeiter keinen Bonus auszuschütten.

4

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei nach der BV Vergütungssystem verpflichtet gewesen, zu Beginn des jeweiligen Kalenderjahres eine Entscheidung über Bonuszahlungen zu treffen und diese den Arbeitnehmern bekanntzugeben. In Teil E Satz 1 BV Vergütungssystem werde nicht der Beginn des Folgejahres bezeichnet. Da die Beklagte die Entscheidung für das Jahr 2008 erst zu Beginn des Jahres 2009 getroffen habe, schulde sie Schadensersatz. Wegen der verspätet getroffenen Entscheidung habe er nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB zudem Anspruch auf eine angemessene, vom Gericht festzusetzende Zahlung.

5

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für das Kalenderjahr 2008 einen Bonus in Höhe von 15.000,00 Euro brutto zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision - in der erstmals die Unbilligkeit der im Jahr 2009 von der Beklagten getroffenen Entscheidung geltend gemacht wird - verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Bonuszahlung für das Geschäftsjahr 2008.

9

I. Ein solcher Anspruch folgt nicht aus der BV Vergütungssystem. Die Voraussetzungen für die Zahlung eines Bonus nach Teil E BV Vergütungssystem liegen nicht vor.

10

Nach Teil E Satz 1 BV Vergütungssystem setzt die Bonuszahlung eine positive Entscheidung der Beklagten über die Bonusgewährung voraus, an der es vorliegend fehlt. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Geschäftsführung der Beklagten Anfang 2009 entschieden, für das Geschäftsjahr 2008 keinen Bonus zu gewähren. Damit scheidet ein auf die BV Vergütungssystem gestützter Zahlungsanspruch aus.

11

II. Der Kläger kann die Zahlung der beanspruchten Klagesumme auch nicht als Schadensersatz verlangen. Dabei kann zu seinen Gunsten unterstellt werden, dass Teil E Satz 1 BV Vergütungssystem dahingehend auszulegen ist, dass die Beklagte verpflichtet war, bereits zu Beginn des Geschäftsjahres 2008 über die Gewährung eines Bonus zu entscheiden und sie eine solche Entscheidung erst Anfang 2009 getroffen hat. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch besteht nicht, weil die Beklagte mit einer verspätet getroffenen Entscheidung keine gegenüber dem Kläger bestehende Pflicht verletzt hätte. Zwischen den Parteien bestand kein Schuldverhältnis, aus dem der Kläger verlangen konnte, dass die Beklagte die in Teil E Satz 1 BV Vergütungssystem vorgesehene Entscheidung zu dem dort festgelegten Zeitpunkt trifft.

12

1. Nach § 280 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger Ersatz des durch eine Pflichtverletzung entstandenen Schadens verlangen. Dies setzt voraus, dass der Schuldner eine ihm obliegende Pflicht aus einem mit dem Gläubiger bestehenden Schuldverhältnis verletzt hat.

13

2. Die Beklagte war nicht gegenüber dem Kläger verpflichtet, das in Teil E Satz 1 BV Vergütungssystem bestimmte Verfahren ordnungsgemäß durchzuführen. Die dort geregelte Verpflichtung, eine Entscheidung über die Gewährung eines Bonus im Kalenderjahr zu treffen und bekanntzugeben, besteht nur gegenüber dem Betriebsrat. Eine Pflichtenstellung der Beklagten im Verhältnis zu den im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern wird durch Teil E Satz 1 BV Vergütungssystem nicht begründet. Dies folgt nicht nur aus dem Wortlaut der BV Vergütungssystem, der sich zu einem entsprechenden Bestimmungsanspruch der einzelnen Arbeitnehmer nicht verhält, sondern auch aus dem Regelungszweck sowie allgemeinen betriebsverfassungsrechtlichen Grundsätzen.

14

a) Handelt es sich bei Bonuszahlungen um Leistungen, zu deren Gewährung der Arbeitgeber weder durch Gesetz noch Vertrag verpflichtet ist, ist dieser frei in der Entscheidung darüber, ob er diese Leistungen erbringt, welche Mittel er hierfür zur Verfügung stellt, welchen Zweck er mit ihr verfolgt und wie der danach begünstigte Personenkreis abstrakt bestimmt werden soll. Nur im Rahmen dieser Vorgaben unterliegt die Entscheidung darüber, nach welchen Kriterien die Berechnung der einzelnen Leistungen und ihre Höhe im Verhältnis zueinander bestimmt werden soll, der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG(BAG 5. Oktober 2010 - 1 ABR 20/09 - Rn. 23 f., AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 53 = EzA BetrVG 2001 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 23). Die Freiheit des Arbeitgebers über das „Ob“ der Leistungsgewährung und die Höhe der hierfür zur Verfügung stehenden Mittel zu entscheiden, unterliegt regelmäßig weder individual- noch kollektivrechtlichen Beschränkungen. Auf diesen Freiraum bezogene Verfahrensregelungen in teilmitbestimmten Betriebsvereinbarungen binden den Arbeitgeber grundsätzlich nur gegenüber dem Betriebsrat als dessen Vertragspartner. Die Arbeitnehmer erhalten durch solche Regelungen weder eigene Ansprüche noch werden insoweit Schutzpflichten zu ihren Gunsten begründet, deren Verletzung zu einem Schadensersatzanspruch führen könnte. Erst durch die Ausgestaltung der Leistungsvoraussetzungen in der Betriebsvereinbarung wird ein normativer Anspruch auf die jeweilige finanzielle Leistung des Arbeitgebers geschaffen. Ein Regelungsinteresse der Betriebsparteien, den danach bestehenden Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers durch Leistungs- oder Verhaltenspflichten zugunsten der Arbeitnehmer einzuschränken, besteht daher nicht. Sofern die Betriebsparteien eine darauf gerichtete Regelung treffen wollen, müssen sie dies in der Betriebsvereinbarung eindeutig zum Ausdruck bringen.

15

b) Eine solche Regelung enthält Teil E BV Vergütungssystem nicht. In dieser haben die Betriebsparteien eine Leistung ausgestaltet, zu deren Gewährung die Beklagte weder durch Gesetz noch Vertrag verpflichtet war. Deren Entscheidung, einen Bonus für das jeweilige Geschäftsjahr zu zahlen, war auch nicht durch individualrechtliche Vereinbarungen eingeschränkt (vgl. BAG 7. Juni 2011 - 1 AZR 807/09 - Rn. 22, NZA 2011, 1234). Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass den im Betrieb R beschäftigten Arbeitnehmern die Gewährung eines Bonus im Arbeitsvertrag in Aussicht gestellt worden ist. Allein der mit Teil E BV Vergütungssystem verfolgte Leistungszweck, bei einem entsprechenden Geschäftsergebnis ein zusätzliches leistungsorientiertes Entgelt zu zahlen, zwingt nicht zu der Annahme, dass die Arbeitnehmer bei der vorgelagerten Entscheidung der Beklagten über die Bereitstellung von finanziellen Mitteln in das zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat bestehende betriebsverfassungsrechtliche Schuldverhältnis einzubeziehen sind.

16

III. Der Kläger kann seinen mit der Zahlungsklage verfolgten Anspruch nicht auf die Unverbindlichkeit der von der Beklagten getroffenen Entscheidung stützen, weil diese verspätet iSd. § 315 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 BGB erfolgt sei.

17

1. Nach § 315 Abs. 1 BGB ist, wenn die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden soll, im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist. Die Bestimmung wird durch Urteil getroffen, wenn die Bestimmung verzögert wird (§ 315 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 BGB).

18

2. Teil E Satz 1 BV Vergütungssystem begründet aus den vorstehend ausgeführten Gründen schon keine Pflicht gegenüber dem Kläger, über die Gewährung des Bonus zu dem dort bestimmten Termin zu entscheiden. Damit fehlt es schon an einem zwischen den Parteien bestehenden Schuldverhältnis, nach dessen Inhalt die Beklagte eine einseitige Leistungsbestimmung treffen musste.

19

IV. Das Landesarbeitsgericht hat auch rechtsfehlerfrei eine vertragliche Zusage auf einen Bonus für das Geschäftsjahr 2008 verneint. Die in diesem Zusammenhang vom Kläger erhobene Verfahrensrüge, mit der dieser geltend macht, die Gewährung eines solchen Bonus sei ihm von seinem Vorgesetzten Zimmermann zugesagt worden, ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - jedenfalls unbegründet. Der Kläger hat in den Vorinstanzen nicht vorgetragen, aus welchen Gründen er Äußerungen seines Vorgesetzten nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont dahingehend verstehen durfte, dass ihm unabhängig von der Entscheidung der Geschäftsführung ein Bonus gewährt werde. Diesen Vortrag hat er auch in der Revisionsbegründung nicht nachgeholt.

20

V. Der Zahlungsantrag ist unzulässig, soweit er auf die Unverbindlichkeit der Anfang 2009 von der Beklagten getroffenen Entscheidung über die Bonusgewährung gestützt wird. Insoweit liegt eine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageerweiterung vor.

21

1. Nach dem für das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren geltenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens durch den konkret gestellten Antrag (Klageantrag) und den ihm zugrunde liegenden Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt. Der Streitgegenstand umfasst alle Tatsachen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht unterbreitet hat (BAG 15. Juli 2008 - 3 AZR 172/07 - Rn. 22, AP ZPO § 253 Nr. 48). Der Streitgegenstand ändert sich dementsprechend iSv. § 263 ZPO auch dann, wenn zwar nicht der gestellte Antrag als solcher, aber der ihm zugrunde liegende Lebenssachverhalt ein anderer geworden ist(BAG 2. Oktober 2007 - 1 ABR 79/06 - Rn. 18, EzA ZPO 2002 § 559 Nr. 1).

22

2. Der Kläger wendet in der Revisionsbegründung erstmals ein, die Beklagte habe ihre Entscheidung über die Bonusgewährung unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 315 BGB treffen müssen. Damit wird der streitgegenständliche Lebenssachverhalt in der Revisionsinstanz erweitert. Beide Parteien haben in den Tatsacheninstanzen lediglich um die Frage gestritten, ob die Anfang des Jahres 2009 getroffene Entscheidung der Beklagten rechtzeitig erfolgt ist und welche Rechtsfolgen sich aus einer verspätet getroffenen Entscheidung ergeben. Damit wendet sich der Kläger in der Revisionsinstanz nicht nur gegen die aus seiner Sicht vorliegende Verzögerung dieser Entscheidung, sondern greift diese erstmals auch inhaltlich an. In dieser Änderung des Klagegrunds liegt trotz des gleich gebliebenen Antragswortlauts zugleich eine Änderung des Streitgegenstands.

23

3. Die mit der Erweiterung des Verfahrensgegenstands einhergehende Klageänderung ist nach § 559 Abs. 1 ZPO unzulässig. Danach ist in der Revisionsinstanz eine Klageänderung grundsätzlich ausgeschlossen. Der Schluss der mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz bildet nicht nur bezüglich des tatsächlichen Vorbringens, sondern auch bezüglich der Anträge der Parteien die Entscheidungsgrundlage für das Revisionsgericht (vgl. BAG 14. Dezember 2010 - 1 ABR 93/09 - Rn. 19, EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 10). Hiervon hat das Bundesarbeitsgericht insbesondere aus prozessökonomischen Gründen Ausnahmen in Fällen des § 264 Nr. 2 ZPO zugelassen, sowie dann, wenn sich der geänderte Sachantrag auf einen in der Berufungsinstanz festgestellten oder von den Parteien übereinstimmend vorgetragenen Sachverhalt stützen kann, sich das rechtliche Prüfprogramm nicht wesentlich ändert und die Verfahrensrechte der anderen Partei durch eine Sachentscheidung nicht verkürzt werden(BAG 12. Januar 2011 - 7 ABR 15/09 - Rn. 19, EzA BetrVG 2001 § 99 Umgruppierung Nr. 7).

24

4. Hier ist eine Ausnahme vom Grundsatz des § 559 Abs. 1 ZPO nicht geboten. Ein Fall des § 264 Nr. 2 ZPO liegt nicht vor. Danach liegt keine Klageänderung vor, wenn ohne Änderung des Klagegrunds der Klageantrag in der Hauptsache erweitert wird. Der Kläger hat sich nicht auf die Erhöhung des klageweise geltend gemachten Betrags beschränkt. Ebenso kann sich der Antrag nicht auf einen vom Berufungsgericht verwerteten Tatsachenstoff stützten. Das Landesarbeitsgericht hat die Gründe, die der Entscheidung der Beklagten über die Bonusgewährung für das Geschäftsjahr 2008 zugrunde lagen, nach den zuletzt gestellten Anträgen nicht für entscheidungserheblich gehalten und dazu keine Feststellungen getroffen.

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Frischholz    

        

    Seyboth    

                 

(1) Das Urteil enthält:

1.
die Bezeichnung der Parteien, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Prozessbevollmächtigten;
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Richter, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben;
3.
den Tag, an dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist;
4.
die Urteilsformel;
5.
den Tatbestand;
6.
die Entscheidungsgründe.

(2) Im Tatbestand sollen die erhobenen Ansprüche und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel unter Hervorhebung der gestellten Anträge nur ihrem wesentlichen Inhalt nach knapp dargestellt werden. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden.

(3) Die Entscheidungsgründe enthalten eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht.

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Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Az.:12 Ca 2458/14 - vom 9. Dezember 2014 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Entlohnung des Klägers nach dem aus seiner Sicht jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrag für die chemische Industrie einschließlich der entsprechenden Eingruppierung nach der Entgeltgruppe 05 sowie über Vergütungsrückstände.

2

Die Beklagte ist auf dem Gebiet der Verarbeitung und Entwicklung hochwertiger flexibler Packstoffe tätig und führender Erzeuger von Verpackungen für Lebensmittel und Hersteller von Folien. Sie beschäftigt am Standort C-Stadt circa 250 Mitarbeiter. Im dortigen Betrieb existiert ein Betriebsrat.

3

Der 1960 geborene, verheiratete Kläger ist gemäß Arbeitsvertrag vom 13. Januar 1981 seit dem 2. Februar 1981 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern als Maschinenbediener beschäftigt.

4

Er war seit dem 2. Februar 1981 Mitglied der IG Chemie-Papier-Keramik und seit 1997 Mitglied der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (im Folgenden: IG BCE). Diese Mitgliedschaft hat er im Juni 2014 gekündigt.

5

Der Arbeitsvertrag vom 13. Januar 1981 (Bl. 8 d. A.), welcher mit der Z. GmbH auf Arbeitgeberseite abgeschlossen wurde, enthält unter anderem folgende Regelungen:

6

"Maßgeblicher Tarifvertrag 1.7.80 Tarifgruppe II

7

Einstell-Lohn           

Tariflohn nach der z. Zt. gültigen Lohntafel

DM 10,10           

        

freiwillige übertarifliche Zulage nach Z.-Gruppe c-1

DM 0,03           

(…)     

                 

Mehrarbeit           

für jede angeordnete, die tarifliche Arbeitszeit überschreitende

        

Arbeitsstunde 25 %

        

(…)     

                 
        

Auf freiwillige übertarifliche Leistungen des Unternehmens besteht auch dann kein Rechtsanspruch, wenn sie wiederholt gewährt werden.

(…)     

                 

Probezeit           

6 Wochen mit beiderseitiger Kündigungsfrist von 3 Tagen.

8

Danach gelten die gesetzlichen und tariflichen Kündigungsfristen".

9

Es existierte ein MTV Chemie in der Fassung vom 1. Juli 1980, der auch entsprechende Tarifgruppen (Vorläufer der Entgeltgruppen) definierte.

10

Die damalige Arbeitgeberin Z. GmbH erwarb durch Beschluss des Vorstandes des Landesverbandes Chemische Industrie Rheinland-Pfalz e. V. rückwirkend zum 1. November 1977 die Mitgliedschaft im D. (damals Landesverband Chemische Industrie Rheinland-Pfalz e. V.). Mit Vertrag vom 23. August 1994 wurde die Z. GmbH auf die Y. GmbH verschmolzen. Letztere war durch Beschluss vom 14. Juni 1988 in den Landesverband Chemische Industrie Rheinland-Pfalz e. V. aufgenommen worden. Sodann wurde der Betrieb der Y. GmbH mit Vertrag vom 27. August 2001 auf die C. Y. GmbH & Co. KG ausgegliedert, die ihr Geschäft per Anwachsung an die C. X. GmbH & Co. KG, als Zweigniederlassung C. C-Stadt übertragen hat. Die neue Firmierung der Zweigniederlassung C. C-Stadt der C. X. GmbH & Co. KG wurde auf der Vorstandssitzung des Landesverbandes Chemische Industrie Rheinland-Pfalz zur Kenntnis genommen und damit die Fortführung der Mitgliedschaft unter neuem Namen gebilligt.

11

Der zuletzt erfolgte Betriebsübergang vollzog sich mit Wirkung zum 1. August 2012. Hierbei ging der Betrieb der C. C-Stadt, Zweigniederlassung der C. X. GmbH & Co. KG auf die Beklagte über. Zugleich wurde die C. C-Stadt, Zweigniederlassung, als Zweigniederlassung der C. X. GmbH & Co. KG aus dem Handelsregister gelöscht. Aus diesem Grund kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 31. August 2012 die Mitgliedschaft der C. C-Stadt, Zweigniederlassung und teilte dem Arbeitgeberverband Chemie Rheinland-Pfalz e. V. zugleich mit, dass es über ihre Verbandszugehörigkeit noch keine Entscheidung gebe.

12

Der "Bundesentgelttarifvertrag für die chemische Industrie West" vom 18. Juli 1987 in der Fassung vom 30. September 2004 (im Folgenden: BETV) enthält u.a. folgende Regelungen:

13

§ 1 Räumlicher, persönlicher und fachlicher Geltungsbereich

14

Der Tarifvertrag gilt für den räumlichen, persönlichen und fachlichen Geltungsbereich des Manteltarifvertrages für die chemische Industrie, jedoch nicht für Auszubildende.

15

§ 2 Öffnungsklausel

16

Arbeitgeber und Betriebsrat können unter Berücksichtigung der tariflichen Mindestbestimmungen ergänzend zu diesem Tarifvertrag Betriebsvereinbarungen unter Beachtung des § 76 Absatz 6 BetrVG abschließen. Bis zum In-Kraft-Treten dieses Tarifvertrages abgeschlossene andere tarifliche Bestimmungen ergänzende Betriebsvereinbarungen gelten unabhängig von dieser Öffnungsklausel weiter und können unter Beachtung des § 76 Absatz 6 BetrVG geändert werden.

17

§ 3 Allgemeine Entgeltbestimmungen

18

1. Der Bundesentgelttarifvertrag ist in Verbindung mit dem jeweils geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag Grundlage der Entgeltfestsetzung.

19

2. Die Arbeitnehmer werden entsprechend der von ihnen ausgeübten Tätigkeit in die Entgeltgruppe eingruppiert. Für die Eingruppierung in eine Entgeltgruppe ist nicht die berufliche Bezeichnung, sondern allein die Tätigkeit des Arbeitnehmers maßgebend. Die Eingruppierung richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Oberbegriffe; hierzu sind als Erläuterung die bei den Entgeltgruppen aufgeführten Richtbeispiele heranzuziehen. Passen die Oberbegriffe nicht auf eine ausgeübte Tätigkeit, so ist ein Arbeitnehmer in diejenige Entgeltgruppe einzugruppieren, die seiner Tätigkeit am nächsten kommt.

20

3. Ein- und Umgruppierungen erfolgen unter Beachtung des Mitbe-stimmungsrechts des Betriebsrates nach den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes.

21

§ 8 Aufbau der Entgeltsätze

22

[….]
5. Die sich aus den Ziffern 1 bis 3 ergebenden Relationen zwischen den einzelnen Tarifentgeltsätzen gelten für die Laufzeit dieses Tarifvertrages. Für Änderungen der Entgeltstruktur sind die Parteien des Bundesentgelttarifvertrages zuständig. [...]

23

§ 10 Tariföffnungsklausel

24

Zur Sicherung der Beschäftigung und/oder zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland, insbesondere auch bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten, können Arbeitgeber und Betriebsrat mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien für Unternehmen und Betriebe durch befristete Betriebsvereinbarung bis zu 10 % von den bezirklichen Tarifentgeltsätzen abweichende niedrigere Entgeltsätze unter Beachtung des § 76 Absatz 6 BetrVG vereinbaren. Diese mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien betrieblich abweichend festgelegten Entgeltsätze gelten als Tarifentgeltsätze. Sie verändern sich – soweit die Betriebsvereinbarung nichts anderes regelt – bei einer Veränderung der in den bezirklichen Entgelttarifverträgen geregelten Tarifentgelte um den gleichen Prozentsatz wie diese.

25

Durch diese Regelung wird der Entgeltaufbau nicht verändert. […]

26

Beschäftigungssichernd und wettbewerbsverbessernd sind unter anderem beschäftigungserhaltende und beschäftigungsfördernde Investitionen am Standort, die Vermeidung von Entlassungen, die Vermeidung der Verlagerung von Produktion, sonstiger Aktivitäten oder Investitionen ins Ausland oder die Vermeidung von Ausgliederungen. Die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit umfasst auch ihre Wiederherstellung oder Erhaltung sowie sonstige existenzsichernde Maßnahmen für das Unternehmen oder den Betrieb.
[…]

27

Die Anwendung dieser Tariföffnungsklausel schließt eine Kombination mit anderen tariflichen Öffnungsklauseln nicht aus.“

28

Protokollnotizen

29

[…] 6. Hintergrund für die Einführung der Tariföffnungsklausel war der Vorschlag der Arbeitgeber zur Schaffung einer tariflichen Spartenlösung für die Chemiefaser-, kunststoffverarbeitende und kautschukverarbeitende Industrie. Die Tarifvertragsparteien gehen gemeinsam davon aus, dass deshalb insbesondere in den Unternehmen dieser Sparten die Anwendung des § 10 geprüft wird. Die Tarifvertragsparteien werden in den vorgenannten Fällen bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Betriebsparteien vermittelnd einwirken."

30

Die Vorbemerkung des zwischen dem BAVC und der IG BCE geschlossenen "Manteltarifvertrages für die chemische Industrie" vom 24. Juni 1992 in der Fassung vom 16. April 2008 (im Folgendem: MTV) lautet wie folgt:

31

"Die Anmerkungen und Protokollnotizen sind von den Tarifvertragsparteien vereinbart und gelten als Bestandteil dieses Tarifvertrages1)."

32

Die Fußnote 1) hierzu lautet:

33

Arbeitgeber und Betriebsrat können unter Berücksichtigung der tariflichen Mindestbestimmungen ergänzend zu diesem Manteltarifvertrag Betriebsvereinbarungen im Sinne des § 77 Abs. 3 BetrVG unter Beachtung des § 76 Abs. 6 BetrVG abschließen. Das gilt nicht für die §§ 1, 4, 5, 7, 8, 10, 17 und 18 dieses Tarifvertrages. […]

34

Zur Sicherung der Beschäftigung oder zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber tarifkonkurrierenden Bereichen können Arbeitgeber und Betriebsrat mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien für Unternehmen, Betriebe und Betriebsabteilungen durch befristete Betriebsvereinbarung von den bezirklichen Tarifentgeltsätzen abweichende niedrigere Entgeltsätze unter Beachtung des § 76 Abs. 6 BetrVG vereinbaren. In der Betriebsvereinbarung kann geregelt werden, dass sie nach Ablauf unbefristet weiter gilt. Tarifkonkurrierend sind solche Tarifverträge, die sich mit dem fachlichen Geltungsbereich des Manteltarifvertrages der chemischen Industrie überschneiden oder unter deren Geltungsbereich das Unternehmen, der Betrieb oder die Betriebsabteilung bei einer Ausgliederung oder Umstrukturierung fallen würde.

35

Zwischen den Tarifvertragsparteien besteht Einvernehmen darüber, dass zur Sicherung der Beschäftigung oder Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit im Einzelfall abweichende tarifliche Regelungen auch in firmenbezogenen Tarifverträgen zwischen dem BAVC und der IG BCE vereinbart werden können. Soweit die tarifliche Regelung auch die bezirklichen Tarifentgeltsätze verändert, sind die firmenbezogenen Verbandstarifverträge von den regional zuständigen Arbeitgeberverbänden mit abzuschließen.“

36

Im Jahr 2013 führte die Beklagte Verhandlungen mit der IG BCE zu den künftigen tariflichen Regelungen. Die IG BCE informierte die Mitarbeiter der Beklagten durch öffentliche Aushänge der Tarifkommission der IG BCE vom 2. Juli 2013 und vom 21. August 2013 über die geplanten Einschnitte im Bereich der Personalkosten durch eine Tarifvertragslösung. Mit gemeinsamem Aushang der Geschäftsleitung der Beklagten und der Tarifkommission der IG BCE C. vom 20. Januar 2014 im Betrieb der Beklagten wurden konkrete Eckpunkte (Eingruppierungsrichtlinien, Entgeltabsenkung, Überleitungsvereinbarung) als Verhandlungsergebnis vorgestellt. Dort heißt es unter anderem: „Diese Anpassung soll insbesondere über eine Anrechnung der zukünftigen Tariferhöhungen geschehen.“

37

Am 5. Februar 2014 einigten sich die Tarifparteien des Bundesarbeitgeberverbandes Chemie e.V. und der IG BCE auf eine Erhöhung der Entgelte um 3,7 %. Die Tariflohnerhöhung für den Tarifbezirk Rheinland-Pfalz sollte rückwirkend zum 1. Februar 2014 erfolgen. Unter dem 12. Mai 2014 schlossen der Bundesarbeitgeberverband Chemie e.V. und der Arbeitgeberverband Chemie Rheinland-Pfalz e. V. einerseits und die IG BCE und die IG BCE, Landesbezirk Rheinland-Pfalz/Saarland, andererseits rückwirkend ab dem 15. Dezember 2013 einen "firmenbezogenen Verbandstarifvertrag für die C. gemäß Fußnote 1 Abs. 3 zum Manteltarifvertrag vom 24. Juni 1992 i.d.F. vom 16. April 2008 (im Folgenden: FVTV) für die Beklagte, der bis zum 31. Dezember 2018 Geltung haben soll. Dieser sieht unter anderem vor, dass für die Beschäftigen der Beklagten ein um 9 % abgesenkter Tarifvertrag zur Anwendung kommt (vgl. § 4 Abs. 1). Zudem soll sich die Zuweisung der Tätigkeiten auf die im Bundesentgelttarifvertrag definierten Entgeltgruppen aus der Betriebsvereinbarung über eine Eingruppierungsrichtlinie und die Überleitung auf die neue Entgeltstruktur vom 12. Mai 2014 zwischen dem Betriebsrat und der Beklagten ergeben (§ 3).

38

In dem FVTV ist unter anderem Folgendes geregelt:

39

Präambel

40

Bei der C. handelt es sich um eine Tochter des C. Konzerns mit Sitz in W.-Stadt, Finnland.

41

Am Standort in C-Stadt werden Kunststoffprodukte zur Verpackung, Transport oder Präsentation von Lebensmitteln hergestellt und mit ähnlichen Produkten aus Schwesterwerken in Deutschland und der EU gehandelt.

42

Auf Grund der derzeitigen Wettbewerbssituation in diesem Marktsegment und der Notwendigkeit, eine langfristige Planung und damit Anreize für Investitionen seitens des Konzerns zu ermöglichen besteht die Notwendigkeit, die Regelungen der Bundestarifverträge, die zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) und der IG BCE abgeschlossen wurden für die C. anzupassen.

43

Dieser firmenbezogenes Verbandstarifvertrag dient damit der Sicherung der Beschäftigung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit.

44

§ 1 Geltungsbereich

45

Dieser Tarifvertrag gilt räumlich für die C., Standort C-Stadt und das Lager in V.-Stadt und persönlich für alle an diesen Standorten tariflich beschäftigten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

46

§ 2 Bundestarifverträge und Bezirksentgelttarifverträge

47

(1) Die zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie vereinbarten Bundestarifverträge einschließlich der Schlichtungsregelungen finden in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung, soweit nicht in den nachfolgenden Bestimmungen von diesen Tarifverträgen abgewichen wird. […]

48

(2) Die zwischen dem AGV Chemie Rheinland-Pfalz e. V. und der Indus-triegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie abgeschlossenen Bezirksentgelttarifverträge finden nur insoweit Anwendung, wie in den nachfolgenden Bestimmungen von diesen Tarifverträgen nicht abgewichen wird.

49

§ 3 Eingruppierung

50

Die für die C., Standort C-Stadt und das Lager in V.-Stadt jetzt und zukünftig geltende Zuweisung der Tätigkeiten auf die im Bundesentgelttarifvertrag (BETV) definierten Entgeltgruppen ergibt sich aus der Betriebsvereinbarung über eine Eingruppierungsrichtlinie und die Überleitung auf die neue Entgeltstruktur vom 12.05.2014 zwischen dem Betriebsrat und der C., Standort C-Stadt.

51

§ 4 Entgelthöhe

52

(1) Es wird vereinbart, dass für die Beschäftigten im Sinne des § 1 dieses firmenbezogenen Verbandstarifvertrages ein um 9 % abgesenkter Tarif zur Anwendung kommt.

53

(2) Ausgehend von diesem abgesenkten Tarif werden zukünftige, zwischen dem BAVC und der IG BCE vereinbarte Tariferhöhungen ohne Anrechnung sonstiger tariflicher Entgeltbestandteile berechnet und weitergegeben.

54

(3) Zur Regelung der Überleitung der jetzigen Entgelte auf die abgesenkten Entgelte wird ein zusätzlicher Überleitungstarifvertrag abgeschlossen.“

55

[…]

56

§ 6 Beginn und Laufzeit

57

Dieser Tarifvertrag gilt rückwirkend ab dem 15.12.2013 bis zum 31.12.2018 und kann mit einer Frist von drei Monaten zum Jahresende gekündigt werden."

58

An demselben Tag schlossen die Beklagte und die IG BCE zur weiteren Ergänzung einen "Überleitungstarifvertrag" (im Folgenden: Ü-TV) mit Wirkung zum 15. Dezember 2013. Dort heißt es auszugsweise:

59

Präambel

60

Auf Grund der derzeitigen Wettbewerbssituation und der Notwendigkeit, eine langfristige Planung und damit Anreize für Investitionen seitens des Konzerns zu ermöglichen sind die Regelungen der Bundestarifverträge, die zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) abgeschlossen wurden, für die C., Standort C-Stadt und das Lager in V.-Stadt mit Wirkung des firmenbezogenen Verbandstarifvertrages zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. und dem Arbeitgeberverband Chemie Rheinland-Pfalz e. V. sowie der IG BCE vom 12.05.2014 angepasst worden.

61

Diese Anpassung erfordert eine ergänzende Regelung, die den Übergang der individuellen Auswirkungen auf die Bedingungen des firmenbezogenen Verbandstarifvertrages regelt.

62

§ 1 Geltungsbereich

63

Dieser Tarifvertrag gilt räumlich für die C., Standort C-Stadt und das Lager in V.-Stadt und persönlich für alle an diesen Standorten tariflich beschäftigten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

64

§ 2 Überleitung der Entgelte

65

(1) Zur Überführung des bisherigen Entgeltes auf das neue Entgelt wird eine nicht tarifdynamisierte Besitzstandszulage gebildet.

66

(2) Die Besitzstandszulage setzt sich aus den Beträgen zusammen, die sich zum einen aus der neuen Entgeltgruppe gemäß § 3 des firmenbezogenen Verbandstarifvertrages vom 12.05.2014 i. V. m. der Betriebsvereinbarung über eine Eingruppierungsrichtlinie und die Überleitung auf die neue Entgeltstruktur vom 12.05.2014 („Abschmelzungsbetrag I“) ergibt und zum anderen aus der Absenkung des Entgelts nach § 4 des firmenbezogenen Verbandstarifvertrages vom 12.05.2014 („Abschmelzungsbetrag II“).

67

(3) Bei der Absenkung des Entgelts nach § 4 des firmenbezogenen Verbandstarifvertrages vom 12.05.2014 („Abschmelzungsbetrag II“) ist die ab dem 01.02.2014 vereinbarte Tarifsteigerung um 3,7 % bereits zu berücksichtigen, so dass aus zukünftigen Tarifsteigerungen maximal noch 5,3 % nicht zur Anwendung kommen. Bei künftigen Tariferhöhungen wird die Steigerung des Tarifentgelts gegen die Besitzstandszulage gerechnet.
[…]

68

§ 3 Beginn und Laufzeit

69

Dieser Tarifvertrag gilt rückwirkend ab dem 15.12.2013 und längstens bis die im Verbandstarifvertrag vereinbarte Entgeltabsenkung erreicht ist."

70

Zur Anpassung der Eingruppierung der Mitarbeiter der Beklagten schlossen die Beklagte und der Betriebsrat der Beklagten am 30. Juni 2014 mit Wirkung zum 12. Mai 2014 eine "Betriebsvereinbarung über eine Eingruppierungsrichtlinie und die Überleitung auf die neue Entgeltstruktur" (im Folgenden: BV) ab. In der Präambel heißt es unter anderem:

71

Präambel

72

Auf Grund verschiedener personeller und struktureller Veränderungen passen die im Werk C-Stadt der C. GmbH & Co. KG und im Lager V.-Stadt zurzeit geltenden individuellen Eingruppierungen und gezahlten Entgelte nicht in allen Fällen mit den im - zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. und der IG BCE abgeschlossenen - Bundesentgelttarifvertrag (BETV) für die chemische Industrie in der Fassung vom 30. September 2004 vereinbarten Beschreibungen und nachgelagerten Honorierungen der Entgeltgruppen zusammen.

73

Um die Zuweisung der verschiedenen, an den Standorten abgeforderten Arbeitsaufgaben inhaltlich und strukturell wieder klarer auf die im BETV definierten Entgeltgruppen zu beziehen einigen sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf die im Folgenden genauer definierten Stellenbeschreibungen, die darauf aufbauende Eingruppierungsrichtlinie und eine Überleitung der jetzigen Entgelte auf die neue Struktur.

74

[….]

75

§ 2 Stellenbeschreibungen

76

(1) Für alle vom Arbeitgeber zurzeit abgeforderten Tätigkeiten sind entsprechende Stellenbeschreibungen (Anlage 1) definiert worden.

77

(2) Diese Stellenbeschreibungen umfassen jeweils die einzelnen Tätigkeit, die geforderte Qualifikation und relevante Besonderheiten der einzelnen Tätigkeit. [….]

78

§ 3 Zuweisung der Entgeltgruppen des BETV

79

(1) Die beschriebenen Tätigkeiten (Stellen) werden den im zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. (BAVC) und der IG BCE vereinbarten Bundesentgelttarifvertrag in der Fassung vom 30. September 2004 (BETV) definierten Entgeltgruppen zugeordnet (Anlage 2).

80

(2) Diese Zuweisung gilt für alle derzeitigen und zukünftigen Eingruppierungen.

81

§ 7 Mitbestimmung der Betriebsräte

82

Für die auf Grundlage dieser Eingruppierungsrichtlinie zwischen den Betriebsparteien final verhandelten erstmalig individuell vorzunehmenden Umgruppierungen der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Anlage 4) in Verbindung mit der Umsetzung der §§ 4 und 5 dieser Betriebsvereinbarung gilt die Zustimmung i. S. d. § 99 Abs. 1 BetrVG als erteilt.

83

[…]

84

§ 9 Laufzeit und Kündigung

85

(1) Diese Betriebsvereinbarung gilt ab dem 12.05.2014 und längstens bis die stufenweise Anpassung der Entgeltveränderungen erreicht ist.
(2) […].“

86

Mit Schreiben vom 10. April 2014 teilte der Arbeitgeberverband Chemie Rheinland-Pfalz e. V. der Beklagten mit, dass diese entsprechend ihrem Antrag auf Mitgliedschaft vom 11. März 2014 rückwirkend zum 1. Januar 2014 neu im Kreise ihrer Mitgliedsunternehmen aufgenommen sei.

87

Die Beklagte informierte mit Schreiben vom 21. Mai 2014 "Überführung in den C.-Tarifvertrag" (Bl. 9 ff. d. A.) die Arbeitnehmer, darunter den Kläger, über die Geltung des neuen firmenbezogenen Tarifvertrages. Dem Schreiben waren je eine vorformulierte Vertragsergänzung zur Eingruppierung sowie zur Geltung des neuen firmenbezogenen Verbandstarifvertrages beigefügt.

88

Danach sollte der Kläger ab dem 1. Juni 2014 als Maschinenbediener unter Zugrundelegung der Entgeltgruppe 04 beschäftigt werden. Der Tätigkeit als Maschinenbediener liegt die Funktionsbeschreibung der Beklagten vom 7. Mai 2014 (Bl. 13 d. A.) zugrunde. Die Vertragsangebote unterschrieb der Kläger nicht.

89

Der Kläger erzielte bislang ein Tarifentgelt in Höhe von 3.039 € brutto entsprechend der Entgeltgruppe E 06. Die seit dem 1. Februar 2014 geltende Tariflohnerhöhung von 3,7 % zahlte die Beklagte bislang nicht aus. Im Zuge des Änderungsangebotes der Beklagten würde das Regel-Tarifentgelt - ohne Berücksichtigung der Besitzstandszulage - 2.364,00 € brutto betragen. Der firmenbezogene Tarifvertrag würde zu einer Reduzierung des Tarifentgelts um 9 % führen.

90

Der Kläger hat mit außergerichtlichem Schreiben vom 27. Mai 2014 (Bl. 14 f. d. A.) die Vergütung nach seiner bisherigen Entgeltgruppe verlangt und ferner Entgeltdifferenzen aufgrund der an ihn nicht weitergegebenen Tariflohnerhöhung mit Wirkung zum 1. Februar 2014 geltend gemacht. Seine Ansprüche verfolgte er mit seiner am 26. Juni 2014 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Klage weiter.

91

Er war der Ansicht,
seine Entgeltansprüche richteten sich nach den allgemeinen Tarifverträgen der chemischen Industrie und nicht nach dem FVTV und dem Ü-TV. Dies ergebe sich aus der Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel.

92

Trotz der statischen Formulierung und der Bezugnahme eines Tarifvertrages in einer bestimmten Fassung liege vorliegend eine kleine dynamische Bezugnahmeklausel auf den BETV vor. Die Parteien hätten die existierenden Vorschriften für die Branche der chemischen Industrie in Bezug genommen. Die Einbeziehung weiterer Normen, die lediglich im Bereich des Arbeitgebers gelten sollten, sei dieser Klausel hingegen nicht zu entnehmen. Die Formulierung „Tariflohn“ verdeutliche gerade, dass eine globale Sichtweise anzulegen sei. Es liege eine Bezugnahmeklausel vor, aus der sich für den Kläger nicht erkennbar ergebe, dass die für den Betrieb einschlägigen kollektivrechtlichen Rechtnormen für die im Arbeitsvertrag ausdrücklich genannte Branche insgesamt im Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung finden sollten. Die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB streite für ihn. Dabei verdränge der Bestandteil des Arbeitsvertrages gewordene und im Gesamtvergleich günstigere (Verbands-)Tarifvertrag den betreffenden Firmentarifvertrag. Das gelte selbst dann, wenn der Arbeitnehmer an den Haustarifvertrag als Gewerkschaftsmitglied gebunden sei; auch dann setze sich der Arbeitsvertrag mit der Bezugnahme zu einem günstigeren Flächentarifvertrag durch. Etwas anderes ergebe sich auch nicht etwa aus der Tariföffnungsklausel des § 10 BETV.

93

Der MTV habe keine Regelungen zu abweichenden Entgeltsätzen festlegen können, da insofern gerade ein eigener ETV existiere, der gerade entgeltliche Fragen für den im Übrigen identischen Anwendungsbereich des MTV normiere.

94

Der Kläger bestreitet, dass der FVTV und der Ü-TV wirksam zustande gekommen sind. Der FVTV sei weder von der Öffnungsklausel der Fußnote 1 des MTV noch von § 10 BETV gedeckt. Äußerst fraglich sei, ob die erforderliche ausdrückliche Normierung einer Tariföffnungsklausel im Tarifvertrag einer Fußnote bzw. Vormerkung entnommen werden könne. Er bestreitet, dass der FVTV zum Zweck der Sicherung der Beschäftigung oder zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, noch dazu gegenüber tarifkonkurrierenden Bereichen, geschlossen worden sei. Er bestreitet weiter, dass vor allem die Tarifverträge der kunststoffverarbeitenden Industrie tarifkonkurrierend im Sinn von Fn. 1 Abs. 2 S. 3 MTV seien und sich daraus für die Beklagte ein Wettbewerbsnachteil mit vergleichbaren Firmen ergebe. Im Übrigen hätten die Mitarbeiter der Beklagten nicht mit einer rückwirkenden Regelung des firmenbezogenen Verbandstarifvertrages rechnen müssen.

95

Bezüglich der erfolgten Rückgruppierung ist die Klägerseite der Ansicht, die Darlegungslast liege bei der Beklagten, warum und inwieweit die bisherige Bewertung seiner Tätigkeit fehlerhaft gewesen sei und deshalb die Eingruppierung korrigiert werden müsse. Die Eingruppierung habe außerdem allein anhand der Regelungen des BETV zu erfolgen. Von der darin enthaltenen Öffnungsklausel seien lediglich „ergänzende“ Regelungen durch Betriebsvereinbarung, nicht hingegen „ersetzende“ Bestimmungen zum Entgelttarifvertrag erfasst. Letzteres sei vorliegend der Fall, da allein durch die Anlage 2 der BV in Verbindung mit den jeweiligen Tätigkeitsbeschreibungen eine verbindliche Zuordnung zu den Entgeltgruppen stattfinde. Dies widerspreche auch dem Grundsatz der Tarifautomatik. Bestritten werde, dass der Betriebsrat an der Betriebsvereinbarung über eine Eingruppierungsrichtlinie und der Überleitung auf die neue Entgeltstruktur ordnungsgemäß mitgewirkt habe. Er bestreitet weiter, dass durch § 7 der Betriebsvereinbarung eine nach § 99 Abs. 1 BetrVG notwendige Zustimmung als erteilt gilt.

96

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

97

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger auch über den 1. Juni 2014 hinaus nach Entgeltgruppe E05 des jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrages für die chemische Industrie, zuletzt des Bundesentgelttarifvertrages für die chemische Industrie West vom 18. Juli 1987 in der Fassung vom 30. September 2004 in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag, zu vergüten;

98

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 127,31 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2014, weitere 123,48 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2014, weitere 123,27 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2014 sowie weitere 135,10 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2014 zu zahlen.

99

Die Beklagte hat beantragt,

100

die Klage abzuweisen.

101

Sie ist der Ansicht, der Kläger habe keinen Anspruch, zu unveränderten Bedingungen nach der Entgeltgruppe E 05 des BETV über den 1. Juni 2014 hinaus vergütet zu werden. Sie habe sich unter anderem entschieden, die Tarifentgelte zur Sicherung der Beschäftigung und Verbesserung des Wettbewerbs abzusenken.

102

Der geschlossene FVTV habe normative Geltung zwischen den Parteien nach §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG. Die Geltung des FVTV ergebe sich für den Fall der fehlenden normativen Geltung des FVTV jedenfalls aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel. Diese stelle nach ihrem Wortlaut und ihrem Zweck unter Berücksichtigung der Stichtagsregelung des Bundesarbeitsgerichtes eine Gleichstellungsabrede dar. Aufgrund dessen würden nicht nur die Verbandstarifverträge, sondern gleichzeitig auch der FVTV erfasst. Die Verweisung könne sich auf mehrere Tarifverträge beziehen, die sich im Geltungsbereich deckten, aber unterschiedliche Regelungen aufwiesen. Dieser Fall sei durch die Kollisionsauflösungsregel zu lösen mit der Folge, dass die Bundestarifverträge und Bezirksentgelttarifverträge gemäß § 2 FVTV nur insoweit Anwendung finden würden, wie in den Bestimmungen des FVTV nicht abgewichen werde.

103

Der FVTV und die darin getroffenen abweichenden Regelungen zu den Entgelt-sätzen seien unter Mitwirkung des regional zuständigen Arbeitgeberverbands Chemie Rheinland-Pfalz e. V. wirksam zustande gekommen. Er basiere auf dem MTV und passe diesen nur unternehmensspezifisch an. Der MTV ermögliche aufgrund seiner in § 1 Fußnote 1 enthaltenen Öffnungsklausel, abweichende Entgeltsätze festzulegen. Unerheblich sei hierbei, ob die Öffnungsklausel als Fußnote spezifiziert, als Protokollnotiz ergänzt oder als eigenständiger Paragraph verfasst sei.

104

Die Absenkung des Tarifentgelts um 9 % erfasse gemäß § 4 Absatz 3 FVTV in Verbindung mit § 2 Abs. 3 Ü-TV jedenfalls auch die Tarifsteigerung von 3,7 % der Bundestarifvertragsparteien zum 1. Februar 2014. Wegen der vorhergehenden eingehenden Information der Mitarbeiter durch öffentliche Aushänge bestünde kein Vertrauensschutz, so dass die rückwirkende Geltung der Tarifabsenkungsregelungen auf den Zeitraum der Tarifsteigerung im Februar 2014 zulässig sei.

105

Die in der BV vorgenommene Zuordnung der 63 abstrakten Stellenbeschrei-bungen auf die im BETV definierten Entgeltgruppen stelle eine Korrekturmaßnahme aufgrund von fehlerhaften Eingruppierungen dar. Daher stelle die BV eine Richtlinie zur Eingruppierung und keine Regelung zur Schaffung eines eigenen Tarifsystems dar. Mit der Definition eigener Funktionsbeschreibungen und personenunabhängigen Bewertungen von Arbeitsplätzen hätten die Betriebsparteien in zulässiger Weise die abstrakten Formulierungen des BETV mit passgenauen Formulierungen der BV ausgefüllt, ohne dabei die Entgeltgruppe selbst zu verändern. Es handele sich hierbei um einen gängigen Vorgang und eine übliche Regelung der Betriebsparteien. Die neu erfolgte Eingruppierung (Umgruppierung) entspreche der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit des Klägers. Er übe gemäß Anlage 2 der BV eine Tätigkeit aus, die der Entgeltgruppe 04 des § 7 BETV vollumfänglich entspreche.

106

Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Klage durch Urteil vom 9. Dezember 2014 abgewiesen.

107

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Das erforderliche Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO für den Feststellungsantrag zu 1. ergebe sich daraus, dass auch hinsichtlich der Zukunft zwischen den Parteien Uneinigkeit darüber bestehe, nach welcher Entgeltgruppe und nach welchem Entgelttarifvertrag der Kläger zu vergüten sei. Mit dem Feststellungsantrag solle außerdem zugleich geklärt werden, welche Entgelttarifverträge auf das vorliegende Arbeitsverhältnis anzuwenden seien (sog. Elementenfeststellungsklage).

108

Der Kläger könne nicht die Feststellung verlangen, nach der Entgeltgruppe E 05 des Entgelttarifvertrages für die chemische Industrie Vergütung zu erhalten. Er habe bereits keinen Anspruch auf die tarifvertragliche Vergütung einschließlich der Entgelterhöhung von 3,7 %, da ein derartiger Vergütungsanspruch durch die Tarifabsenkung gemäß § 4 Abs. 1 des FVTV in Verbindung mit § 2 Abs. 3 Ü-TV in Höhe von 9 % rückwirkend zum 1. Februar 2014 gekürzt worden sei. Insoweit fänden die Bundestarifverträge und die Bezirksentgelttarifverträge gerade keine uneingeschränkte Anwendung, sondern kämen gemäß § 2 FVTV nur insoweit zur Anwendung wie in den Bestimmungen des FVTV hiervon nicht abgewichen werde. Da der mit dem Klageantrag zu 1. verfolgte Anspruch bereits aus diesem Grund unschlüssig sei, komme es auf die weitere Frage der richtigen Eingruppierung nicht mehr an. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fänden die Regelungen des FVTV und des Ü-TV kraft normativer Wirkung gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend Anwendung. Ob die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel den FVTV sowie den Ü-TV erfasse, könne mithin offen bleiben. Beide Tarifverträge ergänzten lediglich, wenn auch zum Nachteil der Arbeitnehmer, den BETV auf derselben Normenhierarchieebene (Verbandstarifvertrag). Das Verhältnis der beiden Tarifverträge zum BETV werde nach den Grundsätzen der Tarifkonkurrenz gelöst, wobei die Verbandstarifverträge zusammen mit den firmenbezogenen Verbandstarifverträgen ein Sinnganzes darstellten. Der FVTV sei als firmenbezogener Verbandstarifvertrag in seinem Anwendungsbereich der speziellere Tarifvertrag und finde damit vorrangig auf das Arbeitsverhältnis der tarifgebundenen Parteien unmittelbar und zwingend Anwendung, § 4 Abs. 1 TVG. Die zwischen den Tarifvertragsparteien abgeschlossenen Bundestarifverträge fänden gemäß § 2 FVTV Anwendung, „soweit nicht in den nachfolgenden Bestimmungen von diesen Tarifverträgen abgewichen" werde. Das Günstigkeitsprinzip nach § 4 Abs. 3 TVG sei bei dieser Fallgestaltung nicht anwendbar. Der FVTV und demzufolge auch der Ü-TV seien wirksam zustande gekommen. Der MTV enthalte in der Fußnote 1 Abs. 2 und 3 MTV Öffnungsklauseln. Die Öffnungsklausel in der Fußnote 1 Abs. 3 des MTV-Chemie werde auch nicht durch die in § 10 BETV geregelte Öffnungsklausel als speziellere verdrängt. Sämtliche in der Fußnote 1 Abs. 3 des MTV genannten Voraussetzungen zum Abschluss eines firmenbezogenen Verbandstarifvertrages zur Entgeltabsenkung seien erfüllt. Soweit die Klägerseite bestreite, dass dieser firmenbezogene Verbandstarifvertrag der Sicherung der Beschäftigung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit diene, stehe dem bereits die Präambel des FVTV entgegen, in der die tarifvertragsschließenden Parteien die Gründe für den Abschluss dieses Tarifvertrages ausdrücklich aufgeführt hätten. Schließlich hätten auch die regional zuständigen Tarifvertragsparteien diesen Verbandstarifvertrag mitunterschrieben. Die in § 4 Abs. 1 FVTV vorgesehene Absenkung des Tariflohns um 9 % habe bei der ab dem 1. Februar 2014 vereinbarten Tarifsteigerung um 3,7 % bereits berücksichtigt werden können, § 2 Abs. 3 Ü-TV. Denn diese tarifvertraglichen Regelungen gälten gemäß den Bestimmungen in § 6 FVTV und § 3 Ü-TV rückwirkend ab dem 15. Dezember 2013 und damit rückwirkend auf den Zeitraum vor der Tariflohnerhöhung im Februar 2014. Die rückwirkende Anwendung der Tariflohnkürzung um 3,7 % auf die entsprechende Tariflohnerhöhung ab dem 1. Februar 2014 sei als Fall der echten Rückwirkung zulässig. Für die Mitarbeiter der Beklagten bestehe kein Vertrauensschutz.

109

Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz (Bl. 343 ff. d. A.) Bezug genommen.

110

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 5. Januar 2015 zugestellt worden. Der Kläger hat hiergegen mit einem am 2. Februar 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

111

Zur Begründung der Berufung macht der Kläger nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes sowie der Schriftsätze vom 12. März 2015 und vom 21. Mai 2015, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 368 ff., 497 f., 550 ff. d. A.), seinen erstinstanzlichen Vortrag ergänzend und vertiefend zusammengefasst geltend,

112

der FVTV und der hierzu geschlossene Ü-TV seien nicht wirksam zustande gekommen. Es fehle an einer entsprechenden Ermächtigungsnorm (Öffnungsklausel), welche die Tarifvertragsparteien entsprechend ermächtige, den FVTV nebst Ü-TV samt den in Bezug genommenen Regelungen betreffend die Vergütung und Eingruppierung des Klägers abzuschließen. § 10 BETV sei keine taugliche Ermächtigungsnorm. Die Formulierung "in Kombination mit" in § 10 BETV erfordere, dass die grundsätzliche Regelungsbefugnis der Parteien (der Beklagten und der beteiligten Tarifvertragsparteien) bereits aus § 10 BETV folgen müsse und nurergänzend weitere Öffnungsklauseln hinzutreten dürften. Der Begriff "ergänzend" sei sonst sinnentleert. Die Öffnungsklausel in Fn. 1 zum MTV werde durch die in § 10 BETV enthaltene "Tariföffnungsklausel" als speziellere Regelung verdrängt. Sie sei keine geeignete Ermächtigungsnorm zum Abschluss des FVTV und des Ü-TV. Auch lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Öffnungsklausel in Fn. 1 zum MTV nicht vor. Diese lasse nur ergänzende Regelungen zu, sofern diese den eigentlichen Regelungsbereich des MTV beträfen ("zu diesem Manteltarifvertrag"), gelte lediglich für Sonderfälle und stelle gerade keine generelle Ermächtigung an die Tarifvertragsparteien dar. Firmenbezogene Tarifverträge hätten nur dann zulässiges Regelungsinstrument sein sollen, wenn dies im Einzelfall nicht anders, das heißt durch eine befristete Betriebsvereinbarung (vgl. Fn. 1 Abs. 1 und 2) geregelt werden könne.

113

Der Kläger bestreitet weiter, dass insbesondere der FVTV und der Ü-TV der Sicherung der Beschäftigung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Beklagten dienten. Er ist der Ansicht, der bloße Hinweis auf die Präambel des FVTV sei nicht ausreichend, die Beklagte sei insoweit darlegungs- und beweispflichtig. Der Aushang der Beklagten vom 13. Februar 2015 bestätige seine Bedenken hinsichtlich deren Behauptung, der FVTV diene der Sicherung der Beschäftigung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Beklagten.

114

Der Kläger ist weiter der Ansicht, der FVTV und Ü-TV seien nicht auf das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der Beklagten anwendbar. Erstinstanzlich sei offen geblieben, ob die Z. GmbH im Zeitpunkt der Einstellung Mitglied des Arbeitgeberverbands gewesen sei. Die Beklagte selbst sei zunächst nicht Mitglied des Arbeitgeberverbandes geworden. Bei inkongruenter Tarifbindung im Zeitpunkt des Betriebsübergangs würden die bei dem Betriebsveräußerer geltenden Tarifnormen jedoch nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses. Es liege eine kleine dynamische Bezugnahmeklausel auf den BETV vor. Der Verbandstarifvertrag verdränge den FVTV. Die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB streite bezüglich des Umfangs der Bezugnahme für ihn.

115

Der zu seinen Gunsten anzunehmende Vertrauensschutz stehe der Zulässigkeit einer Rückwirkung der hier in Rede stehenden tarifvertraglichen Regelungen entgegen. Er sei davon ausgegangen, dass allein die Regelung des BETV für ihn Anwendung finde. Die Informationen hätten sich nicht konkret an ihn, sondern lediglich an die Belegschaft in ihrer Gesamtheit gerichtet. Er habe angenommen, dass sich die von der Beklagten genannten Informationen unter Umständen an andere Beschäftigte richteten, welche eben keine mit seiner eigenen arbeitsrechtlichen Regelung übereinstimmende Regelung hätten.

116

Hinsichtlich des nunmehr unter Ziffer 3 weitergehend geltend gemachten Zahlungsantrags handele es sich lediglich um die weitere Geltendmachung der ihm nicht ausgezahlten Fehlbeträge. Die Entgelterhöhungen ergäben sich aus je 3,7 % von den Tarifentgelten gemäß der Lohnabrechnungen (exklusiv vermögenswirksame Leistungen und exklusiv Kontoführungsgebühren).

117

Der Kläger beantragt,

118

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 9. Dezember 2014, Az. 12 Ca 2458/14 abzuändern und

119

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn auch über den 1. Juni 2014 hinaus nach Entgeltgruppe E 05 des jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrages für die chemische Industrie, zuletzt des Bundesentgelttarifvertrages für die chemische Industrie West vom 18. Juli 1987 in der Fassung vom 30. September 2004 in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag, zu vergüten,

120

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn
127,31 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2014,
weitere 123,48 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2014,
weitere 123,27 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2014 sowie
weitere 135,10 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2014 zu zahlen.

121

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn

122

141,16 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2014,
weitere 120,71 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2014,
weitere 118,36 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2014,
weitere 120,69 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2014,
weitere 120,40 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2014,
weitere 197,37 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2014 sowie
weitere 117,46 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2015 zu zahlen.

123

Die Beklagte beantragt,

124

die Berufung zurückzuweisen.

125

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 9. März 2015 sowie des Schriftsatzes vom 3. Juni 2015, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 425 ff., 553 ff. d. A.), unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags als rechtlich zutreffend. Sie ist der Ansicht,

126

eine einschlägige Ermächtigungsnorm für den Abschluss des FVTV und des Ü-TV sei in Form der Öffnungsklausel in Fn. 1 zum MTV vorhanden, die unabhängig von der gewählten Form als Fußnote wirksamer Bestandteil des MTV sei. Die Bundestarifvertragsparteien hielten mit dem FVTV ihre Normsetzungskompetenz aufrecht. § 4 Abs. 3 Var. 1 TVG lasse die Tarifvertragsparteien selbst darüber entscheiden, ob sie die Abmachung gestatteten. Grundsätzlich seien Öffnungsklauseln in eben jenem Tarifvertrag enthalten, dem sie die Abweichung gestatteten. Schließlich könnten Öffnungsklauseln Unternehmen in der Krise erlauben, tarifliche Arbeitsbedingungen zu unterschreiten, um Betrieb und Arbeitsplätze zu erhalten. Alle Maßnahmen, die der Beschäftigungssicherung oder der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit dienten, rechtfertigten die Anwendung der Tariföffnungsklausel. Aufgrund der Eigenständigkeit der Öffnungsklausel "Tarifkonkurrierende Bereiche" fänden die Bestimmungen des § 10 BETV keine Anwendung. § 10 BETV sei nicht die Öffnungsklausel für eine Kombination mit der Öffnungsklausel der Fußnote 1 zu § 1 MTV, sondern eine eigenständige Regelungsmöglichkeit auf Betriebsebene mittels Betriebsvereinbarung. Demzufolge könne eine Kombination auch nur mit einer anderen Öffnungsklausel, die zu einer Betriebsvereinbarung berechtige, in Frage kommen (so zum Beispiel eine Kombination des Entgeltkorridors mit dem Arbeitszeitkorridor, § 2 Abs. 1 Ziff. 3 MTV). Diese Lösung sei jedoch für die Beklagte kein gangbarer Weg gewesen, da zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit eine unbefristete Entkoppelung vom Tarifgeleitzug notwendig geworden sei. Die Bewertung, ob diese Voraussetzung erfüllt sei, sei Aufgabe der Tarifvertragsparteien. Das Vorliegen eines tarifkonkurrierenden Bereichs sei nicht bereits für die Möglichkeit von den tariflichen Regelungen des MTV Chemie durch FVTV abzuweichen erforderlich, sondern erst dann, wenn eine Gesamtregelung gefunden werden solle, die nach Abs. 2 der Fn. 1 zu § 1 MTV niedrige Entgeltsätze im Vergleich zu einem tarifkonkurrierenden Bereich nach sich ziehe. Solle wie im hier vorliegenden Fall eine Gesamtlösung (Entgeltabsenkung, Eingruppierung, Jahresleistung etc.) zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit vorliegen, müssten die Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 kumulativ erfüllt werden. Tarifkonkurrierend im Sinn der Fn. 1 Abs. 2 seien vor allem die Tarifverträge der kunststoffverarbeitenden Industrie, die für Arbeitgeber im Schnitt circa 15 % günstiger als die Verbandsflächentarifverträge der Chemie seien.

127

Sie befinde sich seit Jahren in wirtschaftlich sehr schwerer Lage. 2012/2013 seien von ursprünglich rund 400 Mitarbeitern nahezu 200 Mitarbeiter abgebaut worden. Die Firma U. stelle nahezu die gleichen Produkte her.

128

Der FVTV bzw. der Ü-TV seien daher kraft normativer Wirkung anwendbar. Eine Gleichstellungsabrede spiele bei Anwendung kraft normativer Wirkung keine Rolle. Durch ihre zwischenzeitlich fehlende Tarifgebundenheit zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs am 1. August 2002 habe sich nichts geändert. Wegen ihres Beitritts zum Arbeitgeberverband greife die der Bezugnahmeklausel innewohnende auflösende Bedingung nicht mehr ein.

129

Die Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel ergebe im vorliegenden Fall, dass die Parteien für den Streitzeitraum den FVTV vereinbart hätten. Seien die Verbandstarifverträge durch die Bezugnahmeklausel erfasst, müsse davon auch der FVTV als Verbandstarifvertrag erfasst sein. Eine differenzierende Formulierung finde sich in der Bezugnahmeklausel nicht und widerspräche auch der Normenhierarchie. Vor dem Hintergrund einer Gleichstellungsabrede könne eine solche Differenzierung weder gewollt noch vereinbart sein. Dafür spreche auch das Verhalten der Parteien nach dem Vertragsschluss. Der Kläger habe an der gesamten Tarifentwicklung - positiv wie negativ - teilgenommen, insbesondere auch an der Anwendung der tarifvertraglichen Öffnungsklauseln nach § 10 BETV Chemie bzw. nach § 2 Abs. 1 MTV Chemie zur Absenkung der Tarifentgelte. Zudem seien über Jahre und Jahrzehnte hinweg Tariflohnerhöhungen und sonstige Besserstellungen weitergegeben worden. Der übereinstimmenden Vorstellung der Vertragsparteien stehe auch nicht entgegen, dass die Anwendbarkeit des FVTV für den Verwender in diesem Fall günstiger sei. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Bezugnahme nicht auch die Öffnungsklauseln der Fußnote 1 zu § 1 MTV und die damit verbundenen firmenbezogenen Anpassungen erfassen solle. Es sei auch nicht ausgeschlossen, dass die Verweisung sich auf mehrere Tarifverträge beziehen könne, die sich im Geltungsbereich deckten, aber unterschiedliche Regelungen aufwiesen. Danach hätten die Arbeitsvertragsparteien mit ihrer Verweisung bei einer möglichen Konkurrenz zwischen mehreren in Bezug genommenen Tarifverträgen dem spezielleren Tarifvertrag den Vorrang einräumen wollen.

130

Der Aushang vom 13. Februar 2015 lasse keinen Rückschluss auf "gut gefüllte Auftragsbücher" zum Zeitpunkt des Tarifvertragsabschlusses zu. Die wirtschaft-liche Lage sei nach wie vor sehr angespannt.

131

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll des Kammertermins vom 10. Juni 2015 (Bl. 571 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

132

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Zwar ist das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz dem Klägervertreter ausweislich des Empfangsbekenntnisses erst am 5. Januar 2015 zugestellt worden, während es bei dem Beklagtenvertreter bereits am 19. Dezember 2014 eingegangen ist. Die Zustellung eines Urteils per Empfangsbekenntnis bei einem Prozessbevollmächtigten (§ 212 a ZPO) ist aber erst dann bewirkt, wenn dieser das Urteil mit dem Willen, es als zugestellt gegen sich gelten zu lassen, entgegennimmt und dies durch seine Unterschrift auf dem Empfangsbekenntnis mit Angabe des Zustellungszeitpunkts dokumentiert. Der Eingang in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten ist insoweit nicht maßgeblich (st. Rspr. des BGH, vgl. nur Urteil vom 19. Juni 2002 - IV ZR 147/01 - juris; vom 18. September 1990 - XI ZB 8/90 - NJW 1991, 42). Im vorliegenden Berufungsverfahren spricht das auf den 5. Januar 2015 datierte Empfangsbekenntnis für eine Zustellung an diesem Tag. Denn ein Empfangsbekenntnis erbringt grundsätzlich Beweis nicht nur für die Entgegennahme des darin bezeichneten Schriftstücks als zugestellt, sondern auch für den Zeitpunkt der Entgegennahme durch den Unterzeichner und damit für den Zeitpunkt der Zustellung.

133

Die Berufung erweist sich auch sonst als zulässig.

B.

134

In der Sache hatte die Berufung des Klägers keinen Erfolg.

I.

135

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO für Klageantrag zu 1. gegeben. Die Anwendbarkeit eines im Klageantrag hinreichend bestimmten (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) Tarifwerks auf ein Arbeitsverhältnis kann durch eine so genannte Elementenfeststellungsklage geklärt werden (BAG, Urteil vom 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - NZA 2012, 100, 101, Rz. 15; vom 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - NZA 2009, 151, 152, Rz. 11 m. w. N.).

136

Die mit der Berufungsbegründung erfolgte Klageerweiterung ist zulässig, § 264 Nr. 2 ZPO. Durch diese ist keine Änderung des Klagegrundes erfolgt (§ 533 ZPO).

II.

137

Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Beklagte ist weder kollektivrechtlich noch individualvertraglich verpflichtet, an den Kläger auch über den 1. Juni 2014 hinaus Vergütung nach der Entgeltgruppe E 05 des jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrages für die chemische Industrie, zuletzt des Bundesentgelttarifvertrages für die chemische Industrie West vom 18. Juli 1987 in der Fassung vom 30. September 2004 in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag zu zahlen (Antrag zu 1.). Auch für die Zeit vom 1. Februar 2014 bis zum 31. Mai 2014 hat der Kläger keinen Anspruch auf die Zahlung der Vergütungserhöhung in Höhe von 3,7 % durch die Beklagte, so dass auch der Antrag zu 2. unbegründet ist. Die zweitinstanzlich erfolgte Klageerweiterung hinsichtlich der Differenzbeträge für die Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 31. Dezember 2014 (Antrag zu 3.) hat ebenfalls keinen Erfolg.

138

1. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Vergütung über den 1. Juni 2014 hinaus nach Entgeltgruppe E 05 des jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrages für die chemische Industrie, zuletzt des BETV für die chemische Industrie West vom 18. Juli 1987 in der Fassung vom 30. September 2004 in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag besteht weder kollektivrechtlich noch aufgrund einer für den Kläger günstigeren einzelvertraglichen Abrede.

139

a) Der Kläger hat keinen entsprechenden Anspruch aus dem BETV in Verbindung mit dem jeweils geltenden Bezirkstarifvertrag für Rheinland-Pfalz in der jeweils geltenden Fassung gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG. Die jeweils aktuelle Fassung findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung, da die Bestimmungen des FVTV und des Ü-TV für die Zeit ab dem 1. Juni 2014 den Regelungen des BETV in Verbindung mit dem jeweils geltenden Bezirkstarifvertrag für Rheinland-Pfalz in der jeweils geltenden Fassung vorgehen. Der FVTV und der Ü-TV sehen gemäß § 4 Abs. 1 FVTV in Verbindung mit § 2 Abs. 3 Ü-TV eine Tarifabsenkung in Höhe von 9 % rückwirkend zum 1. Februar 2014 vor.

140

(1) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Vorschriften der Tarifverträge für die chemische Industrie kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit Anwendung. Der Kläger war seit dem 2. Februar 1981 Gewerkschaftsmitglied. Auch wenn der Kläger seine Mitgliedschaft in der IG BCE im Juni 2014 gekündigt hat, ist er an die zuvor abgeschlossenen Tarifverträge (noch) gemäß § 3 Abs. 3 TVG gebunden. Die Beklagte ist seit dem 1. Januar 2014 Mitglied des Arbeitgeberverbandes Chemie Rheinland-Pfalz.

141

(2) Der BETV in Verbindung mit dem jeweils geltenden Bezirkstarifvertrag für Rheinland-Pfalz findet kollektivrechtlich jedoch nur insoweit Anwendung auf das Arbeitsverhältnis als der FVTV und der Ü-TV für das Arbeitsverhältnis der Parteien keine vorgehenden Regelungen enthalten.

142

(3) Der FVTV und der Ü-TV sind in räumlicher Hinsicht auf Arbeitsverhältnis anwendbar. Diese beiden Tarifverträge gelten persönlich für alle an den Stand-orten C-Stadt und Lager V.-Stadt tariflich beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (§ 1 FVTV, § 1 Ü-TV) und damit für den am Standort C-Stadt tariflich beschäftigten Kläger.

143

(4) Der FVTV und der Ü-TV sind wirksam zustande gekommen. Beide sind schriftlich (§ 1 Abs. 2 TVG) zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden (§ 2 Abs. 1 TVG) abgeschlossen worden. Die jeweiligen Bundesverbände konnten sich beim Vertragsabschluss durch ihre Landesverbände vertreten lassen.

144

(5) Dem wirksamen Zustandekommen dieser Tarifverträge stehen auch nicht die Regelungen des BETV entgegen.

145

(a) Grundsätzlich sind die Tarifvertragsparteien frei darin, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten Tarifverträge abzuschließen und von ihnen geschlossene Tarifverträge abzuändern. Aus dem Ablösungsprinzip, nach dem die jüngere Tarifregelung der älteren vorgeht, ergibt sich, dass eine Tarifnorm stets unter dem Vorbehalt steht, durch eine nachfolgende tarifliche Regelung verschlechtert oder ganz gestrichen zu werden (BAG, Urteil vom 6. Juni 2007 – 4 AZR 382/06 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 9, Rz. 18 und 20). Die Tarifvertragsparteien bedürfen keiner tariflichen Öffnungsklausel, um einen firmenbezogenen Verbandstarifvertrag zu vereinbaren, der einem anderen Verbandstarifvertrag vorgehen soll (vgl. BAG, Urteil vom 19. November 2014 - 4 AZR 761/12 - BeckRS 2015, 67088, Rz. 28; ErfK/Franzen, 15. Aufl. 2015, § 4 TVG Rn.30 m. w. N.). Es ist daher unerheblich, ob der MTV eine Öffnungsklausel enthält (vgl. BAG, Urteil vom 23. März 2005 – 4 AZR 203/04 – NZA 2005, 1003, 1006). An ihre Protokollnotizen sind die Tarifvertragsparteien nicht gebunden (vgl. BAG, Urteil vom 20. Januar 2009 - 9 AZR 146/08 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 18, Rz. 25). Eine Grenze bilden lediglich der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 2 GG sowie zwingendes einfach-gesetzliches Recht. Dabei gehört es insbesondere zu dem durch das Grundgesetz geschützten Kernbereich der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG), dass die Tarifvertragsparteien bis zur Grenze der Willkür in freier Selbstbestimmung festlegen, ob und für welche Berufsgruppen und Tätigkeiten sie überhaupt tarifliche Regelungen treffen oder nicht treffen wollen (vgl. BAG, Urteil vom 29. August 2001 – 4 AZR 352/00 – NZA 2002, 863, 865; vom 30. August 2000 – 4 AZR 563/99 – NZA 2001, 613, 615 zur Festlegung des persönlichen Geltungsbereichs eines Tarifvertrags m. w. N.). Diese Grenze haben die Tarifvertragsparteien mit dem Abschluss des FVTV und des Ü-TV nicht überschritten.

146

(b) Mit dem Abschluss des FVTV und des Ü-TV sind die Tarifvertragsparteien überdies im Rahmen der Kompetenzen geblieben, die sie sich selbst durch die Öffnungsklausel in Fußnote 1 Abs. 3 zur Vorbemerkung MTV eingeräumt haben.

147

Gemäß der Fußnote 1 Abs. 3 zur Vorbemerkung MTV besteht zwischen den Tarifvertragsparteien Einvernehmen darüber, dass zur Sicherung der Beschäftigung oder Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit im Einzelfall abweichende tarifliche Regelungen auch in firmenbezogenen Tarifverträgen zwischen dem BAVC und der IG BCE vereinbart werden können. Dabei sind diese firmenbezogenen Tarifverträge von den regional zuständigen Arbeitgeberverbänden mit abzuschließen, soweit die tarifliche Regelung auch die bezirklichen Tarifentgeltsätze verändert.

148

Diese Klausel ist wirksamer Bestandteil des Tarifvertrags geworden. Die Tarifvertragsparteien des MTV haben in der Vormerkung zu diesem Tarifvertrag ausdrücklich klargestellt, dass (auch) die Anmerkungen und Protokollnotizen von ihnen vereinbart sind und als Bestandteil dieses Tarifvertrages gelten. Die Protokollnotiz ist auch in der erforderlichen Schriftform vereinbart worden. Eine Öffnungsklausel kann sich auch auf einen anderen Tarifvertrag beziehen. Dadurch nimmt der sich öffnende Tarifvertrag seinen Geltungsanspruch gegenüber dem anderen Tarifvertrag zurück (ErfK/Franzen, 15. Aufl. 2015, § 4 TVG Rn. 30).

149

Die Öffnungsklausel in Fußnote 1 Abs. 2 und 3 Vorbemerkung MTV wird auch nicht für den Bereich der Vergütung durch die in § 10 BETV geregelte Öffnungsklausel als speziellere Regelung verdrängt. Eine solche Verdrängung ergibt sich weder aus dem Wortlaut des § 10 BETV, dass „eine Kombination mit anderen tariflichen Öffnungsklauseln“ nicht ausgeschlossen ist, noch aus den verschiedenen Wirkungsmechanismen der beiden tarifvertraglichen Öffnungsklauseln. § 10 BETV regelt nicht die Zulässigkeit der Vereinbarung niedriger Entgeltsätze durch Verbandstarifvertrag, sondern den Abschluss befristeter Betriebsvereinbarungen mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien.

150

Schließlich gilt auch insoweit, dass die Tarifvertragsparteien nicht an ihre eigene Öffnungsklausel in § 10 BETV gebunden sind.

151

Die Voraussetzungen der Öffnungsklausel der Fn. 1 zur Vorbemerkung MTV sind gegeben. Insoweit haben die Tarifvertragsparteien selbst eine Einschätzungsprärogative. Diese steht den Tarifvertragsparteien zu, soweit es um die Beurteilung der tatsächlichen Regelungsprobleme geht. Weiter steht ihnen ein Beurteilungs- bzw. Ermessensspielraum zu, soweit es um die inhaltliche Gestaltung der Regelungen geht (BAG, Urteil vom 29. August 2001 – 4 AZR 352/00 – NZA 2002, 863, 865 m. w. N.). Die Tarifvertragsparteien haben in der Präambel zum FVTV durch die Formulierung „Dieser firmenbezogene Verbandstarifvertrag dient damit der Sicherung der Beschäftigung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit“ deutlich gemacht, dass sie die Voraussetzungen der Fn. 1 Vorbemerkung MTV als gegeben erachtet haben.

152

Die Beklagte, die auf dem Gebiet der Verarbeitung und Entwicklung hochwertiger flexibler Packstoffe tätig ist und Verpackungen für Lebensmittel erzeugt sowie Folien herstellt, steht in Wettbewerb mit den im Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie e. V. zusammengeschlossenen Unternehmen der Kunststoffpackmittelindustrie in Deutschland, die ebenfalls Lebensmittelfolien und Kunststoffverpackungen herstellen, so insbesondere zur Firma U.. Die Tariflöhne in der kunststoffverarbeitenden Industrie liegen unter denjenigen in der chemischen Industrie. Die Beklagte befand sich in der Vergangenheit in einer schweren wirtschaftlichen Situation, die sich in einem erheblichen Stellenabbau widerspiegelte.

153

Dem Vortrag der Beklagten, der FVTV und der Ü-TV seien zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit abgeschlossen worden, stehen auch nicht die Entwicklungen im Jahr 2015, insbesondere der Aushang vom 13. Februar 2015 entgegen. Aus der wirtschaftlichen Entwicklung nach Abschluss der firmenbezogenen Verbandtarifverträge kann nicht auf die wirtschaftliche Lage bei Vertragsabschluss geschlossen werden.

154

(6) Die Bestimmungen des FVTV und des Ü-TV gehen im Rahmen ihres Geltungsbereichs den Regelungen des BETV und des für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrags vor. Dies ergibt sich aus dem Willen der Tarifvertragsparteien, der in den von ihnen abgeschlossenen Bestimmungen zum Ausdruck kommt. Im vorliegenden Fall wurden die Tarifverträge von denselben Tarifvertragsparteien abgeschlossen. Diese legen fest, in welchem Verhältnis die von ihnen abgeschlossenen Tarifverträge stehen.

155

Insoweit ist unschädlich, dass neben den Bundesverbänden auch die regionalen Verbände den FVTV und den Ü-TV mitunterzeichnet haben.

156

Auch kommt es nicht darauf an, ob die Bundesverbände oder die regionalen Verbände die den Tarifvertragsabschlüssen vorangehenden Verhandlungen geführt oder maßgeblich beeinflusst haben. Entscheidend ist allein, ob Tarifverträge letztlich durch die Bundesverbände wirksam abgeschlossen wurden.

157

Sowohl in der Fn. 1 zur Vorbemerkung MTV als auch in der Präambel und in § 2 FVTV sowie in der Präambel des Ü-TV haben die Tarifvertragsparteien deutlich gemacht, dass die Bestimmungen des FVTV und des Ü-TV im Rahmen ihres Geltungsbereichs dem BETV vorgehen sollen, soweit in diesen abweichende Regelungen enthalten sind. Die Fn. 1 zur Vorbemerkung MTV sieht ausdrücklich die Vereinbarung abweichender tariflicher Regelungen vor. Dies macht nur dann Sinn, wenn die so vereinbarten Bestimmungen den übrigen tariflichen Regelungen vorgehen. In der Präambel des FVTV weisen die Tarifvertragsparteien ausdrücklich darauf hin, dass die Regelungen der Bundestarifverträge für die Beklagte angepasst werden müssen. Schließlich ist in § 2 FVTV explizit formuliert:"(1) Die zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie vereinbarten Bundestarifverträge einschließlich der Schlichtungsregelungen finden in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung, soweit nicht in den nachfolgenden Bestimmungen von diesen Tarifverträgen abgewichen wird. (2) Die zwischen dem AGV Chemie Rheinland-Pfalz e. V. und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie abgeschlossenen Bezirksentgelttarifverträge finden nur insoweit Anwendung, wie in den nachfolgenden Bestimmungen von diesen Tarifverträgen nicht abgewichen wird." In der Präambel des Ü-TV haben die Tarifvertragsparteien klargestellt, dass die Anpassung der Regelungen der Bundestarifverträge durch den FVTV "eine ergänzende Regelung" erfordert.

158

Zudem stellen der FVTV und der Ü-TV den spezielleren Tarifvertrag dar und verdrängen auch aus diesem Grund den BETV. Firmenbezogene Verbandstarifverträge stellen gegenüber Flächentarifverträgen stets die speziellere Regelung dar. Dieselbe Rechtsfolge ergibt sich aus dem Ablösungsprinzip, das im Verhältnis von zwei zeitlich aufeinanderfolgenden Normen desselben Normgebers gilt. Danach können die Tarifvertragsparteien grundsätzlich jederzeit einen von ihnen früher selbst vereinbarten Tarifvertrag abändern, einschränken oder aufheben (BAG, Urteil vom 20. Januar 2009 - 9 AZR 146/08 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 18, Urteil vom 6. Juni 2007 - 4 AZR 382/06 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 39, Rz. 18, jeweils m. w. N.).

159

Für die Anwendbarkeit des Günstigkeitsprinzips nach § 4 Abs. 3 TVG ist im Verhältnis des FVTV und des Ü-TV zum BETV kein Raum. Das Günstigkeitsprinzip stellt eine Kollisionsregelung für das Verhältnis von schwächeren zu stärkeren Rechtsnormen dar. Es ist nicht anzuwenden, wenn mehrere tarifvertragliche und damit gleichrangige Regelungen zusammentreffen (BAG, Urteil vom 24. Januar 2001 – 4 AZR 655/99 – NZA 2001, 788, 790).

160

b) Der Kläger hat auch keinen gegenüber der kollektivrechtlichen Regelung günstigeren arbeitsvertraglichen Anspruch auf Vergütung nach dem jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrag für die chemische Industrie, zuletzt des Bundesentgelttarifvertrages für die chemische Industrie West vom 18. Juli 1987 in der Fassung vom 30. September 2004 in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag (§ 4 Abs. 3 TVG). Ein solcher Anspruch des Klägers ergibt sich insbesondere nicht aus einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel in Verbindung mit § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB. Infolge des (letzten) Betriebsübergangs ist die Beklagte gemäß § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB in die arbeitsvertraglich begründeten Rechte und Pflichten der Vorarbeitgeberin eingetreten.

161

Der Bezugnahmeklausel kommt rechtsbegründende Wirkung zu, auch wenn die in Bezug genommenen Tarifnormen ohnehin nach §§ 4 Abs. 1, 3 Abs. 1 TVG zwingend und unmittelbar gelten. Die Wirkung einer Bezugnahmeklausel wird nicht dadurch berührt, dass der in Bezug genommene Tarifvertrag noch aus einem weiteren rechtlichen Grund für das Arbeitsverhältnis der Parteien maßgebend ist (Urteil vom 29. August 2007 - 4 AZR 767/06 - NZA 2008, 364, 365, Rz. 13; vom 19. März 2003 - 4 AZR 331/02 - NZA 2003, 1207, 1209). Auch dann, wenn ein Arbeitnehmer gleichzeitig Gewerkschaftsmitglied ist, wirkt die Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf Tarifverträge stets konstitutiv (und nicht nur deklaratorisch). Dies ergibt sich bereits aus der tatsächlichen Situation des Arbeitsvertragsschlusses und im Hinblick darauf, dass die Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit des Bewerbers nicht zulässig ist (Däubler/Lorenz, TVG, 3. Aufl. 2012, § 3 Rn. 225). Die konstitutive Wirkung der Bezugnahmeklausel konnte auch nicht dadurch später entfallen, dass die Beklagte in den Arbeitgeberverband eingetreten ist.

162

In dem von den Parteien am 13. Januar 1981 abgeschlossenen Arbeitsvertrag haben die damaligen Arbeitsvertragsparteien eine Bezugnahmeregelung vorge-sehen. Bei dieser handelt es sich um eine so genannte Gleichstellungsabrede im Sinn der früheren Rechtsprechung des 4. Senats des Bundesarbeitsgerichts. Infolge des Betriebsübergangs auf die Beklagte sind die aus dem in Bezug genommenen Tarifwerk herrührenden individualvertraglichen Rechte und Pflichten nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten als Erwerberin geworden und zwar mit dem tariflichen Regelungsbestand vom 31. Juli 2012. Die Bezugnahme erstreckt sich damit nicht mehr auf die nach diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Tarifverträge, insbesondere auch nicht auf die Tarifeinigung vom 5. Februar 2014. Aber auch dann, wenn man annehmen würde, dass mit dem Eintritt der Beklagten in den Arbeitgeberverband Chemie aufgrund der im Arbeitsvertrag vereinbarten Gleichstellungsabrede wieder die tariflichen Regelungen Anwendung finden würden, hätte der Kläger keinen Anspruch auf die Vergütungserhöhungen. In diesem Fall wären - wie oben dargelegt - der FVTV und der Ü-TV auf das Arbeitsverhältnis anwendbar. Im Einzelnen:

163

(a) Nach dem in § 4 Abs. 3 TVG normierten Günstigkeitsprinzip gehen abweichende arbeitsvertragliche Regelungen den Abmachungen eines Tarifvertrags dann vor, wenn sie für Arbeitnehmer günstiger sind. Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag steht außerhalb des tarifkollisionsrechtlichen Rahmens. Die Kollision zwischen den kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit für das Arbeitsverhältnis der Parteien normativ geltenden und den aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren Tarifvorschriften ist nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) zu lösen (BAG, Urteil vom 10. Dezember 2014 – 4 AZR 503/12, Rz. 41 m. w. N.). Seine insoweit anders lautende Rechtsauffassung (Urteil vom 23. März 2005 – 4 AZR 203/04 – NZA 2005, 1003) hat das Bundesarbeitsgericht zwischenzeitlich ausdrücklich wieder aufgegeben (Urteil vom 29. August 2007 – 4 AZR 767/06 – NZA 2008, 364, 366, Rz. 20). Eine Tarifkonkurrenz kann bei der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag nicht entstehen (BAG, Urteil vom 9. Juni 2010 - 5 AZR 122/09 - BeckRS 2010, 73884, Rz. 24 m. w. N.). Es geht nicht um die Konkurrenz zweier Tarifverträge, sondern um die Konkurrenz einer arbeitsvertraglichen Regelung und eines normativ wirkenden Tarifvertrags. Nach dem Günstigkeitsprinzip treten unmittelbar und zwingend geltende Tarifbestimmungen hinter einzelvertraglichen Vereinbarungen mit für den Arbeitnehmer günstigeren Bedingungen zurück.

164

(b) Im vorliegenden Fall ist der Kläger durch die arbeitsvertraglichen Vereinbarung hinsichtlich der jeweiligen Vergütungserhöhungen jedoch nicht besser gestellt als durch die kollektivrechtlich geltenden Bestimmungen.

165

Im Arbeitsvertrag vom 13. Januar 1981 haben der Kläger und die Rechtsvorgängerin der Beklagten (Z. GmbH) eine so genannte Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Rechtsprechung des 4. Senats des Bundesarbeitsgerichts vereinbart.

166

Nach dieser Rechtsprechung waren bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers - anders als bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern - Verweisungsklauseln in aller Regel als so genannte Gleichstellungsabreden auszulegen. Mit der Verweisung auf die einschlägigen Tarifverträge sollen die Arbeitnehmer so gestellt werden, wie sie tarifrechtlich stünden, wenn sie tatsächlich tarifgebunden wären. Das bedeutet, dass das Arbeitsverhältnis an der dynamischen Entwicklung der in Bezugnahme stehenden Tarifverträge nur so lange teilnimmt, wie der Arbeitgeber selbst tarifgebunden ist (BAG, Urteil vom 27. Januar 2010 - 4 AZR 570/08 - NJW-Spezial 2010, 402 Rz. 18). Ab diesem Zeitpunkt sind die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch anzuwenden (BAG, Urteil vom 14. Dezember 2011 - 4 AZR 79/10 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 104, Rz. 18; vom 19. März 2003 - 4 AZR 331/02 - NZA 2003, 1207). Dies beruhte auf der Vorstellung, dass mit einer solchen von einem tarifgebundenen Arbeitgeber gestellten Vertragsklausel lediglich die möglicherweise fehlende Gebundenheit des Arbeitnehmers an die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge ersetzt werden soll, um jedenfalls zu einer vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrags zu kommen und damit - bei deren genereller Verwendung - zu dessen Geltung für alle Beschäftigten (vgl. nur BAG, Urteil vom 21. August 2002 - 4 AZR 263/01 - NZA 2003, 442). Diese Auslegungsregel hält der 4. Senat des Bundesarbeitsgerichts nicht mehr aufrecht. Er wendet sie aus Gründen des Vertrauensschutzes aber weiterhin auf die Verweisungsklauseln in Arbeitsverträgen an, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 abgeschlossen worden sind (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAG, Urteil vom 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - NZA 2012, 100, 102 Rz. 18 m. w. N.; vom 23. Januar 2007 - 4 AZR 602/06 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 63 Rz. 21). Dieser Vertrauensschutz unterliegt keiner zeitlichen Beschränkung (BAG, Urteil vom 14. Dezember 2011 - 4 AZR 79/10 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 104, Rz. 18).

167

Da die im Arbeitsvertrag enthaltene Verweisung vor dem 1. Januar 2002 vereinbart worden ist, kommt bei deren Auslegung weiterhin die frühere Rechtsprechung des 4. Senats des Bundesarbeitsgerichts zur Anwendung. Danach ist die Bezugnahme im Arbeitsvertrag eine Gleichstellungsabrede. Sie ist dahin auszulegen, dass sie auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge der chemischen Industrie verweist, an die die damalige Arbeitgeberin tarifgebunden war. Auf diese Weise sind deren Regelungen mit der sich aus dem Charakter als Gleichstellungsabrede ergebenden Maßgabe Inhalt des Arbeitsvertrages des Klägers geworden.

168

Die Z. GmbH war im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags tarifgebunden. Sie hatte durch Beschluss des Vorstandes des Landesverbandes Chemische Industrie Rheinland-Pfalz e. V. rückwirkend zum 1. November 1977 die Mitgliedschaft im damaligen Landesverband Chemische Industrie Rheinland-Pfalz e. V. erworben (vgl. die Niederschrift der Vorstandssitzung des Landesverbands Chemische Industrie Rheinland-Pfalz vom 18. Januar 1978).

169

Bei dem zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrag handelt es sich dem äußeren Erscheinungsbild nach um ein vervielfältigtes Klauselwerk dieser Rechtsvorgängerin der Beklagten, bei dem prima facie anzunehmen ist, dass es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Der Inhalt dieses Formularvertrags ist als Allgemeine Geschäftsbedingung nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie er von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zu Grunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage (BAG, Urteil vom 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - NZA 2012, 100, 102, Rz. 21 m. w. N.).

170

Danach enthält der Arbeitsvertrag eine zeitdynamische Bezugnahme auf die jeweiligen Regelungen der Verbandstarifverträge der Chemischen Industrie. Der Kläger und die Rechtsvorgängerin der Beklagten haben im Arbeitsvertrag an die tariflichen Regelungen der Chemischen Industrie in ihrer Gesamtheit angeknüpft und gestalten sie zeitdynamisch. Davon gehen die Parteien übereinstimmend aus und dem entsprach auch die arbeitsvertragliche Praxis. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten wollte in ihrem Betrieb in C-Stadt das für die chemische Industrie geltende Tarifwerk anwenden und die dort stattfindende tarifliche Entwicklung in dem Arbeitsverhältnis des Klägers nachvollziehen. Zwar nimmt der Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich auf die "Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung" Bezug, sondern nennt als "maßgeblichen Tarifvertrag" das Datum "1.7.80". Aufgrund des Ausnahmecharakters statischer Bezugnahmen ist jedoch zu verlangen, dass sich die fehlende Dynamik aus der Klausel selbst ausdrücklich ergibt. Etwas anderes kann nur dann angenommen werden, wenn besondere Umstände darauf hindeuten, dass auf Grund der arbeitsvertraglichen In-Bezugnahme die Tarifentwicklung nicht ohne Weiteres nachvollzogen werden, der in Bezug genommene Tarifvertrag also nur in der zu einem bestimmten Zeitpunkt geltenden Fassung Anwendung finden soll (BAG, Urteil vom 25. Februar 2015 - 5 AZR 481/13 - BeckRS 2015, 68604, Rz. 15; vom 11. Oktober 2006 - 4 AZR 486/05 - NZA 2007, 634, 635 Rz. 15 m. w. N.). Nicht allein ausreichend für eine statische Bezugnahme ist dagegen, wenn auf den "Tarifvertrag vom (konkretes Datum)" verwiesen wird, da es sich hierbei um eine Formulierung handeln kann, die allein im zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschlussdatum des Arbeitsvertrages steht (Däubler/Lorenz, TVG, 3. Aufl. 2012, § 3 Rn. 229 m. w. N.). Aus der Formulierung "Tariflohn nach der z. Zt. gültigen Lohntafel DM 10,10" wird deutlich, dass nicht nur der gegenwärtige Tariflohn vereinbart werden, sondern der Kläger auch an späteren Tariflohnerhöhungen teilnehmen sollte. Die Formulierung "zur Zeit gültigen" deutet auf die dynamische Verweisung hin.

171

Die Bezugnahme bezieht sich auch nicht nur auf die tariflichen Regelungen, die das Entgelt betreffen, sondern auf das gesamte Tarifwerk der Chemischen Industrie. Bei dem genannten Tarifwerk "1.7.80" handelte es sich um einen Mantel-, nicht um einen reinen Entgelttarifvertrag. Hinsichtlich der Definition von "Mehrarbeit" knüpft der Arbeitsvertrag an die tarifliche Arbeitszeit an: "jede angeordnete, die tarifliche Arbeitszeit überschreitende Arbeitsstunde". Auch hinsichtlich der Kündigungsfrist sollen die "gesetzlichen und tariflichen Kündigungsfristen" gelten. Für die Bezugnahme des gesamten Tarifwerks spricht auch der enge Zusammenhang der Regelungen, so beispielsweise zwischen Arbeitszeit und Tarifentgelt. Zu dem Tarifwerk der chemischen Industrie gehören auch firmenbezogene Verbandstarifverträge. Auch sie werden von den Tarifvertragsparteien der chemischen Industrie (Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. bzw. Arbeitgeberverband Chemie Rheinland-Pfalz einerseits und IG BCE andererseits) abgeschlossen.

172

Das Auslegungsergebnis wird durch die von den Parteien bzw. der Rechtsvorgängerin der Beklagten praktizierte Durchführung des Arbeitsvertrags bestätigt. Für die Auslegung einer vertraglichen Vereinbarung ist gegebenenfalls auch die vertragliche Praxis heranzuziehen, weil diese für den Fall der Einvernehmlichkeit Rückschlüsse auf den Willen der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zulässt (BAG, Urteil vom 14. Dezember 2005 – 10 AZR 296/05 – NZA 2006, 744, 745).

173

Die Bezugnahmeklausel ist keine überraschende Klausel und deshalb Vertragsbestandteil geworden (§ 305c Abs. 1 BGB). Dynamische Verweisungen auf einschlägige Tarifverträge sind im Arbeitsleben als Gestaltungsinstrument so verbreitet, dass ihre Aufnahme in Formularverträge nicht überraschend ist (BAG, Urteil vom 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - NZA 2009, 154, 156, Rz. 20). Das gilt auch soweit durch die Bezugnahme Tarifverträge zur Beschäftigungssicherung in Bezug genommen werden.

174

Für die Anwendung der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB ist angesichts des Auslegungsergebnisses kein Raum.

175

Infolge des Betriebsübergangs wurden die begründeten, aus dem in Bezug genommenen Tarifwerk herrührenden individualvertraglichen Rechte und Pflichten nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten als Erwerberin und zwar, weil es sich um eine Gleichstellungsabrede handelt, mit dem tariflichen Regelungsbestand vom 31. Juli 2012. Mit dem Betriebsübergang auf die - zunächst - nicht tarifgebundene Beklagte hat sich die in der Gleichstellungsabrede enthaltene auflösende Bedingung für die dynamische Fortgeltung realisiert. Der in Bezug genommene Tarifvertrag ist nur noch in der zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs geltenden Fassung anzuwenden. Davon geht auch der Kläger aus.

176

Infolge der eingetretenen Statik hat der Kläger jedoch individualvertraglich keinen Anspruch auf die erst nach Betriebsübergang von den Tarifvertragsparteien des Bundearbeitgeberverbandes Chemie e. V. und der IG BCE nach Betriebsübergang (mit Wirkung zum 1. August 2012) am 5. Februar 2014 beschlossene Erhöhung der Entgelte um 3,7 % und zukünftige Lohnerhöhungen.

177

Aber auch dann, wenn man davon ausgehen würde, dass infolge des - späteren - Verbandseintritts der Beklagten die Bezugnahmeklausel wieder dynamisch zu verstehen wäre, wäre ein individualvertraglicher Anspruch des Klägers nicht gegeben. In diesem Fall würden auch die Regelungen des FVTV und des Ü-TV auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Auch die Regelungen firmenbezogener Verbandstarifverträge sind von der Bezugnahmeklausel im Arbeitsverhältnis erfasst. Wie dargelegt, bezieht sich diese auf das gesamte Tarifwerk. Zu diesem gehören auch firmenbezogene Verbandstarifverträge (vgl. BAG, Urteil vom 20. Januar 2009 - 9 AZR 146/08 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 18). Es kann daher letztlich dahinstehen, ob die zwischen den Parteien vereinbarte Bezugnahmeklausel so auszulegen ist und ausgelegt werden kann, dass mit einem erneuten Verbandseintritt des Arbeitgebers die ursprüngliche Dynamik wiederauflebt bzw. die Klausel wieder "ein Bezugnahmeobjekt" findet und "die schuldrechtliche Tarifgeltung" "aktualisiert" wird (Löwisch/Rieble, TVG, 3. Aufl. 2012, § 3 Rn. 656).

178

Darauf ob der Kläger von der Beklagten zutreffend eingruppiert worden ist, kommt es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits damit nicht mehr an.

179

2. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf die Zahlung von Vergütungsdifferenzen für die Monate Februar bis Mai 2014. Auch in diesem Zeitraum gehen jedenfalls die Bestimmungen des FVTV und des Ü-TV den Regelungen des BETV und des für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrags vor.

180

Die in § 4 Abs. 1 FVTV vorgesehenen Absenkung des Tariflohns um 9 % konnte bereits bei der ab dem 1. Februar 2014 vereinbarten Tarifsteigerung um 3,7 % berücksichtigt werden.

181

§ 6 FVTV und § 3 Ü-TV sehen ihre rückwirkende Geltung ausdrücklich vor. Die Vereinbarung, dass die Tarifverträge rückwirkend die Tariflohnerhöhung zum 1. Februar 2014 erfassen, ist nicht unwirksam.

182

Aus dem Ablösungsprinzip, nach dem die jüngere Tarifregelung der älteren vorgeht, ergibt sich, dass eine Tarifnorm stets unter dem Vorbehalt steht, durch eine nachfolgende tarifliche Regelung verschlechtert oder ganz gestrichen zu werden (BAG, Urteil vom 6. Juni 2007 – 4 AZR 382/06 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 39, Rz. 20; vom 23. März 2005 – 4 AZR 203/04 – NZA 2005, 1003, 1006). Ein Vertrauensschutz besteht insoweit grundsätzlich nicht. Dies gilt in gleicher Weise bei der Änderung eines Tarifvertrags durch einen anderen – spezielleren – Tarifvertrag. Soweit die Änderungen der Tarifnorm Sachverhalte berühren, die in der Vergangenheit liegen, haben die Tarifvertragsparteien allerdings die Grenzen für eine Rückwirkung einzuhalten, die auch vom Gesetzgeber zu beachten sind. Die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien zur rückwirkenden Änderung tarifvertraglicher Regelungen ist durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes der Normunterworfenen begrenzt (BAG, Urteil vom 6. Juni 2007 – 4 AZR 382/06 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 39, Rz. 20; vom 11. Oktober 2006 - 4 AZR 486/05 - NZA 2007, 634). Die den Tarifvertragsparteien in Art. 9 Abs. 3 GG eingeräumte Normsetzungsbefugnis umfasst die rückwirkende Inkraftsetzung von verschlechternden Bedingungen nur insoweit, als sie nicht den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes verletzen, wie ihn das BVerfG für die Rückwirkung von Gesetzen aus Art. 20 GG ableitet. Dabei ist das Vertrauen in den Bestand des tariflichen Anspruchs unabhängig davon schutzwürdig, ob der Tarifvertrag für das Arbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit gilt oder ob dessen Anwendung vertraglich vereinbart ist. Für die Beantwortung der Frage, ob ein Tarifvertrag rückwirkend in einen tariflichen Anspruch eingreifen kann, ist maßgeblich auf den Zeitpunkt der Anspruchsentstehung und nicht auf den gegebenenfalls später liegenden Zeitpunkt der Fälligkeit abzustellen. Bereits von diesem Zeitpunkt an hat der Arbeitnehmer nicht nur eine Anwartschaft, sondern einen Rechtsanspruch erworben, auf dessen Bestand er grundsätzlich vertrauen kann.

183

Die Grundlage für schützenswertes Vertrauen besteht nicht mehr, wenn und sobald die Normunterworfenen mit einer Änderung rechnen müssen. Dabei hat der Wegfall des Vertrauensschutzes nicht zur Voraussetzung, dass der einzelne Tarifunterworfene positive Kenntnis von den maßgeblichen Umständen hat. Entscheidend und ausreichend ist vielmehr die Kenntnis der betroffenen Kreise (BAG, Urteil vom 11. Oktober 2006 - 4 AZR 486/05 - NZA 2007, 634, 636 Rz. 27; vom 23. November 1994 – 4 AZR 879/93 – NZA 1995, 844, 849 f.). In der Regel müssen Arbeitnehmer nicht damit rechnen, dass in bereits entstandene Ansprüche eingegriffen wird, auch wenn sie noch nicht erfüllt oder noch nicht fällig sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn bereits vor der Entstehung des Anspruchs hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Tarifvertragsparteien diesen Anspruch zu Ungunsten der Arbeitnehmer ändern werden. Dann ist das Vertrauen der Arbeitnehmer in die Fortgeltung der Tarifnorm nicht mehr schutzwürdig. Auch dann, wenn die Tarifnorm nicht oder nicht wirksam gekündigt worden ist, kann das schutzwürdige Vertrauen in ihren Fortbestand beseitigt werden. Eine gemeinsame Erklärung der Tarifvertragsparteien, eine ungekündigte tarifliche Regelung werde zu einem bestimmten Zeitpunkt einen näher beschriebenen anderen Inhalt erhalten, ist ein Beispiel dafür, dass das Vertrauen der Normunterworfenen in den Fortbestand dieser Regelung über den bekanntgegebenen Zeitpunkt ihrer Änderung hinaus nicht mehr schutzwürdig ist (BAG, Urteil vom 23. November 1994 – 4 AZR 879/93 – NZA 1995, 844, 849 f.). Es können aber auch andere Umstände eine rückwirkende Änderung ungekündigter kollektiver Normen ankündigen und damit das schutzwürdige Vertrauen in den unveränderten Bestand der Tarifregelung beseitigen (BAG, Urteil vom 17. Mai 2000 - 4 AZR 216/99 - NZA 2000, 1297, 1299 m. w. N.).

184

Wegen der vorangehenden, eingehenden Information der Mitarbeiter der Beklagten können sich diese wie auch der Kläger nicht auf Vertrauensschutz berufen. Sie mussten mit einer rückwirkenden Regelung rechnen.

185

Bereits durch die Tarifinfo vom 2. Juli 2013 der Tarifkommission der IG BCE wurden die Beschäftigten darüber informiert, dass eine erste Verhandlungsrunde zu den zukünftigen tariflichen Regelungen der Beklagten stattfand, in der die Notwendigkeit diskutiert wurde, mit Blick auf die Wettbewerbssituation die Kosten-basis der Beklagten mittel- bis langfristig anzupassen. Beide Seiten der Verhandlungsrunde hätten dabei für den Bereich der Personalkosten eine verbandsbezogene Haustariflösung als sinnvollste Variante angesehen.

186

Insbesondere aber durch den gemeinsamen Aushang der Geschäftsleitung der Beklagten und der Tarifkommission der IG BCE C. vom 20. Januar 2014 wurden konkrete Eckpunkte (Eingruppierungsrichtlinien, Entgeltabsenkung, Überleitungsvereinbarung) als Verhandlungsergebnis vorgestellt. So hieß es in diesem Aushang ausdrücklich: „Diese Anpassung soll insbesondere über eine Anrechnung der zukünftigen Tariflohnerhöhungen geschehen.“ Diese Hinweise sind hinreichend konkret. Es ist weder erforderlich, dass über eine bereits getroffene Entscheidung zu den beabsichtigten Eingriffen informiert wird, noch, dass konkrete Angaben über das Ausmaß der beabsichtigten Eingriffe gemacht werden. Anderenfalls würden die Gestaltungsmöglichkeiten der Tarifvertragsparteien unangemessen eingeschränkt.

187

Die Hinweise mussten nicht an den Kläger persönlich gerichtet sein. Sie stammten von der der Beklagten und der Tarifkommission selbst, also aus einer verläss-lichen Quelle. Die Tarifinfo ist von dem General Manager C. Q.P. sowie dem Vorsitzenden der IG BCE Tarifkommission C. M.N. veröffentlicht worden, deren Namen unter der Tarifinfo angegeben sind.

188

Die Beschäftigten mussten die Informationen so verstehen, dass Tarifverhand-lungen über einen Sanierungstarifvertrag mit den genannten Regelungsgegenständen geführt werden. Dies ergibt sich insbesondere aus dem ersten Absatz dieser Tarifinfo, wonach sich die IG BCE Tarifkommission C. "heute in konstruktiven Gesprächen mit den Arbeitgebern auf folgende Eckpunkte geeinigt" hat.

189

3. Aus den unter 1. dargelegten Gründen folgt, dass der Kläger gegen die Beklagte ebenfalls keinen Anspruch auf die – mit der Klageerweiterung in der Berufungsinstanz – eingeklagte Zahlung von Vergütungsdifferenzen für die Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 31. Dezember 2014 hat.

III.

190

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

191

Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt; insbesondere hat die Rechtssache nach Auffassung der Kammer keine grundsätzliche Bedeutung. Die Frage des Verhältnisses mehrerer Tarifverträge derselben Tarifvertragsparteien zueinander ist höchstrichterlich ebenso geklärt wie diejenige des Verhältnisses zwischen normativ geltenden tariflichen Bestimmungen einerseits und kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren tariflichen Regelungen andererseits. Auf die Auslegung des § 10 BETV und der Fn. 1 zur Vorbemerkung MTV kommt es nicht entscheidungserheblich an. Auch die Frage der Dynamik einer Bezugnahme nach Betriebsübergang ist im vorliegenden Rechtsstreit letztlich nicht entscheidungserheblich. Bei dem vorliegenden Verfahren handelt es sich ebenfalls nicht um ein Musterverfahren.

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Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 12. Mai 2015 - Az.: 12 Ca 2417/14 - wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren zuletzt über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin nach dem Bundesentgelttarifvertrages für die Chemische Industrie West in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag mit den sich aus dem Firmenbezogenen Verbandstarifvertrag für die C. vom 12. Mai 2014 in Verbindung mit dem Überleitungstarifvertrag zwischen der C. und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie vom 12. Mai 2015 ergebenden Modifikationen.

2

Die Beklagte ist auf dem Gebiet der Verarbeitung und Entwicklung hochwertiger flexibler Packstoffe tätig und führender Erzeuger von Verpackungen für Lebensmittel und Hersteller von Folien. Sie beschäftigt am Standort C-Stadt circa 250 Mitarbeiter. Im dortigen Betrieb existiert ein Betriebsrat.

3

Die Klägerin ist seit dem 8. Januar 1996 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin auf Grund des mit der Z. am 5. Januar 1996 geschlossenen Arbeitsvertrags beschäftigt. Wegen des Inhalts dieses Arbeitsvertrags wird auf Bl. 9 d. A. Bezug genommen. Sie ist kein Gewerkschaftsmitglied.

4

In dem Formular „Personal-Veränderung“ vom Januar 2001 (Bl. 495 d. A.) ist eine "Umgruppierung" der Klägerin von Entgeltgruppe E 04 in Entgeltgruppe E 05 mit Wirkung vom 1. Januar 2001 festgehalten.

5

Die Z. GmbH war durch Beschluss vom 14. Juni 1988 in den Landesverband Chemische Industrie Rheinland-Pfalz e. V. aufgenommen worden. Sodann wurde der Betrieb der Z. GmbH mit Vertrag vom 27. August 2001 auf die C. Z. GmbH & Co. KG ausgegliedert, die ihr Geschäft per Anwachsung an die C. Y. GmbH & Co. KG, als Zweigniederlassung C. C-Stadt übertragen hat. Die neue Firmierung der Zweigniederlassung C. C-Stadt der C. Y. GmbH & Co. KG wurde auf der Vorstandssitzung des Landesverbandes Chemische Industrie Rheinland-Pfalz zur Kenntnis genommen und damit die Fortführung der Mitgliedschaft unter neuem Namen gebilligt. Der zuletzt erfolgte Betriebsübergang vollzog sich mit Wirkung zum 1. August 2012. Hierbei ging der Betrieb der C. C-Stadt, Zweigniederlassung der C. Y. GmbH & Co. KG auf die Beklagte über. Zugleich wurde die C. C-Stadt, Zweigniederlassung, als Zweigniederlassung der C. Y. GmbH & Co. KG aus dem Handelsregister gelöscht. Aus diesem Grund kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 31. August 2012 die Mitgliedschaft der C. C-Stadt, Zweigniederlassung und teilte dem Arbeitgeberverband Chemie Rheinland-Pfalz e. V. zugleich mit, dass es über ihre Verbandszugehörigkeit noch keine Entscheidung gebe.

6

Im Jahr 2013 führte die Beklagte Verhandlungen mit der IG BCE zu den künftigen tariflichen Regelungen. Die IG BCE informierte die Mitarbeiter der Beklagten durch öffentliche Aushänge der Tarifkommission der IG BCE vom 2. Juli 2013 und vom 21. August 2013 über die geplanten Einschnitte im Bereich der Personalkosten durch eine Tarifvertragslösung. Mit gemeinsamem Aushang der Geschäftsleitung der Beklagten und der Tarifkommission der IG BCE C. vom 20. Januar 2014 im Betrieb der Beklagten wurden konkrete Eckpunkte (Eingruppierungsrichtlinien, Entgeltabsenkung, Überleitungsvereinbarung) als Verhandlungsergebnis vorgestellt. Dort heißt es unter anderem: „Diese Anpassung soll insbesondere über eine Anrechnung der zukünftigen Tariferhöhungen geschehen.“ Am 5. Februar 2014 einigten sich die Tarifparteien des Bundesarbeitgeberverbandes Chemie e.V. und der IG BCE auf eine Erhöhung der Entgelte um 3,7 %. Die Tariflohnerhöhung für den Tarifbezirk Rheinland-Pfalz sollte rückwirkend zum 1. Februar 2014 erfolgen. Unter dem 12. Mai 2014 schlossen der Bundesarbeitgeberverband Chemie e.V. und der Arbeitgeberverband Chemie Rheinland-Pfalz e. V. einerseits und die IG BCE und die IG BCE, Landesbezirk Rheinland-Pfalz/Saarland, andererseits rückwirkend ab dem 15. Dezember 2013 einen "firmenbezogenen Verbandstarifvertrag für die C. X. W. GmbH & Co. KG gemäß Fußnote 1 Abs. 3 zum Manteltarifvertrag vom 24. Juni 1992 i.d.F. vom 16. April 2008" (im Folgenden: FVTV) für die Beklagte, der bis zum 31. Dezember 2018 Geltung haben soll. Dieser sieht unter anderem vor, dass für die Beschäftigen der Beklagten ein um 9 % abgesenkter Tarifvertrag zur Anwendung kommt (vgl. § 4 Abs. 1). Zudem soll sich die Zuweisung der Tätigkeiten auf die im Bundesentgelttarifvertrag definierten Entgeltgruppen aus der Betriebsvereinbarung über eine Eingruppierungsrichtlinie und die Überleitung auf die neue Entgeltstruktur vom 12. Mai 2014 zwischen dem Betriebsrat und der Beklagten ergeben (§ 3). An demselben Tag schlossen die Beklagte und die IG BCE zur weiteren Ergänzung einen "Überleitungstarifvertrag" (im Folgenden: Ü-TV) mit Wirkung zum 15. Dezember 2013. Zur Anpassung der Eingruppierung der Mitarbeiter der Beklagten schlossen die Beklagte und der Betriebsrat der Beklagten am 30. Juni 2014 sodann mit Wirkung zum 12. Mai 2014 eine "Betriebsvereinbarung über eine Eingruppierungsrichtlinie und die Überleitung auf die neue Entgeltstruktur" (im Folgenden: BV) ab. Mit Schreiben vom 10. April 2014 teilte der Arbeitgeberverband Chemie Rheinland-Pfalz e. V. der Beklagten mit, dass diese entsprechend ihrem Antrag auf Mitgliedschaft vom 11. März 2014 rückwirkend zum 1. Januar 2014 neu im Kreise ihrer Mitgliedsunternehmen aufgenommen sei.

7

Die Beklagte informierte die Klägerin mit Schreiben vom 26. Mai 2014 "Überführung in den C.-Tarifvertrag" (Bl. 10 ff. d. A.) über die Geltung des neuen firmenbezogenen Tarifvertrages. Dem Schreiben war eine vorformulierte Vertragsergänzung zur Geltung des neuen firmenbezogenen Verbandstarifvertrages beigefügt. Des Weiteren teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie sie ab dem 1. Juni 2014 in der Funktion als Maschinenbediener beschäftige und diese Funktion derzeit der Entgeltgruppe E 04 entspreche.

8

Zuletzt erhielt die Klägerin ein Tarifentgelt in Höhe von 2.687,00 € brutto. Die seit dem 1. Februar 2014 geltende Tariflohnerhöhung von 3,7 % zahlte die Beklagte bislang nicht aus. Im Zuge des Änderungsangebotes der Beklagten würde das Regel-Tarifentgelt - ohne Berücksichtigung der Besitzstandszulage - 2.364,00 € brutto betragen. Der FVTV würde zu einer Reduzierung des Tarifentgelts um 9 % führen.

9

Die Stelle der Klägerin ist in der Funktionsbeschreibung vom 2. Mai 2014 (Bl. 14 d. A.) beschrieben.

10

Die Klägerin hat mit außergerichtlichem Schreiben vom 30. Mai 2014 (Bl. 15 f.0 d. A.) Entgeltdifferenzen aufgrund der an sie nicht weitergegebenen Tariflohnerhöhung mit Wirkung zum 1. Februar 2014 und Vergütung nach der Entgeltgruppe E 05 des BETV verlangt. Ihre Ansprüche verfolgte sie mit ihrer am 24. Juni 2014 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Klage weiter.

11

Die Klägerin hat vorgetragen,
ihre Entgeltansprüche richteten sich nach den allgemeinen Tarifverträgen der chemischen Industrie und nicht nach dem FVTV und dem Ü-TV. Dies ergebe sich aus der Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel. Mit der Formulierung "Es gelten die maßgeblichen Tarifverträge der Chemischen Industrie" verweise der Arbeitsvertrag auf einen bestimmten Tarifvertrag in seiner jeweils geltenden Fassung, so dass eine kleine dynamische Bezugnahmeklausel vorliege. Auch ohne Nennung des BETV bzw. des MTV sei der Arbeitsvertrag dahingehend auszulegen, dass die Parteien gerade auf diese Bezug nehmen wollten. Die Formulierung "der Chemischen Industrie" beinhalte eine hinreichende Konkretisierung, die jedes andere Tarifwerk außerhalb der chemischen Industrie einer jedweden Auslegung unzugänglich mache. Der MTV habe keine Regelungen zu abweichenden Entgeltsätzen festlegen können, da insofern gerade ein eigener Entgelttarifvertrag existiere, der gerade entgeltliche Fragen für den im Übrigen identischen Anwendungsbereich des MTV normiere. Die Klägerin hat bestritten, dass der FVTV und der Ü-TV wirksam zustande gekommen sind. Im Übrigen hätten die Mitarbeiter der Beklagten nicht mit einer rückwirkenden Regelung des firmenbezogenen Verbandstarifvertrages rechnen müssen.

12

Auch ihre Umgruppierung von der Entgeltgruppe E 05 in die Entgeltgruppe E 04 sei rechtswidrig. Allein maßgeblich sei, wie ihre Tätigkeit einzugruppieren sei. Für die Eingruppierung bleibe allein der BETV maßgebend. Eine Eingruppierung nach der BV finde nicht statt. Insofern fehlten hinreichende Öffnungsklauseln für abweichende Eingruppierungsmodelle im nach wie vor allein maßgeblichen BETV.

13

Bestritten werde, dass der Betriebsrat an der BV ordnungsgemäß mitgewirkt habe.

14

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

15

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie auch über den 1. Juni 2014 hinaus nach Entgeltgruppe E 05 des jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrages für die chemische Industrie, zuletzt des Bundesentgelttarifvertrages für die chemische Industrie West vom 18. Juli 1987 in der Fassung vom 30. September 2004 in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag, zu vergüten,

16

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 46,22 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2014,
weitere 92,81 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2014,
weitere 104,23 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2014 sowie
weitere 110,09 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2014 zu zahlen.

17

Die Beklagte hat beantragt,

18

die Klage abzuweisen.

19

Sie hat vorgetragen, die Klägerin habe keinen Anspruch, zu unveränderten Bedingungen nach Entgeltgruppe E 05 des BETV auch über den 1. Juni 2014 hinaus beschäftigt zu werden. Zudem habe die Klägerin keinen Anspruch auf die geltend gemachten Entgeltdifferenzen auf Grundlage der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen. Für das Arbeitsverhältnis der Klägerin seien die Regelungen des FVTV und des entsprechenden Ü-TV jeweils in der Fassung vom 12. Mai 2014 sowie die Regelungen der BV in der Fassung vom 30. Juni 2014 maßgeblich. Die Geltung des FVTV ergebe sich aus der Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel. Diese erfasse auch firmenbezogene Verbandstarifverträge. Der Vorrang des spezielleren FVTV sei auch nicht aufgrund Betriebsübergangs auf die Beklagte gemäß § 613a Abs. 1 S. 1 BGB entfallen.

20

Die Umgruppierung der Klägerin sei ebenfalls rechtswirksam erfolgt. Bei ihr seien Korrekturmaßnahmen bei fehlerhaften Eingruppierungen vorzunehmen gewesen. Darüber seien sich die Betriebsparteien einig gewesen. Diese Korrekturmaßnahmen seien hier auf der Grundlage der BV erfolgt. § 2 BETV sehe dafür eine ausdrückliche Öffnungsklausel vor. Die BV finde auch in § 3 FVTV ihren Ursprung.

21

Der Betriebsrat habe als Gremium an der BV mitgewirkt und entsprechend sein Mitbestimmungsrecht ausgeübt. Die BV und die Umsetzung der Umgruppierung seien durch Beschluss vom 30. Juni 2014 vom gesamten Gremium beschlossen worden.

22

Die neu erfolgte Eingruppierung (Umgruppierung) entspreche der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit der Klägerin.

23

Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Klage durch Urteil vom 12. Mai 2015 abgewiesen.

24

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin könne nicht die Feststellung verlangen, nach der E 05 des BETV Vergütung zu erhalten. Sie habe bereits keinen Anspruch auf die tarifvertragliche Vergütung einschließlich der Entgelterhöhung von 3,7 %, da ein derartiger Vergütungsanspruch durch die Tarifabsenkung gemäß § 4 Abs. 1 des FVTV in Verbindung mit § 2 Abs. 3 Ü-TV in Höhe von 9 % rückwirkend zum 1. Februar 2014 gekürzt worden sei. Insoweit fänden die Bundestarifverträge und die Bezirksentgelttarifverträge gerade keine uneingeschränkte Anwendung, sondern kämen gemäß § 2 FVTV nur insoweit zur Anwendung wie in den Bestimmungen des FVTV hiervon nicht abgewichen werde. Da der mit dem Klageantrag zu 1. verfolgte Anspruch bereits aus diesem Grund unschlüssig sei, komme es auf die weitere Frage der richtigen Eingruppierung nicht mehr an. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz (Bl. 322 ff. d. A.) Bezug genommen.

25

Das genannte Urteil ist der Klägerin am 22. Mai 2015 zugestellt worden. Die Klägerin hat hiergegen mit einem am 22. Juni 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese mit am 8. Juli 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 6. Juli 2015 begründet. Mit Schriftsatz vom 7. August 2015 hat sie die Berufungsanträge um den Hilfsantrag ergänzt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie auch über den 1. Juni 2014 hinaus nach Entgeltgruppe E 05 des FVTV in Verbindung mit dem Ü-TV sowie der BV zu vergüten. Mit Schriftsatz vom 6. April 2014 hat die Klägerin sodann erklärt, nur noch zu beantragen, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie auch über den 1. Juni 2014 hinaus nach Entgeltgruppe E 05 des BETV in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag mit den sich aus dem FVTV in Verbindung mit dem Ü-TV ergebenden Modifikationen zu vergüten. Die weitergehende Klage werde zurückgenommen. Im Kammertermin hat die Klägerin erklärt, es handele sich um eine Anpassung der Klageanträge.

26

Zur Begründung der Berufung macht die Klägerin nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes sowie der Schriftsätze vom 1. Februar 2016, vom 6. April 2016 und vom 19. April 2016, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 352 ff., 479 f., 494 ff., 536 f. d. A.), unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags zusammengefasst geltend,

27

selbst für den Fall, dass vorliegend die Anwendbarkeit des bisherigen Tarifwerks abgelehnt werde, sei sie gleichwohl in die Entgeltgruppe E 05 des BETV in der Fassung vom 30. September 2004 im beantragten Umfang einzugruppieren. Nach der so genannten Tarifautomatik sei entscheidend, wie ihre Tätigkeit einzugruppieren sei. Für die Eingruppierung bleibe allein der BETV maßgebend. Maßgeblich sei vorliegend die Eingruppierung eines "Maschinenbedieners". Ihre Tätigkeit habe sich nicht geändert. Insofern sei die Beklagte darlegungspflichtig, warum und inwieweit die bisherige Bewertung ihrer Tätigkeit fehlerhaft gewesen sei und weshalb die Eingruppierung korrigiert werden müsse.

28

Mit dem FVTV hätten die Tarifvertragsparteien keine eigenständige Zuordnung einzelner Stellen zu den Entgeltgruppen des BETV vorgenommen. Dies insbesondere nicht durch die Bezugnahme auf eine Betriebsvereinbarung über eine Eingruppierungsrichtlinie und die Überleitung auf die neue Entgeltstruktur vom 12. Mai 2014. § 3 FVTV enthalte allenfalls eine Öffnungsklausel in Bezug auf eine Betriebsvereinbarung vom 12. Mai 2014. Eine solche existiere unstreitig nicht. Die BV sei auch nicht von einer tarifvertraglichen Öffnungsklausel gedeckt. Aus ihr könnten dementsprechend auch keine verbindlichen Regelungen in Bezug auf eine Eingruppierung einzelner Stellen folgen. § 3 FVTV könne allenfalls eine Öffnungsklausel zugunsten einer Betriebsvereinbarung sein. Aus dem Wortlaut dieser Vorschrift lasse sich jedoch in keiner Weise herleiten, dass die Beklagte und der Betriebsrat zukünftig berechtigt sein sollten, eine eigenständige Zuweisung einzelner Tätigkeiten und Stellen auf die im BETV definierten Entgeltgruppen vorzunehmen.

29

Außerdem stehe ihr gegen die Beklagte auch aus individualvertraglicher Abrede ein Anspruch auf Vergütung nach der Entgeltgruppe E 05 des BETV in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag zu. Mit "Personal-Veränderung" vom Januar 2001 hätten die Parteien vereinbart, dass sie ab dem 1. Januar 2001 anstelle einer Vergütung nach Entgeltgruppe E 04 eine Vergütung nach der Entgeltgruppe E 05 erhalten sollte. Sie habe zuvor die Beklagte über ihren Vorgesetzten V. U. um eine Entgelterhöhung gebeten. Mit Vorlage der von der Beklagten gegengezeichneten Personal-Veränderung sei ihrem Begehren stattgegeben worden.

30

Die Berufung sei auch nach der letzten Neufassung der Anträge unverändert zulässig. Nach wie vor richte sich die Berufung auch gegen ihre im erstinstanzlichen Urteil liegende Beschwer. Nach wie vor wende sie sich gegen eine Rückgruppierung der Beklagten. Der erste Teil des Klagebegehrens bleibe auch durch die abgeänderten Berufungsanträge aufrecht erhalten. Sie begehre weiterhin die Feststellung einer Eingruppierung in eine bestimmte Entgeltgruppe nach § 7 BETV. Die Anträge seien lediglich bezüglich des zweiten inhaltlichen Teils des Klagebegehrens dahingehend modifiziert worden, dass die Vergütung sich weiterhin nach dem BETV in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag richte, jedoch mit Modifikationen nach dem FVTV und Ü-TV. Der FVTV senke im Ergebnis nur das Entgeltniveau der weiterhin bestehenden ursprünglichen Tarifverträge ab. Die ursprünglichen Klageanträge beinhalteten bereits als Minus eine Vergütung nach der begehrten Entgeltgruppe der bisherigen Tarifverträge, jedoch modifiziert durch den FVTV/Ü-TV. Es handele sich in keiner Weise um einen grundlegend neuen Streitgegenstand. Die Anträge richteten sich nach wie vor jedenfalls auch gegen die aus dem erstinstanzlichen Urteil folgende Beschwer in Form der Rückgruppierung.

31

Die Klägerin beantragt zuletzt,

32

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 12. Mai 2015, Az. 12 Ca 2417/14 abzuändern und
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie auch über den 1. Juni 2014 hinaus nach Entgeltgruppe E 05 des Bundesentgelttarifvertrages für die Chemische Industrie West in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag mit den sich aus dem Firmenbezogenen Verbandstarifvertrag für die C. vom 12. Mai 2014 in Verbindung mit dem Überleitungstarifvertrag zwischen der C. und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie vom 12. Mai 2015 ergebenden Modifikationen zu vergüten.

33

Die Beklagte beantragt,

34

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 12. Mai 2015 - Az. 12 Ca 2417/14 - zurückzuweisen.

35

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 4. August 2015 sowie des Schriftsatzes vom 14. April 2016, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 373 ff., 501 ff. d. A.), unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags als rechtlich zutreffend.

36

Der im Berufungsverfahren zuletzt noch gestellte (Hilfs-) Antrag sei unzulässig, da dieser bisher noch nicht behandelt worden sei. Mangels Antragstellung in der ersten Instanz habe sich das Arbeitsgericht gar nicht mit diesem Antrag auseinandersetzen können. Die Zulassung des neuen klägerischen (Hilfs-)Antrags stelle eine rechtswidrige Verkürzung des arbeitsgerichtlichen Rechtswegs dar. Es handele sich um neuen Sachvortrag im Rahmen des Berufungsverfahrens.

37

Es handele sich auch nicht um den Fall einer korrigierenden Rückgruppierung. § 3 FVTV verweise auf die BV. Damit handele es sich um eine Öffnungsklausel zur Regelung der Arbeitsentgelte gemäß § 77 Abs. 3 S. 2 BetrVG. Eine BV habe am 12. Mai 2014 sehr wohl bestanden. Allein die Unterschriftsleistung sei aus organisatorischen Gründen erst im Juni 2014 erfolgt. Durch die Bezugnahme des § 3 FVTV auf die Regelungen der BV komme es zu einer Zuordnung bestimmter Stellen für potentielle Stelleninhaber zu Entgeltgruppen des BETV. Danach habe die Arbeitgeberin lediglich noch zu beurteilen, ob der einzelne Arbeitnehmer die Stelle tatsächlich innehabe und die dort zu leistenden Tätigkeiten der Stellenbeschreibung entsprächen. Bei den Regelungen des FVTV, des Ü-TV und der BV handele es sich um eine zwischen den Tarifvertragsparteien gefundene Gesamtlösung für die Beklagte, um deren Wettbewerbssituation so zu verbessern. Das Auseinanderfallen in drei einzelne Vereinbarungen sei dem Umstand geschuldet, dass zwar an allen Teilen gleichzeitig, aber mit anderen Schwerpunkten gearbeitet worden sei. Die Tarifvertragsparteien und die Betriebsparteien hätten im ständigen Austausch miteinander gestanden. Insbesondere die Bereiche Eingruppierung und Entgeltabsenkung seien vor diesem Hintergrund nicht trennbar, da die Höhe der Entgeltabsenkung von den finanziellen Auswirkungen der Überleitung in andere Entgeltgruppen abhänge. Eine Bezugnahme der Tarifvertragsparteien auf die Regelungen der BV habe daher denklogisch nur eine durch die Tarifvertragsparteien selbst vorgenommene Einordnung darstellen können, und zwar unabhängig davon, ob diese am 12. Mai 2014 in Form des Entwurfs oder endgültiger Fassung vorgelegen habe. Jenseits des beschränkten Wirkbereichs des § 2 BETV hätten die Tarifvertragsparteien eine eigenständige und den unternehmensspezifischen Erfordernissen angepasste Entgeltstruktur für den Betrieb der Beklagten geschaffen. Diese Zuweisung habe für sie gemäß § 77 Abs. 4 BetrVG unmittelbar und zwingend gegolten. Vor diesem Hintergrund habe sie sich an die Vorgaben aus der BV und dem FVTV halten müssen. Eine weitere Differenzierung nach den Anforderungen der Rechtsprechung zur korrigierenden Rückgruppierung sei nicht möglich gewesen.

38

Die Stelle der Klägerin sei demgemäß behandelt worden. Sie übe gemäß Anlage 2 der BV eine Tätigkeit aus, die der Entgeltgruppe E 04 des § 7 BETV vollumfänglich entspreche. Die Klägerin könne keinen Ausbildungsberuf für die Tätigkeit als Maschinenbediener aufweisen. Sie sei allein aufgrund ihrer Berufspraxis in E 04 einzustufen. Sie leiste darüber hinaus keinerlei Tätigkeiten, die eine höhere Eingruppierung rechtfertigten. Darüber hinaus sei die Klägerin hinsichtlich ihrer Forderung auf Eingruppierung in die Entgeltstufe E 5 darlegungs- und beweislastschuldig geblieben.

39

Die von der Klägerin vorgetragenen Angaben im Formularblatt "Personal-Veränderung" seien vor dem Hintergrund der Ausführungen zur Veränderung der Eingruppierung gegenstandslos, da diese auf kollektivrechtlicher Veränderung durch die Tarifvertragsparteien beruhe und damit gerade nicht dem Günstigkeitsprinzip unterliege.

40

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. April 2016 (Bl. 540 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

41

Die von der Klägerin gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist unzulässig. Sie ist nicht (mehr) statthaft, § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG.

42

Nach § 64 Abs. 1 ArbGG findet gegen die Urteile der Arbeitsgerichte, soweit nicht nach § 78 ArbGG das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. Die Berufung kann gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG nur dann eingelegt werden, wenn sie im Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist (Buchst. a), der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 € übersteigt (Buchst. b), in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung des Arbeitsverhältnisses (Buchst. c) oder wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe (Buchst. d). Ein Fall des § 64 Abs. 2 ArbGG ist vorliegend nicht gegeben, insbesondere übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes nicht (mehr) 600,00 €.

43

Für die Frage der Zulässigkeit der Berufung gegen ein klageabweisendes Urteil kommt es auf das Klageziel bei Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht an. Es muss sich in diesem Zeitpunkt weiterhin (auch) gegen die in dem angefochtenen Urteil liegende Beschwer richten (vgl. nur BAG, Urteil vom 10.02.2005 - 6 AZR 183/04 - NZA 2005, 597; BGH, Beschluss vom 29. Juni 2004 - X ZB 11/04 - NJW-RR 2004, 1365; Urteil vom 15.03.2002 - V ZR 39/01 - NJW-RR 2002, 1435; Beschluss vom 29. Juni 2004 - X ZB 11/04 - NJW-RR 2004, 1365). Dies gebietet der Sinn eines Rechtsmittelverfahrens, dem Rechtsmittelkläger Gelegenheit zu geben, eine ihm ungünstige vorinstanzliche Entscheidung durch Inanspruchnahme einer weiteren Instanz überprüfen zu lassen (vgl. BAG, Urteil vom 26. Juni 2013 - 5 AZR 428/12 - NZA 2013, 1262, 1264 Rz. 13).

44

Die zulässige Änderung der Klage in der Berufungsinstanz setzt die Zulässigkeit des Rechtsmittels voraus. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Berufungsklägerin die aus dem erstinstanzlichen Urteil folgende Beschwer beseitigen will. Eine Berufung ist danach unzulässig, wenn sie den im ersten Rechtszug erhobenen Klageanspruch nicht wenigstens teilweise weiter verfolgt, also eine erstinstanzliche Klageabweisung gar nicht in Zweifel zieht, sondern lediglich im Wege der Klageänderung einen neuen, bisher nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellt. Die bloße Erweiterung oder Änderung der Klage in zweiter Instanz kann nicht alleiniges Ziel des Rechtsmittels sein (BGH, Urteil vom 15. März 2002 - V ZR 39/01 - NJW-RR 2002, 1435 m. w. N.; vom 11. Oktober 2000 – VIII ZR 321/99 – NJW 2001, 226).

45

Nach dem für das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren geltenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens durch den dort gestellten Antrag (Klageantrag) und dem ihm zu Grunde liegenden Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt. Der Streitgegenstand erfasst alle Tatsachen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den die Klägerin zur Stützung ihres Rechtsschutzbegehrens dem Gericht unterbreitet hat. Der Streitgegenstand ändert sich dementsprechend im Sinn von § 263 ZPO, wenn der gestellte Antrag oder der ihm zu Grunde liegende Lebenssachverhalt ein anderer geworden ist (BAG, Urteil vom 26. Juni 2013 - 5 AZR 428/12 - NZA 2013, 1262, 1264 Rn. 16 m. w. N.).

46

Die Klägerin hat im Berufungsverfahren zuletzt formal einen anderen Klageantrag gestellt als in erster Instanz. Dem neuen Klageantrag liegt außerdem nicht nur der bisherige, sondern ein erweiterter und damit anderer Lebenssachverhalt zugrunde.

47

Nach der zuletzt erfolgten Änderung ihrer Berufungsanträge wendet sich die Klägerin nicht mehr gegen die aus dem erstinstanzlichen Urteil folgende Beschwer. Sie zieht die erstinstanzliche Entscheidung nicht mehr in Zweifel, sondern stellt lediglich im Wege der Klageänderung einen neuen, in erster Instanz nicht verfolgten Feststellungsantrag zur Entscheidung. Ab diesem Zeitpunkt wollte die Klägerin die aus dem erstinstanzlichen Urteil folgende Beschwer (Abweisung des Antrags auf Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie auch über den 1. Juni 2014 hinaus nach Entgeltgruppe E 05 des jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrages für die chemische Industrie, zuletzt des BETV in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag, zu vergüten, sowie Abweisung des Zahlungsantrags auf rückständige Vergütungsdifferenzen) im Hinblick auf die zwischenzeitlich ergangenen Beschlüsse des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Dezember 2015 (4 AZN 88815, 4 AZN 910/15, 4 AZN 911/15), vom 22. Dezember 2015 (4 AZN 886/15, 4 AZN 887/15, 4 AZN 928/15) und 26. Januar 2016 (4 AZN 1096/15, 4 AZN 1097/15) und den vorangegangenen Urteilen des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. Juni 2015 und 5. November 2015 nicht mehr beseitigt wissen.

48

Die von der Klägerin zweitinstanzlich zuletzt nur noch beantragte Feststellung, dass sie auch über den 1. Juni 2014 hinaus nach Entgeltgruppe E 05 des BETV in Verbindung mit dem für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag mit den sich aus dem FVTV in Verbindung mit dem Ü-TV ergebenden Modifikationen zu vergüten sei, ist auch nicht lediglich ein "Weniger" zu den erstinstanzlich abgewiesenen Anträgen. Die Klägerin hat auch nicht nur ohne Veränderung des Streitgegenstands eine wechselnde Anspruchsbegründung vorgenommen. In erster Instanz hat die Klägerin lediglich ihre Eingruppierung in Entgeltgruppe E 05 nach dem BETV verlangt und die Anwendbarkeit des FVTV, des Ü-TV und der BV gänzlich in Abrede gestellt. Die Feststellung ihrer Eingruppierung nach dem BETV mit den Modifikationen durch den FVTV, den Ü-TV und der BV hat sie bereits formal nicht einmal hilfsweise beantragt.

49

Der FVTV regelt - entgegen der Ansicht der Klägerin - auch nicht nur eine Entgelt-absenkung (§ 4 FVTV), sondern enthält in seinem § 3 weiter die Regelung, dass sich die für die Beklagte, Standort C-Stadt und das Lager in T. jetzt und zukünftig geltende Zuweisung der Tätigkeiten auf die im BETV definierten Entgeltgruppen aus der BV ergibt. Die Eingruppierung richtet sich damit nach einem abweichenden Tarifsystem und ist nicht nur an den Vorgaben des BETV zu messen, sondern auch an denjenigen des FVTV.

50

Ist das Rechtsmittel mit der teilweisen Rücknahme der Berufung vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren unzulässig geworden, kann das Verfahren auch nicht mit neuen Anträgen weitergeführt werden. Die Berufung war daher als unzulässig zu verwerfen.

II.

51

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 3. März 2011 - 8 Sa 105/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.

2

Die Klägerin, die ihr Hochschulstudium als Diplom-Mathematikerin abgeschlossen und kein Lehramtsstudium mit anschließendem Vorbereitungsdienst absolviert hat, ist seit dem 3. Januar 2006 bei der Beklagten als Lehrkraft für Mathematik beschäftigt und an der Bundeswehrfachschule Hamburg tätig. In dem am 21. Dezember 2005 geschlossenen Arbeitsvertrag ist ua. vereinbart:

        

§ 2   

        

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) einschließlich der besonderen Regelungen für die Verwaltung (TVöD - Besonderer Teil Verwaltung) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich des Bundes jeweils geltenden Fassung sowie des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Bund).

        

…       

        

§ 4     

        

Die Beschäftigte ist gemäß TVöD i.V.m. der Anlage 4 des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Bund) i.V.m. den ‚Richtlinien über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte im Fachschuldienst (Bundeswehrfachschulen, Grenzschutzfachschulen) des Bundes‘ in die Entgeltgruppe 12 eingruppiert.

        

Bis zum In-Kraft-Treten der neuen Entgeltordnung sind alle Eingruppierungs- und Einreihungsvorgänge vorläufig und begründen keinen Vertrauensschutz und keinen Besitzstand (§ 17 Abs. 3 Satz 1 TVÜ-Bund).“

3

Nach Abschnitt B Nr. 3 der genannten Richtlinien werden Lehrkräfte mit abgeschlossener Hochschulausbildung in der Tätigkeit von Fachschuloberlehrern ohne volle Lehrbefähigung nach der VergGr. IIb des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) vergütet. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses enthielt die Anlage 4 zum TVÜ-Bund - „Vorläufige Zuordnung der Vergütungs- und Lohngruppen zu den Entgeltgruppen für zwischen dem 1. Oktober 2005 und dem In-Kraft-Treten der neuen Entgeltordnung stattfindende Eingruppierungs- und Einreihungsvorgänge (Bund)“ - keine Regelung zur Überleitung der VergGr. IIb BAT in das Entgeltgruppensystem des TVöD. Die Klägerin wurde seit Beginn des Arbeitsverhältnisses nach der Entgeltgruppe 12 TVöD vergütet.

4

Durch § 1 Nr. 7 Buchst. a des Änderungstarifvertrags Nr. 2 zum TVÜ-Bund (vom 6. Oktober 2008) wurde die VergGr. IIb („ohne Aufstieg nach IIa“) BAT zum 1. August 2008 der Entgeltgruppe 11 TVöD zugeordnet. Mit Schreiben vom 25. Januar 2010 teilte die Beklagte der Klägerin ua. mit:

        

„…    

        

hiermit ordne ich Sie rückwirkend zum 3. Januar 2006 vorläufig der Entgeltgruppe 11 TVöD zu.

        

Begründung:

        

…       

        

Nach § 17 Absatz 7 TVÜ-Bund i.V.m. Anlage 4 zum TVÜ-Bund in der Fassung des 2. Änderungstarifvertrags vom 6. Oktober 2008 ist die Vergütungsgruppe II b BAT vorläufig der Entgeltgruppe 11 TVöD zuzuordnen.

        

Bedauerlicherweise wurden Sie jedoch bereits anlässlich Ihrer Einstellung fehlerhaft vorläufig der Entgeltgruppe 12 TVöD zugeordnet.

        

Ich bin daher gehalten, diese vorläufige Zuordnung nunmehr zu korrigieren. Eine Änderung des Arbeitsvertrages ist hierzu nicht erforderlich.

        

…“    

5

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin eine Vergütung nach Entgeltgruppe 12 TVöD. Sie hat die Auffassung vertreten, der Arbeitsvertrag enthalte eine sog. konstitutive Entgeltvereinbarung, nach der die Entgeltgruppe 12 TVöD maßgebend sei. Die Voraussetzungen für eine korrigierende Rückgruppierung lägen nicht vor.

6

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie seit dem 3. Januar 2006 nach der Entgeltgruppe 12 der Anlage A (Bund, Tarifgebiet West) zu § 15 Abs. 2 Satz 1 TVöD zu vergüten und die monatlichen Bruttodifferenzbeträge zwischen den Entgeltgruppen 12 und 11 der Anlage A (Bund, Tarifgebiet West) zu § 15 Abs. 2 Satz 1 TVöD seit dem 16. Juni 2010 mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie meint, im Arbeitsvertrag sei, wie im öffentlichen Dienst üblich, die Entgeltgruppe nur deklaratorisch benannt worden. Maßgebend seien die in § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrags genannten Bestimmungen. Die in der Anlage 4 zum TVÜ-Bund bestehende Lücke hätten die Tarifvertragsparteien im Jahre 2008 geschlossen. Deshalb sei nach den arbeitsvertraglichen Abreden die Entgeltgruppe 11 TVöD maßgebend. Die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 12 TVöD sei nur vorläufig gewesen, wie sich auch aus § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrags ergebe. Zudem könne die Klägerin die bisherige Vergütung nach der VergGr. IIb BAT nach Nr. 8 der Anlage 5 (zu § 23)TVÜ-Bund nur als Abschlag beanspruchen.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die zulässige Klage ist begründet.

10

I. Der Klägerin steht für die von ihr erhobene sog. Eingruppierungsfeststellungsklage das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche und von Amts wegen auch noch in der Revisionsinstanz zu prüfende(BAG 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 14 mwN, BAGE 124, 240) Feststellungsinteresse zu. Durch eine Entscheidung kann der Streit der Parteien über die zutreffende Entgeltgruppe, nach der die Klägerin seit Beginn des Arbeitsverhältnisses zu vergüten ist, insgesamt beseitigt und im Umfang des gestellten Antrags geklärt werden (zu diesem Erfordernis etwa BAG 21. April 2010 - 4 AZR 755/08 - Rn. 21 mwN).

11

II. Der Feststellungsantrag ist begründet. Die Parteien haben in § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrags eine eigenständige vertragliche Regelung über die der Klägerin zustehende Vergütung nach der Entgeltgruppe 12 TVöD getroffen. Das ergibt die Auslegung des Formulararbeitsvertrags, die in der Revisionsinstanz ohne Einschränkung überprüft werden kann (st. Rspr., etwa BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 15 mwN, BAGE 134, 283; für die Auslegung von Bezugnahmeregelungen 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 24, BAGE 122, 74).

12

1. Bei einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung ist grundsätzlich davon auszugehen, dass übereinstimmende Willenserklärungen vorliegen (vgl. BAG 26. August 2009 - 4 AZR 285/08 - Rn. 46, BAGE 132, 10; 22. April 2009 - 4 AZR 100/08 - Rn. 38, BAGE 130, 237). Soll der Nennung einer Entgeltgruppe im Arbeitsvertrag daher keine rechtsgeschäftlich begründende Wirkung zukommen, sondern es sich nur um eine deklaratorische Angabe in Form einer sog. Wissenserklärung (dazu etwa BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 19 mwN, BAGE 135, 197; 29. September 2010 - 3 AZR 546/08 - Rn. 19 mwN ) handeln, muss dies im Arbeitsvertrag deutlich zum Ausdruck gebracht worden sein (ausf. BAG 6. August 1997 - 4 AZR 195/96 - zu B II 1 a bb der Gründe; 4. Mai 1994 - 4 AZR 438/93 - zu III 1 der Gründe; 12. Dezember 1990 - 4 AZR 306/90 -).

13

2. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Arbeitnehmer aufgrund der Nennung einer Vergütungs-, Lohn- oder Entgeltgruppe (nachfolgend Entgeltgruppe) in einem Arbeitsvertrag im öffentlichen Dienst unter Berücksichtigung ihrer dort nach § 22 Abs. 3 BAT(seit dem 1. Oktober 2005 iVm. § 17 Abs. 1 TVÜ-Bund)vorgesehenen Angabe (dazu BAG 1. Juli 2009 - 4 AZR 234/08 - Rn. 30; 22. Juli 2004 - 8 AZR 203/03 - zu II 1 c der Gründe) ohne das Hinzutreten weiterer Umstände (zu diesem Erfordernis vgl. BAG 21. Februar 2007 - 4 AZR 187/06 - Rn. 17 mwN; 16. Februar 2000 - 4 AZR 62/99 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 93, 340; 17. August 1994 - 4 AZR 623/93 -) regelmäßig nicht davon ausgehen, ihm solle ein eigenständiger, von den tariflichen Eingruppierungsbestimmungen oder anderen in Bezug genommenen Eingruppierungsregelungen unabhängiger Anspruch auf eine Vergütung nach der genannten Entgeltgruppe zustehen.

14

Erforderlich ist allerdings, dass sich aus dem Inhalt des Arbeitsvertrags deutlich ergibt, allein die bezeichneten (tariflichen) Eingruppierungsbestimmungen sollen für die Ermittlung der zutreffenden Entgelthöhe maßgebend sein und nicht die angegebene Entgeltgruppe (BAG 21. Februar 2007 - 4 AZR 187/06 - Rn. 17 f.; 23. Februar 1994 - 4 AZR 217/93 - zu B II der Gründe; 20. Februar 1991 - 4 AZR 429/90 - zu I 3 a der Gründe; zu Lehrer-Richtlinien 25. November 1987 - 4 AZR 386/87 -; 30. Januar 1980 - 4 AZR 1098/77 -; zu Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes 12. Dezember 1990 - 4 AZR 306/90 -; zu Tarifverträgen in der Privatwirtschaft 31. August 1983 - 4 AZR 35/81 -; 26. Mai 1993 - 4 AZR 358/92 - zu B II 2 b der Gründe).

15

3. Nach den vorgenannten Voraussetzungen kann jedenfalls dann nicht von einer sog. deklaratorischen Nennung der Entgeltgruppe im Arbeitsvertrag ausgegangen werden, wenn zum Zeitpunkt der vertraglichen Vereinbarung die in Bezug genommenen (tariflichen) Regelungswerke keine Eingruppierungsbestimmungen für die arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit enthalten, aus denen sich die zutreffende Vergütung ermitteln ließe.

16

Dann fehlt es regelmäßig für den Arbeitnehmer als Erklärungsempfänger an den erforderlichen Anhaltspunkten, der Arbeitgeber wolle ihn nach einem Eingruppierungswerk vergüten, aus dem sich die zutreffende Entgeltgruppe allein aufgrund der vertraglich vereinbarten Tätigkeit ermitteln lässt und bei der genannten Entgeltgruppe handele es sich nicht um eine Willens-, sondern ausnahmsweise nur um eine sog. Wissenserklärung. In der Folge kann der Arbeitnehmer, wenn ein Vergütungssystem mit abstrakten Tätigkeitsmerkmalen für die von ihm auszuübende Tätigkeit nicht besteht oder insoweit lückenhaft ist, die Nennung einer Entgeltgruppe im Arbeitsvertrag grundsätzlich als ausdrücklichen Antrag auch in Bezug auf die Ermittlung der maßgebenden Vergütungshöhe verstehen. Nimmt der Arbeitnehmer diesen Antrag an, ist die Entgeltgruppe damit vertraglich - „konstitutiv“ - festgelegt (ebenso BAG 12. März 2008 - 4 AZR 67/07 - Rn. 36; 22. Juli 2004 - 8 AZR 203/03 - zu II 1 d der Gründe; 16. Mai 2002 - 8 AZR 460/01 - zu II 2 a der Gründe; s. auch 8. August 1996 - 6 AZR 1013/94 - II 2 b der Gründe).

17

4. Danach kann die Klägerin ein Entgelt nach der Entgeltgruppe 12 TVöD aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung in § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrags beanspruchen. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

18

a) Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses konnte aus den in § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrags genannten Regelwerken keine „zutreffende“ Eingruppierung, also eine Entgeltgruppe „gemäß TVöD“ ermittelt werden. Die Richtlinien der Beklagten sahen für Lehrkräfte mit abgeschlossener Hochschulausbildung in der Tätigkeit von Fachschuloberlehrern ohne volle Lehrbefähigung lediglich eine Vergütung in Anwendung der Vergütungsgruppen des BAT - vorliegend für die Klägerin die VergGr. IIb BAT - vor. Da die Parteien eine Eingruppierung nach dem zum Vertragsschluss bereits in Kraft getretenen TVöD und damit nach den hierzu ergangenen Entgelttabellen vereinbart haben, wäre es, um von einer deklaratorischen Vereinbarung ausgehen zu können, zumindest erforderlich gewesen, die in den Richtlinien genannte Eingruppierung „VergGr. IIb BAT“ dem Entgeltgruppensystem des TVöD zuzuordnen. Hierzu konnten aber bei Vertragsschluss weder der TVöD noch die Anlage 4 zum TVÜ-Bund herangezogen werden. Beide Tarifregelungen ordneten die VergGr. IIb BAT nicht dem Entgeltgruppensystem des TVöD zu. Deshalb gab es für die Klägerin auch keinen Anlass, davon auszugehen, bei der vertraglichen Nennung der Entgeltgruppe 12 TVöD handele es sich um eine Wissenserklärung, die lediglich diejenige Entgeltgruppe des TVöD - „deklaratorisch“ - bezeichnete, welche sich unter Heranziehung der in § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrags in Bezug genommenen Bestimmungen ergibt. Vielmehr erfolgte die erforderliche Zuordnung zu einer Entgeltgruppe des TVöD erst durch die Angabe in § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrags, die daher als übereinstimmende vertragliche(„konstitutive“) Vergütungsabrede zu verstehen ist.

19

b) Die Klägerin war auch nicht gehalten, etwaigen Motiven der Beklagten hinsichtlich einer möglichen weitergehenden Bedeutung der genannten Anlage 4 zum TVÜ-Bund nachzugehen, soweit diese nach dem Vertragstext nicht erkennbar sind.

20

Allgemeine Geschäftsbedingungen wie die hier im Streit stehende Vertragsbestimmung sind grundsätzlich nach einem objektivierten Empfängerhorizont auszulegen (BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 15 mwN, BAGE 134, 283). Dabei haben die Motive des Erklärenden, soweit sie nicht in dem Wortlaut der Erklärung oder in sonstiger, für die Gegenseite hinreichend deutlich erkennbaren Weise ihren Niederschlag finden, außer Betracht zu bleiben. Es besteht keine Verpflichtung des Erklärungsempfängers, den Inhalt oder den Hintergrund des ihm formularmäßig gemachten Antrags durch Nachfragen aufzuklären. Kommt der Wille des Erklärenden nicht oder nicht vollständig zum Ausdruck, gehört dies zu dessen Risikobereich (BAG 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 30, 33, 35, BAGE 122, 74).

21

c) Die Beklagte kann sich nicht darauf stützen, ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes wolle dem Arbeitnehmer nur dasjenige gewähren, was ihm tariflich oder nach in Bezug genommenen Richtlinien zusteht.

22

Dem steht vorliegend schon entgegen, dass die Klägerin aus den in § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrags genannten Regelungen gerade keine einschlägige tarifliche Entgeltgruppe entnehmen konnte. Soweit der Senat bisher für das Vorliegen einer lediglich „deklaratorischen“ Nennung der Entgeltgruppe unterstützend angenommen hat, ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes wolle im Zweifel nur eine bestehende (tarifliche) Eingruppierungsregelung vollziehen (vgl. etwa BAG 27. September 2000 - 10 AZR 146/00 - BAGE 96, 1; 16. Februar 2000 - 4 AZR 62/99 - BAGE 93, 340; 18. Februar 1998 - 4 AZR 581/96 - BAGE 88, 69; 8. August 1996 - 6 AZR 1013/94 -; 28. Mai 1997 - 10 AZR 383/95 -), setzt dies eine solche voraus. Der Arbeitgeber als Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen muss nicht nur im Vertragswortlaut zum Ausdruck bringen, allein die in Bezug genommenen Regelungswerke sollen für die Ermittlung der zutreffenden Entgeltgruppe maßgebend sein, sondern er muss zugleich dafür Sorge tragen, dass sich diese hieraus auch ohne weiteres ermitteln lässt (oben II 3; Abgrenzung zu BAG 20. März 2013 - 4 AZR 622/11 - Rn. 20 mwN).

23

d) Entgegen dem Vorbringen der Revision fehlt es an Anhaltspunkten im Arbeitsvertrag oder sonstigen Umständen, die Parteien seien sich der Regelungslücke in der Anlage 4 zum TVÜ-Bund bei Vertragsschluss bewusst gewesen, weshalb vorliegend deren Schließung durch die Tarifvertragsparteien des TVöD im Jahr 2008 maßgebend sei. Allein die dahingehende Behauptung der Beklagten in ihrem Schreiben vom 26. April 2010 an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin - und damit lange Zeit nach Vertragsschluss -, die Klägerin sei „vorläufig der Entgeltgruppe E 12“ zugeordnet, weil die Anlage 4 zum TVÜ-Bund keine entsprechende Regelung enthalten habe, findet im Vertragswortlaut keinen Anklang. Weitere Umstände werden von der Beklagten weder benannt noch sind sie ersichtlich.

24

5. Die Parteien haben schließlich entgegen der Auffassung der Beklagten keinen Änderungsvorbehalt für den Fall vereinbart, dass es zu einer Lückenschließung der Anlage 4 zum TVÜ-Bund kommen sollte.

25

a) Dem Wortlaut von § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrags ist ein solcher Vorbehalt nicht zu entnehmen.

26

b) Soweit die Beklagte sich auf § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrags stützt, ist dies unergiebig.

27

aa) Die Vorläufigkeit der Eingruppierung des in § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrags wörtlich wiedergegebenen § 17 Abs. 3 Satz 1 TVÜ-Bund bezieht sich auf „Eingruppierungsvorgänge“ bis zum Inkrafttreten einer neuen Entgeltordnung. Eine solche haben die Tarifvertragsparteien des TVöD bisher nicht vereinbart. Schon deshalb kann der vertraglichen Abrede keine Änderungsbefugnis für die vorliegende Fallgestaltung entnommen werden.

28

Darüber hinaus fehlt es vorliegend an einem Eingruppierungsvorgang iSd. § 17 Abs. 3 Satz 1 TVÜ-Bund. Die Tarifvertragsparteien des TVöD unterscheiden zwischen den Begriffen „Eingruppierung“ und „Zuordnung“, wie bereits § 17 Abs. 7 TVÜ-Bund zeigt. Die Anwendung von § 17 Abs. 3 Satz 1 TVÜ-Bund setzt voraus, dass eine Eingruppierung in Anwendung der §§ 22, 23 BAT/BAT-O vorgenommen worden ist. Daran fehlt es vorliegend schon deshalb, weil die Eingruppierungsregelungen der §§ 22, 23 BAT aufgrund der Vorbemerkung Nr. 5 zu allen Vergütungsgruppen der Anlage 1a BAT bei Lehrkräften nicht eingreifen(BAG 18. Mai 1994 - 4 AZR 524/93 - BAGE 77, 23; 21. Oktober 1992 - 4 AZR 28/92 -).

29

bb) Aus § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrags kann ferner nicht geschlossen werden, die im vorstehenden Abs. 1 vereinbarte Entgeltgruppe 12 TVöD sei nur vorläufig, solange eine Regelungslücke in der Anlage 4 zum TVÜ-Bund besteht. Hierfür fehlt es an Anhaltspunkten im Vertragstext.

30

c) Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe den „Gesamtzusammenhang“ der vertraglichen Regelungen in § 2 und § 4 des Arbeitsvertrags unbeachtet gelassen, ist unzutreffend.

31

Treffen die Vertragsparteien wie vorliegend unabhängig von der allgemeinen Bezugnahmeregelung in § 2 des Arbeitsvertrags eine eigenständige Entgeltregelung über die maßgebende Entgeltgruppe in dessen § 4 Abs. 1, ist diese Entgeltvereinbarung insoweit grundsätzlich vorrangig. Allein aus der allgemeinen Inbezugnahme des TVöD und des TVÜ-Bund in § 2 des Arbeitsvertrags kann deshalb nicht geschlossen werden, nachträgliche Ergänzungen der Anlage 4 zum TVÜ-Bund sollten vermittelt über § 2 des Arbeitsvertrags für die Entgeltregelungen in dessen § 4 maßgebend sein.

32

d) Schließlich kann sich die Beklagte nicht auf Nr. 8 der Anlage 5 (zu § 23) TVÜ-Bund - „Für Lehrkräfte des Bundes erfolgt am 1. Oktober 2005 vorerst die Fortzahlung der bisherigen Bezüge als zu verrechnender Abschlag auf das Entgelt, das diesen Beschäftigten nach der Überleitung zusteht.“ - stützen.

33

§ 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrags, der sich mit der arbeitsvertraglichen Entgeltregelung befasst, bezieht lediglich die Anlage 4 zum TVÜ-Bund mit ein, nicht aber dessen Anlage 5. Darüber hinaus ist das Landesarbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, Nr. 8 der Anlage 5 (zu § 23) TVÜ-Bund gelte lediglich für Beschäftigte, die bereits vor dem 1. Oktober 2005 in einem Arbeitsverhältnis standen. Die tarifliche Bestimmung will die Fortzahlung der bisherigen Bezüge regeln. Dies setzt - was bei der Klägerin nicht der Fall ist - ein am 30. September 2005 bereits bestehendes Arbeitsverhältnis voraus.

34

III. Die Feststellung zur Pflicht der Verzinsung des Anspruchs wird von der Beklagten nicht angegriffen.

35

IV. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Eylert    

        

    Treber    

        

    Winter    

        

        

        

    J. Ratayczak    

        

    Kriegelsteiner    

                 

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 6. Juni 2014 - 3 Sa 740/13 - aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 21. November 2013 - 2 Ca 1086/13 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung mit Ablauf des 4. April 2013 geendet hat.

2

Der Kläger verfügt über eine abgeschlossene Hochschulausbildung im Fachbereich Physik. Nachdem ein Professor sich für die Einstellung des Klägers als wissenschaftlicher Mitarbeiter seines Instituts eingesetzt hatte, wurde der Kläger nach Einreichung seiner Bewerbungsunterlagen vom Beklagten gebeten, sich in die Verwaltung der Universität D zu begeben. Dort wurde dem Kläger ein auf den 18. September 2012 datierter Dienstvertrag in zweifacher Ausfertigung zur Unterzeichnung vorgelegt, der für beide Vertragsparteien Unterschriftsfelder vorsah und zu diesem Zeitpunkt seitens des Beklagten noch nicht unterzeichnet war. Dieser Vertrag enthält in § 1 ua. folgende Regelungen:

        

§ 1   

        

Herr K wird für die Zeit vom 05.10.2012 bis einschließlich 04.04.2013 befristet als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Sinne des § 71 SächsHSG alsVollbeschäftigter an der Universität D eingestellt.

        

Die befristete Einstellung erfolgt wegen Vorliegen eines sachlichen Grundes gemäß § 14 Abs. 1 Ziffer 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1366 i. d. j. g. F.).

        

Die Einstellung erfolgt während der Zeit der Beurlaubung von Herrn N, längstens bis 04.04.2013.

        

Das Dienstverhältnis endet automatisch, ohne dass es insoweit einer Kündigung bedarf, mit Ablauf des 04.04.2013. Einer Weiterbeschäftigung über diesen Zeitpunkt hinaus wird ausdrücklich widersprochen.

        

...“   

3

Der Kläger unterzeichnete beide Ausfertigungen und gab sie zurück. Am 5. Oktober 2012 nahm der Kläger seine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität D auf, ohne zuvor ein vom Beklagten unterzeichnetes Vertragsexemplar erhalten zu haben. Ein solches ging ihm erst am 9. Oktober 2012 zu.

4

Der Kläger hat sich mit seiner am 9. April 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem Beklagten am 22. April 2013 zugestellten Klage gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Befristung zum 4. April 2013 gewandt. Er hat geltend gemacht, die Befristungsabrede sei unwirksam, da die erforderliche Schriftform nicht gewahrt sei. Der Arbeitsvertrag sei am 5. Oktober 2012 dadurch zustande gekommen, dass er seine Tätigkeit im Einverständnis mit dem Beklagten aufgenommen habe. Der Beklagte habe den Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags nicht von der Wahrung der Schriftform abhängig gemacht.

5

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung mit Datum vom 18. September 2012 mit Ablauf des 4. April 2013 beendet wurde,

        

2.    

den Beklagten zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als wissenschaftlichen Mitarbeiter iSd. § 71 SächsHSG weiterzubeschäftigen.

6

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die Befristungsabrede genüge dem Schriftformerfordernis, da die Personalsachbearbeiterin A den Dienstvertrag am 18. September 2012 unterzeichnet habe. Ein Zugang der beiderseits unterzeichneten Vertragsausfertigung beim Kläger vor Vertragsbeginn sei zur Wahrung der Schriftform nicht erforderlich. Außerdem habe der Kläger durch die Aufnahme seiner Tätigkeit auf den Zugang der schriftlichen Annahmeerklärung verzichtet. Andernfalls hätte in der Zeit vom 5. Oktober 2012 bis zum Zugang der unterzeichneten Vertragsurkunde beim Kläger am 9. Oktober 2012 nur ein faktisches Arbeitsverhältnis bestanden. Der Arbeitsvertrag sei nicht konkludent durch die Aufnahme der Tätigkeit zustande gekommen, weil der Abschluss des Arbeitsvertrags durch die im Vertrag enthaltenen Unterschriftsfelder für beide Seiten erkennbar unter den Vorbehalt eines schriftlichen Vertragsschlusses gestellt worden sei. Von der Aufnahme der Tätigkeit habe kein zum Abschluss von Arbeitsverträgen berechtigter Vertreter des Beklagten Kenntnis gehabt. Jedenfalls sei es dem Kläger nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Formunwirksamkeit der Befristungsabrede zu berufen.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückweisung der Berufung des Beklagten. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung den Klageantrag zu 1. abgewiesen. Dieser Befristungskontrollantrag ist begründet. Der Klageantrag zu 2., mit dem der Kläger seine vorläufige Weiterbeschäftigung verlangt, fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

9

I. Der Befristungskontrollantrag ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht aufgrund der im Dienstvertrag vom 18. September 2012 vereinbarten Befristung mit Ablauf des 4. April 2013 geendet.

10

1. Die vereinbarte Befristung zum 4. April 2013 gilt nicht nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam. Der Kläger hat die Rechtsunwirksamkeit der Befristung mit der am 9. April 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem Beklagten am 22. April 2013 zugestellten Klage rechtzeitig nach § 17 Satz 1 TzBfG geltend gemacht.

11

2. Die vereinbarte Befristung zum 4. April 2013 ist nach § 14 Abs. 4 TzBfG, § 125 Satz 1 BGB nichtig mit der Folge, dass der befristete Arbeitsvertrag nach § 16 Satz 1 TzBfG als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt.

12

a) Nach § 14 Abs. 4 TzBfG bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrags zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.

13

aa) Die Einhaltung der Schriftform erfordert nach § 126 Abs. 1 BGB eine eigenhändig vom Aussteller mit Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnete Urkunde. Bei einem Vertrag muss nach § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, genügt es nach § 126 Abs. 2 Satz 2 BGB, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet(vgl. etwa BAG 4. November 2015 - 7 AZR 933/13 - Rn. 16; 20. August 2014 - 7 AZR 924/12 - Rn. 23 mwN).

14

bb) Das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG gilt nur für die Befristung des Arbeitsvertrags, nicht aber für den Arbeitsvertrag insgesamt. Schließen die Parteien nur mündlich einen befristeten Arbeitsvertrag, ist die Befristung nach § 125 Satz 1 BGB nichtig. Das hat zur Folge, dass nach § 16 Satz 1 TzBfG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entsteht. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Parteien vor Vertragsbeginn zunächst mündlich einen befristeten Arbeitsvertrag abschließen und das mündlich Vereinbarte nach der Arbeitsaufnahme durch den Arbeitnehmer schriftlich niederlegen. In diesem Fall ist die zunächst mündlich getroffene Befristungsabrede nach § 14 Abs. 4 TzBfG, § 125 Satz 1 BGB nichtig mit der Folge, dass bei Vertragsbeginn nach § 16 Satz 1 TzBfG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entsteht. Die spätere schriftliche Niederlegung der zunächst nur mündlich vereinbarten Befristung führt nicht dazu, dass die zunächst formnichtige Befristung rückwirkend wirksam wird (vgl. hierzu BAG 16. März 2005 - 7 AZR 289/04 - zu I 2 der Gründe, BAGE 114, 146). Dadurch kann allenfalls das bei Vertragsbeginn nach § 16 Satz 1 TzBfG entstandene unbefristete Arbeitsverhältnis nachträglich befristet werden. Hierzu sind allerdings auf die Herbeiführung dieser Rechtsfolge gerichtete Willenserklärungen der Parteien erforderlich (BAG 7. Oktober 2015 - 7 AZR 40/14 - Rn. 19; 16. April 2008 - 7 AZR 1048/06 - Rn. 12).

15

b) Danach ist die von den Parteien vereinbarte Befristung zum 4. April 2013 nach § 14 Abs. 4 TzBfG iVm. § 125 Satz 1 BGB nichtig. Der Beklagte hat das schriftliche Angebot des Klägers auf Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags vom 18. September 2012 nicht schriftlich, sondern konkludent durch Entgegennahme der Arbeitsleistung des Klägers ab dem 5. Oktober 2012 angenommen. Die Schriftform für die Befristungsabrede ist nicht durch eine etwaige Unterzeichnung der Vertragsurkunde vor Vertragsbeginn durch den Beklagten gewahrt worden. Der Formmangel wurde auch nicht durch den nachträglichen Zugang der auch vom Beklagten unterzeichneten Vertragsurkunde beim Kläger geheilt.

16

aa) Der Arbeitsvertrag der Parteien ist am 5. Oktober 2012 dadurch zustande gekommen, dass der Beklagte das schriftliche Vertragsangebot des Klägers konkludent durch Entgegennahme der Arbeitsleistung angenommen hat.

17

(1) Verträge kommen durch auf den Vertragsschluss gerichtete, einander entsprechende Willenserklärungen zustande, indem das Angebot („Antrag“) der einen Vertragspartei gemäß den §§ 145 ff. BGB von der anderen Vertragspartei angenommen wird. Eine Willenserklärung ist eine Äußerung, die auf die Herbeiführung eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtet ist. Sie kann nicht nur durch eine ausdrückliche Erklärung, sondern auch durch schlüssiges Verhalten (Realofferte und deren konkludente Annahme) abgegeben werden (BAG 12. Juli 2016 - 9 AZR 51/15 - Rn. 19; 9. April 2014 - 10 AZR 590/13 - Rn. 26). Ob eine Äußerung oder ein Verhalten als Willenserklärung zu verstehen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Nach §§ 133, 157 BGB sind Willenserklärungen und Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist(BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 36, BAGE 134, 269). Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt. Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinne verstanden, so geht der wirkliche Wille dem Wortlaut des Vertrags und jeder anderweitigen Interpretation vor und setzt sich auch gegenüber einem völlig eindeutigen Vertragswortlaut durch (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 36 mwN, aaO). Diese Grundsätze sind auch anzuwenden bei der Frage, ob ein bestimmtes willentliches Verhalten eine Willenserklärung darstellt (vgl. BAG 22. Juli 2014 - 9 AZR 1066/12 - Rn. 13, BAGE 148, 349).

18

(2) Die Auslegung nichttypischer Erklärungen obliegt in erster Linie den Tatsachengerichten. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) verletzt, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat (st. Rspr., vgl. BAG 20. September 2016 - 3 AZR 77/15 - Rn. 32; 24. August 2016 - 5 AZR 129/16 - Rn. 20; 10. Dezember 2014 - 7 AZR 1009/12 - Rn. 26). Das Revisionsgericht darf bei einer unterlassenen oder fehlerhaften Auslegung nichttypischer Willenserklärungen die Auslegung nur dann selbst vornehmen, wenn das Landesarbeitsgericht den erforderlichen Sachverhalt vollständig festgestellt hat und kein weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien zu erwarten ist (st. Rspr., zB BAG 24. September 2014 - 5 AZR 611/12 - Rn. 27 mwN, BAGE 149, 144). Diese Grundsätze gelten auch, wenn es um die Frage geht, ob überhaupt eine Willenserklärung vorliegt (BAG 24. August 2016 - 5 AZR 129/16 - Rn. 20; 10. Dezember 2014 - 7 AZR 1009/12 - Rn. 26; 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 32, BAGE 134, 269).

19

(3) Daran gemessen ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der befristete Arbeitsvertrag sei nicht schon am 18. September 2012 mit der Unterzeichnung der Vertragsurkunde durch den Kläger geschlossen worden, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Übergabe der nicht unterzeichneten Vertragsurkunde an den Kläger stellt kein Angebot des Beklagten auf Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags dar, sondern lediglich eine Aufforderung zur Abgabe eines Vertragsangebots (sog. invitatio ad offerendum).

20

(a) Ein Antrag auf Abschluss eines Vertrags (§ 145 BGB) liegt nur dann vor, wenn die Erklärung - aus der Sicht des Adressaten - mit dem Willen zur rechtlichen Bindung abgegeben wird. Dagegen ist eine bloße Aufforderung zur Abgabe von Angeboten gegeben, wenn eine rechtsgeschäftliche Bindung erkennbar noch nicht gewollt ist, sich der Erklärende einen Vertragsabschluss also noch vorbehält (vgl. BGH 4. Februar 2009 - VIII ZR 32/08 - Rn. 12, BGHZ 179, 319).

21

(b) Der Beklagte hatte die Vertragsurkunde auf der für ihn vorgesehenen Unterschriftszeile noch nicht unterzeichnet. Damit konnte noch nicht von einem endgültigen Bindungswillen ausgegangen werden. Der erforderliche Rechtsbindungswille ergibt sich auch nicht daraus, dass sich ein Professor für die Einstellung des Klägers eingesetzt hatte und dass die Vertragsurkunde dem Kläger erst 17 Tage vor dem vorgesehenen Vertragsbeginn zur Unterzeichnung vorlegt wurde. Entgegen der Ansicht des Klägers spricht auch die Festlegung der Vertragsbedingungen nicht für ein bindendes Vertragsangebot. Eine solche Festlegung ist für eine invitatio ad offerendum nicht untypisch.

22

(4) Das Landesarbeitsgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger dem Beklagten durch Rückgabe der von ihm unterzeichneten Vertragsurkunde ein Angebot auf Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags zu den vom Beklagten vorformulierten Bedingungen unterbreitet hat. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch verkannt, dass der Beklagte das Angebot des Klägers am 5. Oktober 2012 durch Zurverfügungstellung eines Arbeitsplatzes und Entgegennahme der Arbeitsleistung angenommen hat.

23

(a) Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, der Kläger habe die Entgegennahme seiner Arbeitsleistung nicht als Annahme seines Vertragsangebots verstehen dürfen, weil der Beklagte den Vertragsschluss unter den Vorbehalt seiner schriftlichen Annahme gestellt habe.

24

(aa) Obwohl der Abschluss eines Arbeitsvertrags als solcher formfrei möglich ist, kann der Arbeitgeber den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags von der Unterzeichnung der Vertragsurkunde durch den Arbeitnehmer abhängig machen. In diesem Fall kann ein vor der Arbeitsaufnahme abgegebenes schriftliches Vertragsangebot des Arbeitgebers vom Arbeitnehmer nur durch eine den Anforderungen des § 126 Abs. 2 BGB genügende Annahmeerklärung angenommen werden. Hat der Arbeitgeber in den Vertragsverhandlungen mit dem Arbeitnehmer den Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags ausdrücklich unter den Vorbehalt eines schriftlichen Vertragsschlusses gestellt oder dem Arbeitnehmer die schriftliche Niederlegung des Vereinbarten angekündigt, so ist diese Erklärung ohne Hinzutreten außergewöhnlicher Umstände nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) dahingehend zu verstehen, dass der Arbeitgeber dem sich aus § 14 Abs. 4 TzBfG ergebenden Schriftformgebot entsprechen will und sein auf den Vertragsschluss gerichtetes schriftliches Angebot nur durch die der Form des § 126 Abs. 2 BGB genügende Unterzeichnung der Vertragsurkunde angenommen werden kann(vgl. BAG 16. April 2008 - 7 AZR 1048/06 - Rn. 14). Der Arbeitnehmer kann in Fällen, in denen der Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags von der Einhaltung der Schriftform abhängen soll, ein ihm vorliegendes schriftliches Vertragsangebot des Arbeitgebers nicht durch die Arbeitsaufnahme konkludent, sondern nur durch die Unterzeichnung der Vertragsurkunde annehmen. Nimmt der Arbeitnehmer vor diesem Zeitpunkt die Arbeit auf, entsteht zwischen den Parteien lediglich ein faktisches Arbeitsverhältnis, weil es an der Abgabe der zum Vertragsschluss erforderlichen übereinstimmenden Willenserklärungen fehlt (BAG 7. Oktober 2015 - 7 AZR 40/14 - Rn. 20; 16. April 2008 - 7 AZR 1048/06 - Rn. 14). In einem solchen Fall kann dahinstehen, ob die Arbeitsaufnahme des Arbeitnehmers als ein konkludentes Angebot auf Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags zu den zuvor vereinbarten Bedingungen angesehen werden kann. Hat der Arbeitgeber durch sein vor der Arbeitsaufnahme liegendes Verhalten verdeutlicht, dass er den Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags von der Einhaltung des Schriftformgebots des § 14 Abs. 4 TzBfG abhängig machen will, liegt in der bloßen Entgegennahme der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers regelmäßig nicht die Annahme eines vermeintlichen Vertragsangebots des Arbeitnehmers. Dieser kann das schriftliche Angebot des Arbeitgebers dann noch nach der Arbeitsaufnahme durch die Unterzeichnung des Arbeitsvertrags annehmen (BAG 7. Oktober 2015 - 7 AZR 40/14 - Rn. 20; 16. April 2008 - 7 AZR 1048/06 - Rn. 14).

25

(bb) Anders verhält es sich hingegen, wenn der Arbeitgeber kein schriftliches Angebot auf Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags abgibt, sondern dem Arbeitnehmer eine Vertragsurkunde zur Unterschrift vorlegt, die er selbst noch nicht unterzeichnet hat. Mit der Vorlage einer solchen Vertragsurkunde stellt der Arbeitgeber den Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags weder ausdrücklich noch konkludent unter den Vorbehalt eines schriftlichen Vertragsschlusses, noch kündigt er dem Arbeitnehmer die schriftliche Niederlegung des Vereinbarten an. Er gibt keine auf den Vertragsschluss gerichtete Erklärung ab, die nur durch die der Form des § 126 Abs. 2 BGB genügende Unterzeichnung der Vertragsurkunde angenommen werden kann. Vielmehr fordert er den Arbeitnehmer zur Abgabe eines schriftlichen Vertragsangebots zu den in der Vertragsurkunde genannten Bedingungen auf. Während der Arbeitgeber mit einem von ihm unterzeichneten Vertragsangebot seinerseits alles zur Einhaltung des Schriftformgebots Erforderliche getan hat, ist dies bei der Übergabe eines von ihm nicht unterzeichneten Vertragsentwurfs nicht der Fall. Daher ist dieses Verhalten aus Sicht des Arbeitnehmers nicht dahingehend zu verstehen, dass der Arbeitgeber dem sich aus § 14 Abs. 4 TzBfG ergebenden Schriftformgebot entsprechen will.

26

Selbst wenn der Arbeitgeber ausdrücklich erklärt hat, der Arbeitsvertrag solle nicht durch Entgegennahme der Arbeitsleistung, sondern erst mit Zugang der von ihm unterzeichneten Vertragsurkunde beim Arbeitnehmer zustande kommen, ist dieser Vorbehalt unbeachtlich. Der Arbeitgeber kann die Auslegung seines Verhaltens als Ausdruck eines entsprechenden Rechtsfolgewillens nicht ausschließen. Die in Widerspruch zu seinem tatsächlichen Verhalten stehende Erklärung ist für die rechtliche Wertung, welche Erklärungsbedeutung der Inanspruchnahme der Arbeitsleistung zukommt, ohne Bedeutung. Zeigt nämlich jemand ein Verhalten, das nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte nur als Ausdruck eines bestimmten Willens aufgefasst werden kann, so ist seine wörtliche Verwahrung gegen eine entsprechende Deutung des Verhaltens unbeachtlich, denn er setzt sich in Widerspruch mit seinem eigenen tatsächlichen Verhalten (sog. protestatio facto contraria) und hat durch sein tatsächliches Verhalten die Geltendmachung einer anderweitigen Auslegung verwirkt (BAG 19. Januar 2005 - 7 AZR 113/04 - zu II 1 b der Gründe; BGH 9. Mai 2000 - VI ZR 173/99 - zu II 2 b bb der Gründe).

27

(cc) Danach stand der Vertragsschluss nicht unter dem Vorbehalt der Unterzeichnung der Vertragsurkunde durch beide Parteien.

28

(b) Der Beklagte hat das Vertragsangebot des Klägers am 5. Oktober 2012 konkludent angenommen, indem er dem Kläger bei Vertragsbeginn einen Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt und dessen Arbeitsleistung entgegengenommen hat. Das Landesarbeitsgericht hat zwar eine Auslegung der Erklärungen des Beklagten nicht vorgenommen. Der Senat kann jedoch die Verhaltensweisen und Erklärungen des Beklagten selbst auslegen, da das Landesarbeitsgericht den erforderlichen Sachverhalt vollständig festgestellt hat und kein weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien zu erwarten ist. Die Auslegung ergibt, dass der Kläger die Zurverfügungstellung eines Arbeitsplatzes und die Entgegennahme der Arbeitsleistung als Annahme seines Vertragsangebots durch den Beklagten verstehen durfte. Er hatte sich auf Aufforderung des Beklagten zu der zuständigen Personalverwaltung begeben und dort durch Rückgabe des von ihm unterzeichneten Vertragsdokuments ein Angebot auf Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags zu den von dem Beklagten vorformulierten Bedingungen abgegeben. Daher durfte er davon ausgehen, dass er seine Arbeitsleistung - vorbehaltlich einer gegenteiligen Mitteilung des Beklagten - ab dem in der Vertragsurkunde vorgesehenen Zeitpunkt, dh. dem 5. Oktober 2012, zu den vom Beklagten vorgegebenen Bedingungen erbringen sollte. Da der Beklagte nichts Gegenteiliges äußerte und ihn nicht an der Erbringung der Arbeitsleistung hinderte, durfte der Kläger die Entgegennahme der Arbeitsleistung ab dem 5. Oktober 2012 als Annahme seines Vertragsangebots durch den Beklagten verstehen. Bei dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, ob der Kläger seine Tätigkeit mit Wissen eines zum Abschluss von Arbeitsverträgen berechtigten Vertreters aufgenommen hat.

29

bb) Die Schriftform für die Befristung des am 5. Oktober 2012 zustande gekommenen Arbeitsvertrags ist nicht deshalb gewahrt, weil dem Kläger am 9. Oktober 2012 die auch vom Beklagten unterzeichnete Vertragsurkunde zugegangen ist. Dabei kann zu Gunsten des Beklagten unterstellt werden, dass die zum Abschluss von Arbeitsverträgen berechtigte Personalsachbearbeiterin A den Vertrag schon vor dem Vertragsbeginn am 5. Oktober 2012 unterzeichnet hat. Das Schriftformgebot des § 14 Abs. 4 TzBfG ist nicht eingehalten, da dem Kläger die schriftliche Annahmeerklärung nicht vor Vertragsbeginn zugegangen ist.

30

(1) Die Wahrung der in § 14 Abs. 4 TzBfG bestimmten Schriftform erfordert den Zugang der unterzeichneten Befristungsabrede bei dem Erklärungsempfänger vor Vertragsbeginn.

31

(a) Nach § 126 Abs. 2 BGB genügt eine vertragliche Vereinbarung der gesetzlichen Schriftform, wenn eine einheitliche Vertragsurkunde von beiden Parteien unterzeichnet worden ist. Von der Einhaltung dieser äußeren Form ist zu trennen, ob die Vereinbarung zustande gekommen ist. Das richtet sich nach den allgemeinen Regeln über den Abschluss von Verträgen (§§ 145 ff., 130 BGB). Danach kommt ein Vertrag unter Abwesenden, für den die gesetzliche Schriftform vorgeschrieben ist, grundsätzlich nur dann rechtswirksam zustande, wenn sowohl der Antrag als auch die Annahme (§§ 145 ff. BGB) in der Form des § 126 BGB erklärt werden und in dieser Form dem anderen Vertragspartner zugegangen sind(BAG 7. Juli 2010 - 4 AZR 1023/08 - Rn. 14; BGH 24. Februar 2010 - XII ZR 120/06 -). Anders verhält es sich nur dann, wenn nach § 151 Satz 1 BGB eine Annahmeerklärung entbehrlich ist.

32

(b) § 14 Abs. 4 TzBfG setzt unter Berücksichtigung seines Schutzzwecks neben der Einhaltung der äußeren Form auch voraus, dass die Befristungsabrede durch die schriftlich abgegebenen Erklärungen zustande gekommen ist. Das Angebot und die Annahme müssen der jeweils anderen Vertragspartei schriftlich zugehen. Das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG dient dazu, angesichts der besonderen Bedeutung der Befristung, die ohne weitere Erklärungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt, größtmögliche Rechtssicherheit zu gewährleisten(BT-Drs. 14/626 S. 11). Dem Arbeitnehmer soll deutlich vor Augen geführt werden, dass sein Arbeitsverhältnis - anders als bei dem Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags - mit der Vereinbarung der Befristung zu einem bestimmten Zeitpunkt automatisch enden wird und daher keine dauerhafte Existenzgrundlage bilden kann. Außerdem dient das Schriftformerfordernis einer Erleichterung der Beweisführung. Dadurch soll unnötiger Streit über das Vorliegen und den Inhalt einer Befristungsabrede vermieden werden (BAG 26. Juli 2006 - 7 AZR 514/05 - Rn. 16, BAGE 119, 149; 1. Dezember 2004 - 7 AZR 198/04 - zu B I 4 a aa der Gründe, BAGE 113, 75; 3. September 2003 - 7 AZR 106/03 - zu 2 b der Gründe, BAGE 107, 237). Mit dieser Zwecksetzung wäre es nicht vereinbar, wenn die Schriftform nicht den Zugang der schriftlichen Annahmeerklärung des Arbeitgebers hinsichtlich der Befristungsabrede beim Arbeitnehmer vor Vertragsbeginn voraussetzte. Der Arbeitnehmer könnte bei Vertragsbeginn nicht erkennen, ob sein Arbeitsvertrag wirksam befristet ist oder nach § 16 Satz 1 TzBfG als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt. Dies eröffnete die Möglichkeit, darüber zu streiten, ob die schriftliche Annahme im Zeitpunkt des Vertragsbeginns bereits erklärt war. Auch ein derartiger Streit sollte durch das Schriftformerfordernis verhindert werden.

33

(c) Der Beklagte macht ohne Erfolg geltend, dass die Wahrung der in § 550 BGB bzw. in der Vorgängerregelung des § 566 BGB aF bestimmten Schriftform für langfristige Mietverträge nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur die Einhaltung der äußeren Form voraussetzt(BGH 24. Februar 2010 - XII ZR 120/06 - Rn. 24; vgl. auch 14. Juli 2004 - XII ZR 68/02 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 160, 97). Dies gilt aufgrund des unterschiedlichen Schutzzwecks für das Schriftformgebot des § 14 Abs. 4 TzBfG nicht.

34

(aa) Das Schriftformerfordernis des § 550 BGB dient in erster Linie dem Informationsbedürfnis eines späteren Grundstückserwerbers, dem durch die Schriftform die Möglichkeit eingeräumt werden soll, sich von dem Umfang und Inhalt der auf ihn übergehenden Rechte und Pflichten zuverlässig zu unterrichten. Dafür genügt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine der äußeren Schriftform entsprechende Mietvertragsurkunde. Auch die zusätzlich mit der Schriftform des § 550 BGB verfolgten Zwecke, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden sicherzustellen und die Vertragsparteien vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu warnen, werden danach durch die bloße Einhaltung der äußeren Form gewahrt. Die Beweisfunktion sei erfüllt, wenn die Vertragsbedingungen in der von beiden Parteien unterzeichneten Mietvertragsurkunde verkörpert seien und durch sie in ausreichender Weise bewiesen werden könnten. Der Warnfunktion sei dadurch Genüge getan, dass beide Parteien die Vertragsurkunde unterzeichnet haben (BGH 24. Februar 2010 - XII ZR 120/06 - Rn. 25 - 29).

35

(bb) Demgegenüber dient das Schriftformerfordernis für die Befristung von Arbeitsverträgen in § 14 Abs. 4 TzBfG nicht dem Schutz Dritter, sondern ausschließlich dem Schutz der Parteien. Die Vertragsparteien sollen nicht vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen gewarnt werden, vielmehr soll der Arbeitnehmer bei Vertragsbeginn durch Lesen der Vertragsvereinbarungen erkennen können, dass er keinen Dauerarbeitsplatz erhält, um ggf. den Vertragsschluss zu Gunsten anderer Angebote ablehnen zu können (BAG 1. Dezember 2004 - 7 AZR 198/04 - zu B I 4 a aa der Gründe, BAGE 113, 75). Das setzt voraus, dass dem Arbeitnehmer vor Vertragsbeginn die vom Arbeitgeber unterzeichnete Vertragsurkunde über die Befristungsabrede bereits zugegangen ist. Allein die äußere Schriftform genügt auch der Beweisfunktion nicht, da es für die Wirksamkeit der Befristung bei einem Arbeitsvertrag - anders als bei einem Mietvertrag - entscheidend auf den Zeitpunkt des Zustandekommens der Befristungsabrede ankommt. Die Parteien eines langfristigen Mietvertrags können die Beurkundung eines zunächst formlos geschlossenen Vertrags jederzeit nachholen. Der Vertrag gilt dann von Anfang an als in der gesetzlich vorgeschriebenen Form abgeschlossen (vgl. BGH 14. Juli 2004 - XII ZR 68/02 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 160, 97). Dagegen kann die Beurkundung einer formlos geschlossenen Befristungsabrede nicht ohne weiteres nachgeholt werden. Die Parteien können allenfalls das bei Vertragsbeginn nach § 16 Satz 1 TzBfG entstandene unbefristete Arbeitsverhältnis nachträglich befristen. Das setzt neben den auf die Herbeiführung dieser Rechtsfolge gerichteten Willenserklärungen der Parteien voraus, dass ein die Befristung rechtfertigender sachlicher Grund (BAG 16. April 2008 - 7 AZR 1048/06 - Rn. 12; 1. Dezember 2004 - 7 AZR 198/04 - zu B I 4 b der Gründe, aaO) oder die Voraussetzungen einer Befristung nach § 1 Abs. 2 WissZeitVG vorliegen.

36

(2) Entgegen der Ansicht des Beklagten war der Zugang der Annahmeerklärung beim Kläger auch nicht wegen Verzichts nach § 151 BGB entbehrlich. Es ist schon zweifelhaft, ob ein Verzicht auf den Zugang der Annahmeerklärung wirksam wäre. Der Formzwang für das Rechtsgeschäft beruht nicht auf einer Absprache der Parteien, sondern auf einer gesetzlichen Anordnung. Über die sich aus der Verletzung eines konstitutiven gesetzlichen Schriftformerfordernisses ergebenden Rechtsfolgen können die Vertragsparteien regelmäßig nicht disponieren (BAG 16. April 2008 - 7 AZR 1048/06 - Rn. 17). Dies kann jedoch dahinstehen. Der Kläger hat durch die Aufnahme seiner Tätigkeit am 5. Oktober 2012 nicht auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichtet. Der Kläger hat vielmehr seine Arbeitsleistung entsprechend dem vom Beklagten vorformulierten Vertragstext in der Erwartung erbracht, dass der Beklagte diese annimmt und damit sein Vertragsangebot akzeptiert.

37

(3) Der Mangel der Schriftform ist nicht dadurch geheilt, dass dem Kläger die beiderseits unterzeichnete Vertragsurkunde am 9. Oktober 2012 zugegangen ist. Das bei Vertragsbeginn nach § 16 Satz 1 TzBfG entstandene unbefristete Arbeitsverhältnis ist nicht nachträglich befristet worden, da es an den auf die Herbeiführung dieser Rechtsfolge gerichteten Willenserklärungen der Parteien fehlt.

38

3. Dem Kläger ist es nicht nach § 242 BGB verwehrt, sich auf die fehlende Schriftform der Befristungsabrede zu berufen.

39

a) Die Berufung auf einen Formmangel durch eine Vertragspartei ist nur ausnahmsweise treuwidrig. Dies kann wegen des Verbots widersprüchlichen Verhaltens der Fall sein, wenn der Vertragspartner trotz des Formmangels auf die Gültigkeit des Vertrags vertrauen durfte und die den Formmangel geltend machende Vertragspartei sich zu ihrem vorhergehenden Verhalten in Widerspruch setzt (BAG 26. Juli 2006 - 7 AZR 494/05 - Rn. 24; 16. März 2005 - 7 AZR 289/04 - zu I 3 a der Gründe, BAGE 114, 146).

40

b) Es gibt vorliegend keine Umstände, welche die Rechtsausübung des Klägers als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen könnten. Der Kläger verhält sich nicht widersprüchlich. Er hat seinerseits alles Erforderliche zur Einhaltung der Schriftform getan. Die Unwirksamkeit der Befristungsabrede beruht nicht auf der Aufnahme der Tätigkeit durch den Kläger, sondern darauf, dass der Beklagte die Arbeitsleistung des Klägers entgegengenommen hat, ohne zuvor den Zugang der auch von ihm unterzeichneten Befristungsabrede beim Kläger bewirkt zu haben.

41

II. Der Klageantrag zu 2. fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist auf die Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Befristungskontrollantrag gerichtet. Die Entscheidung des Senats hierüber wird mit der Verkündung rechtskräftig.

42

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Gräfl    

        

    Waskow    

        

    M. Rennpferdt     

        

        

        

    Schuh     

        

    Glock     

                 

Tenor

1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 23. Oktober 2012 - 11 Sa 302/12 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 10. Januar 2012 - 5 Ca 363/11 Ö - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen über den 30. Juni 2010 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

2

Der Kläger war aufgrund 23 befristeter Arbeitsverträge seit dem 1. April 1992 bei dem beklagten Land als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität O beschäftigt. Er erhob wegen eines bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsvertrags vom 23./30. September 2008 eine Befristungskontrollklage. Seine Weiterbeschäftigung begehrte er mit der Klage nicht. Das Arbeitsgericht wies diese ab, das Landesarbeitsgericht gab ihr mit einem dem beklagten Land am 31. Dezember 2009 und dem Kläger am 5. Januar 2010 zugestellten Urteil vom 8. Dezember 2009 statt und ließ die Revision nicht zu.

3

Der Kläger verlangte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 8. Januar 2010 vom beklagten Land seine Weiterbeschäftigung. In diesem Schreiben heißt es ua.: „Im Interesse der Existenzsicherung des Mandanten muss ich rechtzeitig sicherstellen, dass der Mandant tatsächlich auch über den 30.06.2010 hinaus entsprechend der gerichtlichen Entscheidung weiterbeschäftigt wird. Dazu bitte ich Sie um eine entsprechende Bestätigung, da ich andernfalls umgehend beim Arbeitsgericht die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung anhängig machen würde.“ Der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes teilte im Antwortschreiben vom 20. Januar 2010 mit, dass Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werde, sodass die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht rechtskräftig sei. Der Kläger werde allerdings bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs beschäftigt. Zur Weiterbeschäftigung wurde ausgeführt: „Insofern stellen wir ausdrücklich klar, dass die Weiterbeschäftigung Ihres Mandanten über den 30.06.2010 hinaus ausschließlich und nur aufgrund des nach der Rechtsprechung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes bestehenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches erfolgt. Mit der Weiterbeschäftigung über den 30.06.2010 hinaus wird somit kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet oder das bis zum 30.06.2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt.“

4

Das Bundesarbeitsgericht ließ auf die Nichtzulassungsbeschwerde des beklagten Landes vom 20. Januar 2010 die Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 zu. Der Kläger wurde vom beklagten Land über den 30. Juni 2010 hinaus beschäftigt. Die Universität O bezeichnete ihn in einer Presseerklärung vom 18. Juni 2010 als „Studiengangskoordinator“ für den Studiengang „Interkulturelle Bildung und Beratung“ und benannte ihn als Ansprechpartner für Bewerbungen zu diesem Studiengang zum Wintersemester 2010/11. Das Prüfungsamt bestellte den Kläger in der Zeit von Juli 2010 bis August 2011 für zehn Bachelorarbeiten zum Prüfer. In drei Promotionsverfahren im Oktober und November 2010 sowie im Mai 2011 war der Kläger Mitglied der Promotionskommission. Ihm wurden Hausarbeiten von Studierenden zur Korrektur vorgelegt. Er war verantwortlich für das Praktikumsmodul im Studiengang „Interkulturelle Bildung und Beratung“ (Bachelor-Studiengang für Zuwanderer).

5

Das Bundesarbeitsgericht hob am 24. August 2011 (- 7 AZR 228/10 - BAGE 139, 109) die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 auf und stellte das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts wieder her. Der Kläger hat gegen diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts Verfassungsbeschwerde eingelegt, über die zum Zeitpunkt der mündlichen Revisionsverhandlung noch nicht entschieden war (- 1 BvR 167/12 -).

6

Mit Schreiben vom 24. August 2011 teilte der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ua. mit, dass die Voraussetzungen für den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch entfallen seien und das beklagte Land die Arbeitsleistung des Klägers nicht weiter entgegennehmen werde.

7

Der Kläger hat gemeint, durch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus sei gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden. Jedenfalls sei mangels Wahrung der nach § 14 Abs. 4 TzBfG erforderlichen Schriftform aufgrund seiner Weiterbeschäftigung über den 30. Juni 2010 hinaus bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über seine Entfristungsklage ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden.

8

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass er sich über den 30. Juni 2010 hinaus in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum beklagten Land in einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität O befindet, das auch nicht durch das Schreiben des Rechtsanwalts W vom 24. August 2011 beendet worden ist.

9

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt. Es ist der Ansicht, es habe den Kläger nur aufgrund seines Obsiegens im Berufungsverfahren des Vorprozesses und seines Beschäftigungsbegehrens weiterbeschäftigt. Ein solches Beschäftigungsverhältnis bedürfe nicht der Schriftform.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit seiner Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des beklagten Landes ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien festgestellt.

12

I. Die Parteien haben keinen Vertrag über die Neubegründung oder Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus geschlossen.

13

1. Ein Arbeitsverhältnis wird grundsätzlich durch einen Arbeitsvertrag begründet (vgl. Schaub/Linck ArbR-HdB 14. Aufl. § 29 Rn. 8; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 611 Rn. 158 unter Hinweis auf BAG 16. Februar 2000 - 5 AZB 71/99 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 93, 310). Verträge kommen durch auf den Vertragsschluss gerichtete, einander entsprechende Willenserklärungen zustande, indem das Angebot („Antrag“) gemäß den §§ 145 ff. BGB angenommen wird. Eine Willenserklärung ist eine Äußerung, die auf die Herbeiführung eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtet ist. Ob eine Äußerung oder ein schlüssiges Verhalten als Willenserklärung zu verstehen ist, bedarf der Auslegung. Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist(BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 36, BAGE 134, 269). Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt. Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinne verstanden, so geht der wirkliche Wille dem Wortlaut des Vertrags und jeder anderweitigen Interpretation vor und setzt sich auch gegenüber einem völlig eindeutigen Vertragswortlaut durch (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - aaO mwN). Diese Grundsätze sind auch anzuwenden bei der Frage, ob ein bestimmtes willentliches Verhalten eine Willenserklärung darstellt (vgl. BAG 2. März 1973 - 3 AZR 325/72 - zu 2 der Gründe).

14

2. Die Auslegung nichttypischer Willenserklärungen obliegt in erster Linie den Tatsachengerichten. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) verletzt, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 32 mwN, BAGE 134, 269; 17. Juli 2007 - 9 AZR 819/06 - Rn. 19). Bei einer rechtsfehlerhaften Auslegung durch das Berufungsgericht kann das Revisionsgericht die Auslegung selbst vornehmen, wenn die dafür maßgeblichen Tatsachen feststehen und ein weiterer Sachvortrag der Parteien nicht zu erwarten ist (BAG 8. April 2014 9 AZR 856/11 - Rn. 32 mwN). Dies gilt auch, wenn es um die Frage geht, ob mit einer Erklärung überhaupt eine rechtsgeschäftliche Bindung eingegangen werden sollte (BAG 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 17 mwN, BAGE 144, 231).

15

3. Daran gemessen hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft den Abschluss eines Arbeitsvertrags angenommen. Ob einer tatsächlichen Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist bzw. dem Ende der Befristung ein befristeter Vertrag zugrunde liegt, ist durch Auslegung der ausdrücklichen oder konkludenten Erklärungen der Parteien zu ermitteln (vgl. BAG 22. Oktober 2003 - 7 AZR 113/03 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 108, 191). Danach hat das beklagte Land keine auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtete Willenserklärung abgegeben.

16

a) Das Landesarbeitsgericht hat die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB verletzt, indem es bei der Auslegung des Schreibens des beklagten Landes vom 20. Januar 2010 aus einem von ihm angenommenen Interesse der Universität an einer verlässlichen Planung der Arbeitsleistung des Klägers auf eine auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtete Willenserklärung des beklagten Landes geschlossen hat, obwohl der Wortlaut des Schreibens diesbezüglich eindeutig ist und die Annahme einer (befristeten) Vereinbarung ausschließt. Das beklagte Land hat mit der für die Weiterbeschäftigung angeführten Begründung „aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches“ deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es keinen rechtsgeschäftlichen Erfolg in Form des Abschlusses eines Arbeitsvertrags herbeiführen wollte, sondern eine bereits bestehende, von der Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelte Rechtspflicht (vgl. BAG GS 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122; BAG 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - zu B II 5 der Gründe) angenommen hat und diese gemäß § 362 Abs. 1 BGB erfüllen wollte. Dies belegt auch die Formulierung, dass die Weiterbeschäftigung „ausschließlich und nur aufgrund des nach der Rechtsprechung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes bestehenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches erfolgt“ und „mit der Weiterbeschäftigung über den 30.06.2010 hinaus … somit kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet oder das bis zum 30.06.2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt“ wird. Aufgrund dieses Wortlauts durfte der Kläger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nicht von einer auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichteten Willenserklärung des beklagten Landes ausgehen.

17

b) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts steht der Grundsatz protestatio facto contraria non valet dem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Zwar trifft es zu, dass die tatsächlichen Voraussetzungen einer vertraglichen Bindung nicht durch einen einseitigen Vorbehalt ausgeschlossen werden können, jedoch fehlt es bereits an zwei übereinstimmenden, auf denselben rechtsgeschäftlichen Erfolg gerichteten Willenserklärungen.

18

aa) Der Sachverhalt im Entscheidungsfall ist nicht vergleichbar mit dem, über den der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 19. Januar 2005 (- 7 AZR 113/04 -) zu entscheiden hatte. In jenem Fall, in dem der Abschluss eines Vertrags mit der Begründung angenommen wurde, dass die ausdrückliche Verwahrung gegen eine entsprechende Deutung des Verhaltens unbeachtlich ist, wenn ein Verhalten vorliegt, das nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte nur als Ausdruck eines bestimmten Willens aufgefasst werden kann, hatte der Arbeitgeber nach einer von ihm erklärten Kündigung den Arbeitnehmer vor einer der Kündigungsschutzklage stattgebenden Entscheidung eines Gerichts aufgefordert, seine Tätigkeit nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zur Entscheidung über die Kündigungsschutzklage fortzuführen. Damit waren anders als im vorliegenden Fall nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 die Voraussetzungen des Weiterbeschäftigungsanspruchs (vgl. BAG GS 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122; BAG 26. Juni 1996 - 7 AZR 674/95 - zu IV der Gründe mwN) nicht erfüllt. Das beklagte Land verhielt sich nicht widersprüchlich, sondern rechtskonform, als es der Aufforderung des Klägers nachkam, ihn über den 30. Juni 2010 hinaus zu beschäftigen.

19

bb) Unerheblich ist, dass der Kläger seinen Weiterbeschäftigungsanspruch nicht zusammen mit seinem Befristungskontrollantrag gemäß § 17 Satz 1 TzBfG geltend gemacht hatte und das Landesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 8. Dezember 2009 das beklagte Land nicht zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt hat. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs erfüllt, besteht eine entsprechende Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers auch ohne ein entsprechendes klagestattgebendes Urteil. Gibt ein Arbeitsgericht der Weiterbeschäftigungsklage eines Arbeitnehmers statt, tituliert es einen bestehenden Anspruch. Die Klage auf Beschäftigung ist eine Klage auf zukünftige Leistung (BAG 29. Oktober 1997 - 5 AZR 573/96 - zu I der Gründe; 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - zu C der Gründe). Es handelt sich nicht um ein Gestaltungsurteil, das die Rechtslage ändert.

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c) Das Auslegungsergebnis widerspricht nicht dem Urteil des Senats vom 8. April 2014 (- 9 AZR 856/11 -), sondern steht mit diesem im Einklang. In jener Entscheidung hat der Senat angenommen, dass die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach einem Urteil des Arbeitsgerichts, das der Befristungskontrollklage und dem Antrag auf Weiterbeschäftigung stattgegeben hat, noch nicht auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags schließen lässt (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 25 ff.). Der konkludente Abschluss eines Arbeitsvertrags wurde nur deshalb bejaht, weil der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch noch nach Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts und Abweisung der Klage durch das Landesarbeitsgericht, also trotz des Wegfalls der Beschäftigungsverpflichtung weiterbeschäftigt hatte (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 38).

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d) Ein Verhalten des beklagten Landes, aus dem sich eine konkludente Erklärung ergeben könnte, es habe entgegen seinen Ausführungen im Schreiben vom 20. Januar 2010 einen neuen Arbeitsvertrag mit dem Kläger schließen oder das bis zum 30. Juni 2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortsetzen wollen, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Der Kläger hat ein solches Verhalten des beklagten Landes auch nicht behauptet. Bei den dem Kläger nach dem 30. Juni 2010 übertragenen Aufgaben handelte es sich um solche, die ihm nach dem letzten befristeten Arbeitsvertrag gemäß § 106 GewO zugewiesen werden konnten. Mit dieser Aufgabenübertragung hat das beklagte Land nur den Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers erfüllt. Aus ihr folgt kein weiter gehender Erklärungswert. Ob das beklagte Land zu einem späteren Zeitpunkt nach dem 30. Juni 2010 nicht nur seiner Weiterbeschäftigungsverpflichtung nachgekommen ist, sondern sich so verhalten hat, dass daraus auf ein Angebot auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags geschlossen werden konnte, muss nicht geklärt werden. Diese Frage bedarf schon deshalb keiner Antwort, weil der Kläger ausschließlich das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus festgestellt haben will und den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags zu einem Zeitpunkt nach dem 30. Juni 2010 selbst nicht behauptet.

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II. Die Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien ab dem 1. Juli 2010 ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus § 15 Abs. 5 TzBfG. Das beklagte Land hat einer Fortsetzung des bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsverhältnisses rechtzeitig widersprochen.

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1. Aufgrund der Entscheidung des Siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 24. August 2011 (- 7 AZR 228/10 - BAGE 139, 109), mit dem das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 8. Dezember 2009 (- 13 Sa 636/09 -) aufgehoben wurde, steht rechtskräftig fest, dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses im Arbeitsvertrag der Parteien vom 23./30. September 2008 zum 30. Juni 2010 wirksam ist. Soweit der Kläger gegen dieses Urteil Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt hat, steht dies der Annahme einer rechtskräftigen Entscheidung nicht entgegen. Bei der Verfassungsbeschwerde handelt es sich um kein Rechtsmittel, sondern um einen außerordentlichen Rechtsbehelf (BAG 7. November 2002 - 2 AZR 297/01 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 103, 290).

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2. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, wonach das beklagte Land mit dem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 20. Januar 2010 deutlich gemacht hat, dass es zu einer Verlängerung des bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsverhältnisses nicht bereit ist, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat die Auslegung des Schreibens durch das Landesarbeitsgericht insoweit auch nicht mit Gegenrügen angegriffen. Damit hat das beklagte Land gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG rechtzeitig einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus widersprochen.

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a) Ein Widerspruch iSv. § 15 Abs. 5 TzBfG kann als rechtsgeschäftliche empfangsbedürftige Willenserklärung bereits kurz vor Zweckerreichung oder Bedingungseintritt ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten erhoben werden(vgl. BAG 11. Juli 2007 - 7 AZR 501/06 - Rn. 25, 27; 5. Mai 2004 - 7 AZR 629/03 - zu II der Gründe, BAGE 110, 295; ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 15 TzBfG Rn. 32). Allerdings liefe ein schon im Arbeitsvertrag erklärter Widerspruch der einseitig zwingenden Wirkung des § 22 Abs. 1 TzBfG zuwider. Die in § 15 Abs. 5 TzBfG angeordnete Rechtsfolge des Eintritts der Fiktion würde vollständig abbedungen. Auf die durch eine etwaige Weiterarbeit eintretende Rechtsfolge kann nicht von vornherein verzichtet werden. Um eine Umgehung von § 22 Abs. 1 TzBfG auszuschließen, ist ein zeitlicher Zusammenhang mit dem vereinbarten Ende der Vertragslaufzeit erforderlich(BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 6/10 - Rn. 36 mwN, BAGE 138, 242). Ein solcher Zusammenhang ist anzunehmen, wenn der Widerspruch zu einem Zeitpunkt erklärt wird, in dem bereits ein Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Befristung anhängig ist und der Arbeitgeber sich gegen die Klage verteidigt. Die Regelung des § 15 Abs. 5 TzBfG beruht auf der Erwägung, die Fortsetzung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer mit Wissen des Arbeitgebers sei im Regelfall der Ausdruck eines stillschweigenden Willens der Parteien zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses(BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 6/10 - Rn. 35 mwN, aaO). Der Beginn einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellt insofern eine Zäsur dar. Ab diesem Zeitpunkt kann nur noch bei Vorliegen besonderer Umstände vermutet werden, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis stillschweigend verlängern will. Aufgrund des laufenden gerichtlichen Verfahrens besteht grundsätzlich auch keine Gefahr, dass die Erinnerung des Arbeitnehmers an den Widerspruch verblasst.

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b) Zum Zeitpunkt des Schreibens des beklagten Landes am 20. Januar 2010 war der Befristungsrechtsstreit bereits seit langem anhängig. Zwar lag ein der Befristungskontrollklage des Klägers stattgebendes Berufungsurteil vor. Das beklagte Land hat jedoch zugleich mit dem Widerspruch darauf hingewiesen, dass es das Urteil nicht akzeptieren und Nichtzulassungsbeschwerde einlegen werde.

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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    Heilmann    

        

    Matth. Dipper    

                 

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.