Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 11. Nov. 2014 - 6 Sa 292/14

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2014:1111.6SA292.14.0A
bei uns veröffentlicht am11.11.2014

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 21. November 2013 - 9 Ca 1653/12 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung, um die Entfernung von Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers und um dessen Weiterbeschäftigung.

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Der 1969 geborene, ledige, keinem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit 16. Oktober 2003 als Mitarbeiter im Lagerbereich zuletzt zu einer Bruttomonatsvergütung von 1.966,00 Euro bei der Beklagten beschäftigt, einem Unternehmen, das Großverbraucher mit Molkereiprodukten beliefert und regelmäßig weit mehr als 10 Mitarbeiter mit Ausnahme der Auszubildenden beschäftigt. Der Kläger ist Ersatzmitglied des bei der Beklagten gewählten Betriebsrates. Ob er als solches - wie von ihm behauptet - am 05. Oktober 2012 an einer Sitzung des Betriebsrates teilgenommen hat, ist zwischen den Parteien umstritten.

3

Die Beklagte erteilte dem Kläger unter dem 18. Juni 2012 eine Abmahnung, in der dem Kläger vorgeworfen wurde, sich einem Vorgesetzten gegenüber im Beisein von Kollegen respektlos verhalten zu haben, nachdem dieser den Kläger auf eine Unterhaltung mit anderen Mitarbeitern während der Arbeitszeit angesprochen habe. Mit Schreiben vom 21. Juni 2012 wurde der Kläger erneut wegen des Vorwurfs respektlosen Verhaltens gegenüber einem weiteren Vorgesetzten abgemahnt. Der Geschäftsführer der Beklagten führte auf eine Eingabe des Klägers wegen der Abmahnungen in einem Schreiben vom 23. Juli 2012 (Bl. 101 d. A.) ua. wie folgt aus:

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„Selbstverständlich ist es Ihnen nicht verwehrt Mitarbeitern, die Sie während Ihrer Arbeitszeit ansprechen, kurz zu antworten oder sich mit diesen kurz abzustimmen. Dies soll Ihnen auch nicht verwehrt oder vorgeworfen werden. Auch kann es Ihnen nicht vorgeworfen werden, wenn Sie Ihre Vorgesetzten beispielsweise über eventuell zugestellte Notausgänge informieren. Hierum ging es in der Abmahnung auch nicht.“

5

Eine dritte Abmahnung erfolgte mit Schreiben vom 12. Dezember 2012, in dem dem Kläger vorgehalten wurde, seinen Arbeitsplatz im Lager eigenmächtig vor dem Ende seiner arbeitsvertraglich vereinbarten Mindestarbeitszeit verlassen zu haben. Der Kläger hat gegen die ersten beiden Abmahnungen am 27. August 2012 vorliegende Klage beim Arbeitsgericht Mainz erhoben. Gegen die dritte Abmahnung hat er sich im Verfahren 9 Ca 218/13 mit am 06. Februar 2013 erhobener Klage zu Wehr gesetzt.

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Der Kläger war ab 18. Dezember 2012 arbeitsunfähig erkrankt. Der von der Beklagten eingeschaltete medizinische Dienst der Krankenkassen bestätigte das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit, wie in den vom Kläger vorgelegten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen angegeben.

7

Am 09. Januar 2013 sprach der Kläger beim städtischen Rechts- und Ordnungsamt, Abteilung Lebensmittel- und Verbraucherschutz, vor, um auf seiner Meinung nach unhaltbare Zustände im Betrieb der Beklagten aufmerksam zu machen. Der Vermerk des zuständigen Sachbearbeiters H zu den Mitteilungen des Klägers vom 10. Januar 2013, wegen dessen Inhaltes ergänzend auf Bl. 97 d. A verwiesen wird, lautet auszugsweise:

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„In einem Frischelager sei in einer Höhe von ca. 10 Metern ein Majonaiseeimer heruntergefallen. Die ausgelaufene Majonaise habe den dortigen Bereich, insbesondere die Seitenverstrebungen entsprechend verunreinigt. Seiner Meinung nach sei eine Reinigung dort bis heute nicht bzw. nicht ordnungsgemäß erfolgt. Auf Nachfrage teilte Herr A. mit, dass sich der betroffene Bereich in Gang 7, zwischen den Abstellflächen mit den Nummern 13.000 und ca. 15.000 befinde.

9

Weiterhin teilt Herr B. mit, dass Fluchtwege in dem Lager versperrt bzw. die vorhandenen Notausgangstüren verschlossen seien. Herrn B. wurde mitgeteilt, dass dieser Umstand vom Gewerbeaufsichtsamt im Rahmen der Überwachung nach der Arbeitsstättenverordnung zu überprüfen sei. Gegebenenfalls sei zusätzlich die Bauaufsicht hinzuzuziehen.

10

Herrn A. wurde abschließend mitgeteilt, dass die Lebensmittelkontrolle seine Vorhaltungen bezüglich der Verunreinigungen durch den heruntergefallenen Majonaiseeimer überprüfen wird und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen eingeleitet würden.

11

Bzgl. der Einlassungen der versperrten bzw. verschlossenen Rettungswege und Notausgangstüren, wurde er an das in M ansässige Gewerbe-aufsichtsamt verwiesen.“

12

In einer vom 13. März 2013 datierenden handschriftlichen Aktennotiz des zuständigen Sachbearbeiters (Bl. 98 d. A.) heißt es, die Mitarbeiterin der Beklagten K sei über den Sachverhalt wegen des Mayonnaiseeimers telefonisch unterrichtet worden und habe die Beseitigung fest zugesagt.

13

Am 28. Januar 2013 erschien der Kläger beim städtischen Polizeipräsidium, um auf Missstände im Sicherheitsmanagement der Beklagten aufmerksam zu machen, wobei er angab, diese in der Vergangenheit bereits beim Ordnungsamt, dem Gewerbeaufsichtsamt und seinem Lagerleiter gemeldet zu haben, ohne dass weitere Maßnahmen erfolgt seien. Der Vermerk der zuständigen Polizeikommissarin vom gleichen Tag, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 133 d. A.), lautet auszugsweise wie folgt:

14

„Zur Situation in der oben genannten Firma gab Herr A. an, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Notausgangstüren durch Metallplatten verschraubt seien, sämtliche Feuerschutzgeräte seien durch Regale versperrt.“

15

Unter dem 05. März 2013 erstellte die städtische Lebensmittelkontrolle aufgrund eines Besuchs zweier ihrer Mitarbeiter bei der Beklagten am 01. März 2013 einen Kontrollbericht anlässlich einer "planmäßigen Routinekontrolle". Die Feststellungen enden mit dem Ergebnis, dass der Lagerbereich überprüft worden sei und keine Beanstandungen hätten festgestellt werden können. Darüber hinaus heißt es, dass die Beklagte aufgrund einer Anzeige vom 28. Januar 2013 aufgesucht worden und der bei der Kontrolle anwesende Geschäftsführer über den Sachverhalt informiert worden sei, der schriftlich Stellung nehmen wolle.

16

Der Geschäftsführer der Beklagten teilte dem zuständigen Mitarbeiter der Lebensmittelkontrolle im Hinblick auf die vom Polizeipräsidium weitergeleitete Anzeige des Klägers mit Email vom 01. März 2013, wegen deren weiterem Inhalt auf Bl. 130 d. A. verwiesen wird, ua. mit, die Feuerlöscher im Unternehmen würden regelmäßig gewartet, zuletzt seien im Januar 2012 neue Feuerlöscher aufgehängt worden, die bis 2014 haltbar seien, es seien keine baurechtlich als Notausgänge ausgewiesene Türen verschweißt oder zugemauert worden und Verschmutzungen im Lagerbereich durch herabfallende Lebensmittel würden selbstverständlich gereinigt.

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Mit Schreiben vom 05. März 2013, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 128 f. d. A. Bezug genommen wird, wurde dem Kläger hinsichtlich seiner Anzeige vom 28. Januar 2013 vom städtischen Rechts- und Ordnungsamt ua. mitgeteilt, bei einer erneuten unangekündigten, außerplanmäßigen Betriebskontrolle hätten weder Verstöße gegen lebensmittel- oder hygienerechtliche Vorschriften, noch zugestellte und verschlossene Notausgangstüren festgestellt werden können, insbesondere sei der Lagerbereich vollständig gereinigt. Ergänzend heißt es:

18

„Nach telefonischer Rücksprache mit dem Bauaufsichtsamt, wurde uns von dort mitgeteilt, dass auf Anregung des Gewerbeaufsichtsamtes vor ca. 14 Tagen ein Ortstermin bei der Firma stattfand. Hierbei wurde festgestellt, dass lediglich die "alten" Notausgänge verschlossen waren. Parallel erfolgten kürzlich einige Umbaumaßnahmen, die geänderten (neuen) Flucht- und Rettungswege entsprechen einwandfrei den baurechtlichen sowie gewerberechtlichen Vorschriften.

19

Ihre Vorhaltungen gemäß des Vermerks der Polizeiinspektion 1, dass keine weiteren Maßnahmen erfolgt seien, sind somit haltlos.“

20

Mit Schreiben vom 12. März 2013 hörte die Beklagte den Betriebsrat wegen der beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung an. Wegen der Einzelheiten der Anhörung wird auf Bl. 171 ff. d. A. Bezug genommen. Der Betriebsrat stimmte am 15. März 2013 der beabsichtigten Kündigung zu.

21

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 15. März 2013, dem Kläger zugegangen am gleichen Tag, außerordentlich und hilfsweise ordentlich zum 30. Juni 2013. Hiergegen hat sich der Kläger mit einer am 21. März 2013 beim Arbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 9 Ca 538/13 eingereichten Kündigungsschutzklage gewendet und zugleich seine Weiterbeschäftigung begehrt. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 28. März 20013 unter dessen Führung vorliegendes Verfahren mit den Verfahren 9 Ca 538/13 und 9 Ca 218/13 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

22

Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, die Abmahnungen seien aus im Einzelnen dargestellten Gründen inhaltlich nicht gerechtfertigt und die ausgesprochene Kündigung unwirksam. Die einige Wochen vor der Erkrankung des Klägers beim Herabfallen eines Mayonnaiseeimers herausgelaufene Mayonnaise sei entsprechend dem Anerkenntnis der Mitarbeiterin K aus dem vom 13. März 2013 - und nicht wie ursprünglich angenommen 13. Januar 2013 - datierenden Aktenvermerk auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht beseitigt gewesen. Wenn an einzelnen kaum sichtbaren Verstrebungen des Hochregals noch Mayonnaisereste zu sehen gewesen seien, könne von einer unverzüglichen Beseitigung keine Rede sein. Versuche, bei seinem Arbeitgeber Abhilfe zu schaffen und für einwandfreie hygienische Zustände zu sorgen, seien fehlgeschlagen, weshalb er sich keinen anderen Rat gewusst habe, als den Sachverhalt dem Rechts- und Ordnungsamt der Stadt vorzutragen. Er habe auch immer wieder darauf hingewiesen, dass Fluchtwege versperrt und Notausgangstüren verschlossen gewesen seien; dies zeige auch das eigene Vorbringen der Beklagten, das deren Einstellung zur Sicherheitsvorschriften zeige. Abhilfe sei nie geschaffen worden, was sich aus zur Akte gereichten Bildern (Bl. 99 f. d. A.) ergebe. Dass Missstände bestanden hätten, habe auch der Geschäftsführer in seinem Schreiben vom 23. Juli 2012 bestätigt. Erst nachdem er bei der Verwaltungsbehörde vorgesprochen habe, seien die Missstände beseitigt und - wie aus dem Schreiben der Stadtverwaltung vom 05. März 2013 ersichtlich - nach der Schaffung neuer Notausgänge die alten verschlossen worden. Der Geschäftsführer habe Missstände zugegeben und Beseitigung gegenüber dem Sachbearbeiter des Ordnungsamtes H zugesagt. Nach dem klägerischen Hinweis bei der Verwaltung seien neue Feuerlöscher aufgehängt worden, die den aktuellen technischen Anforderungen entsprächen; fehlende Wartung habe er nicht gerügt. Letztlich habe erst seine zum Eigenschutz und Schutz anderer Mitarbeiter erhobene Anzeige dazu geführt, dass nun ordnungsgemäße Zustände herrschten; eine Kündigung sei keinesfalls gerechtfertigt. Die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates und dessen Zustimmung werde gerügt.

23

Der Kläger hat beantragt,

24

1. die Abmahnungen vom 18. Juni, 21. Juni 2012 und 12. Februar 2013 aus seiner Personalakte zu entfernen,

25

2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche und fristlose Kündigung vom 15. März noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 15. März 2013 aufgelöst worden ist,

26

3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis über den 30. Juni 2013 hinaus fortbesteht,

27

4. die Beklagte zu verurteilen, in zu unveränderten Bedingungen auf demselben Arbeitsplatz als Mitarbeiter im Lagerbereich weiter zu beschäftigen.

28

Die Beklagte hat beantragt,

29

die Klage abzuweisen.

30

Sie hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, die ausgesprochenen Abmahnungen seien aus im Einzelnen dargelegten Gründen gerechtfertigt, zudem die außerordentliche fristlose Kündigung bereits nach § 7 KSchG wirksam, da es mangels individuellen Schriftzugs an einer ordnungsgemäßen Klageerhebung fehle. Auch im Übrigen sei die Kündigung berechtigt. Die vom Kläger in seiner Anzeige erhobenen Vorwürfe entsprächen ausweislich der Ermittlungsergebnisse sowohl des Rechts- und Ordnungsamtes, als auch des Bauamtes nicht der Wahrheit und seien nicht nachvollziehbar, zumal der Kläger, der seit Dezember arbeitsunfähig erkrankt sei, keine aktuellen Kenntnisse über die angezeigten Sachverhalte gehabt haben könne. Es sei nicht akzeptabel, dass sie durch unberechtigte und absolut haltlose Anzeigen „angeschwärzt“ und ihr Ruf geschädigt werde. Dem Kläger sei es - wie die Dramatik seiner erfundenen Schilderungen, insbesondere hinsichtlich angeblich verschweißter Notausgänge zeige - einzig darum gegangen, ein behördliches Verfahren gegen sie einzuleiten, das geeignet sei, sie durch negative öffentliche Publizität in ihrer Existenzgrundlage zu gefährden. Er habe es entgegen seiner unsubstantiierten Behauptungen im Rechtsstreit bewusst unterlassen, nach seiner Meinung existierende Missstände vorab innerbetrieblich zu klären. Bemerkenswert sei allenfalls, dass der Kläger immer dann unzutreffende Behauptungen gegenüber seinen Vorgesetzten über angeblich zugestellte Notausgänge aufgestellt habe, wenn diese ihn angehalten hätten, seiner Arbeit nachzugehen. Es seien zu keinem Zeitpunkt Notausgangstüren verschlossen oder gar gesetzlich vorgeschriebene Notausgänge durch Metallplatten verschraubt gewesen. Auch der Geschäftsführer habe zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Missstände zugegeben, mit dem Zeugen H habe er persönlich überhaupt keinen Kontakt gehabt. Dem Kläger sei stets klar gewesen, dass nach einer innerbetrieblichen Umbaumaßnahme lediglich die alten Notausgangstüren verschlossen worden seien, nachdem neue Notausgangstüren vorhanden gewesen seien. Selbst wenn Fluchtwege für kurze Zeit durch in der Nähe des Notausgangs abgestellte Rollcontainern versperrt gewesen seien (die Situation auf den Fotos könne der Kläger unter Umständen selbst gestellt haben), könnten diese zum einen problemlos zur Seit gerollt werden und zum anderen könne die besagte Halle im Notfall über 12 LKW-Laderampen verlassen werden. Die Mayonnaise vom heruntergefallenen Eimer sei unverzüglich beseitigt worden, auch die Reste an einzelnen kaum sichtbaren Verstrebungen des Hochregals, über die sie erstmals durch einen Anruf des Ordnungsamtes am 13. März 2013 informiert worden sei. Im Übrigen habe eine Gesundheitsgefahr angesichts der vollständig verpackten Produkte zu keinem Zeitpunkt bestanden. Auch der Vorwurf hinsichtlich der Feuerschutzgeräte sei unzutreffend und der Kläger sei an seine prozessuale Wahrheitspflicht zu erinnern, wenn er nun behaupte, nach seiner Anzeige seien neue Feuerlöscher aufgehängt worden.

31

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. November 2013 insgesamt abgewiesen. Zu Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die von der Beklagten unter Wahrung der Zwei-Wochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB ausgesprochene außerordentliche Kündigung sei gemäß § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt, da davon auszugehen sei, dass der Kläger die Beklagte mit wissentlich unwahren Angaben bei staatlichen Stellen angezeigt habe, indem er bei der Polizei die Behauptung aufgestellt habe, dass gesetzlich vorgeschriebene Notausgangstüren durch Metallplatten verschraubt und sämtliche Feuerschutzgeräte durch Regale versperrt seien. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte, aus welchen Gründen der Kläger, der eigene Feststellungen entgegen der ihm obliegenden abgestuften Darlegungslast nicht konkret vorgetragen habe, von der Richtigkeit dieser Behauptungen habe ausgehen können. Auch aus den zur Akte gereichten Fotos ergebe sich nichts anderes, da mit Rollwagen zugestellten Notausgänge allenfalls eine Meldung an die Geschäftsleitung oder ein Tätigwerden des Betriebsrats (dem der Kläger ja angehöre) gerechtfertigt hätten. Der vom Kläger erhobene Vorwurf von mit Metallplatten verschraubten Notausgängen und durch Regale versperrten Feuerlöschern habe etwas Menschenverachtendes und wäre völlig unvereinbar mit dem, was von Unternehmen im 21. Jahrhundert erwartet werde. Dieses Bild habe der Kläger bewusst zu Unrecht durch seine falschen Tatsachenangaben gezeichnet. Sein Verhalten lasse jegliche Loyalität gegenüber der Arbeitgeberin vermissen, vermittele den Eindruck bewusster Schädigungsabsicht, sei für die Beklagte nicht hinnehmbar und begründe ein hohes Interesse der Beklagten an der außerordentlichen Kündigung (auch eines Betriebsratsmitglieds), hinter dem das Beschäftigungsinteresse des Klägers selbst dann zurückzutreten habe, wenn man seine relativ lange - unterstellt beanstandungsfreie - Betriebszugehörigkeit berücksichtige. Auch der Betriebsrat sei ordnungsgemäß nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG angehört worden. Der Kläger habe in Bezug auf die von der Beklagten zur Akte gereichten Anhörungsunterlagen über eine vollständige Information des Betriebsrates Einwände nicht mehr erhoben. Auf die Wirksamkeit der Abmahnungen komme es vor diesem Hintergrund nicht mehr entscheidungserheblich an. Auch einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung habe der Kläger wegen der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Urteils wird auf Bl. 199 ff. d. A. verwiesen. Ausweislich des Aktenvermerks auf Bl. 209 d. A. ist das Urteil am 14. April 2014 in der Form des § 60 Abs. 4 Satz 1 ArbGG zur Geschäftsstelle gelangt; am gleichen Tag wurde eine Urschrift des Urteils zu den Akten genommen und je eine Ausfertigung des Urteils zum Zwecke der Zustellung per Empfangsbekenntnis an die Prozessbevollmächtigten zur Post gegeben.

32

Der Kläger hat gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 22. April 2014 zugestellte Urteil mit am 12. Mai 2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 08. Mai 2014 Berufung eingelegt und diese innerhalb nachgelassener Frist mit Schriftsatz vom 14. Juli 2014, bei Gericht eingegangen am 15. Juli 2014, begründet.

33

Der Kläger macht zur Begründung seiner Berufung nach Maßgabe seiner Beru-fungsbegründungsschrift vom 14. Juli 2014, hinsichtlich deren Inhaltes auf Bl. 224 ff. d. A. ergänzend Bezug genommen wird, zweitinstanzlich im Wesentlichen geltend,
das Arbeitsgericht habe ihm fehlerhaft Schädigungsabsicht unterstellt und verkannt, dass aufgrund des erheblichen Spannungsverhältnisses im Arbeitsverhältnis bereits einfache Kommunikationskanäle zwischen den Beteiligten nicht mehr funktionsfähig gewesen seien und das Kommunikationsverhältnis als vergiftet anzusehen gewesen sei. Das Thema zugestellter Notausgänge sei ausweislich des Schreibens des Geschäftsführers vom 23. Juli 2012 im Übrigen offensichtlich durchaus bereits erörtert worden. Seine Darlegungslast sei vor dem Hintergrund seiner krankheitsbedingten Abwesenheit im Laufe des Verfahrens weiter einzuschränken. Auch sei mitnichten durch die behördlichen Feststellungen dokumentiert, dass seine Vorwürfe unzutreffend gewesen seien. Das ergebe sich bereits aus der Tatsache, dass es unmittelbar nach seiner Anzeige eine Kommunikation zwischen der Behörde und der Beklagten gegeben habe. Eine drei Monate verspätete Bearbeitung des hygienerechtliche und sicherheitsrelevante Probleme betreffenden Vorfalls erst im März wäre auch nicht nachvollziehbar. Der Zeuge H hätte vernommen werden müssen. Das gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Vorgehensweise hinsichtlich der Umbaumaßnahmen im Bereich der Notausgangstüren nicht aufgeklärt worden sei. Wie selbstverständlich gehe die Beklagte, die unsubstantiiert Umbaumaßnahmen im 1. Quartal eingeräumt habe, anlässlich derer die „alten“ Notausgangstüren hätten verschlossen werden können, davon aus, dass zu diesem Zeitpunkt neue Notausgangstüren bereits bestanden hätte, dies sei jedoch mitnichten gewesen (Zeugnis W und L). Zum Zeitpunkt der Beanstandung habe kein veröffentlichter Notausgangsplan existiert, so dass den Mitarbeitern daran gelegen gewesen sei, diese sicherheitsrelevante Problematik zu thematisieren. Er habe kein Anzeigendokument unterzeichnet. Sofern im Rahmen der Gespräche der Eindruck entstanden sei, er dramatisiere den Sachverhalt, sei dies möglicherweise dem Umstand geschuldet, dass die innerbetriebliche Klärung gerade ergebnislos verlaufen sei und er nach den zahlreichen Bagatellabmahnungen, die er als systematische Benachteiligung seiner Person habe ansehen müssen, zu einer Nutzung innerbetrieblicher Abläufe keine Veranlassung mehr bestanden habe. Eine frühere Benennung der Zeugen der Zeugen W und L sei ihm nicht möglich gewesen, da er über deren Kenntnis des Sachverhalts keine eigene Kenntnis gehabt habe.

34

Der Kläger beantragt,

35

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Az.: 9 Ca 1653/12 - verkündet am 21. November 2013, zugestellt am 22. April 2014, aufzuheben und nach den Schlussanträgen I. Instanz zu entscheiden.

36

Die Beklagte beantragt,

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die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

38

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 11. September 2014 (Bl. 247 ff. d. A.), auf die ergänzend Bezug genommen wird, zweitinstanzlich im Wesentlichen wie folgt:

39

Das Arbeitsgericht habe zu Recht angenommen, dass die außerordentlich Kündigung gerechtfertigt sei wegen wissentlich unwahrer Angaben des Klägers bei öffentlichen Behörden in bewusster Schädigungsabsicht in Bezug auf angeblich mit Metallplatten verschraubte Notausgangstüren und durch Regale versperrte Feuerschutzgeräte. Ein erhebliches Spannungsverhältnis habe nicht bestanden, willkürliche Abmahnungen seien nicht erfolgt und die Kommunikationskanäle zwischen den Parteien seien - auch, weil der Kläger Mitglied des Betriebsratsgremiums gewesen sei - nicht funktionsunfähig gewesen. Aus dem Schreiben vom 23. Juli 2012 ergebe sich nicht, dass der Kläger sich wegen der bei der Polizei gerügte Missstände zuvor an die Beklagte gewandt habe. Die dort erhobenen weitaus schwerwiegenderen Vorwürfe seien nie Gegenstand der Erörterung gewesen. Der Kläger habe völlig unzureichend dargelegt, wann und wo er die angeblichen Missstände gesehen haben wolle. Aus welchen Gründen die Darlegungslast des Klägers vor dem Hintergrund der krankheitsbedingten Abwesenheit des Klägers während des Verfahrens weiter einzuschränken sei, sei nicht nachvollziehbar. Die Umbaumaßnahmen im Betrieb seien ohne jeden Zusammenhang zu den Beschwerden des Klägers erfolgt. Der Vortrag, die alten Notausgangstüren seien verschlossen worden, bevor die neuen vorhanden gewesen seien, sei neu und entbehre jeder Tatsachengrundlage; es seien zu jedem Zeitpunkt Notausgangstüren im erforderlichen Umfang vorhanden gewesen. Im Übrigen versuche der Kläger nunmehr nur die Anzeige und die Sachverhaltsschilderung bei der Polizei zu rechtfertigen, streite den Wortlaut seiner Erklärung aber weiterhin nicht ab.

40

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

41

Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht erfolgreich.

I.

42

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchstabe c ArbGG), wurde nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 22. April 2014 mit am 12. Mai 2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 08. Mai 2014 form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 519 ZPO) und innerhalb nachgelassener Frist mit Schriftsatz vom 14. Juli 2014, bei Gericht eingegangen am 15. Juli 2014, rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2, 5, § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 520 ZPO).

II.

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Die Berufung des Klägers ist nicht begründet.

44

1. Das Arbeitsgericht ist aus zutreffenden, sorgfältig dargestellten Gründen zu Recht davon ausgegangen, dass die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 15. März 2013 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet hat, da der Beklagten ein nicht verfristeter fristloser Kündigungsgrund iSd. §§ 626 BGB, 15 Abs. 1 KSchG zur Seite stand und der Betriebsrat vor Kündigungsausspruch ordnungsgemäß beteiligt wurde. Die Berufungskammer macht sich die arbeitsgerichtlichen Ausführungen in den Entscheidungsgründen unter I. zur Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung (S. 9 - 14 des Urteils = Bl. 199 - 204 d. A.) zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich zu Eigen und stellt dies ausdrücklich fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Auch die Angriffe der Berufung rechtfertigen kein anderes Ergebnis.

45

1.1. Der Kläger hat sich durch die Erstattung der Anzeige bei der Polizei am 28. Januar 2013 eines an sich zur Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung iSd. § 626 Abs. 1 BGB, § 15 Abs. 1 KSchG geeigneten Grundes schuldig gemacht.

46

a) Die Erstattung einer Strafanzeige gegen den Arbeitgeber oder seine Repräsentanten kann eine kündigungsrelevante Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten und damit auch einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darstellen (BAG 03. Juli 2003 -2 AZR 235/02 - Rn. 27; LAG Rheinland-Pfalz 02. April 2009 - 10 Sa 691/08 - Rn. 70, jeweils zitiert nach juris). Ausgehend von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 02. Juli 2001 (- 1 BvR 2049/00 – zitiert nach juris) kann den arbeitsvertraglichen Nebenpflichten des Arbeitnehmers durch das Verfassungsrecht Grenzen gesetzt werden. Zeigt ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber "freiwillig" bei der Strafverfolgungsbehörde an, so kann die darin liegende Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte im Strafverfahren regelmäßig nicht zu einer Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten führen und eine deswegen erklärte Kündigung sozial rechtfertigen. Mit dem Rechtsstaatsprinzip ist es regelmäßig unvereinbar, wenn eine Strafanzeige zu zivilrechtlichen Nachteilen für den anzeigenden Arbeitnehmer führen würde, es sei denn, er hat wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben gemacht. Es kommt maßgeblich darauf an, ob die (Straf-)Anzeige des Arbeitnehmers nicht auf wissentlich unwahrem Vortrag beruht oder leichtfertig erfolgt, weil im Rahmen des Interessenausgleichs zwischen den Grundrechten der Vertragsparteien die Berufsfreiheit des Arbeitgebers sein Interesse schützt, nur mit solchen Arbeitnehmern zusammenzuarbeiten, die die Ziele des Unternehmens fördern und es vor Schäden bewahren (LAG Köln 05. Juli 2012 - 6 Sa 71/12 - Rn. 16 mwN, zitiert nach juris). Die (Straf-)Anzeige darf zudem nicht als unverhältnismäßige Reaktion des Arbeitnehmers zu qualifizieren sein (vgl. BAG vom 07. Dezember 2006 - 2 AZR 400/05 - Rn. 18, zitiert nach juris).

47

Liegt der wichtige Grund, der dem Arbeitgeber iSv. § 15 Absatz 1 KSchG, § 626 Absatz 1 BGB die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht, in einem Verhalten eines Betriebsratsmitglieds, muss dieses sich - zumindest auch - als Verletzung von Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen. Ist dem Betriebsratsmitglied ausschließlich eine Amtspflichtverletzung vorzuwerfen, ist nur ein Ausschlussverfahren nach § 23 Absatz 1 BetrVG möglich(vgl. BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 15 f.; zitiert nach juris).

48

b) Ausgehend hiervon liegt ein an sich zur fristlosen Kündigung geeigneter Grund vor, da der Kläger durch seine Angaben bei der Polizei am 28. Januar 2013 eine Anzeige gegen die Beklagte erhoben hat, die er wissentlich oder zumindest leichtfertig auf unwahre Tatsachen gestützt hat. Das Verhalten des Klägers stellt sich als Verletzung von Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis dar; ein Zusammenhang mit seiner als zutreffend unterstellten Tätigkeit als Ersatzmitglied des Betriebsrates lediglich am 05. Oktober 2012 ist nicht ersichtlich.

49

(1) Der Kläger hat ausweislich des Anzeigenvermerks der zuständigen Polizeikommissarin vom 28. Januar 2013 erhebliche Sicherheitsmängel bei der Beklagten behauptet, indem er angegeben hat, im Betrieb der Beklagten seien Notausgänge mit Metallplatten verschraubt und sämtliche Feuerschutzgeräte durch Regale versperrt. Auch wenn der Kläger - wie im Berufungsverfahren vorgebracht - ein Anzeigendokument nicht unterschrieben haben mag, hat er nicht in Abrede gestellt, diese Äußerungen tatsächlich getätigt zu haben.

50

(2) Die Angaben des Klägers, die geeignet waren, die Beklagte erheblich in Misskredit zu bringen, entsprachen nicht den Tatsachen. Dies ergibt sich bereits aus dem Schreiben des Rechts- und Ordnungsamtes vom 05. März 2013, in dem dem Kläger mitgeteilt wurde, dass seine Vorhaltungen aus im Einzelnen dargestellten Gründen haltlos seien. Die Einlassungen des Klägers in der Berufung gebieten keine andere Betrachtung. Es kann dahinstehen, ob im Lager der Beklagten - allein dies lässt sich den vom Kläger zur Akte gereichten Fotos (Bl. 99 ff. d. A.) entnehmen - verschiedentlich Notausgänge durch Rollwagen zugestellt waren. Wie bereits vom Arbeitsgericht zutreffend festgehalten, hat der Kläger diese Missstände nicht zum Gegenstand seiner Anzeige gemacht, sondern den überaus schwerwiegenderen Vorwurf erhoben, Notausgangstüren seien zugeschweißt gewesen. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren gerügt hat, die Abläufe während der von der Beklagten angeführten Umbaumaßnahmen an Notausgangstüren hätten einer weiteren Sachverhaltsaufklärung bedurft, da davon ausgegangen werden müsse, dass erst die Kommunikation zwischen Behörde und Beklagter zur Beseitigung der Sicherheitsmängel geführt habe, vermochte die Berufungskammer dem nicht zu folgen. Entgegen der vom Kläger im Berufungsverfahren vertretenen Auffassung hat das Arbeitsgericht die dem Kläger obliegende (sekundäre) Behauptungslast nicht verkannt. Der Arbeitgeber trägt zwar im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast auch dafür, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die das Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt oder entschuldigt erscheinen lassen; der Umfang der ihm obliegenden Darlegungslast ist allerdings davon abhängig, wie sich der Arbeitnehmer auf einen bestimmten Vortrag einlässt (vgl. BAG 03. November 2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 23 mwN, zitiert nach juris). Vorliegend hat der Kläger entgegen der Behauptung der Beklagten, zu keinem Zeitpunkt seien Notausgangstüren durch Metallplatten verschweißt und Feuerlöscher durch Regale versperrt gewesen und trotz der unstreitigen Mitteilungen des Rechts- und Ordnungsamtes vom 05. März 2013 zu fehlenden Missständen keinerlei konkreten Vortrag dazu gehalten, dass und wann er die bei der Polizei behaupteten Zustände persönlich wahrgenommen oder durch andere Mitarbeiter hiervon erfahren haben will und dass sich die Situation erst nach seiner Anzeige geändert hat. Soweit er im Berufungsverfahren behauptet hat, die Zeugen W und L könnten bezeugen, dass die „alten“ Notausgangstüren verschlossen gewesen seien, bevor „neue“ eingerichtet gewesen seien, fehlt es auch diesem Vortrag an jeglicher konkreten zeitlichen Zuordnung. Vor diesem Hintergrund war die Beklagte zu weiteren Darlegungen zum Ablauf der Umbaumaßnahmen nicht verpflichtet. Mangels substantiierter Einlassung des Klägers galt ihr Vortrag unter Berücksichtigung der unstreitigen Tatsachen als zugestanden (§ 138 Abs. 2, 3 ZPO). Der Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung bedurfte es entgegen der Auffassung des Klägers nicht.

51

(3) Die Anzeige vom 28. Januar 2013 wurde vom Kläger wissentlich oder zumindest leichtfertig auf falschen Tatsachenangaben gestützt. Es lässt sich dem Tatsachenvortrag des Klägers schon nicht entnehmen, dass er zu irgendeinem benannten Zeitpunkt die von ihm bei der Polizei beanstandeten Zustände - verschweißte Notausgangstüren und durch Regale versperrte Feuerlöscher - persönlich wahrgenommen hat oder ihm diese Zustände von Kollegen mitgeteilt worden sind. Erst recht lässt sich nicht erkennen, warum der bereits seit 18. Dezember 2012 arbeitsunfähig erkrankte und damit nicht im Betrieb tätige Kläger noch am 28. Januar 2013 vom Vorliegen solcher Zustände hätte ausgehen dürfen. Aus welchen Gründen der Kläger vor diesem Hintergrund seine durchgehende Abwesenheit wegen Erkrankung zu seiner Entlastung bzw. Abschwächung seiner sekundären Darlegungslast berücksichtigt sehen will, erschloss sich der Berufungskammer nicht. Auch die vom Kläger zuletzt benannten Zeugen W und L haben ihn nach seinem eigenen Vortrag erst nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils und damit weit nach Erstattung der Anzeige Ende Januar 2013 informiert. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass er keine wissentlich falschen Angaben machen wollte, hätte er die Anschuldigungen damit zumindest leichtfertig erhoben.

52

1.2. Das Arbeitsgericht ist mit umfassender Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass in gebotener Abwägung der beiderseitigen Interessen das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Klägers am Fortbestand seines Beschäftigungsverhältnisses überwiegt. Die vom Kläger in der Berufung erhobenen Einwände tragen demgegenüber nicht. Die Berufungskammer vermag die Auffassung des Klägers nicht zu teilen, das Arbeitsgericht habe bei der Unterstellung einer Schädigungsabsicht verkannt, dass die Kommunikation zwischen den Parteien zum Zeitpunkt der Anzeigenerstattung wegen des jedenfalls nach den Abmahnungen bestehenden Spannungsverhältnisses vergiftet gewesen sei. Selbst wenn der Kläger sich durch die von ihm als „Bagatellabmahnungen“ bezeichneten Abmahnungen, die Gegenstand des Rechtsstreits waren, und - wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer zu Tage getreten - auch durch die Einschaltung des medizinischen Dienstes der Krankenkassen zur Überprüfung seiner Arbeitsunfähigkeit durch die Beklagte möglicherweise systematisch benachteiligt gesehen haben mag, berechtigte ihn dies nicht, in einer Art Gegenschlag eine den Ruf der Beklagten gefährdende Anzeige bei der Polizei zu erheben, die auf unwahren Tatsachen zu erheblichen Sicherheitsmängeln im Betrieb beruht. Soweit der Kläger zu seiner Rechtfertigung angeführt hat, sich nach erfolglosen Versuchen innerbetrieblicher Klärung nicht mehr anders zu helfen gewusst zu haben, vermochte die Berufungskammer dem nicht zu folgen. Selbst wenn man als zutreffend unterstellt, dass der Kläger das Problem zugestellter Notausgänge - wie allein aus dem Schreiben des Geschäftsführers der Beklagten vom 23. Juli 2012 ersichtlich - ergebnislos gerügt hatte, hätte er diese Thematik, sofern er sich persönlich zu einer weiteren Auseinandersetzung mit der Beklagten außerstande sah, durch Einschaltung Dritter - beispielsweise den vom Arbeitsgericht angeführten Betriebsrat, dem der Kläger als Ersatzmitglied angehörte - klären können. Gleiches gilt im Übrigen für eventuelle geringfügige Restverschmutzungen an Verstrebungen eines Hochregals durch Mayonnaise aus einem vor Monaten herabgefallenen Eimer. Dass der Kläger stattdessen bei der Polizei eine Anzeige erstattet hat, in der er wissentlich oder zumindest leichtfertig zu Unrecht behauptet, bei der Beklagten seien Notausgänge mit Metallplatten verschweißt und Feuerlöscher versperrt, stellt sich als unverhältnismäßige und überzogene Reaktion dar und spricht für seine Absicht, die Beklagte zu schädigen. Angesichts dieses Verhaltens des bis zuletzt nicht einsichtigen Klägers, für das (etwa personenbedingte) Entschuldigungsgründe nicht dargetan wurden, war von der Beklagten ein weniger einschneidendes Mittel, auch nur der Ausspruch einer Abmahnung, nicht zu verlangen. Der Kläger hat die Beklagte jedenfalls leichtfertig beschuldigt und das Vertrauensverhältnis in einer Weise belastet, dass der Beklagten eine Weiterbeschäftigung nicht mehr zumutbar war. Die Interessenabwägung fiel, auch unter Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit und des Lebensalters des keiner Person zum Unterhalt verpflichteten Klägers zu dessen Lasten aus.

53

2. Infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung vom 15. März 2013 mit sofortiger Wirkung blieb auch der vom Kläger gegen die hilfsweise von der Beklagten ausgesprochene ordentliche Kündigung gerichteten Klage der Erfolg versagt. Auch ein Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung besteht demgemäß nicht.

54

3. Dem Kläger steht nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch dann kein Anspruch auf Entfernung der streitigen Abmahnungen zu, wenn diese zu Unrecht erteilt worden sein sollten. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer regelmäßig keinen Anspruch mehr auf Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte. Ein solcher Anspruch kann dann gegeben sein, wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Abmahnung dem Arbeitnehmer auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden kann. Dafür ist der Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig (vgl. BAG 14. September 1994 - 5 AZR 632/93 - Rn. 23; LAG München 08. Juli 2009 - 11 SA 54/09 - Rn. 49, jeweils zitiert nach juris). Anhaltspunkte dafür, dass die Abmahnungen ihm auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch schaden könnten, hat der Kläger nicht vorgetragen.

B.

55

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

56

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund


(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unte

Zivilprozessordnung - ZPO | § 138 Erklärungspflicht über Tatsachen; Wahrheitspflicht


(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. (2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. (3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestrit

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 102 Mitbestimmung bei Kündigungen


(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. (2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kün

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 15 Unzulässigkeit der Kündigung


(1) Die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung, einer Bordvertretung oder eines Seebetriebsrats ist unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Gr

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 7 Wirksamwerden der Kündigung


Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 23 Verletzung gesetzlicher Pflichten


(1) Mindestens ein Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer, der Arbeitgeber oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft können beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat oder die Auflösung des Betriebsrats wegen grober

Verordnung über Arbeitsstätten


Arbeitsstättenverordnung - ArbStättV

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 60 Verkündung des Urteils


(1) Zur Verkündung des Urteils kann ein besonderer Termin nur bestimmt werden, wenn die sofortige Verkündung in dem Termin, auf Grund dessen es erlassen wird, aus besonderen Gründen nicht möglich ist, insbesondere weil die Beratung nicht mehr am Tag

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 03. Nov. 2011 - 2 AZR 748/10

bei uns veröffentlicht am 03.11.2011

Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. November 2010 - 7 Sa 1052/09 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08

bei uns veröffentlicht am 12.05.2010

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Teilurteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. April 2007 - 4 Sa 851/06 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 02. Apr. 2009 - 10 Sa 691/08

bei uns veröffentlicht am 02.04.2009

Tenor 1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 18.09.2008, Az.: 2 Ca 441/08, teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst: Unter Abweisung der Klage im Übrigen

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Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

(1) Zur Verkündung des Urteils kann ein besonderer Termin nur bestimmt werden, wenn die sofortige Verkündung in dem Termin, auf Grund dessen es erlassen wird, aus besonderen Gründen nicht möglich ist, insbesondere weil die Beratung nicht mehr am Tag der Verhandlung stattfinden kann. Der Verkündungstermin wird nur dann über drei Wochen hinaus angesetzt, wenn wichtige Gründe, insbesondere der Umfang oder die Schwierigkeit der Sache, dies erfordern. Dies gilt auch dann, wenn ein Urteil nach Lage der Akten erlassen wird.

(2) Bei Verkündung des Urteils ist der wesentliche Inhalt der Entscheidungsgründe mitzuteilen. Dies gilt nicht, wenn beide Parteien abwesend sind; in diesem Fall genügt die Bezugnahme auf die unterschriebene Urteilsformel.

(3) Die Wirksamkeit der Verkündung ist von der Anwesenheit der ehrenamtlichen Richter nicht abhängig. Wird ein von der Kammer gefälltes Urteil ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter verkündet, so ist die Urteilsformel vorher von dem Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Richtern zu unterschreiben.

(4) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist vom Vorsitzenden zu unterschreiben. Wird das Urteil nicht in dem Termin verkündet, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, so muß es bei der Verkündung in vollständiger Form abgefaßt sein. Ein Urteil, das in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, verkündet wird, ist vor Ablauf von drei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln; kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser Frist das von dem Vorsitzenden unterschriebene Urteil ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe der Geschäftsstelle zu übermitteln. In diesem Fall sind Tatbestand und Entscheidungsgründe alsbald nachträglich anzufertigen, von dem Vorsitzenden besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung, einer Bordvertretung oder eines Seebetriebsrats ist unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Nach Beendigung der Amtszeit ist die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung oder eines Seebetriebsrats innerhalb eines Jahres, die Kündigung eines Mitglieds einer Bordvertretung innerhalb von sechs Monaten, jeweils vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit an gerechnet, unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht.

(2) Die Kündigung eines Mitglieds einer Personalvertretung, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung oder einer Jugendvertretung ist unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Nach Beendigung der Amtszeit der in Satz 1 genannten Personen ist ihre Kündigung innerhalb eines Jahres, vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit an gerechnet, unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht.

(3) Die Kündigung eines Mitglieds eines Wahlvorstands ist vom Zeitpunkt seiner Bestellung an, die Kündigung eines Wahlbewerbers vom Zeitpunkt der Aufstellung des Wahlvorschlags an, jeweils bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes oder nach dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Innerhalb von sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses ist die Kündigung unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht für Mitglieder des Wahlvorstands, wenn dieser durch gerichtliche Entscheidung durch einen anderen Wahlvorstand ersetzt worden ist.

(3a) Die Kündigung eines Arbeitnehmers, der zu einer Betriebs-, Wahl- oder Bordversammlung nach § 17 Abs. 3, § 17a Nr. 3 Satz 2, § 115 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes einlädt oder die Bestellung eines Wahlvorstands nach § 16 Abs. 2 Satz 1, § 17 Abs. 4, § 17a Nr. 4, § 63 Abs. 3, § 115 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 oder § 116 Abs. 2 Nr. 7 Satz 5 des Betriebsverfassungsgesetzes beantragt, ist vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; der Kündigungsschutz gilt für die ersten sechs in der Einladung oder die ersten drei in der Antragstellung aufgeführten Arbeitnehmer. Wird ein Betriebsrat, eine Jugend- und Auszubildendenvertretung, eine Bordvertretung oder ein Seebetriebsrat nicht gewählt, besteht der Kündigungsschutz nach Satz 1 vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an drei Monate.

(3b) Die Kündigung eines Arbeitnehmers, der Vorbereitungshandlungen zur Errichtung eines Betriebsrats oder einer Bordvertretung unternimmt und eine öffentlich beglaubigte Erklärung mit dem Inhalt abgegeben hat, dass er die Absicht hat, einen Betriebsrat oder eine Bordvertretung zu errichten, ist unzulässig, soweit sie aus Gründen erfolgt, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Der Kündigungsschutz gilt von der Abgabe der Erklärung nach Satz 1 bis zum Zeitpunkt der Einladung zu einer Betriebs-, Wahl- oder Bordversammlung nach § 17 Absatz 3, § 17a Nummer 3 Satz 2, § 115 Absatz 2 Nummer 8 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes, längstens jedoch für drei Monate.

(4) Wird der Betrieb stillgelegt, so ist die Kündigung der in den Absätzen 1 bis 3a genannten Personen frühestens zum Zeitpunkt der Stillegung zulässig, es sei denn, daß ihre Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt durch zwingende betriebliche Erfordernisse bedingt ist.

(5) Wird eine der in den Absätzen 1 bis 3a genannten Personen in einer Betriebsabteilung beschäftigt, die stillgelegt wird, so ist sie in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen. Ist dies aus betrieblichen Gründen nicht möglich, so findet auf ihre Kündigung die Vorschrift des Absatzes 4 über die Kündigung bei Stillegung des Betriebs sinngemäß Anwendung.

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 18.09.2008, Az.: 2 Ca 441/08, teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die zwei außerordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 18.08.2008 und vom 20.08.2008 aufgelöst worden ist.

2. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.

4. Von den erstinstanzlichen Kosten hat die Beklagte zu 60 % und die Klägerin 40 % zu tragen.

5. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte 75 % und die Klägerin zu 25 % zu tragen.

6. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das erstinstanzliche Verfahren auf € 7.000,00 und für das Berufungsverfahren auf € 5.600,00 festgesetzt.

7. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier außerordentlicher Kündigungen der Beklagten vom 18.08.2008 und vom 20.08.2008, die tatsächliche Beschäftigung der Klägerin sowie zweitinstanzlich auch über einen Auflösungsantrag der Beklagten.

2

Die am … 1950 geborene Klägerin ist verheiratet und Mutter von zwei volljährigen Kindern. Sie ist seit dem 01.04.1984 im Kindergarten der beklagten Kirchengemeinde als Erzieherin zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt ca. € 1.400,00 beschäftigt. Seit Juni 2008 ist ein GdB von 30 festgestellt worden. Die wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin beträgt seit Dienstbeginn 20 Stunden. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der BAT (jetzt: TVöD) im Bereich der Evangelischen Kirche der Pfalz Anwendung. Nach dem Tarifvertrag ist die Klägerin ordentlich unkündbar. Die beklagte Kirchengemeinde beschäftigt elf Arbeitnehmer, darunter drei in Vollzeit. Die Beklagte gehört dem Protestantischen Dekanat A-Stadt an. Die Arbeitnehmer des Dekanats, dem elf Pfarrämter und fünf Kindertagesstätten zugeordnet sind, haben eine gemeinsame Mitarbeitervertretung gewählt.

3

Im Frühjahr 2006 hat die Klägerin einen Rentenantrag gestellt. Nach Ablehnung ihres Antrags und erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens führte sie vor dem Sozialgericht Speyer (Az.: S 11 R 256/07) einen Rechtsstreit auf Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente. Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen, das Landessozialgericht hat Anfang des Jahres 2009 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin hatte seit 2002 erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten. Zuletzt war sie in der Zeit vom 02.01.2007 bis zum 03.03.2008 ununterbrochen arbeitsunfähig krankgeschrieben.

4

Mit Schreiben vom 19.02.2008 (Bl. 15 d. Akte 2 Ca 1160/08) wandten sich der Pfarrer, der stellvertretende Vorsitzende des Presbyteriums und die Leiterin des Kindergartens der Beklagten an den Vorsitzenden der 11. Kammer des Sozialgerichts Speyer und baten dringend um einen Gesprächstermin bzw. eine Anhörung. Das Schreiben hat - soweit vorliegend von Interesse - folgenden Wortlaut:

5

„Der Grund für unsere dringende Bitte ist, dass für uns als Träger und Leitung der Einrichtung die Krankheit von Frau C. eine von uns n i c h t mehr verantwortbare Gefährdung der Kinder bedeutet. Diese Verantwortung können und werden wir n i c h t mehr übernehmen.“

6

Am 05.03.2008 stellte sich die Klägerin auf Veranlassung der Beklagten beim Gesundheitsamt A-Stadt zur Begutachtung vor. Im amtsärztlichem Attest vom 05.03.2008 (Bl. 29 d. A.) wurde bescheinigt, dass die Klägerin

7

„ab sofort und auf Dauer dienstunfähig“ ist.

8

Wenige Tage später legte die Klägerin der Beklagten ein ärztliches Attest der Orthopäden Dres. F./ G. vom 10.03.2008 (Bl. 20 d. A.) mit folgendem Wortlaut vor:

9

„C. … ist aus gesundheitlicher Sicht ab sofort bis auf Weiteres in der Lage, die Tätigkeit in Ihrem Beruf als Erzieherin für die Dauer von 2 h täglich aufzunehmen.“

10

Mit Schreiben vom 13.03.2008 (Bl. 30 d. A.) teilte die Amtsärztin des Gesundheitsamtes der Beklagten mit, dass sie in einem Telefongespräch mit dem behandelnden Orthopäden Dr. G. die differenzierte Einschätzung bezüglich der Arbeitsfähigkeit der Klägerin habe klären können. Herr Dr. G. teile ihre Beurteilung uneingeschränkt. Laut orthopädischem Reha-Entlassungsbericht mit Entlassungsdatum vom 13.11.2007 sei die Klägerin

11

„für ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Erzieherin nicht mehr leistungsfähig“.

12

Mit Schreiben vom 23.03.2008 (Bl. 7-8 d. Akte 2 Ca 1160/08) erstattete der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin bei der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern eine Strafanzeige gegen den Pfarrer, den stellvertretenden Vorsitzenden des Presbyteriums und die Leiterin des Kindergartens aus allen rechtlichen Gesichtspunkten wegen des Verdachts der üblen Nachrede (§ 186 Abs. 1 StGB). Als Grund führte er die unaufgeforderte Stellungnahme der drei Personen gegenüber dem Sozialgericht Speyer vom 19.02.2008 an. Er führte u.a. aus:

13

„Die Äußerung der Beschuldigten entbehrt jedenfalls jeglicher Tatsachengrundlage und ist geeignet, den Kredit meiner Mandantin zu gefährden“.

14

Mit Klageschrift vom 02.04.2008 beantragte die Klägerin - soweit vorliegend von Interesse - zunächst,

15

die Beklagte zu verurteilen, sie … im H.-Kindergarten in C-Stadt für einen Zeitraum von zwei Stunden pro Werktag als Erzieherin zu den üblichen Arbeitszeiten zu beschäftigten.

16

Mit Schriftsatz vom 21.04.2008 änderte sie ihren Klageantrag und verlangt nunmehr,

17

die Beklagte zu verurteilen, sie … im H.-Kindergarten in C-Stadt zu unveränderten Bedingungen [= 20 Wochenstunden] als Erzieherin zu den üblichen Arbeitszeiten zu beschäftigten.

18

Als Anlage zu diesem Schriftsatz legte sie ein fachorthopädisches Gutachten des Dr. med. I. vom 25.02.2008 (Bl. 36 ff. d. A.) vor, das im Auftrag des Sozialgerichts Speyer erstattet worden ist. Das Gutachten hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:

19

„orthopädische Anamnese:

20

2002

OP eines Impingement-Syndroms rechte Schulter

2003

OP eines Carpaltunnelsyndroms links mit Rezidiv-Operation

2003

Arthroskopie linkes Kniegelenk mit Meniskusteilresektion und Gelenktoilette

2004

OP eines Carpaltunnelsyndromrezidivs links

2005

Arthroskopie rechtes Kniegelenk mit Gelenktoilette

2005

OP eines Hallux valgus rechts

2006

Bandscheibenprolapsoperation C 5/6 mit Prothesenimplantation

2007

Spondylodese L 5/ S1

21

22

[Seite 26 des Gutachtens] In zusammenfassender Würdigung dieser Befunde ist die Untersuchte nur noch in der Lage, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Erzieherin im Kindergarten 3 bis unter 6-stündig auszuüben, …

23

24

[Seite 30 des Gutachtens] Aufgrund der eingeschränkten Belastbarkeit der Hals- und Lendenwirbelsäule, insbesondere für Arbeiten mit häufigem Bücken, Arbeiten in Hock- und Knieposition sowie Benutzung von kind- und behindertengerechtem Mobiliar sowie des Hebens und Tragens von kleinen Kindern, ist die Untersuchte aufgrund ihrer Minderbelastbarkeit von Seiten der Halswirbelsäule und der Lendenwirbelsäule nicht mehr in der Lage, die Tätigkeit einer Erzieherin vollschichtig (mindestens 6 Stunden pro Tag) auszuüben.“

25

Das Arbeitsgericht hat mit Beweisbeschluss vom 24.04.2008 (Bl. 89 d. A.) Beweis darüber erhoben, ob die Klägerin im März 2008 noch arbeitsfähig war oder ab dem 10.03.2008 - gemäß Attest vom 10.03.2008 - nur noch für zwei Stunden täglich arbeitsfähig gewesen ist, durch Einholung schriftlicher Zeugenaussagen der Orthopäden Dr. F. und Dr. G..

26

Dr. F. antwortete mit Schreiben vom 05.05.2008 (Bl. 91 d. A.)

27

„Am 10.03.2008 stellte ich der Klägerin … ein Attest aus. Der Inhalt des Attests lautete:

C. … ist aus gesundheitlicher Sicht ab sofort bis auf Weiteres in der Lage, die Tätigkeit in ihrem Beruf als Erzieherin für die Dauer von 2 Stunden aufzunehmen.

An dieser Feststellung hat sich bis zum heutigen Tag aus meiner Sicht nichts geändert.“

28

Dr. G. nahm mit Schreiben vom 08.05.2008 (Bl. 92 d. A.) wie folgt Stellung:

29

„An Hand der Patientendokumentation schließe ich mich dem Kollegen in seiner Stellungnahme vom 05.05.2008 an. Meines Erachtens ist Frau C. ab 10.03.2008 in der Lage, Tätigkeiten in ihrem Beruf als Erzieherin für die Dauer von zwei Stunden auszuüben.“

30

Mit Schriftsatz vom 13.07.2008 legte die Klägerin eine fachärztliche Bescheinigung der Klinik für Orthopädie des L.-Klinikums des M.-Landes vor, die am 04.07.2008 von Privatdozent Dr. E. J. ausgestellt worden ist. Die Bescheinigung lautet auszugsweise wie folgt:

31

„Für einen Zeitraum zwischen 3 bis 6 Stunden kann die Patientin eine körperlich leichte Tätigkeit ausüben, ausgeschlossen müssen lediglich das Heben und Tragen von Lasten von über 20 kg sowie das Einnehmen von wirbelsäulenbelastenden Zwangshaltungsmustern, wie ständiges Bücken, Knien, Winden oder Überstrecken.“

32

Mit Verfügung vom 01.08.2008 stellte die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern das Ermittlungsverfahren gegen die drei Personen, die die Klägerin am 23.03.2008 angezeigt hatte, gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Die Einstellungsverfügung ging am 11.08.2008 bei der Beklagten ein.

33

Die Beklagte hörte daraufhin mit Schreiben vom 12.08.2008 (Bl. 325-326 d. A.) und Korrekturschreiben vom 15.08.2008 (Bl. 327 d. A.) die Mitarbeitervertretung zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist von sieben Monaten zum 31.03.2009 an. Zur Begründung stützte sie sich auf die Erstattung einer leichtfertigen und unbegründeten Strafanzeige, wie sich durch die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft herausgestellt habe. Die Mitarbeitervertretung antwortete mit Schreiben vom 18.08.2008 (Bl. 328 d. A.) - auszugsweise - wie folgt:

34

„Nach unserem Kenntnisstand ist Frau C. ordentlich nicht kündbar, was Sie durch Ihr korrigierendes Schreiben vom 15.08. auch feststellen.

        

Aus den weiter genannten Gründen und vor allem zum Schutz der Einrichtung sowie ihrer Mitarbeiterinnen empfehlen wir, eine außerordentliche Kündigung mit deutlich kürzerer Kündigungsfrist bzw. eine fristlose Kündigung in Betracht zu ziehen!“.

35

Die Beklagte kündigte daraufhin mit zwei Schreiben vom 18.08.2008 und vom 20.08.2008 das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlich mit sofortiger Wirkung. Die erste Kündigung erklärte sie vertreten durch den stellvertretenden Vorsitzenden des Presbyteriums, die zweite Kündigung vertreten durch den Pfarrer. Gegen diese Kündigungen erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage.

36

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

37

1. die Beklagte zu verurteilen, bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu € 25.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, sie im H.-Kindergarten in C-Stadt zu unveränderten Bedingungen als Erzieherin zu den üblichen Arbeitszeiten zu beschäftigen,

38

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Monat März 2008 € 1.400,00 brutto zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.04.2008,

39

3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 18.08.2008 aufgelöst worden ist,

40

4. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 20.08.2008 aufgelöst worden ist.

41

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

42

die Klage abzuweisen.

43

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 18.09.2008 der Kündigungsschutzklage gegen beide Kündigungen stattgegeben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin zu unveränderten Bedingungen als Erzieherin weiter zu beschäftigen. Die Zahlungsklage für März 2008 hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Zur Begründung der Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, es könne dahinstehen, ob ein wichtiger Grund für die außerordentlichen Kündigungen vom 18.08.2008 und vom 20.08.2008 vorliege, denn die Beklagte habe die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Die Beklagte habe zeitnah von der Strafanzeige, die bereits im März 2008 erstattet worden sei, Kenntnis erlangt. Die Beklagte habe die Kündigung nicht von der Reaktion der Staatsanwaltschaft abhängig machen dürfen, denn Kündigungsgrund sei allein die Erstattung der Strafanzeige, unabhängig davon, ob diese begründet gewesen sei oder nicht. Als Betroffener könne der Arbeitgeber selbst beurteilen, ob die Strafanzeige aus niederen Motiven heraus oder leichtfertig erstattet worden sei. Jedenfalls habe es keiner weiteren Sachaufklärung bedurft.

44

Die Klägerin habe einen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung. Nach Ausspruch der fristlosen Kündigung komme jedoch nur noch ein Weiterbeschäftigungsanspruch in Betracht. Dieser sei gegeben, weil der Kündigungsschutzklage stattzugeben sei. Die Klägerin sei gesundheitlich in der Lage, als Erzieherin 20 Wochenstunden zu arbeiten. Nach dem fachorthopädischen Gutachten des Dr. med. I. vom 25.02.2008 sei die Klägerin nicht mehr in der Lage, 6 Stunden und mehr am Tag zu arbeiten. Der Beklagten müsse es aber aufgrund ihres Direktionsrechts möglich sein, die Arbeitszeit so zu gestalten, dass die Klägerin täglich nicht mehr als 4 Stunden arbeiten müsse. Auch der Direktor des L.-Klinikums des M.-Landes gehe in seiner Bescheinigung vom 04.07.2008 davon aus, dass die Klägerin zwischen 3 und 6 Stunden täglich eine körperlich leichte Tätigkeit ausüben könne. Sie solle lediglich das Heben und Tragen von Lasten über 20 kg vermeiden. Diesem Ergebnis stünden die schriftlichen Zeugenaussagen des Dr. F. vom 05.05.2008 und des Dr. G. vom 08.05.2008 nicht entgegen, die in ihren schriftlichen Aussagen lediglich den Inhalt des bereits erteilten Attestes vom 10.03.2008 bestätigt hätten. Zwar seien ihre Aussagen wohl dahin auszulegen, dass sie Klägerin nicht mehr als 2 Stunden täglich leisten könne. Mit diesen Aussagen hätten die Ärzte der Klägerin jedoch ersichtlich im sozialgerichtlichen Verfahren zur Durchsetzung ihrer Erwerbsunfähigkeitsrente helfen wollen. Sie seien deshalb nur von geringem Beweiswert. Die Kammer folge deshalb dem Gutachten des Dr. I. vom 25.05.2008 und sehe von einer weiteren Begutachtung ab.

45

Die Beklagte, der das Urteil am 24.10.2008 zugestellt worden ist, hat am 20.11.2008 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese innerhalb der bis zum 26.01.2009 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit am 23.01.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

46

Sie ist der Ansicht, es habe unzweifelhaft ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vorgelegen. Erst nach Zugang der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft am 11.08.2008 habe festgestanden, dass die Strafanzeige leichtfertig erstattet worden sei. Sie sei zum Schutz der Klägerin vor ungerechtfertigten Kündigungen gehalten gewesen, zunächst die Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft abzuwarten. Das Arbeitsgericht habe sie zu Unrecht zur Weiterbeschäftigung der Klägerin verurteilt. Die Klägerin leide unter chronischen und nicht mehr verbesserbaren Erkrankungen an der Wirbelsäule. Das Arbeitsgericht habe die vorgelegten Gutachten und ärztlichen Atteste nicht ordnungsgemäß gewürdigt. Den hilfsweise gestellten Auflösungsantrag begründet die Beklagte damit, dass aufgrund des Verhaltens der Klägerin eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht mehr zu erwarten sei. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 23.01.2009 (Bl. 264-268 d. A.), vom 20.03.2009 (Bl. 321-324 d. A.) und vom 27.03.2009 (Bl. 341-342 d. A.) Bezug genommen.

47

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

48

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 18.09.2008, Az.: 2 Ca 441/08, abzuändern und die Klage abzuweisen,

49

2. das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin aufzulösen und eine angemessene Abfindung festzusetzen.

50

Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich,

51

1. die Berufung zurückzuweisen,

52

2. den Auflösungsantrag der Beklagten zurückzuweisen.

53

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und bestreitet zweitinstanzlich erstmals die ordnungsgemäße Beteiligung der Mitarbeitervertretung. Außerdem legt sie den Auszug eines weiteren Gutachtens des Facharztes für Orthopädie Prof. Dr. med. N. vom 23.12.2008 (Bl. 306-313 d. A.), das auf Wunsch der Beklagten eingeholt worden ist, vor. Das Gutachten hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

54

„Der Sachverständige stimmt mit der Auffassung von Herrn Dr. I. und Herrn Priv.-Doz. J. vollkommen überein. Zwar müssen von der Patientin gewisse Vorsichtsmaßnahmen eingehalten werden, wie das Vermeiden von ständigen Zwangshaltungen. Dies ist aber auch für jeden anderen Menschen, der berufstätig ist, empfehlenswert.

Darüber hinaus sollte die Patientin das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg vermeiden. Das bedeutet nicht, dass die Patientin solche Lasten nicht heben und tragen könnte, wenn dies notfallmäßig der Fall sein sollte.

…       

Sie ist nach Auffassung des Sachverständigen sehr wohl in der Lage, täglich bis zu sechs Stunden zu arbeiten. Sie kann ohne Probleme 20 Stunden in der Woche berufstätig sein.“

55

Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 02.02.2009 (Bl. 303-305 d. A.) und vom 29.03.2009 (Bl. 358-360 d. A.) Bezug genommen.

56

Außerdem wird Bezug genommen auf die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift vom 02.04.2009 (Bl. 361-365 d. A.) und den Inhalt der zur Information des Gerichts beigezogenen Akten 2 Ca 1705/08 und 2 Ca 158/09 (ArbG Kaiserslautern).

57

Ausweislich der beigezogenen Akten hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28.11.2008 erneut fristlos mit sofortiger Wirkung gekündigt. Diese Kündigung begründet sie damit, dass sich die Klägerin trotz Abmahnung geweigert habe, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Außerdem habe sie nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils vom 18.09.2008 Zwangsgeld- und Zwangshaftanträge stellen lassen. Mit Schreiben vom 26.01.2009 hat die Beklagte eine vierte fristlose Kündigung mit sofortiger Wirkung erklärt und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe am 05.01.2009 entgegen einer ausdrücklichen Anweisung den Kindergarten betreten und sich in eine Kindergartengruppe begeben.

58

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat in diesen Kündigungsschutzverfahren, die es miteinander verbunden hat, ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 05.03.2009 im Rechtsstreit 2 Ca 1705/08 ein Urteil verkündet und - unter dem Vorbehalt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die (hier streitgegenständlichen) fristlosen Kündigungen vom 18.08.2008 und vom 20.08.2008 aufgelöst worden ist - festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlosen Kündigungen der Beklagten vom 28.11.2008 und vom 26.01.2009 aufgelöst worden ist. Darüber hinaus hat das Arbeitsgericht auf Antrag der Beklagten das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung von € 20.000,00 zum 01.12.2008 aufgelöst. Das Urteil ist noch nicht abgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.

59

Die nach § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit zulässig.

II.

60

In der Sache hat die Berufung der Beklagten teilweise Erfolg. Die Beklagte ist derzeit nicht verpflichtet, die Klägerin als Erzieherin in ihrem Kindergarten zu beschäftigen, weil das Arbeitsgericht mit am 05.03.2009 verkündeten Urteil - wenn auch nicht rechtskräftig - das Arbeitsverhältnis zum 01.12.2008 gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst hat. Zur Beschäftigung für einen zurückliegenden Zeitraum kann die Beklagte nicht verurteilt werden. Die fristlosen Kündigungen der Beklagten vom 18.08.2008 und vom 20.08.2008 sind rechtsunwirksam. Der zweitinstanzliche Auflösungsantrag der Beklagten ist unzulässig.

61

1. Die Leistungsklage der Klägerin auf tatsächliche Beschäftigung ist unbegründet.

62

Es kann dahinstehen, ob die Beklagte in der Vergangenheit seit dem 10.03.2008 verpflichtet gewesen ist, die Klägerin als Erzieherin in ihrem Kindergarten zu beschäftigen. Es bedarf deshalb keines Eingehens auf die Frage, ob die Klägerin gesundheitlich in der Lage war, die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit zu verrichten. Ein eventueller Beschäftigungsanspruch der Klägerin im Umfang von 20 Wochenstunden hat sich durch Zeitablauf in der Hauptsache erledigt. Zur Beschäftigung für einen zurückliegenden Zeitraum (bis zum 01.04.2009) kann die Beklagte nicht verurteilt werden. Der aufrechterhaltene Leistungsantrag zielt auf eine tatsächlich unmögliche Leistung, die zur Unbegründetheit der Klage führt.

63

Die Beklagte ist derzeit auch ab dem 02.04.2009 nicht verpflichtet, die Klägerin weiterzubeschäftigen.

64

Der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts hat durch Beschluss vom 27.02.1985 (GS 1/84 = EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9) entschieden, der gekündigte Arbeitnehmer habe auch außerhalb der Regelungen der §§ 102 Abs. 5 BetrVG, 79 Abs. 2 BPersVG einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist oder bei einer fristlosen Kündigung über deren Zugang hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Kündigungsprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen. Der Große Senat hat angeknüpft an die Rechtsprechung zum Beschäftigungsanspruch für den Zeitraum des unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnisses. Danach besteht während des Arbeitsverhältnisses ein Beschäftigungsanspruch, es sei denn, dass dem im Einzelfall überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Dementsprechend bedarf es zur Feststellung, ob im konkreten Fall ein Beschäftigungsanspruch besteht, einer Interessenabwägung. Der Große Senat hat angenommen, dieser Beschäftigungsanspruch könne nicht durch eine rechtsunwirksame Kündigung beseitigt werden. Allerdings könne die Ungewissheit über die objektive Rechtslage und das entsprechende beiderseitige Risiko des ungewissen Prozessausganges bei der Prüfung des Weiterbeschäftigungsanspruchs nicht außer Betracht gelassen werden. Die Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsprozesses begründe ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Kündigungsprozesses, das in der Regel das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers bis zu dem Zeitpunkt überwiege, in dem im Kündigungsprozess ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil ergehe. Solange ein solches Urteil bestehe, müssten zusätzliche Umstände hinzukommen, wenn sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung ergeben solle, wie dies auch für die Zeit des unangefochtenen Bestands des Arbeitsverhältnisses der Fall sei. Ausnahmsweise begründe die Ungewissheit über den Fortbestand des gekündigten Arbeitsvertrags vor Erlass eines die Unwirksamkeit der Kündigung feststellenden Urteils dann kein überwiegendes schutzwertes Interesse des Arbeitgebers, wenn die umstrittene Kündigung offensichtlich unwirksam ist, weil in einem solchen Falle objektiv gar keine Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bestehe. Wie der Große Senat hierbei noch einmal klargestellt hat, ist eine Kündigung nur dann offensichtlich unwirksam, wenn sich aus dem eigenen Vortrag des Arbeitgebers ohne Beweiserhebung und ohne dass ein Beurteilungsspielraum gegeben ist, jedem Kundigen die Unwirksamkeit der Kündigung geradezu aufdrängt.

65

Aus den Grundsätzen des Großen Senats im Beschluss vom 27.02.1985 (a.a.O.) folgt, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, die Klägerin jedenfalls in der Zeit seit Verkündung des erstinstanzlichen Urteils am 18.09.2008 zu den bisherigen Bedingungen weiterzubeschäftigen, denn durch dieses Urteil hat das Arbeitsgericht Kaiserslautern festgestellt, dass die ersten beiden außerordentlichen Kündigungen vom 18.08.2008 und vom 20.08.2008 rechtsunwirksam sind und die Beklagte deshalb zur Weiterbeschäftigung verurteilt. Diese Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils vom 18.09.2008 hat aber mit Zugang der dritten außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 28.11.2008 geendet.

66

Ob Folgekündigungen zur Beendigung des Weiterbeschäftigungsanspruchs führen, hängt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteil vom 19.12.1985 - 2 AZR 190/85 - NZA 1986, 566), der die Berufungskammer folgt, davon ab, ob sie der Grundwertung des Großen Senats entsprechend zu einer Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses führen, die derjenigen entspricht, die vor Verkündung des Urteils bestanden hat, das die Unwirksamkeit der ersten Kündigung festgestellt hat. Dementsprechend beendet eine weitere offensichtlich unwirksame Kündigung den Weiterbeschäftigungsanspruch schon deshalb nicht, weil sie eine Ungewissheit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht begründet.

67

Die dritte fristlose Kündigung der Beklagten vom 28.11.2008 war nicht offensichtlich unwirksam. Eine offensichtlich unwirksame Kündigung liegt nach den Ausführungen des Großen Senats (a.a.O.) nur dann vor, wenn sich schon aus dem eigenen Vortrag des Arbeitgebers ohne Beweiserhebung und ohne dass ein Beurteilungsspielraum gegeben wäre, jedem Kundigen die Unwirksamkeit der Kündigung geradezu aufdrängen muss. Die Beklagte hat vorliegend die dritte Kündigung mit einem neuen Lebenssachverhalt begründet, nämlich mit der Weigerung der Klägerin sich nach Abmahnung einer weiteren ärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Die Feststellung der Unwirksamkeit dieser dritten Kündigung setzt eine Wertung, d.h. tatrichterliche Einzelfallwürdigung, voraus. Die Weigerung, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, ist auch nicht, unabhängig von den besonderen Umständen des Streitfalles, von vornherein ungeeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Nach § 3 Abs. 4 TVöD (früher: § 7 Abs. 2 BAT) ist der Arbeitgeber bei begründeter Veranlassung berechtigt, seine Beschäftigten zu verpflichten, durch ärztliche Bescheinigung nachzuweisen, dass sie zur Leistung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Lage sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann die Weigerung, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, je nach den Umständen des Einzelfalles einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen (vgl. BAG Urteil vom 06.11.1997 - 2 AZR 801/96 - NZA 1998, 326). Damit kann nicht davon ausgegangen werden, die dritte fristlose Kündigung der Beklagten vom 28.11.2008 sei offensichtlich unwirksam. Damit überwog vom Zugang der dritten Kündigung an bis zur arbeitsgerichtlichen Entscheidung über diese Kündigung am 05.03.2009 in dem erstinstanzlichen Kündigungsschutzverfahren 2 Ca 1705/08 das Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung der Klägerin, so dass sie jedenfalls in der Zeit vom 28.11.2008 bis zum 05.03.2009 keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung hatte.

68

Mit der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils vom 05.03.2009 (2 Ca 1705/08) durch das die Folgekündigungen der Beklagten vom 28.11.2008 und vom 26.01.2009 für unwirksam erklärt worden sind, hat sich die Interessenlage ausnahmsweise nicht wieder geändert. Zwar liegt ein die Unwirksamkeit der dritten und vierten Kündigung feststellendes Urteil vor, jedoch hat das Arbeitsgericht gleichzeitig das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zum 01.12.2008 gegen Zahlung einer Abfindung von € 20.000,00 aufgelöst. Daraus ergibt sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse der Beklagten, die Klägerin nicht weiterzubeschäftigen. Das Arbeitsgericht hat angenommen, dass Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht erwarten lassen und das Arbeitsverhältnis deshalb aufgelöst. Die Entscheidung der 2. Kammer des Arbeitsgerichts vom 05.03.2009 (2 Ca 1705/08) ist zwar nicht rechtskräftig, sie führt jedoch im Rahmen der Interessenabwägung zu einem schutzwerten Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung der Klägerin.

69

2. Die außerordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 18.08.2008 und vom 20.08.2008 haben das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB sind vorliegend nicht erfüllt. Allerdings liegt ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund insbesondere dann vor, wenn der Arbeitnehmer rechtswidrig und schuldhaft seine vertraglichen Pflichten erheblich verletzt.

70

2.1. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Berufungskammer folgt, kann die Erstattung einer Strafanzeige gegen den Arbeitgeber oder seine Repräsentanten eine kündigungsrelevante Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten und damit auch einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darstellen (BAG Urteil vom 07.12.2006 - 2 AZR 400/05 - NZA 2007, 502; BAG Urteil vom 03.07.2003 -2 AZR 235/02 - NZA 2004, 427, vgl. auch LAG Rheinland-Pfalz Urteil vom 20.12.2005 - 5 Sa 504/05, dokumentiert in Juris). Ausgehend von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 02.07.2001 (1 BvR 2049/00 - NZA 2001, 888) kann den arbeitsvertraglichen Nebenpflichten des Arbeitnehmers durch das Verfassungsrecht Grenzen gesetzt werden. Zeigt ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber "freiwillig" bei der Strafverfolgungsbehörde an, so kann die darin liegende Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte im Strafverfahren regelmäßig nicht zu einer Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten führen und eine deswegen erklärte Kündigung sozial rechtfertigen. Mit dem Rechtsstaatsprinzip ist es regelmäßig unvereinbar, wenn eine Strafanzeige zu zivilrechtlichen Nachteilen für den anzeigenden Arbeitnehmer führen würde, es sei denn, er hat wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben gemacht.

71

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist jedoch eine vertragswidrige Pflichtverletzung nicht ausnahmslos dann zu verneinen, wenn der Arbeitnehmer eine Anzeige, ohne wissentlich oder leichtfertig falsche Angaben zu machen, bei den Strafverfolgungsbehörden erstattet (vgl. BAG Urteil vom 03.07.2003, a.a.O.). Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung vom 02.07.2001 (a.a.O) einen solchen Rechtssatz nicht aufgestellt. Es hat lediglich für den "Regelfall" ausgeführt, auch bei einer "freiwilligen" Einschaltung der Staatsanwaltschaft durch den Arbeitnehmer dürfe sein Handeln aus rechtsstaatlichen Gründen nicht zu einem wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung führen. Wie schon die Formulierung "im Regelfall" zeigt, sind - auch - von Verfassungs wegen weitere Ausnahmefälle denkbar, in denen eine Kündigung auch dann möglich ist, wenn die vom Bundesverfassungsgericht selbst formulierte Einschränkung der wissentlich oder leichtfertig gemachten falschen Angaben nicht eingreift.

72

Dem Arbeitsvertrag sind zahlreiche Nebenpflichten immanent. Dazu gehört insbesondere die vertragliche Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB). Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, auf die geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen und sie im zumutbaren Umfang zu wahren. Die vertraglichen Rücksichtnahmepflichten sind dahin zu konkretisieren, dass sich die Strafanzeige des Arbeitnehmers nicht als eine unverhältnismäßige Reaktion auf ein Verhalten des Arbeitgebers oder seiner Repräsentanten darstellen darf. Dabei können als Indizien für eine unverhältnismäßige Reaktion des anzeigenden Arbeitnehmers sowohl die Berechtigung der Anzeige als auch die Motivation des Anzeigenden oder ein fehlender innerbetrieblicher Hinweis auf die angezeigten Missstände sprechen. Die Gründe, die den Arbeitnehmer dazu bewogen haben, die Anzeige zu erstatten, verdienen eine besondere Bedeutung. Erfolgt die Erstattung der Anzeige ausschließlich um den Arbeitgeber zu schädigen bzw. "fertig zu machen", kann - unter Berücksichtigung des der Anzeige zugrunde liegenden Vorwurfs - eine unverhältnismäßige Reaktion vorliegen. Durch ein derartiges pflichtwidriges Verhalten nimmt der Arbeitnehmer keine verfassungsrechtlichen Rechte wahr, sondern verhält sich - jedenfalls gegenüber seinem Arbeitgeber - rechtsmissbräuchlich (vgl. BAG Urteil vom 03.07.2003, a.a.O.).

73

2.2. In Anwendung dieses Maßstabs liegt unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalles kein fristloser Kündigungsgrund vor.

74

Die Klägerin hat den Pfarrer, den stellvertretenden Vorsitzenden des Presbyteriums und die Leiterin des Kindergartens am 23.03.2008 bei der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern wegen des Verdachts der üblen Nachrede angezeigt, weil diese drei Repräsentanten der Beklagten in einem Schreiben an das Sozialgericht Speyer vom 19.02.2008 den Vorsitzenden der 11. Kammer dringend um einen Gesprächstermin mit der Begründung gebeten hatten, bei einer Weiterbeschäftigung der Klägerin als Erzieherin im Kindergarten sei eine „nicht mehr verantwortbare Gefährdung der Kinder“ zu befürchten.

75

Der Wortlaut der Strafanzeige vom 23.03.2008 rechtfertigt nicht die Feststellung, die Klägerin habe gegenüber der Staatsanwaltschaft wissentlich oder leichtfertig falsche Angaben gemacht. Sie hat vielmehr den Wortlaut der Stellungnahme der drei Repräsentanten der Beklagten gegenüber dem Sozialgericht Speyer vom 19.02.2008 zutreffend zitiert.

76

Die Klägerin hat auch nicht aus anderen Gründen ihre vertraglichen Pflichten in einem kündigungsrechtlich relevanten Ausmaß verletzt. Die Erstattung der Strafanzeige stellt zwar eine unverhältnismäßige Reaktion der Klägerin auf das Verhalten der Repräsentanten der Beklagten dar. Die Gründe, die Klägerin dazu bewogen haben, die Strafanzeige zu erstatten, sind aus Sicht der Berufungskammer nicht nachvollziehbar. Jedenfalls war die Stellungnahme gegenüber dem Sozialgericht nicht geeignet, eine „Kreditgefährdung“ zu verursachen, wie die Klägerin in ihrer Strafanzeige ausgeführt hat. Eine negative öffentliche Publizität, der den Kredit der Klägerin hätte gefährden können, war durch einen an das Sozialgericht gerichteten Schriftsatz nicht zu befürchten.

77

Die Klägerin konnte auch in der mündlichen Berufungsverhandlung auf Befragen nichts vortragen, was das Einschalten der Strafverfolgungsbehörden verständlich erscheinen ließe. Die Klägerin wollte im März 2008 (zunächst) einen Anspruch auf Beschäftigung im Umfang von zwei Stunden arbeitstäglich durchsetzen. Unabhängig davon, dass sie keinen Anspruch auf Verringerung der geschuldeten Arbeitszeit von 20 auf 10 Wochenstunden hatte, weil der Grad ihrer Behinderung nicht wenigstens 50 betrug (§ 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX) und die Beklagte nicht mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt (§ 8 Abs. 7 TzBfG), war die Erstattung einer Strafanzeige ein völlig untaugliches Mittel zur Erreichung dieses Ziels.

78

Andererseits kann der Klägerin nicht unterstellt werden, sie habe die Strafanzeige ausschließlich deswegen erstattet, um die drei Repräsentanten der Beklagten zu schädigen bzw. um diese „fertig zu machen“. Sie hat die Stellungnahme der Repräsentanten der Beklagten gegenüber dem Sozialgericht als herabwürdigend empfunden und nicht erkannt, dass die Beklagte damit den Versuch unternehmen wollte, sie in ihrem Begehren zu unterstützen, von der gesetzlichen Rentenversicherung eine Rente wegen Erwerbsminderung zu erlangen. Der Klägerin ging es ersichtlich darum, nach einer langandauernden Arbeitsunfähigkeit wegen orthopädischer Erkrankungen wieder an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren, nachdem das sozialgerichtliche Verfahren nicht den gewünschten Verlauf genommen hat. Auf den (untauglichen) Versuch des Pfarrers, des stellvertretenden Vorsitzenden des Presbyteriums und der Kindergartenleiterin, ihr im sozialgerichtlichen Verfahren zu helfen, hat sie deutlich überzogen und unangemessen mit einer Strafanzeige reagiert. Andererseits kann nicht unbeachtet bleiben, dass die Beklagte noch nicht einmal ansatzweise versucht hat, mit der Klägerin, die nach langer Krankheit wieder als Erzieherin in den Kindergarten zurückkehren wollte, die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung - ggf. zu geänderten Bedingungen - zu klären, obwohl sie hierzu nach § 84 Abs. 2 SGB IX (betriebliches Eingliederungsmanagement) verpflichtet war. Unter diesen Umständen wiegt die Erstattung der Strafanzeige nicht so schwer, dass nach den Besonderheiten des Einzelfalles die außerordentliche Kündigung durch einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB gedeckt wäre.

79

2.3. Soweit man in dem Verhalten der Klägerin gleichwohl einen Grund sehen sollte, der an sich geeignet wäre, die außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, führt jedenfalls die gemäß § 626 Abs. 1 BGB stets vorzunehmende Interessenabwägung zum Verneinen einer Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB.

80

Für das Beendigungsinteresse der Beklagten spricht deren rechtlich geschütztes Interesse, nur mit solchen Arbeitnehmern zusammen zu arbeiten, die sie nicht mit unbegründeten Strafanzeigen überziehen. Dieses Interesse reicht jedoch letztlich nicht aus, um dem Beendigungsinteresse der Beklagten Vorrang einzuräumen. Hier sind Umstände gegeben, die eine soziale Schutzbedürftigkeit der Klägerin begründen. Mit Rücksicht auf die langjährige, nämlich seit dem 01.04.1984 bestehende Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter der am 05.10.1950 geborenen Klägerin erscheint die fristlose Kündigung nicht mehr billigenswert und angemessen im Sinne des einschlägigen Prüfungsmaßstabes der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Damit ist das Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 18.08.2008 und vom 20.08.2008 mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden.

81

2.4. Zwar können die zwei außerordentlichen fristlosen Kündigungen der Beklagten vorliegend in außerordentliche Kündigungen mit sozialer Auslauffrist (von sechs Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres) zum 31.03.2009 nach § 140 BGB umgedeutet werden. Eine Umdeutung der Kündigungen scheitert insbesondere nicht an der ordnungsgemäßen Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens (vgl. hierzu: BAG Urteil vom 08.06.2000 - 2 AZR 638/99 - NZA 2000, 1282), nachdem die Mitarbeitervertretung in ihrer Stellungnahme zur Kündigungsabsicht vom 18.08.2008 eine fristlose Kündigung ausdrücklich empfohlen hat.

82

In Abwägung der Interessen der Beklagten an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls mit einer sozialen Auslauffrist zum 31.03.2009 zu den Interessen der Klägerin an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Renteneintritt überwiegen die der Klägerin. Zu ihren Gunsten ist zu berücksichtigen, dass sie vor Ausspruch der Kündigung bereits 24 Jahre in den Diensten der Beklagten stand, ohne dass es in der Vergangenheit zu Beanstandungen gekommen ist. An ihren erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten seit 2002 trifft sie kein Verschulden. Die Chancen der jetzt 58-jährigen Klägerin auf dem Arbeitsmarkt sind praktisch aussichtslos. Die Kammer verkennt nicht, dass die Klägerin durch die Erstattung der Strafanzeige die Grundlage für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit zumindest empfindlich gestört hat. Andererseits darf nicht verkannt werden, dass die Repräsentanten der Beklagten durch ihr Schreiben an das Sozialgericht eine unnötige Herabsetzung der Klägerin („ihre Krankheit bedeute eine nicht mehr verantwortbare Gefährdung der Kinder“) in die Auseinandersetzung über ihre Weiterbeschäftigung hereingetragen haben. Die Klägerin verlangt durchaus mit einer gewissen Vehemenz und Schärfe ihre Weiterbeschäftigung als Erzieherin im Kindergarten. Angesichts der drohenden Arbeitslosigkeit und des Umstandes, dass sie die medizinischen Voraussetzungen für eine gesetzliche Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfüllt, begründet die Erstattung der hier zu beurteilenden Strafanzeige aus Sicht der Berufungskammer noch nicht die Unzumutbarkeit einer weiteren Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.

83

2.5. Mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB, das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung oder mit sozialer Auslauffrist zu beenden, kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt hat. Das Arbeitsgericht hat mit beachtlichen Gründen angenommen, dass es für einen Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht durch Erstattung der Strafanzeige im März 2008 nicht entscheidend auf die Reaktion der Staatsanwaltschaft im August 2008 angekommen ist. Der in Fällen des “Whistle-blowing” in Rede stehende Vorwurf besagt, dass die Ausübung des bestehenden staatsbürgerlichen Rechts zur Erstattung einer Strafanzeige nicht zu unverhältnismäßigen Reaktionen bis hin zur Schädigung des arbeitsrechtlichen Vertragspartners führen darf. Es geht also um die Verletzung zivilrechtlich begründeter Pflichten gegenüber dem Vertragspartner. Eine derartige unverhältnismäßige Reaktion kann einerseits auch dann vorliegen, wenn eine Straftat tatsächlich begangen wurde und eine Verurteilung erfolgt. Sie kann andererseits auch dann zu verneinen sein, wenn eine Straftat in Wahrheit nicht vorliegt oder jedenfalls keine Verurteilung erfolgt (vgl. BAG Urteil vom 07.12.2006 - 2 AZR 400/05, a.a.O.).

84

2.6. Ebenso kann offenbleiben, ob die Beklagte die Mitarbeitervertretung nach den Bestimmungen des Kirchengesetzes über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (MVG) zu den beiden außerordentlichen Kündigungen mit sofortiger Wirkung ordnungsgemäß beteiligt hat. Hier fällt auf, dass die Beklagte die Mitarbeitervertretung zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist zum 31.03.2009 angehört, im Anschluss jedoch mit zwei Schreiben vom 18.08.2008 und 20.08.2008 mit sofortiger Wirkung fristlos gekündigt hat. Andererseits hat die Mitarbeitervertretung in ihrer Stellungnahme vom 18.08.2008 der Beklagten ausdrücklich empfohlen, eine außerordentliche Kündigung mit deutlich kürzerer Kündigungsfrist bzw. eine fristlose Kündigung in Betracht zu ziehen. Bei dieser Fallgestaltung spricht viel dafür, die fristlose Kündigung nicht an einer fehlenden Beteiligung der Mitarbeitervertretung zu der ausgesprochenen fristlosen Kündigung scheitern zu lassen (vgl. hierzu: BAG Urteil vom 23.10.2008 - 2 AZR 388/07 - DB 2009, 572).

85

3. Der zweitinstanzlich gestellte Antrag der Beklagten, das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien gegen Zahlung einer Abfindung gemäß § 9 KSchG aufzulösen, ist unzulässig.

86

Anders als bei der ordentlichen Kündigung ist bei der außerordentlichen Kündigung die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nur auf Antrag des Arbeitnehmers möglich (§ 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG). Dem Arbeitgeber ist der Auflösungsantrag verwehrt. Ihm bleibt diese Lösungsmöglichkeit versagt, weil der Gesetzgeber in der unberechtigten außerordentlichen Kündigung eine besonders schwerwiegende Vertragsverletzung des Arbeitgebers sieht und ihn deshalb an das Arbeitsverhältnis binden will (so schon: BAG Urteil vom 26.10.1979 - 7 AZR 752/77 - AP Nr. 5 zu § 9 KSchG 1969). Eine analoge Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG scheidet wegen des eindeutigen Gesetzeswortlauts aus (herrschende Meinung, vgl. nur KR/ Friedrich, 8. Aufl., § 13 Rz. 64; von Hoyningen-Huene/ Linck, KSchG, 14. Aufl., § 13 Rz. 16; APS/ Biebl, 3. Aufl., § 13 KSchG Rz. 24; ErfK/ Kiel, 9. Aufl., § 13 Rz. 8).

III.

87

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die unterschiedliche Kostenquote ergibt sich aus dem unterschiedlichen Umfang des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens im erstinstanzlichen Verfahren zum einen und im Berufungsverfahren zum anderen.

88

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG. Für das erstinstanzliche Verfahren ist der Wert des Streitgegenstandes auf € 7.000,00 festzusetzen. Dabei sind beide Kündigungsschutzanträge mit insgesamt drei Bruttomonatsgehältern in Höhe von € 1.400,00, der Weiterbeschäftigungsantrag mit einem Monatsgehalt und der Zahlungsantrag für März 2008 mit einem weiteren Monatsgehalt zu bewerten (5 x € 1.400,00). Im Berufungsverfahren beträgt der Wert des Streitgegenstandes € 5.600,00 (4 x € 1.400,00), weil die Abweisung der Klage auf Zahlung des Märzgehaltes 2008 nicht angegriffen worden ist. Der Auflösungsantrag ist nicht gesondert zu bewerten.

89

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

(1) Die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung, einer Bordvertretung oder eines Seebetriebsrats ist unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Nach Beendigung der Amtszeit ist die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung oder eines Seebetriebsrats innerhalb eines Jahres, die Kündigung eines Mitglieds einer Bordvertretung innerhalb von sechs Monaten, jeweils vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit an gerechnet, unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht.

(2) Die Kündigung eines Mitglieds einer Personalvertretung, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung oder einer Jugendvertretung ist unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Nach Beendigung der Amtszeit der in Satz 1 genannten Personen ist ihre Kündigung innerhalb eines Jahres, vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit an gerechnet, unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht.

(3) Die Kündigung eines Mitglieds eines Wahlvorstands ist vom Zeitpunkt seiner Bestellung an, die Kündigung eines Wahlbewerbers vom Zeitpunkt der Aufstellung des Wahlvorschlags an, jeweils bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes oder nach dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Innerhalb von sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses ist die Kündigung unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht für Mitglieder des Wahlvorstands, wenn dieser durch gerichtliche Entscheidung durch einen anderen Wahlvorstand ersetzt worden ist.

(3a) Die Kündigung eines Arbeitnehmers, der zu einer Betriebs-, Wahl- oder Bordversammlung nach § 17 Abs. 3, § 17a Nr. 3 Satz 2, § 115 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes einlädt oder die Bestellung eines Wahlvorstands nach § 16 Abs. 2 Satz 1, § 17 Abs. 4, § 17a Nr. 4, § 63 Abs. 3, § 115 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 oder § 116 Abs. 2 Nr. 7 Satz 5 des Betriebsverfassungsgesetzes beantragt, ist vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; der Kündigungsschutz gilt für die ersten sechs in der Einladung oder die ersten drei in der Antragstellung aufgeführten Arbeitnehmer. Wird ein Betriebsrat, eine Jugend- und Auszubildendenvertretung, eine Bordvertretung oder ein Seebetriebsrat nicht gewählt, besteht der Kündigungsschutz nach Satz 1 vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an drei Monate.

(3b) Die Kündigung eines Arbeitnehmers, der Vorbereitungshandlungen zur Errichtung eines Betriebsrats oder einer Bordvertretung unternimmt und eine öffentlich beglaubigte Erklärung mit dem Inhalt abgegeben hat, dass er die Absicht hat, einen Betriebsrat oder eine Bordvertretung zu errichten, ist unzulässig, soweit sie aus Gründen erfolgt, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Der Kündigungsschutz gilt von der Abgabe der Erklärung nach Satz 1 bis zum Zeitpunkt der Einladung zu einer Betriebs-, Wahl- oder Bordversammlung nach § 17 Absatz 3, § 17a Nummer 3 Satz 2, § 115 Absatz 2 Nummer 8 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes, längstens jedoch für drei Monate.

(4) Wird der Betrieb stillgelegt, so ist die Kündigung der in den Absätzen 1 bis 3a genannten Personen frühestens zum Zeitpunkt der Stillegung zulässig, es sei denn, daß ihre Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt durch zwingende betriebliche Erfordernisse bedingt ist.

(5) Wird eine der in den Absätzen 1 bis 3a genannten Personen in einer Betriebsabteilung beschäftigt, die stillgelegt wird, so ist sie in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen. Ist dies aus betrieblichen Gründen nicht möglich, so findet auf ihre Kündigung die Vorschrift des Absatzes 4 über die Kündigung bei Stillegung des Betriebs sinngemäß Anwendung.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Mindestens ein Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer, der Arbeitgeber oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft können beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat oder die Auflösung des Betriebsrats wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen. Der Ausschluss eines Mitglieds kann auch vom Betriebsrat beantragt werden.

(2) Wird der Betriebsrat aufgelöst, so setzt das Arbeitsgericht unverzüglich einen Wahlvorstand für die Neuwahl ein. § 16 Abs. 2 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft können bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus diesem Gesetz beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Handlung zu unterlassen, die Vornahme einer Handlung zu dulden oder eine Handlung vorzunehmen. Handelt der Arbeitgeber der ihm durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung auferlegten Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er auf Antrag vom Arbeitsgericht wegen einer jeden Zuwiderhandlung nach vorheriger Androhung zu einem Ordnungsgeld zu verurteilen. Führt der Arbeitgeber die ihm durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung auferlegte Handlung nicht durch, so ist auf Antrag vom Arbeitsgericht zu erkennen, dass er zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld anzuhalten sei. Antragsberechtigt sind der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft. Das Höchstmaß des Ordnungsgeldes und Zwangsgeldes beträgt 10.000 Euro.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Teilurteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. April 2007 - 4 Sa 851/06 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise mit einer Auslauffrist erklärten außerordentlichen Kündigung.

2

Die 1955 geborene Klägerin ist seit September 1992 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin als Sachbearbeiterin tätig. Seit dem Jahr 2002 ist sie Mitglied des Betriebsrats und war seit Mai 2005 bis Anfang 2010 als stellvertretende Betriebsratsvorsitzende von ihrer Arbeitsleistung freigestellt.

3

Während einer Ortsabwesenheit des Betriebsratsvorsitzenden in der Zeit vom 2. bis 5. März 2006 ging im Betriebsratsbüro ein an diesen adressiertes Schreiben ein. Als Absender war die Beklagte angegeben. Das Schreiben enthielt eine Einladung zur nächsten Sitzung des Wirtschaftsausschusses, dessen Mitglied der Vorsitzende war. Beigefügt waren eine Bilanz des Jahres 2005 und Unterlagen zur Unternehmensplanung für das Jahr 2006. Die Klägerin entnahm den Brief dem Postkorb, in den üblicherweise die für den Betriebsrat bestimmten Sendungen eingelegt werden, öffnete den Umschlag, nahm den Inhalt zur Kenntnis und legte den Umschlag unverschlossen samt Inhalt auf den Schreibtisch des Vorsitzenden.

4

Am 6. März 2006 schilderte dieser den Vorfall einem Vorstandsmitglied der Beklagten. Am 13. März 2006 beantragte die Beklagte beim Betriebsrat die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung der Klägerin, die am 14. März 2006 erteilt wurde. Mit Schreiben vom 16. März 2006 kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos und hilfsweise außerordentlich mit Auslauffrist zum 31. August 2006. Sie hielt der Klägerin vor, das Briefgeheimnis verletzt zu haben.

5

Die Klägerin hat Kündigungsschutzklage erhoben und geltend gemacht, ein wichtiger Grund zur Kündigung liege nicht vor. Sie habe in Abwesenheit des Betriebsratsvorsitzenden prüfen müssen, ob der Brief fristgebundene Unterlagen enthalte, und habe ihn zu diesem Zweck geöffnet. Der Umschlag sei weder zugeklebt noch mit einem Vermerk „vertraulich“ oder „nur vom Empfänger zu öffnen“ versehen gewesen. Als sie sich des Inhalts der Sendung bewusst geworden sei, habe sie die Papiere nicht weiter eingesehen, sondern auf den Schreibtisch des Vorsitzenden gelegt. Auf weitere Kündigungsgründe komme es schon deshalb nicht an, weil die Beklagte den Betriebsrat vor deren Einführung in den Prozess nicht erneut um Zustimmung ersucht habe. Soweit die Beklagte sich auf den Verdacht eines Pflichtverstoßes berufe, fehle es an ihrer - der Klägerin - vorherigen Anhörung.

6

Die Klägerin hat - soweit im vorliegenden Verfahren von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 16. März 2006 weder mit sofortiger Wirkung noch mit Auslauffrist zum 31. August 2006 aufgelöst worden ist.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Kündigung sei wegen schwerwiegender Vertragspflichtverletzungen der Klägerin gerechtfertigt. Der an den Betriebsratsvorsitzenden gerichtete Brief sei zugeklebt und an die Privatanschrift adressiert gewesen. Das Öffnen der Sendung stelle eine strafbare Verletzung des Briefgeheimnisses dar. Durch ihre Handlung sei die Klägerin an geheimhaltungsbedürftige und wichtige Geschäftsgeheimnisse gelangt, die für sie als Mitglied der Tarifkommission von höchstem Interesse gewesen seien und von denen sie andernfalls erst viel später Kenntnis erlangt hätte. Erst im Lauf des Kündigungsrechtsstreits sei ihr - der Beklagten - bekannt geworden, dass der inzwischen ausgeschiedene Betriebsratsvorsitzende eine Betriebsratssitzung ohne Wissen der Teilnehmer mit einem Tonaufnahmegerät aufgezeichnet habe. Die Gesprächsmitschnitte seien von Dritten auf einen Datenträger kopiert und dem Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) übergeben worden. Dieser habe daraufhin versucht, den Vorsitzenden zum Rücktritt zu bewegen. Für das Kopieren und Weiterleiten der Daten sei die Klägerin verantwortlich, zumindest sei sie dessen dringend verdächtig. Sie habe ein hinreichendes Motiv. Ihr Ziel sei immer gewesen, den Vorsitzenden aus dem Amt zu drängen und dessen Position einzunehmen. Außerdem habe die Klägerin - wie ihr ebenfalls erst nach Ausspruch der Kündigung bekannt geworden sei - bei der letzten Betriebsratswahl aus eigennützigen Motiven eine Wahlbewerberin unter Vorspiegelung falscher Tatsachen dazu veranlasst, sich weiterhin für ein Betriebsratsamt zur Verfügung zu stellen. Im Fehlverhalten der Klägerin liege nicht nur eine Amtspflichtverletzung. Die Klägerin habe zugleich ihre arbeitsvertraglichen (Neben-)Pflichten erheblich verletzt und dadurch das Vertrauensverhältnis der Parteien unwiederbringlich zerstört. Der Betriebsrat sei im Hinblick auf die im Prozess nachgeschobenen Kündigungsgründe nach § 102 BetrVG und damit in ausreichender Weise beteiligt worden.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage einschließlich eines Weiterbeschäftigungsantrags der Klägerin stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags durch Teilurteil zurückgewiesen. Mit ihrer vom Bundesarbeitsgericht zugelassen Revision begehrt die Beklagte weiterhin, die Kündigungsschutzklage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist unbegründet.

10

I. Das angefochtene Berufungsurteil ist nicht deshalb aufzuheben, weil das Landesarbeitsgericht über den Kündigungsschutzantrag nicht hätte durch Teilurteil gemäß § 301 ZPO entscheiden dürfen.

11

1. Zwar war im Zeitpunkt der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Kündigungsschutzantrag auch ein zweitinstanzlich gestellter Auflösungsantrag der Beklagten nach §§ 9, 10 KSchG anhängig und kann über einen solchen Antrag grundsätzlich nur gleichzeitig mit ersterem entschieden werden. Getrennte Entscheidungen einmal über die Wirksamkeit der Kündigung, das andere Mal über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses sind regelmäßig unzulässig (Senat 4. April 1957 - 2 AZR 456/54 - BAGE 4, 90; zum Ausnahmefall eines rechtskräftig gewordenen Teilanerkenntnisurteils über die Sozialwidrigkeit der Kündigung: Senat 29. Januar 1981 - 2 AZR 1055/78 - zu II 2 c der Gründe, BAGE 35, 30; aA etwa APS/Biebl 3. Aufl. § 9 KSchG Rn. 7; Löwisch/Spinner 9. Aufl. KSchG § 9 Rn. 69). Das Landesarbeitsgericht hat aber mittlerweile den Auflösungsantrag der Beklagten durch Schlussurteil vom 22. November 2007 rechtskräftig abgewiesen. Die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen, der die Senatsrechtsprechung vorbeugen will, bestand damit jedenfalls im Zeitpunkt des Revisionsurteils nicht mehr. Unter dieser Voraussetzung kann ein Mangel des Teilurteils als geheilt angesehen werden.

12

2. Die im Schlussurteil getroffene - stattgebende - Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits weiter zu beschäftigen, hat auf die Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag keinen Einfluss.

13

II. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung vom 16. März 2006 weder fristlos, noch unter Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist aufgelöst worden. Tatsachen, die die Beklagte iSv. § 15 Abs. 1 KSchG, § 626 Abs. 1 BGB zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigten, liegen nach Art und Schwere der in Rede stehenden Pflichtverletzungen nicht vor. Eine verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung mit - notwendiger - Auslauffrist kommt von vorneherein nicht in Betracht.

14

1. Nach § 15 Abs. 1 KSchG ist die Kündigung eines Mitglieds des Betriebsrats unzulässig, wenn nicht Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und die nach § 103 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist.

15

2. Liegt der wichtige Grund, der dem Arbeitgeber iSv. § 15 Abs. 1 KSchG, § 626 Abs. 1 BGB die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht, in einem Verhalten des Betriebsratsmitglieds, muss dieses sich als Verletzung von Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen. Ist dem Betriebsratsmitglied ausschließlich eine Amtspflichtverletzung vorzuwerfen, ist nur ein Ausschlussverfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG möglich. Eine außerordentliche Kündigung kommt dagegen in Betracht, wenn in dem fraglichen Verhalten zugleich eine Vertragspflichtverletzung zu sehen ist. In solchen Fällen ist an die Berechtigung der fristlosen Entlassung allerdings ein „strengerer“ Maßstab anzulegen als bei einem Arbeitnehmer, der dem Betriebsrat nicht angehört (Senat 5. November 2009 - 2 AZR 487/08 - Rn. 30, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 65 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 64; 23. Oktober 2008 - 2 ABR 59/07 - Rn. 19, AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 58 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 25; jeweils mwN).

16

3. Ein bestimmtes Verhalten ist ausschließlich eine Amtspflichtverletzung, wenn das Betriebsratsmitglied lediglich kollektivrechtliche Pflichten verletzt hat. Verstößt das Betriebsratsmitglied stattdessen gegen eine für alle Arbeitnehmer gleichermaßen geltende vertragliche Pflicht, liegt - zumindest auch - eine Vertragspflichtverletzung vor (Senat 5. November 2009 - 2 AZR 487/08 - Rn. 31, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 65 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 64).

17

4. Kommt danach eine Vertragspflichtverletzung in Betracht, ist für die Beurteilung, ob Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber iSv. § 15 Abs. 1 KSchG aus wichtigem Grund zur Kündigung berechtigen, auf die Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist abzustellen. Ist eine Weiterbeschäftigung bis dahin zumutbar, ist die Kündigung unwirksam. Eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist ist gegenüber dem durch § 15 KSchG besonders geschützten Personenkreis ausgeschlossen(Senat 17. Januar 2008 - 2 AZR 821/06 - Rn. 25 ff., BAGE 125, 267).

18

5. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das Öffnen des an den Betriebsratsvorsitzenden gerichteten Briefs kein wichtiger Grund zur Kündigung. Dabei kann offenbleiben, ob das Verhalten der Klägerin - wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat - ausschließlich ihre Amtspflichten berührt, oder ob in der geltend gemachten Verletzung des Briefgeheimnisses zumindest auch eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung liegt. Selbst wenn man - wofür Einiges spricht - von Letzterem ausgeht, ist die fristlose Kündigung nicht berechtigt.

19

a) Ein gemäß § 626 Abs. 1 BGB wichtiger Grund zur Kündigung kann in einer schuldhaften Verletzung von arbeitsvertraglichen Nebenpflichten liegen(Senat 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 21, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16; 3. Juli 2003 - 2 AZR 235/02 - zu II 3 b bb der Gründe, BAGE 107, 36). Zu diesen gehört nach § 241 Abs. 2 BGB die Pflicht des Arbeitnehmers, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers und seiner Vertragspartner Rücksicht zu nehmen. Sie trifft das Betriebsratsmitglied regelmäßig auch während der Zeit einer Freistellung von der Arbeitspflicht (vgl. BAG 16. September 1987 - 5 AZR 254/86 - zu III der Gründe, RzK I 1 Nr. 21). Ein schwerer Verstoß gegen diese Pflicht kann geeignet sein, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen zu zerstören. Ein solcher Verstoß kann in einer vorsätzlichen und dann strafbewehrten (§ 202 StGB) Verletzung des Briefgeheimnisses bezüglich der im Betrieb eingehenden, der aus ihm ausgehenden oder der intern versandten Post liegen.

20

b) Eine in diesem Sinne schwerwiegende Vertragspflichtverletzung der Klägerin ist nicht erkennbar.

21

aa) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Klägerin den an den Betriebsratsvorsitzenden gerichteten Brief demjenigen Postkorb entnommen, in welchen üblicherweise die für den Betriebsrat bestimmten Sendungen eingelegt werden. Dass sie aufgrund der Abwesenheit des Vorsitzenden als dessen Stellvertreterin für die Bearbeitung der eingehenden Betriebsratspost zuständig war, wird von der Beklagten nicht in Abrede gestellt. Das berechtigte die Klägerin zwar nicht ohne Weiteres dazu, einen an den Betriebsratsvorsitzenden persönlich adressierten Brief zu öffnen. Die Klägerin hat aber vortragen, sie sei davon ausgegangen, auch einen solchen Brief öffnen und dessen Inhalt zur Kenntnis nehmen zu dürfen, um sich zu vergewissern, dass kein dringender Handlungsbedarf für den Betriebsrat bestehe. Damit mag sie die Reichweite ihrer Zuständigkeiten als stellvertretende Vorsitzende verkannt haben. Es lässt sich auf der Grundlage ihres Vorbringens dennoch nicht ausschließen, dass sie über die Pflichtwidrigkeit ihres Tuns geirrt hat. Dies ließe - je nach rechtlicher Einordnung - entweder den Vorsatz entfallen oder wäre als - wenn auch vermeidbarer - Verbotsirrtum bei der Gewichtung der Pflichtverletzung zu berücksichtigen und ließe diese in einem milderen Licht erscheinen.

22

bb) Einer Beweisaufnahme zugängliche Tatsachen, die geeignet wären, die Einlassung der Klägerin zu widerlegen, hat die Beklagte, die für das Fehlen von Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründen die Darlegungs- und Beweislast trägt (Senat 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 29, EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 13),nicht vorgetragen. Der Behauptung der Klägerin, die Sendung sei nicht als „persönlich/vertraulich“ gekennzeichnet gewesen, ist sie nicht entgegen getreten. Ihren Darlegungen ist auch nicht zu entnehmen, dass die Klägerin allein aus dem äußeren Erscheinungsbild des Briefs Rückschlüsse auf dessen Inhalt hätte ziehen können. Bestehende Feindseligkeiten zwischen der Klägerin und dem damaligen Betriebsratsvorsitzenden rechtfertigen nicht die Annahme, diese hätte den Brief entgegen ihrer Einlassung als vertraulich angesehen und sich bewusst über das Briefgeheimnis hinweggesetzt. Entsprechendes gilt für die Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe ihr Verhalten gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden als „Fehler“ bezeichnet. Diese Äußerung lässt sich - als wahr unterstellt - auch damit erklären, dass die Klägerin in rückschauender Betrachtung ihr Verhalten anders bewertet hat als im Zeitpunkt der Entgegennahme des Briefs.

23

cc) Wollte man danach überhaupt noch eine schuldhafte Pflichtverletzung der Klägerin annehmen, wäre diese jedenfalls nicht so schwerwiegend, dass sie die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der - fiktiven - Kündigungsfrist begründen könnte. Die Beklagte hat nicht behauptet, die Klägerin habe Kenntnisse, die sie durch Einsichtnahme in die Bilanz und Jahresplanung erlangt habe, an Dritte weitergegeben. Ihre Mutmaßung, die Klägerin habe daraus bei Tarifverhandlungen Vorteile gezogen, geht über eine reine Spekulation nicht hinaus.

24

6. Auch die im Lauf des Verfahrens nachgeschobenen Sachverhalte sind nicht geeignet, eine Kündigung aus wichtigem Grund zu rechtfertigen.

25

a) Die Beklagte beruft sich darauf, die Klägerin habe als damalige Vorsitzende des Wahlvorstands einer Wahlbewerberin, die sich von einer Vorschlagsliste habe streichen lassen wollen, die Auskunft gegeben, dass dies „nicht einfach gehe“, sondern weiterer Klärung bedürfe. Die Klägerin habe das Ziel verfolgt, auf diese Weise die Vollständigkeit der betreffenden Vorschlagsliste, auf der sie selbst kandidiert habe, zu sichern. Ob in einem solchen Verhalten ein Verstoß gegen Vorschriften der Wahlordnung oder eine Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten des Wahlvorstands liegt, kann dahinstehen. Es würde sich jedenfalls um eine reine Amtspflichtverletzung handeln. Wegen des ausschließlichen Amtsbezugs des behaupteten Verhaltens besteht kein Grund zu der Annahme, die Klägerin werde ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis künftig nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen oder berechtigten Informationsansprüchen anderer Arbeitnehmer oder der Beklagten nicht nachkommen.

26

b) Die Beklagte hat ihre Behauptung, die Klägerin habe Daten vom Diktiergerät des ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden kopiert und an den NGG-Geschäftsführer weitergegeben, im Hinblick auf dessen Aussage, er habe die Tonaufnahmen jedenfalls nicht von der Klägerin erhalten, in der Revisionsinstanz nicht mehr aufrecht erhalten. Sie stützt die Kündigung insoweit nur noch auf einen entsprechenden, gegen die Klägerin gerichteten dringenden Verdacht. Ein solcher besteht schon nach ihrem eigenen Vortrag nicht.

27

aa) Grundsätzlich kann auch der dringende Verdacht einer erheblichen Verletzung von arbeitsvertraglichen Pflichten einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen (vgl. Senat 12. März 2009 - 2 ABR 24/08 - Rn. 35, EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Arbeitnehmervertreter Nr. 1; 6. November 2003 - 2 AZR 631/02 - zu II 1 a der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 39 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2). Eine Verdachtskündigung kommt aber nur in Betracht, wenn gewichtige, auf objektive Tatsachen gestützte Verdachtsmomente vorliegen und diese geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen bei einem verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zu zerstören. Der Arbeitgeber muss alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben (Senat 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 15, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - Rn. 28, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 79 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 3). Ein dringender Verdacht liegt nur vor, wenn bei kritischer Prüfung eine auf Beweistatsachen (Indizien) gestützte große Wahrscheinlichkeit für eine erhebliche Pflichtverletzung gerade dieses Arbeitnehmers besteht (Senat 12. März 2009 - 2 ABR 24/08 - Rn. 35 mwN, aaO). Der entsprechende Verdacht, muss es dem Arbeitgeber unzumutbar machen, mit dem Arbeitnehmer weiter zusammenzuarbeiten.

28

bb) Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Verdachtskündigung ist zu berücksichtigen, dass der ursprüngliche Verdacht durch später bekannt gewordene Umstände, jedenfalls soweit sie bei Kündigungszugang objektiv bereits vorlagen, abgeschwächt oder verstärkt werden kann (Senat 15. Mai 1986 - 2 AZR 397/85 - zu B II 4 b der Gründe, RzK I 8c Nr. 9; 24. Januar 1985 - 2 AZR 317/84 - zu III 4 d bb der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 8 = EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 2). Würden etwa im Prozess zutage getretene, den Verdacht entkräftende Umstände unberücksichtigt bleiben, hätte der Arbeitgeber ein sehr geringes Prozessrisiko. Er müsste nur nachweisen, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein dringender Tatverdacht bestand. Das würde der bei der Verdachtskündigung bestehenden Gefahr, dass ein Unschuldiger getroffen wird, nicht ausreichend Rechnung tragen.

29

cc) Danach besteht gegen die Klägerin kein hinreichender Tatverdacht.

30

(1) Als Indiztatsachen für den geltend gemachten Verdacht hat die Beklagte vorgetragen, für die Klägerin habe die Möglichkeit bestanden, unbeobachtet auf die Aktentasche des ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden zuzugreifen; zwischen den beiden Betriebsratsmitgliedern sei ein „Machtkampf“ geführt worden, aus dem sich ein erhebliches Interesse der Klägerin ergeben habe, „Beweismittel“ gegen den Vorsitzenden zu sammeln. Außerdem beruft sich die Beklagte auf die Aussage des NGG-Geschäftsführers, wonach am Tag nach Ausspruch der Kündigung ein Abendessen mit der Klägerin, ihrem Ehemann und dem Freundeskreis der Klägerin aus dem Betriebsrat stattgefunden habe. Dabei sei einer der Betriebsratskollegen aufgesprungen und habe erklärt, der Vorsitzende habe es „gerade nötig“; habe er doch selbst „Dreck am Stecken“. Dieser Kollege habe sodann erklärt, im Besitz zweier CD´s zu sein; auf einer von diesen sei der Inhalt einer vom Vorsitzenden abgehörten Betriebsratssitzung gespeichert, an der auch der NGG-Geschäftsführer teilgenommen habe. Da die Weitergabe der CD´s allein den Zielen der Klägerin gedient habe, könne sich der Vorgang nur so abgespielt haben, dass diese allein oder mit Hilfe von Personen aus ihrem Freundeskreis die Kopien gezogen habe. Zumindest sei davon auszugehen, dass sie die Täter moralisch unterstützt habe. Für eine Mittäterschaft der Klägerin spreche auch der Umstand, dass sie sich zu dem ganzen Vorgang bislang nicht geäußert und nicht mitgeteilt habe, welche Person denn die fraglichen CD´s in Besitz gehabt und dem NGG-Geschäftsführer übergeben habe.

31

(2) Damit hat die Beklagte keine konkreten Tatsachen vorgetragen, aufgrund derer die Klägerin der ihr zur Last gelegten Pflichtverletzung dringend verdächtig wäre. Nachdem der NGG-Geschäftsführer bei seiner Vernehmung - offensichtlich glaubwürdig - erklärt hat, er habe die CD´s nicht von der Klägerin erhalten, ist insoweit nicht nur ein Tatvorwurf gegen diese unbegründet, sondern auch ein entsprechender Verdacht. Was den Verdacht des unberechtigten Kopierens von Tonaufzeichnungen vom Diktiergerät des Betriebsratsvorsitzenden anbelangt, erschöpft sich der Vortrag der Beklagten in der Darstellung einer Möglichkeit für die Klägerin, auf die Aktentasche des Betriebsratsvorsitzenden zuzugreifen, und in Mutmaßungen über deren Verwicklung in den Vorgang. Konkrete Anhaltspunkte für eine aktive Tatbeteiligung der Klägerin ergeben sich daraus nicht. Eine lediglich „moralische“ Unterstützung der wirklichen Täter würde nicht ausreichen, um von einer erheblichen Pflichtverletzung auszugehen. Fehlt es danach an objektiven, den dringenden Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung begründenden Indiztatsachen, kommt es auf eine Weigerung der Klägerin, zu den Vorwürfen näher Stellung zu nehmen, nicht an. Sie allein vermag eine Verdachtskündigung nicht zu rechtfertigen.

32

c) Kann damit schon aus den angeführten Gründen nicht von der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung der Klägerin im Sinne von § 15 Abs. 1 KSchG, § 626 Abs. 1 BGB ausgegangen werden, kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte in Bezug auf die beiden nachgeschobenen Kündigungsgründe erneut eine Zustimmung des Betriebsrats entsprechend § 103 Abs. 1 BetrVG einholen musste, oder ob es ausreichte, diesen nach § 102 BetrVG über den maßgebenden Sachverhalt zu unterrichten. Ebenso kann dahinstehen, ob es einer vorherigen Anhörung des Arbeitnehmers bedarf, bevor der Arbeitgeber einen neuen Verdacht in den Prozess einführen kann.

        

    Kreft    

        

    Eylert    

        

    Berger    

        

        

        

    Ehrenamtlicher Richter Dr. Bartel
ist wegen des Endes seiner Amtszeit
an einer Unterschrift verhindert.
Kreft    

        

    Jan Eulen    

        

        

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. November 2010 - 7 Sa 1052/09 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, verhaltensbedingten Kündigung.

2

Der 1969 geborene, ledige Kläger war seit dem 1. August 1985 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Seit dem 1. August 2008 war er in dem Ressort „OnSiteService“ (OSS) W, Team R, als Kundendiensttechniker im Außendienst im Einsatz. Er bezog zuletzt ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 3.000,00 Euro.

3

Dem Kläger stand als alleinigem Nutzer ein Dienstfahrzeug ausschließlich zu dienstlichen Zwecken zur Verfügung. Er war angewiesen, vor Urlaubsantritt oder bei Arbeitsunfähigkeit den Fahrzeugschlüssel und das Fahrtenbuch im Betrieb abzugeben. Weil er dem anlässlich einer Arbeitsunfähigkeit und eines Urlaubs in der Zeit vom 19. November 2002 bis zum 25. Februar 2003 nicht nachgekommen war, mahnte die Rechtsvorgängerin der Beklagten ihn ab und sprach im Februar 2003 eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung aus. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage hatte Erfolg. Die Beklagte vermochte nicht zu beweisen, dass das Abmahnungsschreiben dem Kläger vor Ausspruch der Kündigung zugegangen war.

4

Vor dem Antritt eines Urlaubs Ende Oktober 2008 hatte der Kläger den Schlüssel des Dienstfahrzeugs und das Fahrtenbuch erneut nicht im Betrieb hinterlegt. In einem Gespräch im November 2008 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass durch sein Fehlverhalten ein einem anderen Ressort zugeordneter Parkplatz in der Tiefgarage über drei Wochen lang durch sein Fahrzeug belegt gewesen sei. Die Beklagte wies den Kläger an, seine Fahrtenbuchmappe inklusive Tankkarte und Fahrzeugschlüssel ab sofort abends in seinem Fach zu hinterlegen sowie sich bei seinem Vorgesetzten bei Arbeitsbeginn an- und bei Arbeitsende abzumelden.

5

Mit Schreiben vom 29. Januar 2009 ermahnte die Beklagte den Kläger nochmals, die Anweisungen einzuhalten. Gleichzeitig kündigte sie an, weitere arbeitsrechtliche Schritte einzuleiten, wenn bis zum 15. Februar 2009 keine Besserung erkennbar sei und er die Anweisungen weiterhin missachte. Der Kläger erhielt das Schreiben am 6. Februar 2009 von seinem Vorgesetzten. Am selben Abend nahm er die Kfz-Utensilien nach einer Spätschicht mit nach Hause. Der Vorgesetzte war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Betrieb anwesend. Zwischen den Parteien ist streitig, ob dem Kläger ein Fach zur Verfügung stand, in dem er die Fahrzeugschlüssel hätte hinterlegen können.

6

Vom 9. Februar 2009 an war der Kläger krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Ausweislich einer Aufstellung der Krankenkasse war er im Zeitraum vom 9. Februar 2009 bis zum 7. März 2009 aufgrund einer Gastritis sowie vom 9. bis 17. März 2009 an einer „sonstigen depressiven Episode“ erkrankt. Ab dem 17. März 2009 behandelte ihn der Psychiater Dr. L, der ihm ebenfalls eine „sonstige depressive Episode“ bescheinigte. In einem Attest seiner Hausärztin vom 1. Oktober 2010 heißt es, beim Kläger bestünden seit Jahren „massive Beschwerden vom Magen sowie von der Psyche her“. Insbesondere in der Zeit vom 9. Februar 2009 bis zum 7. März 2009 habe er unter Magenschmerzen, Tendenz zu sozialem Rückzug, Antriebsstörungen und Vermeidungshaltungen gelitten.

7

Der Kläger zeigte seine Arbeitsunfähigkeitszeiten nicht nahtlos an. Am 20. Februar 2009 versandte er per Einschreiben einen Brief mit ärztlichen Attesten für die Zeit vom 9. bis 21. Februar 2009. Dieser ging am Montag, dem 23. Februar 2009, bei der Beklagten ein. Am diesem Tag hatte der Kläger dienstfrei. Am 24. Februar 2009 rief er gegen 8:30 Uhr den Sachbearbeiter Einsatzsteuerung an und teilte ihm mit, nochmals einen Arzt aufsuchen zu wollen. Am späten Abend des Tages informierte er seinen Vorgesetzten per E-Mail darüber, dass seine Krankmeldung bis zum 28. Februar 2009 verlängert worden sei und er sie zu Händen einer Mitarbeiterin nach H geschickt habe.

8

Der Kläger gab während seiner Erkrankung die Fahrzeugutensilien weder heraus, noch teilte er der Beklagten mit, wo sie sich befänden und wie eine Herausgabe sichergestellt werden könne. Den auf seinem Diensthandy hinterlassenen Rückrufbitten der Beklagten kam er nicht nach.

9

Mit Schreiben vom 16. Februar 2009 und 18. Februar 2009 mahnte die Beklagte den Kläger wegen unzureichender Anzeige und fehlenden Nachweises seiner Arbeitsunfähigkeit sowie wegen mangelnder Herausgabe der Utensilien für das Dienstfahrzeug ab. Die Abmahnungen wurden am 17. Februar 2009 um 12:55 Uhr bzw. am 18. Februar 2009 um 16:45 Uhr in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen. Im Schreiben vom 16. Februar 2009 forderte die Beklagte den Kläger ua. auf, die Utensilien für das Dienstfahrzeug spätestens am 18. Februar 2009 abzugeben. Sollte er wegen Arbeitsunfähigkeit an der Abgabe der Gegenstände gehindert sein, habe er spätestens am 18. Februar 2009 mitzuteilen, wo sich die Gegenstände befänden, und eine Herausgabe sicherzustellen. Die Abmahnung vom 18. Februar 2009 enthielt eine entsprechende „letztmalige“ Aufforderung, dem spätestens bis zum Morgen des 20. Februar 2009 nachzukommen.

10

Mit Schreiben vom 2. März 2009 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu ihrer Absicht an, das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zu kündigen. Der Betriebsrat widersprach dem.

11

Mit Schreiben vom 9. März 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 31. Oktober 2009.

12

Der Kläger hat gegen die Kündigung rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat behauptet, er habe in der Zeit vom 9. Februar 2009 bis 7. März 2009 an einer Tendenz zu sozialem Rückzug, Antriebsstörungen und Vermeidungshaltungen gelitten. Er habe sich in einer akuten depressiven Episode befunden, die durch völlige Antriebsschwäche gekennzeichnet gewesen sei. Aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigung sei er nicht in der Lage gewesen, wie von ihm verlangt zu handeln. Er sei der einzige Mitarbeiter, der jeden Abend die Kfz-Utensilien abgeben müsse. Alle anderen Kollegen dürften die Fahrzeuge mit nach Hause nehmen und für den Weg zur Dienststelle kostenfrei nutzen. Da das Fahrzeug ausschließlich von ihm genutzt werde, sei der Beklagten kein Nachteil entstanden. Die Beklagte habe auch längst einen Ersatzschlüssel anfertigen lassen können. Die Abmahnungen vom 16. und 18. Februar 2009 habe er erst am 21. Februar 2009 aus seinem Hausbriefkasten entnommen. Zudem lägen keine schwerwiegenden Pflichtverstöße vor, so dass die Kündigung unter Berücksichtigung seiner 24-jährigen Betriebszugehörigkeit sozial nicht gerechtfertigt sei. Wahrer Hintergrund für die Kündigung sei seine schwere Erkrankung, die zu häufigen Ausfallzeiten führe.

13

Der Kläger hat beantragt

        

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 9. März 2009 nicht mit Ablauf des 31. Oktober 2009 aufgelöst worden ist.

14

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe bewusst und beharrlich gegen ihm erteilte Weisungen verstoßen. Er sei offensichtlich nicht bereit, berechtigten Forderungen nachzukommen. Eine Beschäftigung im Innendienst sei nicht möglich, weil der Kläger vor einiger Zeit unter Vorlage eines betriebsärztlichen Attests die Beschäftigung im Außendienst verlangt habe. Zudem bestehe im Innendienst kein geeigneter freier Arbeitsplatz. Da sich der Kläger trotz Ermahnung und Abmahnungen weiterhin pflichtwidrig verhalten habe, sei für die Zukunft mit erneuten gleichartigen Pflichtverstößen zu rechnen. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihr nicht mehr zumutbar. Für eine Erkrankung, die ein schuldhaftes Verhalten des Klägers ausschließe, lägen keine ausreichenden Anhaltspunkte vor.

15

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision ist begründet. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Klage nicht abweisen (I.). Die Sache ist nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung reif (§§ 561, 563 Abs. 3 ZPO). Ob die Kündigung vom 9. März 2009 gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt ist, steht noch nicht fest(II.). Die Kündigung ist nach den bisherigen Feststellungen jedenfalls nicht gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG rechtsunwirksam(II.).

17

I. Das Landesarbeitsgericht durfte aufgrund seiner bisherigen Feststellungen nicht annehmen, die Kündigung vom 9. März 2009 sei iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt.

18

1. Das Landesarbeitsgericht unterstellt die Anwendbarkeit von § 1 KSchG, ohne Feststellungen zur Betriebsgröße nach § 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 KSchG getroffen zu haben. Dies wird es im Fall des Fehlens einer sozialen Rechtfertigung nachzuholen haben.

19

2. Die Begründung des Berufungsurteils hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

20

a) Eine Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile angemessen erscheint (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 34, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 12, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 62 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 78). Ein nachhaltiger Verstoß des Arbeitnehmers gegen berechtigte Weisungen des Arbeitgebers stellt eine Vertragspflichtverletzung dar, die eine Kündigung zu rechtfertigen vermag (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 282/10 - Rn. 12, AP BGB § 626 Nr. 233 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 34; 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 - Rn. 20, AP BGB § 626 Nr. 230 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 31; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 459 mwN). Ebenso kann eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gemäß § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers eine Kündigung rechtfertigen(vgl. zu § 626 Abs. 1 BGB: BAG 24. März 2011 - 2 AZR 282/10 - aaO; 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 - aaO).

21

b) Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob eine verhaltensbedingte Kündigung unter besonderen Umständen auch dann berechtigt sein kann, wenn das Verhalten dem Arbeitnehmer nicht vorwerfbar ist (vgl. bejahend APS/Dörner 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 276; Liebscher in Thüsing/Laux/Lembke 2. Aufl. KSchG § 1 KSchG Rn. 371; Linck in v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1 Rn. 475; differenzierend: MünchKommBGB/Hergenröder 5. Aufl. § 1 KSchG Rn. 193; ablehnend: HaKo/Fiebig 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 224; KR/Griebeling 9. Aufl. § 1 KSchG Rn. 395; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 1 Rn. 96; ErfK/Oetker 12. Aufl. § 1 KSchG Rn. 191). Die Beklagte hat derartige besondere Umstände nicht behauptet. Sie wirft dem Kläger ausschließlich Ordnungsverstöße ohne besondere, schwerwiegende Folgen vor. Unter diesen Umständen setzt eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses voraus, dass die Nichterfüllung der vertraglichen Pflichten dem Kläger vorwerfbar ist.

22

c) Eine Pfichtverletzung ist vorwerfbar, wenn der Arbeitnehmer seine ihr zugrunde liegende Handlungsweise steuern konnte (ErfK/Oetker aaO Rn. 188). Ein Verhalten ist steuerbar, wenn es vom Willen des Arbeitnehmers beeinflusst werden kann (Linck aaO Rn. 461). Dies ist nicht der Fall, wenn dem Arbeitnehmer die Pflichterfüllung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen subjektiv nicht möglich ist (vgl. BAG 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 70, 262). Ist dies vorübergehend nicht der Fall, ist er für diese Zeit von der Pflichterfüllung befreit (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 71. Aufl. § 275 Rn. 10).

23

d) Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast auch dafür, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die das Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt oder entschuldigt erscheinen lassen (vgl. BAG 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - BAGE 70, 262; 18. Oktober 1990 - 2 AZR 204/90 - zu II 3 a der Gründe, RzK I 10h Nr. 30). Der Umfang der ihm obliegenden Darlegungslast ist allerdings davon abhängig, wie sich der Arbeitnehmer auf einen bestimmten Vortrag einlässt (BAG 18. Oktober 1990 - 2 AZR 204/90 - zu II 3 b der Gründe, aaO). Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast darf sich der Arbeitgeber zunächst darauf beschränken, den objektiven Tatbestand einer Arbeitspflichtverletzung darzulegen. Er muss nicht jeden erdenklichen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund vorbeugend ausschließen (BAG 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - aaO). Will der Arbeitnehmer geltend machen, er sei aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen gehindert gewesen, seine Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen, muss er diese Gründe genau angeben. Beruft er sich auf krankheitsbedingte Gründe kann es erforderlich sein, dass er substantiiert darlegt, woran er erkrankt war und weshalb er deshalb seine Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllen konnte (vgl. BAG 18. Oktober 1990 - 2 AZR 204/90 - aaO).

24

e) Gemessen an diesen Grundsätzen durfte das Landesarbeitsgericht aufgrund seiner bisherigen Feststellungen nicht davon ausgehen, der Kläger habe dadurch, dass er sich beharrlich rechtmäßigen Weisungen seines Arbeitgebers widersetzte, in vorwerfbarer Weise erhebliche Nebenpflichtverletzungen begangen.

25

aa) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, es könne eine Verletzung der vertraglichen Pflicht des Klägers zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB darstellen, dem Verlangen der Beklagten nicht nachzukommen, während Abwesenheitszeiten aufgrund Urlaubs oder Arbeitsunfähigkeit die Schlüssel und das Fahrtenbuch für das Dienstfahrzeug herauszugeben. Die Möglichkeit, einen Zweitschlüssel für das Fahrzeug fertigen zu lassen, stand der Berechtigung des Verlangens nicht entgegen. Dem Kläger war das Dienstfahrzeug samt Utensilien nur zu dienstlichen Zwecken überlassen.

26

bb) Revisionsrechtlich ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden, es sei unerheblich, dass dem Kläger als einzigem Mitarbeiter der Dienstwagen nicht auch zur privaten Nutzung überlassen worden war. Der Kläger hat keine Tatsachen dafür vorgetragen, dass es sich um eine unzulässige Maßregelung oder einen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz handeln könnte.

27

cc) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Kläger habe die Anweisungen der Beklagten, die Utensilien für das Dienstfahrzeug für die Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit herauszugeben bzw. mitzuteilen, wie eine Übergabe erfolgen könne, nicht befolgt und habe damit diese sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebende Pflicht objektiv nicht erfüllt.

28

dd) Nicht zu beanstanden ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei auch den Anzeige- und Nachweispflichten im Zusammenhang mit seiner Arbeitsunfähigkeit nicht korrekt nachgekommen.

29

(1) Die Beklagte hatte den Kläger mit den Abmahnungen vom 16. und 18. Februar 2009 darauf hingewiesen, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seinem Vorgesetzten oder dessen Stellvertreterin vorzulegen seien. Obgleich er jedenfalls am 21. Februar 2009 vom Inhalt der Abmahnungen Kenntnis genommen hatte, sandte der Kläger die Bescheinigung für den Zeitraum vom 21. bis zum 28. Februar 2009 nicht an den Vorgesetzten oder dessen Stellvertreterin, sondern zu Händen einer Mitarbeiterin nach H.

30

(2) Auch hatte der Kläger die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit vorweg nicht unverzüglich angezeigt. Die Verpflichtung zur Anzeige nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG gilt nach dem Sinn und Zweck der Regelung für den Fall einer Fortdauer der Erkrankung entsprechend(ErfK/Dörner 12. Aufl. § 5 EFZG Rn. 19; HaKo-EFZR/Feichtinger 2. Aufl. § 5 EFZG Rn. 16; Kunz/Wedde EFZR 2. Aufl. § 5 EFZG Rn. 61; Lepke Krankheit als Kündigungsgrund 13. Aufl. Rn. 514; Schmitt EFZG 6. Aufl. § 5 Rn. 128 f. mwN). Nach der ausdrücklich Anweisung der Beklagten war auch die Anzeige gegenüber dem Vorgesetzten oder dessen Vertreterin vorzunehmen. Statt dessen zeigte der Kläger die voraussichtliche Fortdauer seiner Erkrankung am 24. Februar 2009 zunächst nur dem Sachbearbeiter „Einsatzsteuerung“ an. Seinen Vorgesetzten setzte er erst um 21:33 Uhr per E-Mail in Kenntnis.

31

ee) Hingegen hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe in vorwerfbarer Weise gegen seine Vertragspflichten verstoßen, einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Kläger hat hinreichend substantiiert dargelegt, in der Zeit vom 9. Februar 2009 bis 7. März 2009 aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen zu einem pflichtgemäßen Verhalten nicht in der Lage gewesen zu sein. Auf der Grundlage seines Vorbringens war ihm die Erfüllung seiner Pflichten aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen subjektiv unmöglich, deren Nichterfüllung daher nicht vorwerfbar. Eine beharrliche Weigerung, die Pflichten zu erfüllen, lag unter den behaupteten Umständen nicht vor.

32

(1) Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2010 vorgetragen, er habe sich im Zeitraum vom 9. Februar 2009 bis 7. März 2009 in einer akuten depressiven Episode befunden. Diese sei durch völlige Antriebsschwäche gekennzeichnet gewesen. Er habe unter Schlafstörungen und Erschöpfungszuständen gelitten, die ihn zeitweise tagelang ans Bett gefesselt hätten. Neben Antriebsstörungen habe er eine massive Tendenz zum sozialen Rückzug sowie eine Vermeidungshaltung aufgewiesen. Er sei in seiner Konzentrations- und Denkfähigkeit völlig eingeschränkt gewesen. Aufgrund dessen sei er nicht in der Lage gewesen, zu handeln wie von ihm verlangt. Er habe weder die Rückgabe des Schlüssels organisieren noch mit entsprechenden Personen Rücksprache halten können. Aufgrund seines Zustands habe er sogar vergessen, dass sich die Gegenstände überhaupt in seinem Besitz befunden hätten.

33

(2) Trifft dies zu, war es dem Kläger aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen - und damit aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen - subjektiv nicht möglich, seine Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen. Der Kläger hat im einzelnen dargelegt, worunter er gelitten habe, so dass er seinen Pflichten nicht habe nachkommen können. Auch wenn sich eine solche Einschränkung der Handlungsfähigkeit nicht bereits aus den vorgelegten Attesten ergibt, ist das Vorbringen des Klägers erheblich. Der Kläger hat sich zum Beweis nicht nur auf die ärztlichen Bescheinigungen und das Zeugnis des ihn erst später behandelnden Dr. L berufen. Er hat außerdem Beweis angetreten durch das Zeugnis der Hausärztin, die ihn im fraglichen Zeitraum behandelt habe, und hat diese von der Schweigepflicht entbunden.

34

(3) Die Behauptung des Klägers, er habe in der Zeit vom 9. Februar 2009 bis 7. März 2009 krankheitsbedingt nicht wie von ihm verlangt handeln können, ist durch seinen Anruf bei dem Sachbearbeiter am Morgen des 24. Februar 2009 und seine E-Mail an den Vorgesetzten am Abend desselben Tages nicht widerlegt. Zum einen hat er auch damit seine Anzeigepflichten nicht weisungsgerecht erfüllt. Zum anderen ist nicht ausgeschlossen, dass ihm gerade im Verhältnis zu seinem Vorgesetzten ein pflichtgemäßes Verhalten nicht möglich war.

35

II. Die Rechtsverletzung, die die Begründung des Berufungsurteils ergibt, führt zu dessen Aufhebung. Das Urteil stellt sich nicht etwa aus anderen Gründen als richtig dar (§§ 561, 562 Abs. 1 ZPO). Dies wiederum führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 1, Abs. 3 ZPO).

36

1. Ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist, kann der Senat nicht selbst entscheiden. Es steht noch nicht fest, ob dem Kläger die Nichterfüllung seiner Pflichten vorwerfbar ist. Das Landesarbeitsgericht wird der Beklagten Gelegenheit geben müssen, das Vorbringen des Klägers, eine ordnungsgemäße Pflichterfüllung sei ihm im fraglichen Zeitraum aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich gewesen, zu entkräften.

37

2. Der Rechtsstreit ist auch nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung reif. Die Kündigung ist nach den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.

38

a) Eine Kündigung ist gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht nur unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat überhaupt zu beteiligen, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat, er insbesondere seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht ausreichend nachgekommen ist(BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 45, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - Rn. 13, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 163 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 26). An die Mitteilungspflicht sind nicht dieselben Anforderungen zu stellen, wie an die Darlegung des Arbeitgebers im Prozess. Es gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - aaO; 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - aaO). Dagegen führt eine bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung zu einer fehlerhaften Anhörung (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - aaO; 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20 ). Zu einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Information des Betriebsrats gehört auch die Unterrichtung über dem Arbeitgeber bekannte und für eine Stellungnahme des Betriebsrats möglicherweise bedeutsame Tatsachen, die den Arbeitnehmer entlasten und deshalb gegen den Ausspruch einer Kündigung sprechen können (BAG 6. Februar 1997 - 2 AZR 265/96 - Rn. 19, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 85 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 96).

39

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Betriebsratsanhörung nach den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden.

40

aa) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, die Beklagte habe den Betriebsrat mit Schreiben vom 2. März 2009 zu der beabsichtigten Kündigung angehört, und hat den Inhalt des Anhörungsschreibens in Bezug genommen. Danach hat die Beklagte den Betriebsrat über alle Umstände unterrichtet, die aus ihrer Sicht für den Kündigungsentschluss relevant waren und den Sachverhalt hätten beeinflussen können. Dies galt auch für die Vorgänge aus dem Jahr 2003.

41

bb) Die Beklagte musste sich im Rahmen der Anhörung des Betriebsrats nicht näher mit der „tatsächlichen Erkrankung“ des Klägers auseinandersetzen. Sie hatte den Betriebsrat im Anhörungsschreiben darüber informiert, dass der Kläger seit dem 9. Februar 2009 arbeitsunfähig krank war. Der Kläger hat nicht behauptet, die Beklagte habe schon vor Ausspruch der Kündigung davon gewusst, dass auch seine Handlungsfähigkeit eingeschränkt gewesen sei.

42

cc) Die Anhörung des Betriebsrats ist nicht deshalb fehlerhaft, weil das Anhörungsschreiben „keinerlei entlastende Momente“ darlegt und über eine Anhörung des Klägers selbst nichts berichtet. Welche weiteren, der Beklagten bekannten und den Kläger entlastenden Tatsachen dem Betriebsrat nicht mitgeteilt worden sein sollen, ist nicht ersichtlich. Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist - abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall einer Verdachtskündigung - keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. Schon deshalb ist ihre Nichterwähnung unschädlich.

43

c) Die Beklagte hat den Betriebsrat auch mit dem Hinweis auf ein „unentschuldigtes Fehlen“ des Klägers am 22. November 2008 subjektiv nicht falsch unterrichtet. Nach Auffassung der Beklagten war der Kläger an diesem Tag zur Arbeitsleistung verpflichtet.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Söller    

        

    Baerbaum    

                 

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.