Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 23. Nov. 2012 - 6 Sa 196/12

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2012:1123.6SA196.12.0A
bei uns veröffentlicht am23.11.2012

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 13.3.2012, AZ: 8 Ca 1905/11, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den Umfang eines Monatspauschallohns sowie über rückständige Vergütungen.

2

Die am ... Februar 1955 geborene Klägerpartei wird seit dem 1. September 1989 von dem Beklagten als Busfahrer/ in beschäftigt. Schon bei Vertragsschluss galten für beide Vertragsteile die Tarifverträge des (privaten Omnibus-) Verkehrsgewerbes in Rheinland-Pfalz.

3

Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 15. Februar 1996 heißt es auszugsweise (Ablichtung in Bl. 19 ff. d.A.):

4

„Arbeitsvertrag (Änderungsvertrag) für gewerbliche Arbeitnehmer im Verkehrsgewerbe

5

2. Tarifbindung:

6

Das Arbeitsverhältnis unterliegt den jeweiligen Tarifverträgen für das Verkehrsgewerbe Rheinland-Pfalz, soweit nicht nachstehend etwas zusätzliches vereinbart wird.
...

7

7. Entlohnung:

8

Der Arbeitnehmer wird in die Lohntabelle 2 Lohngruppe 5a des jeweils gültigen Lohntarifvertrages des Verkehrsgewerbes Rheinland-Pfalz eingestuft.

9

Der Monatspauschallohn beträgt 3.000,00 DM[.] Ein etwa über den tariflichen Lohn hinausgehender Betrag ist eine freiwillige, jederzeit widerrufbare Leistung, auf welche tarifliche Lohnanhebungen in Anrechnung gebracht werden können.

10

Monatspauschallohn Grundlage Arbeitszeit: Fünf-Tagewoche
Bei Monatspauschallohn ist mit diesem die geleistete Arbeitszeit einschließlich Mehrarbeit und Mehrarbeitszuschläge von Montag bis Freitag abgegolten.
Bewertung Samstags- und Sonntagsarbeit
Zur Berechnung des Wochenendlohnes (Samstag- und Sonntagsarbeit) wird der Stundenlohn des jeweils gültigen Tarifvertrages
Lohntabelle 2 Lohngruppe 5a
zu Grunde gelegt.

11

Berechnungsmodus:

12

Lenkzeit sowie bis zu 2 Stunden Wartezeit: voller Grundlohn
restliche Wartezeit: halber Grundlohn
Neben dem Grundlohn werden die entsprechenden Zuschläge gewährt.
Die Berechnung der Zuschläge erfolgt nach den jeweils gültigen Manteltarifvertrag § 14, Abs. 3.
Als Zuschläge werden derzeit neben dem Grundlohn gezahlt:

13

Mehrarbeit Samstags

6:00 Uhr bis 21:00 Uhr 25 %

Nachtarbeit

21:00 Uhr bis 6:00 Uhr 50 %

Sonntagsarbeit

0:00 Uhr bis 24:00 Uhr 50 %

Feiertagsarbeit

0:00 Uhr bis 24:00 Uhr 120 %

14

Beim Zusammentreffen mehrerer Zuschläge wird nur der jeweils höhere Zuschlag gezahlt.
Arbeitsleistung an Wochenfeiertagen Montag bis Freitag
Fällt ein Feiertag auf einen Wochentag wird zusätzlich zum Lohn der jeweils gültige Stundenlohn mit dem jeweiligen Zuschlag nach dem Manteltarifvertrag (derzeit 120 %) für die Lenkzeiten sowie 2 Stunden Wartezeit voll in Ansatz gebracht, die restliche Wartezeit wird mit dem halben sich errechnenden Stundenlohn vergütet.
...“

15

Aus den zur Akte gereichten Dienstplänen der Klägerpartei ergibt sich, dass die Klägerpartei überwiegend in Strecken oder auf Linien des S-P-Busses eingesetzt ist, dass ferner Schulen über Haltestellen angefahren werden, an denen auch Nicht-Schüler zusteigen und aufgenommen werden können (Ablichtung der Plänen in Bl. 28 f. d.A.).

16

Der Beklagte rechnete der Klägerpartei gegenüber zuletzt einen „Monatspauschallohn“ bzw. „Monatslohn Mo-Fr“ von 1.978,02 EUR ab und zahlte diesen monatsweise aus (Ablichtungen der Abrechnungen Juli bis Oktober 2011 in Bl. 33-35, 91 d.A.). Gemäß Anlage 3 des „Tarifvertrags über Löhne und Gehälter Verkehrsgewerbe Rheinland-Pfalz (Omnibusbetriebe)“ zwischen der Vereinigung der Arbeitgeberverbände Verkehrsgewerbe Rheinland-Pfalz e.V. (welchem der Beklagte angehört) und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (deren Mitglied die Klägerin ist) vom 7. April 2011 - nachfolgend LTV 2011 - gilt zur „Lohntabelle 2 Lohngruppe 3: Omnibusfahrer - Linienverkehr (Einmannverkehr)“ein „Monatslohn ab 10. Jahr BZ (Bewährungsaufstiegsstufe)“ in Höhe von 1.997,50 EUR.

17

Weiter rechnete der Beklagte der Klägerpartei gegenüber in den Monaten Juli, September und Oktober 2011 gesondertes Entgelt für Wochenend- und/ oder Feiertagsarbeiten nebst Zuschlägen im Umfang ab, und zwar in Höhe von 95,13 EUR für Samstags- und Sonntagsverkehr im Juli (Abrechnungsablichtung in Bl. 91 d.A.), von 78,47 EUR für Samstagsverkehr im September (Abrechnungsablichtung in Bl. 34 d.A.) und 172,44 EUR für Samstags- und Feiertagsverkehr im Oktober (Abrechnungsablichtung in Bl. 35 d.A.).

18

Die Klägerpartei machte mit gewerkschaftlichem Schreiben vom 19. Oktober 2011 Forderungen in Höhe von vier mal 19,48 EUR (= 77,92 EUR) für den Zeitraum von Juli (offensichtlich versehentlich heißt es in der Klageschrift: August) 2011 bis einschließlich Oktober 2011 geltend und verfolgt diesen Anspruch bei Klagezustellung vom 2. Dezember 2011 gerichtlich weiter.

19

Die Klägerpartei hat erstinstanzlich - zusammengefasst - vorgebracht:

20

Mit der vertraglichen Monatspauschale sei die tariflich pauschalierte Vergütung, und zwar auf Basis einer Vollzeitstelle gemeint (von Teilzeit sei an keiner Stelle im Arbeitsvertrag eine Rede). Die Handhabung der Lohnabrechnungen zeige, dass Wochenendzeiten daneben als Mehrarbeiten vergütet würden. Sie (die Klägerpartei) habe entsprechend den Linienplänen sowie unter Einschluss der üblichen Vorbereitungsarbeiten - Kontrolle von Bussen vor und nach Fahrtschluss usw. - monatlich mindestens 170 Stunden zu arbeiten gehabt und könne - selbst wenn der Beklagte ihr monatlich zwischen Montag und Freitag vereinzelt weniger als 170 Stunden abverlangt - habe, nach den Grundsätzen des Annahmeverzugs gleichwohl noch den Monatspauschallohn verlangen. An einer Bewährung im Sinne des LTV könne kein Zweifel bestehen, weil sie (die Klägerpartei) ihre Arbeitsleistungen unter Einhaltung des Fahrplans, Reinigung des Busses, regelmäßigen Kassiertätigkeiten und ordnungsgemäßen Abrechnungen stets vorgabengemäß erbracht habe.

21

Die Klägerpartei hat erstinstanzlich beantragt,

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den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 77,92 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

23

Der Beklagte hat beantragt,

24

die Klage abzuweisen.

25

Der Beklagte hat erstinstanzlich - zusammengefasst - vorgetragen:

26

Der vertragliche Monatspauschallohn könne nicht auf den tariflich pauschalierten Monatslohnwert bezogen werden. Er beziehe sich nur auf die Tage Montag bis Freitag, während der Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer im rheinland-pfälzischen Verkehrsgewerbe von einer Sechs-Tage-Wochen ausgehe. Der ursprüngliche Lohn habe mit 3.000,00 DM auch nur einen Gegenwert von ca. 1.500,00 EUR gewährleistet. Weder im fraglichen Zeitraum noch über die gesamte Tätigkeitszeit hinweg habe die Klägerpartei im Übrigen 170 Stunden im Monat gearbeitet (Beweis: Zeugnis Herr E). Die Klägerpartei sei zudem auch mit mehr als 50 % ihrer Arbeitsleistung zum Schülertransport eingesetzt gewesen, sodass fraglich sei, ob es sich bei ihrer Tätigkeit um einen überwiegenden Einsatz im Linienverkehr im Sinne der Lohngruppe 3 der Lohntabelle 2 des LTV 2011 handeln könne. Die Behauptung der Klägerpartei, sich bewährt zu haben, treffe zudem ebenfalls nicht zu.

27

Das Arbeitsgerichts hat der Klage mit Urteil vom 13. März 2012 (Bl. 42-49 d.A.), auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands Bezug genommen wird, im vollen Umfang entsprochen und hierzu zusammengefasst ausgeführt:

28

Die Klägerpartei habe Anspruch auf den begehrten pauschalierten Monatslohn in Höhe von jeweils 1.997,50 EUR brutto aufgrund des Arbeitsvertrags i.V.m. Anlage 3 der Lohntabelle 2 zu Lohngruppe 3 LTV 2011. Der Beklagte habe ihr (der Klägerpartei) einen Monatspauschallohn zugesagt, welcher dem im Tarifvertrag bestimmten schon begrifflich so ähnlich sei, dass er ihm gleichgesetzt werden müsse. Etwaige Unklarheiten gingen wegen der Vorformuliertheit des Arbeitsvertrages zulasten des Beklagten. Da zum Wesen einer Pauschalierung weiter gehöre, dass sämtliche Arbeitsleistungen ohne Prüfung von Minderleistungen erfasst würden, komme es auf die Frage, ob konkret 170 Stunden gearbeitet seien, nicht weiter an. Nach Ziff. 2.5 Abs. 2 (gemeint wohl § 2 Abs. 6 Unterabs. 2) LTV 2011 bestehe zudem bei einer Mischtätigkeit nach den Lohngruppen 2 und 3 ein grundsätzlicher Anspruch auf den pauschalierten Monatslohn der Lohngruppe 3 der Lohntabelle 2 Anlage 3 LTV 2011. Die Frage, ob und in welchem Verhältnis Schüler- oder Linienverkehr erbracht worden sei, könne mithin offen bleiben. Mangels konkreter gegensätzlicher Anhalte sei auch von keiner mangelnden Bewährung auszugehen.

29

Der Beklagte hat gegen das ihm am 23. März 2012 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 13. April 2012, eingegangen bei dem Landesarbeitsgericht am gleichen Tag, die vom Arbeitsgericht zugelassene Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 25. Juni 2012 verlängerten Frist mit Schriftsätzen vom 23. Mai 2012 und 25. Juni 2012, eingegangen jeweils am gleichen Tag, begründet.

30

Der Beklagte trägt zweitinstanzlich - zusammengefasst - vor:

31

Die vertragliche Monatspauschale sei gegenüber dem Tarifvertrag eigenständig, weil sie sich nicht auf die tarifliche Pauschale beziehen lasse. Sie sei tarifunabhängig und - nach betriebsüblicher Steigerungen - erst zuletzt leicht untertariflich ausgefallen. Der an die Klägerpartei monatsweise insgesamt ausgekehrte Lohn habe im Übrigen - mit Ausnahme des Monats August 2011 (wegen dessen keine Einwände gegen die erstinstanzliche Entscheidung erhoben würden) - aufgrund ergänzender Zahlungen für Mehrarbeit an Samstagen, Sonntagen oder Wochenfeiertagen einschließlich Zuschlägen während Juli, September und Oktober 2011 die tariflich pauschalierten Monatslohnsätze nicht unterschritten. Die Klägerpartei habe dabei jeweils nicht mehr als 170 Arbeitsstunden an sechs Tagen gearbeitet, sondern vielmehr wenigstens sieben, im Einzelfall sogar über 20 Stunden zu wenig (Zeugnis Herr E) - beispielsweise Juni 2011 zwischen Montag und Freitag nur 95,78 Leistungsstunden, im Juli 80,97, im September 163,81 und im Oktober nur 144,82 Stunden.

32

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

33

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 13. März 2012 - 8 Ca 1905/11 - abzuändern und
die Klage hinsichtlich eines 19,48 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 2. November 2011 übersteigenden Betrags abzuweisen.

34

Die Klägerpartei beantragt,

35

die Berufung zurückzuweisen.

36

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und trägt ergänzend vor, dass das Beklagtenvorbringen zu vermeintlich untertariflichen Stundenleistungen in erster- und zweiter Instanz auseinanderfalle und deshalb unbeachtet bleiben müsse. In erster Instanz sei von wenigstens 7 Stunden gehandelt worden, in zweiter Instanz von nahezu nur der Hälfte eines 170-stündigen Monatsleistungsbetrags. Es fehle jeder Anhalt, wie der Beklagte die behauptete Arbeitsleistung errechnet habe.

37

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands zweiter Instanz wird auf die wechselseitigen Schriftsätze (des Beklagten vom 23. Mai und 25. Juni 2012, Bl. 69 ff., 76 ff. d.A. sowie der Klägerpartei vom 30. August 2012, Bl. 109 ff. d.A.) nebst Anlagen, ferner die zur Akte gereichten Unterlagen sowie das Protokoll vom 23. November 2012 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

38

Die Berufung ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage mit zutreffenden Erwägungen entsprochen.

I.

39

Die Berufung ist - soweit sie (antragsgemäß) reicht - zulässig. Die Statthaftigkeit folgt aus der Zulassung im arbeitsgerichtlichen Urteil (§ 64 Abs. 2 Buchst. a ArbGG). Die Einlegung erfolgte form- und fristgerecht (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2 ArbGG i.V.m. §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519 ZPO), die Begründung ordnungsgemäß und rechtzeitig innerhalb der verlängerten Frist (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2 ArbGG i.V.m. §§ 64 Abs. 6 Satz 1, 522 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Aufgrund der antragsgemäßen Beschränkung fällt der Rechtsstreit allerdings hinsichtlich des für August 2011 in Höhe von 19,48 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % - Punkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 2. November 2011 ausgeurteilten Differenzbetrags nicht mehr in der Berufungsinstanz an (§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, § 528 ZPO); insofern ist das angegriffene Urteil rechtskräftig.

II.

40

Die Berufung ist nicht begründet. Die Klägerpartei hat aufgrund ihres Arbeitsvertrags einen Anspruch auf die vom Arbeitsgericht zuerkannten Differenzlohnbeträge. Der angegriffenen Entscheidung ist dabei in seiner Begründung mit den nachstehenden Maßgaben zu folgen (§ 69 Abs. 2 ArbGG):

41

1. Die arbeitsvertragliche Regelung gewährleistet der Klägerpartei nach in Ziffer 7 Abs. 2-4 einen Vergütungsbetrag für die von Montag bis Freitag zu leistende Arbeit, welche die tariflich pauschalierte Lohnsumme für Busfahrer im Linienverkehr (Einmannverkehr) mit 170 Stunden nach dem Tarifvertrag des rheinland-pfälzischen Verkehrsgewerbes nicht unterschreitet. Dies ergibt die Auslegung der arbeitsvertraglichen Vereinbarung.

42

a) Dabei gilt, dass Verträge so auszulegen sind, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern (§ 157 BGB). Gemäß § 133 BGB ist zunächst ausgehend vom objektiven Wortlaut der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Bei der Auslegung sind alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein können, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung gehabt hat und wie die Erklärung von ihrem Empfänger zu verstehen war (BAG 18.10.2011 - 9 AZR 303/10 - Rn. 16, NZA 2012, 143). Für den Inhalt Allgemeiner Geschäftsbedingungen gilt ein objektiv-generalisierender Auslegungsmaßstab. Allgemeine Vertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so aufzufassen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (BAG 28.6.2012 - 6 AZR 217/11 - Rn. 30, MDR 2012, 1233).

43

b) Der Arbeitsvertrag der Parteien des Rechtsstreits beinhaltet in Ziff. 7 allgemeine Vertragsbedingungen.

44

aa) Nach § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB sind allgemeine Geschäftsbedingungen alle für ein Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) einer anderen bei Abschluss eines Vertrages stellt. Aus dem Inhalt - namentlich aufgrund formelhafter Klauseln, die ohne Zuschnitt auf individuelle Vertragssituationen normiert werden - sowie der äußeren Gestaltung der in einem Vertrag verwendeten Bedingungen kann sich ein - vom Verwender zu widerlegender - Anschein dafür ergeben, dass sie zur Mehrfach-, mindestens dreimaligen, Verwendung vorformuliert worden sind (BAG 1.3.2006 - 5 AZR 363/05 - Rn. 20, NZA 2006, 746).

45

bb) Vorliegend vermittelt schon der augenscheinsgemäße Eindruck der abgelichteten Arbeitsvertragsniederschrift diesen Anschein. Dies einerseits aufgrund der drucktechnisch abgesetzten Gestaltung einzelner Vertragsbedingungen, die mit Balkenüberschriften versehen, durchnummeriert und die Arbeitnehmerpersonalien bei geschlechtsneutraler Sprachfassung an tabulatorisch eingerückten Stellen (vgl. Ziff. 1 Beginn, Ziff. 7 Entlohnung, Ziff. 8 Spesen) beinhalten. Hinzu kommt außerdem, dass die Klauseln inhaltlich nicht auf die individuelle Vertragslage der Parteien bezogen wurden - wie sich etwa für Ziff. 5 (Inhalt der Tätigkeit), 6 (Sonderregelungen für Kraftfahrer), 9 (Urlaub), 11 (Nebentätigkeit), 12 (Vertragsstrafe Schadensersatz) und 13 (Bearbeitungsgebühr, Pfändung, Abtretung) ergibt, die lediglich generalisierend auf Sachlagen zugeschnitten sind, die im Vertragsleben bisweilen vorkommen kommen, keineswegs jedoch müssen.

46

cc) Im Übrigen wurden in fünf am gleichen Tag vor der Berufungskammer verhandelten und im Wesentlichen parallel gelagerten Streitigkeiten (6 Sa 196/12, 199/12, 201/12, 202/12 und 203/12) Arbeitsverträge vorgelegt, die der Beklagte in zeitlicher Nähe zum vorliegend in Frage stehenden und mit äußerlich wie inhaltlich nahezu gleichförmigen Bedingungen geschlossen hatte.

47

c) Dem Wortlaut und dem typischerweise verfolgten Zweck entsprechend können Ziff. 7 Abs. 2-4 des Arbeitsvertrags nur auf den tariflich pauschalierten Monatspauschallohn des rheinland-pfälzischen Verkehrsgewerbes bezogen werden.

48

aa) Der vertragswortlaut ist bei der Auslegung allgemeiner Vertragsbedingungen ein wesentlicher Ansatzpunkt (BAG 28.6.2012 - 6 AZR 217/11 - Rn. 30, MDR 2012, 1233). Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger wie redlicher Vertragspartner den Ausschlag gibt. Für Klauseln, die auf kollektivrechtlich ausgehandelte Vertragsbedingungen Bezug nehmen oder inhaltlich mit ihnen übereinstimmen, gilt, dass sie nach denselben Maßstäben auszulegen sind, wie einseitig vom Arbeitgeber vorformulierte Klauseln (BAG 19.3.2009 - 6 AZR 557/07 - Rn. 21 f., NZA 2009, 896). Bei der Auslegung kollektiv-rechtlicher Normen geht ein am objektiven Inhalt und typischen Sinn orientiertes Verständnis dahin, verwendete Fachbegriffe so aufzufassen, wie sie im Handelsverkehr und Wirtschaftsleben verstanden werden und damit den Anschauungen der beteiligten Berufskreise entsprechen (BAG 22.9.2010 - 4 AZR 33/09 - Rn. 28, juris).

49

bb) Die Wendung „Monatspauschallohn“ in Ziff. 7 Abs. 2 bis 4 Arbeitsvertrag weist in seiner Umschreibung unverkennbare Bezüge zum pauschalierten Monatslohn im Tarifwerk für das private Verkehrsgewerbe Rheinland-Pfalz auf.

50

(1) Dies folgt für die Zeit des Vertragsschlusses mit Rücksicht auf den - für die Parteien geltenden (so das unbestrittene Klägervorbringen) - Manteltarifvertrag gewerbliche Arbeitnehmer vom 7. September 1994, abgeschlossen zwischen der Vereinigung der Arbeitgeberverbände Verkehrsgewerbe Rheinland-Pfalz e.V., Koblenz, und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, Bezirksverwaltung Rheinland-Pfalz - nachfolgend MTV 1994.

51

(a) Dieser bestimmte u.a.:

52

㤠11 Lohngruppen und Entlohnung

53

(1) Die im jeweils gültigen Lohntarifvertrag festgelegten Lohnsätze gelten für Arbeitnehmer über 18 Jahre. Sie sind Mindestbedingungen und unabdingbar.

54

(2) Die Entlohnung erfolgt nach Lohngruppen, die im Lohntarifvertrag geregelt werden.

55

(5) Der Lohnzahlung ist eine Abrechnung beizufügen. Aus ihr muss ersichtlich sein: … Sofern ein pauschalierter Monatslohn vereinbart ist, entfällt die Verpflichtung der einzelnen Auflistung für die Teile, für die eine Pauschalierung vereinbart ist.

56

§ 14 Pauschalabgeltung

57

(1) Die Vereinbarung von Pauschalbeträgen zur Abgeltung von Löhnen, Lohnzuschlägen und besonderen Zulagen ist zulässig, wenn sichergestellt ist, dass die tariflichen Bestimmungen eingehalten werden.

58

(2) Für die Berechnung der pauschalierten Monatslöhne wird die regelmäßige monatliche Arbeitszeit in den Verkehrsteilbereichen zugrunde gelegt. … Die regelmäßige monatliche Arbeitszeit beträgt derzeit …

59

4. Arbeitnehmer der Anlage 3

60

Linienverkehr nach Nr. 1 Abschn. II

170 Stunden

Übriges Omnibusgewerbe nach Nr. 1 Abschn. III

213 Stunden

61

Protokollnotiz:

62

Die VAV [Vereinigung der Arbeitgeberverbände Verkehrsgewerbe] erstellt jeweils nach Abschluss der Lohnverhandlungen Pausschallohntabellen. Diese Tabellen werden den Mitgliedsfirmen mit einer verbindlichen Empfehlung der VAV zugestellt und beinhalten den Pauschallohn, den der Arbeitgeber bei den jeweils vorgegebenen Monatsstunden zu zahlen verpflichtet ist.“

63

(b) Die Wendung „Monatspauschallohn“ in Ziff. 7 Abs. 2-4 des Arbeitsvertrags lag - wie vom Arbeitsgericht zutreffend beurteilt - so nah bei dem in § 11 Abs. 5 und § 14 Abs. 1 und 2 MTV 1994 normierten „pauschalierten Monatslohn“, dass kein Bestimmungsunterschied erkennbar blieb. Die Verknüpfung der Begriffsbestandteile „pauschal“ oder „pauschaliert“ mit der Wendung „Monatslohn“ ist in der arbeitsvertraglichen Praxis weder gängig (vgl. Preis/ Peters-Lange Der Arbeitsvertrag A II 70 Rn. 15 ff.; Hümmerich Gestaltung von Arbeitsverträgen Kap. 1 Rn. 1504 ff.), noch macht sie für den Zusatz „pauschal“ oder „pauschaliert“ Sinn, wenn nicht auf bestimmte Pauschalierungsgegenstände Bezug genommen sein sollte, die vorliegend nur vor dem tariflichen Hintergrund der §§ 12 und 13 MTV 1994 in Gestalt allgemeiner wie besonderer Zulagen Sinn ergaben und mithin gefolgert werden konnten. Hätten die Parteien statt einer derart weitgreifende Inhalte in Bezug nehmenden Pauschalierung einen schlichten Bruttomonatslohn festlegen wollen, hätte nichts näher gelegen, als eben dies begrifflich in den Vertrag aufzunehmen.

64

(c) Anderes folgt auch nicht aus dem Beklagteneinwand, es müsse sich gleichwohl um eine eigenständige vertragliche Lohnbestimmung handeln. Nur vordergründig ist dem zuzugeben, dass der konkret bezifferte Satz keinem der seinerzeit zu dem zwischen der Vereinigung der Arbeitgeberverbände Verkehrsgewerbe Rheinland-Pfalz e.V., Koblenz, und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, Bezirksverwaltung Rheinland-Pfalz am 7. September 1994 abgeschlossenen Lohntarifvertrag - nachfolgend LTV 1994 - ermittelten Pauschalwert entsprach. Die tariflichen Regelungen lauteten auszugsweise wie folgt:

65

„Monatslohntabelle

66

Der pauschalierten Löhne der Lohntabelle 2 des Lohntarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer im privaten Transport- und Verkehrsgewerbe Rheinland-Pfalz ab 01.09.1994:

67

Lohngruppe 5a: Omnibusfahrer

68

Regelmäßige Arbeitszeit: 213 Stunden monatlich
Höchstzulässige Arbeitszeit: 252 Stunden monatlich

69
        

Grundlohn 14,11 DM

Ab dem 3. Jahr Betriebszugehörigkeit 14,47 DM

        

Mehrarbeitszuschlag 3,53 DM (25 % vom Grundlohn)

Mehrarbeitszuschlag 3,62 DM (25 % vom Grundlohn)

213 Std.

3.005,43 DM + 21,30 DM Bkf-Zulage*)

3.082,11 DM + 21,30 DM Bkf-Zulage*)

218 Std.

3.093,63 DM + 21,80 DM Bkf-Zulage*)

3.172,56 DM + 21,80 DM Bkf-Zulage*)

…       

…       

…       

70

Lohngruppe 5b: Omnibusfahrer - Linienverkehr (Einmannfahrer)

71

Regelmäßige Arbeitszeit: 170 Stunden monatlich
Höchstzulässige Arbeitszeit: 252 Stunden monatlich

72
        

Grundlohn 14,94 DM

Ab dem 3. Jahr Betriebszugehörigkeit 15,23 DM

        

Mehrarbeitszuschlag 3,53 DM (25 % vom Grundlohn)

Mehrarbeitszuschlag 3,62 DM (25 % vom Grundlohn)

170 Std.

2.793,10 DM + 17,00 DM Bkf-Zulage*)

2.847,50 DM + 17,00 DM Bkf-Zulage*)

174 Std.

2.873,78 DM + 17,40 DM Bkf-Zulage*)

2.929,74 DM + 17,40 DM Bkf-Zulage*)

…       

…       

…       

73

*) Bkf-Zulage = Berufskraftfahrerzulage: 0,10 DM ab dem 23. Lebensjahr; gleichgestellt sind Kraftfahrer mit Führerschein Klasse II und 3 Jahren Betriebszugehörigkeit.“

74

Gegen die vertragliche Eigenständigkeit spricht indes neben der Einleitung der in Rede stehenden Lohnbestimmung in Ziff. 7 Abs. 2 Satz 1 Arbeitsvertrag mit bestimmtem Artikel („der“ Monatspauschallohn) - was für Branchenkenner nur als auf „den“ typischen, pauschalierten Lohnwert im Sinne des Tarifwerks aufgefasst werden konnte - zudem die im Folgesatz (Ziff. 7 Abs. 2 Satz 2 Arbeitsvertrag) ausdrücklich gebrauchte Wendung „tariflicher Lohn“. Indem außer dem noch einen betragsmäßig über dem tariflichen Pauschallohnwert ein (jederzeit) anrechenbarer weiterer Betrag angesprochen wurde, wird grammatikalisch weiter bestärkt, dass es sich sprachlich bei dem vertraglich vereinbarten Monatspauschallohn nur um einen am tariflich pauschalierten Monatslohn orientierten Wert handeln konnte.

75

(2) Andere Folgerungen erlaubt auch die zuletzt geltende tarifliche Umgebung nicht. Diese blieb nämlich gegenüber dem vorgeschilderten Inhalt im Wesentlichen unverändert. Der zwischen der Vereinigung der Arbeitgeberverbände Verkehrsgewerbe Rheinland-Pfalz e.V., Koblenz, sowie der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Landesbezirk Rheinland-Pfalz (der durch Verschmelzung zum 1. Juli 2001 Rechtsnachfolger der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr wurde, vgl. BAG 11.5.2005 - 4 AZR 315/04 - NZA 2005, 1362) am 16. August 2010 abgeschlossenen Manteltarifvertrag - nachfolgend MTV 2010 - ist in § 11 Abs. 1 und 5 sowie § 14 Abs. 1 und 2 - bis auf die redaktionelle Änderung zu § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 4, dass Nr.4 in Nr. 3 umgewandelt und die Protokollerklärung zu § 14 nach Übernahme der Monatslohnbestimmungen in den Anhang des LTV 2010 bzw. 2011 gestrichen wurde - inhaltlich gegenüber dem MTV 1994 gleichlautend.

76

cc) Auch der nach typischerweise verfolgten beiderseitigen Vertragsinteressen zu beurteilende Sinn und Zweck der Monatspauschallohnlohnbestimmung lässt nur auf eine Inbezugnahme des tariflichen Pauschallohns schließen.

77

(1) Soweit in die Auslegung allgemeiner Arbeitsvertragsbedingungen auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, ist auf die typischen und von redlichen Geschäftspartnern verfolgten Ziele abzustellen (vgl. BAG 19.3.2009 - 6 AZR 557/07 - Rn. 21, NZA 2009, 896).

78

(2) Für Pauschalierungen gilt, dass sich ein solcher anstelle eines Wirklichkeitsmaßstabes in aller Regel aus dem Gesichtspunkt der Praktikabilität rechtfertigt. Es sollen einerseits zeitraubende und umständliche Einzelbemessungen und Nachprüfungen verhindert, andererseits auch Ungleichmäßigkeiten, die sich im Einzelfalle zu Lasten wie zu Gunsten der Betroffenen ergeben können, ausgeglichen werden (vgl. etwa BVerfG 10.5.1962 - 1 BvL 31/58 - zu C IV 1 der Gründe, BVerfGE 14, 76).

79

(3) Wenn die Arbeitsvertragsparteien vorliegend unter genereller wie dynamischer Einbeziehung des vollständigen Tarifwerks (vgl. Ziff. 2 Arbeitsvertrag: „das Arbeitsverhältnis unterliegt 'den' 'jeweiligen' Tarifverträgen …“) im privaten Verkehrsgewerbe Rheinland-Pfalz - d.h. einschließlich sämtlicher Lohnregeln - einen Monatspauschallohn vereinbarten, konnte das nur demselben Zweck dienen, dem auch die pauschalierte Monatslohnsumme im Sinne der Regelungen in §§ 11 Abs. 5 Satz 2, 14 MTV i.V.m. dem jeweiligen LTV galt, nämlich der Meidung einzelner Stunden- und Zuschlagsberechnung nebst Nachprüfungen und ggf. anschließenden Streiten. Ergänzend spricht dafür auch Ziff. 7 Abs. 4 Arbeitsvertrag, der etwaige Mehrarbeitszeiten und -Zuschläge ausdrücklich als in der Pauschale enthalten bezeichnet. Welchen Schwierigkeiten und Streitpotentialen eine derartige Pauschalierung im vorliegenden Tätigkeitssektor typischerweise abzuhelfen vermag, zeigt zudem auch der vorliegende Rechtsstreit anschaulich, in dem der Beklagte zuletzt höchst unterschiedlich ausfallenden monatliche Stunden- und hieraus folgend auch Vergütungswerte für die Klägerpartei vortrug.

80

(4) Des Weiteren gilt, dass Anrechnungsklauseln auf Tariflohnerhöhungen - wie vorliegend in Ziff. 7 Abs. 2 Satz 2 Arbeitsvertrag - sich nur auf Leistungen beziehen können, deren Zweck nicht auf eine bereits im Tarifvertrag entgoltene Tätigkeit gerichtet ist (Thüsing AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht Rn. 286; s.a. Jacobs in Kraus/ Oetker/ Jacobs Tarifvertragsrecht § 7 Rn. 75 ff.). Vereinbaren Arbeitsvertragsparteien in Ergänzung eines begrifflich am Tarifvertrag orientierten und betragsmäßig über dessen Sätzen liegenden Monatspauschallohns einen Anrechnungsvorbehalt für etwaige Tariflohnentwicklungen, kann dem typischerweise nur die Aussage entnommen werden, dass überhaupt die gesamte (Pauschal-)Lohnbestimmung auf tariflichem Mindestgehalt basiert. Dies ergibt sich im vorliegenden Zusammenhang auch aus Ziff. 2 Arbeitsvertrag i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 2 MTV 1994, demnach die tariflichen Lohnwerte ohnehin nur Mindestwerte darstellen. Im Übrigen ergibt eine Anrechnungsvorbehaltsvereinbarung ohne anrechenbaren tariflichen Bezug keinen Sinn.

81

(5) Darüber hinaus wird eine Eigenständigkeit des klauselgemäßen Monatspauschallohns gegenüber dem tariflichen Pauschallohn auch dadurch widerlegt, dass gemäß Ziff. 2 Arbeitsvertrag sämtliche arbeitsvertraglichen Regelungen (Ziff. 3 ff. Arbeitsvertrag) nur „zusätzlich“ zum Tarifwerk des rheinland-pfälzischen Verkehrsgewerbes treten sollten, nicht jedoch hiervon „abweichend“. Da „zusätzlich“ umgangssprachlich nur ein „Mehr“ nicht aber ein „Weniger“ ausdrücken kann (vgl. Wahrig Deutsches Wörterbuch 8. Aufl. Stichwort zusätzlich i.S.v. ergänzend hinzukommend, noch hinzugefügt), unterstreicht auch das den übertariflichen Gestaltungsinhalt in Ziff. 7 Abs. 2-4 Arbeitsvertrag innerhalb des arbeitsvertraglichen Gesamtsinngefüges.

82

d) Der in Ziff. 7 Abs. 1 Satz 1 Arbeitsvertrag in Bezug genommene pauschalierte Monatslohn war betragsmäßig an dem für einen Omnibusfahrer im Linienverkehr (Einmannfahrer) geltenden Wert ausgerichtet.

83

aa) Dies ergibt sich bei wertmäßigem Vergleich der bei Vertragsschluss vereinbarten Monatspauschallohnsumme im Vergleich mit den zum LTV 1994 festgesetzten Pauschallohnsummen. Diese lauteten (wie vor geschildert):

84

„Lohngruppe 5a: Omnibusfahrer

85

Regelmäßige Arbeitszeit: 213 Stunden monatlich
Höchstzulässige Arbeitszeit: 252 Stunden monatlich

86
        

Grundlohn 14,11 DM

Ab dem 3. Jahr Betriebszugehörigkeit 14,47 DM

        

Mehrarbeitszuschlag 3,53 DM (25 % vom Grundlohn)

Mehrarbeitszuschlag 3,62 DM (25 % vom Grundlohn)

213 Std.

3.005,43 DM + 21,30 DM Bkf-Zulage*)

3.082,11 DM + 21,30 DM Bkf-Zulage*)

218 Std.

3.093,63 DM + 21,80 DM Bkf-Zulage*)

3.172,56 DM + 21,80 DM Bkf-Zulage*)

…       

…       

…       

87

Lohngruppe 5b: Omnibusfahrer - Linienverkehr (Einmannfahrer)

88

Regelmäßige Arbeitszeit: 170 Stunden monatlich
Höchstzulässige Arbeitszeit: 252 Stunden monatlich

89
        

Grundlohn 14,94 DM

Ab dem 3. Jahr Betriebszugehörigkeit 15,23 DM

        

Mehrarbeitszuschlag 3,53 DM (25 % vom Grundlohn)

Mehrarbeitszuschlag 3,62 DM (25 % vom Grundlohn)

170 Std.

2.793,10 DM + 17,00 DM Bkf-Zulage*)

2.847,50 DM + 17,00 DM Bkf-Zulage*)

174 Std.

2.873,78 DM + 17,40 DM Bkf-Zulage*)

2.929,74 DM + 17,40 DM Bkf-Zulage*)

…       

…       

…       

90

*) Bkf-Zulage = Berufskraftfahrerzulage: 0,10 DM ab dem 23. Lebensjahr; gleichgestellt sind Kraftfahrer mit Führerschein Klasse II und 3 Jahren Betriebszugehörigkeit.“

91

Nur der pauschalierte Monatslohn der Omnibusfahrer - Linienverkehr (Einmannfahrer) lag hiernach noch unter dem vertragsgemäßen Monatspauschallohn, so dass nur unter seiner Heranziehung betragsmäßige Spielräume zur Einbeziehung und Pauschalierung etwaig anfallender Mehrarbeitszeiten blieben. Nur ihm gegenüber machte auch ein etwaiger Anrechnungsvorbehalt irgendeinen Sinn.

92

bb) Zudem spricht auch der erhöhte Referenzstundensatz für nicht im Linienverkehr eingesetzte Omnibusfahrer mit 213 Stunden monatlich gegen einen Rückgriff durch den Arbeitsvertrag der Parteien. Bei einer Verteilung eines solch hohen Stundensatzes auf die fünf Arbeitstage nach Ziff. 7 Abs. 3 Arbeitsvertrag hätte sich unter Beachtung der arbeitszeitrechtlichen Grenzen einer maximal zehnstündigen Arbeitszeit pro Tag kaum Anwendungsbereich für die in Ziff. 7 Abs. 4 Arbeitsvertrag geregelte Einbeziehung von Mehrarbeitszeiten und dazu gehörenden Zuschlägen eröffnet.

93

(1) Die tarifliche Arbeitszeitregelung bestand zudem nach Anlage 3 Nr. 1 MTV 1994 wie folgt:

94

„Anlage 3

95

Sonderregelung für Kraftfahrer im Personenbeförderungsgewerbe mit Kraftomnibussen
Nr. 1 zu § 6 Arbeitszeit

96

II. Linienverkehre, wenn 1/5 der Arbeitsschicht oder weniger aus Wendezeiten und Arbeitsbereitschaft besteht

97

(1) Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 39 Stunden. …

98

III. Übriges Omnibusgewerbe

99

(1) Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt im Hinblick auf die vorliegende Arbeitsbereitschaft 49 Stunden. …“

100

(2) Die nach § 3 ArbZG geltende arbeitstägliche Höchstarbeitszeit betrug bei Vertragsschluss acht Stunden, bzw. bei Ausgleich auf durchschnittlich acht Stunden in 6 Monaten bzw. 24 Wochen bisweilen zehn Stunden.

101

(3) Auch die nachwirkende tariflichen Öffnung nach § 7 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ArbZG i.V.m. Anlage 3 Nr. 1 Abschn. III Abs. 2 MTV 1994 (§ 30 Abs. 1 Satz 1 HS 2 MTV 1994) konnte das bereits 1989 begründete Arbeitsverhältnis der Parteien nur dann auf den tariflichen Arbeitszeitkorridor ausdehnen, wenn hierin in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst anfiel, wofür beklagtenseits nichts vorgetragen wurde.

102

(4) Die Parteien haben vielmehr während des gesamten Rechtsstreits nur auf einen Monatsstundensatz von 170 als für ihr Arbeitsverhältnis bedeutsam abgestellt.

103

cc) Anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus Ziff. 7 Abs. 1 Arbeitsvertrag. Darin ist zwar bestimmt, dass die Klägerpartei in die Lohngruppe 5a der Lohntabelle 2 des jeweils gültigen Lohntarifvertrags eingestuft wird. Diese Bestimmung trägt indes lediglich der tariflichen Pflicht, den Grundlohn arbeitsvertraglich zu bestimmen (§ 11 Abs. 3 a MTV 1994 bzw. 2010: „Die Einstufung in eine Lohngruppe ist bei der Einstellung und jeder Veränderung der Tätigkeit zu vereinbaren.“). Wie sich schon aus § 11 Abs. 5 MTV folgern lässt, hat die Kennzeichnung eines Grundlohns indes bei Gewährung eines Monatspauschallohns keine abrechnungsweise Bedeutung („Der Lohnzahlung ist eine Abrechnung beizufügen. Aus ihr muss ersichtlich sein: Der Monatsgrundlohn … . Sofern ein pauschalierter Monatslohn vereinbart ist, entfällt die Verpflichtung der einzelnen Auflistung für die Teile, für die eine Pauschalierung vereinbart ist.“). Wegen der schon aus sich heraus ergiebigen, übertariflich ausgestalteten Pauschalierungsabrede in Ziff. 7 Abs. 2 bis 4 Arbeitsvertrag kann Ziff. 7 Abs. 1 Arbeitsvertrag hinsichtlich der Grundlohnzuordnung darüber hinaus allein für die ergänzende Vergütungsregelung in Ziff. 7 Abs. 5 ff. Arbeitsvertrag Bedeutung entfalten. Hinzukommt die in Ziff. 2 Arbeitsvertrag generell nur „zusätzlich“ zum tariflichen Regelungsgefüge tretende arbeitsvertragliche Geltungskraft, die der Einstufungsbestimmung in Ziff. 7 Abs. 1 Arbeitsvertrag jeden konstitutiven Gehalt nimmt. Lediglich generell wird die vertraglich geschuldete Tätigkeit auf eine Mindestwertigkeit der tariflichen Lohngruppe 5a bezogen. Der (substantiiert nicht weiter bestrittene) Klägervortrag, sie (die Klägerpartei) habe sich ordnungsgemäß durch Einhaltung von Fahrplänen, ordnungsgemäße Kassiertätigkeiten sowie Abrechnungen bewährt, legt zudem die Folgerung nahe, dass das Arbeitsverhältnis - jedenfalls in seinem zeitlich besehenen Haupt- bzw. Kerninhalt montags bis freitags - gerade auf einen Linienverkehr im Einmannbetrieb angelegt war (was der Lohngruppe 5b entsprach), denn nur darin fallen eben diese Tätigkeiten weiter an. Nach § 29 MTV 1994 wie 2010 ist „Linienverkehr“ nämlich „eine zwischen bestimmten Ausgangs- und Endpunkten eingerichtete regelmäßige Verkehrsverbindung, auf der Fahrgäste an bestimmten Haltestellen ein- und aussteigen können“. War dieser Tätigkeitsinhalt von vorne herein im Vertrag angelegt, machte es auch im Weiteren Sinn, wenn die Monatspauschallohnsumme eben an jenem im Linienverkehr für Einmannfahrer geltenden Satz auszurichten und lediglich das Randsegment etwaiger Wochenendfahrten auf den Omnibusverkehr im Allgemeinen bezogen war, was nach Ziff. 7 Abs. 1 und 5 ff. Arbeitsvertrag je nach Tätigkeitsanfall die Lohngruppe 5a rechtfertigen mochte.

104

2. Die arbeitsvertragliche Bestimmung des Monatspauschallohns ist dynamisch und nimmt an den tariflichen Entwicklungen Teil. Auch dies ergibt die Auslegung des Arbeitsvertrags.

105

a) Dies folgt wesentlich zunächst aus Ziff. 2 Arbeitsvertrag. Denn nach dieser Bestimmung unterliegt das gesamte Arbeitsverhältnis den „jeweiligen“ Tarifverträgen für das Verkehrsgewerbe Rheinland-Pfalz.

106

aa) Mit der Wendung „jeweilig“ wird arbeitsvertraglich typischerweise auf ein von denselben Tarifvertragsparteien veränderbares Tarifwerk in seiner jeweils gültigen Fassung im Sinne einer sog. Kleinen dynamischen Bezugnahmeklausel verwiesen (vgl. Thüsing AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht Rn. 179). Da der Beklagte sowohl bei Vertragsschluss als auch im maßgeblichen Zeitpunkt tarifgebunden war und die Bezugnahme dem einschlägigen Tarifvertrag galt und gilt, hat die jüngere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht für sog. Gleichstellungsabreden im vorliegenden Zusammenhang keine Bewandtnis (vgl. etwa BAG 17.11.2010 - 4 AZR 127/09 - Rn. 14 ff., NZA 2011, 457).

107

bb) Da als „zusätzlich“ im Sinne der Ziff. 2 Arbeitsvertrag (wie dargelegt) umgangssprachlich nur ein „Mehr“ aufgefasst werden kann und der Vertragsvorbehalt gegenüber dem jeweiligen tariflichen Gefüge auch nicht etwa „Abweichendes“ betrifft, gilt die Dynamik sämtlichen Vertragsteilen, einschließlich der Entlohnungsbestimmungen in Ziff. 7 Arbeitsvertrag. Eine hierin angelegte Statik scheidet zudem auch deshalb aus, weil der Anrechnungsvorbehalt in Ziff. 7 Abs. 2 Satz 2 Arbeitsvertrag einen „jederzeit“-Zusatz trägt. Des Weiteren folgt auch aus dem Pauschalierungszweck, dass die (nach Ziff. 2 Arbeitsvertrag) im jeweiligen Tarifvertragsbetrag zu bewertenden Mehrarbeitszeiten und -Zuschläge bei wohlverstandener Berücksichtigung wechselseitiger Interessen nur mit der jeweils gültigen Pauschallohnsumme abgegolten sein können.

108

b) Gegen ein statisches Verständnis der vertraglich bezeichneten Monatspauschallohnsumme spricht sodann auch der Umstand, dass in Ziff. 7 Abs. 1 und Abs. 5 ff. Arbeitsvertrag für den Grundlohn sowie die hinzukommende Zuschläge während der übrigen Arbeitszeiten auf den jeweils gültigen Lohn- und Manteltarifvertrag verwiesen wird.

109

c) Ferner ergibt die unstreitige Vertragspraxis eine stets gehandhabte Dynamik für den Pauschallohnbetrag. Soweit sie zuletzt hinter der tariflichen Entwicklung zurück blieb, ergab sich kein abweichender vertraglicher Gehalt. Der Beklagtenvortrag lässt weder erkennen, dass und inwiefern die abweichende Anpassungspraxis gehandhabt und offen gelegt wurde. Mangels Kenntnis war der Klägerpartei deshalb kaum zu unterstellen, sich einer irgendwie beachtlichen Vertragsänderungsofferte ausgesetzt zu sehen (zu den Mindestinhalten einer Willenserklärung etwa BAG 23.9.2009 - 5 AZR 973/08 - Rn. 25, EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 50). Zudem konnte der Beklagte - selbst wenn etwaige Anpassungsumstände erkennbar gewesen wären - nach der Verkehrssitte nicht schon das bloße Schweigen der Klägerpartei als Annahme einer (wie auch immer gearteten) abweichenden Anpassungspraxis auffassen (vgl. lag Rheinland-Pfalz - 3 Sa 167/11 - zu A I 2 c der Gründe, NZA-RR 2012, 5).

110

3. Die der Klägerpartei zustehende Monatspauschallohnsumme betrug demnach zwischen Juli und Oktober 2011 jeweils 1.997,50 EUR.

111

a) Die arbeitsvertragliche Dynamik erfasste zuletzt den LTV 2011. Dieser bestimmte den pauschalierten Monatslohn Omnibusfahrer Linienverkehr (Einmannfahrer) wie folgt:

112

„Anhang zu Lohngruppe 3 - Omnibusfahrer Linienverkehr (Einmannfahrer)

113
        

Monatslohn EUR

Monatslohn ab 3. Jahr BZ EUR

Monatslohn ab 7. Jahr BZ EUR

Monatslohn ab 10. Jahr BZ* EUR

170 Std.

1.888,70

1.926,10

1.961,80

1.997,50

114

* Bewährungsaufstiegsstufe“

115

Bei Überführung der ehemaligen Lohntabelle 2 Lohngruppen 5, 5a und 5b in die Lohntabelle 3 Lohngruppen 1, 2 und 3 durch § 4 des zwischen der Vereinigung der Arbeitgeberverbände Verkehrsgewerbe Rheinland-Pfalz e.V., Koblenz, und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, Bezirksverwaltung Rheinland-Pfalz am 9. Oktober 1996 abgeschlossenen Lohntarifvertrags war der Sternzusatz zur Bewährungsaufstiegsstufe wie folgt erläutert:

116

„* hierbei handelt es sich um eine Bewährungsaufstiegsstufe, die folgende Kriterien verlangt: 'Die Bewährungszeit gilt als erfüllt, wenn der Omnibusfahrer sich den Anforderungen, die an ihn gestellt werden, unbeanstandet gewachsen gezeigt hat. Überdurchschnittliche Leistungen sind zur Bewährung nicht erforderlich.'“

117

b) Die Klägerpartei hat eine 10-jährige Betriebszugehörigkeit aufzuweisen. Ihrem Vorbringen, die Arbeitsleistungen stets unter Einhaltung des Fahrplans, der Reinigung von Bussen sowie Kassiertätigkeiten und ordnungsgemäßen Abrechnungen stets vorgabegemäß erbracht zu haben - was den Inhalt der Bewährung wie vom Arbeitsgericht zutreffend beurteilt ausfüllt -, ist der Beklagte nicht substantiiert entgegen getreten. Er hat namentlich keine Gründe genannt, die an einer Bewährung zweifeln ließen (§ 138 Abs. 2, 3 ZPO), sodass die Anforderungen des Sternzusatzes als erfüllt anzusehen sind.

118

c) Da die vertragliche Monatspauschallohnsumme schon aus sich heraus dynamisch auf die klägerseitig begehrte Lohngruppe und -Stufe zu beziehen ist, kommt es auf die vom Arbeitsgericht ergänzend herangezogene Bestimmung des § 2 Abs. 6 Unterabs. 2 LTV 2011 nicht weiter an. Diese (seit dem Lohntarifvertrag vom 8. Juli 1997 von den Tarifvertragsparteien statuierte) Regelung lautet im Zusammenhang:

119

„§ 2 Löhne und Gehälter

120


(6) Ist mit dem Arbeitnehmer / der Arbeitnehmerin arbeitsvertraglich sowohl eine Beschäftigung im Linien- als auch im Gelegenheits-, Reise- oder Schülerverkehr vereinbart, müssen mindestens 75 % der Gesamttätigkeit auf die überwiegende Tätigkeit entfallen und entsprechend entlohnt werden.

121

Der sich aus der Mischtätigkeit ergebende Monatslohn darf den pauschalierten Regel-Monatslohn der Lohntabelle 2, Lohngruppe 3 unter Berücksichtigung der individuellen Betriebszugehörigkeit nicht unterschreiten.

122

Bestehende Arbeitsverhältnisse bleiben hiervon unberührt.“

123

Aufgrund dessen können auch alle Fragen, inwieweit sich die Tätigkeit der Klägerpartei auf Inhalte der einen oder anderen Lohngruppe verteilten und welche Folgen das für die Monatsvergütung haben sollte auf sich beruhen. Hierauf käme es nur an, wenn die Arbeitsvertragsparteien keine (wie vorliegend in Ziff. 7 Abs. 2-4 Arbeitsvertrag indes geschehen) Monatspauschallohnabrede getroffen hätten.

124

d) Wie vom Arbeitsgericht weiter zutreffend beurteilt folgt sodann aus dem Pauschalierungsgehalt der Ziff. 7 Abs. 2 Satz 1 Arbeitsvertrag, dass keine konkrete Ermittlung der monatlich zwischen Montag und Freitag geleisteten Arbeitsstunden zu erfolgen hat, um den Erhalt des Monatspauschallohns zu rechtfertigen. Welche konkrete Stundenzahl in den einzelnen Monaten anfiel, kann deshalb im vorliegenden Zusammenhang auf sich beruhen.

125

4. Die Ansprüche der Klägerpartei waren nicht verfallen.

126

a) Nach § 27 MTV 2010 gilt:

127

㤠26 Ausschlussfristen

128

(1) ...
(2) Ansprüche aus Mehr-, Sonn- und Feiertagsarbeit, auf Zahlung von Spesen und Zulagen aller Art sowie auf Rückzahlung von Barauslagen sind spätestens acht Wochen nach Fälligkeit schriftlich oder mündlich unter Zeugen geltend zu machen.

129

(3) Alle übrigen Ansprüche aus dem Tarifvertrag oder dem Arbeitsvertrag sind binnen drei Monaten nach ihrer Entstehung, im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses spätestens einen Monat nach Arbeitsvertragsende, schriftlich oder mündlich unter Zeugen geltend zu machen.

130

(4) Nach Ablauf der angeführten Fristen ist beiderseits die Geltendmachung dieser Ansprüche ausgeschlossen.“

131

Ergänzend bestimmt § 11 MTV 2010:

132

㤠11 Lohngruppen und Entlohnung

133


(4) Der Monatsgrundlohn sowie der pauschalierter Monatslohn ist für den Kalendermonat zu berechnen und zum letzten Tag eines jeden Kalendermonats (Zahltag) für den laufenden Kalendermonat auf ein von dem Arbeitnehmer eingerichtetes Girokonto oder in Ausnahmefällen in bar zu zahlen.
…“

134

b) Der hiernach für den Beginn der Verfallfrist maßgebliche Entstehungszeitpunkt ist mit dem Zeitpunkt der Fälligkeit gleichzusetzen (Däubler/ Zwanziger Tarifvertragsgesetz 2. Aufl. § 4 Rn. 1139). Vorliegend war dies jeweils der Monatsletzte.

135

c) Schon für den Monat Juli endete damit die Verfallfrist erst nach Erteilung des Geltendmachungsschreibens vom 19. Oktober 2011 mit Ablauf des 31. Oktober 2011 (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Sie war folglich gewahrt.

136

5. Die Klage war sodann auch gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB im Zinsverlangen begründet.

B.

137

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Gründe, die eine Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nahegelegt hätten, waren nicht gegeben.

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


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Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


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Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 138 Erklärungspflicht über Tatsachen; Wahrheitspflicht


(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. (2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. (3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestrit

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(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 187 Fristbeginn


(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. (2) Ist der Beginn

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(1) Der Basiszinssatz beträgt 3,62 Prozent. Er verändert sich zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres um die Prozentpunkte, um welche die Bezugsgröße seit der letzten Veränderung des Basiszinssatzes gestiegen oder gefallen ist. Bezugsgröße ist der Zinssatz für die jüngste Hauptrefinanzierungsoperation der Europäischen Zentralbank vor dem ersten Kalendertag des betreffenden Halbjahrs.

(2) Die Deutsche Bundesbank gibt den geltenden Basiszinssatz unverzüglich nach den in Absatz 1 Satz 2 genannten Zeitpunkten im Bundesanzeiger bekannt.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

Wer die Sache oder das Recht, worüber zwischen anderen Personen ein Rechtsstreit anhängig geworden ist, ganz oder teilweise für sich in Anspruch nimmt, ist bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Rechtsstreits berechtigt, seinen Anspruch durch eine gegen beide Parteien gerichtete Klage bei dem Gericht geltend zu machen, vor dem der Rechtsstreit im ersten Rechtszug anhängig wurde.

*

(1) Der Basiszinssatz beträgt 3,62 Prozent. Er verändert sich zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres um die Prozentpunkte, um welche die Bezugsgröße seit der letzten Veränderung des Basiszinssatzes gestiegen oder gefallen ist. Bezugsgröße ist der Zinssatz für die jüngste Hauptrefinanzierungsoperation der Europäischen Zentralbank vor dem ersten Kalendertag des betreffenden Halbjahrs.

(2) Die Deutsche Bundesbank gibt den geltenden Basiszinssatz unverzüglich nach den in Absatz 1 Satz 2 genannten Zeitpunkten im Bundesanzeiger bekannt.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

Der Prüfung und Entscheidung des Berufungsgerichts unterliegen nur die Berufungsanträge. Das Urteil des ersten Rechtszuges darf nur insoweit abgeändert werden, als eine Abänderung beantragt ist.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 31. März 2010 - 12 Sa 1512/09 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Der 1938 geborene Kläger verlangt von dem Beklagten eine vertraglich vereinbarte Urlaubsabgeltung.

2

Unter dem 25. April 2002 schloss der Kläger mit der B GmbH, vertreten durch die Insolvenzschuldnerin, einen Anstellungsvertrag, der ua. die folgenden Regelungen enthielt:

        

„§ 8   

Urlaub

                 

Herr L hat Anspruch auf einen jährlichen Erholungsurlaub von dreißig Arbeitstagen, der in Abstimmung mit den übrigen Geschäftsführern der indischen Gesellschaften und dem für die Gesellschaften zuständigen Vorstandsmitglied der B AG (Anm.: Insolvenzschuldnerin) zeitlich so festzulegen ist, dass die Belange der genannten Gesellschaft nicht beeinträchtigt werden.

                 

Eine Übertragung von Resturlaub auf Folgejahre ist möglich. Falls am Tage der Beendigung des Vertrages noch Resturlaub vorhanden ist, wird dieser mit 50 % vergütet.“

3

Am 1. September 2002 wurde über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

4

Am 20./24. März 2003 kamen der Kläger und die Insolvenzschuldnerin mit Einverständnis des Beklagten überein, der Kläger solle zu den vertraglichen Bedingungen, die bislang im Verhältnis zwischen dem Kläger und der B GmbH galten, künftig für die Insolvenzschuldnerin tätig werden.

5

Die Insolvenzschuldnerin erteilte dem Kläger fortlaufend Gehaltsabrechnungen, die den Stand der Ansammlung des Resturlaubs anzeigten. In der Abrechnung für Januar 2007 waren 244 Urlaubstage ausgewiesen. Am 17. August 2007 vereinbarten die Parteien die Beendigung des Anstellungsverhältnisses mit Wirkung zum 31. August 2008. Der Kläger verpflichtete sich, bis zu diesem Zeitpunkt 30 Tage Urlaub zu nehmen.

6

Auf der Grundlage von § 8 Abs. 2 Satz 2 des Anstellungsvertrags begehrt der Kläger die Abgeltung von 244 der insgesamt angesammelten 274 Urlaubstage. 30 Urlaubstage lässt sich der Kläger anrechnen, weil er entgegen der Verpflichtung vom 17. August 2007 keinen Urlaub genommen hat. Hilfsweise verlangt er die Abgeltung von 127 Tagen gesetzlichen Mindesturlaubs.

7

Der Kläger hat beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 129.686,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2008 zu zahlen.

8

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Rechtsauffassung vertreten, der Urlaubsanspruch sei mit Ausnahme des aus dem Jahr 2008 resultierenden Anspruchs verfallen. Eine Übertragung des Erholungsurlaubs iSv. § 8 Abs. 2 Satz 1 des Anstellungsvertrags auf das Folgejahr sei von dringenden betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen abhängig. Liege ein Übertragungsgrund vor, sei der Jahresurlaub auf den 31. Dezember des Folgejahres befristet. In diesem Zusammenhang behauptet der Beklagte, dem Kläger mit Schreiben vom 26. Juli 2005 mitgeteilt zu haben, dass er einer Ansammlung von Urlaubsansprüchen nicht zustimme.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt der Beklagte die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten gegen das klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist begründet. Der Beklagte ist verpflichtet, zur Berichtigung einer Masseverbindlichkeit an den Kläger einen Bruttobetrag iHv. 129.686,00 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2008 zu zahlen.

11

I. Anspruchsgrundlage des von dem Kläger erhobenen Abgeltungsanspruchs ist § 8 Abs. 2 Satz 2 des Anstellungsvertrags vom 25. April 2002.

12

1. Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 des Anstellungsvertrags hat der Beklagte, falls am Tage der Beendigung des Vertrags noch „Resturlaub vorhanden“ ist, diesen mit 50 % zu vergüten.

13

2. Der ursprünglich zwischen dem Kläger und der B GmbH bestehende Anstellungsvertrag bindet infolge der Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Insolvenzschuldnerin vom 20./24. März 2003, der der Beklagte als Verwalter zustimmte, die Parteien des Rechtsstreits.

14

3. Die Parteien haben mit § 8 Abs. 2 Satz 2 des Anstellungsvertrags nicht die gesetzliche Regelung der Urlaubsabgeltung in § 7 Abs. 4 BUrlG ersetzen, sondern eine weitere Anspruchsgrundlage für die hälftige Abgeltung von angesammelten Urlaubsansprüchen schaffen wollen. § 8 Abs. 2 Satz 2 des Anstellungsvertrags begründet deshalb einen vertraglichen Anspruch auf Abgeltung sämtlicher während des Arbeitsverhältnisses entstandener Urlaubsansprüche, die bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht erfüllt wurden. Dabei ist es rechtlich nicht erheblich, ob ein im Kalenderjahr nicht gewährter Urlaub nach den Bestimmungen des § 7 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 BUrlG auf das Folgejahr übertragen wurde. Aufgrund der vertraglichen Regelungen in § 8 Abs. 2 des Anstellungsvertrags sollte der Kläger berechtigt sein, Urlaub über mehrere Jahre ohne jede zeitliche Beschränkung anzusammeln und am Ende des Arbeitsverhältnisses die hälftige Abgeltung dieser Ansammlung zu verlangen. Dies ergibt die Auslegung der maßgeblichen Vertragsbestimmungen.

15

a) Der Anstellungsvertrag vom 25. April 2002 ist zusammen mit den vom 20./24. März 2003 und 17. August 2007 datierenden Folgeverträgen ein nichttypischer Vertrag. Die Auslegung solcher Verträge ist in erster Linie Sache der Tatsachengerichte (vgl. BAG 17. Juli 2007 - 9 AZR 819/06 - Rn. 19, AP ZPO § 50 Nr. 17 = EzA TzBfG § 8 Nr. 17). Nimmt das Landesarbeitsgericht - wie im Streitfall - eine Auslegung nicht vor, darf das Revisionsgericht auch nichttypische Verträge selbst auslegen, wenn der erforderliche Sachverhalt vollständig festgestellt und kein weiteres tatsächliches Vorbringen zu erwarten ist (vgl. BAG 24. Juni 2008 - 9 AZR 514/07 - Rn. 30, BAGE 127, 95). So liegt der Fall hier.

16

b) Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern (§ 157 BGB). Gemäß § 133 BGB ist ausgehend vom objektiven Wortlaut der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Bei der Auslegung sind alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein können, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung gehabt hat und wie die Erklärung von ihrem Empfänger zu verstehen war (BAG 15. September 2009 - 9 AZR 757/08 - Rn. 43, BAGE 132, 88).

17

aa) Der Wortlaut der vertraglichen Abgeltungsbestimmung weicht in mehrfacher Hinsicht von dem der Abgeltungsregelung des Bundesurlaubsgesetzes ab. In § 8 Abs. 2 Satz 2 des Anstellungsvertrags ist die Abgeltung des vorhandenen Resturlaubs „mit 50 %“ vorgesehen. Demgegenüber sieht die gesetzliche Abgeltungsregelung des § 7 Abs. 4 BUrlG vor, dass der Urlaub, der alleinwegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann, ohne jeden Abzug so abzugelten ist, wie das Urlaubsentgelt zu bemessen wäre. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Vertragsparteien mit ihrer Sonderregelung die gesetzliche Regelung ersetzen wollten. Vielmehr ergeben die vertragliche 50 %-Abgeltung und die gesetzliche 100 %-Abgeltung ein sich ergänzendes Regelungssystem. Der gesetzliche Abgeltungsanspruch stellt entsprechend Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (sog. Arbeitszeitrichtlinie) eine finanzielle Entschädigung dar, die für den bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwar nicht mehr durch Freistellung erfüllbaren, aber sonst noch bestehenden Urlaubsanspruch eingeräumt wird. Er sichert deshalb nur die Abgeltung der Urlaubsdauer, die auf einem nicht infolge Fristablauf verfallenen Urlaubsanspruch beruht. Demgegenüber verschafft die vertragliche Sonderregelung dem Arbeitnehmer eine Art Wahlrecht: Einerseits kann er unter Berücksichtigung der Übertragungsregeln des § 7 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 BUrlG zeitnah Urlaub nehmen und erhält das nach § 11 BUrlG zu bemessende Urlaubsentgelt bzw. die entsprechende Urlaubsabgeltung. Andererseits kann er von § 8 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags Gebrauch machen. Danach findet, soweit der Arbeitnehmer bei Ausübung seiner Führungstätigkeit im Ausland jahrelang keinen Urlaub nimmt, bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine besondere Abgeltung statt. Obwohl nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG Urlaubsansprüche aus dem Vorjahr, soweit keine Ausnahme gilt(vgl. hierzu: BAG 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - Rn. 70, AP SGB IX § 125 Nr. 3 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 16; 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 47 ff. mwN, BAGE 130, 119), spätestens am 31. März der Folgejahres verfallen (vgl. BAG 29. Juli 2003 - 9 AZR 270/03 - zu B I 2 b bb (1) der Gründe, BAGE 107, 124), wird die Gesamtzahl der angesammelten Urlaubstage als bei Beendigung vorhandener Resturlaub „mit 50 % vergütet“.

18

bb) Der systematische Zusammenhang, in den die vertragliche Abgeltungsregelung eingebettet ist, legt es nahe, dass § 8 Abs. 2 Satz 2 des Anstellungsvertrags eine Abgeltungsverpflichtung für den gesamten nicht gewährten „Resturlaub“ begründen soll. Dies folgt insbesondere aus § 8 Abs. 2 Satz 1 des Anstellungsvertrags. Diese Klausel erlaubt dem Kläger eine von Voraussetzungen unabhängige und zeitlich unbegrenzte Übertragung „auf Folgejahre“. Die Übertragung von Urlaubsansprüchen soll dem Wortlaut der Bestimmung nach nicht daran gebunden sein, dass zugunsten des Klägers ein Übertragungstatbestand vorlag. Das rechtliche Zusammenspiel beider Sätze dokumentiert den Willen der Vertragsparteien, zusätzlich zum gesetzlichen Abgeltungsanspruch eine vertragliche Sonderregelung zu schaffen.

19

cc) Sinn und Zweck der Vereinbarung geben einen deutlichen Hinweis darauf, dass die Vertragsparteien beabsichtigten, dem Kläger wegen seiner noch im fortgeschrittenen Alter von 63 Jahren übernommenen Führungsaufgaben für ausländische Tochtergesellschaften einen Abgeltungsanspruch einzuräumen, dessen Bestand unabhängig von einem etwaigen Verfall des kalenderjahresbezogenen Urlaubsanspruchs sein und dem Kläger ein hohes Maß an Autonomie einräumen sollte. Das zeigt die zugunsten des Klägers vereinbarte Möglichkeit, Urlaubsansprüche losgelöst von den gesetzlichen Übertragungsregeln in § 7 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 BUrlG über einen längeren Zeitraum anzusammeln. Das korrespondiert auf Seiten des Arbeitgebers mit der Gefahr, am Ende des Arbeitsverhältnisses erhebliche Aufwendungen tätigen zu müssen, um unbegrenzt angesammelte Urlaubsansprüche abzugelten. Dieses Risiko haben die Vertragsparteien erkannt und zur Vermeidung eines zu starken Ansammlungsanreizes eine Vorkehrung getroffen. Sie haben die bei Beendigung der Anstellung zu leistende Urlaubsabgeltung auf die Hälfte des Entgelts begrenzt, das der Kläger im Falle einer noch möglichen Urlaubsnahme als Urlaubsentgelt beanspruchen könnte. So korrespondiert die vereinbarte Erweiterung der Kumulierungsmöglichkeit von Urlaubsansprüchen mit einer Halbierung der Abgeltungshöhe. Dieses Regelungssystem berücksichtigt das § 7 Abs. 3 BUrlG zugrunde liegende Gebot, den Urlaub im Interesse der Erholung möglichst im Urlaubsjahr zu nehmen; denn ein Arbeitnehmer ist gehalten, die Freistellung von der Arbeitspflicht zum Zwecke des Erholungsurlaubs zu verlangen, wenn er das volle Urlaubsentgelt erhalten will. Zugleich wird so das Risiko des Arbeitgebers verringert, am Ende des Arbeitsverhältnisses mit angesparten Ansprüchen übermäßig belastet zu werden.

20

c) Diese Vertragsgestaltung begegnet jedenfalls im Streitfall keinen durchgreifenden Bedenken.

21

aa) Die Vertragsfreiheit erlaubt den Parteien des Arbeitsvertrags zwar nicht, gesetzlich zwingende Urlaubsbestimmungen abzubedingen oder zum Nachteil des Arbeitnehmers zu modifizieren (§ 13 Abs. 1 BUrlG); das Gesetzesrecht des BUrlG schließt aber nicht aus, dass die Parteien neben den gesetzlichen Rechten vertragliche Ansprüche begründen. Dem Arbeitgeber steht es frei, mit dem Arbeitnehmer eine Vereinbarung zu treffen, die ihn verpflichtet, Urlaub, der bereits verfallen ist, nachzugewähren (vgl. Friese Urlaubsrecht Rn. 165 mwN). Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die nicht die (Nach-)Gewährung verfallenen Urlaubs, sondern dessen Abgeltung vorsieht.

22

bb) Für den Rechtsstreit ist unerheblich, ob der Beklagte der Ansammlung von Urlaub mit Schreiben vom 26. Juli 2005 widersprochen hat. Die einseitige Erklärung des Beklagten hat auf die vertraglich begründeten Rechte des Klägers aus § 8 Abs. 2 Satz 2 des Anstellungsvertrags keinen Einfluss.

23

cc) Der Senat kann daher die Frage, ob die von den Parteien in § 8 Abs. 2 Satz 1 des Anstellungsvertrags geregelte Übertragung von Urlaubsansprüchen ohne Grund und ohne zeitliche Begrenzung mit dem „Gebot zeitnaher Erfüllung des Urlaubsanspruchs“(vgl. hierzu: BAG 21. Juni 2005 - 9 AZR 200/04 - Rn. 23, AP InsO § 55 Nr. 11 = EzA BUrlG § 7 Nr. 114) vereinbar ist, offenlassen. Dieses verpflichtet den Arbeitgeber, die Urlaubsansprüche, die der Arbeitnehmer im Laufe des Arbeitsverhältnisses erwirbt, grundsätzlich im Urlaubsjahr, spätestens aber innerhalb des in § 7 Abs. 3 Satz 3 und Satz 4 BUrlG geregelten Übertragungszeitraums zu erfüllen. Selbst wenn der Urlaubsanspruch des Klägers ungeachtet der vertraglichen Regelungen in § 8 Abs. 1 des Anstellungsvertrags verfallen wäre, ließe dies den Abgeltungsanspruch, den der Kläger im Streitfall geltend macht, unberührt. Denn die vertragliche Abgeltungsregelung, die die Vertragsparteien mit § 8 Abs. 2 Satz 2 des Anstellungsvertrags schufen, setzt nicht einen bei Beendigung des Anstellungsverhältnisses noch bestehenden Urlaubsanspruch voraus, sondern knüpft allein an den Umstand an, dass der Urlaubsanspruch des Klägers nicht gewährt wurde, sondern als Resturlaub noch im Urlaubssaldo „vorhanden“ ist. Diese Art der vereinbarten hälftigen Abgeltung, die der Kläger für nicht gewährten Urlaub verlangen kann, schließt die Entschädigung für verfallenen Urlaub ein (siehe unter I 3 b der Gründe).

24

4. Der Abgeltungsanspruch beläuft sich auf den geltend gemachten Betrag iHv. 129.686,00 Euro. Der Kläger hatte bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf 274 Arbeitstage Urlaub. 30 Urlaubstage hiervon lässt er sich aufgrund der Vereinbarung vom 17. August 2007 anrechnen. Der Beklagte hat demnach Abgeltung in Höhe des eingeklagten Betrags zu leisten.

25

a) Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Insolvenzschuldnerin endete infolge der Vereinbarung vom 17. August 2007 mit dem 31. August 2008 (§ 15 Abs. 1 TzBfG). Hierbei spielt es keine Rolle, ob die Befristungsregelung einer Kontrolle anhand des § 14 Abs. 1 TzBfG standhielte. Der Kläger hat eine mögliche Unwirksamkeit nicht binnen der in § 17 Satz 1 TzBfG bestimmten dreiwöchigen Klagefrist geltend gemacht.

26

b) Dem Kläger standen zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses 274 Tage Erholungsurlaub zu.

27

aa) Der Kläger hat vorgetragen, er habe zum Stichtag 1. Januar 2007 Anspruch auf 244 Arbeitstage Urlaub gehabt. Dieser Umfang des Urlaubsanspruchs gilt als zugestanden. Nach § 138 Abs. 3 ZPO gelten Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, als zugestanden, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht. Der Beklagte hat gegen den Umfang des von dem Kläger vorgetragenen Urlaubsanspruchs keine Einwände erhoben. Mit dem Hinweis, die dem Kläger erteilten Gehaltsabrechnungen seien für sich genommen kein Schuldanerkenntnis (vgl. zur Rechtsnatur von Gehaltsabrechnungen: BAG 10. März 1987 - 8 AZR 610/84 - zu I 4 b bb der Gründe, BAGE 54, 242), hat der Beklagte das Klagevorbringen rechtlich bewertet, ohne den Vortrag des Klägers zum Umfang des Urlaubsanspruchs in Abrede zu stellen.

28

bb) Zu Beginn des Jahres 2008 erwarb der Kläger gemäß § 8 Abs. 1 des Anstellungsvertrags zusätzlich einen 30 Arbeitstage umfassenden Urlaubsanspruch.

29

cc) Der Beklagte hat dem Kläger während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraums keinen Erholungsurlaub gewährt.

30

c) Von der Summe beider Ansprüche lässt sich der Kläger 30 Urlaubstage anrechnen. Die verbleibenden 244 Urlaubstage hat der Beklagte pro Tag mit 50 % des täglichen Urlaubsentgelts iHv. 1.063,00 Euro abzugelten (§ 8 Abs. 2 Satz 2 des Anstellungsvertrags).

31

II. Der Beklagte hat die Forderung nach den Vorschriften über den Schuldnerverzug mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2008 zu verzinsen (§ 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB).

32

III. Der Beklagte hat diesen Zahlungsanspruch als Masseverbindlichkeit zu berichtigen. Gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO sind Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen Masseverbindlichkeiten, soweit deren Erfüllung für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss. Für den Urlaubsabgeltungsanspruch ist dies der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet wird ( BAG 25. März 2003 - 9 AZR 174/02 - zu A II 2 der Gründe, BAGE 105, 345 ). Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Insolvenzschuldnerin endete infolge der Vereinbarung vom 17. August 2007 mit dem 31. August 2008, mithin nach dem am 1. September 2002 über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffneten Insolvenzverfahren.

33

IV. Der Beklagte hat die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Düwell    

        

    Krasshöfer    

        

    Suckow    

        

        

        

    Starke    

        

    Heilmann    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. März 2011 - 7 Sa 141/10 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 30. Dezember 2009 - 2 Ca 324/09 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Weihnachtszuwendungen für die Jahre 2007 und 2008.

2

Der Kläger wurde von der Beklagten seit Oktober 1980 als Apothekerassistent beschäftigt. Bei der Beklagten handelte es sich im streitbefangenen Zeitraum um die Katholisches Klinikum Duisburg GmbH, die dem Deutschen Caritasverband e. V. angehörte. Während des Revisionsverfahrens hat die HELIOS-Klinikengruppe im Jahr 2011 51 % der Anteile an der Beklagten übernommen. Die restlichen Anteile werden seitdem von der Kosmas und Damian GmbH gehalten, einer gemeinsamen Gesellschaft des Bistums Essen und der St. Elisabeth GmbH. Die Beklagte hat in HELIOS Klinikum Duisburg GmbH umfirmiert. Der konfessionelle Charakter der Krankenhäuser soll trotz der gesellschaftsrechtlichen Veränderung erhalten bleiben.

3

Dem Arbeitsverhältnis liegt der Dienstvertrag vom 21. August 1981 zugrunde. Er lautet auszugsweise:

        

㤠2

        

Für das Dienstverhältnis gelten die ‚Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes’ (AVR) in der zur Zeit des Vertragsabschlusses in der ‚Caritas-Korrespondenz’ veröffentlichten und im Amtsblatt des Ortsbistums in Kraft gesetzten Fassung.

        

Die AVR sind Bestandteil des Dienstvertrages und haben dem Mitarbeiter zur Kenntnisnahme zur Verfügung gestanden.

        

Bei Änderungen der AVR gilt jeweils die in der ‚Caritas-Korrespondenz’ veröffentlichte und im Amtsblatt des Ortsbistums in Kraft gesetzte Fassung, ohne daß es einer weiteren Vereinbarung bedarf. Auch insoweit ist dem Mitarbeiter Gelegenheit zur Kenntnisnahme gegeben.

        

§ 8

        

Weitere Sondervereinbarungen bestehen nicht. Spätere Vereinbarungen bedürfen zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Festlegung unter Bezugnahme auf diesen Vertrag und der kirchenaufsichtlichen Genehmigung.2

        

…       

        

2 Bei Einrichtungen, die nicht der speziellen bischöflichen Aufsicht unterstehen, kann der Passus ‚und der kirchenaufsichtlichen Genehmigung’ gestrichen werden.“

4

Durch Änderungsvertrag vom 22. November 2005 vereinbarten die Parteien Altersteilzeit im Blockmodell. Die Arbeitsphase dauerte von April 2006 bis September 2009. Die Freistellungsphase umfasst den Zeitraum von Oktober 2009 bis März 2013.

5

Nach Anlage 1 Abschn. XIV zu den Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) erhalten Arbeitnehmer jährlich eine am 1. Dezember des Kalenderjahres fällige Weihnachtszuwendung. Die Regelung lautet in ihren wortgleichen Fassungen von Januar 2007 und Januar 2008 in Auszügen:

        

„XIV Weihnachtszuwendung

        

(a)     

Anspruchsvoraussetzungen

        

Der Mitarbeiter erhält in jedem Kalenderjahr eine Weihnachtszuwendung, wenn er

        

1.    

am 1. Dezember des laufenden Kalenderjahres im Dienst- oder Ausbildungsverhältnis … steht und

        

2.    

seit dem 1. Oktober ununterbrochen in einem Dienst- oder Ausbildungsverhältnis im Geltungsbereich der AVR … gestanden hat … und

        

3.    

nicht in der Zeit vor dem 31. März des folgenden Kalenderjahres aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch aus dem am 1. Dezember bestehenden Dienst- oder Ausbildungsverhältnis ausscheidet, … .“

6

Zum 1. Juli 2004 trat die Ordnung der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes e. V. (AK-Ordnung 2004) in Kraft. In ihr heißt es:

        

„§ 12 Unterkommissionen und Ausschüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission

        

Die Arbeitsrechtliche Kommission kann für die Dauer ihrer Amtszeit oder zeitlich befristet beschließende Unterkommissionen und beratende Ausschüsse bilden.

        

§ 13 Aufgabe und Bildung von Unterkommissionen

        

(1)     

Zur Beschlussfassung von Rechtsnormen über Inhalt, Abschluss und Beendigung von Dienstverhältnissen bestimmter kirchlich-caritativer Rechtsträger oder bestimmter Regionen des Deutschen Caritasverbandes oder bestimmter Berufs- und Aufgabenfelder in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes kann die Arbeitsrechtliche Kommission Unterkommissionen bilden.

        

…       

        
        

§ 14 Kompetenzen und Beschlüsse der Unterkommissionen

        

(1)     

Die Arbeitsrechtliche Kommission legt die Beschlusskompetenz der Unterkommissionen nach § 13 Abs. 1 dieser Ordnung fest. …

        

(2)     

Die Unterkommissionen fassen im Rahmen von Abs. 1 rechtlich verbindliche Beschlüsse gemäß § 16 dieser Ordnung.

        

(3)     

Die im Rahmen von Abs. 1 gefassten Beschlüsse der Unterkommissionen gehen den Beschlüssen der Arbeitsrechtlichen Kommission vor.

        

(4)     

Für das In-Kraft-Treten der Beschlüsse der Unterkommissionen gilt § 21 dieser Ordnung.

        

…       

        
        

§ 21 In-Kraft-Treten der Beschlüsse

        

Die Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission und der Unterkommissionen sind dem/der Vorsitzenden der Arbeitsrechtlichen Kommission zuzuleiten und von ihm/ihr zu unterzeichnen. Anschließend sind die Beschlüsse nach Maßgabe der Richtlinien für die In-Kraft-Setzung der Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft zu setzen und in der Verbandszeitschrift ‚neue caritas’ zu veröffentlichen.“

7

Am 7. Juli 2005 trat die „Ordnung für beschließende Unterkommissionen gemäß §§ 12 bis 14 der Ordnung der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes“(UK-Ordnung) idF vom 17. März 2005 durch Veröffentlichung im Kirchlichen Amtsblatt des Bistums Essen in Kraft. Sie lautet auszugsweise:

        

㤠6 Antragsvoraussetzungen

        

(1)     

Anträge auf Beschlussfassung in den Unterkommissionen können nur Mitglieder der Arbeitsrechtlichen Kommission stellen. Sie sind an den/die Geschäftsführer(in) in der Arbeitsrechtlichen Kommission zu senden.

        

(2)     

Anträge sind ausführlich schriftlich zu begründen und mit aussagekräftigen Unterlagen zu belegen.

        

(3)     

Bei Absenkungsanträgen für eine Einrichtung oder für einen Träger sind zur Begründung mindestens die Unterlagen vorzulegen, die ein den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Einrichtung oder des Trägers vermitteln. …

        

§ 8 Umfang der Regelungen

        

(1)     

Die Unterkommissionen bzw. in Fällen des § 7 Abs. 2 die Arbeitsrechtliche Kommission können zur Gestaltung der Arbeitsbedingungen der Dienstverhältnisse mit kirchlich-caritativen Trägern im Bereich des Deutschen Caritasverbandes in ihren jeweiligen Regionen Beschlüsse fassen.

        

(2)     

Dabei sind folgende abschließend genannte Regelungsmaterien und Bandbreiten zu beachten:

        

…       

        
        

2.    

eine Absenkung oder Stundung der Weihnachtszuwendung (Abschnitt XIV der Anlage 1 zu den AVR);

        

…       

        
        

Die Maßnahmen nach Ziffer 1 bis 4 dürfen für das einzelne Dienstverhältnis in der Summe eine Absenkung von 15 v. H. der Dienstbezüge (Abschnitt II der Anlage 1 zu den AVR) nicht überschreiten. …

        

…       

        

§ 9 Beschlüsse der Unterkommissionen

        

(1)     

Die Unterkommissionen fassen im Rahmen von § 8 rechtlich verbindliche Beschlüsse gemäß § 16 AK-Ordnung. Diese Beschlüsse der Unterkommissionen gehen den Beschlüssen der Arbeitsrechtlichen Kommission vor.

        

(2)     

Fasst eine Unterkommission einen Beschluss, ist dieser dem/der Vorsitzenden der Arbeitsrechtlichen Kommission zuzuleiten, damit das Inkraftsetzungsverfahren gemäß § 21 AK-Ordnung eingeleitet werden kann.

        

…“    

        
8

Nach der Ordnung der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes e. V. idF vom 17. Oktober 2007, in Kraft getreten am 1. Januar 2008 (AK-Ordnung 2008), besteht die Arbeitsrechtliche Kommission nun aus einer Bundeskommission und sechs Regionalkommissionen. Unterkommissionen sind nicht mehr vorgesehen. Die AK-Ordnung 2008 lautet in Auszügen:

        

㤠1 Stellung und Aufgabe

        

…       

        
        

(3)     

Aufgabe der Arbeitsrechtlichen Kommission ist die Beschlussfassung von Rechtsnormen über Inhalt, Abschluss und Beendigung von Dienstverhältnissen mit kirchlich-caritativen Rechtsträgern im Bereich des Deutschen Caritasverbandes, solange und soweit die ‚Zentrale Kommission zur Ordnung des Arbeitsvertragsrechtes im kirchlichen Dienst’ (Zentral-KODA) von ihrer Regelungsbefugnis gemäß § 3 Absatz 1 Zentral-KODA-Ordnung keinen Gebrauch gemacht hat oder macht. …

        

§ 10 Zuständigkeiten der Bundeskommission und der Regionalkommissionen

        

(1)     

Die Bundeskommission hat eine umfassende Regelungszuständigkeit mit Ausnahme der Bereiche, die ausschließlich den Regionalkommissionen zugewiesen sind. In den ausschließlich den Regionalkommissionen zugewiesenen Bereichen bestehen Bandbreiten; sie betragen für die Festlegung der Höhe aller Vergütungsbestandteile von dem mittleren Wert 15 v. H. Differenz nach oben und nach unten, … . Die Bundeskommission legt den mittleren Wert fest; sie kann den Umfang der Bandbreiten durch Beschluss verändern.

        

…       

        
        

§ 11 Einrichtungsspezifische Regelungen

        

(1)     

Jedes Mitglied einer Regionalkommission kann nach Aufforderung durch eine betroffene (Gesamt-)Mitarbeitervertretung oder durch einen betroffenen Dienstgeber für die Gesamtheit der Einrichtungen eines Trägers, für eine Einrichtung oder für Teile einer Einrichtung einen schriftlich zu begründenden Antrag an die zuständige Regionalkommission stellen, von den durch die Regionalkommission festgelegten Regelungen der Höhe aller Vergütungsbestandteile, des Umfangs der regelmäßigen Arbeitszeit und des Umfangs des Erholungsurlaubs sowie den Maßnahmen der Beschäftigungssicherung abzuweichen. …

        

(2)     

Über einen solchen Antrag hat die Regionalkommission innerhalb von drei Monaten zu entscheiden. Die Entscheidung ist schriftlich zu begründen. Soweit sie Abweichungen zulässt, sind diese zeitlich zu befristen.

        

…       

        
        

§ 15 Vermittlungsverfahren

        

…       

        
        

(7)     

Unbeschadet der Regelungen in den Absätzen 1 bis 6 kann der Ortsordinarius im Einzelfall das Vorliegen eines unabweisbaren Regelungsbedürfnisses unüberprüfbar feststellen und die notwendige Entscheidung treffen.

        

§ 18 In-Kraft-Treten der Beschlüsse

        

…       

        
        

(2)     

Die Beschlüsse sollen in der Verbandszeitschrift ‚neue caritas’ und geeigneten diözesanen Medien veröffentlicht werden. Dies gilt nicht für Beschlüsse, die nach § 11 der Ordnung gefasst werden.“

9

Im Kirchlichen Amtsblatt des Bistums Essen vom 16. November 2007 ist - bezogen auf die Beklagte - folgender Beschluss veröffentlicht:

        

„Beschluss der Unterkommission II vom 22. - 23.10.2007 Antrag 98/UK II

        

Katholische Klinikum Duisburg GmbH, …

        

1.    

Für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Katholischen Klinikum Duisburg GmbH, …, wird in Abweichung von Abschnitt XIV der Anlage 1 zu den AVR im Kalenderjahr 2007 keine Weihnachtszuwendung gezahlt.

        

2.    

Die Änderung tritt am 23.10.2007 in Kraft. Die Laufzeit des Beschlusses endet am 31.12.2010.“

10

Im folgenden Text waren Nebenbestimmungen getroffen, ua. ein Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen.

11

Unter dem 4. August 2008 schloss die Beklagte mit zwei Mitarbeitervertretungen eine „Dienstvereinbarung Regelung 2008 und 2009“. Darin war ua. ein Ausschluss der Weihnachtszuwendung vorgesehen. Der Kläger unterzeichnete diese Vereinbarung in seiner Eigenschaft als damaliger Vorsitzender der Mitarbeitervertretung des S-Hospitals nicht.

12

Durch Beschluss von Juni 2008 legte die Bundeskommission neue Mittelwerte und Bandbreiten für die Weihnachtszuwendung fest. Für die Weihnachtszuwendung nach Anm. 2 in Abschn. XIV der Anlage 1 zu den AVR wurde die Bandbreite iHv. 0,1 % nach oben und unten angegeben.

13

Unter dem 5. August 2008 richtete die Beklagte einen Antrag auf Aufhebung der Weihnachtszuwendung für das Jahr 2008 an die Regionalkommission Nordrhein-Westfalen. Daraufhin fasste die Regionalkommission einen Beschluss, der am 28. November 2008 im Kirchlichen Amtsblatt des Bistums Essen veröffentlicht wurde:

        

„Beschluss Antrag 6/RK NRW Katholisches Klinikum Duisburg GmbH, …

        

1.    

Für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Ausnahme der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Anlage 7 AVR des Katholischen Klinikums Duisburg GmbH, …, wird in Abweichung von Abschnitt XIV der Anlage 1 zu den AVR im Kalenderjahr 2008 keine Weihnachtszuwendung gezahlt.

        

2.    

Die Änderungen treten am 12.11.2008 in Kraft.“

14

Dort waren erneut Nebenbestimmungen getroffen, ua. ein Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen bis 31. Dezember 2010. Keiner der beiden Beschlüsse wurde in der Zeitschrift „Caritas-Korrespondenz“ oder der Folgezeitschrift „neue caritas“ veröffentlicht. In den Jahren 2006, 2007 und 2008 hatte der Kläger die Änderungen der AVR, die begünstigende Einmalzahlungen vorsahen, auch ohne Veröffentlichung in den Verbandszeitschriften widerspruchslos akzeptiert.

15

Die Beklagte zahlte in den Jahren 2007 und 2008 keine Weihnachtszuwendung an den Kläger und berief sich hierfür auf die Beschlüsse der Unter- bzw. der Regionalkommission aus den Jahren 2007 und 2008.

16

Mit seiner Klage erstrebt der Kläger die Weihnachtszuwendungen für die Jahre 2007 und 2008 in rechnerisch unstreitiger Höhe. Er hat die Auffassung vertreten, die Beschlüsse der Unter- und der Regionalkommission seien bereits deshalb unwirksam, weil sie nicht in der „Caritas-Korrespondenz“ oder der Folgezeitschrift „neue caritas“ veröffentlicht worden seien. Die Beschlüsse seien auf sein Arbeitsverhältnis auch nicht anzuwenden, weil sie von der dynamischen Bezugnahme in § 2 Abs. 3 des Dienstvertrags nicht erfasst seien. Die Zahlung habe allenfalls im Rahmen der vorgegebenen Bandbreiten abgesenkt werden können. Die Nebenbestimmungen der Beschlüsse seien nicht erfüllt worden. Der Beschluss der Regionalkommission für das Jahr 2008 sei nicht innerhalb der Dreimonatsfrist nach Antragstellung gefasst worden. Durch die unterbleibende Zahlung der Weihnachtszuwendung werde in unzulässiger Weise in den Altersteilzeitarbeitsvertrag eingegriffen.

17

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.300,08 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.639,84 Euro seit 1. Dezember 2007 und aus 1.660,24 Euro seit 1. Dezember 2008 zu zahlen.

18

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, die dynamische Bezugnahmeklausel in § 2 Abs. 3 des Dienstvertrags beziehe sich auf alle Vorschriften des Dritten Wegs. Die Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission, der Unterkommission oder der Regionalkommission führten zu einer unmittelbaren Änderung der materiellen Rechtslage. Gewollt sei eine dynamische Anpassung, die zu Rechtsveränderungen - Verbesserungen und Verschlechterungen - führen könne. Da der kirchliche Arbeitgeber zur Anwendung des gesamten kirchlichen Regelungswerks verpflichtet sei, um einheitliche Dienstverhältnisse herzustellen, habe er den Dritten Weg insgesamt in Bezug nehmen wollen, also auch die AK-Ordnungen und die auf ihrer Grundlage ergangenen Beschlüsse. Aufgrund der grundgesetzlichen Garantie eines kircheneigenen Arbeitsrechtsregelungssystems müsse es kirchlichen Arbeitgebern möglich sein, den Dritten Weg weiterzuentwickeln. Die Verweisungsklausel halte auch einer Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB stand. Für einen Arbeitnehmer sei es nicht überraschend, dass ein kirchlicher Arbeitgeber den Dritten Weg verfolge und ihn durch Kompetenzverlagerungen weiterentwickle. Eine einseitige Änderungsbefugnis bestehe nicht, weil die Arbeitsrechtliche Kommission paritätisch zusammengesetzt sei. Das Letztentscheidungsrecht des Bischofs ändere daran nichts. Eine unangemessene Benachteiligung scheide aus. Die Fortentwicklung der AVR liege im Interesse beider Vertragsparteien. Die Arbeitsbedingungen könnten nur auf diese Weise ohne Änderungskündigungen geänderten Verhältnissen - zB durch Entgelterhöhungen - angepasst werden. Die im Dienstvertrag getroffene Vereinbarung über die Veröffentlichung in der Verbandszeitschrift habe keine konstitutive Wirkung. Die Veröffentlichungen seien seit Jahren nur noch im Kirchlichen Amtsblatt erfolgt. Die Bandbreitenregelungen seien nicht bindend, weil die einrichtungsspezifischen Regelungen des § 11 AK-Ordnung 2008 spezieller seien.

19

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

20

A. Die Ansprüche des Klägers auf Zahlung der Weihnachtszuwendung für die Jahre 2007 und 2008 sind wegen des am 16. November 2007 im Kirchlichen Amtsblatt des Bistums Essen veröffentlichten Beschlusses der Unterkommission und des am 28. November 2008 im Kirchlichen Amtsblatt des Bistums Essen veröffentlichten Beschlusses der Regionalkommission nicht entstanden. Die Beschlüsse sind von der dynamischen Bezugnahmeklausel in § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags erfasst. Die Verweisungsklausel hält der Einbeziehungskontrolle stand. Der Senat kann offenlassen, ob die Verweisungsklausel hinsichtlich der Weihnachtszuwendung für das Jahr 2008 wegen des in Bezug genommenen (echten) Letztentscheidungsrechts des Bischofs in § 15 Abs. 7 AK-Ordnung 2008 einen Änderungsvorbehalt enthält, dem in analoger Anwendung von § 308 Nr. 4 BGB die Wirksamkeit abzusprechen ist. Die in diesem Fall gebotene ergänzende Vertragsauslegung führt auch für die Weihnachtszuwendung des Jahres 2008 dazu, dass die dynamische Verweisung für alle Beschlüsse der zuständigen Regionalkommission gilt, die ordnungsgemäß zustande gekommen sind.

21

I. Die Ansprüche des Klägers auf Weihnachtszuwendung für die Jahre 2007 und 2008 sind aufgrund des am 16. November 2007 im Kirchlichen Amtsblatt des Bistums Essen veröffentlichten Beschlusses der Unterkommission und des am 28. November 2008 im Kirchlichen Amtsblatt des Bistums Essen veröffentlichten Beschlusses der Regionalkommission nicht entstanden.

22

1. Die kirchlichen Ordnungen der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbands e. V. und für beschließende Unterkommissionen sind einschließlich des bischöflichen Letztentscheidungsrechts in § 15 Abs. 7 AK-Ordnung 2008 in § 2 Abs. 1 bis Abs. 3 des Dienstvertrags in Bezug genommen. Die Arbeitsvertragsparteien haben das kirchliche Arbeitsvertragsrecht - den sog. Dritten Weg - damit uneingeschränkt als verbindlich anerkannt. Das war im Fall der beklagten Arbeitgeberin zulässig, die als privatrechtlich organisiertes Caritas-Unternehmen jedenfalls in den für den Streitfall maßgeblichen Jahren 2007 bis 2009 eine kirchliche Einrichtung war.

23

a) Die Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV kommt nicht nur den verfassten Kirchen und ihren rechtlich selbständigen Teilen zugute. Sie gilt vielmehr für alle der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf deren Rechtsform, wenn sie nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, einen Teil des Auftrags der Kirche zu erfüllen. Nach dem Selbstverständnis der katholischen Kirche umfasst die Religionsausübung nicht nur den Bereich des Glaubens und des Gottesdienstes, sondern auch die Freiheit zur Entfaltung und Wirksamkeit in der Welt, wie es ihrer religiösen Aufgabe entspricht. Hierzu gehört insbesondere das karitative Wirken (vgl. BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83, 2 BvR 1718/83, 2 BvR 856/84 - zu B II 1 a der Gründe mwN, BVerfGE 70, 138).

24

b) Die Beklagte war zumindest in den entscheidungserheblichen Jahren 2007 bis 2009 als kirchliche Einrichtung der katholischen Kirche zugeordnet. Sie hatte unmittelbar teil an der Verwirklichung eines wesentlichen kirchlichen Auftrags, indem sie katholische Krankenhäuser unterhielt (vgl. zu einem solchen kirchlichen Auftrag BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83, 2 BvR 1718/83, 2 BvR 856/84 - zu B II 1 a der Gründe mwN, BVerfGE 70, 138).

25

2. Der Kläger erfüllt die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen für die Weihnachtszuwendungen der Jahre 2007 und 2008. Auf Anlage 1 Abschn. XIV AVR ist in § 2 des Dienstvertrags wirksam verwiesen. Die Anspruchsvoraussetzungen des Buchst. a der Anlage 1 Abschn. XIV AVR sind gegeben. Der Kläger stand jeweils am 1. Dezember seit dem 1. Oktober in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten und schied aus ihm nicht vor dem 31. März des Folgejahres aus.

26

3. Der am 16. November 2007 im Kirchlichen Amtsblatt des Bistums Essen veröffentlichte Beschluss der Unterkommission und der am 28. November 2008 im Kirchlichen Amtsblatt des Bistums Essen veröffentlichte Beschluss der Regionalkommission verhinderten jedoch, dass Ansprüche des Klägers auf Weihnachtszuwendung für die Jahre 2007 und 2008 entstanden.

27

a) Der Beschluss der Unterkommission vom 22./23. Oktober 2007 regelt ausdrücklich, dass für alle Mitarbeiter in Abweichung von Abschn. XIV der Anlage 1 zu den AVR im Kalenderjahr 2007 keine Weihnachtszuwendung gezahlt wird. Die Regelung trat am 23. Oktober 2007 in Kraft. Entsprechendes gilt für den am 28. November 2008 im Kirchlichen Amtsblatt des Bistums Essen veröffentlichten Beschluss der Regionalkommission, der am 12. November 2008 in Kraft trat.

28

b) Die Auslegung der Bezugnahmeklausel in § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags ergibt, dass das kirchenrechtliche System der Arbeitsrechtsetzung insgesamt erfasst werden soll, also auch alle Verfahrensordnungen und die daraus hervorgegangenen Beschlüsse, die auf dem Dritten Weg zustande gekommen sind. Die beiden Beschlüsse sind damit von der Verweisung auf die AVR erfasst.

29

aa) Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags gilt bei Änderungen der AVR jeweils die in der „Caritas-Korrespondenz“ veröffentlichte und im Amtsblatt des Ortsbistums in Kraft gesetzte Fassung, ohne dass eine weitere Vereinbarung erforderlich wäre.

30

bb) Bei der Bezugnahme in § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags handelt es sich nach dem Erscheinungsbild des Dienstvertrags um eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Vertrag enthält bis auf die persönlichen Daten des Klägers keine individuellen Besonderheiten. Der Inhalt Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab zu ermitteln. Sie sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Diese Grundsätze gelten auch für die Auslegung von Bezugnahmeklauseln auf kirchliche Regelungswerke (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 6 AZR 573/10 - Rn. 28, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 22; 22. Juli 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 12, BAGE 135, 163 mit im Wesentlichen zust. Anm. von Hoyningen-Huene/van Endern AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 55; Richardi RdA 2011, 119 ff.).

31

cc) Nach diesen Grundsätzen kann die Verweisung auf die „Änderungen der AVR“ nur so verstanden werden, dass das kirchenrechtliche System der Arbeitsrechtsetzung insgesamt erfasst wird. Zu ihm gehören die Verfahrensordnungen und die daraus hervorgegangenen Beschlüsse, die wirksam auf dem Dritten Weg zustande gekommen sind.

32

(1) § 2 Abs. 1 des Dienstvertrags nimmt Bezug auf die „Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes(AVR) in der zur Zeit des Vertragsabschlusses in der Caritas-Korrespondenz veröffentlichten und im Amtsblatt des Ortsbistums in Kraft gesetzten Fassung“. Diese zunächst statische Verweisung wird ergänzt durch § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags. Danach gilt bei Änderungen der AVR jeweils die in der „Caritas-Korrespondenz“ veröffentlichte und im Amtsblatt des Ortsbistums in Kraft gesetzte Fassung, ohne dass es einer weiteren Vereinbarung bedarf.

33

(2) Die erforderliche Auslegung dieser Klausel führt zu dem Ergebnis, dass die Parteien auch auf Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen verweisen wollten.

34

(a) Dafür spricht entscheidend die Funktion einer solchen Bezugnahme. Mangels normativer Geltung kirchlichen Arbeitsrechts in privaten Arbeitsverhältnissen können dem kirchlichen Arbeitsrecht nur Verweisungsklauseln Wirkung verschaffen (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 6 AZR 573/10 - Rn. 29, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 22). Vor diesem Hintergrund sind Verweisungsklauseln auf die Regelungen des kirchlichen Arbeitsrechts grundsätzlich dahin auszulegen, dass sie dem kirchlichen Arbeitsrecht im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis umfassend Geltung verschaffen und das Verfahrensrecht einbeziehen wollen (vgl. BAG 21. Oktober 2009 - 4 AZR 880/07 - Rn. 27; 10. Dezember 2008 - 4 AZR 801/07 - Rn. 19 f., BAGE 129, 1). Auch bei katholischen Rechtsträgern, die nicht nach Art. 2 Abs. 1 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse(GrO) unmittelbar an die GrO gebunden sind, kann der kirchliche Arbeitnehmer entsprechende Klauseln im Ausgangspunkt nur dahin verstehen, dass sie dem kirchenrechtlichen Gebot in Art. 2 Abs. 2 GrO genügen sollen, die GrO verbindlich zu übernehmen(vgl. zu entsprechenden kirchenrechtlichen Pflichten oder Geboten im Bereich der Evangelischen Kirchen BAG 16. Februar 2012 - 6 AZR 573/10 - Rn. 29, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 22; zur Reichweite entsprechender Verweisungsklauseln ferner 19. Februar 2003 - 4 AZR 11/02 - zu I 1 a bb und cc der Gründe, BAGE 105, 148; zur aus der Mitgliedschaft im Caritasverband folgenden Verpflichtung zur Übernahme und Anwendung der GrO KAGH 16. Dezember 2011 - K 09/11 - zu B II 1 a der Gründe, ZMV 2012, 95).

35

(b) Eine engere Auslegung hätte zur Folge, dass der Dritte Weg durch die Beklagte nicht mehr „gelebt“ werden könnte. Eine Anpassung arbeitsvertraglicher Regelungen ist in erster Linie von der dazu berufenen Arbeitsrechtlichen Kommission vorzunehmen. So regeln die hier maßgeblichen AK-Ordnungen 2004 und 2008 in § 1 Abs. 3, dass Aufgabe der Arbeitsrechtlichen Kommission die „Beschlussfassung von Rechtsnormen über Inhalt, Abschluss und Beendigung von Dienstverhältnissen“ ist. Die Arbeitsrechtliche Kommission hat die dynamischen vertraglichen Verweisungsklauseln auf diese Weise auszufüllen. Würde mit dem Landesarbeitsgericht eine Bezugnahme auf die AK-Ordnungen verneint, wäre das Arbeitsverhältnis nicht dynamisch ausgestaltet. Das widerspräche Sinn und Zweck der Regelung, weil Änderungen - etwa Entgelterhöhungen - häufig zugunsten der Arbeitnehmer wirken (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 12, BAGE 135, 163; 22. Juli 2010 - 6 AZR 170/08 - Rn. 50).

36

(c) Der Vertragswortlaut schließt eine solche Auslegung entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht aus. Der Wortlaut der Bezugnahme in § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags unterscheidet nicht zwischen formellen und materiellen Regelungen. Von der Verweisung sind Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen nicht ausgenommen.

37

(3) Die in den genannten Beschlüssen der Unterkommission und der Regionalkommission getroffenen Regelungen sind materiell Bestandteil der AVR, indem sie diese für den speziellen Fall der Weihnachtszuwendung 2007 und 2008 bei der Beklagten ändern (vgl. zur Änderung der Dienstvertragsordnung im Bereich der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen BAG 16. Februar 2012 - 6 AZR 573/10 - Rn. 23 bis 25, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 22).

38

c) Die dynamische Bezugnahmeklausel in § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags hält der Einbeziehungskontrolle stand.

39

aa) Die Klausel genügt dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und steht nicht in Widerspruch zu anderen im Dienstvertrag getroffenen Vereinbarungen(vgl. BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 170/08 - Rn. 42 f.).

40

bb) Es handelt sich nicht um eine überraschende Klausel iSv. § 305c Abs. 1 BGB. Ein Arbeitnehmer, der einen Arbeitsvertrag mit einem kirchlichen Arbeitgeber schließt, hat davon auszugehen, dass sein Arbeitgeber das spezifisch kirchliche Vertragsrecht in seiner jeweiligen Fassung zum Gegenstand des Arbeitsverhältnisses machen will und damit idR kirchenrechtlichen Geboten genügen will (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 16, BAGE 135, 163; 22. Juli 2010 - 6 AZR 170/08 - Rn. 40; 10. Dezember 2008 - 4 AZR 801/07 - Rn. 42, BAGE 129, 1).

41

d) Es kann auf sich beruhen, ob die Verweisungsklausel in § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags im Hinblick auf die Weihnachtszuwendung für das Jahr 2008 aufgrund des in Bezug genommenen bischöflichen Letztentscheidungsrechts in § 15 Abs. 7 AK-Ordnung 2008 einen entsprechend § 308 Nr. 4 BGB unwirksamen Änderungsvorbehalt enthält.

42

aa) Für die Weihnachtszuwendung des Jahres 2007 stellt sich das Problem der analogen Anwendung von § 308 Nr. 4 BGB nicht. Die Ordnung zur Mitwirkung bei der Gestaltung des Arbeitsvertragsrechts durch Kommissionen in den (Erz-)Diözesen Aachen, Essen, Köln, Münster (nordrhein-westfälischer Teil) und Paderborn (Regional-KODA-Ordnung) enthält in § 15 Abs. 6 zwar ein Letztentscheidungsrecht des Diözesanbischofs im Fall eines unabweisbaren Regelungsbedürfnisses. Diese Regelung für den Bereich der verfassten Kirche gilt jedoch nicht für kirchliche Einrichtungen im Bereich des Deutschen Caritasverbands e. V.

43

bb) Der Senat kann auch für die Weihnachtszuwendung 2008 offenlassen, ob der Bezugnahme in § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags wegen des in § 15 Abs. 7 AK-Ordnung 2008 aufgenommenen bischöflichen Letztentscheidungsrechts in analoger Anwendung von § 308 Nr. 4 BGB die Wirksamkeit abzusprechen ist. Die für diesen Fall gebotene ergänzende Vertragsauslegung würde nämlich dazu führen, dass die dynamische Verweisung jedenfalls für alle Beschlüsse der zuständigen Regionalkommission gilt, die ordnungsgemäß zustande gekommen sind.

44

(1) Grundsätzlich ist eine Verweisungsklausel wirksam, die auf Arbeitsvertragsregelungen Bezug nimmt, die auf dem Dritten Weg von einer paritätisch mit weisungsunabhängigen Mitgliedern besetzten Arbeitsrechtlichen Kommission beschlossen werden. Das verlangt die angemessene Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitsrechts iSv. § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB. Eine solche Verweisung gewährleistet ebenso wie die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf einen einschlägigen Tarifvertrag eine Anpassung der Arbeitsbedingungen an veränderte Umstände und liegt nicht nur im Interesse des Arbeitgebers, sondern auch in dem des Arbeitnehmers. Nur so kann die notwendige Anpassung der Arbeitsbedingungen an veränderte Umstände auch ohne Änderungskündigung erreicht werden (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 22, BAGE 135, 163; 22. Juli 2010 - 6 AZR 170/08 - Rn. 50).

45

(2) Der dynamischen Bezugnahmeklausel in § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags könnte aber entsprechend § 308 Nr. 4 BGB die Wirksamkeit abzusprechen sein, weil sie auch auf § 15 Abs. 7 AK-Ordnung 2008 verweist, in dem ein Letztentscheidungsrecht des Bischofs vorgesehen ist. Dieses Letztentscheidungsrecht lässt nicht nur die Kassation von Regelungen zu, sondern begründet darüber hinaus die Befugnis zu einseitigen Neuregelungen (vgl. Richardi Arbeitsrecht in der Kirche 6. Aufl. § 15 Rn. 26).

46

(a) Nach § 308 Nr. 4 BGB ist eine Abrede unwirksam, wenn sich ein Arbeitgeber einseitig das Recht vorbehält, eine versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitgebers für den Arbeitnehmer zumutbar ist. Ein Änderungsvorbehalt ist eine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung iSv. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB(vgl. BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 170/08 - Rn. 45; 11. Februar 2009 - 10 AZR 222/08 - Rn. 23, EzA BGB 2002 § 308 Nr. 9).

47

(b) Das Bundesarbeitsgericht hat über die Frage, ob das Letztentscheidungsrecht des Bischofs als Änderungsvorbehalt zugunsten des Arbeitgebers iSv. § 308 Nr. 4 BGB zu verstehen ist, bisher nicht entschieden. Es hat lediglich darauf hingewiesen, dass dynamisch in Bezug genommene Arbeitsvertragsregelungen, die auf ein kirchenrechtlich vorgesehenes Letztentscheidungsrecht des Bischofs verweisen, zu weit gefasst und unwirksam sein könnten, wenn die Klausel sprachlich nicht teilbar sei und nicht auf einen verständlichen, zulässigen Inhalt zurückgeführt werden könne (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 18, BAGE 135, 163; 22. Juli 2010 - 6 AZR 170/08 - Rn. 46).

48

(c) Unschädlich ist insoweit, dass der Bischof das Recht hat, die Beschlüsse der zuständigen Kommissionen in Kraft zu setzen (vgl. § 21 AK-Ordnung 2004 iVm. § 7 der am 1. Oktober 2005 in Kraft getretenen Richtlinien für die Inkraftsetzung der Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission und der Unterkommissionen des Deutschen Caritasverbandes durch die Diözesanbischöfe in der Bundesrepublik Deutschland und § 18 AK-Ordnung 2008 iVm. § 1 der Richtlinien für die Inkraftsetzung der Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes durch die Diözesanbischöfe idF vom 26. November 2007). Sieht der Bischof - in kirchenrechtlich zulässiger Weise - davon ab, ändernde Regelungen in Kraft zu setzen, bleibt es beim bisherigen Vertragsinhalt, sodass es sich um keine Änderung handelt (vgl. Richardi Arbeitsrecht in der Kirche 6. Aufl. § 15 Rn. 55).

49

(d) Eine unmittelbare Anwendung von § 308 Nr. 4 BGB scheidet hier aus. Der Bischof ist kein vertretungsberechtigtes Organ der Beklagten. Die beklagte GmbH handelt durch ihre Geschäftsführer.

50

(aa) Für eine analoge Anwendung von § 308 Nr. 4 BGB könnte allerdings sprechen, dass der Bischof am Erhalt rechtlich selbständiger kirchlicher Einrichtungen im Bereich der Caritas - hier der kirchlichen Krankenhäuser der Beklagten - und deren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit interessiert sein wird, damit der karitative Auftrag der kirchlichen Einrichtungen weiterhin erfüllt werden kann. Deshalb besteht die Gefahr, dass er vor allem deren wirtschaftliche Belange im Blick haben und ein unabweisbares Regelungsbedürfnis für eine eigene Entscheidung gerade dann annehmen wird, wenn von Beschlüssen der Arbeitsrechtlichen Kommission abgewichen werden soll und Vergütungen gesenkt werden sollen (vgl. Vogt Der „Dritte Weg“ der evangelischen Kirchen und die Tarifautonomie S. 141 f.; siehe auch Hammer Kirchliches Arbeitsrecht S. 368 ff.; Kühling AuR 2001, 241, 245; Pahlke Kirche und Koalitionsrecht S. 219 ff.; ErfK/Schmidt 12. Aufl. Art. 4 GG Rn. 55). Problematisch ist zudem, dass es keine Entscheidungsrichtlinien für die Ausfüllung des Letztentscheidungsrechts durch den Bischof gibt (vgl. Pahlke aaO S. 220 f.; Thüsing BB 2011, 190, 191).

51

(bb) Dem wird zwar entgegengehalten, dass der Bischof nicht Sachwalter der Dienstgeberseite, sondern der gesamten Dienstgemeinschaft sei und die umfassende Verantwortung für das Heil der ihm anvertrauten Gläubigen trage (vgl. Richardi Arbeitsrecht in der Kirche 6. Aufl. § 15 Rn. 24 bis 27 und 55; Thüsing BB 2011, 190, 191). Ferner wird angeführt, das Letztentscheidungsrecht sei lediglich das äußerste Mittel. Es komme wegen der Verantwortung des Bischofs für die Wahrnehmung gesamtkirchlicher Belange erst dann zum Zug, wenn ein vorgeschaltetes Vermittlungsverfahren erfolglos durchgeführt worden sei und zudem ein unabwendbares Regelungsbedürfnis bestehe (vgl. Briza „Tarifvertrag“ und „Dritter Weg“ S. 232; siehe auch Richardi FS Bepler S. 501, 510 f.). Gleichwohl werden kirchliche Arbeitnehmer einseitige Regelungen des Bischofs nicht als stets unparteiische, die widerstreitenden Interessen ausgewogen berücksichtigende Konfliktlösungen ansehen (vgl. Fischermeier FS Bepler S. 159, 165).

52

(3) Letztlich kann aber auch für die Weihnachtszuwendung 2008 dahinstehen, ob der dynamischen Bezugnahme in § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags wegen des in § 15 Abs. 7 AK-Ordnung 2008 aufgenommenen bischöflichen Letztentscheidungsrechts entsprechend § 308 Nr. 4 BGB die Wirksamkeit abzusprechen ist. In diesem Fall wäre der Dienstvertrag ergänzend dahin auszulegen, dass die Verweisung auf solche Regelungen beschränkt ist, die auf dem Dritten Weg durch einen ordnungsgemäßen Beschluss der zuständigen, paritätisch mit weisungsunabhängigen Mitgliedern besetzten Kommission zustande gekommen sind.

53

(a) Eine einfache Auslegung der dynamischen Verweisungsklausel dahin, dass nur ohne Ausübung des Letztentscheidungsrechts des Bischofs zustande gekommene Arbeitsvertragsregelungen erfasst sein sollen, kommt nicht in Betracht (aA LAG Düsseldorf 23. Februar 2012 - 15 Sa 1284/11 - zu B III der Gründe, Revision anhängig unter - 6 AZR 372/12 -). Die Klausel differenziert nicht danach, wie die Änderung der AVR zustande gekommen ist. Zudem wäre die Klausel bei einer solchen Auslegung zumindest intransparent iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB(vgl. Fischermeier FS Bepler S. 159, 165 f.).

54

(b) § 306 Abs. 2 BGB, der anstelle der unwirksamen Klausel die Geltung der gesetzlichen Vorschriften vorsieht, führt nicht weiter, weil keine gesetzliche Ersatzordnung für eine dynamische Bezugnahmeklausel besteht.

55

(c) Wird unterstellt, dass § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags unwirksam ist, besteht allerdings eine Regelungslücke, die durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen ist.

56

(aa) Diese verstößt hier nicht gegen das in § 306 BGB enthaltene Verbot der geltungserhaltenden Reduktion(vgl. grundlegend BAG 4. März 2004 - 8 AZR 196/03 - zu B III 2 c der Gründe, BAGE 110, 8; zu Herleitung, Inhalt, Sinn und Zweck im Einzelnen Schlewing RdA 2011, 92 mwN). Das grundsätzliche Verbot der geltungserhaltenden Reduktion verfolgt zwei grundlegende Ziele des Rechts zur Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, das der Prävention und das der Transparenz. Der Klauselverwender soll angehalten werden, von vornherein angemessene Bedingungen zu formulieren. Dem Gegner des Klauselverwenders soll die Möglichkeit sachgerechter Information über die Rechte und Pflichten aus dem vorformulierten Vertrag verschafft werden (vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - zu IV 8 a der Gründe, BAGE 115, 19; 4. März 2004 - 8 AZR 196/03 - zu B III 2 c der Gründe, BAGE 110, 8; Schlewing aaO).

57

(bb) Wann eine ergänzende Vertragsauslegung zulässig ist, ist noch nicht abschließend geklärt (vgl. zB die Rechtsprechungsübersicht von Bieder NZA-Beilage 3/2011, 142 f.). Der Achte und der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts sowie der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs sind der Auffassung, eine ergänzende Vertragsauslegung komme erst dann in Betracht, wenn es für den Verwender eine unzumutbare Härte iSv. § 306 Abs. 3 BGB wäre, am Vertrag festzuhalten(vgl. BAG 18. Dezember 2008 - 8 AZR 81/08 - Rn. 64, AP BGB § 309 Nr. 4 = EzA-SD 2009 Nr. 19, 7; 25. September 2008 - 8 AZR 717/07 - Rn. 74, AP BGB § 307 Nr. 39 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 7; 19. Dezember 2006 - 9 AZR 294/06 - Rn. 34 ff., AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 21 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 17; BGH 29. April 2008 - KZR 2/07 - Rn. 31, BGHZ 176, 244). Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts und weite Teile des Schrifttums nehmen im Unterschied dazu an, dass eine Rechtslage vorliegen müsse, die ohne Ergänzung des Vertrags keine angemessene, den typischen Interessen der Vertragsparteien Rechnung tragende Lösung biete (vgl. BAG 28. November 2007 - 5 AZR 992/06 - Rn. 27, AP BGB § 307 Nr. 33 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 30; 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - Rn. 26, BAGE 122, 182; Linck FS Bauer S. 645, 657; Schlewing NZA-Beilage 2/2012, 33, 36 ff.; Schmidt NZA 2004, 1002, 1009; Uffmann RdA 2011, 154, 160 f.).

58

(cc) Die Frage kann hier offenbleiben, weil die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB und damit auch der gebotene Arbeitnehmerschutz angemessen zu berücksichtigen sind(vgl. BAG 14. Januar 2009 - 3 AZR 900/07 - Rn. 27 f., BAGE 129, 121). Kirchliche Arbeitsvertragsregelungen entstehen auf dem Dritten Weg (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 170/08 - Rn. 49 f.; 19. November 2009 - 6 AZR 561/08 - Rn. 11, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 53 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 12). § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB soll gerade auch den Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechts Rechnung tragen(vgl. BT-Drucks. 14/7052 S. 189). Eine Dynamisierung kirchlicher Arbeitsvertragsregelungen liegt zudem im Interesse der kirchlichen Arbeitnehmer, die an der im Regelfall für sie günstigen Entwicklung teilhaben sollen. Sie kann in der verfassten Kirche und in kirchlichen Einrichtungen jedoch nicht durch eine unmittelbar und zwingend wirkende tarifliche Bindung herbeigeführt werden (vgl. BAG 8. Juni 2005 - 4 AZR 412/04 - zu II 2 a aa der Gründe, AP MitarbeitervertretungsG-EK Rheinland-Westfalen § 42 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 6). Auch um das grundgesetzlich gewährleistete Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und kirchlichen Einrichtungen wirksam werden zu lassen, ist als arbeitsrechtliche Besonderheit zumindest eine ergänzende Vertragsauslegung geboten, die den Dritten Weg ermöglicht.

59

(aaa) Im Fall der Unwirksamkeit von § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags weist dieser eine Regelungslücke iSe. planwidrigen Unvollständigkeit auf (vgl. dazu BAG 14. Dezember 2011 - 4 AZR 179/10 - Rn. 30; 21. April 2009 -  3 AZR 640/07  - Rn. 33, BAGE 130, 202 ). Die gewollte Dynamik der Bezugnahme in § 2 des Dienstvertrags entfällt.

60

(bbb) Durch ergänzende Vertragsauslegung tritt an die Stelle der lückenhaften Vertragsbedingung die Gestaltung, die die Parteien bei einer angemessenen Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Lückenhaftigkeit des Vertrags bekannt gewesen wäre (st. Rspr., vgl. BAG 17. April 2012 - 3 AZR 803/09 - Rn. 31; 14. Dezember 2011 - 4 AZR 179/10 - Rn. 34; 25. April 2007 -  5 AZR 627/06  - Rn. 26, BAGE 122, 182). Maßgebender Zeitpunkt für die Feststellung und Bewertung des mutmaßlichen Parteiwillens und der Interessenlage ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Die ergänzende Vertragsauslegung schließt eine anfängliche Regelungslücke rückwirkend (vgl. BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 31, BAGE 134, 283 ; BGH 12. Oktober 2005 - IV ZR 162/03 - zu B IV 1 b der Gründe, BGHZ 164, 297). Zunächst ist an den Vertrag selbst anzuknüpfen. Die in ihm enthaltenen Regelungen und Wertungen, sein Sinn und Zweck sind der Ausgangspunkt der Vertragsergänzung. Soweit möglich, sind Lücken durch ergänzende Vertragsauslegung in der Weise auszufüllen, dass die Grundzüge des konkreten Vertrags „zu Ende gedacht werden“ (vgl. BGH 20. September 1993 - II ZR 104/92 - zu 2 der Gründe, BGHZ 123, 281).

61

(ccc) Die Vertragsparteien hätten bei Kenntnis der Unwirksamkeit der Dynamik der Bezugnahmeklausel infolge des bischöflichen Letztentscheidungsrechts eine Verweisung ohne Bezug auf ein solches Letztentscheidungsrecht vorgenommen. Das Interesse der Beklagten bestand darin, Arbeitsbedingungen ohne Änderungskündigung an veränderte Umstände anpassen zu können. Dasselbe Interesse bestand beim Arbeitnehmer, der mit der Dynamisierung an positiven Änderungen, etwa Entgelterhöhungen, teilnimmt (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 22, BAGE 135, 163; 22. Juli 2010 - 6 AZR 170/08 - Rn. 50).

62

e) Der Beschluss der Unterkommission vom 22./23. Oktober 2007 und der am 28. November 2008 im Kirchlichen Amtsblatt des Bistums Essen veröffentlichte Beschluss der Regionalkommission wurden wirksam gefasst.

63

aa) Der Beschluss der Unterkommission vom 22./23. Oktober 2007 kam wirksam zustande.

64

(1) Er ist formell wirksam.

65

(a) Der Beschluss wurde nach der Subdelegation in §§ 12 bis 14 AK-Ordnung 2004 iVm. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2, § 9 UK-Ordnung durch die Unterkommission als zuständiges Gremium gefasst.

66

(b) Er wurde nach § 9 Abs. 2 UK-Ordnung iVm. § 21 AK-Ordnung 2004 nach den Richtlinien für die Inkraftsetzung der Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission wirksam in Kraft gesetzt und am 16. November 2007 im Kirchlichen Amtsblatt des Bistums Essen veröffentlicht.

67

(c) Der Beschluss ist nicht deswegen unwirksam, weil er nach seiner Inkraftsetzung nicht nach § 21 AK-Ordnung 2004 in der Verbandszeitschrift „neue caritas“ oder nach § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags in der „Caritas-Korrespondenz“ veröffentlicht wurde.

68

(aa) Der Verstoß gegen § 21 AK-Ordnung 2004 berührt die Wirksamkeit der Inkraftsetzung nicht. Das Gebot der Veröffentlichung in der Zeitschrift „neue caritas“ dient dazu, den Arbeitnehmern Kenntnis von den Änderungen der Arbeitsvertragsregelungen zu verschaffen. Es ähnelt der Pflicht zur Bekanntgabe eines Tarifvertrags aus § 8 TVG. Für diese Bestimmung ist anerkannt, dass das Auslegen des Tarifvertrags kein konstitutives Wirksamkeitserfordernis ist (vgl. BAG 22. Januar 2008 - 9 AZR 416/07 - Rn. 38, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 191 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 190; 23. Januar 2002 - 4 AZR 56/01 - zu 5 der Gründe, BAGE 100, 225). Das gilt auch hier. Die AVR sind zwar keine Tarifverträge. Sie unterliegen aber einem ähnlichen Prüfungsmaßstab (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 31, BAGE 135, 163; 22. Juli 2010 - 6 AZR 170/08 - Rn. 56 und 61).

69

(bb) Der Beschluss der Unterkommission vom 22./23. Oktober 2007 verstößt auch nicht gegen § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags, der die Veröffentlichung des Beschlusses in der „Caritas-Korrespondenz“ nennt. Auch insoweit handelt es sich nicht um ein konstitutives Wirksamkeitserfordernis. Dafür spricht insbesondere die abweichende Handhabung der Parteien. Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger die durch Veröffentlichung im Kirchlichen Amtsblatt in Kraft gesetzten dynamischen Änderungen der AVR widerspruchslos akzeptiert, etwa für die Einmalzahlungen 2006, 2007 und 2008. Damit haben die Parteien der von der Klausel vorgesehenen Veröffentlichung in den Verbandszeitschriften übereinstimmend den Inhalt beigemessen, dass die Inkraftsetzung und Veröffentlichung im Kirchlichen Amtsblatt genügt, um die Änderung in ihrem Arbeitsverhältnis maßgeblich werden zu lassen. Selbst wenn es sich dabei um eine konkludente Vertragsänderung handeln sollte, ginge diese übereinstimmende Vorstellung wie eine Individualvereinbarung nach § 305b BGB dem Ergebnis auch einer objektiven Auslegung vor(vgl. BAG 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - Rn. 25, BAGE 128, 73; BGH 9. März 1995 - III ZR 55/94 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 129, 90).

70

(2) Der am 16. November 2007 im Kirchlichen Amtsblatt des Bistums Essen veröffentlichte Beschluss ist materiellrechtlich wirksam. Er verstößt nicht gegen die nach §§ 307 ff. BGB vorzunehmende Rechtskontrolle. Auch sonstige Unwirksamkeitsgründe, etwa ein Verstoß gegen die Bandbreitenregelung oder die Nebenbestimmungen, sind nicht gegeben.

71

(a) Die Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB beschränkt sich bei dynamisch in Bezug genommenen kirchlichen Arbeitsvertragsregelungen auf eine Rechtskontrolle, wenn die AVR - wie hier - auf dem Dritten Weg nach den einschlägigen Organisations- und Verfahrensvorschriften von einer paritätisch mit weisungsunabhängigen Mitgliedern besetzten Arbeitsrechtlichen Kommission beschlossen wurden. Die paritätische Besetzung und die Unabhängigkeit der Mitglieder der Arbeitsrechtlichen Kommission gewährleisten, dass die Arbeitgeberseite ihre Interessen bei der Festlegung des Inhalts der Arbeitsbedingungen nicht einseitig durchsetzen kann. Dabei handelt es sich um eine im Arbeitsrecht geltende Besonderheit iSv. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB, die durch eine bloße Rechtskontrolle angemessen zu berücksichtigen ist. Maßstab der Rechtskontrolle ist wie bei Tarifverträgen, ob die Regelung gegen die Verfassung, höherrangiges zwingendes Recht oder die guten Sitten verstößt (vgl. BAG 19. April 2012 - 6 AZR 677/10 - Rn. 24; 22. Juli 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 31 f., BAGE 135, 163; 22. Juli 2010 - 6 AZR 170/08 - Rn. 61 f.).

72

(b) Die Regelung verletzt das sich aus Art. 20 GG ergebende Rückwirkungsverbot entgegen der Auffassung des Klägers nicht. Bei der Prüfung sind dieselben Maßstäbe anzulegen wie bei Tarifverträgen (vgl. BAG 24. März 2011 - 6 AZR 765/09 - Rn. 18).

73

(aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts tragen tarifvertragliche Regelungen auch während der Laufzeit des Tarifvertrags den immanenten Vorbehalt in sich, rückwirkend durch Tarifvertrag geändert zu werden (vgl. BAG 24. März 2011 - 6 AZR 765/09 - Rn. 19; 27. Oktober 2010 - 10 AZR 410/09 - Rn. 17, ZTR 2011, 172; 21. September 2010 - 9 AZR 515/09 - Rn. 45, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 49). Dabei ist die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien zur rückwirkenden Änderung nur durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes der Normunterworfenen begrenzt. Es gelten die gleichen Regeln wie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu der Rückwirkung von Gesetzen. Ob und ab wann die Tarifunterworfenen mit einer tariflichen Neuregelung rechnen müssen, ist eine Frage des Einzelfalls. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist das Vertrauen in die Fortgeltung einer Tarifnorm dann nicht mehr schutzwürdig, wenn und sobald die Normunterworfenen mit einer Änderung rechnen müssen (vgl. BAG 24. März 2011 - 6 AZR 765/09 - aaO; 22. Oktober 2003 - 10 AZR 152/03 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 108, 176).

74

(bb) Die jährliche Weihnachtszuwendung wurde nach Anlage 1 Abschn. XIV Buchst. f AVR am 1. Dezember des laufenden Kalenderjahres fällig. Zuvor entstand der Anspruch auch nicht, wie Anlage 1 Abschn. XIV Buchst. a Nr. 1 AVR zeigt. Danach setzt der Anspruch voraus, dass der Mitarbeiter am 1. Dezember des laufenden Kalenderjahres in einem Dienst- oder Ausbildungsverhältnis steht. Der Beschluss, die Weihnachtszuwendung 2007 zu streichen, trat bereits am 23. Oktober 2007 in Kraft und wurde am 16. November 2007 veröffentlicht. Ein etwaiges Vertrauen des Klägers auf den Fortbestand des Anspruchs war nicht schutzwürdig. Nachdem in § 8 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 UK-Ordnung idF vom 17. März 2005 ausdrücklich die Möglichkeit einer Absenkung der Weihnachtszuwendung vorgesehen war, musste der Kläger mit ihr rechnen. Bei der Absenkung handelt es sich um eine Veränderung, wie sie als Reaktion auf eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage oder der Wettbewerbssituation nicht ungewöhnlich ist (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 170/08 - Rn. 41).

75

(c) Die Absenkung der Weihnachtszuwendung durch den Beschluss der Unterkommission für das Jahr 2007 war nach der ausdrücklichen Regelung in § 8 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 UK-Ordnung zulässig.

76

(aa) Entgegen der Ansicht des Klägers lässt eine „Absenkung“ iSv. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 UK-Ordnung auch eine Verringerung „auf Null“ zu. Der Begriff enthält keine Untergrenze. Daher war es auch möglich, den Anspruch vollständig auszuschließen.

77

(bb) Es ist nicht festgestellt, dass über die Bandbreite des § 8 Abs. 2 Satz 2 UK-Ordnung, wonach die Maßnahme aus Ziff. 1 bis 4 für das einzelne Dienstverhältnis in der Summe eine Absenkung von 15 % der Dienstbezüge nicht überschreiten darf, hinausgegangen wäre. Der Kläger hat insoweit auch keine konkrete (Gegen-)Rüge erhoben.

78

(d) Ob ein Verstoß gegen die im Beschluss der Unterkommission vom 22./23. Oktober 2007 genannten Nebenstimmungen vorliegt, kann offenbleiben. Es fehlt an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass eine Verletzung der Nebenbestimmungen die Unwirksamkeit des Ausschlusses der Weihnachtszuwendung zur Folge hätte.

79

(e) Bei dem Anspruch auf Weihnachtszuwendung handelt es sich auch nicht um einen im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Entgeltanspruch, der vom Kläger „pro rata temporis“ hätte erworben werden können. Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs ist, dass der Arbeitnehmer am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis steht. Das hindert die Annahme eines ratierlich entstehenden Anspruchs. An dem Stichtag des 1. Dezember und der weiteren Anspruchsvoraussetzung in Anlage 1 Abschn. XIV Buchst. a Nr. 3 AVR wird deutlich, dass ein gewisses Maß an Betriebstreue erfüllt sein muss, um den Anspruch entstehen zu lassen. Nach Anlage 1 Abschn. XIV Buchst. a Nr. 3 AVR steht dem Arbeitnehmer die Zuwendung nur zu, wenn er nicht in der Zeit bis 31. März des folgenden Kalenderjahres aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch ausscheidet. Damit wird ein weiter gehender Zweck verfolgt als nur das Ziel, geleistete Arbeit zu honorieren (vgl. BAG 24. März 2011 - 6 AZR 765/09 - Rn. 19 und 29).

80

bb) Auch der Anspruch auf Weihnachtszuwendung für das Jahr 2008 ist wegen des am 28. November 2008 im Kirchlichen Amtsblatt des Bistums Essen veröffentlichten Beschlusses der Regionalkommission nicht entstanden.

81

(1) Die dynamische Bezugnahmeklausel erfasst jedenfalls nach ergänzender Vertragsauslegung auch den aufgrund von § 11 Abs. 1 AK-Ordnung 2008 ergangenen Beschluss der Regionalkommission zur Absenkung der Weihnachtszuwendung.

82

(2) Die Delegiertenversammlung war nach § 1 der AK-Ordnung 2008 iVm. § 9 Abs. 3 der Satzung des Deutschen Caritasverbands idF vom 18. Oktober 2005 dazu berechtigt, die AK-Ordnung zu erlassen.

83

(3) Der aufgrund der AK-Ordnung ergangene Beschluss der Streichung der Weihnachtszuwendung für das Jahr 2008 wurde formell und materiell wirksam durch die Regionalkommission gefasst und in Kraft gesetzt.

84

(a) Die Regionalkommission überschritt ihren Regelungsspielraum nicht. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht dadurch verletzt, dass der am 28. November 2008 veröffentlichte Beschluss „Mitarbeiter nach Anlage 7 AVR“ - die Auszubildenden - von der Streichung der Weihnachtszuwendung ausnahm.

85

(aa) Der Senat muss nicht darüber entscheiden, ob Beschlüsse der Regionalkommission, die auf dem Dritten Weg zustande gekommen sind, am arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu messen sind (offengelassen von BAG 21. Oktober 2009 - 10 AZR 786/08 - Rn. 51, AP AVR Caritasverband Anlage 1 Nr. 5; 8. Juni 2005 - 4 AZR 417/04 - zu B II 1 d der Gründe; bejahend KAGH 16. Dezember 2011 - K 09/11 - zu B II 1 b der Gründe, ZMV 2012, 95).

86

(bb) Der Kläger ist als Arbeitnehmer nicht vergleichbar mit Auszubildenden (vgl. dazu ausführlich BAG 21. Oktober 2009 - 10 AZR 786/08 - Rn. 49, AP AVR Caritasverband Anlage 1 Nr. 5). Er erhält seine Vergütung als Gegenleistung für die erbrachte Arbeit, während die Ausbildungsvergütung nach § 17 BBiG den Auszubildenden neben einer gewissen „Entlohnung“ bei der Lebenshaltung unterstützen und die Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses an qualifizierten Fachkräften gewährleisten soll(vgl. zu diesen drei Funktionen BAG 21. Oktober 2009 - 10 AZR 786/08 - Rn. 52, aaO; 19. Februar 2008 - 9 AZR 1091/06 - Rn. 18, BAGE 126, 12).

87

(b) Der Ausschluss der Weihnachtszuwendung für das Jahr 2008 verstößt nicht gegen eine vorgegebene Bandbreite. Die Regionalkommission hatte weder die in § 10 AK-Ordnung 2008 vorgegebene Bandbreite von 15 % nach oben und unten noch den Beschluss der Bundeskommission von Juni 2008 mit der Bandbreite von 0,1 % zu beachten. Das ergibt sich aus dem Zusammenhang der Regelungen. Es kommt nicht darauf an, ob die Regionalkommission binnen drei Monaten über den Antrag der Beklagten auf Aufhebung der Weihnachtszuwendung 2008 entschied.

88

(aa) § 10 AK-Ordnung 2008 regelt die Zuständigkeiten der Bundeskommission und grenzt sie von denen der Regionalkommissionen ab.

89

(aaa) Aufgrund von § 10 Abs. 2 AK-Ordnung 2008 sind die Regionalkommissionen ausschließlich zuständig für die Festlegung aller Vergütungsbestandteile. In § 10 Abs. 1 Satz 2 AK-Ordnung 2008 sind für den Fall der Regelung durch die zuständige Regionalkommission Bandbreiten vorgegeben. Diese Bandbreiten haben die Regionalkommissionen bei den Beschlüssen für ihre Region zu beachten oder nach § 10 Abs. 4 AK-Ordnung 2008 einen Antrag auf Abweichung bei der Bundeskommission zu stellen.

90

(bbb) Davon abzugrenzen sind Beschlüsse, die aufgrund von § 11 AK-Ordnung 2008 auf Antrag einer bestimmten Einrichtung oder einer Mitarbeitervertretung von der Regionalkommission gefasst werden. Der Antrag nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AK-Ordnung 2008 ist darauf gerichtet, „von den durch die Regionalkommission festgelegten Regelungen der Höhe aller Vergütungsbestandteile … abzuweichen“. Ein solcher Antrag ist - wie die Beklagte in der Berufungsinstanz durch eine Stellungnahme des Geschäftsführers der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbands e. V. ausgeführt hat - nur dann sinnvoll, wenn von den bisherigen Beschlüssen der Regionalkommission, die unter Beachtung der Bandbreiten in § 10 Abs. 1 AK-Ordnung 2008 ergangen sind, abgewichen werden soll. Sonst „liefe“ die einrichtungsspezifische Regelung, die noch konkretere betriebliche Lösungen ermöglichen soll, „leer“, weil dieselben Bandbreiten zu beachten wären.

91

(ccc) Der Beschluss der Bundeskommission von Juni 2008 erging aufgrund von § 10 Abs. 1 Satz 3 AK-Ordnung 2008. Er bezieht sich ausschließlich auf die in § 10 Abs. 1 Satz 2 AK-Ordnung 2008 vorgegebene Bandbreite, nicht auf einrichtungsspezifische Regelungen aus § 11 Abs. 1 AK-Ordnung 2008.

92

(bb) Nicht entscheidend ist, ob die Regionalkommission binnen dreier Monate über den Antrag der Beklagten auf einrichtungsspezifische Aufhebung der Weihnachtszuwendung 2008 befand. Die Dreimonatsfrist des § 11 Abs. 2 Satz 1 AK-Ordnung 2008 soll ersichtlich nur die Regionalkommission zur Eile bei der Entscheidung über den Antrag anhalten. Die Regelung enthält keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass eine Überschreitung der Frist die Unwirksamkeit des getroffenen Beschlusses zur Folge haben soll.

93

II. Ein Anspruch des Klägers ergibt sich schließlich nicht aus dem Altersteilzeitarbeitsvertrag vom 22. November 2005. In § 3 Abs. 1 ist lediglich geregelt, dass der Kläger für die Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses Entgelt nach § 4 der Anlage 17 zu den AVR erhält. Daraus folgt kein Anspruch auf die Weihnachtszuwendung. Der Altersteilzeitarbeitnehmer nimmt in der Arbeits- und in der Freistellungsphase an Entgelterhöhungen und Vergütungsverringerungen aufgrund der dynamischen Verweisungsklausel in § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags teil(vgl. für tarifliche Ansprüche BAG 19. April 2012 - 6 AZR 14/11 - Rn. 53). Inwieweit der in § 5 der Anlage 17 zu den AVR geregelte Mindestnettobetrag durch die Streichung der Weihnachtszuwendung unterschritten sein soll, hat der Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt.

94

B. Der unterlegene Kläger hat nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Jerchel    

        

    Hoffmann    

                 

(1) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind.

(2) Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss

1.
die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie hinweist und
2.
der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise, die auch eine für den Verwender erkennbare körperliche Behinderung der anderen Vertragspartei angemessen berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen,
und wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist.

(3) Die Vertragsparteien können für eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften die Geltung bestimmter Allgemeiner Geschäftsbedingungen unter Beachtung der in Absatz 2 bezeichneten Erfordernisse im Voraus vereinbaren.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. März 2011 - 7 Sa 141/10 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 30. Dezember 2009 - 2 Ca 324/09 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Weihnachtszuwendungen für die Jahre 2007 und 2008.

2

Der Kläger wurde von der Beklagten seit Oktober 1980 als Apothekerassistent beschäftigt. Bei der Beklagten handelte es sich im streitbefangenen Zeitraum um die Katholisches Klinikum Duisburg GmbH, die dem Deutschen Caritasverband e. V. angehörte. Während des Revisionsverfahrens hat die HELIOS-Klinikengruppe im Jahr 2011 51 % der Anteile an der Beklagten übernommen. Die restlichen Anteile werden seitdem von der Kosmas und Damian GmbH gehalten, einer gemeinsamen Gesellschaft des Bistums Essen und der St. Elisabeth GmbH. Die Beklagte hat in HELIOS Klinikum Duisburg GmbH umfirmiert. Der konfessionelle Charakter der Krankenhäuser soll trotz der gesellschaftsrechtlichen Veränderung erhalten bleiben.

3

Dem Arbeitsverhältnis liegt der Dienstvertrag vom 21. August 1981 zugrunde. Er lautet auszugsweise:

        

㤠2

        

Für das Dienstverhältnis gelten die ‚Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes’ (AVR) in der zur Zeit des Vertragsabschlusses in der ‚Caritas-Korrespondenz’ veröffentlichten und im Amtsblatt des Ortsbistums in Kraft gesetzten Fassung.

        

Die AVR sind Bestandteil des Dienstvertrages und haben dem Mitarbeiter zur Kenntnisnahme zur Verfügung gestanden.

        

Bei Änderungen der AVR gilt jeweils die in der ‚Caritas-Korrespondenz’ veröffentlichte und im Amtsblatt des Ortsbistums in Kraft gesetzte Fassung, ohne daß es einer weiteren Vereinbarung bedarf. Auch insoweit ist dem Mitarbeiter Gelegenheit zur Kenntnisnahme gegeben.

        

§ 8

        

Weitere Sondervereinbarungen bestehen nicht. Spätere Vereinbarungen bedürfen zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Festlegung unter Bezugnahme auf diesen Vertrag und der kirchenaufsichtlichen Genehmigung.2

        

…       

        

2 Bei Einrichtungen, die nicht der speziellen bischöflichen Aufsicht unterstehen, kann der Passus ‚und der kirchenaufsichtlichen Genehmigung’ gestrichen werden.“

4

Durch Änderungsvertrag vom 22. November 2005 vereinbarten die Parteien Altersteilzeit im Blockmodell. Die Arbeitsphase dauerte von April 2006 bis September 2009. Die Freistellungsphase umfasst den Zeitraum von Oktober 2009 bis März 2013.

5

Nach Anlage 1 Abschn. XIV zu den Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) erhalten Arbeitnehmer jährlich eine am 1. Dezember des Kalenderjahres fällige Weihnachtszuwendung. Die Regelung lautet in ihren wortgleichen Fassungen von Januar 2007 und Januar 2008 in Auszügen:

        

„XIV Weihnachtszuwendung

        

(a)     

Anspruchsvoraussetzungen

        

Der Mitarbeiter erhält in jedem Kalenderjahr eine Weihnachtszuwendung, wenn er

        

1.    

am 1. Dezember des laufenden Kalenderjahres im Dienst- oder Ausbildungsverhältnis … steht und

        

2.    

seit dem 1. Oktober ununterbrochen in einem Dienst- oder Ausbildungsverhältnis im Geltungsbereich der AVR … gestanden hat … und

        

3.    

nicht in der Zeit vor dem 31. März des folgenden Kalenderjahres aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch aus dem am 1. Dezember bestehenden Dienst- oder Ausbildungsverhältnis ausscheidet, … .“

6

Zum 1. Juli 2004 trat die Ordnung der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes e. V. (AK-Ordnung 2004) in Kraft. In ihr heißt es:

        

„§ 12 Unterkommissionen und Ausschüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission

        

Die Arbeitsrechtliche Kommission kann für die Dauer ihrer Amtszeit oder zeitlich befristet beschließende Unterkommissionen und beratende Ausschüsse bilden.

        

§ 13 Aufgabe und Bildung von Unterkommissionen

        

(1)     

Zur Beschlussfassung von Rechtsnormen über Inhalt, Abschluss und Beendigung von Dienstverhältnissen bestimmter kirchlich-caritativer Rechtsträger oder bestimmter Regionen des Deutschen Caritasverbandes oder bestimmter Berufs- und Aufgabenfelder in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes kann die Arbeitsrechtliche Kommission Unterkommissionen bilden.

        

…       

        
        

§ 14 Kompetenzen und Beschlüsse der Unterkommissionen

        

(1)     

Die Arbeitsrechtliche Kommission legt die Beschlusskompetenz der Unterkommissionen nach § 13 Abs. 1 dieser Ordnung fest. …

        

(2)     

Die Unterkommissionen fassen im Rahmen von Abs. 1 rechtlich verbindliche Beschlüsse gemäß § 16 dieser Ordnung.

        

(3)     

Die im Rahmen von Abs. 1 gefassten Beschlüsse der Unterkommissionen gehen den Beschlüssen der Arbeitsrechtlichen Kommission vor.

        

(4)     

Für das In-Kraft-Treten der Beschlüsse der Unterkommissionen gilt § 21 dieser Ordnung.

        

…       

        
        

§ 21 In-Kraft-Treten der Beschlüsse

        

Die Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission und der Unterkommissionen sind dem/der Vorsitzenden der Arbeitsrechtlichen Kommission zuzuleiten und von ihm/ihr zu unterzeichnen. Anschließend sind die Beschlüsse nach Maßgabe der Richtlinien für die In-Kraft-Setzung der Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft zu setzen und in der Verbandszeitschrift ‚neue caritas’ zu veröffentlichen.“

7

Am 7. Juli 2005 trat die „Ordnung für beschließende Unterkommissionen gemäß §§ 12 bis 14 der Ordnung der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes“(UK-Ordnung) idF vom 17. März 2005 durch Veröffentlichung im Kirchlichen Amtsblatt des Bistums Essen in Kraft. Sie lautet auszugsweise:

        

㤠6 Antragsvoraussetzungen

        

(1)     

Anträge auf Beschlussfassung in den Unterkommissionen können nur Mitglieder der Arbeitsrechtlichen Kommission stellen. Sie sind an den/die Geschäftsführer(in) in der Arbeitsrechtlichen Kommission zu senden.

        

(2)     

Anträge sind ausführlich schriftlich zu begründen und mit aussagekräftigen Unterlagen zu belegen.

        

(3)     

Bei Absenkungsanträgen für eine Einrichtung oder für einen Träger sind zur Begründung mindestens die Unterlagen vorzulegen, die ein den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Einrichtung oder des Trägers vermitteln. …

        

§ 8 Umfang der Regelungen

        

(1)     

Die Unterkommissionen bzw. in Fällen des § 7 Abs. 2 die Arbeitsrechtliche Kommission können zur Gestaltung der Arbeitsbedingungen der Dienstverhältnisse mit kirchlich-caritativen Trägern im Bereich des Deutschen Caritasverbandes in ihren jeweiligen Regionen Beschlüsse fassen.

        

(2)     

Dabei sind folgende abschließend genannte Regelungsmaterien und Bandbreiten zu beachten:

        

…       

        
        

2.    

eine Absenkung oder Stundung der Weihnachtszuwendung (Abschnitt XIV der Anlage 1 zu den AVR);

        

…       

        
        

Die Maßnahmen nach Ziffer 1 bis 4 dürfen für das einzelne Dienstverhältnis in der Summe eine Absenkung von 15 v. H. der Dienstbezüge (Abschnitt II der Anlage 1 zu den AVR) nicht überschreiten. …

        

…       

        

§ 9 Beschlüsse der Unterkommissionen

        

(1)     

Die Unterkommissionen fassen im Rahmen von § 8 rechtlich verbindliche Beschlüsse gemäß § 16 AK-Ordnung. Diese Beschlüsse der Unterkommissionen gehen den Beschlüssen der Arbeitsrechtlichen Kommission vor.

        

(2)     

Fasst eine Unterkommission einen Beschluss, ist dieser dem/der Vorsitzenden der Arbeitsrechtlichen Kommission zuzuleiten, damit das Inkraftsetzungsverfahren gemäß § 21 AK-Ordnung eingeleitet werden kann.

        

…“    

        
8

Nach der Ordnung der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes e. V. idF vom 17. Oktober 2007, in Kraft getreten am 1. Januar 2008 (AK-Ordnung 2008), besteht die Arbeitsrechtliche Kommission nun aus einer Bundeskommission und sechs Regionalkommissionen. Unterkommissionen sind nicht mehr vorgesehen. Die AK-Ordnung 2008 lautet in Auszügen:

        

㤠1 Stellung und Aufgabe

        

…       

        
        

(3)     

Aufgabe der Arbeitsrechtlichen Kommission ist die Beschlussfassung von Rechtsnormen über Inhalt, Abschluss und Beendigung von Dienstverhältnissen mit kirchlich-caritativen Rechtsträgern im Bereich des Deutschen Caritasverbandes, solange und soweit die ‚Zentrale Kommission zur Ordnung des Arbeitsvertragsrechtes im kirchlichen Dienst’ (Zentral-KODA) von ihrer Regelungsbefugnis gemäß § 3 Absatz 1 Zentral-KODA-Ordnung keinen Gebrauch gemacht hat oder macht. …

        

§ 10 Zuständigkeiten der Bundeskommission und der Regionalkommissionen

        

(1)     

Die Bundeskommission hat eine umfassende Regelungszuständigkeit mit Ausnahme der Bereiche, die ausschließlich den Regionalkommissionen zugewiesen sind. In den ausschließlich den Regionalkommissionen zugewiesenen Bereichen bestehen Bandbreiten; sie betragen für die Festlegung der Höhe aller Vergütungsbestandteile von dem mittleren Wert 15 v. H. Differenz nach oben und nach unten, … . Die Bundeskommission legt den mittleren Wert fest; sie kann den Umfang der Bandbreiten durch Beschluss verändern.

        

…       

        
        

§ 11 Einrichtungsspezifische Regelungen

        

(1)     

Jedes Mitglied einer Regionalkommission kann nach Aufforderung durch eine betroffene (Gesamt-)Mitarbeitervertretung oder durch einen betroffenen Dienstgeber für die Gesamtheit der Einrichtungen eines Trägers, für eine Einrichtung oder für Teile einer Einrichtung einen schriftlich zu begründenden Antrag an die zuständige Regionalkommission stellen, von den durch die Regionalkommission festgelegten Regelungen der Höhe aller Vergütungsbestandteile, des Umfangs der regelmäßigen Arbeitszeit und des Umfangs des Erholungsurlaubs sowie den Maßnahmen der Beschäftigungssicherung abzuweichen. …

        

(2)     

Über einen solchen Antrag hat die Regionalkommission innerhalb von drei Monaten zu entscheiden. Die Entscheidung ist schriftlich zu begründen. Soweit sie Abweichungen zulässt, sind diese zeitlich zu befristen.

        

…       

        
        

§ 15 Vermittlungsverfahren

        

…       

        
        

(7)     

Unbeschadet der Regelungen in den Absätzen 1 bis 6 kann der Ortsordinarius im Einzelfall das Vorliegen eines unabweisbaren Regelungsbedürfnisses unüberprüfbar feststellen und die notwendige Entscheidung treffen.

        

§ 18 In-Kraft-Treten der Beschlüsse

        

…       

        
        

(2)     

Die Beschlüsse sollen in der Verbandszeitschrift ‚neue caritas’ und geeigneten diözesanen Medien veröffentlicht werden. Dies gilt nicht für Beschlüsse, die nach § 11 der Ordnung gefasst werden.“

9

Im Kirchlichen Amtsblatt des Bistums Essen vom 16. November 2007 ist - bezogen auf die Beklagte - folgender Beschluss veröffentlicht:

        

„Beschluss der Unterkommission II vom 22. - 23.10.2007 Antrag 98/UK II

        

Katholische Klinikum Duisburg GmbH, …

        

1.    

Für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Katholischen Klinikum Duisburg GmbH, …, wird in Abweichung von Abschnitt XIV der Anlage 1 zu den AVR im Kalenderjahr 2007 keine Weihnachtszuwendung gezahlt.

        

2.    

Die Änderung tritt am 23.10.2007 in Kraft. Die Laufzeit des Beschlusses endet am 31.12.2010.“

10

Im folgenden Text waren Nebenbestimmungen getroffen, ua. ein Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen.

11

Unter dem 4. August 2008 schloss die Beklagte mit zwei Mitarbeitervertretungen eine „Dienstvereinbarung Regelung 2008 und 2009“. Darin war ua. ein Ausschluss der Weihnachtszuwendung vorgesehen. Der Kläger unterzeichnete diese Vereinbarung in seiner Eigenschaft als damaliger Vorsitzender der Mitarbeitervertretung des S-Hospitals nicht.

12

Durch Beschluss von Juni 2008 legte die Bundeskommission neue Mittelwerte und Bandbreiten für die Weihnachtszuwendung fest. Für die Weihnachtszuwendung nach Anm. 2 in Abschn. XIV der Anlage 1 zu den AVR wurde die Bandbreite iHv. 0,1 % nach oben und unten angegeben.

13

Unter dem 5. August 2008 richtete die Beklagte einen Antrag auf Aufhebung der Weihnachtszuwendung für das Jahr 2008 an die Regionalkommission Nordrhein-Westfalen. Daraufhin fasste die Regionalkommission einen Beschluss, der am 28. November 2008 im Kirchlichen Amtsblatt des Bistums Essen veröffentlicht wurde:

        

„Beschluss Antrag 6/RK NRW Katholisches Klinikum Duisburg GmbH, …

        

1.    

Für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Ausnahme der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Anlage 7 AVR des Katholischen Klinikums Duisburg GmbH, …, wird in Abweichung von Abschnitt XIV der Anlage 1 zu den AVR im Kalenderjahr 2008 keine Weihnachtszuwendung gezahlt.

        

2.    

Die Änderungen treten am 12.11.2008 in Kraft.“

14

Dort waren erneut Nebenbestimmungen getroffen, ua. ein Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen bis 31. Dezember 2010. Keiner der beiden Beschlüsse wurde in der Zeitschrift „Caritas-Korrespondenz“ oder der Folgezeitschrift „neue caritas“ veröffentlicht. In den Jahren 2006, 2007 und 2008 hatte der Kläger die Änderungen der AVR, die begünstigende Einmalzahlungen vorsahen, auch ohne Veröffentlichung in den Verbandszeitschriften widerspruchslos akzeptiert.

15

Die Beklagte zahlte in den Jahren 2007 und 2008 keine Weihnachtszuwendung an den Kläger und berief sich hierfür auf die Beschlüsse der Unter- bzw. der Regionalkommission aus den Jahren 2007 und 2008.

16

Mit seiner Klage erstrebt der Kläger die Weihnachtszuwendungen für die Jahre 2007 und 2008 in rechnerisch unstreitiger Höhe. Er hat die Auffassung vertreten, die Beschlüsse der Unter- und der Regionalkommission seien bereits deshalb unwirksam, weil sie nicht in der „Caritas-Korrespondenz“ oder der Folgezeitschrift „neue caritas“ veröffentlicht worden seien. Die Beschlüsse seien auf sein Arbeitsverhältnis auch nicht anzuwenden, weil sie von der dynamischen Bezugnahme in § 2 Abs. 3 des Dienstvertrags nicht erfasst seien. Die Zahlung habe allenfalls im Rahmen der vorgegebenen Bandbreiten abgesenkt werden können. Die Nebenbestimmungen der Beschlüsse seien nicht erfüllt worden. Der Beschluss der Regionalkommission für das Jahr 2008 sei nicht innerhalb der Dreimonatsfrist nach Antragstellung gefasst worden. Durch die unterbleibende Zahlung der Weihnachtszuwendung werde in unzulässiger Weise in den Altersteilzeitarbeitsvertrag eingegriffen.

17

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.300,08 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.639,84 Euro seit 1. Dezember 2007 und aus 1.660,24 Euro seit 1. Dezember 2008 zu zahlen.

18

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, die dynamische Bezugnahmeklausel in § 2 Abs. 3 des Dienstvertrags beziehe sich auf alle Vorschriften des Dritten Wegs. Die Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission, der Unterkommission oder der Regionalkommission führten zu einer unmittelbaren Änderung der materiellen Rechtslage. Gewollt sei eine dynamische Anpassung, die zu Rechtsveränderungen - Verbesserungen und Verschlechterungen - führen könne. Da der kirchliche Arbeitgeber zur Anwendung des gesamten kirchlichen Regelungswerks verpflichtet sei, um einheitliche Dienstverhältnisse herzustellen, habe er den Dritten Weg insgesamt in Bezug nehmen wollen, also auch die AK-Ordnungen und die auf ihrer Grundlage ergangenen Beschlüsse. Aufgrund der grundgesetzlichen Garantie eines kircheneigenen Arbeitsrechtsregelungssystems müsse es kirchlichen Arbeitgebern möglich sein, den Dritten Weg weiterzuentwickeln. Die Verweisungsklausel halte auch einer Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB stand. Für einen Arbeitnehmer sei es nicht überraschend, dass ein kirchlicher Arbeitgeber den Dritten Weg verfolge und ihn durch Kompetenzverlagerungen weiterentwickle. Eine einseitige Änderungsbefugnis bestehe nicht, weil die Arbeitsrechtliche Kommission paritätisch zusammengesetzt sei. Das Letztentscheidungsrecht des Bischofs ändere daran nichts. Eine unangemessene Benachteiligung scheide aus. Die Fortentwicklung der AVR liege im Interesse beider Vertragsparteien. Die Arbeitsbedingungen könnten nur auf diese Weise ohne Änderungskündigungen geänderten Verhältnissen - zB durch Entgelterhöhungen - angepasst werden. Die im Dienstvertrag getroffene Vereinbarung über die Veröffentlichung in der Verbandszeitschrift habe keine konstitutive Wirkung. Die Veröffentlichungen seien seit Jahren nur noch im Kirchlichen Amtsblatt erfolgt. Die Bandbreitenregelungen seien nicht bindend, weil die einrichtungsspezifischen Regelungen des § 11 AK-Ordnung 2008 spezieller seien.

19

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

20

A. Die Ansprüche des Klägers auf Zahlung der Weihnachtszuwendung für die Jahre 2007 und 2008 sind wegen des am 16. November 2007 im Kirchlichen Amtsblatt des Bistums Essen veröffentlichten Beschlusses der Unterkommission und des am 28. November 2008 im Kirchlichen Amtsblatt des Bistums Essen veröffentlichten Beschlusses der Regionalkommission nicht entstanden. Die Beschlüsse sind von der dynamischen Bezugnahmeklausel in § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags erfasst. Die Verweisungsklausel hält der Einbeziehungskontrolle stand. Der Senat kann offenlassen, ob die Verweisungsklausel hinsichtlich der Weihnachtszuwendung für das Jahr 2008 wegen des in Bezug genommenen (echten) Letztentscheidungsrechts des Bischofs in § 15 Abs. 7 AK-Ordnung 2008 einen Änderungsvorbehalt enthält, dem in analoger Anwendung von § 308 Nr. 4 BGB die Wirksamkeit abzusprechen ist. Die in diesem Fall gebotene ergänzende Vertragsauslegung führt auch für die Weihnachtszuwendung des Jahres 2008 dazu, dass die dynamische Verweisung für alle Beschlüsse der zuständigen Regionalkommission gilt, die ordnungsgemäß zustande gekommen sind.

21

I. Die Ansprüche des Klägers auf Weihnachtszuwendung für die Jahre 2007 und 2008 sind aufgrund des am 16. November 2007 im Kirchlichen Amtsblatt des Bistums Essen veröffentlichten Beschlusses der Unterkommission und des am 28. November 2008 im Kirchlichen Amtsblatt des Bistums Essen veröffentlichten Beschlusses der Regionalkommission nicht entstanden.

22

1. Die kirchlichen Ordnungen der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbands e. V. und für beschließende Unterkommissionen sind einschließlich des bischöflichen Letztentscheidungsrechts in § 15 Abs. 7 AK-Ordnung 2008 in § 2 Abs. 1 bis Abs. 3 des Dienstvertrags in Bezug genommen. Die Arbeitsvertragsparteien haben das kirchliche Arbeitsvertragsrecht - den sog. Dritten Weg - damit uneingeschränkt als verbindlich anerkannt. Das war im Fall der beklagten Arbeitgeberin zulässig, die als privatrechtlich organisiertes Caritas-Unternehmen jedenfalls in den für den Streitfall maßgeblichen Jahren 2007 bis 2009 eine kirchliche Einrichtung war.

23

a) Die Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV kommt nicht nur den verfassten Kirchen und ihren rechtlich selbständigen Teilen zugute. Sie gilt vielmehr für alle der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf deren Rechtsform, wenn sie nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, einen Teil des Auftrags der Kirche zu erfüllen. Nach dem Selbstverständnis der katholischen Kirche umfasst die Religionsausübung nicht nur den Bereich des Glaubens und des Gottesdienstes, sondern auch die Freiheit zur Entfaltung und Wirksamkeit in der Welt, wie es ihrer religiösen Aufgabe entspricht. Hierzu gehört insbesondere das karitative Wirken (vgl. BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83, 2 BvR 1718/83, 2 BvR 856/84 - zu B II 1 a der Gründe mwN, BVerfGE 70, 138).

24

b) Die Beklagte war zumindest in den entscheidungserheblichen Jahren 2007 bis 2009 als kirchliche Einrichtung der katholischen Kirche zugeordnet. Sie hatte unmittelbar teil an der Verwirklichung eines wesentlichen kirchlichen Auftrags, indem sie katholische Krankenhäuser unterhielt (vgl. zu einem solchen kirchlichen Auftrag BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83, 2 BvR 1718/83, 2 BvR 856/84 - zu B II 1 a der Gründe mwN, BVerfGE 70, 138).

25

2. Der Kläger erfüllt die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen für die Weihnachtszuwendungen der Jahre 2007 und 2008. Auf Anlage 1 Abschn. XIV AVR ist in § 2 des Dienstvertrags wirksam verwiesen. Die Anspruchsvoraussetzungen des Buchst. a der Anlage 1 Abschn. XIV AVR sind gegeben. Der Kläger stand jeweils am 1. Dezember seit dem 1. Oktober in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten und schied aus ihm nicht vor dem 31. März des Folgejahres aus.

26

3. Der am 16. November 2007 im Kirchlichen Amtsblatt des Bistums Essen veröffentlichte Beschluss der Unterkommission und der am 28. November 2008 im Kirchlichen Amtsblatt des Bistums Essen veröffentlichte Beschluss der Regionalkommission verhinderten jedoch, dass Ansprüche des Klägers auf Weihnachtszuwendung für die Jahre 2007 und 2008 entstanden.

27

a) Der Beschluss der Unterkommission vom 22./23. Oktober 2007 regelt ausdrücklich, dass für alle Mitarbeiter in Abweichung von Abschn. XIV der Anlage 1 zu den AVR im Kalenderjahr 2007 keine Weihnachtszuwendung gezahlt wird. Die Regelung trat am 23. Oktober 2007 in Kraft. Entsprechendes gilt für den am 28. November 2008 im Kirchlichen Amtsblatt des Bistums Essen veröffentlichten Beschluss der Regionalkommission, der am 12. November 2008 in Kraft trat.

28

b) Die Auslegung der Bezugnahmeklausel in § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags ergibt, dass das kirchenrechtliche System der Arbeitsrechtsetzung insgesamt erfasst werden soll, also auch alle Verfahrensordnungen und die daraus hervorgegangenen Beschlüsse, die auf dem Dritten Weg zustande gekommen sind. Die beiden Beschlüsse sind damit von der Verweisung auf die AVR erfasst.

29

aa) Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags gilt bei Änderungen der AVR jeweils die in der „Caritas-Korrespondenz“ veröffentlichte und im Amtsblatt des Ortsbistums in Kraft gesetzte Fassung, ohne dass eine weitere Vereinbarung erforderlich wäre.

30

bb) Bei der Bezugnahme in § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags handelt es sich nach dem Erscheinungsbild des Dienstvertrags um eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Vertrag enthält bis auf die persönlichen Daten des Klägers keine individuellen Besonderheiten. Der Inhalt Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab zu ermitteln. Sie sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Diese Grundsätze gelten auch für die Auslegung von Bezugnahmeklauseln auf kirchliche Regelungswerke (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 6 AZR 573/10 - Rn. 28, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 22; 22. Juli 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 12, BAGE 135, 163 mit im Wesentlichen zust. Anm. von Hoyningen-Huene/van Endern AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 55; Richardi RdA 2011, 119 ff.).

31

cc) Nach diesen Grundsätzen kann die Verweisung auf die „Änderungen der AVR“ nur so verstanden werden, dass das kirchenrechtliche System der Arbeitsrechtsetzung insgesamt erfasst wird. Zu ihm gehören die Verfahrensordnungen und die daraus hervorgegangenen Beschlüsse, die wirksam auf dem Dritten Weg zustande gekommen sind.

32

(1) § 2 Abs. 1 des Dienstvertrags nimmt Bezug auf die „Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes(AVR) in der zur Zeit des Vertragsabschlusses in der Caritas-Korrespondenz veröffentlichten und im Amtsblatt des Ortsbistums in Kraft gesetzten Fassung“. Diese zunächst statische Verweisung wird ergänzt durch § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags. Danach gilt bei Änderungen der AVR jeweils die in der „Caritas-Korrespondenz“ veröffentlichte und im Amtsblatt des Ortsbistums in Kraft gesetzte Fassung, ohne dass es einer weiteren Vereinbarung bedarf.

33

(2) Die erforderliche Auslegung dieser Klausel führt zu dem Ergebnis, dass die Parteien auch auf Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen verweisen wollten.

34

(a) Dafür spricht entscheidend die Funktion einer solchen Bezugnahme. Mangels normativer Geltung kirchlichen Arbeitsrechts in privaten Arbeitsverhältnissen können dem kirchlichen Arbeitsrecht nur Verweisungsklauseln Wirkung verschaffen (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 6 AZR 573/10 - Rn. 29, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 22). Vor diesem Hintergrund sind Verweisungsklauseln auf die Regelungen des kirchlichen Arbeitsrechts grundsätzlich dahin auszulegen, dass sie dem kirchlichen Arbeitsrecht im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis umfassend Geltung verschaffen und das Verfahrensrecht einbeziehen wollen (vgl. BAG 21. Oktober 2009 - 4 AZR 880/07 - Rn. 27; 10. Dezember 2008 - 4 AZR 801/07 - Rn. 19 f., BAGE 129, 1). Auch bei katholischen Rechtsträgern, die nicht nach Art. 2 Abs. 1 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse(GrO) unmittelbar an die GrO gebunden sind, kann der kirchliche Arbeitnehmer entsprechende Klauseln im Ausgangspunkt nur dahin verstehen, dass sie dem kirchenrechtlichen Gebot in Art. 2 Abs. 2 GrO genügen sollen, die GrO verbindlich zu übernehmen(vgl. zu entsprechenden kirchenrechtlichen Pflichten oder Geboten im Bereich der Evangelischen Kirchen BAG 16. Februar 2012 - 6 AZR 573/10 - Rn. 29, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 22; zur Reichweite entsprechender Verweisungsklauseln ferner 19. Februar 2003 - 4 AZR 11/02 - zu I 1 a bb und cc der Gründe, BAGE 105, 148; zur aus der Mitgliedschaft im Caritasverband folgenden Verpflichtung zur Übernahme und Anwendung der GrO KAGH 16. Dezember 2011 - K 09/11 - zu B II 1 a der Gründe, ZMV 2012, 95).

35

(b) Eine engere Auslegung hätte zur Folge, dass der Dritte Weg durch die Beklagte nicht mehr „gelebt“ werden könnte. Eine Anpassung arbeitsvertraglicher Regelungen ist in erster Linie von der dazu berufenen Arbeitsrechtlichen Kommission vorzunehmen. So regeln die hier maßgeblichen AK-Ordnungen 2004 und 2008 in § 1 Abs. 3, dass Aufgabe der Arbeitsrechtlichen Kommission die „Beschlussfassung von Rechtsnormen über Inhalt, Abschluss und Beendigung von Dienstverhältnissen“ ist. Die Arbeitsrechtliche Kommission hat die dynamischen vertraglichen Verweisungsklauseln auf diese Weise auszufüllen. Würde mit dem Landesarbeitsgericht eine Bezugnahme auf die AK-Ordnungen verneint, wäre das Arbeitsverhältnis nicht dynamisch ausgestaltet. Das widerspräche Sinn und Zweck der Regelung, weil Änderungen - etwa Entgelterhöhungen - häufig zugunsten der Arbeitnehmer wirken (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 12, BAGE 135, 163; 22. Juli 2010 - 6 AZR 170/08 - Rn. 50).

36

(c) Der Vertragswortlaut schließt eine solche Auslegung entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht aus. Der Wortlaut der Bezugnahme in § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags unterscheidet nicht zwischen formellen und materiellen Regelungen. Von der Verweisung sind Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen nicht ausgenommen.

37

(3) Die in den genannten Beschlüssen der Unterkommission und der Regionalkommission getroffenen Regelungen sind materiell Bestandteil der AVR, indem sie diese für den speziellen Fall der Weihnachtszuwendung 2007 und 2008 bei der Beklagten ändern (vgl. zur Änderung der Dienstvertragsordnung im Bereich der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen BAG 16. Februar 2012 - 6 AZR 573/10 - Rn. 23 bis 25, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 22).

38

c) Die dynamische Bezugnahmeklausel in § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags hält der Einbeziehungskontrolle stand.

39

aa) Die Klausel genügt dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und steht nicht in Widerspruch zu anderen im Dienstvertrag getroffenen Vereinbarungen(vgl. BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 170/08 - Rn. 42 f.).

40

bb) Es handelt sich nicht um eine überraschende Klausel iSv. § 305c Abs. 1 BGB. Ein Arbeitnehmer, der einen Arbeitsvertrag mit einem kirchlichen Arbeitgeber schließt, hat davon auszugehen, dass sein Arbeitgeber das spezifisch kirchliche Vertragsrecht in seiner jeweiligen Fassung zum Gegenstand des Arbeitsverhältnisses machen will und damit idR kirchenrechtlichen Geboten genügen will (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 16, BAGE 135, 163; 22. Juli 2010 - 6 AZR 170/08 - Rn. 40; 10. Dezember 2008 - 4 AZR 801/07 - Rn. 42, BAGE 129, 1).

41

d) Es kann auf sich beruhen, ob die Verweisungsklausel in § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags im Hinblick auf die Weihnachtszuwendung für das Jahr 2008 aufgrund des in Bezug genommenen bischöflichen Letztentscheidungsrechts in § 15 Abs. 7 AK-Ordnung 2008 einen entsprechend § 308 Nr. 4 BGB unwirksamen Änderungsvorbehalt enthält.

42

aa) Für die Weihnachtszuwendung des Jahres 2007 stellt sich das Problem der analogen Anwendung von § 308 Nr. 4 BGB nicht. Die Ordnung zur Mitwirkung bei der Gestaltung des Arbeitsvertragsrechts durch Kommissionen in den (Erz-)Diözesen Aachen, Essen, Köln, Münster (nordrhein-westfälischer Teil) und Paderborn (Regional-KODA-Ordnung) enthält in § 15 Abs. 6 zwar ein Letztentscheidungsrecht des Diözesanbischofs im Fall eines unabweisbaren Regelungsbedürfnisses. Diese Regelung für den Bereich der verfassten Kirche gilt jedoch nicht für kirchliche Einrichtungen im Bereich des Deutschen Caritasverbands e. V.

43

bb) Der Senat kann auch für die Weihnachtszuwendung 2008 offenlassen, ob der Bezugnahme in § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags wegen des in § 15 Abs. 7 AK-Ordnung 2008 aufgenommenen bischöflichen Letztentscheidungsrechts in analoger Anwendung von § 308 Nr. 4 BGB die Wirksamkeit abzusprechen ist. Die für diesen Fall gebotene ergänzende Vertragsauslegung würde nämlich dazu führen, dass die dynamische Verweisung jedenfalls für alle Beschlüsse der zuständigen Regionalkommission gilt, die ordnungsgemäß zustande gekommen sind.

44

(1) Grundsätzlich ist eine Verweisungsklausel wirksam, die auf Arbeitsvertragsregelungen Bezug nimmt, die auf dem Dritten Weg von einer paritätisch mit weisungsunabhängigen Mitgliedern besetzten Arbeitsrechtlichen Kommission beschlossen werden. Das verlangt die angemessene Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitsrechts iSv. § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB. Eine solche Verweisung gewährleistet ebenso wie die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf einen einschlägigen Tarifvertrag eine Anpassung der Arbeitsbedingungen an veränderte Umstände und liegt nicht nur im Interesse des Arbeitgebers, sondern auch in dem des Arbeitnehmers. Nur so kann die notwendige Anpassung der Arbeitsbedingungen an veränderte Umstände auch ohne Änderungskündigung erreicht werden (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 22, BAGE 135, 163; 22. Juli 2010 - 6 AZR 170/08 - Rn. 50).

45

(2) Der dynamischen Bezugnahmeklausel in § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags könnte aber entsprechend § 308 Nr. 4 BGB die Wirksamkeit abzusprechen sein, weil sie auch auf § 15 Abs. 7 AK-Ordnung 2008 verweist, in dem ein Letztentscheidungsrecht des Bischofs vorgesehen ist. Dieses Letztentscheidungsrecht lässt nicht nur die Kassation von Regelungen zu, sondern begründet darüber hinaus die Befugnis zu einseitigen Neuregelungen (vgl. Richardi Arbeitsrecht in der Kirche 6. Aufl. § 15 Rn. 26).

46

(a) Nach § 308 Nr. 4 BGB ist eine Abrede unwirksam, wenn sich ein Arbeitgeber einseitig das Recht vorbehält, eine versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitgebers für den Arbeitnehmer zumutbar ist. Ein Änderungsvorbehalt ist eine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung iSv. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB(vgl. BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 170/08 - Rn. 45; 11. Februar 2009 - 10 AZR 222/08 - Rn. 23, EzA BGB 2002 § 308 Nr. 9).

47

(b) Das Bundesarbeitsgericht hat über die Frage, ob das Letztentscheidungsrecht des Bischofs als Änderungsvorbehalt zugunsten des Arbeitgebers iSv. § 308 Nr. 4 BGB zu verstehen ist, bisher nicht entschieden. Es hat lediglich darauf hingewiesen, dass dynamisch in Bezug genommene Arbeitsvertragsregelungen, die auf ein kirchenrechtlich vorgesehenes Letztentscheidungsrecht des Bischofs verweisen, zu weit gefasst und unwirksam sein könnten, wenn die Klausel sprachlich nicht teilbar sei und nicht auf einen verständlichen, zulässigen Inhalt zurückgeführt werden könne (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 18, BAGE 135, 163; 22. Juli 2010 - 6 AZR 170/08 - Rn. 46).

48

(c) Unschädlich ist insoweit, dass der Bischof das Recht hat, die Beschlüsse der zuständigen Kommissionen in Kraft zu setzen (vgl. § 21 AK-Ordnung 2004 iVm. § 7 der am 1. Oktober 2005 in Kraft getretenen Richtlinien für die Inkraftsetzung der Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission und der Unterkommissionen des Deutschen Caritasverbandes durch die Diözesanbischöfe in der Bundesrepublik Deutschland und § 18 AK-Ordnung 2008 iVm. § 1 der Richtlinien für die Inkraftsetzung der Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes durch die Diözesanbischöfe idF vom 26. November 2007). Sieht der Bischof - in kirchenrechtlich zulässiger Weise - davon ab, ändernde Regelungen in Kraft zu setzen, bleibt es beim bisherigen Vertragsinhalt, sodass es sich um keine Änderung handelt (vgl. Richardi Arbeitsrecht in der Kirche 6. Aufl. § 15 Rn. 55).

49

(d) Eine unmittelbare Anwendung von § 308 Nr. 4 BGB scheidet hier aus. Der Bischof ist kein vertretungsberechtigtes Organ der Beklagten. Die beklagte GmbH handelt durch ihre Geschäftsführer.

50

(aa) Für eine analoge Anwendung von § 308 Nr. 4 BGB könnte allerdings sprechen, dass der Bischof am Erhalt rechtlich selbständiger kirchlicher Einrichtungen im Bereich der Caritas - hier der kirchlichen Krankenhäuser der Beklagten - und deren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit interessiert sein wird, damit der karitative Auftrag der kirchlichen Einrichtungen weiterhin erfüllt werden kann. Deshalb besteht die Gefahr, dass er vor allem deren wirtschaftliche Belange im Blick haben und ein unabweisbares Regelungsbedürfnis für eine eigene Entscheidung gerade dann annehmen wird, wenn von Beschlüssen der Arbeitsrechtlichen Kommission abgewichen werden soll und Vergütungen gesenkt werden sollen (vgl. Vogt Der „Dritte Weg“ der evangelischen Kirchen und die Tarifautonomie S. 141 f.; siehe auch Hammer Kirchliches Arbeitsrecht S. 368 ff.; Kühling AuR 2001, 241, 245; Pahlke Kirche und Koalitionsrecht S. 219 ff.; ErfK/Schmidt 12. Aufl. Art. 4 GG Rn. 55). Problematisch ist zudem, dass es keine Entscheidungsrichtlinien für die Ausfüllung des Letztentscheidungsrechts durch den Bischof gibt (vgl. Pahlke aaO S. 220 f.; Thüsing BB 2011, 190, 191).

51

(bb) Dem wird zwar entgegengehalten, dass der Bischof nicht Sachwalter der Dienstgeberseite, sondern der gesamten Dienstgemeinschaft sei und die umfassende Verantwortung für das Heil der ihm anvertrauten Gläubigen trage (vgl. Richardi Arbeitsrecht in der Kirche 6. Aufl. § 15 Rn. 24 bis 27 und 55; Thüsing BB 2011, 190, 191). Ferner wird angeführt, das Letztentscheidungsrecht sei lediglich das äußerste Mittel. Es komme wegen der Verantwortung des Bischofs für die Wahrnehmung gesamtkirchlicher Belange erst dann zum Zug, wenn ein vorgeschaltetes Vermittlungsverfahren erfolglos durchgeführt worden sei und zudem ein unabwendbares Regelungsbedürfnis bestehe (vgl. Briza „Tarifvertrag“ und „Dritter Weg“ S. 232; siehe auch Richardi FS Bepler S. 501, 510 f.). Gleichwohl werden kirchliche Arbeitnehmer einseitige Regelungen des Bischofs nicht als stets unparteiische, die widerstreitenden Interessen ausgewogen berücksichtigende Konfliktlösungen ansehen (vgl. Fischermeier FS Bepler S. 159, 165).

52

(3) Letztlich kann aber auch für die Weihnachtszuwendung 2008 dahinstehen, ob der dynamischen Bezugnahme in § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags wegen des in § 15 Abs. 7 AK-Ordnung 2008 aufgenommenen bischöflichen Letztentscheidungsrechts entsprechend § 308 Nr. 4 BGB die Wirksamkeit abzusprechen ist. In diesem Fall wäre der Dienstvertrag ergänzend dahin auszulegen, dass die Verweisung auf solche Regelungen beschränkt ist, die auf dem Dritten Weg durch einen ordnungsgemäßen Beschluss der zuständigen, paritätisch mit weisungsunabhängigen Mitgliedern besetzten Kommission zustande gekommen sind.

53

(a) Eine einfache Auslegung der dynamischen Verweisungsklausel dahin, dass nur ohne Ausübung des Letztentscheidungsrechts des Bischofs zustande gekommene Arbeitsvertragsregelungen erfasst sein sollen, kommt nicht in Betracht (aA LAG Düsseldorf 23. Februar 2012 - 15 Sa 1284/11 - zu B III der Gründe, Revision anhängig unter - 6 AZR 372/12 -). Die Klausel differenziert nicht danach, wie die Änderung der AVR zustande gekommen ist. Zudem wäre die Klausel bei einer solchen Auslegung zumindest intransparent iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB(vgl. Fischermeier FS Bepler S. 159, 165 f.).

54

(b) § 306 Abs. 2 BGB, der anstelle der unwirksamen Klausel die Geltung der gesetzlichen Vorschriften vorsieht, führt nicht weiter, weil keine gesetzliche Ersatzordnung für eine dynamische Bezugnahmeklausel besteht.

55

(c) Wird unterstellt, dass § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags unwirksam ist, besteht allerdings eine Regelungslücke, die durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen ist.

56

(aa) Diese verstößt hier nicht gegen das in § 306 BGB enthaltene Verbot der geltungserhaltenden Reduktion(vgl. grundlegend BAG 4. März 2004 - 8 AZR 196/03 - zu B III 2 c der Gründe, BAGE 110, 8; zu Herleitung, Inhalt, Sinn und Zweck im Einzelnen Schlewing RdA 2011, 92 mwN). Das grundsätzliche Verbot der geltungserhaltenden Reduktion verfolgt zwei grundlegende Ziele des Rechts zur Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, das der Prävention und das der Transparenz. Der Klauselverwender soll angehalten werden, von vornherein angemessene Bedingungen zu formulieren. Dem Gegner des Klauselverwenders soll die Möglichkeit sachgerechter Information über die Rechte und Pflichten aus dem vorformulierten Vertrag verschafft werden (vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - zu IV 8 a der Gründe, BAGE 115, 19; 4. März 2004 - 8 AZR 196/03 - zu B III 2 c der Gründe, BAGE 110, 8; Schlewing aaO).

57

(bb) Wann eine ergänzende Vertragsauslegung zulässig ist, ist noch nicht abschließend geklärt (vgl. zB die Rechtsprechungsübersicht von Bieder NZA-Beilage 3/2011, 142 f.). Der Achte und der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts sowie der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs sind der Auffassung, eine ergänzende Vertragsauslegung komme erst dann in Betracht, wenn es für den Verwender eine unzumutbare Härte iSv. § 306 Abs. 3 BGB wäre, am Vertrag festzuhalten(vgl. BAG 18. Dezember 2008 - 8 AZR 81/08 - Rn. 64, AP BGB § 309 Nr. 4 = EzA-SD 2009 Nr. 19, 7; 25. September 2008 - 8 AZR 717/07 - Rn. 74, AP BGB § 307 Nr. 39 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 7; 19. Dezember 2006 - 9 AZR 294/06 - Rn. 34 ff., AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 21 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 17; BGH 29. April 2008 - KZR 2/07 - Rn. 31, BGHZ 176, 244). Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts und weite Teile des Schrifttums nehmen im Unterschied dazu an, dass eine Rechtslage vorliegen müsse, die ohne Ergänzung des Vertrags keine angemessene, den typischen Interessen der Vertragsparteien Rechnung tragende Lösung biete (vgl. BAG 28. November 2007 - 5 AZR 992/06 - Rn. 27, AP BGB § 307 Nr. 33 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 30; 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - Rn. 26, BAGE 122, 182; Linck FS Bauer S. 645, 657; Schlewing NZA-Beilage 2/2012, 33, 36 ff.; Schmidt NZA 2004, 1002, 1009; Uffmann RdA 2011, 154, 160 f.).

58

(cc) Die Frage kann hier offenbleiben, weil die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB und damit auch der gebotene Arbeitnehmerschutz angemessen zu berücksichtigen sind(vgl. BAG 14. Januar 2009 - 3 AZR 900/07 - Rn. 27 f., BAGE 129, 121). Kirchliche Arbeitsvertragsregelungen entstehen auf dem Dritten Weg (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 170/08 - Rn. 49 f.; 19. November 2009 - 6 AZR 561/08 - Rn. 11, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 53 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 12). § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB soll gerade auch den Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechts Rechnung tragen(vgl. BT-Drucks. 14/7052 S. 189). Eine Dynamisierung kirchlicher Arbeitsvertragsregelungen liegt zudem im Interesse der kirchlichen Arbeitnehmer, die an der im Regelfall für sie günstigen Entwicklung teilhaben sollen. Sie kann in der verfassten Kirche und in kirchlichen Einrichtungen jedoch nicht durch eine unmittelbar und zwingend wirkende tarifliche Bindung herbeigeführt werden (vgl. BAG 8. Juni 2005 - 4 AZR 412/04 - zu II 2 a aa der Gründe, AP MitarbeitervertretungsG-EK Rheinland-Westfalen § 42 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 6). Auch um das grundgesetzlich gewährleistete Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und kirchlichen Einrichtungen wirksam werden zu lassen, ist als arbeitsrechtliche Besonderheit zumindest eine ergänzende Vertragsauslegung geboten, die den Dritten Weg ermöglicht.

59

(aaa) Im Fall der Unwirksamkeit von § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags weist dieser eine Regelungslücke iSe. planwidrigen Unvollständigkeit auf (vgl. dazu BAG 14. Dezember 2011 - 4 AZR 179/10 - Rn. 30; 21. April 2009 -  3 AZR 640/07  - Rn. 33, BAGE 130, 202 ). Die gewollte Dynamik der Bezugnahme in § 2 des Dienstvertrags entfällt.

60

(bbb) Durch ergänzende Vertragsauslegung tritt an die Stelle der lückenhaften Vertragsbedingung die Gestaltung, die die Parteien bei einer angemessenen Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Lückenhaftigkeit des Vertrags bekannt gewesen wäre (st. Rspr., vgl. BAG 17. April 2012 - 3 AZR 803/09 - Rn. 31; 14. Dezember 2011 - 4 AZR 179/10 - Rn. 34; 25. April 2007 -  5 AZR 627/06  - Rn. 26, BAGE 122, 182). Maßgebender Zeitpunkt für die Feststellung und Bewertung des mutmaßlichen Parteiwillens und der Interessenlage ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Die ergänzende Vertragsauslegung schließt eine anfängliche Regelungslücke rückwirkend (vgl. BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 31, BAGE 134, 283 ; BGH 12. Oktober 2005 - IV ZR 162/03 - zu B IV 1 b der Gründe, BGHZ 164, 297). Zunächst ist an den Vertrag selbst anzuknüpfen. Die in ihm enthaltenen Regelungen und Wertungen, sein Sinn und Zweck sind der Ausgangspunkt der Vertragsergänzung. Soweit möglich, sind Lücken durch ergänzende Vertragsauslegung in der Weise auszufüllen, dass die Grundzüge des konkreten Vertrags „zu Ende gedacht werden“ (vgl. BGH 20. September 1993 - II ZR 104/92 - zu 2 der Gründe, BGHZ 123, 281).

61

(ccc) Die Vertragsparteien hätten bei Kenntnis der Unwirksamkeit der Dynamik der Bezugnahmeklausel infolge des bischöflichen Letztentscheidungsrechts eine Verweisung ohne Bezug auf ein solches Letztentscheidungsrecht vorgenommen. Das Interesse der Beklagten bestand darin, Arbeitsbedingungen ohne Änderungskündigung an veränderte Umstände anpassen zu können. Dasselbe Interesse bestand beim Arbeitnehmer, der mit der Dynamisierung an positiven Änderungen, etwa Entgelterhöhungen, teilnimmt (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 22, BAGE 135, 163; 22. Juli 2010 - 6 AZR 170/08 - Rn. 50).

62

e) Der Beschluss der Unterkommission vom 22./23. Oktober 2007 und der am 28. November 2008 im Kirchlichen Amtsblatt des Bistums Essen veröffentlichte Beschluss der Regionalkommission wurden wirksam gefasst.

63

aa) Der Beschluss der Unterkommission vom 22./23. Oktober 2007 kam wirksam zustande.

64

(1) Er ist formell wirksam.

65

(a) Der Beschluss wurde nach der Subdelegation in §§ 12 bis 14 AK-Ordnung 2004 iVm. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2, § 9 UK-Ordnung durch die Unterkommission als zuständiges Gremium gefasst.

66

(b) Er wurde nach § 9 Abs. 2 UK-Ordnung iVm. § 21 AK-Ordnung 2004 nach den Richtlinien für die Inkraftsetzung der Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission wirksam in Kraft gesetzt und am 16. November 2007 im Kirchlichen Amtsblatt des Bistums Essen veröffentlicht.

67

(c) Der Beschluss ist nicht deswegen unwirksam, weil er nach seiner Inkraftsetzung nicht nach § 21 AK-Ordnung 2004 in der Verbandszeitschrift „neue caritas“ oder nach § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags in der „Caritas-Korrespondenz“ veröffentlicht wurde.

68

(aa) Der Verstoß gegen § 21 AK-Ordnung 2004 berührt die Wirksamkeit der Inkraftsetzung nicht. Das Gebot der Veröffentlichung in der Zeitschrift „neue caritas“ dient dazu, den Arbeitnehmern Kenntnis von den Änderungen der Arbeitsvertragsregelungen zu verschaffen. Es ähnelt der Pflicht zur Bekanntgabe eines Tarifvertrags aus § 8 TVG. Für diese Bestimmung ist anerkannt, dass das Auslegen des Tarifvertrags kein konstitutives Wirksamkeitserfordernis ist (vgl. BAG 22. Januar 2008 - 9 AZR 416/07 - Rn. 38, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 191 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 190; 23. Januar 2002 - 4 AZR 56/01 - zu 5 der Gründe, BAGE 100, 225). Das gilt auch hier. Die AVR sind zwar keine Tarifverträge. Sie unterliegen aber einem ähnlichen Prüfungsmaßstab (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 31, BAGE 135, 163; 22. Juli 2010 - 6 AZR 170/08 - Rn. 56 und 61).

69

(bb) Der Beschluss der Unterkommission vom 22./23. Oktober 2007 verstößt auch nicht gegen § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags, der die Veröffentlichung des Beschlusses in der „Caritas-Korrespondenz“ nennt. Auch insoweit handelt es sich nicht um ein konstitutives Wirksamkeitserfordernis. Dafür spricht insbesondere die abweichende Handhabung der Parteien. Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger die durch Veröffentlichung im Kirchlichen Amtsblatt in Kraft gesetzten dynamischen Änderungen der AVR widerspruchslos akzeptiert, etwa für die Einmalzahlungen 2006, 2007 und 2008. Damit haben die Parteien der von der Klausel vorgesehenen Veröffentlichung in den Verbandszeitschriften übereinstimmend den Inhalt beigemessen, dass die Inkraftsetzung und Veröffentlichung im Kirchlichen Amtsblatt genügt, um die Änderung in ihrem Arbeitsverhältnis maßgeblich werden zu lassen. Selbst wenn es sich dabei um eine konkludente Vertragsänderung handeln sollte, ginge diese übereinstimmende Vorstellung wie eine Individualvereinbarung nach § 305b BGB dem Ergebnis auch einer objektiven Auslegung vor(vgl. BAG 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - Rn. 25, BAGE 128, 73; BGH 9. März 1995 - III ZR 55/94 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 129, 90).

70

(2) Der am 16. November 2007 im Kirchlichen Amtsblatt des Bistums Essen veröffentlichte Beschluss ist materiellrechtlich wirksam. Er verstößt nicht gegen die nach §§ 307 ff. BGB vorzunehmende Rechtskontrolle. Auch sonstige Unwirksamkeitsgründe, etwa ein Verstoß gegen die Bandbreitenregelung oder die Nebenbestimmungen, sind nicht gegeben.

71

(a) Die Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB beschränkt sich bei dynamisch in Bezug genommenen kirchlichen Arbeitsvertragsregelungen auf eine Rechtskontrolle, wenn die AVR - wie hier - auf dem Dritten Weg nach den einschlägigen Organisations- und Verfahrensvorschriften von einer paritätisch mit weisungsunabhängigen Mitgliedern besetzten Arbeitsrechtlichen Kommission beschlossen wurden. Die paritätische Besetzung und die Unabhängigkeit der Mitglieder der Arbeitsrechtlichen Kommission gewährleisten, dass die Arbeitgeberseite ihre Interessen bei der Festlegung des Inhalts der Arbeitsbedingungen nicht einseitig durchsetzen kann. Dabei handelt es sich um eine im Arbeitsrecht geltende Besonderheit iSv. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB, die durch eine bloße Rechtskontrolle angemessen zu berücksichtigen ist. Maßstab der Rechtskontrolle ist wie bei Tarifverträgen, ob die Regelung gegen die Verfassung, höherrangiges zwingendes Recht oder die guten Sitten verstößt (vgl. BAG 19. April 2012 - 6 AZR 677/10 - Rn. 24; 22. Juli 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 31 f., BAGE 135, 163; 22. Juli 2010 - 6 AZR 170/08 - Rn. 61 f.).

72

(b) Die Regelung verletzt das sich aus Art. 20 GG ergebende Rückwirkungsverbot entgegen der Auffassung des Klägers nicht. Bei der Prüfung sind dieselben Maßstäbe anzulegen wie bei Tarifverträgen (vgl. BAG 24. März 2011 - 6 AZR 765/09 - Rn. 18).

73

(aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts tragen tarifvertragliche Regelungen auch während der Laufzeit des Tarifvertrags den immanenten Vorbehalt in sich, rückwirkend durch Tarifvertrag geändert zu werden (vgl. BAG 24. März 2011 - 6 AZR 765/09 - Rn. 19; 27. Oktober 2010 - 10 AZR 410/09 - Rn. 17, ZTR 2011, 172; 21. September 2010 - 9 AZR 515/09 - Rn. 45, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 49). Dabei ist die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien zur rückwirkenden Änderung nur durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes der Normunterworfenen begrenzt. Es gelten die gleichen Regeln wie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu der Rückwirkung von Gesetzen. Ob und ab wann die Tarifunterworfenen mit einer tariflichen Neuregelung rechnen müssen, ist eine Frage des Einzelfalls. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist das Vertrauen in die Fortgeltung einer Tarifnorm dann nicht mehr schutzwürdig, wenn und sobald die Normunterworfenen mit einer Änderung rechnen müssen (vgl. BAG 24. März 2011 - 6 AZR 765/09 - aaO; 22. Oktober 2003 - 10 AZR 152/03 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 108, 176).

74

(bb) Die jährliche Weihnachtszuwendung wurde nach Anlage 1 Abschn. XIV Buchst. f AVR am 1. Dezember des laufenden Kalenderjahres fällig. Zuvor entstand der Anspruch auch nicht, wie Anlage 1 Abschn. XIV Buchst. a Nr. 1 AVR zeigt. Danach setzt der Anspruch voraus, dass der Mitarbeiter am 1. Dezember des laufenden Kalenderjahres in einem Dienst- oder Ausbildungsverhältnis steht. Der Beschluss, die Weihnachtszuwendung 2007 zu streichen, trat bereits am 23. Oktober 2007 in Kraft und wurde am 16. November 2007 veröffentlicht. Ein etwaiges Vertrauen des Klägers auf den Fortbestand des Anspruchs war nicht schutzwürdig. Nachdem in § 8 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 UK-Ordnung idF vom 17. März 2005 ausdrücklich die Möglichkeit einer Absenkung der Weihnachtszuwendung vorgesehen war, musste der Kläger mit ihr rechnen. Bei der Absenkung handelt es sich um eine Veränderung, wie sie als Reaktion auf eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage oder der Wettbewerbssituation nicht ungewöhnlich ist (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 170/08 - Rn. 41).

75

(c) Die Absenkung der Weihnachtszuwendung durch den Beschluss der Unterkommission für das Jahr 2007 war nach der ausdrücklichen Regelung in § 8 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 UK-Ordnung zulässig.

76

(aa) Entgegen der Ansicht des Klägers lässt eine „Absenkung“ iSv. § 8 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 UK-Ordnung auch eine Verringerung „auf Null“ zu. Der Begriff enthält keine Untergrenze. Daher war es auch möglich, den Anspruch vollständig auszuschließen.

77

(bb) Es ist nicht festgestellt, dass über die Bandbreite des § 8 Abs. 2 Satz 2 UK-Ordnung, wonach die Maßnahme aus Ziff. 1 bis 4 für das einzelne Dienstverhältnis in der Summe eine Absenkung von 15 % der Dienstbezüge nicht überschreiten darf, hinausgegangen wäre. Der Kläger hat insoweit auch keine konkrete (Gegen-)Rüge erhoben.

78

(d) Ob ein Verstoß gegen die im Beschluss der Unterkommission vom 22./23. Oktober 2007 genannten Nebenstimmungen vorliegt, kann offenbleiben. Es fehlt an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass eine Verletzung der Nebenbestimmungen die Unwirksamkeit des Ausschlusses der Weihnachtszuwendung zur Folge hätte.

79

(e) Bei dem Anspruch auf Weihnachtszuwendung handelt es sich auch nicht um einen im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Entgeltanspruch, der vom Kläger „pro rata temporis“ hätte erworben werden können. Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs ist, dass der Arbeitnehmer am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis steht. Das hindert die Annahme eines ratierlich entstehenden Anspruchs. An dem Stichtag des 1. Dezember und der weiteren Anspruchsvoraussetzung in Anlage 1 Abschn. XIV Buchst. a Nr. 3 AVR wird deutlich, dass ein gewisses Maß an Betriebstreue erfüllt sein muss, um den Anspruch entstehen zu lassen. Nach Anlage 1 Abschn. XIV Buchst. a Nr. 3 AVR steht dem Arbeitnehmer die Zuwendung nur zu, wenn er nicht in der Zeit bis 31. März des folgenden Kalenderjahres aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch ausscheidet. Damit wird ein weiter gehender Zweck verfolgt als nur das Ziel, geleistete Arbeit zu honorieren (vgl. BAG 24. März 2011 - 6 AZR 765/09 - Rn. 19 und 29).

80

bb) Auch der Anspruch auf Weihnachtszuwendung für das Jahr 2008 ist wegen des am 28. November 2008 im Kirchlichen Amtsblatt des Bistums Essen veröffentlichten Beschlusses der Regionalkommission nicht entstanden.

81

(1) Die dynamische Bezugnahmeklausel erfasst jedenfalls nach ergänzender Vertragsauslegung auch den aufgrund von § 11 Abs. 1 AK-Ordnung 2008 ergangenen Beschluss der Regionalkommission zur Absenkung der Weihnachtszuwendung.

82

(2) Die Delegiertenversammlung war nach § 1 der AK-Ordnung 2008 iVm. § 9 Abs. 3 der Satzung des Deutschen Caritasverbands idF vom 18. Oktober 2005 dazu berechtigt, die AK-Ordnung zu erlassen.

83

(3) Der aufgrund der AK-Ordnung ergangene Beschluss der Streichung der Weihnachtszuwendung für das Jahr 2008 wurde formell und materiell wirksam durch die Regionalkommission gefasst und in Kraft gesetzt.

84

(a) Die Regionalkommission überschritt ihren Regelungsspielraum nicht. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht dadurch verletzt, dass der am 28. November 2008 veröffentlichte Beschluss „Mitarbeiter nach Anlage 7 AVR“ - die Auszubildenden - von der Streichung der Weihnachtszuwendung ausnahm.

85

(aa) Der Senat muss nicht darüber entscheiden, ob Beschlüsse der Regionalkommission, die auf dem Dritten Weg zustande gekommen sind, am arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu messen sind (offengelassen von BAG 21. Oktober 2009 - 10 AZR 786/08 - Rn. 51, AP AVR Caritasverband Anlage 1 Nr. 5; 8. Juni 2005 - 4 AZR 417/04 - zu B II 1 d der Gründe; bejahend KAGH 16. Dezember 2011 - K 09/11 - zu B II 1 b der Gründe, ZMV 2012, 95).

86

(bb) Der Kläger ist als Arbeitnehmer nicht vergleichbar mit Auszubildenden (vgl. dazu ausführlich BAG 21. Oktober 2009 - 10 AZR 786/08 - Rn. 49, AP AVR Caritasverband Anlage 1 Nr. 5). Er erhält seine Vergütung als Gegenleistung für die erbrachte Arbeit, während die Ausbildungsvergütung nach § 17 BBiG den Auszubildenden neben einer gewissen „Entlohnung“ bei der Lebenshaltung unterstützen und die Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses an qualifizierten Fachkräften gewährleisten soll(vgl. zu diesen drei Funktionen BAG 21. Oktober 2009 - 10 AZR 786/08 - Rn. 52, aaO; 19. Februar 2008 - 9 AZR 1091/06 - Rn. 18, BAGE 126, 12).

87

(b) Der Ausschluss der Weihnachtszuwendung für das Jahr 2008 verstößt nicht gegen eine vorgegebene Bandbreite. Die Regionalkommission hatte weder die in § 10 AK-Ordnung 2008 vorgegebene Bandbreite von 15 % nach oben und unten noch den Beschluss der Bundeskommission von Juni 2008 mit der Bandbreite von 0,1 % zu beachten. Das ergibt sich aus dem Zusammenhang der Regelungen. Es kommt nicht darauf an, ob die Regionalkommission binnen drei Monaten über den Antrag der Beklagten auf Aufhebung der Weihnachtszuwendung 2008 entschied.

88

(aa) § 10 AK-Ordnung 2008 regelt die Zuständigkeiten der Bundeskommission und grenzt sie von denen der Regionalkommissionen ab.

89

(aaa) Aufgrund von § 10 Abs. 2 AK-Ordnung 2008 sind die Regionalkommissionen ausschließlich zuständig für die Festlegung aller Vergütungsbestandteile. In § 10 Abs. 1 Satz 2 AK-Ordnung 2008 sind für den Fall der Regelung durch die zuständige Regionalkommission Bandbreiten vorgegeben. Diese Bandbreiten haben die Regionalkommissionen bei den Beschlüssen für ihre Region zu beachten oder nach § 10 Abs. 4 AK-Ordnung 2008 einen Antrag auf Abweichung bei der Bundeskommission zu stellen.

90

(bbb) Davon abzugrenzen sind Beschlüsse, die aufgrund von § 11 AK-Ordnung 2008 auf Antrag einer bestimmten Einrichtung oder einer Mitarbeitervertretung von der Regionalkommission gefasst werden. Der Antrag nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AK-Ordnung 2008 ist darauf gerichtet, „von den durch die Regionalkommission festgelegten Regelungen der Höhe aller Vergütungsbestandteile … abzuweichen“. Ein solcher Antrag ist - wie die Beklagte in der Berufungsinstanz durch eine Stellungnahme des Geschäftsführers der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbands e. V. ausgeführt hat - nur dann sinnvoll, wenn von den bisherigen Beschlüssen der Regionalkommission, die unter Beachtung der Bandbreiten in § 10 Abs. 1 AK-Ordnung 2008 ergangen sind, abgewichen werden soll. Sonst „liefe“ die einrichtungsspezifische Regelung, die noch konkretere betriebliche Lösungen ermöglichen soll, „leer“, weil dieselben Bandbreiten zu beachten wären.

91

(ccc) Der Beschluss der Bundeskommission von Juni 2008 erging aufgrund von § 10 Abs. 1 Satz 3 AK-Ordnung 2008. Er bezieht sich ausschließlich auf die in § 10 Abs. 1 Satz 2 AK-Ordnung 2008 vorgegebene Bandbreite, nicht auf einrichtungsspezifische Regelungen aus § 11 Abs. 1 AK-Ordnung 2008.

92

(bb) Nicht entscheidend ist, ob die Regionalkommission binnen dreier Monate über den Antrag der Beklagten auf einrichtungsspezifische Aufhebung der Weihnachtszuwendung 2008 befand. Die Dreimonatsfrist des § 11 Abs. 2 Satz 1 AK-Ordnung 2008 soll ersichtlich nur die Regionalkommission zur Eile bei der Entscheidung über den Antrag anhalten. Die Regelung enthält keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass eine Überschreitung der Frist die Unwirksamkeit des getroffenen Beschlusses zur Folge haben soll.

93

II. Ein Anspruch des Klägers ergibt sich schließlich nicht aus dem Altersteilzeitarbeitsvertrag vom 22. November 2005. In § 3 Abs. 1 ist lediglich geregelt, dass der Kläger für die Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses Entgelt nach § 4 der Anlage 17 zu den AVR erhält. Daraus folgt kein Anspruch auf die Weihnachtszuwendung. Der Altersteilzeitarbeitnehmer nimmt in der Arbeits- und in der Freistellungsphase an Entgelterhöhungen und Vergütungsverringerungen aufgrund der dynamischen Verweisungsklausel in § 2 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags teil(vgl. für tarifliche Ansprüche BAG 19. April 2012 - 6 AZR 14/11 - Rn. 53). Inwieweit der in § 5 der Anlage 17 zu den AVR geregelte Mindestnettobetrag durch die Streichung der Weihnachtszuwendung unterschritten sein soll, hat der Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt.

94

B. Der unterlegene Kläger hat nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Jerchel    

        

    Hoffmann    

                 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. November 2008 - 6 Sa 408/08 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Tätigkeit der Klägerin nach dem zwischen dem Landesverband Einzelhandel Rheinland-Pfalz e. V. (Landesverband) und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Rheinland-Pfalz (Gewerkschaft ver.di) abgeschlossenen Gehaltstarifvertrag vom 29. März 2006 (GTV 2006).

2

Die Klägerin, die der Gewerkschaft ver.di angehört, ist als Kassiererin mit einer Arbeitszeit von 60 Prozent einer Vollzeitkraft in einem Baumarkt der Beklagten in K beschäftigt.

3

Die Beklagte, die Mitglied des Landesverbandes Einzelhandel Rheinland-Pfalz ist, beschäftigt in diesem Baumarkt 82 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Der Baumarkt ist in verschiedene Warenbereiche aufgeteilt, ua. die Bereiche Garten, Elektro, Baustoffe, Sanitär, Holzzuschnitt, Farben, Werkzeug, Maschinen, Kleinmetallteile sowie Fische und Aquarien. In diesen Warenbereichen, denen Teilbereichs- oder Warenbereichsleiter vorstehen, setzt die Beklagte entsprechend geschultes oder ausgebildetes Fachpersonal (Fachverkäufer und Fachberater) ein. Die Kunden bringen die Waren selbst zu einer Kasse in einem der beiden Kassenbereiche (Baumarktkassenbereich und Gartenmarktkassenbereich) und können dort jeweils alle im Markt angebotenen Produkte bezahlen. Für zusätzliche Aufgaben wie Umtausch, Retouren und sogenannte Abwicklungsscheine ist im Baumarktbereich die sog. Infokasse zuständig; im Gartenmarktbereich werden die genannten Zusatzaufgaben an der dortigen Kasse miterledigt. Die Klägerin wechselt, wie alle anderen Kassiererinnen auch, zwischen den beiden Kassenbereichen und wird in unregelmäßigen Abständen auch an der Infokasse eingesetzt.

4

Die Beklagte zahlte der Klägerin eine monatliche Bruttovergütung entsprechend der Gehaltsgruppe II nach § 3 GTV 2006 in Höhe von 1.222,99 Euro nebst einer Zulage in Höhe von 30,68 Euro.

5

Mit ihrer Klage beansprucht die Klägerin die zuvor mit Schreiben vom 18. Februar 2008 geltend gemachte Entgeltdifferenz zwischen der tatsächlich gezahlten und der von ihr begehrten Vergütung nach Gehaltsgruppe III GTV 2006 für den Zeitraum August 2007 bis Februar 2008. Ihre Tätigkeit sei ua. deshalb nach der Gehaltsgruppe III GTV 2006 zu bewerten, weil alle eingerichteten Kassen - Baumarktkasse, Gartenmarktkasse und Infokasse - iSd. Fußnote 2 der Gehaltsgruppe III GTV 2006 „für mehrere Abteilungen zuständig“ seien. Die verschiedenen Warenbereiche seien organisatorisch selbständige und räumlich abgegrenzte, von Teilbereichsleitern oder Warenbereichsleitern betreute Teilbereiche und daher als „Abteilungen“ iSd. Tarifvertrages anzusehen.

6

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 791,91 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 29. Februar 2008 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Eingruppierung der Tätigkeit der Klägerin nach der Gehaltsgruppe II GTV 2006 sei zutreffend. Die vorhandenen Kassen seien nicht für mehrere Abteilungen zuständig. Der Begriff der Abteilung sei nach der Organisationslehre auszulegen. Dazu gehöre, dass jeweils einem Abteilungsleiter bestimmte Stellen fest zugeordnet seien, denen gegenüber dieser eine Führungsverantwortung wahrzunehmen habe. Den bei ihr tätigen Teilbereichsleitern fehle es jedoch an der Führungsverantwortung. Überdies seien die Verkäuferstellen nicht fest zugeordnet. Da die Baumärkte der Beklagten nur in Regalzonen untergliedert seien, liege bereits keine eigenständige Organisationseinheit vor. Somit sei die tarifvertragliche Voraussetzung der Zuständigkeit für mehrere Abteilungen nicht erfüllt.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten rechtsfehlerfrei zurückgewiesen. Die Klage ist begründet, der geltend gemachte Zahlungsanspruch besteht.

10

I. Die Voraussetzungen der Gehaltsgruppe III GTV 2006 sind erfüllt. Die Tätigkeit der Klägerin ist die einer „Kassiererin mit höheren Anforderungen“, da alle Kassen, an denen sie eingesetzt ist, für mehrere Verkaufsabteilungen zuständig sind.

11

1. Auf das Arbeitsverhältnis findet der GTV 2006 nach § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 TVG kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit Anwendung. Daher kommt es auf den von der Revision erhobenen Einwand, der GTV 2006 sei nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden, nicht an.

12

2. Folgende tarifvertragliche Bestimmungen sind für den Ausgang des Rechtsstreits von Bedeutung:

13

Der zwischen dem Landesverband und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossene Manteltarifvertrag vom 18. Juli 2003 (MTV 2003) enthält folgende Eingruppierungsgrundsätze:

        

§ 9 Eingruppierung, Entgeltberechnung, Entgeltzahlung

        

...     

        
        

2.    

Die Eingruppierung erfolgt entsprechend der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit.

        

3.    

Werden dauernd mehrere Tätigkeiten zugleich ausgeübt, die unter verschiedene Tarifgruppen fallen, so erfolgt die Eingruppierung entsprechend der zeitlich überwiegenden Tätigkeit in die höhere, höchst mögliche, Tarifgruppe. Lässt sich eine überwiegende Tätigkeit nicht feststellen, so erfolgt die Eingruppierung in die höhere Tarifgruppe.

        

...“   

        
14

Der GTV 2006 enthält auszugsweise folgende Gehaltsgruppen:

        

Gehaltsgruppe II          

        

Angestellte mit einfacher kaufmännischer und/oder technischer Tätigkeit, z. B. … einfache Kassiertätigkeit (z. B. Ladenkassierer/in)1

        

Gehaltsgruppe III            

        

Angestellte mit einer Tätigkeit, die erweiterte Fachkenntnisse und größere Verantwortung erfordert, z. B.

        

… Kassierer/in mit höheren Anforderungen2, Kassierer/in in Verbrauchermärkten, …

        

___________________

        

1 Kassierer/innen, deren Tätigkeit über die Anforderungen dieser Tarifgruppe hinausreicht, ohne die Anforderungen der folgenden Tarifgruppe zu erfüllen, erhalten ab 01.09.2002 eine Tätigkeitszulage von 52,- €.

        

2 Die für Kassierer/innen geforderten höheren Anforderungen werden in der Regel von Kassierer/innen erfüllt, die überwiegend in Kassenzonen von Lebensmittel-Supermärkten (ab 400qm Verkaufsfläche) sowie an Sammelkassen beschäftigt sind.

        

Kassen, die für mehrere Abteilungen zuständig sind und an denen Kassierer/innen ausschließlich beschäftigt werden, sind Sammelkassen gleichzusetzen.“

15

3. Die Voraussetzungen der Gehaltsgruppe III GTV 2006 sind durch die Tätigkeit der Klägerin erfüllt. Sie ist als „Kassiererin mit höheren Anforderungen“ tätig, da sie ausschließlich an Kassen beschäftigt wird, die „für mehrere Abteilungen“ zuständig sind.

16

a) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Fußnote 2 zur Gehaltsgruppe III GTV 2006 eine Tarifnorm.

17

aa) Ob sog. Protokollnotizen, Fußnoten oder auch durch „Sternchen“ gekennzeichnete Anmerkungen in Tarifverträgen Regelungscharakter haben, hängt neben der Erfüllung der Formerfordernisse (gemäß § 1 Abs. 2 TVG iVm. §§ 126, 126a BGB) davon ab, ob darin der Wille der Tarifvertragsparteien zur Normsetzung hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt (vgl. ua. BAG 26. Januar 1983 - 4 AZR 224/80 - BAGE 41, 307, 313 f.; 16. September 1987 - 4 AZR 265/87 - BAGE 56, 120, 123 f.; 24. November 1993 - 4 AZR 402/92 - BAGE 75, 116, 120 f.).

18

bb) Diese Voraussetzungen sind bei der Fußnote 2 zur Gehaltsgruppe III GTV 2006 erfüllt. Die Auffassung der Revision, es handele sich nur um eine gemeinsame Erklärung der Tarifvertragsparteien, die lediglich zur Auslegung des Tarifvertrages herangezogen werden könne, ist unzutreffend.

19

(1) Dass auch die Fußnoten 1 bis 3 zum Tariftext des GTV 2006 gehören und Regelungscharakter haben, ergibt sich bereits aus deren Wortlaut. Besonders deutlich tritt der Normsetzungswille der Tarifvertragsparteien in Fußnote 1 zur Gehaltsgruppe II GTV 2006 hervor, in der eine Tätigkeitszulage von 52,00 Euro vorgesehen ist, für die es ansonsten keinen Anhaltspunkt im Text des Tätigkeitsmerkmales gibt. Die Fußnote 1 stellt damit für eine Tätigkeitszulage die - alleinige - Anspruchsgrundlage dar. Die vorliegend maßgebende Regelung in Fußnote 2 zur Gehaltsgruppe III GTV 2006 präzisiert ohne abschließenden Charakter den unbestimmten Rechtsbegriff „Kassierer/in mit höheren Anforderungen“ in Bezug auf bestimmte Beispielstätigkeiten, die nach dem Willen der Tarifvertragsparteien der Bewertung dieser Gehaltsgruppe entsprechen.

20

(2) Auch die erforderliche Schriftform nach § 1 Abs. 2 TVG ist gewahrt. Die Fußnoten befinden sich räumlich vor den Unterschriften der Tarifvertragsparteien, sind also als Teil des Tarifvertrages auf derselben Urkunde von ihnen unterschrieben worden.

21

b) Das Landesarbeitsgericht hat den Begriff der „Kassen, die für mehrere Abteilungen zuständig sind“ in Fußnote 2 zur Gehaltsgruppe III GTV 2006 zutreffend sortimentsbezogen ausgelegt und rechtsfehlerfrei die auszuübende Tätigkeit der Klägerin unter dieses tarifvertragliche Tätigkeitsbeispiel subsumiert.

22

aa) Die Auslegung eines Tarifvertrages (zu den Kriterien vgl. ua. BAG 4. April 2001 - 4 AZR 180/00 - zu I 2 a der Gründe, BAGE 97, 271), ist in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachzuprüfen (st. Rspr., zB BAG 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 40, BAGE 124, 240).

23

bb) Rechtsfehlerfrei ist das Landesarbeitsgericht mit der Vorinstanz davon ausgegangen, dass es sich bei der „ausschließlichen“ Tätigkeit an „Kassen, die für mehrere Abteilungen zuständig sind“, um ein Tätigkeitsbeispiel iSd. Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts handelt. Enthalten tarifliche Vergütungsgruppen neben allgemein gefassten Tätigkeitsmerkmalen bestimmte Beispielstätigkeiten, sind die Voraussetzungen für die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe grundsätzlich gegeben, wenn der Arbeitnehmer eine den Beispielen entsprechende Tätigkeit ausübt (BAG 23. September 2009 - 4 AZR 333/08 - Rn. 20 f. zu den Tätigkeitsbeispielen „Kassiererin an einer Verbrauchermarktkasse“, „Kassiererin an einer Etagenkasse“ und „Kassiererin an einer Sammelkasse“). Die Tarifvertragsparteien legen durch die Tätigkeitsbeispiele regelmäßig fest, dass diese Tätigkeiten auch den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen entsprechen (BAG 25. September 1991 - 4 AZR 87/91 - zu II 2 a der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Großhandel Nr. 7 = EzA TVG § 4 Großhandel Nr. 2). Auf die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale muss nur dann zurückgegriffen werden, wenn das Tätigkeitsbeispiel selbst unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, die nicht aus sich heraus ausgelegt werden können, oder wenn dasselbe Tätigkeitsbeispiel in mehreren Vergütungsgruppen genannt ist und damit als Kriterium für die Anforderungserfüllung einer bestimmten Vergütungsgruppe ausscheidet (BAG 25. September 1991 - 4 AZR 87/91 - aaO; 4. April 1979 - 4 AZR 618/77 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 1; 29. April 1981 - 4 AZR 1007/78 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Rundfunk Nr. 11 = EzA TVG § 4 Rundfunk Nr. 11).

24

cc) Der Begriff der Abteilung iSd. Fußnote 2 zur Gehaltsgruppe III GTV 2006 ist entgegen der Revision nicht nach der Organisationslehre auszulegen, sondern mit einer sortimentsbezogenen Betrachtung als eine „Verkaufsabteilung“ zu verstehen, in der Waren einer bestimmten Warenart oder eines bestimmten Warenbereichs angeboten werden. Dabei kommt es weder auf die Bezeichnung als „Abteilung“ an noch auf eine räumliche Abgrenzung. Erstreckt sich die Zuständigkeit einer Kasse auf ein erhebliches Sortiment von Waren mehrerer Warenarten oder mehrerer Warenbereiche, ist diese zuständig für mehrere Abteilungen iSd. Tätigkeitsbeispiels.

25

(1) Maßgebend für die Auslegung des tariflichen Begriffs der Abteilung ist ein branchenspezifisches Verständnis.

26

(a) Die tariflichen Bestimmungen des Einzelhandels in Rheinland-Pfalz enthalten keine Definition des in der Fußnote 2 zur Gehaltsgruppe III GTV 2006 verwendeten Begriffs „Abteilung“.

27

(b) Die Tarifvertragsparteien haben hier zudem keinen in der Rechtsterminologie feststehenden Begriff in seiner allgemeinen Bedeutung (BAG 8. Februar 1984 - 4 AZR 158/83 - BAGE 45, 121, 129) angewandt. Insbesondere ist der vom Gesetzgeber mehrfach verwendete Begriff der „Betriebsabteilung“ (zB in § 15 Abs. 5 KSchG, § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG, § 171 Satz 2 SGB III und § 4 Abs. 3 Satz 3 MuSchG) nicht heranzuziehen, da die Begriffe „Betriebsabteilung“ und „Abteilung“ bereits wortwörtlich nicht identisch sind und inhaltlich nichts dafür spricht, dass an den Kassen im Baumarkt der Beklagten in K auf Betriebsabteilungen bezogen kassiert wird.

28

(c) Nach der Rechtsprechung ist damit das branchenspezifische Begriffsverständnis entscheidend. Es ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien den Begriff so angewendet wissen wollen, wie er im Handelsverkehr und Wirtschaftsleben verstanden wird und damit den Anschauungen der beteiligten Berufskreise und dem Handelsbrauch (§ 346 HGB) entspricht (ausführlich BAG 8. Februar 1984 - 4 AZR 158/83 - BAGE 45, 121, 130; 17. April 2003 - 8 AZR 482/01 - zu II 2 c aa und bb der Gründe; 23. September 2009 - 4 AZR 334/08 - Rn. 24 f.).

29

(2) Im Verkaufsbereich des Einzelhandels, um den es bei der Kassiertätigkeit der Klägerin geht, wird der Begriff der Abteilung traditionell im Sinne einer „Verkaufsabteilung“ verstanden, in der Waren einer Gattung zusammengefasst angeboten werden (vgl. Britsch/Rosenberger/Hauss Die Berufsausübung im Einzelhandel 1961 S. 42), zB Lebensmittel in der „Lebensmittelabteilung“, Textilien in der „Textilabteilung“, Schreibwaren in der „Schreibwarenabteilung“ und Gartenbedarfsartikel in der „Gartenabteilung“ oder im „Gartenmarktbereich“. Unerheblich ist dabei, ob im Verwaltungsbereich des Einzelhandels wie auch allgemein in der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre der Begriff der Abteilung mit einem anderen Begriffsverständnis verwendet wird. Auf die Art der Abgrenzung der Warengruppen in den Abteilungen kommt es nicht an.

30

(a) Die branchenspezifische Bedeutung des Begriffs der Abteilung im Verkaufsbereich des Einzelhandels wird auch in der Fachliteratur aufgegriffen. Danach ist ein Kaufhaus eine Betriebsform des Einzelhandels mit einem sehr tief gegliederten Sortiment (außer Lebensmitteln), das in „Fachabteilungen mit Beratung“ und in „Abteilungen mit weit gehender Selbstbedienung“ angeboten wird (Gabler Wirtschaftslexikon 17. Aufl. Stichwort „Kaufhaus“ S. 1687). Ein Kaufhaus wird - in Abgrenzung zum „Warenhaus“ - traditionell danach bestimmt, dass es zwar in mehreren Abteilungen „eine Reihe von Warenkreisen“ verkaufe, jedoch keine „Lebensmittelabteilung“ unterhalte (Britsch/Rosenberger/Hauss S. 43; Ausschuss für Begriffsdefinitionen aus der Handels- und Absatzwirtschaft Institut für Handelsforschung an der Universität zu Köln Katalog E 3. Ausgabe S. 26 und 27; Vahlens Großes Wirtschaftslexikon 1987 Bd. 1 Stichwort „Kaufhaus“ S. 996; Lemmermöhle-Thüsing/Otto Arbeit und Arbeitsverhältnisse im Beschäftigungsbereich „Einzelhandel“ 1990 S. 16). In dem aktuellen vom Ausschuss für Definitionen zu Handel und Distribution erstellten Katalog E wird der Begriff „Abteilung“ mit dem Begriff „Warenbereich“ gleichgesetzt (Institut für Handelsforschung an der Universität zu Köln Katalog E 5. Ausgabe S. 119). Dieser wiederum entspricht einer Stufe im Ordnungssystem eines Warenhandelssortiments, das wie folgt gegliedert ist: Warenart (zB Schuhe, Hausrat), Warenbereich (zB Damenschuhe, Haus- und Küchengeräte), Artikelgruppe (zB Damen-Wildlederschuhe), Artikel, Sorte (Institut für Handelsforschung an der Universität zu Köln Katalog E 5. Ausgabe S. 137, 140).

31

(b) Auch unter Heranziehung des allgemeinen Sprachgebrauchs (vgl. dazu BAG 17. März 2005 - 8 ABR 8/04 - zu II 2 c bb der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 90 = EzA TVG § 4 Eingruppierung Nr. 10 zum Begriff „technische Abteilung“ bei der Eingruppierung eines Teamleiters in einem SB-Warenhaus in Rheinland-Pfalz) ergibt sich kein anderes Ergebnis. So führt der Duden als Beispiel einer Abteilung die „Abteilung für Haushaltswaren“ eines Warenhauses auf (Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. Bd. 1 Stichwort „Abteilung“).

32

(c) Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es bei der Auslegung des Begriffs der Abteilung im konkreten Zusammenhang mit der Kassiertätigkeit im Verkaufsbereich des Einzelhandels nicht darauf an, wie dieser Begriff im allgemeineren Zusammenhang der Organisationslehre und insbesondere im Zusammenhang mit Leitungstätigkeit verwendet wird.

33

Es mag sein, dass es sich bei Abteilungen iSd. Organisationslehre um typische organisatorische Teilbereiche mit eigener Führungsverantwortung gegenüber fest zugeordneten Mitarbeitern handelt, beispielsweise um die Personalabteilung, die Rechtsabteilung, die Abteilung für Einkauf und Beschaffung oder die Verkaufsabteilung. Einschlägig ist demgegenüber hier nach Sinn und Zweck das speziellere und sachnähere sortimentsbezogene Begriffsverständnis im Verkaufsbereich des Einzelhandels. Damit ist entgegen der Auffassung der Beklagten, die auch in einem von ihr in den Vorinstanzen zur Akte gereichten Gutachten zum Ausdruck kommt, vorliegend unerheblich, ob eine Abteilungsleitung vorhanden ist, der Führungsverantwortung gegenüber Mitarbeitenden obliegt.

34

Damit einhergehend trägt es - entgegen der Auffassung der Beklagten - zur Auslegung des Begriffs der Abteilung, den die Tarifvertragsparteien bei der Bewertung der Tätigkeit von Kassiererinnen im Bereich der Gehaltsgruppe III GTV 2006 verwendet haben, nichts bei, dass auch im Rahmen der Bewertung von Tätigkeiten in der Gehaltsgruppe V GTV 2006 der Begriff der Abteilung anzutreffen ist. Dort wurde dieser Begriff sogar mehrfach verwendet (Abteilungsleiter/in, Leiten der Versandabteilung sowie Leiten technischer Abteilungen). Dabei handelt es sich ersichtlich um die Bewertung der Tätigkeiten von Führungskräften von Organisationseinheiten, die wortgleich ebenfalls „Abteilungen“ sind. Auf diese oder ähnliche Organisationseinheiten ist die Kassiertätigkeit im Verkauf jedoch nicht bezogen. Der Wortübereinstimmung entspricht keine inhaltliche Übereinstimmung.

35

Gleiches gilt auch für die von der Revision herangezogene Entscheidung des Achten Senats zur Frage der Eingruppierung eines Abteilungsleiters im Einzelhandel in Sachsen in einem Warenbereich Fleisch, der als „Abteilungsleiter Fleisch“ beschäftigt wurde und dem mehr als acht Mitarbeiter unterstellt waren (BAG 18. November 2004 - 8 AZR 540/03 - zu II 2 c bb der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 88). Bei der dortigen „Fleischabteilung“ handelte es sich um die Leitung einer Organisationseinheit, nicht um eine Kassiertätigkeit im Verkauf, bei der der Aspekt der Leitung keine Rolle spielt.

36

(d) Hinsichtlich des Begriffs der Abteilung iSd. Fußnote 2 zur Gehaltsgruppe III GTV 2006 kommt es nicht auf die Art der Abgrenzung der „Verkaufsabteilungen“ an. Weder ist die Bezeichnung als „Abteilung“ wesentlich noch eine räumliche Abgrenzung im Sinne einer Barriere, eine bestimmte Stellung von Regalen oder das Vorhandensein von Hinweisschildern. Es genügt, dass ein erhebliches Sortiment von Waren verschiedener Warenarten oder auch nur Warenbereiche an der jeweiligen Kasse zu bearbeiten ist. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass für die tariflich höhere Eingruppierung entscheidend ist, „was auf eine Kasse zuläuft“.

37

Dabei ist es tariflich ohne Bedeutung, dass der Vorgang des Kassierens in allen Ladengeschäften als ähnlich angesehen werden kann (Ermittlung des Preises und Zahlung) und durch die Verwendung von Scannerkassen mit Barcodelesegeräten möglicherweise vereinfacht wird. Die Tarifvertragsparteien haben nicht danach unterschieden, ob beispielsweise Barcodelesegeräte eingesetzt werden oder nicht. Vielmehr haben sie nicht nur in diesem Tätigkeitsbeispiel, sondern auch an anderer Stelle der Eingruppierungsregelungen entscheidend auf die Größe des Warenangebots abgestellt. So unterscheiden sie zB beim Lebensmittel-Supermarkt danach, ob dieser sich auf mehr oder weniger als 400 qm Verkaufsfläche erstreckt (Fußnote 2 zur Gehaltsgruppe III GTV 2006).

38

(e) Schließlich enthält die tarifvertragliche Bestimmung keinen Anhaltspunkt dafür, dass in den verschiedenen Abteilungen fachkundige Beratung zur Verfügung zu stehen hat. Auch ein Baumarkt ohne Beratungsangebot kann Waren verschiedener Abteilungen führen.

39

(3) Auch der Einwand der Revision, die „Kassen, die für mehrere Abteilungen zuständig sind“, müssten wie die ihnen tariflich gleichgestellten „Sammelkassen“ übergeordnete Zusatzfunktionen erfüllen, ist unberechtigt.

40

Der Senat hat zum Tarifvertrag über Gehälter, Löhne, Ausbildungsvergütungen und Sozialleistungen für die Arbeitnehmer/innen und Auszubildenden des Einzelhandels in Baden-Württemberg hinsichtlich der Auslegung des Begriffs „Sammelkasse“ erkannt, dass diese übergeordnete Aufgaben oder Funktionen wahrnehmen (vgl. BAG 23. September 2009 - 4 AZR 333/08 - Rn. 36; 9. Dezember 1987 - 4 AZR 461/87 -). Selbst wenn diese Auslegung jedoch auf das vorliegende Tarifwerk im Einzelhandel Rheinland-Pfalz übertragbar wäre, führte dies nicht zur Annahme zusätzlicher Anforderungen an „Kassen, die für mehrere Abteilungen zuständig sind“. Bereits der Wortlaut dieses Tätigkeitsbeispiels spricht dafür, dass die Anforderung abschließend beschrieben worden ist. Zudem würde eine Übertragung der gesonderten tariflichen Anforderungen an „Sammelkassen“ auf „Kassen, die für mehrere Abteilungen zuständig sind“ zu widersprüchlichen Ergebnissen führen. Denn zum einen wären diese Kassen, wenn sie die Zusatzkriterien regelmäßig zu erfüllen hätten, regelmäßig zugleich Sammelkassen. Die Unterscheidung zwischen beiden im Tarifvertragstext wäre überflüssig. Zum anderen wird tariflich für „Kassen, die für mehrere Abteilungen zuständig sind“ eine „ausschließliche Beschäftigung“ verlangt (Fußnote 2 zur Gehaltsgruppe III GTV 2006), hingegen für die Tätigkeit an Sammelkassen nach § 9 Ziffer 3 MTV 2003 lediglich eine zeitlich überwiegende Tätigkeit. Die unterschiedlichen Anforderungen an den zeitlichen Umfang der Tätigkeit an den beiden Kassen zeigen, dass die Tarifvertragsparteien nicht von einer Identität der benannten Kassen ausgegangen sind. Dies zeigt sich auch in der tariflichen Formulierung, die Kassen seien „gleichzusetzen“. Hieraus ergibt sich, dass die Tarifvertragsparteien die beiden Kassenarten nicht ohnehin als identisch, sondern als unterschiedlich angesehen haben.

41

dd) Die Voraussetzungen der Gehaltsgruppe III GTV 2006 sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin ist ausschließlich an Kassen eingesetzt, die für mehrere Abteilungen zuständig sind.

42

(1) Das Angebot im Baumarkt der Beklagten in K ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts in verschiedene „Warenbereiche“, darunter die Bereiche Gartenprodukte, Elektroprodukte, Baustoffe, Sanitär, Farben und Werkzeug aufgeteilt. Nach dem Katalog E des Ausschusses für Definitionen zu Handel und Distribution handelt es sich dabei vorwiegend nicht nur um „Warenbereiche“, sondern um die höhere Ordnungsstufe der „Warenarten“ (vgl. Institut für Handelsforschung an der Universität zu Köln Katalog E 5. Ausgabe S. 140). Das Landesarbeitsgericht hat diese verschiedenen Warenarten oder Warenbereiche (von ihm als „Warengruppen“ bezeichnet) zutreffend im Ergebnis als Verkaufsabteilungen im Tarifsinne angesehen. Das ist auch unter dem Gesichtspunkt der Erheblichkeit des jeweiligen Sortiments zutreffend, der vorliegend bei der Größe des Baumarktes der Beklagten in K außer Frage steht.

43

(2) Die Klägerin ist zudem nicht nur „zeitlich überwiegend“ iSd. § 9 MTV 2003 sondern ausschließlich an „Kassen, die für mehrere Abteilungen zuständig sind“, tätig. Sämtliche Kassen, an denen die Klägerin beschäftigt wird, unterliegen keinen Zuständigkeitsbegrenzungen hinsichtlich der im gesamten Baumarkt (einschließlich Gartenmarkt) angebotenen Waren. So können nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts alle im Markt angebotenen Produkte in beiden Kassenbereichen, zwischen denen die Klägerin unregelmäßig wechselt, bezahlt werden. Auch die Infokasse, an der die Klägerin weiterhin eingesetzt wird, ist offenkundig mindestens für den gesamten Baumarktbereich, in dem mehrere Warenarten angeboten werden und in dem sie räumlich angesiedelt ist, ohne Produkteinschränkungen zuständig. Angesichts dessen kommt es nicht mehr darauf an, ob dort zudem noch Produkte aus dem Gartenmarktbereich bezahlt werden können.

44

(3) Nach allem ist es unerheblich, ob die Info- und die Gartenmarktkasse außerdem Sammelkassen iSd. Fußnote 2 zur Gehaltsgruppe III GTV 2006 sind, wofür allerdings wegen der dort anfallenden übergeordneten Aufgaben und Funktionen (beide sind nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts für zusätzliche Aufgaben wie Umtausch, Retouren und sogenannte Abwicklungsscheine zuständig) viel spricht, und zu welchen Zeitanteilen die Klägerin an diesen Kassen tätig ist.

45

4. Über die Höhe der tatsächlich gezahlten Vergütung und die rechnerische Höhe der monatlichen Differenz von 113,13 Euro besteht kein Streit mehr.

46

5. Die Ausschlussfrist gemäß § 16 Ziffer 1 Buchst. c MTV 2003 von sechs Monaten nach Fälligkeit ist durch das Geltendmachungsschreiben vom 18. Februar 2008 gewahrt. Der geltend gemachte Anspruch auf die Vergütungsdifferenz für den Monat August 2007 war am 31. August 2007 fällig, da die Vergütung nach § 9 Ziffer 11 Satz 1 MTV 2008 nachträglich am Ende des Monats ausbezahlt wird, und wäre erst am 1. März 2008 verfallen.

47

II. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Bepler    

        

    Creutzfeldt    

        

    Winter    

        

        

        

    Hannig    

        

    Rupprecht    

                 

Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 4. Dezember 2008 - 20 Sa 638/08 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach vom 4. März 2008 - 6 Ca 778/07 - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche und in diesem Zusammenhang über die Reichweite einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel.

2

Der Kläger, Mitglied der Industriegewerkschaft Metall (IG Metall), war seit dem 1. Oktober 1979 zunächst bei der H GmbH in O beschäftigt. Der im Monat September 1979 geschlossene Arbeitsvertrag lautet ua.:

        

„7.     

Alle weiteren das Arbeitsverhältnis betreffenden Punkte richten sich nach den jeweils gültigen Bestimmungen des Tarifvertrages der Hessischen Metallindustrie und der Arbeitsordnung.“

3

Die H GmbH hat ihren Sitz in Hessen. Sie war schon zur Zeit des Arbeitsvertragsschlusses Mitglied des Verbandes der Metall- und ElektroUnternehmen Hessen e. V. (VME Hessen, später -HESSENMETALL-). Der VME Hessen und die IG Metall schließen Tarifverträge für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie ab, deren räumlicher Geltungsbereich sich auf das Bundesland Hessen beschränkt. Die H GmbH verwendete die Klausel unter Nr. 7 des Arbeitsvertrages auch in den Vereinbarungen mit Arbeitnehmern, die nicht in Hessen, sondern in anderen Bundesländern beschäftigt waren. Motiv der H GmbH hierfür war die Schaffung einheitlicher Arbeitsbedingungen für die von ihr beschäftigten Arbeitnehmer.

4

Mit Wirkung vom 1. April 2007 ging das Arbeitsverhältnis des Klägers infolge eines Betriebsübergangs auf die nicht tarifgebundene Beklagte über. Vor dem Betriebsübergang gab diese mindestens drei Mal in Folge Tariflohnerhöhungen für den Bereich der hessischen Metall- und Elektroindustrie an ihre damaligen Arbeitnehmer weiter. In deren Arbeitsverträgen heißt es, „für das Arbeitsverhältnis gelten in Anlehnung der Tarifvertrag der IGM sowie ergänzend die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen“.

5

Mit Tarifvertrag vom 7. Mai 2007 vereinbarten die IG Metall und der Verband der Metall- und Elektro-Unternehmen e. V. eine Erhöhung der tariflichen Entgelte und die Zahlung eines Pauschalbetrages, die der Kläger erfolglos bei der Beklagten geltend machte.

6

Mit seiner Klage verfolgt der Kläger die Entgeltdifferenzen in rechnerisch unstreitiger Höhe weiter. Die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel erfasse als unbedingte zeitdynamische Verweisung auch die dem Betriebsübergang zeitlich nachfolgenden Tarifänderungen. Eine Auslegung als sog. Gleichstellungsabrede scheide aus, weil die Klausel auch in Arbeitsverträgen außerhalb von Hessen verwendet worden sei und damit auch auf „ortsfremde“ Tarifverträge verweise. Selbst wenn eine Gleichstellungsabrede vorliege, bestehe für die Beklagte kein Vertrauensschutz in die frühere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Zudem ergebe sich der Anspruch aus betrieblicher Übung.

7

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.265,55 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 400,00 Euro seit dem 1. Juni 2007 und aus 865,55 Euro seit dem 1. Oktober 2007 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Bei der Verweisungsklausel handele es sich um eine Gleichstellungsabrede, deren Dynamik mit dem Betriebsübergang auf sie geendet habe.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte die Klagabweisung. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben.

11

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, es handele sich bei der Bezugnahmeklausel in Nr. 7 des Arbeitsvertrages nicht um eine Gleichstellungsabrede iSd. früheren Senatsrechtsprechung. Es bestehe auch kein zeitlich unbegrenzter Vertrauensschutz in die frühere Rechtsprechung des Senats. Dies widerspräche der Wertung des Art. 229 § 5 EGBGB. Zudem habe die entscheidende Disposition der Beklagten in der Betriebsübernahme zum 1. April 2007 gelegen und damit mehr als 15 Monate nach der Ankündigung einer Rechtsprechungsänderung zur Auslegung von Bezugnahmeklauseln durch den Senat am 14. Dezember 2005 stattgefunden. Darüber hinaus habe die H GmbH mit der Bezugnahmeklausel nicht die möglicherweise fehlende Tarifgebundenheit der Arbeitnehmer ersetzen, sondern bundesweit einheitliche Arbeitsbedingungen schaffen wollen. Zwar liege die typische Interessenlage für die Vereinbarung einer Gleichstellungsabrede beim Kläger vor. Dem stehe aber das Motiv der Beklagten entgegen, einheitliche Bedingungen im gesamten Bundesgebiet zu schaffen. Auf die Kenntnis dessen durch den Kläger komme es nicht an. Eine unterschiedliche Auslegung der wortgleichen Verweisungsklausel liefe dem Interesse des Arbeitgebers zuwider.

12

II. Das ist rechtsfehlerhaft. Der Senat kann gleichwohl in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).

13

Die zulässige Zahlungsklage ist unbegründet. Bei der Klausel in Nr. 7 des Arbeitsvertrages aus dem Monat September 1979 handelt es sich um eine Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung des Senats, die keine von der Tarifgebundenheit der Beklagten unabhängige unbedingte zeitdynamische Verweisung auf die darin genannten Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung zum Inhalt hat. Danach endete die dynamische Inbezugnahme der im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge zum Zeitpunkt des Übergangs des Betriebes auf die nicht tarifgebundene Beklagte, weshalb die nachfolgend geschlossenen Tarifverträge nicht mehr von ihr erfasst werden (unter 1). Ein Anspruch aufgrund betrieblicher Übung scheidet ebenfalls aus (unter 2).

14

1. In Nr. 7 des Arbeitsvertrages haben die damaligen Vertragsparteien eine Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung des Senats vereinbart. Das ergibt die Auslegung der Bezugnahmeklausel(zu den Maßstäben etwa BAG 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 24, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 70 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 43). Dies führt bei einem Wegfall der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers dazu, dass die in Bezug genommenen Tarifverträge ab diesem Datum nur noch statisch anzuwenden sind.

15

a) Die Arbeitsvertragsparteien haben unabhängig von der Gewerkschaftszugehörigkeit des Klägers die Anwendung der in der Bezugnahmeklausel genannten Tarifverträge vereinbart. Eine arbeitsvertragliche Verweisung wie die vorliegende hat nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats stets rechtsbegründende Bedeutung(ausf. BAG 26. August 2009 - 4 AZR 285/08 - Rn. 46 mwN, AP TVG § 3 Nr. 45 = EzA TVG § 3 Nr. 32; 22. April 2009 - 4 AZR 100/08 - Rn. 38 ff. mwN, BAGE 130, 237).

16

b) Bei der im Arbeitsvertrag vereinbarten Bezugnahmeklausel, die auf die für den Arbeitgeber einschlägigen Tarifverträge verweist, handelt es sich um eine sogenannte Gleichstellungsabrede.

17

aa) Nach der früheren Senatsrechtsprechung waren bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Verweisungsklauseln in aller Regel als sogenannte Gleichstellungsabreden auszulegen. Mit der Verweisung auf die einschlägigen Tarifverträge sollten die Arbeitnehmer arbeitsvertraglich so gestellt werden, wie sie tarifrechtlich stünden, wenn sie tarifgebunden wären. Ziel der Bezugnahme war danach die einheitliche Anwendung des in Bezug genommenen Tarifrechts unabhängig von der Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers. Das Arbeitsverhältnis nahm an den dynamischen Entwicklungen des in Bezug genommenen Tarifvertrages deshalb auch nur so lange teil, wie der Arbeitgeber selbst tarifgebunden war (vgl. nur BAG 26. August 2009 - 4 AZR 285/08 - Rn. 46 mwN, AP TVG § 3 Nr. 45 = EzA TVG § 3 Nr. 32; 10. Dezember 2008 - 4 AZR 881/07 - Rn. 18 f. mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 68; 14. Dezember 2005 - 4 AZR 536/04 - Rn. 12 ff., BAGE 116, 326; 1. Dezember 2004 - 4 AZR 50/04 - zu I 2 a der Gründe, BAGE 113, 40).

18

Nach dieser Rechtsprechung war Voraussetzung für die Auslegung einer dynamischen Verweisung auf einen Tarifvertrag als Gleichstellungsabrede stets, dass der in Bezug genommene Tarifvertrag bei Vertragsschluss einschlägig war (ausf. BAG 21. Oktober 2009 - 4 AZR 396/08 - Rn. 22 f., NZA-RR 2010, 361; weiterhin 27. November 2002 - 4 AZR 661/01 - zu II 2 b bb (1) der Gründe, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 28; 26. September 2001 - 4 AZR 544/00 - zu II 1 c aa der Gründe, BAGE 99, 120; 4. September 1996 - 4 AZR 135/95 - zu II a bb der Gründe, BAGE 84, 97). Konsequenz dieser Voraussetzung ist, dass bei einer Verweisung auf einen „fachfremden“ oder „ortsfremden“ Tarifvertrag die Annahme einer Gleichstellungsabrede ohne besondere Anhaltspunkte grundsätzlich ausscheidet (BAG 21. Oktober 2009 - 4 AZR 396/08 - Rn. 23, NZA-RR 2010, 361; 25. Oktober 2000 - 4 AZR 506/99 - zu II 3 b cc der Gründe, BAGE 96, 177).

19

bb) Danach handelt es sich vorliegend um eine Gleichstellungsabrede iSd. früheren Senatsrechtsprechung. Der Kläger ist in einem Betrieb in Hessen beschäftigt, für den der in Bezug genommene Tarifvertrag sowohl räumlich als auch persönlich und fachlich Geltung beansprucht. An diesen Tarifvertrag war die Betriebsveräußerin, die H GmbH, bei Arbeitsvertragsschluss tarifgebunden. Die Tarifverträge der hessischen Metallindustrie waren daher vor dem Betriebsübergang „einschlägig“.

20

cc) Ein anderes folgt nicht aus dem Umstand, dass die H GmbH bundesweit einheitliche Arbeitsbedingungen schaffen wollte. Dieses Motiv der vertragsschließenden früheren Arbeitgeberin hindert entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht die Auslegung der Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede.

21

(1) Rechtsgeschäftliche Willenserklärungen sind grundsätzlich nach einem objektivierten Empfängerhorizont auszulegen. Dabei haben die Motive des Erklärenden, soweit sie nicht in dem Wortlaut der Erklärung oder in sonstiger, für die Gegenseite hinreichend deutlich erkennbaren Weise ihren Niederschlag finden, außer Betracht zu bleiben. Es besteht keine Verpflichtung des Erklärungsempfängers, den Inhalt oder den Hintergrund des ihm regelmäßig formularmäßig gemachten Angebots durch Nachfragen aufzuklären. Kommt der Wille des Erklärenden nicht oder nicht vollständig zum Ausdruck, gehört dies zu dessen Risikobereich (BAG 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 30, BAGE 122, 74).

22

Für die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel bedeutet dies, dass ihr Bedeutungsinhalt in erster Linie anhand des Wortlauts zu ermitteln ist. Lediglich wenn von den Parteien weitere Tatsachen vorgetragen werden oder sonst ersichtlich sind, die Zweifel an der wortgetreuen Auslegung der Vertragsklausel begründen können, weil sie für beide Seiten erkennbar den Inhalt der jeweils abgegebenen Willenserklärungen in einer sich im Wortlaut nicht niederschlagenden Weise beeinflusst haben, besteht Anlass, die Wortauslegung in Frage zu stellen (BAG 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 31, BAGE 122, 74).

23

(2) Weder dem Wortlaut der Bezugnahmeklausel noch den sonstigen Begleitumständen des Vertragsschlusses können Anhaltspunkte entnommen werden, wonach die Bezugnahmeklausel über ihren von der früheren Senatsrechtsprechung typisierend ermittelten Inhalt als Gleichstellungsabrede hinaus auch dazu dienen sollte, unternehmensweit einheitliche Arbeitsbedingungen zu schaffen. Andere Anhaltspunkte dafür, dass das Motiv der H GmbH dem anderen Teil zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erkennbar war, sind weder den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch dem Vorbringen des Klägers zu entnehmen.

24

Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann es nicht dahinstehen, ob dem Kläger diese Motive bei Vertragsschluss bekannt waren oder nicht. Zwar hat der Senat in seiner früheren Rechtsprechung für den „Gleichstellungszweck“ die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers als ausreichend angesehen (vgl. 14. Dezember 2005 - 4 AZR 536/04 - Rn. 16, BAGE 116, 326) und nicht die Kenntnis des Arbeitnehmers von diesem Umstand gefordert. Diese vom Senat zudem aufgegebene Rechtsprechung kann aber nicht dazu herangezogen werden, auch andere, dem Vertragspartner nicht erkennbare Motive als Vertragsinhalt anzusehen. Das widerspricht den Grundsätzen zur Auslegung von Willenserklärungen (unter [1]).

25

(3) Ein anderes ergibt sich nicht aus der Entscheidung des Senats vom 21. Oktober 2009 (- 4 AZR 396/08 - Rn. 22 f., NZA-RR 2010, 361). Der Kläger im dortigen Verfahren war ebenfalls bei der Beklagten beschäftigt und der Arbeitsvertrag beinhaltete die gleiche Bezugnahmeklausel. Sein Beschäftigungsort befand sich allerdings außerhalb des Bundeslandes Hessen, weshalb die Tarifverträge der hessischen Metallindustrie auch bei beiderseitiger Tarifgebundenheit nicht gegolten hätten.

26

(4) Eine unternehmenseinheitliche Auslegung der Bezugnahmeklausel ist nicht geboten.

27

(a) Voraussetzung für eine Auslegung einer Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede war stets nur, dass der im einzelnen Arbeitsvertrag in Bezug genommene Tarifvertrag für das betreffende Arbeitsverhältnis „einschlägig“ war, also „das Arbeitsverhältnis alle Voraussetzungen erfüllte, die die Geltungsbereichsbestimmung des Tarifvertrages aufstellte“. Die vergleichbaren Arbeitnehmer sind in der Regel die gleichartig beschäftigten Arbeitnehmer des Betriebes, in dem der tarifungebundene Arbeitnehmer beschäftigt ist (BAG 21. Oktober 2009 - 4 AZR 396/08 - Rn. 23, NZA-RR 2010, 361; weiterhin 4. September 1996 - 4 AZR 135/95 - zu II a bb der Gründe, BAGE 84, 97). Die Bezugnahme auf einen Tarifvertrag für einen Arbeitnehmer, für dessen Arbeitsverhältnis diese Voraussetzungen nicht gelten - etwa wenn der Arbeitsvertrag auf Tarifverträge für gewerbliche Arbeitnehmer verweist, der Arbeitnehmer aber ein Angestellter ist (zu diesem Beispiel BAG 21. Oktober 2009 - 4 AZR 396/08 - aaO) - führt nicht dazu, dass der Charakter als Gleichstellungsabrede auch in allen Verträgen der gewerblichen Arbeitnehmer ohne weiteres verloren geht.

28

Auch in seiner Entscheidung vom 21. Oktober 2009 ist der Senat davon ausgegangen, dass eine einfache Verweisungsklausel auch dann, wenn ein Arbeitgeber über die Grenzen des Tarifgebiets hinaus einheitliche Arbeitsbedingungen vereinbart hat, nicht zugleich die auflösende Bedingung enthält, die Tarifbedingungen sollen „für alle Arbeitnehmer, auch für die tarifgebietsfremden Arbeitsverhältnisse“, nur so lange dynamisch gelten, wie der Arbeitgeber an seinem Sitz tarifgebunden sei. Damit ging der Senat aber zugleich von einer Gleichstellungsabrede in den Arbeitsverhältnissen innerhalb des Tarifgebiets aus. Nur „hinsichtlich der tarifgebietsfremden Arbeitsverhältnisse“ ist der Arbeitgeber „wie ein tarifungebundener Arbeitgeber anzusehen“ (BAG 21. Oktober 2009 - 4 AZR 396/08 - Rn. 27, NZA-RR 2010, 361).

29

(b) Ein anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Umstand, dass es sich bei arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln regelmäßig um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt und diese nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen sind, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden (BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 15, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 48; 16. Dezember 2009 - 5 AZR 888/08 - Rn. 12, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 44, jeweils mwN; BGH 12. Mai 1980 - VII ZR 158/79 - zu I 2 b der Gründe, BGHZ 77, 116). Das schließt eine Differenzierung zwischen den verschiedenen Verkehrskreisen und ein unterschiedliches Verständnis der Bezugnahmeklausel je nach dem, ob der Tarifvertrag für den betreffenden Betrieb einschlägig ist oder nicht, nicht aus.

30

(5) Schließlich steht der Auslegung als Gleichstellungsabrede nicht die im Arbeitsvertrag unter Nr. 4 enthaltene Versetzungsklausel entgegen. Maßgebend für die Auslegung der Bezugnahmeklausel sind die Bedingungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Damals handelte es sich um den „einschlägigen“ Tarifvertrag.

31

c) Die bisher zugrunde gelegte Auslegungsregel zur Feststellung einer Gleichstellungsabrede wendet der Senat für Arbeitsverträge, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 abgeschlossen worden sind („Neuverträge”) nicht mehr an. Aus Gründen des Vertrauensschutzes findet sie aber weiterhin auf Bezugnahmeklauseln Anwendung, die wie die vorliegende vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 vereinbart worden sind (BAG 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 18 und 22 jeweils mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 70 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 43; 22. April 2009 - 4 ABR 14/08 - Rn. 64 mwN, BAGE 130, 286; 10. Dezember 2008 - 4 AZR 881/07 - Rn. 18 ff., AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 68; 23. Januar 2008 - 4 AZR 602/06 - Rn. 20 ff., AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 63 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 38; 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 29 ff., BAGE 122, 74; 14. Dezember 2005 - 4 AZR 536/04 - Rn. 24 ff., BAGE 116, 326). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.

32

aa) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts besteht in der unbeschränkten Gewährung von Vertrauensschutz für vor dem 1. Januar 2002 geschlossene Verträge kein Wertungswiderspruch zu Art. 229 § 5 EGBGB. Das hat der Senat bereits mehrfach ausführlich begründet (insb. BAG 26. August 2009 - 4 AZR 285/08 - Rn. 52, AP TVG § 3 Nr. 45 = EzA TVG § 3 Nr. 32; s. weiterhin 14. Dezember 2005 - 4 AZR 536/04 - Rn. 27, BAGE 116, 326; 22. Oktober 2008 - 4 AZR 793/07 - Rn. 36, BAGE 128, 185; 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 19, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 70 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 43). Eine zeitlich begrenzte Klarstellungsmöglichkeit für den Klauselverwender durch einzelvertragliche Änderungsangebote hat der Senat verworfen (BAG 14. Dezember 2005 - 4 AZR 536/04 - Rn. 27, BAGE 116, 326).

33

bb) Unzutreffend ist die weitere Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte genieße keinen Vertrauensschutz, weil sie erst durch den nach dem 1. Januar 2002 geschlossenen Betriebspachtvertrag, der zum Betriebsübergang führte, ihre Disposition getroffen habe.

34

Anknüpfungspunkt für die Auslegung der Klausel ist der Zeitpunkt des Arbeitsvertragsabschlusses. Allein auf diesen bezieht sich auch der Vertrauensschutz hinsichtlich der Auslegung der arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel als Gleichstellungsabrede nach der früheren Senatsrechtsprechung (s. nur BAG 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 22 ff., AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 70 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 43). Der Betriebspachtvertrag änderte an der Auslegung des Arbeitsvertrages nichts. Der Betriebsübergang führt gerade nicht zu einer Dispositionsbefugnis über den Inhalt des Arbeitsvertrages, sondern soll die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag nach der gesetzlichen Anordnung unberührt lassen. Das Landesarbeitsgericht ist im Ansatz auch selbst davon ausgegangen, dass die Beklagte aufgrund des Betriebsübergangs am 1. April 2007 in die Verpflichtungen aus der Verweisungsklausel eingetreten ist. Der sich von Gesetzes wegen nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB vollziehende Eintritt des Erwerbers eines Betriebes oder Betriebsteils in die Rechte und Pflichten der zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse bezieht sich auf alle arbeitsvertraglich begründeten Rechte und Pflichten. Nach Satz 1 der Vorschrift tritt der Erwerber an die Stelle des Veräußerers und nimmt dessen Rechtsstellung unverändert ein (BAG 21. Oktober 2009 - 4 AZR 396/08 - Rn. 16, NZA-RR 2010, 361).

35

d) Da die Beklagte infolge des Betriebsübergangs gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB in die arbeitsvertraglich begründeten Rechte und Pflichten in dem dort beschriebenen Umfang eingetreten ist, endete die Dynamik der durch die Bezugnahmeklausel begründeten vertraglichen Tarifgeltung wegen der fehlenden Tarifgebundenheit der Beklagten mit Ablauf des 31. März 2007. Die am 7. Mai 2007 von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Entgelterhöhungen wurden von der Bezugnahmeklausel nicht mehr erfasst.

36

2. Dem Kläger steht die begehrte Zahlung auch nicht nach den Grundsätzen einer betrieblichen Übung zu. Bei der Beklagten existierte keine betriebliche Übung dahin, die Tarifverträge „der IGM“ in ihrer jeweiligen Fassung den Arbeitsverhältnissen der dort Beschäftigten zugrunde zu legen. Der Kläger konnte deshalb auch nicht durch eine dahin gehende rechtsbegründende betriebliche Übung begünstigt werden.

37

a) Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Anspruch aus betrieblicher Übung nur entstehen, wenn es an einer anderen kollektiv- oder individualrechtlichen Grundlage für die Leistungsgewährung fehlt (BAG 24. November 2004 - 10 AZR 202/04 - zu II 3 c bb (3) der Gründe, BAGE 113, 29; 27. Oktober 2004 - 10 AZR 138/04 - zu II 1 der Gründe, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 28).

38

b) Danach ist hier ein Anspruch des Klägers auf Grundlage einer betrieblichen Übung ausgeschlossen. Grundlage der Leistungsgewährung an die anderen Mitarbeiter war eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, nicht eine bestehende betriebliche Übung. Die Beklagte zahlte die Tariflohnerhöhungen an die bereits vor dem Betriebsübergang bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer aufgrund der mit ihnen vereinbarten arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln. Die in der vertraglichen Abrede vereinbarte „Anlehnung“ an den dort genannten Tarifvertrag ist nach ihrem Wortlaut dahin zu verstehen, dass die Beklagte als nicht tarifgebundene Arbeitgeberin auf ein intern von ihr praktiziertes Vergütungssystem verweist, welches sich in seiner Struktur an den genannten Tarifverträgen ausrichtet (vgl. BAG 13. November 2002 - 4 AZR 351/01 - zu III 1 der Gründe, BAGE 103, 338).

39

III. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision nach den §§ 91, 97 ZPO zu tragen.

        

    Bepler    

        

    Winter    

        

    Treber     

        

        

        

    Kralle-Engeln    

        

    Weßelkock    

                 

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 08.12.2010 - 3 Ca 536/10 - abgeändert, soweit die Klage abgewiesen wurde, und die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 2.350,-- EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB aus 675,-- EUR seit dem 01.08.2008, aus 1.000,-- EUR seit dem 01.12.2008 und aus 675,-- EUR seit dem 01.08.2009 zu zahlen.

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zahlung von Urlaubsgeld für die Jahre 2006 bis 2009 und Weihnachtsgeld für die Jahre 2006 bis 2008.

2

Der Kläger war vom 1. April 1999 bis 30. November 2009 bei der Beklagten beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis endete durch eine auf betriebsbedingte Gründe gestützte Kündigung der Beklagten. Die vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage hat das Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein rechtskräftig mit der Begründung abgewiesen, dass das Kündigungsschutzgesetz nach § 23 Abs. 1 KSchG im Hinblick auf die Betriebsgröße keine Anwendung finde (Az: 3 Ca 1713/09).

3

Die Beklagte zahlte dem Kläger seit Beginn des Arbeitsverhältnisses bis zum Jahr 2005 jährlich Urlaubs- und Weihnachtsgeld. In den Jahren 2002 bis 2005 belief sich das jeweils mit den Abrechnungen für den Monat Juli ausgezahlte Urlaubsgeld auf 675,00 EUR brutto und das jeweils mit den Abrechnungen für den Monat November ausgezahlte Weihnachtsgeld auf 1.000,00 EUR brutto. Seit dem Jahr 2006 zahlte die Beklagte das zuvor dem Kläger und den übrigen Mitarbeitern gewährte Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht mehr.

4

Zwischen den Parteien ist streitig, ob am "schwarzen Brett" folgende "öffentliche Bekanntmachung" der Beklagten vom 10. April 2006 in der Zeit von April bis August 2006 ausgehängt war:

5

"Öffentliche Bekanntmachung         

der C.           

        

Vereinbarung über den Verzicht auf Sonderleistungen           

        

Im Hinblick auf die derzeitige allgemeine schwierige Situation, insbesondere im Hinblick auf die schwindenden Kundenzahlen und die damit einhergehenden Ertragsrückgänge haben sich die Mitarbeiter entschlossen zum einen, einen Beitrag zur Arbeitsplatzsicherung und zum anderen einen Beitrag zum Erhalt der Selbstständigkeit des Unternehmens zu leisten.

        

In Abänderung des bisherigen mündlichen und schriftlichen Arbeitsvertrages wird daher nachfolgende Vereinbarung

        

getroffen:

        

Ein bisher bestehender Anspruch der Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld kraft vertraglicher Vereinbarung oder betrieblicher Regelung besteht rückwirkend ab dem 01.01.2006 nicht mehr.

        

Zahlungen von Weihnachtsgeld oder Urlaubsgeld sind ab dem o.g. Zeitpunkt rein freiwillige Leistungen des Arbeitgebers, auf die auch bei wiederholter Auszahlung kein Anspruch besteht.

        

Über eine freiwillige Zahlung von Sonderleistungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) entscheidet die Geschäftsleitung. Diese Entscheidung wird in geeigneter Form bekannt gegeben.

        

C-Stadt, den 10.04.2006"

6

Beginnend mit dem Monat Juli 2007 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Erhöhung seines Stundenlohns um 1,00 EUR von 12,40 EUR auf 13,40 EUR brutto.

7

In dem vor dem Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein unter dem Aktenzeichen 3 Ca 1713/09 geführten Kündigungsschutzprozess der Parteien hat der Kläger mit klageerweiterndem Schriftsatz vom 29. Oktober 2009, der der Beklagten am 4. November 2009 zugestellt worden ist, die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Höhe von insgesamt 5.700,00 EUR brutto verlangt (Urlaubsgeld in Höhe von jeweils 675,00 EUR brutto für die Jahre 2006 bis 2009 und Weihnachtsgeld in Höhe von jeweils 1.000,00 EUR brutto für die Jahre 2006 bis 2008). Die Beklagte hat in diesem Verfahren (Az.: 3 Sa 1713/09) mit Schriftsatz vom 25. November 2009, der dem Kläger am 30. November 2009 zugestellt worden ist, gegen etwaige Ansprüche des Klägers auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld die Aufrechnung mit einem Gegenanspruch auf Rückzahlung der dann ihrer Ansicht nach ohne Rechtsgrund erfolgten Lohnerhöhung von 1,00 EUR pro Stunde für die Zeit von Juli 2007 bis November 2009 in Höhe von insgesamt 4.872,00 EUR erklärt und diesen Betrag für den Fall einer Unzulässigkeit der Aufrechnung im Wege der Eventualwiderklage geltend gemacht. Das Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein hat die Klageerweiterung vom 29. Oktober 2009 und die Eventualwiderklage vom 25. November 2009 abgetrennt und im vorliegenden Verfahren unter dem Aktenzeichen 3 Ca 536/10 fortgeführt.

8

Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte sei zur Zahlung des von ihm geltend gemachten Urlaubs- und Weihnachtsgeldes in Höhe von insgesamt 5.700,00 EUR brutto für die Jahre 2006 bis 2009 verpflichtet. Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 18. März 2009 könne sich die Beklagte nicht auf eine gegenläufige betriebliche Übung berufen. Entgegen der Behauptung der Beklagten habe es keine Vereinbarung gegeben, wonach er auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die Jahre 2006 bis 2009 verzichtet habe. Die "öffentliche Bekanntmachung" der Beklagten aus dem Jahr 2006, die er zum ersten Mal im vorliegenden Verfahren aufgrund des Schriftsatzes der Beklagten vom 25. November 2009 gesehen habe, stelle keine Vereinbarung dar. Die im Jahr 2007 gewährte Stundenlohnerhöhung habe in keinem Zusammenhang mit einem vermeintlichen Verzicht auf Urlaubsgeld/Weihnachtsgeld gestanden.

9

Der Kläger hat beantragt,

10

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.700,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 675,00 EUR brutto seit dem 01.08.2006, 1.000,00 EUR brutto seit dem 01.12.2006, 675,00 EUR brutto seit dem 01.08.2007, 1.000,00 EUR brutto seit dem 01.12.2007, 675,00 EUR brutto seit dem 01.08.2008, 1.000,00 EUR brutto seit dem 01.12.2008, 675,00 EUR brutto seit dem 01.08.2009 zu zahlen.

11

Die Beklagte hat beantragt,

12

die Klage abzuweisen,

13

und hilfsweise widerklagend,

14

den Kläger zu verurteilen, an sie 4.872,00 EUR nebst Zinsen in Höhe des Basiszinssatzes der EZB aus 168,00 EUR seit dem 01.08.2007,

15

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.09.2007

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.10.2007

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.11.2007

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.12.2007

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.01.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.02.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.03.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.04.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.05.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.06.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.07.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.08.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.09.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.10.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.11.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.12.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.01.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.02.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.03.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.04.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.05.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.06.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.07.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.08.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.09.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.10.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.11.2009

16

zu zahlen.

17

Der Kläger hat beantragt,

18

die Hilfswiderklage abzuweisen.

19

Die Beklagte hat erwidert, ein Anspruch des Klägers auf das geforderte Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die Jahre 2006 bis 2009 ergebe sich weder aus den arbeitsrechtlichen Vereinbarungen noch aus betrieblicher Übung. Aufgrund ihrer schwierigen wirtschaftlichen Verfassung im Jahre 2006 hätten die Geschäftsleitung und ihre Mitarbeiter auf die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld ab dem Jahr 2006 verzichtet. Hiermit sei auch der Kläger einverstanden gewesen. Am 10. Februar 2006 habe um 18:30 Uhr in ihren Geschäftsräumen eine Mitarbeiterbesprechung stattgefunden, anlässlich derer die schwierige wirtschaftliche Situation des Unternehmens mit den Mitarbeitern, darunter auch der Kläger, erörtert worden sei. Man sei übereingekommen, dass Kürzungen bei den Gehältern und Gratifikationen nicht länger vermieden werden könnten. Im Anschluss hieran sei Anfang April 2006 mit jedem Mitarbeiter ein Einzelgespräch mit dem Ziel geführt worden, die Abschaffung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes zu vereinbaren. So sei auch mit dem Kläger explizit vereinbart worden, dass dieser beginnend mit dem Jahre 2006 kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld mehr erhalte. Der Kläger sei hiermit einverstanden gewesen. Nachdem alle Mitarbeitergespräche positiv abgeschlossen worden seien, sei die vorgelegte Bekanntmachung vom 10. April 2006 (Anlage B 4 zum Schriftsatz der Beklagten vom 25. November 2009 = Bl. 48 d.A.) im Betrieb ausgehängt worden. Im Gegenzug habe der Kläger beginnend mit dem Monat Juli 2007 die vereinbarte Erhöhung seines Stundenlohns von 12,40 EUR auf 13,40 EUR erhalten. Dieser erhöhte Stundenlohn sei dem Kläger ausschließlich im Zusammenhang mit dem erklärten Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt worden. Falls sich herausstellen sollte, dass dem Kläger Urlaubs- und/oder Weihnachtsgeld zustehe, wäre die Lohnerhöhung von Juli 2007 ohne Rechtsgrund erfolgt und der Kläger in der Folgezeit in Höhe von 1,00 EUR je Stunde überzahlt. Bei einem monatlichen Pensum von 168 Stunden ergebe sich eine Überzahlung in Höhe von 168,00 EUR je Monat, so dass sich bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30. November 2009 ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von insgesamt 4.872,00 EUR errechne. Mit diesem Rückzahlungsanspruch erkläre sie die Aufrechnung gegen etwaige Ansprüche des Klägers auf Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Für den Fall, dass eine Aufrechnung im Hinblick auf § 394 BGB nicht in Betracht komme, werde der Rückzahlungsanspruch im Wege der Hilfswiderklage geltend gemacht.

20

Das Arbeitsgericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 12. April 2010 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen I. F. und S. G.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 8. Dezember 2010 verwiesen.

21

Mit Urteil vom 8. Dezember 2010 (Az.: 3 Ca 536/10) hat das Arbeitsgericht der Klage in Höhe von 3.350,00 EUR brutto in Bezug auf das Urlaubsgeld für die Jahre 2006 und 2007 und das Weihnachtsgeld für die Jahre 2006 und 2007 stattgegeben und die Klage im Übrigen sowie die Widerklage der Beklagten abgewiesen.

22

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass ein Anspruch des Klägers auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld aus betrieblicher Übung entstanden sei. Die Beklagte habe die von ihr behauptete Vereinbarung über den Wegfall von Urlaubs- und Weihnachtsgeld ab dem Jahr 2006 nicht nachzuweisen vermocht. Die vernommenen Zeuginnen I. F. und S. G. seien nach ihren Aussagen bei einem Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und dem Kläger bezüglich Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht zugegen gewesen. Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2009 als weitere Zeugin Frau G. Sch. angeboten habe, habe auf dieses Beweisangebot nicht zurückgegriffen werden können, weil insoweit das Beweisthema nicht hinreichend konkret vorgetragen worden sei. Bezüglich der Bekanntmachung vom 10. April 2006 habe die Beklagte nicht nachgewiesen, dass der Aushang dem Kläger tatsächlich zur Kenntnis gelangt sei. Nach den Aussagen der beiden Zeuginnen sei in der Mitarbeiterversammlung nicht konkret über Urlaubs- und Weihnachtsgeld gesprochen worden. Ohne nachgewiesene Kenntnis des Klägers vom Inhalt des Aushangs könne im Hinblick auf seine kommentarlose Weiterarbeit eine stillschweigende Vereinbarung nicht angenommen werden. Weiterhin fehle es an Anhaltspunkten, um aufgrund des Zeitmomentes vergangenheitsbezogen von einer Verwirkung der dem Kläger zustehenden Ansprüche auszugehen. Der Verwirkungstatbestand erfordere nämlich neben dem Vorliegen des Zeitmomentes auch das Vorliegen eines Umstandsmomentes. Gleichwohl dürfe das hinnehmende Verhalten des Klägers zukunftsbezogen nicht ohne Auswirkung bei der rechtlichen Prüfung des Lebenssachverhaltes bleiben. Auch wenn sich die Beklagte nicht darauf habe verlassen dürfen, dass vergangenheitsbezogen ohne Hinzutreten weiterer Tatsachen entstandene Ansprüche nicht mehr zu erfüllen seien, so dürfe sie zumindest ab einem gewissen Zeitpunkt zukunftsbezogen davon ausgehen, dass der Kläger die entsprechenden Ansprüche nicht mehr geltend machen werde. Diesbezüglich sei nach Ablauf des zweiten Jahres eine Zäsur eingetreten, für welche die Beklagte kein Urlaubs- bzw. Weihnachtsgeld mehr gezahlt habe. Spätestens nach Ablauf dieser beiden Jahre habe die Beklagte sich aufgrund des ausgebliebenen Widerspruchs des Klägers darauf einstellen dürfen, dass zukunftsbezogen für den Zeitraum ab 2008 Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht mehr durch den Kläger gefordert werde. Danach sei die Beklagte verpflichtet, an den Kläger für die Jahre 2006 und 2007 jeweils Urlaubsgeld in Höhe von 675,00 EUR brutto und Weihnachtsgeld in Höhe von 1.000,00 EUR zu zahlen, während die durch den Kläger verfolgten Ansprüche für den Zeitraum 2008 und 2009 unbegründet seien. Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung und hilfsweise erhobene Widerklage seien unbegründet, weil es nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme keine Verbindung zwischen der Lohnerhöhung sowie einem Verzicht auf Weihnachts- und Urlaubsgeld gegeben habe. Die Beklagte habe ihre diesbezügliche Behauptung nach den Aussagen der beiden vernommenen Zeuginnen nicht nachgewiesen.

23

Der Kläger hat gegen das ihm am 3. März 2011 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts mit Schriftsatz vom 16. März 2011, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 17. März 2011 eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 27. April 2011, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 2. Mai 2011 eingegangen, begründet. Die Beklagte hat gegen das ihr am 3. März 2011 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts mit Schriftsatz vom 1. April 2011, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, ebenfalls Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 3. Mai 2011, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.

24

Der Kläger trägt vor, das Arbeitsgericht habe zunächst zutreffend festgestellt, dass die Beklagte ihre Behauptung, dass er mit der Nichtzahlung der Sonderzahlungen sich einverstanden erklärt habe, nicht habe beweisen können. Entgegen der Darstellung der Beklagten habe er am schwarzen Brett keinen Aushang der angeführten Bekanntmachung vom 10. April 2006 wahrgenommen. Im Übrigen könne der Abschluss eines Vertrages ohnehin nicht durch eine sog. öffentliche Bekanntmachung der Beklagten ersetzt werden. Selbst wenn in der Bekanntmachung das Angebot zur Änderung der Arbeitsbedingungen zu sehen wäre und er hiervon Kenntnis erlangt hätte, könne allein in seiner Weiterarbeit nicht seine Zustimmung zu diesem Änderungsangebot gesehen werden. Schweigen auf ein Angebot könne außerhalb des kaufmännischen Verkehrs nicht als Zustimmung gewertet werden. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts seien die von ihm verfolgten Ansprüche bezogen auf den Zeitraum 2008 und 2009 nicht verwirkt. Die Voraussetzungen des Verwirkungstatbestandes seien nicht erfüllt. Die Beklagte habe weder von der Möglichkeit des Ausspruchs einer Änderungskündigung Gebrauch gemacht noch sich darum bemüht, eine einvernehmlich Vertragsänderung herbeizuführen. Vielmehr habe die Beklagte einfach die Zahlungen in der Hoffnung eingestellt, dass der Arbeitnehmer froh um seinen Arbeitsplatz sei und aus diesem Grunde im laufenden Arbeitsverhältnis keine gerichtliche Auseinandersetzung suchen werde. Allein der Zeitablauf könne die Verwirkung eines Rechts nicht rechtfertigen.

25

Der Kläger beantragt,

26

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 8. Dezember 2010 - 3 Ca 536/10 - abzuändern, soweit die Klage abgewiesen wurde, und die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 2.350,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 675,00 EUR seit dem 1. August 2008, aus 1.000,00 EUR seit dem 1. Dezember 2008 und aus 675,00 EUR seit dem 1. August 2009 zu zahlen,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

27

Die Beklagte beantragt,

28

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 08.12.2010 - 3 Ca 536/10 - aufzuheben und die Klage abzuweisen,

29

den Kläger im Wege der Hilfswiderklage zu verurteilen,
an sie 4.872,00 EUR nebst Zinsen in Höhe des Basiszinssatzes der EZB aus 168,00 EUR seit dem 01.08.2007,

30

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.09.2007

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.10.2007

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.11.2007

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.12.2007

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.01.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.02.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.03.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.04.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.05.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.06.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.07.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.08.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.09.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.10.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.11.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.12.2008

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.01.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.02.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.03.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.04.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.05.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.06.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.07.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.08.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.09.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.10.2009

aus weiteren 168,00 EUR seit dem 01.11.2009

31

zu zahlen,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

32

Die Beklagte trägt vor, die klägerischen Ansprüche seien insgesamt verwirkt. Nach dem Gespräch, das ihr Geschäftsführer mit dem Kläger geführt habe, sei weder das Urlaubs- noch das Weihnachtsgeld zur Auszahlung gelangt. Weil dies zuvor mit dem Kläger abgestimmt gewesen sei, habe dieser das fehlende Urlaubs- und Weihnachtsgeld auch zu keinem Zeitpunkt verlangt. Erst im Jahre 2007 sei dann zur Kompensation eine Lohnerhöhung mit dem Kläger vereinbart worden. Einziger Grund für diese Lohnerhöhung sei der Wegfall des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes gewesen. Der Kläger habe dies nicht substantiiert bestritten, weil er zumindest ein Motiv für die ab Juli 2007 gewährte Lohnerhöhung habe nennen müssen. Im Hinblick darauf, dass der Kläger die Lohnerhöhung als Kompensation für den Verzicht auf das Weihnachts-/Urlaubsgeld erhaben habe, habe sie auch davon ausgehen können, dass sich der Kläger an diese Vereinbarung halte. Vor diesem Hintergrund sei neben dem geforderten Zeitmoment auch das sog. Umstandsmoment gegeben, so dass die eingeklagten Ansprüche jedenfalls verwirkt seien und die Geltendmachung eine unzulässige Rechtsausübung darstelle. Im Übrigen habe der Kläger durch seine Verhaltsweise ihr die Möglichkeit genommen, etwaige Ansprüche auf Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld durch Ausspruch einer Änderungskündigung zu beseitigen, zumal sie als Kleinbetrieb nicht unter den Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes falle. Der Kläger verhalte sich treuwidrig, wenn er erst nach seinem Ausscheiden aus ihrem Betrieb Ansprüche geltend mache, die drei Jahre zurückreichen würden. Im Übrigen sei das Arbeitsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine stillschweigende Vereinbarung über den Verzicht auf Weihnachts- und Urlaubsgeld mangels Kenntnis des Klägers vom Aushang nicht angenommen werden könnte. Ihre öffentliche Bekanntmachung vom 10. April 2006 sei von April bis August 2006 am schwarzen Brett im Obergeschoß der Geschäftsräume in der Nähe des Büroeingangs bei der Kaffeemaschine ausgehängt worden. Im Hinblick darauf, dass jeder Mitarbeiter mindestens einmal täglich an diesem schwarzen Brett vorbeilaufen müsse, habe der Kläger diesen Aushang wie die übrigen Mitarbeiter auch zwangsläufig zur Kenntnis genommen. Der Kläger habe kein Motiv dafür genannt, weshalb er über mehrere Jahre hinweg das Weihnachts- und Urlaubsgeld nicht eingefordert habe und ihm im Juli 2007 eine Lohnerhöhung gewährt worden sei. In Anbetracht dieser Umstände hätte das Arbeitsgericht zu dem Schluss gelangen müssen, dass sich der Kläger sehr wohl darüber im Klaren gewesen sei, dass Ansprüche nicht mehr bestünden, weil man sich hierüber verständigt habe.

33

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

34

Die Berufungen beider Parteien sind zulässig. Die jeweils gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthafte Berufung ist sowohl vom Kläger als auch von der Beklagten frist- und formgerecht eingelegt sowie begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO).

35

Die Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg, während die Berufung der Beklagten unbegründet ist.

36

Die Klageforderung auf Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld ist in vollem Umfang begründet. Die im Wege der Aufrechnung und Eventualwiderklage geltend gemachten Gegenansprüche auf Rückzahlung der gewährten Lohnerhöhung sind hingegen unbegründet.

A.

37

Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.

I.

38

Der Kläger hat aufgrund betrieblicher Übung einen vertraglichen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung des geltend gemachten Urlaubs- und Weihnachtsgeldes in Höhe von insgesamt 5.700,00 EUR brutto.

39

1. Unter einer betrieblichen Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aufgrund einer Willenserklärung, die von den Arbeitnehmern stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Vergünstigungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird durch eine mindestens dreimalige vorbehaltlose Gewährung einer Gratifikation, wenn nicht die Umstände des Falles eine andere Auslegung bedingen, eine Verpflichtung des Arbeitgebers aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung begründet, mit der Folge, dass er sich von dieser Verpflichtung nicht mehr durch einseitigen Widerruf wieder lossagen kann (BAG 14. August 1996 - 10 AZR 69/96 - NZA 1996, 1323, zu II 1 der Gründe).

40

Danach hat sich die Beklagte durch die vorbehaltlose Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld in den Jahren 1999 bis 2005 nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung vertraglich zur Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld in unstreitiger Höhe verpflichtet. Der Anspruch auf Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld ist zum Inhalt des Arbeitsvertrags des Klägers geworden, so dass er auf individualrechtlichem Wege nach den allgemeinen Regeln des Vertragsrechts ohne dessen Mitwirkung nicht mehr untergehen konnte (vgl. BAG 14. August 1996 - 10 AZR 69/96 - NZA 1996, 1323, zu II 1 der Gründe).

41

2. Der aus betrieblicher Übung entstandene Rechtsanspruch des Klägers ist nicht beseitigt worden.

42

a) Eine sog. gegenläufige betriebliche Übung kommt nicht in Betracht.

43

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 18. März 2009 (- 10 AZR 281/08 - NZA 2009, 601) seine Rechtsprechung zur gegenläufigen betrieblichen Übung aufgegeben. Danach können die zuvor aufgestellten Grundsätze zur Verschlechterung oder Beseitigung vertraglicher Ansprüche von Arbeitnehmern auf Sonderzahlungen aufgrund einer gegenläufigen betrieblichen Übung spätestens seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am 1. Januar 2002 nicht mehr aufrechterhalten bleiben. Durch eine betriebliche Übung erwerben Arbeitnehmer vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Der so entstandene Rechtsanspruch ist kein vertraglicher Anspruch minderer Rechtsbeständigkeit. Der Arbeitgeber kann ihn daher genauso wenig wie einen durch ausdrückliche arbeitsvertragliche Abrede begründeten Anspruch des Arbeitnehmers unter erleichterten Voraussetzungen zu Fall bringen (BAG 25. November 2009 - 10 AZR 779/08 - NZA 2010, 283, zu II 3 a der Gründe).

44

b) Der vertragliche Anspruch des Klägers ist nicht durch eine einvernehmliche Änderung des Arbeitsvertrages beseitigt worden.

45

Die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat den ihr obliegenden Beweis für ihre Behauptung, der Kläger habe sich im Rahmen einer Mitarbeiterversammlung am 10. Februar 2006 sowie in einem Einzelgespräch Anfang April 2006 ausdrücklich damit einverstanden erklärt, dass zukünftig die Zahlung des Weihnachtsgeldes sowie des Urlaubsgeldes entfalle, nicht geführt.

46

aa) Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2009 für ihre zunächst pauschal aufgestellte Behauptung, dass zwischen ihr und ihren Mitarbeitern eine Vereinbarung getroffen worden sei, wonach jedenfalls ab dem Jahr 2006 kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld mehr bezahlt werde, als Zeugin die Mitarbeiterin G. Sch. benannt hat, ist das Arbeitsgericht diesem Beweisangebot mangels hinreichend substantiiert vorgetragenen Beweisthemas zu Recht nicht nachgegangen. Aus der pauschalen Behauptung der Beklagten im Schriftsatz vom 3. Dezember 2009 geht nicht hervor, wann bei welcher Gelegenheit zwischen welchen Personen im Rahmen welchen Gespräches bzw. auf welche Weise welche Vereinbarung getroffen worden sein soll, zu der die Zeugin vernommen werden soll. Wird ein Beweis angetreten, bei dem es an der Bestimmtheit der zu beweisenden Tatsachen fehlt und sollen durch die beabsichtigte Beweiserhebung erst die Grundlagen für substantiierte Tatsachenbehauptungen gewonnen werden, ist dieser Beweisantritt unzulässig und unbeachtlich. Gemäß § 373 ZPO muss die beweispflichtige Partei diejenigen Tatsachen bezeichnen, zu denen der Zeuge vernommen werden soll. Tatsachen sind konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder der Gegenwart angehörige Geschehnisse oder Zustände. Entsprechen die unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptungen nicht diesen Anforderungen, hat die Beweiserhebung aufgrund dieses unzulässigen Ausforschungsbeweisantritts zu unterbleiben (BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 722/05 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 168, zu B I 1 c aa der Gründe). Danach ist der im Schriftsatz vom 3. Dezember 2009 angebotene Zeugenbeweis mangels konkreter Bezeichnung derjenigen Tatsachen, zu denen die benannte Zeugin G. Sch. vernommen werden soll, unzulässig.

47

bb) Erst mit Schriftsatz vom 5. Februar 2010 hat die Beklagte dann vorgetragen, dass am 10. Februar 2006 um 18:30 Uhr in ihren Geschäftsräumen eine Mitarbeiterbesprechung stattgefunden habe, anlässlich derer die schwierige wirtschaftliche Situation des Unternehmens mit den Mitarbeitern, darunter auch der Kläger, erörtert worden sei. Man sei übereingekommen, dass Kürzungen bei den Gehältern und Gratifikationen nicht länger vermieden werden könnten. Im Anschluss hieran sei Anfang April 2006 mit jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter ein Einzelgespräch mit dem Ziel geführt worden, die Abschaffung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes zu vereinbaren. So sei auch mit dem Kläger explizit vereinbart worden, dass dieser beginnend mit dem Jahre 2006 kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld mehr erhalte. Der Kläger sei hiermit einverstanden gewesen. Für diesen Vortrag hat die Beklagte die Zeuginnen I. F. und S. G. benannt.

48

Das Arbeitsgericht hat daraufhin gemäß Beweisbeschluss vom 12. April 2010 Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe sich am 10. Februar 2006 bzw. Anfang April 2006 ausdrücklich damit einverstanden erklärt, dass zukünftig die Zahlung des Weihnachtsgeldes sowie des Urlaubsgeldes entfalle, und zwar im Rahmen einer Mitarbeiterversammlung am 10. Februar 2006 sowie im Rahmen eines Einzelgespräches, das mit jedem Mitarbeiter/jeder Mitarbeiterin mit dem Ziel der Abschaffung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation der Beklagten Anfang April 2006 geführt worden sei, durch Vernehmung der Frau I. F. und Frau S. G.4 als Zeuginnen. In der vom Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme haben beide Zeuginnen die im Beweisbeschluss bezeichnete Behauptung der Beklagten nicht bestätigt. Keine der beiden Zeuginnen konnte Angaben zu einem zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten geführten Gespräch betreffend das Urlaubs- und Weihnachtsgeld machen. Weiterhin haben beide Zeuginnen nicht bestätigt, dass sich der Kläger im Rahmen der angeführten Mitarbeiterversammlung am 10. Februar 2006 ausdrücklich mit einem künftigen Wegfall von Urlaubs- und Weihnachtsgeld einverstanden erklärt habe.

49

cc) Im Berufungsverfahren hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 6. Juni 2011 vorgetragen, dass das Urlaubs- und Weihnachtsgeld nach dem Gespräch, das ihr Geschäftsführer mit dem Kläger geführt habe, nicht zur Auszahlung gelangt sei und der Kläger das fehlende Urlaubs- und Weihnachtsgeld auch zu keinem Zeitpunkt verlangt habe, weil dies "zuvor mit dem Kläger abgestimmt" gewesen sei. Erst im Jahre 2007 sei dann zur Kompensation eine Lohnerhöhung mit dem Kläger vereinbart worden, deren einziger Grund der Wegfall des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes gewesen sei. Als Beweis hat die Beklagte für diesen Vortrag die "Einvernahme" ihres Geschäftsführers beantragt.

50

Zwar liegen die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung nach §§ 445 ff. ZPO nicht vor. Allerdings war der Geschäftsführer der Beklagten nach § 141 ZPO als Partei persönlich zu hören. Auch nach der deshalb durchgeführten Parteianhörung spricht nicht mehr für die Darstellung der Beklagten als die des Klägers. Die Beklagte hat danach den ihr obliegenden Beweis für die von ihr behauptete Vertragsänderung nicht erbracht.

51

(1) Gemäß § 445 Abs. 1 ZPO kann nur die Vernehmung des Gegners beantragt werden. Der Antrag der beweispflichtigen Beklagten auf Vernehmung ihres Geschäftsführers als Partei setzt gemäß § 447 ZPO das Einverständnis des Klägers voraus, das dieser nicht erklärt hat. Vielmehr hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16. Juni 2011 dem Antrag auf Parteivernehmung des Geschäftsführers der Beklagten ausdrücklich widersprochen. Die Parteivernehmung von Amts wegen darf nach § 448 ZPO nur angeordnet werden, wenn aufgrund einer vorausgegangenen Beweisaufnahme oder des sonstigen Verhandlungsinhalts bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die zu beweisende Tatsache spricht (BGH 16. Juli 1998 - I ZR 32/96 - NJW 1999, 363, zu II 2 b bb der Gründe; Zöller ZPO 27. Aufl. § 448 Rn. 4; sog. Anbeweis). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt.

52

(2) Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme ist der streitige Vortrag der Beklagten nicht "anbewiesen" im Sinne von § 448 ZPO.

53

Die von der Beklagten benannten Zeuginnen haben im Rahmen der durchgeführten Beweisaufnahme die Darstellung der Beklagten nicht bestätigt. Allein der Umstand, dass die Beklagte eine ihrer Ansicht nach getroffene Vereinbarung durch eine "öffentliche Bekanntmachung" verlautbart und sich der Kläger dagegen nicht zur Wehr gesetzt hat, spricht noch nicht dafür, dass eine solche Vereinbarung tatsächlich zustande gekommen ist. Die beiden Zeuginnen haben bei ihrer Vernehmung zu dem bezeichneten Beweisthema nicht bestätigt, dass sich der Kläger im Rahmen der angeführten Betriebsversammlung in irgendeiner Form mit einem künftigen Wegfall von Urlaubs- und Weihnachtsgeld einverstanden erklärt hat. Selbst wenn der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger in einem nicht näher dargestellten Einzelgespräch erläutert haben sollte, dass aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation der Beklagten kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld mehr gezahlt werden könne, liegt allein in der widerspruchslosen Hinnahme der erläuterten Abschaffung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld noch kein Einverständnis des Klägers. In Anbetracht des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme spricht eher einiges dafür, dass die Beklagte aufgrund einer rechtlich unzutreffenden Bewertung des Verhaltens des Klägers von dessen Einverständnis ausgegangen ist.

54

(3) Auch wenn die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO nicht vorliegen, war der Geschäftsführer der Beklagten gleichwohl aufgrund des Antrags der Beklagten auf dessen "Einvernahme" im Wege der Parteianhörung nach § 141 ZPO persönlich zu hören, soweit sich die Beklagte auf Einzelgespräche zwischen ihrem Geschäftsführer und dem Kläger berufen hat. Bei einem sog. "Vier-Augen-Gespräch", das allein zwischen den Parteien stattgefunden hat, ist es geboten, die beweisbelastete Partei entweder selber im Wege der Parteivernehmung nach § 448 ZPO, soweit dessen Voraussetzungen vorliegen, oder aber im Wege der Parteianhörung nach § 141 ZPO persönlich zu hören (BAG 22. Mai 2007 - 3 AZN 1155/06 - NZA 2007, 885, zu II 2 c bb der Gründe). Deshalb ist der Geschäftsführer der Beklagten im Termin vom 16. August 2011 zu den mit dem Kläger geführten Gesprächen gemäß § 141 ZPO persönlich angehört worden.

55

Im Rahmen seiner Anhörung hat der Geschäftsführer der Beklagten allerdings lediglich erneut darauf verwiesen, dass er mit den Mitarbeitern Einzelgespräche geführt habe und eine Übereinkunft erzielt worden sei, dass das Urlaubs- und Weihnachtsgeld gestrichen werde. Der Kläger hat hierzu erklärt, im Rahmen der angeführten Betriebsversammlung habe der Geschäftsführer der Beklagten zum Ausdruck gebracht, dass nun alle Mitarbeiter im Hinblick auf die schwierige wirtschaftliche Lage zusammenhalten müssten. In der Folgezeit habe der Geschäftsführer mit ihm kein Gespräch mehr über Urlaubs- und Weihnachtsgeld bzw. einen Verzicht hierauf geführt. Nach der durchgeführten Anhörung des Geschäftsführers der Beklagten und des Klägers spricht nach Auffassung des Gerichts nicht mehr für die Darstellung der Beklagten als für die des Klägers. Auch nach der Anhörung des Geschäftsführers der Beklagten ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass sich der Kläger tatsächlich in irgendeiner Form mit einem Wegfall von Urlaubs- und Weihnachtsgeld einverstanden erklärt hat.

56

c) Auch eine konkludente Vertragsänderung kann im Streitfall nicht angenommen werden.

57

Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die von ihr vorgelegte Bekanntmachung vom 10. April 2006 tatsächlich am "schwarzen Brett" ausgehängt war und der Kläger diese zur Kenntnis genommen hat. Selbst wenn man weiter davon ausgeht, dass die Bekanntmachung nicht nur auf eine angeblich zustande gekommene Vereinbarung verweist, sondern ein Angebot an die Arbeitnehmer zur entsprechenden Änderung ihrer Arbeitsverträge enthält, kann jedenfalls nicht angenommen werden, dass der Kläger dieses Angebot stillschweigend angenommen hat.

58

aa) Vielmehr kann eine Vertragspartei, die in ein bestehendes Vertragsverhältnis einschränkende Bedingungen einführen will, nach der Verkehrssitte nicht schon das bloße Schweigen des Empfängers als Annahme werten. Schweigen stellt, wie aus § 147 BGB hervorgeht, in der Regel keine Willenserklärung dar, also auch keine Annahme eines Angebots zur Änderung eines bestehenden Vertrages. Wer auf ein Angebot nicht reagiert, stimmt diesem nicht zu. Vor allem in Fällen eines Angebots zur nachteiligen Veränderung einer bestehenden Vertragssituation kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass derjenige, der nicht reagiert, mit dem ihm angesonnenen Nachteil einverstanden ist (BAG 24. November 2004 - 10 AZR 202/04 - NZA 2005, 349, zu II 3 c bb (2) der Gründe; BAG 14. August 1996 - 10 AZR 69/96 - NZA 1996, 1323, zu II 2 der Gründe; LAG Rheinland-Pfalz 29. Oktober 2009 - 10 Sa 467/09 - [juris]).

59

bb) Im Streitfall konnte die Beklagte die widerspruchslose Weiterarbeit des Klägers nicht als stillschweigende Erklärung werten, er sei mit der Nichtzahlung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes ab dem Jahr 2006 einverstanden. Das Schweigen gegenüber einem Angebot auf Verschlechterung eines Vertrags ist grundsätzlich keine Annahme eines solchen Angebots (§ 151 BGB). Das gilt bei einer widerspruchslosen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer jedenfalls dann, wenn sich die angetragene Änderung nicht unmittelbar im Arbeitsverhältnis auswirkt. Nur die tatsächliche Praktizierung geänderter Vertragsbedingungen kann eine konkludente Erklärung sein, die einer Annahme innerhalb der Frist des § 147 BGB gleichkommt (BAG 25. November 2009 - 10 AZR 779/08 - NZA 2010, 283, zu II 3 b bb der Gründe). Ein etwaiger Antrag der Beklagten in der Bekanntmachung vom 10. April 2006 hätte sich jedenfalls nicht unmittelbar, sondern wegen des jeweils nur einmal jährlich fällig werdenden Urlaubs- und Weihnachtsgeldes allenfalls langfristig im Arbeitsverhältnis ausgewirkt (vgl. BAG 25. November 2009 - 10 AZR 779/08 - NZA 2010, 283, zu II 3 b bb der Gründe). Auf die bloße Mitteilung des Schuldners, er werde einen Anspruch nicht erfüllen, muss der Gläubiger nicht ablehnend reagieren. Er kann seinen Anspruch jederzeit geltend machen, solange diesem nicht Ausschluss- oder Verjährungsfristen entgegenstehen. Tut er das nicht, kann der Schuldner daraus nicht herleiten, der Gläubiger habe auf seinen Anspruch verzichtet (BAG 14. August 1996 - 10 AZR 69/96 - NZA 1996, 1323, zu II 3 der Gründe). Der objektive Erklärungswert der Weiterarbeit des Klägers beschränkte sich darauf, dass er die ihm obliegende Arbeitspflicht erfüllen wollte. Ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme, der Kläger habe durch seine widerspruchslose Arbeitsleistung auch eine Willenserklärung abgeben wollen, bestehen nicht (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 29. Oktober 2009 - 10 Sa 467/09 - [juris], zu II 2 der Gründe).

II.

60

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Klageforderung auch nicht verwirkt.

61

1. Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung und soll dem Bedürfnis nach Rechtsklarheit dienen. Sie hat nicht den Zweck, Schuldner, denen gegenüber Gläubiger ihre Rechte längere Zeit nicht geltend gemacht haben, von ihrer Pflicht zur Leistung vorzeitig zu befreien. Deshalb kann allein der Zeitablauf die Verwirkung eines Rechts nicht rechtfertigen. Es müssen vielmehr zu dem Zeitmoment besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten hinzutreten (Umstandsmoment), die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen. Der Berechtigte muss unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erwecken konnten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Durch die Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Die Verwirkung dient dem Vertrauensschutz (BAG 14. Februar 2007 - 10 AZR 35/06 - NZA 2007, 690, zu II 4 b bb der Gründe).

62

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Klageforderung weder ganz noch teilweise verwirkt, weil es jedenfalls an dem erforderlichen Umstandsmoment fehlt. Allein der Zeitablauf von zwei Jahren begründet keine Zäsur, die eine Verwirkung der Ansprüche des Klägers ab 2008 rechtfertigen kann.

63

a) Die Beklagte konnte nicht darauf vertrauen, dass der Kläger seine Ansprüche auf Weihnachts- und Urlaubsgeld ab dem Jahr 2006 nicht mehr geltend machen werde, weil er auf ihre Bekanntmachung vom 10. April 2006 und die daraufhin erfolgte Einstellung der Sonderzahlungen nicht reagierte. Ein Gläubiger ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Schuldner darauf aufmerksam zu machen, dass er sich vorbehält, ihn zukünftig gerichtlich zu belangen. Untätigkeit eines Anspruchsberechtigten führt für sich genommen nicht zur Verwirkung. Auch das Ausbleiben von Mahnungen begründet noch keine Vertrauensposition des Schuldners (BAG 14. Februar 2007 - 10 AZR 35/06 - NZA 2007, 690, zu II 4 b cc (1) und (2) der Gründe).

64

b) Soweit sich die Beklagte darauf berufen hat, dass sie im Hinblick auf die Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes eine Änderungskündigung zur Beseitigung von Ansprüchen auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld hätte aussprechen können und der Kläger diese Möglichkeit durch seine Verhaltensweise vereitelt habe, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie sich selbst nicht rechtstreu verhalten hat, indem sie die Sonderzahlungen faktisch eingestellt und auf das Stillschweigen des Klägers gehofft hat (vgl. BAG 14. Februar 2007 - 10 AZR 35/06 - NZA 2007, 690, zu II 4 b cc (4) der Gründe). Es ist Sache der Beklagten, durch Abschluss eines Änderungsvertrags oder durch Ausspruch einer Änderungskündigung die rechtlichen Voraussetzungen für eine Beseitigung der durch betriebliche Übung begründeten Ansprüche ihrer Mitarbeiter zu schaffen, wenn sie aus wirtschaftlichen Gründen kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld mehr zahlen kann oder will. Der Kläger war in Anbetracht der einseitigen Vorgehensweise der Beklagten nicht verpflichtet, diese auf ihre möglicherweise fehlerhafte rechtliche Auffassung aufmerksam zu machen.

65

c) Das erforderliche Umstandsmoment ergibt sich auch nicht daraus, dass dem Kläger ab Juli 2007 eine Erhöhung seines Stundenlohns um 1,00 Euro gewährt worden ist. Die für den Einwand der Verwirkung darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat den von ihr behaupteten Zusammenhang zwischen der gewährten Lohnerhöhung und dem Wegfall des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes nicht zu beweisen vermocht.

66

aa) Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, dass der erhöhte Stundenlohn dem Kläger ausschließlich im Zusammenhang mit dem erklärten Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt worden sei. Der Kläger hat darauf erwidert, dass die Lohnerhöhung in keinem Zusammenhang mit einem vermeintlichen Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld gestanden habe. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dieses Bestreiten des Klägers nicht unsubstantiiert. Insbesondere ist der Kläger nicht gehalten, ein Motiv für die ihm von der Beklagten gewährte Lohnerhöhung zu nennen, zumal die erst im Juli 2007 gewährte Lohnerhöhung bereits in zeitlicher Hinsicht in keinem Zusammenhang mit einem angeblich im April 2006 erklärten Anspruchsverzicht gemäß der Bekanntmachung der Beklagten vom 10. April 2006 steht.

67

Im Berufungsverfahren hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 6. Juni 2011 vorgetragen, dass im Jahre 2007 zur Kompensation eine Lohnerhöhung mit dem Kläger vereinbart worden sei und einziger Grund hierfür der Wegfall des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes gewesen wäre. Als Beweis hat sie die "Einvernahme" ihres Geschäftsführers angeboten.

68

bb) Entsprechend den obigen Ausführungen liegen die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung gemäß §§ 445 ff. ZPO auch insoweit nicht vor. Eine Parteivernehmung von Amts wegen nach § 448 ZPO war nicht veranlasst, weil das Vorbringen der Beklagten zum Hintergrund der vereinbarten Lohnerhöhung nicht "anbewiesen" ist. Im Hinblick darauf, dass sich die Beklagte auf eine Vereinbarung zwischen ihrem Geschäftsführer und dem Kläger berufen hat, ist der Geschäftsführer der Beklagten im Wege der Parteianhörung gemäß § 141 ZPO hierzu im Termin vom 16. August 2011 ebenfalls angehört worden.

69

(1) Der Geschäftsführer der Beklagten hat erklärt, der Kläger sei auf ihn zugekommen und habe ihn um eine Lohnerhöhung gebeten. Das Gespräch diesbezüglich habe in seinem Büro stattgefunden. Er habe dem Kläger zunächst erklärt, dass er sich die Sache überlegen müsse. Später habe er ihm mitgeteilt, dass er ihm eine Lohnerhöhung in Höhe von 1,00 EUR gewähren könne. Er habe darum gebeten, dass der Kläger dies gegenüber den anderen Mitarbeitern nicht erwähne. Dabei habe er auch darauf hingewiesen, dass der Kläger dies als Ausgleich für das gestrichene Urlaubs- und Weihnachtsgeld erhalte. Demgegenüber hat der Kläger hierzu erklärt, dass er eigentlich eine Lohnerhöhung in Höhe von 10 Prozent erwartet habe. Im Juli 2007 sei er auf der Baustelle vom Geschäftsführer der Beklagten bezüglich der Lohnerhöhung angesprochen worden. Auf die Frage, welche Lohnerhöhung er sich vorstelle, habe er geantwortet, dass er mit einer Lohnerhöhung von 10 Prozent rechne. Der Geschäftsführer der Beklagten habe im Zusammenhang mit der gewährten Lohnerhöhung das Urlaubs- und Weihnachtsgeld überhaupt nicht erwähnt.

70

(2) Auch nach der Anhörung der Parteien spricht nicht mehr für die Darstellung der Beklagten als die des Klägers.

71

Im Hinblick darauf, dass der Geschäftsführer der Beklagten gemäß der ausgehängten Bekanntmachung vom 10. April 2006 davon ausgegangen war, dass kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld mehr zu zahlen ist, erscheint es als wenig plausibel, dass er mehr als ein Jahr später darüber anlässlich der Lohnerhöhung im Juli 2007 mit dem Kläger erneut gesprochen haben will. Der fehlende zeitliche Zusammenhang spricht eher dafür, dass die Lohnerhöhung unabhängig von einem Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt wurde. Soweit die Beklagte ihre rechtlich unzutreffende Bewertung hinsichtlich eines wirksamen Verzichts auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld durch den Kläger zur Gewährung einer Lohnerhöhung veranlasst haben sollte, geht das zu ihren Lasten. Allein der Umstand, dass die Beklagte davon ausgegangen war, kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld mehr zu schulden, und sich deshalb zur Gewährung einer Lohnerhöhung imstande gesehen hat, begründet noch nicht das für den Einwand der Verwirkung erforderliche Umstandsmoment. Insbesondere lässt sich nicht feststellen, dass der Geschäftsführer der Beklagten gegenüber dem Kläger anlässlich der Lohnerhöhung tatsächlich zum Ausdruck gebracht hat, dass darin eine Kompensation für den Wegfall des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes liegen soll. Auch nach der Anhörung des Geschäftsführers der Beklagten ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass der Kläger darauf hingewiesen worden ist, dass er die Lohnerhöhung als Ausgleich für das gestrichene Urlaubs- und Weihnachtsgeld erhalte. Im Gegenteil spricht gemäß den obigen Ausführungen der fehlende zeitliche Zusammenhang und die nach der Bekanntmachung vom 10. April 2006 bereits erfolgte Einstellung der Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld dafür, dass im Zusammenhang mit der Lohnerhöhung über das Urlaubs- und Weihnachtsgeld gemäß der Darstellung des Klägers nicht mehr gesprochen wurde und der von der Beklagten angenommene Anspruchsverzicht allenfalls das innere Motiv ihres Geschäftsführers dafür war, dem Kläger ab dem Monat Juli 2007 eine Lohnerhöhung zu gewähren bzw. in wirtschaftlicher Hinsicht gewähren zu können.

72

Danach liegt das für die Verwirkung erforderliche Umstandsmoment im Streitfall nicht vor. Allein der Zeitablauf vermag eine Verwirkung der Klageforderung nicht zu rechtfertigen.

III.

73

Die gegen die Klageforderung erklärte Aufrechnung der Beklagten mit dem von ihr behaupteten Rückzahlungsanspruch ist bereits nach §§ 394 BGB i.V.m. 850 ff. ZPO unzulässig.

74

Nach § 394 BGB ist eine Aufrechnung gegen eine Forderung ausgeschlossen, soweit diese nicht der Pfändung unterworfen ist. Bei Arbeitseinkommen bestimmt sich der pfändbare Teil gemäß § 850 Abs. 1 ZPO nach Maßgabe der §§ 850 a bis 850 i ZPO. Nach § 850 e Nr. 1 ZPO sind bei Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens nicht mitzurechnen die nach § 850 a ZPO der Pfändung entzogenen Bezüge und ferner die Beträge, die unmittelbar aufgrund steuerrechtlicher oder sozialrechtlicher Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen des Schuldners abzuführen sind. Aufgerechnet werden kann daher stets nur gegen den pfändbaren Nettobetrag des Arbeitseinkommens. Das Urlaubsgeld ist bereits nach § 850 a Nr. 2 ZPO unpfändbar. Das Weihnachtsgeld ist nach § 850 a Nr. 4 ZPO bis zur Höhe von 500,00 EUR unpfändbar, wobei ein überschießender Betrag dem übrigen Arbeitseinkommen des Schuldners im Auszahlungsmonat hinzuzurechnen ist und auf diese Weise dem allgemeinen Pfändungsschutz des § 850 c ZPO untersteht (Zöller ZPO 27. Aufl. § 850 a Rn. 11). Ein etwaiger hiernach noch pfändbarer Nettobetrag ist nicht feststellbar, weil die Beklagte die Aufrechnung gegen die vom Kläger geltend gemachten Bruttobeträge erklärt und einen etwaigen nach § 850 e Nr. 1 ZPO noch pfändbaren Nettobetrag nicht angegeben hat. Der pfändbare Nettobetrag des Arbeitseinkommens ist auch nicht von Amts wegen zu ermitteln (BAG 05. Dezember 2002 - 6 AZR 569/01 - NZA 2003, 802).

B.

75

Die aufgrund der Unzulässigkeit der Aufrechnung zur Entscheidung angefallene Eventualwiderklage ist unbegründet.

76

Die Beklagte hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch gegen den Kläger auf Rückzahlung der gewährten Lohnerhöhung von 1,00 Euro pro Stunde für monatlich 168 Stunden in der Zeit von Juli 2007 bis November 2009 in Höhe von insgesamt 4.872,00 EUR.

77

Die Gewährung der Lohnerhöhung ist mit Rechtsgrund erfolgt, weil sie auf einer entsprechenden Vereinbarung der Parteien beruht. Mit der Gewährung der von der Beklagten angebotenen Erhöhung des Stundenlohns, die der Kläger mit der Entgegennahme der Zahlungen angenommen hat, ist eine entsprechende Vereinbarung der Parteien zustande gekommen, die für die Beklagte bindend ist. Gemäß den obigen Ausführungen lässt sich nicht feststellen, dass dem Kläger die Lohnerhöhung als Kompensation für einen Verzicht auf Weihnachts-/Urlaubsgeld gewährt worden ist. Dementsprechend kommt der von der Beklagten geltend gemachte Rückzahlungsanspruch nicht in Betracht. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der von der Beklagten hergestellte Zusammenhang zwischen einer Lohnerhöhung und einem Verzicht auf Weihnachts-/Urlaubsgeld überhaupt den geltend gemachten Rückzahlungsanspruch hätte begründen können.

78

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

79

Eine Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.

(2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

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(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.