Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 09. Feb. 2012 - 10 Sa 342/11

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2012:0209.10SA342.11.0A
bei uns veröffentlicht am09.02.2012

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 03.03.2011, Az.: 1 Ca 1255/10, abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.06.2010 mit sofortiger Wirkung noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.06.2010 zum 31.12.2010 aufgelöst worden ist.

Das Arbeitsverhältnis wird auf Antrag der Beklagten gerichtlich zum 31.12.2010 aufgelöst. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Abfindung in Höhe von € 28.800,00 brutto zu zahlen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger ¼ und die Beklagte ¾ zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 10.06.2010 und zweitinstanzlich noch über einen von der Beklagten gestellten Auflösungsantrag zum 31.12.2010.

2

Der Kläger (geb. am … 1967, verheiratet, drei unterhaltsberechtigte Kinder) ist seit dem 05.02.1992 bei der Beklagten als Facharbeiter beschäftigt. Sein durchschnittliches Bruttomonatsentgelt beträgt einschließlich Prämien und Zulagen ca. € 3.200,00. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen der Metallindustrie. Sie beschäftigt in ihrem Werk in C-Stadt ca. 1.200 Arbeitnehmer, es besteht ein Betriebsrat.

3

Die Beklagte hatte dem Kläger bereits am 25.04.2008 fristlos, hilfsweise zum 31.10.2008 aus verhaltensbedingten Gründen gekündigt. Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat der damaligen Kündigungsschutzklage und dem Weiterbeschäftigungsantrag (Az.: 1 Ca 898/08) mit Urteil vom 21.08.2008 stattgegeben. Die Beklagte beschäftigte den Kläger deshalb ab dem 01.09.2008 weiter. Sie setzte ihn mit seinem Einverständnis (Änderungsvereinbarung vom 28.08./ 03.09.2008) nicht mehr auf seinem bisherigen Arbeitsplatz als CNC-Rohrbieger, sondern in der Bauteileendbearbeitung im Bereich Sitzschienenfertigung zu einem geringeren Tarifentgelt (E 5 statt E 6 ERA) ein. Im Berufungsverfahren (Az.: 3 Sa 665/08) schlossen die Parteien am 03.03.2009 den nachfolgenden Vergleich:

4

Das Arbeitsverhältnis ist durch die auf den 28.04.2008 datierte Kündigung vom 25.04.2008 weder fristlos noch fristgerecht beendet worden.

5

Seit dem 01.09.2008 richtet sich der Inhalt des Arbeitsverhältnisses der Parteien unbefristet nach den Bestimmungen der Änderungsvereinbarung vom 28.08./03.09.2008.

6

Die Beklagte ist berechtigt, den Kläger wegen der Sachverhalte, die in der Klageerwiderung vom 11.07.2008 unter I.1. und I.3. behandelt werden, jeweils Abmahnungen zu erteilen, die mit Ablauf des 31.03.2010 aus der Personalakte zu entfernen sind.

7

Weiter ist die Beklagte berechtigt, dem Kläger eine bis zum 31.03.2010 befristete Abmahnung wegen des Sachverhalts zu erteilen, der in der Klageerwiderung unter I.2. behandelt wird.
…“

8

Die Beklagte erteilte dem Kläger daraufhin drei Abmahnungen. Die Abmahnung vom 13.03.2009 (Bl. 302 d.A.) erfolgte wegen Täuschung bei der Dokumentation von Umrüstzeiten im Leistungslohn („Arbeitszeitbetrug“). Eine Abmahnung vom 18.03.2009 (Bl. 301 d.A.) erfolgte wegen der Aufstellung von falschen Behauptungen über seinen Vorgesetzten Z. („Üble Nachrede“). Die dritte Abmahnung vom 18.03.2009 (Bl. 300 d.A.) erfolgte wegen Bedrohung des Arbeitskollegen Y. („Bedrohung von Mitarbeiter“).

9

Am 22.01.2010 erteilte die Beklagte dem Kläger eine weitere Abmahnung (Bl. 69 d.A.) mit der Begründung, der Kläger habe sich beharrlich geweigert, der Aufgabenverteilung in der Gruppe Folge zu leisten und entgegen den betrieblichen Notwendigkeiten an einer Zerspanungsmaschine gearbeitet. Diese Abmahnung ist Gegenstand des Rechtsstreits 1 Ca 815/10. Das Arbeitsgericht hat das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

10

Der Kläger nahm am 01.04.2010 in Begleitung eines Betriebsratsmitglieds Einsicht in seine Personalakte, um zu prüfen, ob die drei Abmahnungen aus März 2009, wie im Prozessvergleich vereinbart, zum 31.03.2010 entfernt worden sind. Sie waren nicht mehr in der Akte enthalten.

11

Mit Datum vom 17.05.2010 fertigte die Beklagte zwei weitere Abmahnungen. Die erste Abmahnung (Bl. 65-66 d.A.) enthält den Vorwurf, dass der Kläger am 30.03.2010 seine Mithilfe bei der Arbeit verweigert habe. Er habe seinen Arbeitskollegen provozierend angegrinst und geäußert: „Ich kann dich nicht verstehen, was hast du gesagt?“, ohne den Hörer seines MP3-Players aus den Ohren zu nehmen. Die zweite Abmahnung vom 17.05.2010 (Bl. 69/70 d.A.) enthält den Vorwurf, dass der Kläger am 30.03.2010 seinen Arbeitskollegen X. mit den Worten beschimpft haben soll: „Du bist eine Maus hier, du bist hier gar nichts, von dir lasse ich mir überhaupt nichts sagen!“. Außerdem soll er den Qualitätsprüfer W. U. mit den Worten: „Du hast überhaupt keine Ahnung, du kannst gar nichts!“ beleidigt haben.

12

Am 29.04.2010 rief der Kläger die Personalreferentin T. S. an und berichtete ihr folgendes (Gesprächsvermerk vom 05.05.2010, Bl. 272 d.A.):

13

Der Arbeitskollege X. sei am 26.04.2010 gegen 14:00 Uhr nach Hause gegangen, er habe jedoch gegen 19:00 Uhr die Arbeit wieder aufgenommen, einen Auftrag „eingepackt“ und etwas mit der Laufkarte gemacht. Herr R. habe mit ihm während einer kurzen Rauchpause gesprochen.

14

Der Arbeitnehmer Q. P. sei am 26.04.2010 ebenfalls im Werk gewesen, obwohl er bereits in der Freistellungsphase der Altersteilzeit sei.

15

X. mache sich über die Meister (N. und M.) lustig, die keine Hilfe geleistet, sondern „abgehauen“ seien, als ein Arbeitnehmer der Beklagten am Fußballplatz in eine Schlägerei geraten sei.

16

X. äffe immer wieder den Arbeitnehmer L. nach, der aufgrund seiner Gehörlosigkeit eine besondere Sprechweise habe.

17

Zwei Kollegen (X. und K. J.) hätten psychische Probleme, sie müssten täglich 5-6 Tabletten einnehmen.

18

K. J. habe gegenüber seiner Arbeitsgruppe geäußert: „Irgendwann laufe ich hier Amok!“

19

X. sei mit einer Pistole beim Arzt gewesen und habe gesagt, er wisse nicht mehr weiter.

20

Am 17.05.2010 führte die Personalreferentin S. mit dem Kläger ein weiteres Gespräch (Gesprächsvermerk vom 17.05.2010, Bl. 274 d.A.). Der Kläger berichtete ihr:

21

Der Schichtplan falle für ihn ungünstiger aus, als für seine Kollegen. Er sei in zwei aufeinander folgenden Wochen zur Spätschicht eingeteilt worden. Er habe erfahren, dass die Arbeitskollegen I. und H. nicht mit ihm arbeiten wollten. Als mögliche Gründe habe er erwähnt „vielleicht wegen meiner Hautfarbe oder meiner Nase“.

22

X. besitze zwei private Handys und telefoniere damit privat viel häufiger als er.

23

Am 19.05. und am 20.05.2010 berichtet der Kläger Frau S. (Gesprächsnotiz, Bl. 276 d.A.) folgendes:

24

Auf seine Nachfrage, warum es Leute gebe, die nicht mit ihm arbeiten wollen, habe G. F. angedeutet, dass I. und H. ausländerfeindlich seien.

25

Der Arbeitnehmer R. habe mehrmals (5-mal) gegen das geltende Rauchverbot verstoßen und in der Halle vor dem Büro des Herrn U. geraucht. Es läge auch Asche auf dem Boden.

26

Am 20.05.2010 fand eine Gruppensitzung zum Thema „vergiftetes Arbeitsklima“ durch den Kläger statt. Der Gruppensprecher fertigte ein Besprechungsprotokoll (Bl. 292-293 d.A.) über die von insgesamt acht Personen geäußerte Kritik am Verhalten des Klägers.

27

Am 26.05.2010 bestellte der Personalleiter der Beklagten den Kläger zu einem Gespräch. Bei dem Gespräch waren der vorgesetzte Meister des Klägers, der Zeuge M., und auf Wunsch des Klägers ein Mitglied des Betriebsrates, der Zeuge E., anwesend. Der Gesprächsverlauf ist zwischen den Parteien streitig.

28

Mit Schreiben vom 07.06.2010 (Bl. 259-262 d.A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigen fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung zum 31.12.2010 an. Dem Schreiben fügte sie insgesamt 15 Anlagen (Bl. 263-302 d.A.) - unter anderem den Vergleich vor dem LAG vom 03.03.2009 in dem Verfahren 3 Sa 665/08 - bei. Das vierseitige Anhörungsschreiben hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:

29

„…
Am 26.05.2010 versuchte Herr Zz. im Beisein des vorgesetzten Meisters, Herrn M., und des Betriebsratsmitglieds, Herrn E., ein Abmahnungsgespräch mit dem Kläger zu führen.

30

Noch bevor Herr Zz. Herrn A. zu den Vorwürfen aus den beiden Abmahnungen (Anlagen 1 und 2) befragen konnte, wurde Herr A. entschieden lauter, so dass die Lautstärke, die einer normalen Zimmerlautstärke deutlich überstieg. Dazu knackte er mit den Fingern, stand auf, beugte sich auf Herrn Zz. zu, streckte ihm seinen Zeigefinger bis auf wenige Zentimeter vor sein Gesicht und sagte: "Hören Sie auf damit!" Durch die Tonlage, die Lautstärke seiner Stimme, das bedrohliche Nichtwahren der sog. „Sozialen Distanz“, das Ballen der Fäuste und das Knacken mit den Fingern, fühlte sich Herr Zz. objektiv bedroht. Denselben Eindruck gewannen auch die anwesenden Personen Herr M. und Herr E..

31

Auf die Nachfrage von Herrn Zz., womit er aufhören solle und ob er ihm drohen wolle, antwortete Herr A.: „Mit allem“. Auf die erneute Nachfrage, was er damit meine, sagte dieser: „Mit allem, was Sie gegen mich tun.“

32

Herr Zz. entgegnete Herrn A., dass er sich nach dem gerichtlichen Vergleich (Az: 3 Sa 665/08, Anlage 3) vor ihn gestellt habe, um bei seinen ehemaligen Kollegen in H 43/44 seinen Weiterbeschäftigungsanspruch durchzusetzen, da sich seine alte Arbeitsgruppe am Tag nach Abschluss des gerichtlichen Vergleichs geweigert habe, ihn wieder aufzunehmen.

33

Ebenso erläuterte Herr Zz., dass er sich gemeinsam mit dem Betriebsrat dafür eingesetzt habe, dass er eine neue Chance in einer der reifsten und am besten geführten Gruppen in H 15, bekommt. Darüber hinaus führte Herr Zz. aus, dass er selbst, Frau S. und Herr Yz. in Summe mehrere Stunden mit den Vorwürfen befasst waren, die er in den Gesprächen mit Frau S. gegen seine Kollegen erhoben hat (Anlage 4, 5, 6, 7 und 8).

34

Herr A. unterbrach Herrn Zz. dabei mehrfach und lachte ihn lauthals aus. Auf dessen Frage, ob er ihn auslache, antwortete er: "Nein, ich habe einen Lachkrampf."

35

In der Folge forderte Herr Zz. ihn mehrfach auf, wieder Platz zu nehmen, sich die vorgeworfenen Pflichtverletzungen anzuhören und dazu Stellung zu nehmen. Herr A. war jedoch weder bereit, sich die vorgeworfenen Pflichtverletzungen anzuhören und das Gespräch sachlich fortzusetzen noch inhaltlich Stellung zu nehmen. Er sagte: „Ich rede überhaupt nicht mehr mit Ihnen, das werden wir nur noch vor dem Arbeitsgericht tun.“

36

37

Erschwerend kommt hinzu, dass das Arbeitsverhältnis von Herrn A. belastet ist. Hierzu verweisen wir vollumfänglich auf unsere Kündigungsanhörung vom 18.04.2008 (Anlage 12). Zudem beinhaltete der Vergleich vor dem LAG vom 03.03.2009 (Anlage 3) das Aussprechen von drei Abmahnungen (Anlage 13 „Bedrohung von Mitarbeiter“, 14 „Üble Nachrede“ und 15 „Arbeitszeitbetrug“).
…“

38

Der Betriebsrat teilte der Beklagten am 10.06.2010 abschließend mit, dass er zur außerordentlichen und zur ordentlichen Kündigung keine Stellungnahme abgebe. Daraufhin kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 10.06.2010, dem Kläger am gleichen Tag zugegangen, das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31.12.2010. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 01.07.2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage.

39

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 03.03.2011 (dort Seite 2-6 = Bl. 169-173 d.A.) Bezug genommen.

40

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

41

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.06.2010 beendet wird,

42

im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Facharbeiter in der Zerspanung weiter zu beschäftigen.

43

Die Beklagte hat beantragt,

44

die Klage abzuweisen.

45

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 03.03.2011 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die außerordentliche Kündigung der Beklagten sei nach § 626 BGB gerechtfertigt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger den Personalleiter am 26.05.2010 massiv beleidigt habe. Der Kläger habe ihn durch sein gesamtes Verhalten in Gegenwart der Zeugen M. und E. verächtlich gemacht. Er habe sich von seinem Platz erhoben und sich trotz entsprechender Aufforderung geweigert, sich wieder zu setzen. Schon diese Weigerung sei geeignet, den Personalleiter herabzuwürdigen. Darüber hinaus habe der Kläger mit dem Finger auf den Personalleiter gezeigt und ihn aufgefordert "damit aufzuhören". Für den Personalleiter habe jedoch keine Veranlassung bestanden, das Personalgespräch abzubrechen. Der Kläger hätte sich in der Sache zu den Abmahnungsvorwürfen äußern können. Stattdessen sei er gegenüber dem Personalleiter massiv unsachlich aufgetreten. Selbst wenn er nervös gewesen sein sollte, hätte er seinen Standpunkt in gehöriger Form darstellen müssen. Stattdessen sei er in völlig unangemessener Weise unsachlich und beleidigend aufgetreten. Er habe den Personalleiter vor den Zeugen E. und M. der Lächerlichkeit Preis gegeben. Vor diesem Hintergrund sei die fristlose Kündigung auch bei Abwägung der Interessen beider Parteien wirksam. Wegen weiterer Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 6 bis 12 des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 173-179 d.A.) Bezug genommen.

46

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 01.06.2011 zugestellt worden. Er hat mit am 17.06.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 01.09.2011 verlängerten Begründungsfrist mit am 01.09.2011 eingegangenem Schriftsatz begründet.

47

Zur Begründung seiner Berufung sowie zur Verteidigung gegen den von der Beklagten im Berufungsverfahren in der mündlichen Verhandlung am 10.11.2011 gestellten Auflösungsantrag macht der Kläger nach Maßgabe der Schriftsätze vom 01.09.2011 (Bl. 203-212 d.A.) und vom 24.01.2012 (Bl. 335-342 d.A.), auf die ergänzend Bezug genommen wird, zusammengefasst geltend: Die fristlose Kündigung sei bereits gemäß § 626 Abs. 2 BGB unwirksam, weil die Beklagte die Zwei-Wochen-Frist nicht gewahrt habe.

48

Das Arbeitsgericht sei zu Unrecht vom Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB ausgegangen. Auch die hilfsweise ordentliche Kündigung sei nicht gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Sein Verhalten im Verlauf des Personalgesprächs vom 26.05.2010 könne nicht als grobe Beleidigung gewertet werden. Er habe die Position des Personalleiters nicht untergraben, zumal nur vier Personen an dem vertraulichen Gespräch teilgenommen haben. Er habe nicht überlegt gehandelt, sondern spontan auf die Situation reagiert. Er sei nervös gewesen und habe sich zu den vorbereiteten Abmahnungen nicht spontan äußern wollen, zumal ihm schon einmal gekündigt worden war. Seine Reaktion (Vorbeugen, Zeigefinger heben, Weigerung sich hinzusetzen) sei seiner Nervosität und Aufregung geschuldet. Er habe den Personalleiter auch nicht ausgelacht. Er habe vielmehr geäußert: „Ich habe einen Lachkrampf“, weil er unwillkürlich aufgelacht habe, als der Personalleiter ihm erklärt habe, er habe dafür gesorgt, dass er in einer anderen Abteilung eine Chance erhalte. Diese Erklärung habe für ihn einen bitteren Beigeschmack gehabt.

49

Die Kündigung sei gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam. Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Die Beklagte habe im Anhörungsschreiben mit der Einleitung „Erschwerend kommt hinzu“ auf die drei Abmahnungen vom 13.03. und 18.03.2009 wegen „Bedrohung von Mitarbeiter“, „Üble Nachrede“ und „Arbeitszeitbetrug“ hingewiesen, ohne deutlich zu machen, dass sie diese Abmahnungen am 31.03.2010 aufgrund des Prozessvergleichs vom 03.03.2009 aus der Personalakte hätte entfernen müssen. Insoweit habe sie den Betriebsrat bewusst irreführend informiert, denn sie habe ihm suggeriert, dass eine große Anzahl von Abmahnungen gegen ihn vorliege. Die Beklagte habe die drei Abmahnungen dem Betriebsrat als Anlage zum Anhörungsschreiben vorgelegt, ohne zu erläutern, warum sie diese nicht vernichtet habe. Sie habe sich Unterlagen bedient, die sie nur in einer geheimen zweiten Personalakte aufbewahrt haben könne.

50

Eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2010 komme schon deshalb nicht in Betracht, weil die hilfsweise ordentliche Kündigung nicht (nur) sozialwidrig, sondern wegen der fehlerhaften Anhörung des Betriebsrates unwirksam sei. Auflösungsgründe lägen im Übrigen nicht vor. Soweit die Beklagte behaupte, der Kündigungssachverhalt und die diversen Abmahnungen hätten dazu geführt, dass kein Mitarbeiter mehr mit ihm zusammenarbeiten wolle, könne er diese pauschale Behauptung nur pauschal bestreiten.

51

Er habe auch keineswegs gezielt und ungerechtfertigt Kollegen gegenüber der Personalabteilung „angeschwärzt“, um sie verächtlich zu machen. Er habe zwischen dem 29.04. und dem 20.05.2010 insgesamt vier Gespräche mit der Personalreferentin S. geführt. Bei der Einsicht in seine Personalakte am 01.04.2010 habe er festgestellt, dass dort eine Beschwerde des Arbeitnehmers X. vom 30.03.2010 abgeheftet war. Die Vorwürfe, die X. gegen ihn erhoben habe, seien nicht wahr. Er habe deshalb den Gruppensprecher als auch den zuständigen Meister angesprochen. Er habe der Personalreferentin berichtet, dass X. am 26.04.2010 um 19:00 Uhr wieder im Betrieb erschienen sei, weil er „Bedenken gehabt habe“. Immerhin habe ihm X. berichtet, dass er mit eine Pistole beim Arzt gewesen sei. Außerdem habe sich X. über ihn beschwert. Schließlich müsse zwischen zwei Schichten eine Pause von 11 Stunden liegen. Er habe ihr von dem Besuch des Q. P. berichtet, weil es „ihm merkwürdig vorgekommen“ sei, dass ein freigestellter Kollege erst nach 19:00 Uhr ohne erkennbaren Grund in den Betrieb komme. X. habe sich über die Meister lustig gemacht, die bei einem Fußballspiel abgehauen seien, anstatt einem Kollegen zu helfen, der von Hooligans aufs Auge geschlagen worden sei. Er sei der Auffassung gewesen, dass er der Personalabteilung melden müsse, dass X. die Kollegen deswegen verächtlich gemacht habe. Gleiches gelte in Bezug auf das Nachäffen der Sprechweise des gehörlosen Arbeitnehmers L.. Er wolle nicht, dass Gehörlose im Betrieb derart verächtlich gemacht werden. Schließlich habe er der Personalreferentin berichtet, dass die Kollegen X. und J. psychische Probleme hätten und regemäßig Beruhigungstabletten nehmen. Schließlich habe ihm X. einmal gesagt, dass er mitunter gar nicht wisse, was er tue. Er habe Frau S. weiter berichtet, dass J. zweimal erklärt habe, er werde irgendwann Amok laufen und X. angegeben habe, er sei mit einer Pistole beim Arzt gewesen. Er habe darin drohende Gefahren für den Betrieb gesehen und die Beklagte deshalb frühzeitig warnen wollen. Auch im Gespräch am 17.05.2010 habe er niemanden unberechtigt in der Personalabteilung anschwärzen wollen. Nach den ihm vorliegenden Informationen sei er davon ausgegangen, dass die Arbeitnehmer I. und H. ausländerfeindlich seien und sein Schichtplan letztlich deswegen immer wieder geändert worden sei. Zu seinem Hinweis vom 20.05.2010 sei zu beachten, dass im Betrieb ein absolutes Rauchverbot herrsche. Ihm sei aufgefallen, dass der Gruppensprecher R., insb. bei Regen oder Kühle, in der Halle rauche. Er habe die Beklagte auf die Gefährdung hinweisen wollen. Auch insoweit sei ein Fehlverhalten nicht erkennbar.

52

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,

53

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 03.03.2011, Az.: 1 Ca 1255/10, abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.06.2010 aufgelöst worden ist,
den Auflösungsantrag der Beklagten zurückzuweisen.

54

Die Beklagte beantragt,

55

die Berufung zurückzuweisen,
das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien gemäß §§ 9, 10 KSchG zum 31.12.2010 gegen Zahlung einer Abfindung, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aufzulösen.

56

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 26.10.2011 (Bl. 243-258 d.A.), auf den Bezug genommen wird, als zutreffend. Ihren in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 10.11.2011 gestellten Auflösungsantrag begründet sie damit, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht mehr zu erwarten sei. Das Arbeitsverhältnis sei durch massive Vertragsverletzungen des Klägers belastet. Das kündigungsrelevante Verhalten des Klägers im Gespräch vom 26.05.2010 sei lediglich eines von vielen Arbeitsvertragsverstößen. Unabhängig davon habe sie dem Kläger am 17.05.2010 zwei Abmahnungen sowie am 22.01.2010 eine Abmahnung erklärt. Der Kläger nehme nichts und niemanden ernst, er lasse sich weder durch arbeitsrechtliche Sanktionen noch durch gutes Zureden von einem adäquaten betrieblichen Miteinander überzeugen. Überobligatorisches Engagement - insbesondere des Personalleiters - werde mit Häme quittiert. Inzwischen sei kein Mitarbeiter mehr bereit, mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, zumal der Kläger gezielt Mitarbeiter gegenüber der Personalabteilung wegen vermeintlich anrüchiger Sachverhalte anschwärze. Insoweit sei auf die Gespräche des Klägers mit der Personalabteilung zu verweisen (Gesprächsnotiz vom 05.05., 11.05., 17.05., 18.05., 19. und 20.05.2010). Es sei nicht ersichtlich, wie unter diesen Umständen eine zukünftige Zusammenarbeit noch möglich sein soll. Wegen weiterer Einzelheiten des Auflösungsantrags wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 07.12.2011 (Bl. 312-320 d.A.) Bezug genommen.

57

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen. Außerdem wird Bezug genommen auf den Inhalt der zur Information des Gerichts beigezogenen Akten 1 Ca 898/08 (3 Sa 665/08), 1 Ca 815/10 und 1 Ca 846/10.

Entscheidungsgründe

A.

58

Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und in ausreichender Weise begründet worden. Sie ist somit zulässig.

B.

59

In der Sache hat die Berufung des Klägers Erfolg. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.06.2010 mit sofortiger Wirkung noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung mit Ablauf der Kündigungsfrist zum 31.12.2010 aufgelöst worden (I.). Das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen ist deshalb abzuändern und der Klage stattzugeben. Auf Antrag der Beklagten war das Arbeitsverhältnis allerdings nach §§ 9, 10 KSchG gerichtlich unter Verurteilung zur Zahlung einer Abfindung von € 28.800,00 zum 31.12.2010 aufzulösen (II.). Ein Weiterbeschäftigungsanspruch besteht deshalb nicht (III.).

I.

60

1. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.06.2010 ist gemäß § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Nach dieser Vorschrift kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Die Beklagte hat die Zwei-Wochen-Frist nicht gewahrt. Das Personalgespräch, dessen Verlauf Anlass zur fristlosen Kündigung gab, fand am 26.05.2010 statt. Die Frist gemäß § 626 Abs. 2 BGB begann an diesem Tag zu laufen und endete am 09.06.2010 (§§ 187 ff. BGB). Die Kündigung ging dem Kläger erst am 10.06.2010 und damit verspätet zu.

61

2. Die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.06.2010 zum 31.12.2010 ist nicht im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Das aggressive und respektlose Verhalten des Klägers gegenüber dem Personalleiter im Personalgespräch vom 26.05.2010 rechtfertigt aus Sicht der Berufungskammer aufgrund der stets notwendigen Interessenabwägung auch nicht die ordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen.

62

Zwar können nach näherer Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung grobe Beleidigungen oder Ehrverletzungen von Vorgesetzten die Kündigung als außerordentliche oder als ordentliche Kündigung rechtfertigen. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, muss der Arbeitgeber im groben Maß unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, nicht hinnehmen (vgl. BAG Urteil vom 10.12.2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 17, AP Nr. 226 zu § 626 BGB, LAG Rheinland-Pfalz Urteil vom 04.05.2011 - 8 Sa 361/10, Rn. 29, Juris; jeweils m.w.N.).

63

Der Kläger hat sich nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme im Personalgespräch vom 26.05.2010 völlig unangemessen verhalten. Sein aggressives Auftreten gegenüber dem Personalleiter stellte einen im groben Maße unsachlichen Angriff dar. Das respektlose Verhalten beinhaltete eine erhebliche Miss- bzw. Nichtachtung des Personalleiters der Beklagten in seiner Stellung als Vorgesetzter.

64

Der Personalleiter hat während seiner erstinstanzlichen Zeugenvernehmung bekundet, dass er das Personalgespräch führen wollte, um den Kläger zu den Sachverhalten anzuhören, die er zum Gegenstand zweier vorbereiteter Abmahnungen (beide mit Datum vom 17.05.2010) gemacht habe. Der Kläger sei bei Eröffnung des Gesprächs sofort aggressiv geworden, habe sich zu ihm herübergebeugt und erklärt: „Ich rede mit Ihnen überhaupt nicht mehr". Er habe ihm den Zeigefinger bis auf wenige Zentimeter vor das Gesicht gestreckt und gesagt: "Hören Sie auf damit!". Auf die Frage, womit er aufhören solle, habe er geantwortet: „Mit allem, das werden wir bei Gericht klären“. Der Kläger sei aufgestanden und habe sich an die Wand gelehnt. Er habe sich geweigert, sich wieder hinzusetzen und zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Auf den Hinweis des Personalleiters, dass er sich nach dem Vergleich vor dem Landesarbeitsgericht (vom 03.03.2009 in dem Verfahren 3 Sa 665/08) für ihn eingesetzt habe, um ihm in einer anderen Arbeitsgruppe eine neue Chance zu geben, habe der Kläger begonnen, laut zu lachen. Die Frage, ob er ihn auslache, habe der Kläger mit: „Nein, ich habe einen Lachkrampf“ beantwortet. Daraufhin brach der Personalleiter das Gespräch ab.

65

Sowohl der Zeuge M., der als vorgesetzter Meister des Klägers an dem Gespräch teilgenommen hat, als auch der Zeuge E., den der Kläger als Betriebsratsmitglied beigezogen hat, haben die Aussage des Personalleiters klar und eindeutig bestätigt. Das Arbeitsgericht hat nach der umfassenden und gründlichen Beweisaufnahme zutreffend erkannt, dass die Abweichungen zwischen den einzelnen Aussagen unerheblich sind. Bei den zentralen Inhalten bestand eine hohe Übereinstimmung. Das sich der Kläger gegenüber dem Personalleiter der Beklagten aggressiv und respektlos verhalten hat, steht auch für die Berufungskammer außer Zweifel. Die Kammer stellt ausdrücklich klar, dass ein Arbeitgeber ein solches Verhalten nicht sanktionslos hinnehmen muss.

66

Die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung scheitert vorliegend jedoch am Ergebnis der bei jeder Kündigung durchzuführenden umfassenden Interessenabwägung. Zu Gunsten des Klägers ist die lange Dauer seiner Betriebszugehörigkeit von 18 Jahren zu berücksichtigen. Zudem ist zu seinen Gunsten in die Abwägung einzustellen, dass er gegenüber seiner Ehefrau und seinen drei Kindern unterhaltspflichtig ist. Die Unterhaltspflichten und der Familienstand haben bei verhaltensbedingten Kündigungsgründen zwar nur marginale Bedeutung. Sie können jedoch bei der Interessenabwägung berücksichtigt werden, beeinflussen sie doch das Gewicht des Arbeitnehmerinteresses an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes. Das Interesse der Beklagten, sich (abfindungslos) vom Kläger zu trennen, wiegt dessen Bestandsschutzinteresse nicht auf. Die zugunsten des Klägers sprechenden Umstände sind im Ergebnis höher zu bewerten als das berechtigte Interesse der Beklagten sich von einem Arbeitnehmer zu trennen, der sich mit seinem aggressiven und impulsiven Verhalten - nicht nur gegenüber dem Personalleiter - auf eine Ebene begeben hat, die letztlich nicht mehr hinnehmbar ist.

II.

67

Das Arbeitsverhältnis ist jedoch auf Antrag der Beklagten nach §§ 9, 10 KSchG gerichtlich zum 31.12.2010 unter Verurteilung zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von € 28.800,00 brutto aufzulösen.

68

1. Der von der Beklagten in der Berufungsinstanz gestellte Auflösungsantrag ist zulässig. Dieser kann nach § 9 Abs. 1 Satz 3 KSchG bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gestellt werden. Da das Arbeitsverhältnis auch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten nicht aufgelöst worden ist, war über ihren Auflösungsantrag zu entscheiden.

69

Die Beklagte kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG verlangen, weil die Rechtsunwirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 10.06. zum 31.12.2010 allein auf der Sozialwidrigkeit beruht (vgl. BAG Urteil vom 28.05.2009 -2 AZR 949/07 - AP Nr. 59 zu § 9 KSchG 1969; BAG Urteil vom 28.08.2008 - 2 AZR 63/07 - NZA 2009, 275; m.w.N.). Die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten zum 31.12.2010 ist nicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam.

70

Die Beklagte hat im Anhörungsschreiben an den Betriebsrat vom 07.06.2010 auf Seite 4 mit dem Einleitungssatz: „Erschwerend kommt hinzu, dass das Arbeitsverhältnis von Herrn A. erheblich belastet ist“ auf die drei Abmahnungen vom 13.03. und 18.03.2009 wegen „Bedrohung von Mitarbeiter“, „Üble Nachrede“ und „Arbeitszeitbetrug“ hingewiesen, ohne ausdrücklich auszuführen, dass sie diese Abmahnungen am 31.03.2010 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen hatte. Entgegen der Ansicht des Klägers führt dies nicht zu einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrates.

71

An die Mitteilungspflichten im Anhörungsverfahren sind nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Darlegungen des Arbeitgebers im Prozess. Es gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Umstände und Gründe für die Kündigung unterbreitet hat. Dagegen führt eine bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung zu einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats (BAG Urteil vom 09.06.2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 45, NZA 2011, 1342, m.w.N.).

72

Danach hat die Beklagte den Betriebsrat mit ihrem Anhörungsschreiben vom 07.06.2010 ausreichend informiert. Sie hat ihm mit der Schilderung des Verhaltens des Klägers im Personalgespräch vom 26.05.2010 die aus ihrer Sicht tragenden Gründe für die beabsichtigte Kündigung unterbreitet. Darüber hinaus hat sie den Betriebsrat auf die erste verhaltensbedingte Kündigung vom 28.04.2008, den Vergleich vor dem Landesarbeitsgericht vom 03.03.2009 (Az.: 3 Sa 665/08) und die drei Abmahnungen wegen „Bedrohung von Mitarbeiter“, „Üble Nachrede“ und „Arbeitszeitbetrug“ hingewiesen, die der Vergleich beinhaltete. Aus ihrer Sicht enthielt dieser Hinweis auch angesichts des Umstands, dass die drei Abmahnungen am 31.03.2010 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen waren, keine unrichtige Information. Die Beklagte hat dem Betriebsrat sowohl die drei Abmahnungen (Anlage 13, 14 und 15) als auch das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht im ersten Kündigungsschutzprozess (Az.: 3 Sa 665/08) vom 03.03.2009 als Anlage 3 zum Anhörungsschreiben vorgelegt. Der Wortlaut des Prozessvergleichs enthält die Verpflichtung, die drei Abmahnungen mit Ablauf des 31.03.2010 aus der Personalakte zu entfernen. Damit konnte sich der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen ein zutreffendes Bild auch darüber verschaffen, dass die drei Abmahnungen am 31.03.2010 aus der Personalakte zu entfernen waren.

73

Entgegen der Ansicht des Klägers, war die Beklagte nicht verpflichtet, dem Betriebsrat zu erläutern, weshalb sie die drei Abmahnungen nicht vernichtet hat und ob sie eine geheime zweite Personalakte führt. Die Beklagte musste dem Betriebsrat allenfalls solche Umstände neben der Mitteilung der Kündigungsgründe zu Gehör bringen, die aus ihrer Sicht entlastend für den Kläger wirken konnten. Das entspricht der subjektiven Determinierung der Kündigungsgründe, wonach der Arbeitgeber dem Betriebsrat nur die aus seiner Sicht tragenden - und ggf. auch die möglicherweise entlastenden - Umstände zu unterbreiten hat. Die Beklagte war der Ansicht, dass sie dem Kläger die drei Abmahnungen aus März 2009 noch vorhalten durfte, weil sie ihn am 22.01.2010 binnen Jahresfrist erneut abgemahnt hat. So hat ihr Personalleiter in der Sitzung vom 10.11.2011 zu Protokoll erklärt, dass er aufgrund der Regelungen in einer Betriebsordnung grundsätzlich verpflichtet sei, Abmahnungen binnen Jahresfrist aus der Personalakte zu entfernen, es sei denn das neue Pflichtverstöße vorliegen. Ein solcher Fall sei aus seiner Sicht hier gegeben gewesen. Ging aber die Beklagte davon aus, dass sie dem Kläger die drei Abmahnungen aus März 2009 noch vorhalten durfte, so brauchte sie dem Betriebsrat nicht mitzuteilen, warum sie diese nicht vernichtet hat.

74

2. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht nach erfolgreicher Kündigungsschutzklage auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Auflösungsgründe für den Arbeitgeber können solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Ein Verschulden des Arbeitnehmers ist nicht erforderlich. Als Auflösungsgrund geeignet sind danach etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen (vgl. BAG Urteil vom 09.09.2010 - 2 AZR 482/09 - Rn. 10, 11, AP Nr. 64 zu § 9 KSchG 1969, m.w.N.).

75

3. Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist dem Auflösungsantrag der Beklagten zu entsprechen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat eine Entwicklung genommen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht mehr erwarten lässt.

76

Eine solche Zusammenarbeit setzt das Vorhandensein einer entsprechenden Vertrauensgrundlage voraus. Diese Vertrauensgrundlage besteht vorliegend nicht mehr. Der Auftritt des Klägers im Personalgespräch vom 26.05.2010 hat zwar nicht ausgereicht, die Kündigung vom 10.06.2010 als außerordentliche oder ordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Bereits der Kündigungssachverhalt ist jedoch so beschaffen, dass er eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit nicht erwarten lässt. Meinungsverschiedenheiten, wie sie in Betrieben immer wieder auftreten können, müssen mit der gebotenen Sachlichkeit ausgetragen werden. Sowohl das persönliche Verhältnis des Klägers zum Personalleiter der Beklagten als auch das Verhältnis zu seinen Arbeitskollegen und unmittelbaren Vorgesetzten ist durch sein aggressives und impulsives Verhalten so belastet, dass eine dem Betriebszweck dienliche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen ist. Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich eine Reihe von Umständen, die diese Wertung rechtfertigen.

77

Es ist davon auszugehen, dass es künftig zu vergleichbaren Vorkommnissen kommen kann, wie sie auch Gegenstand der erstinstanzlichen Beweisaufnahme waren. So hat der Zeuge X. während seiner Vernehmung bekundet, dass der Kläger am 30.03.2010 „wutentbrannt“ gewesen sei, weil er den Schlüssel zum Werkzeugschrank nicht gefunden habe. Der Kläger habe ihn mit den Worten: „Du bist eine Maus. Du hast hier nichts zu sagen. Du bist gar nichts“ beschimpft. Der Zeuge W. U. hat während seiner Vernehmung ausgesagt, dass er in seiner Eigenschaft als Qualitätsprüfer am 30.03.2010 die vom Kläger gefertigten Bauteile in der Endabnahme beanstandet und eine Nachbearbeitung gefordert habe. Im Verlauf der sich anschließenden Diskussion über diese Beanstandung habe ihm der Kläger vorgeworfen: “Wenn du keinen Ahnung hast, hältst du deinen Mund“. Der Zeuge Xz. hat die beiden Ausbrüche, wenn auch in abgeschwächter Form, bestätigt. Er hat bekundet, dass der Kläger ihm und dem Zeugen X. erklärt haben „Ich lasse mir von euch nichts sagen“. Zum Zeugen X. habe er außerdem geäußert: „Wz., du sollst nicht mit Leuten Katz und Maus spielen“. Dabei habe der Kläger geschrien. Dem Qualitätsprüfer U. habe er vorgeworfen: „Du hast keine Ahnung“.

78

Dem Personalleiter gelingt es nicht (mehr), den Kläger zu einem angemessenen und respektvollen Umgang mit seinen Arbeitskollegen zu bewegen. Seine Autorität wird vom Kläger nicht anerkannt, wie sein Verhalten im Personalgespräch vom 26.05.2010 belegt. Die Anstrengungen des Personalleiters, den Kläger in eine Arbeitsgruppe zu integrieren, werden mit Häme quittiert („Ich habe einen Lachkrampf“). Einen derartigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses, insbesondere die durch das Verhalten des Klägers entstandenen Belastungen des Betriebsklimas, muss die Beklagte nicht mehr hinnehmen.

79

Der Konflikt des Klägers mit der Arbeitsgruppe ist so eskaliert, dass am 20.05.2010 eine Gruppensitzung zum Thema „vergiftete Arbeitsklima“ stattgefunden hat. Ausweislich des Protokolls der Sitzung haben sich insgesamt acht Arbeitnehmer über den Kläger beschwert. Mit den Beschuldigungen der Arbeitskollegen, die der Kläger in der Zeit zwischen dem 29.04. und dem 20.05.2010 in insgesamt vier Gesprächen bei der Personalreferentin S. vorgebracht hat, hat er den Konflikt mit seinen Arbeitskollegen noch angeheizt.

80

Der Kläger verfolgte mit seinen „Meldungen“ in der Personalabteilung keine uneigennützigen Zwecke, wie die Berufung glauben machen will. Dass er die Brandgefahr auf dem Werksgelände reduzieren (Meldung von Verstößen gegen das Rauchverbot), die Einhaltung der Pausenzeiten überwachen (Meldung des Erscheinens am Arbeitsplatz), die Diskriminierung gehörloser Arbeitnehmer unterbinden (Meldung des Nachäffens seiner Sprechweise) oder gar einen Schusswechsel verhindern (X. war mit einer Pistole beim Arzt) wollte, nimmt ihm die Kammer nicht ab. Es handelt sich lediglich um den Versuch, das „Anschwärzen“ mit altruistischen Motiven zu verbrämen. Der Kläger war über die schriftliche Beschwerde des Zeugen X. („Du bist eine Maus“), die er bei der Einsichtnahme in seine Personalakte am 01.04.2010 entdeckt hatte, so erbost, dass er ihn und andere Arbeitnehmer, über die er sich ebenfalls geärgert hatte, beim Arbeitgeber schlechtgemacht hat.

81

In einer Gesamtschau der vorgenannten Umstände gelangt die Kammer zu der Überzeugung, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen dem Kläger, seinen Arbeitskollegen, seinen unmittelbaren Vorgesetzten und dem Personalleiter nicht mehr zu erwarten ist.

82

4. Die Berufungskammer hält in Ausübung ihres Ermessens eine Abfindung gemäß § 10 KSchG in Höhe von € 28.800,00 brutto für angemessen. Dieser Betrag entspricht neun Monatsverdiensten.

83

Bei der Bemessung der Abfindung nach § 10 KSchG hat die Kammer die Dauer des Bestands des Arbeitsverhältnisses, das Lebensalter des Klägers und seine Unterhaltspflichten gegenüber seiner Ehefrau und den drei Kindern berücksichtigt. Der Abfindungshöhe hat die Kammer ein halbes Bruttomonatsentgelt pro Beschäftigungsjahr zu Grunde gelegt, so dass sich ausgehend von einem Monatsverdienst von rund € 3.200,00 brutto und einer Betriebszugehörigkeit von 18 Jahren ein Abfindungsbetrag von € 28.800,00 ergibt. Dieser Betrag ist einerseits ausreichend, andererseits aber auch erforderlich, um den Kläger und seine Familie angemessen für den Verlust des Arbeitsplatzes zu entschädigen.

III.

84

Gemäß § 9 Abs. 2 KSchG ist als Auflösungszeitpunkt der 31.12.2010 festzusetzen. Angesichts der gerichtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu diesem Termin hat der Kläger keinen Anspruch auf tatsächliche Weiterbeschäftigung.

C.

85

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

86

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen


(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt is

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund


(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unte

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 102 Mitbestimmung bei Kündigungen


(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. (2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kün

Zivilprozessordnung - ZPO | § 517 Berufungsfrist


Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 9 Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Urteil des Gerichts, Abfindung des Arbeitnehmers


(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältni

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 10 Höhe der Abfindung


(1) Als Abfindung ist ein Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen. (2) Hat der Arbeitnehmer das fünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens fünfzehn Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu fünfzehn Monatsver

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Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. Oktober 2009 - 11 Sa 511/09 - aufgehoben.

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 04. Mai 2011 - 8 Sa 361/10

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weitere Fundstellen ... Tenor Auf die Berufung des Beklagen wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 22.6.2010 - 3 Ca 382/10 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt teilweise abgeändert: Es wird festgestellt, dass das Arb

Bundesarbeitsgericht Urteil, 09. Sept. 2010 - 2 AZR 482/09

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Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 10. Dezember 2008 - 3 Sa 781/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 09. Feb. 2012 - 10 Sa 342/11.

Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil, 13. Nov. 2014 - 4 Sa 574/13

bei uns veröffentlicht am 13.11.2014

Tatbestand Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Arbeitgeberkündigung vom 24.04.2009 zum 30.06.2009, die tatsächliche Weiterbeschäftigung der Klägerin, die Erteilung eines qualifizierten Zwischen

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(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Als Abfindung ist ein Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen.

(2) Hat der Arbeitnehmer das fünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens fünfzehn Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu fünfzehn Monatsverdiensten, hat der Arbeitnehmer das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens zwanzig Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu achtzehn Monatsverdiensten festzusetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer in dem Zeitpunkt, den das Gericht nach § 9 Abs. 2 für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses festsetzt, das in der Vorschrift des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch über die Regelaltersrente bezeichnete Lebensalter erreicht hat.

(3) Als Monatsverdienst gilt, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet (§ 9 Abs. 2), an Geld und Sachbezügen zusteht.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Als Abfindung ist ein Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen.

(2) Hat der Arbeitnehmer das fünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens fünfzehn Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu fünfzehn Monatsverdiensten, hat der Arbeitnehmer das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens zwanzig Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu achtzehn Monatsverdiensten festzusetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer in dem Zeitpunkt, den das Gericht nach § 9 Abs. 2 für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses festsetzt, das in der Vorschrift des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch über die Regelaltersrente bezeichnete Lebensalter erreicht hat.

(3) Als Monatsverdienst gilt, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet (§ 9 Abs. 2), an Geld und Sachbezügen zusteht.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

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Tenor

Auf die Berufung des Beklagen wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 22.6.2010 - 3 Ca 382/10 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt teilweise abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 10.5.2010 nicht zum 30.6.2010, sondern erst zum 31.7.2010 aufgelöst worden ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat 82 % und der Beklagte 18 % der erstinstanzlichen Kosten zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu

67 % dem Kläger und zu 33 % dem Beklagten auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im vorliegenden Berufungsverfahren noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Der am 27.06.1952 geborene Kläger war bei dem Beklagten, der einen Lebensmittelmarkt betreibt, seit dem 17.03.2003 als Substitut beschäftigt. Der Beklagte beschäftigt in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubilden.

3

Am 14.01.2010 stellte der Kläger einen Antrag auf Anerkennung als schwerbehinderter Mensch. Mit Bescheid des Amts für soziale Angelegenheiten vom 24.02.2010 wurde ihm ein GdB von 70 anerkannt.

4

Am 08.02.2010 verweigerte der Kläger die Annahme eines Schreibens, welches den Ausspruch einer fristlosen Kündigung beinhaltete. Mit Schreiben seines Rechtsanwalts vom 10.02.2010 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis (erneut) fristlos. Mit Bescheid vom 15.04.2010 erteilte das Integrationsamt dem Beklagten auf dessen Antrag hin die Zustimmung zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Widerspruch eingelegt.

5

Mit Schreiben vom 25.04.2010 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.05.2010. Diese Kündigung nahm der Beklagte mit Schreiben vom 10.05.2010 zurück, erklärte jedoch mit Schreiben selben Datums eine erneute ordentliche Kündigung zum 30.06.2010.

6

Der Beklagte hat erstinstanzlich im Kammertermin vom 22.06.2010 erklärt, dass er an keiner der vor dem 10.05.2010 ausgesprochenen Kündigungen festhalte. Die Parteien haben daraufhin die Hauptsache bezüglich der vom Kläger gegen die vom 10.05.2010 ausgesprochenen Kündigungen erhobenen Kündigungsschutzklagen übereinstimmend für erledigt erklärt.

7

Der Kläger, der die vom Beklagten vorgetragenen Kündigungssachverhalte bestritten hat, hat beantragt:

8

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die ordentliche Kündigung vom 10.05.2010 zum 30.06.2010 beendet worden ist, sondern unverändert über diesen Termin hinaus fortbesteht.

9

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 4.100,00 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

10

Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger zukünftig auf Basis einer Bruttovergütung von 2.650,00 EUR abzurechnen und den sich hieraus ergebenden Nettobetrag an den Kläger auszuzahlen.

11

Der Beklagte hat beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Der Beklagte hat erstinstanzlich u.a. vorgetragen, der Kläger habe am 08.02.2010 eine Mitarbeiterin (die Zeugin A.) bezichtigt, an einem Diebstahl beteiligt gewesen zu sein, der sich vor einiger Zeit im Betrieb ereignet habe und dass es dafür Zeugen gebe. Die Namen der betreffenden Zeugen habe der Kläger auf Nachfrage der Mitarbeiterin nicht genannt. Daraufhin sei diese zu ihm - dem Beklagten - gegangen und habe ihm von den Vorhaltungen des Klägers berichtet. Der Beklagte habe den Kläger sodann in sein Büro gebeten und ihn ebenfalls nach den Namen von Zeugen gefragt. Nachdem der Kläger auch ihm keine Namen genannt habe, habe er dem Kläger erklärt, er solle das lassen. Daraufhin habe der Kläger sinngemäß geantwortet: "Herr B., Sie haben gar nichts mehr zu sagen, Ihre Zeit ist abgelaufen."

14

Von der weitergehenden Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 22.06.2010 (Bl. 94 - 98 d.A.).

15

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage mit Urteil vom 22.06.2010 stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 7 - 13 dieses Urteils (= Bl. 99 - 105 d.A.) verwiesen.

16

Gegen das ihm am 01.07.2010 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 14.07.2010 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

17

Der Beklagte macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe es vor Ausspruch der streitbefangenen ordentlichen Kündigung nicht einer vorherigen Abmahnung bedurft. Eine solche sei vorliegend entbehrlich gewesen. Durch das Verhalten des Klägers sei das Betriebsklima für alle Zeit vergiftet gewesen. Ein Arbeitgeber müsse sich von einem Arbeitnehmer nicht gefallen lassen, dass dieser zu ihm sage : "Sie haben gar nichts mehr zu sagen, Ihre Zeit ist abgelaufen." Darüber hinaus könne eine vernünftige Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und der von diesem eines Diebstahls bezichtigten Kollegen nicht mehr erwartet werden.

18

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens des Beklagten im Berufungsverfahren wird auf dessen Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift vom 12.07.2010 (Bl. 113 f d.A.) sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 08.12.2010 (Bl. 158 ff d.A.) Bezug genommen.

19

Der Beklagte beantragt,

20

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

21

Der Kläger beantragt,

22

die Berufung zurückzuweisen.

23

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seiner Schriftsätze vom 03.09.2010 (Bl. 144 - 148 d.A.) und vom 15.12.2010 (Bl. 176 d.A.), auf die Bezug genommen wird.

24

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin A.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 04.05.2011 (dort Seite 2 f = Bl. 226 f d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

25

I. Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache überwiegend erfolgt.

26

II. Die Kündigungsschutzklage des Klägers ist nur zu einem geringen Teil begründet.

27

Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat infolge der streitbefangenen ordentlichen Kündigung zwar nicht bereits zum 30.06.2010, jedoch mit Ablauf der gemäß § 622 Abs. 2 Nr. 2 BGB maßgeblichen Kündigungsfrist von zwei Monaten zum Ende eines Kalendermonats, mithin zum 31.07.2010 geendet. Die Kündigung ist durch Gründe, die im Verhalten des Klägers liegen, bedingt und daher sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG).

28

Im Unterschied zu den in § 626 Abs. 1 BGB an eine außerordentliche Kündigung gestellten Anforderungen sind für eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung solche im Verhalten des Arbeitnehmers liegenden Umstände ausreichend, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebes die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen. Als verhaltensbedingter Grund ist insbesondere eine rechts(vertrags)widrige Pflichtverletzung aus dem Arbeitsverhältnis geeignet, wobei regelmäßig Verschulden erforderlich ist. Insofern genügt ein Umstand, der einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung bestimmen kann (BAG v. 11.12.2003 - 2 AZR 667/02 - AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, m.w.N.).

29

Nach allgemeiner und zutreffender Ansicht stellen grobe Beleidigungen eines Vorgesetzten oder eines anderen Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis dar und können daher sogar eine außerordentliche fristlose Kündigung grundsätzlich rechtfertigen (BAG v. 10.10.2002 - 2 AZR 418/01 - AP Nr. 180 zu § 626 BGB). Solche Beleidigungen sind daher erst recht an sich geeignet, einen den Ausspruch einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung rechtfertigenden Grund zu bilden. Der Arbeitnehmer kann sich dann nicht erfolgreich auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 GG berufen. Im groben Maße unsachliche Angriffe, die u.a. zur Untergrabung der Position von Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber nicht hinnehmen. Dabei ist die strafrechtliche Beurteilung kündigungsrechtlich nicht ausschlaggebend. Auch eine einmalige Ehrverletzung ist bereits kündigungsrelevant (LAG Rheinland-Pfalz v. 09.12.2009 - 8 Sa 260/09 -).

30

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest, dass der Kläger den Beklagten am 08.02.2010 beleidigt hat mit den Worten : "Sie haben hier nichts mehr zu sagen, Ihre Zeit ist abgelaufen". Dies hat die Zeugin A. bei ihrer Vernehmung glaubhaft und widerspruchsfrei bekundet. Das Berufungsgericht hat hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Zeugin keinerlei Zweifel.

31

Die betreffende Äußerung des Klägers beinhaltet eine grobe Beleidigung, nämlich eine erhebliche Miss- bzw. Nichtachtung des Beklagten in seiner Stellung als Arbeitgeber. Gründe, die das Verhalten des Klägers in irgendeiner Weise auch nur ansatzweise rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Der Beklagte war auch nicht gehalten, dem Kläger wegen dessen Fehlverhaltens zunächst lediglich eine Abmahnung zu erteilen. Besonders schwere Verstöße - wie vorliegend - bedürfen nämlich keiner früheren Abmahnung, weil hier der Arbeitnehmer von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann und er sich bewusst sein muss, dass er seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt (Müller-Glöge, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 11. Aufl., § 626 BGB Rd.Ziff. 29 m.N.a.d.R.). Bezüglich der groben Beleidigung des Beklagten konnte der Kläger, da es sich hierbei um einen besonders erheblichen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten handelt, in keiner Weise mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen.

32

Die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung scheitert auch nicht an dem Ergebnis der bei jeder Kündigung durchzuführenden umfassenden Interessenabwägung. Zwar sind zu Gunsten des Klägers die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit (seit dem 17.03.2003), sein fortgeschrittenes Lebensalter von 57 Jahren bei Kündigungsausspruch sowie seine Schwerbehinderung zu berücksichtigen. Zu Gunsten des Beklagten ist hingegen zu berücksichtigen, dass der Kläger sich mit seiner gravierenden, ehrverletzenden Entgleisung auf eine Ebene begeben hat, die letztlich schlichtweg nicht mehr hinnehmbar ist. Auch war der Kläger unstreitig vor seiner beleidigenden Äußerung in keiner Weise provoziert worden. Im Hinblick auf die völlig grundlose schwerwiegende Beleidigung kann der Beklagte auch nicht mit Sicherheit davon ausgehen, dass sich der Kläger zukünftig nicht zu einem ähnlichen bzw. gleich gelagerten Fehlverhalten hinreißen lässt. Das arbeitgeberseitig erforderliche Vertrauen, dass der Kläger die Würde seines Arbeitgebers ausreichend respektiert, ist zerstört. Insgesamt überwiegt das Interesse des Beklagten an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Klägers an dessen Fortsetzung.

33

Die nach § 85 SGB IX erforderlich vorherige Zustimmung des Integrationsamtes liegt vor. Der Beklagte hat die Kündigung auch innerhalb der Monatsfrist des § 88 Abs. 3 SGB IX nach Erteilung der Zustimmung erklärt. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass der Beklagte bereits am 25.04.2010, und somit nach der Entscheidung des Integrationsamtes vom 15.04.2010, eine ordentliche Kündigung ausgesprochen hatte. Ein "Verbrauch" des Kündigungsrechts tritt nämlich bei gleichbleibendem Kündigungssachverhalt nicht ein (BAG v. 08.11.2007 - 2 AZR 425/06 - AP Nr. 30 zu § 1 KSchG 1969 Personenbedingte Kündigung).

34

Zwar war der Bescheid des Integrationsamtes vom 15.04.2010 zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht rechtskräftig, da der Kläger hiergegen Widerspruch eingelegt hat. Im Hinblick auf das Beschleunigungsgebot der §§ 9 Abs. 1, 61 a ArbGG bestand indessen kein Anlass, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über dem Zustimmungsbescheid auszusetzen. Dem Kläger verbleibt insoweit u.U. die Möglichkeit einer Restitutionsklage analog § 580 Nr. 6 bzw. Nr. 7 ZPO (BAG v. 24.11.2005, AP Nr. 43 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit).

35

III. Nach alledem war unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die streitbefangene Kündigung nicht zum 30.06.2010, sondern erst zum 31.07.2010 aufgelöst worden ist; im Übrigen war die Klage abzuweisen.

36

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

37

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Als Abfindung ist ein Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen.

(2) Hat der Arbeitnehmer das fünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens fünfzehn Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu fünfzehn Monatsverdiensten, hat der Arbeitnehmer das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens zwanzig Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu achtzehn Monatsverdiensten festzusetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer in dem Zeitpunkt, den das Gericht nach § 9 Abs. 2 für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses festsetzt, das in der Vorschrift des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch über die Regelaltersrente bezeichnete Lebensalter erreicht hat.

(3) Als Monatsverdienst gilt, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet (§ 9 Abs. 2), an Geld und Sachbezügen zusteht.

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. Oktober 2009 - 11 Sa 511/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 5. Februar 2009 - 1 Ca 1247/08 - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte ist ein Unternehmen des Möbeleinzelhandels mit mehreren hundert Arbeitnehmern. Die Belegschaft hat einen Betriebsrat gewählt.

3

Der im Jahr 1950 geborene Kläger war seit dem 1. Juli 1976, zuletzt als Einkäufer und Produktmanager bei der Beklagten beschäftigt. Sein monatliches Bruttoeinkommen betrug 6.558,10 Euro.

4

Am 18. Oktober 2007 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung. Sie warf ihm vor, eine Mitarbeiterin mit einem Schlag auf das Gesäß belästigt zu haben.

5

Am 25. und 26. Juni 2008 war der Kläger in einem Betrieb der Beklagten in K eingesetzt. Gegenüber einer 26-jährigen Einkaufsassistentin der Beklagten machte er an diesen Tagen bei vier Gelegenheiten Bemerkungen sexuellen Inhalts. Die Mitarbeiterin meldete die Vorfälle der Beklagten. Diese hörte den Kläger am 4. Juli 2008 zu den Vorwürfen an.

6

Mit Schreiben vom 7. Juli 2008 leitete die Beklagte das Verfahren zur Anhörung des Betriebsrats ein. Der Betriebsrat stimmte der beabsichtigten fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Kündigung mit Schreiben vom 10. Juli 2008 zu.

7

Mit Schreiben vom 11. Juli 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 28. Februar 2009.

8

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei rechtsunwirksam. Er habe die Mitarbeiterin nicht sexuell belästigt, sondern lediglich „geneckt“. Die Beklagte habe allenfalls mit einer Abmahnung reagieren dürfen. Die ihm zuvor erteilte Abmahnung sei nicht einschlägig. Im Übrigen sei die Anhörung des Betriebsrats nicht ordnungsgemäß erfolgt. Die Beklagte habe den Betriebsrat tendenziös informiert. Insbesondere mit einem Hinweis auf frühere Abmahnungen habe sie in unzulässiger Weise ein negatives Bild von ihm gezeichnet, auch wenn sie zugleich mitgeteilt habe, dass diese früheren Abmahnungen - unstreitig - schon wieder aus seiner Personalakte entfernt worden seien.

9

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose noch durch die fristgerechte Kündigung vom 11. Juli 2008 beendet worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, das Verhalten des Klägers stelle eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG dar. Darauf habe sie mit Blick auf die zuvor erteilte einschlägige Abmahnung von Oktober 2007 mit einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses reagieren dürfen.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO)und zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, es fehle an einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung (I.). Die Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Dies kann der Senat selbst entscheiden, da die maßgeblichen Tatsachen feststehen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Beklagte hat die außerordentliche Kündigung innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erklärt(II.). Die Kündigung ist nicht mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam (III.). Die Klage gegen die nur hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung bleibt damit ebenfalls ohne Erfolg (IV.).

13

I. Die Kündigung vom 11. Juli 2008 beruht auf einem wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB.

14

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21, AP BGB § 626 Nr. 220).

15

2. Das Verhalten des Klägers rechtfertigt „an sich“ eine außerordentliche Kündigung. Er hat eine Mitarbeiterin sexuell belästigt.

16

a) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet(vgl. BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - zu B I 2 a der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 189 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 6). Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls, ua. von ihrem Umfang und ihrer Intensität (vgl. BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - aaO mwN).

17

b) Der Kläger hat mit den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Äußerungen am 25. und 26. Juni 2008 eine Mitarbeiterin der Beklagten an ihrem Arbeitsplatz wiederholt sexuell belästigt. Gegen die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger keine beachtlichen Verfahrensrügen erhoben. Sie sind damit für den Senat bindend (§ 559 Abs. 2 ZPO). Die Bewertung des Landesarbeitsgerichts, bei den Bemerkungen des Klägers habe es sich um sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG gehandelt, lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

18

aa) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 AGG können danach auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen(Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 60; Kamanabrou RdA 2006, 321, 326; Kock MDR 2006, 1088, 1089; v. Roetteken AGG § 3 Rn. 375; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 77).

19

Das jeweilige Verhalten muss bewirken oder bezwecken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Relevant ist entweder das Ergebnis oder die Absicht (Nollert-Borasio/Perreng AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 39). Für das „Bewirken“ genügt der bloße Eintritt der Belästigung. Gegenteilige Absichten oder Vorstellungen der für dieses Ergebnis aufgrund ihres Verhaltens objektiv verantwortlichen Person spielen keine Rolle (v. Roetteken AGG § 3 Rn. 352, 383). Auf vorsätzliches Verhalten kommt es nicht an (ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 3 AGG Rn. 14). Im Vergleich zu § 2 Abs. 2 des mit Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 außer Kraft getretenen Beschäftigtenschutzgesetzes (BSchG) ist der Begriff der sexuellen Belästigung in § 3 Abs. 4 AGG in Umsetzung von Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 76/207/EWG vom 9. Februar 1976 (ABl. EG L 39 vom 14. Februar 1976 S. 40) idF der Richtlinie 2002/73/EG vom 23. September 2002 (ABl. EG L 269 vom 5. Oktober 2002 S. 15) weiter gefasst (vgl. Entwurfsbegründung BR-Drucks. 329/06 S. 34; BT-Drucks. 16/1780 S. 33; Nollert-Borasio/Perreng aaO Rn. 36; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 76; v. Roetteken aaO Rn. 375). Das Tatbestandsmerkmal der Unerwünschtheit erfordert - anders als noch § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BSchG(vgl. BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - AP BGB § 626 Nr. 189 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 6) - nicht mehr, dass die Betroffenen ihre ablehnende Einstellung zu den fraglichen Verhaltensweisen aktiv verdeutlicht haben (v. Roetteken aaO Rn. 360; ErfK/Schlachter aaO Rn. 12; AGG/Schleusener 3. Aufl. § 3 Rn. 157; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert aaO Rn. 77a). Maßgeblich ist allein, ob die Unerwünschtheit der Verhaltensweise objektiv erkennbar war (v. Roetteken aaO Rn. 360; ErfK/Schlachter aaO; Wendeling-Schröder in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 3 Rn. 41).

20

bb) Danach lässt die Bewertung der Bemerkungen des Klägers als sexuelle Belästigungen durch das Landesarbeitsgericht keinen Rechtsfehler erkennen.

21

(1) Alle vier Bemerkungen hatten einen sexuellen Inhalt. Mit der ersten Bemerkung gab der Kläger in anzüglicher Weise der Erwartung Ausdruck, die Mitarbeiterin würde für ihn ihre körperlichen Reize zur Schau stellen. In Bezug auf den Zollstock stellte er einen anzüglichen Vergleich an. Beim Mittagessen sprach er die Mitarbeiterin auf ihr Sexualleben an. Schließlich machte er ihr explizit ein anzügliches Angebot.

22

(2) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Unerwünschtheit dieser Bemerkungen objektiv und im Übrigen auch für den Kläger erkennbar gewesen sei. Das hat dieser nicht mit beachtlichen Verfahrensrügen angegriffen.

23

(3) Mit den wiederholten Bemerkungen sexuellen Inhalts hat der Kläger iSv. § 3 Abs. 4 AGG die Würde der Mitarbeiterin verletzt. Er hat diese an zwei aufeinander folgenden Arbeitstagen gleich mehrfach mit anzüglichen Bemerkungen verbal sexuell belästigt und damit zum Sexualobjekt erniedrigt. Dadurch entstand für die betroffene Mitarbeiterin zudem ein Arbeitsumfeld, in welchem sie jederzeit mit weiteren entwürdigenden Anzüglichkeiten seitens des Klägers rechnen musste.

24

(4) Der Kläger hat die sexuelle Belästigung der Mitarbeiterin iSv. § 3 Abs. 4 AGG „bewirkt“. Unmaßgeblich ist, wie er selbst sein Verhalten eingeschätzt und empfunden hat oder verstanden wissen wollte.

25

3. Die außerordentliche Kündigung ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt.

26

a) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32).

27

aa) Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26, AP BGB § 626 Nr. 227 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 30). Auch Unterhaltspflichten und der Familienstand können - je nach Lage des Falls - Bedeutung gewinnen. Sie sind jedenfalls bei der Interessenabwägung nicht generell ausgeschlossen und können berücksichtigt werden (BAG 16. Dezember 2004 - 2 ABR 7/04 - zu B II 3 b aa der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 191 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 7). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO).

28

bb) Den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz konkretisiert auch § 12 Abs. 3 AGG(vgl. BAG 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - Rn. 68, BAGE 124, 295; noch zu § 4 Abs. 1 BSchG: BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - zu B II 2 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 189 = BGB 2002 § 626 Nr. 6). Danach hat der Arbeitgeber bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG, zu denen auch sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG gehören, im Einzelfall die geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen. Welche Maßnahmen er als verhältnismäßig ansehen darf, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. § 12 Abs. 3 AGG schränkt das Auswahlermessen jedoch insoweit ein, als der Arbeitgeber die Benachteiligung zu „unterbinden“ hat. Geeignet im Sinne der Verhältnismäßigkeit sind daher nur solche Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, dh. eine Wiederholung ausschließen (Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 12 Rn. 32; ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 12 AGG Rn. 3).

29

b) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist aber möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 33, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 87 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 73). Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz daraufhin überprüft, ob es den anzuwendenden Rechtsbegriff in seiner allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, aaO; 27. November 2008 - 2 AZR 193/07 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 219).

30

c) Auch unter Beachtung eines in diesem Sinne eingeschränkten Maßstabs hält die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene einzelfallbezogene Interessenabwägung einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, trotz der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 rechtfertige das Fehlverhalten des Klägers keine negative Prognose, ist rechtsfehlerhaft.

31

aa) Die anzustellende Prognose fällt negativ aus, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden muss, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag in Zukunft erneut und in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Ist der Arbeitnehmer wegen gleichartiger Pflichtverletzungen schon einmal abgemahnt worden und verletzt er seine vertraglichen Pflichten gleichwohl erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch weiterhin zu Vertragsstörungen kommen ( BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 64 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 82). Dabei ist nicht erforderlich, dass es sich um identische Pflichtverletzungen handelt (vgl. BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 40, aaO). Es reicht aus, dass die jeweiligen Pflichtwidrigkeiten aus demselben Bereich stammen und somit Abmahnungs- und Kündigungsgründe in einem inneren Zusammenhang stehen (BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 41, aaO; 16. Januar 1992 - 2 AZR 412/91 - zu B I 2 b bb der Gründe, EzA BGB § 123 Nr. 36). Entscheidend ist letztlich, ob der Arbeitnehmer aufgrund der Abmahnung erkennen konnte, der Arbeitgeber werde weiteres Fehlverhalten nicht hinnehmen, sondern ggf. mit einer Kündigung reagieren (HaKo-Fiebig 3. Aufl. § 1 Rn. 233; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 281).

32

bb) Nach diesen Grundsätzen bestand zwischen der der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 zugrunde liegenden Pflichtverletzung und den zur Kündigung führenden Pflichtverstößen ein ausreichender innerer Zusammenhang.

33

(1) Der Kläger war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts mit Schreiben vom 18. Oktober 2007 wegen der Belästigung einer Mitarbeiterin durch einen Schlag auf das Gesäß abgemahnt worden. Die Bewertung dieses Verhaltens als sexuelle Belästigung iSd. § 3 Abs. 4 AGG durch das Landesarbeitsgericht ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei einem Schlag auf das Gesäß handelt es sich um einen Eingriff in die körperliche Intimsphäre, der objektiv als sexuell bestimmt iSv. § 3 Abs. 4 AGG anzusehen ist(vgl. Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 55; v. Roetteken AGG § 3 Rn. 378; AGG/Schleusener 3. Aufl. § 3 Rn. 153; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 77a; Wendeling-Schröder in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 3 Rn. 45). Auf die Motivation des Klägers kam es nicht an.

34

(2) Mit den zur Kündigung führenden verbalen sexuellen Belästigungen trat eine der körperlichen Belästigung gleichartige Unzuverlässigkeit und Grenzüberschreitung des Klägers zu Tage. Es geht in beiden Fällen um ein die Integrität der Betroffenen missachtendes, erniedrigendes Verhalten. Unerheblich ist, in welcher Form sich die Belästigungen äußerten.

35

(3) Die Warnfunktion der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 war nicht etwa auf körperlich belästigendes Verhalten beschränkt. Die Beklagte hatte zum Ausdruck gebracht, dass sie bei einer erneuten Pflichtverletzung die Kündigung erklären werde. Der Kläger konnte ohne Weiteres erkennen, dass die Beklagte die abermalige Belästigung einer Mitarbeiterin - unabhängig davon, ob diese verbal oder durch körperliche Berührung stattfände - nicht hinnehmen und zum Anlass für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nehmen würde.

36

d) Im Hinblick darauf war der Beklagten bei Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Weiterbeschäftigung des Klägers auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar. Eine solche Abwägung durch den Senat selbst ist möglich, weil die des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft ist und alle relevanten Tatsachen feststehen.

37

aa) Die Pflichtverletzung des Klägers wiegt schwer. Er hat eine Mitarbeiterin an zwei Arbeitstagen hintereinander mehrmals sexuell belästigt. Verbale Belästigungen bewegen sich entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht generell in einem „weniger gravierenden Bereich“ des durch § 3 Abs. 4 AGG aufgezeigten Spektrums. Auch die Intensität verbaler Belästigungen kann vielmehr erheblich sein. So liegt es im Streitfall. Der Kläger hat der Mitarbeiterin mit immer neuen Varianten verbaler Anzüglichkeiten zugesetzt. Die Äußerungen fielen bei unterschiedlichsten Gelegenheiten. Es handelte sich nicht etwa um eine einmalige „Entgleisung“. Die Belästigungen erfolgten fortgesetzt und hartnäckig. Der auf eigene körperliche Merkmale anspielende anzügliche Vergleich hatte zudem, ebenso wie das an die Mitarbeiterin gerichtete anzügliche Angebot, bedrängenden Charakter.

38

bb) Der Kläger kann sich nicht auf einen Irrtum über die Unerwünschtheit seiner Verhaltensweise berufen. Sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG erfordern tatbestandlich kein vorsätzliches Verhalten. Zwar wird es zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sein, wenn er sich nachvollziehbar in einem solchen Irrtum befand. Der Kläger setzte aber nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die Belästigungen trotz einer für ihn erkennbar ablehnenden Haltung der Mitarbeiterin fort.

39

cc) Der nochmalige Ausspruch nur einer Abmahnung war kein der Beklagten zumutbares milderes Mittel. Nachdem sich der Kläger die vorhergegangene Abmahnung nicht zur Warnung hatte gereichen lassen, war davon auszugehen, dass dieses Mittel zukünftige Pflichtverletzungen nicht würde verhindern können. Schon aufgrund der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 musste der Kläger für den Fall der erneuten sexuellen Belästigung mit einer Kündigung rechnen. Auch seine langjährige Betriebszugehörigkeit war angesichts dessen nicht mehr geeignet, Erwartungen in seine künftige Zuverlässigkeit zu begründen. Der Umstand, dass sich der Kläger noch vor Ausspruch der Kündigung bei der betroffenen Mitarbeiterin entschuldigt hatte, rechtfertigt keine andere Bewertung. Der Kläger hatte sich dazu erst nach dem Personalgespräch am 4. Juli 2008 und damit unter dem Eindruck einer bereits drohenden Kündigung entschlossen.

40

dd) Der Beklagten war auch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zuzumuten. Die Beklagte hatte gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 AGG die Pflicht, ihr weibliches Personal effektiv vor weiteren sexuellen Belästigungen durch den Kläger zu schützen. Dies konnte sie durch den Ausspruch einer nur ordentlichen Kündigung nicht gewährleisten. Für den Lauf der Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Ende eines Kalendermonats hätte vielmehr die Gefahr einer Belästigung durch den Kläger - möglicherweise gerade verstärkt durch das absehbare Ende des Arbeitsverhältnisses - fortbestanden. Dessen erst nach dem Personalgespräch erfolgter Entschuldigung kommt auch insoweit kein besonderes Gewicht zu. Trotz seiner langjährigen Betriebszugehörigkeit und des relativ hohen Alters des Klägers überwog damit das Interesse der Beklagten an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses dessen Interesse an einer Fortsetzung zumindest für die Dauer der Kündigungsfrist.

41

II. Die Kündigung vom 11. Juli 2008 ist nicht nach § 626 Abs. 2 BGB unwirksam.

42

1. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist dann der Fall, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglichen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 171/09 - Rn. 15, AP BGB § 626 Nr. 231 = EzA BPersVG § 108 Nr. 5; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7).

43

2. Danach hat die Beklagte die Frist gem. § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Die Frist begann am 4. Juli 2008 zu laufen. Nach ihrem vom Kläger nicht bestrittenen Vorbringen hatte die Beklagte an diesem Tag erstmals Kenntnis von den Vorwürfen erlangt. Die Kündigung vom 11. Juli 2008 ist dem Kläger nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten noch an diesem Tag zugegangen.

44

III. Die außerordentliche Kündigung ist nicht wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats unwirksam.

45

1. Eine Kündigung ist gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht nur unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat überhaupt zu beteiligen, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat, vor allem seiner Unterrichtungspflicht nach Satz 2 der Vorschrift nicht ausreichend nachgekommen ist. An die Mitteilungspflicht im Anhörungsverfahren sind dabei nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Darlegungen des Arbeitgebers im Prozess. Es gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Umstände und Gründe für die Kündigung unterbreitet hat (BAG 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - Rn. 13, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 163 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 26; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 16). Dagegen führt eine bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung zu einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats (BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - aaO).

46

2. Danach hat die Beklagte den Betriebsrat mit ihrem Schreiben vom 7. Juli 2008 ausreichend informiert. Sie hat ihm mit der Schilderung des belästigenden Verhaltens des Klägers am 25. und 26. Juni 2008 die aus ihrer Sicht tragenden Gründe für die beabsichtigte Kündigung unterbreitet. Darüberhinaus hat sie den Betriebsrat an „die einschlägige Abmahnung vom 18. Oktober 2007 und an die anderen einschlägigen Hinweise und Abmahnungen aus den letzten Jahren (…) erinnert“. Aus ihrer Sicht enthielt dies auch angesichts des Umstands, dass die früheren Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers bereits entfernt waren, keine unrichtige Information.

47

3. Die Beklagte brauchte nicht den Ablauf der Frist von drei Tagen abzuwarten, die dem Betriebsrat gem. § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG zur Stellungnahme eingeräumt ist. Der Arbeitgeber kann eine Kündigung auch schon vor Fristablauf aussprechen, wenn der Betriebsrat erkennbar abschließend zu der Kündigungsabsicht Stellung genommen hat. Das Anhörungsverfahren ist dann beendet (vgl. BAG 24. Juni 2004 - 2 AZR 461/03 - zu B II 2 b bb der Gründe, AP BGB § 620 Kündigungserklärung Nr. 22 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 9; 15. November 1995 - 2 AZR 974/94 - zu II 2 a der Gründe, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 73 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 89). So liegt der Fall hier. Der Betriebsrat hatte mit Schreiben vom 10. Juli 2008, unterzeichnet vom Betriebsratsvorsitzenden, der Kündigung ausdrücklich und vorbehaltlos zugestimmt.

48

IV. Da die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang am 11. Juli 2008 beendet hat, bleibt die Klage gegen die ordentliche Kündigung zum 28. Februar 2009 schon deshalb ohne Erfolg.

49

V. Als unterlegene Partei hat der Kläger gem. § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten von Berufung und Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Koch    

        

    Rachor    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Dr. Roeckl    

                 

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 10. Dezember 2008 - 3 Sa 781/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch um einen von der Beklagten gestellten Auflösungsantrag. Dabei steht die Frage im Vordergrund, inwieweit als Auflösungsgrund zu Lasten des Klägers das Prozessverhalten seines Anwalts berücksichtigt werden darf.

2

Der Kläger ist seit dem Jahre 1997 bei der Beklagten mit einer durchschnittlichen Monatsvergütung von zuletzt 4.800,00 Euro brutto beschäftigt. Nach mehreren Änderungen der vertraglichen Aufgabenstellung, die seit dem Jahre 2003 auch zu arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen ua. über die Rechtswirksamkeit von Versetzungen führten, war der Kläger seit Mitte Juni 2006 als „Leiter internes Help Desk“ tätig.

3

Mit Schreiben vom 22. August 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers ordentlich zum 31. Dezember 2007 und stellte den Kläger zeitgleich unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit frei.

4

Das Arbeitsgericht hat der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage stattgegeben. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte hilfsweise beantragt,

        

das Arbeitsverhältnis durch Urteil des Gerichts gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, aufzulösen.

5

Diesen Antrag hat sie damit begründet, der Kläger habe ihr fortwährend zu Unrecht rechtswidriges und gesetzwidriges Verhalten unterstellt. Seinem früheren Vorgesetzten habe er unterstellt, dieser werde im Prozess die Unwahrheit sagen, nur um seine Kündigung zu erreichen. Der Kläger habe unter anderem behauptet, sie habe seine „Degradierung“ betrieben, ihn in ein „Sterbezimmer“ versetzt, versucht ihn mit „Kettenversetzungen“ „mürbe zu machen“ und insgesamt ein typisches Muster des „Weichkochens“ mit ihm betrieben. Alles gipfele in der vom Klägervertreter selbst als solche bezeichneten „rhetorischen“ Frage, „ob überhaupt irgend ein Vortrag der Beklagten der Wahrheit entspreche“. Schließlich habe der Kläger durch seinen Anwalt aus dem erstinstanzlichen Urteil eine Zwangsvollstreckung mit dem Ziel der Weiterbeschäftigung betrieben, ohne dass ein derartiger Anspruch tituliert gewesen sei.

6

Der Kläger hat beantragt, den Auflösungsantrag der Beklagten zurückzuweisen. Gründe für eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses lägen nicht vor. Sein prozessualer Vortrag sei aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Einzelne, von der Beklagten gerügte Formulierungen seien der besonderen Emotionalität geschuldet, mit der der Rechtsstreit von beiden Seiten geführt werde, und müssten daher auch unter diesem Gesichtspunkt gewürdigt werden.

7

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten einschließlich des Auflösungsantrags zurückgewiesen. Mit der vom Senat für den Auflösungsantrag zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte diesen Antrag weiter.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist unbegründet. Die angefochtene Entscheidung steht zwar mit § 9 KSchG nicht in vollem Einklang. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht den Auflösungsantrag nicht zurückweisen (I.). Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich aber auch bei Beachtung der vom Senat in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsätze als richtig (II.).

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I. Ein Auflösungsgrund für den Arbeitgeber nach § 9 KSchG kann auch in einem Verhalten des Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers liegen, das letzterer nicht veranlasst hat.

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1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht nach erfolgreicher Kündigungsschutzklage auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Die nach Auffassung des Arbeitgebers maßgeblichen Gründe sind von ihm im Prozess vorzutragen und - falls bestritten - zu beweisen. Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses kommt nach der Konzeption des Gesetzes nur ausnahmsweise in Betracht. Dass allerdings auch die während des Kündigungsschutzprozesses auftretenden Spannungen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen können, ist dem Gesetz nicht fremd (Senat 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 42 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163).

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a) Auflösungsgründe für den Arbeitgeber gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG können solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die objektive Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz beim Arbeitgeber die Besorgnis aufkommen lassen kann, dass die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist (vgl. Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 297/09 - Rn. 13; 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45). Als Auflösungsgrund geeignet sind danach etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen. Auch das Verhalten eines Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bedingen. Dies gilt für vom Arbeitnehmer nicht veranlasste Erklärungen des Prozessbevollmächtigten jedenfalls dann, wenn er sich diese zu eigen macht und sich auch nachträglich nicht von ihnen distanziert (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 297/09 - mwN; 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163).

12

b) Zu berücksichtigen ist allerdings, dass gerade Erklärungen im laufenden Kündigungsschutzverfahren durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können. So hat der Senat etwa die schriftsätzliche Äußerung eines Klägers, ihm sei „ganz erhebliches Unrecht geschehen durch eine als betriebsbedingt vorgeschobene Kündigung“, als regelmäßig durch berechtigte Interessen des Arbeitnehmers gedeckt angesehen (vgl. Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 297/09 -; 23. Februar 2010 - 2 AZR 554/08 - Rn. 31 mwN, EzA KSchG § 9 nF Nr. 58).

13

2. An diesen Vorgaben gemessen trägt die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung nicht das von ihm gefundene Ergebnis.

14

a) Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, den vom Prozessbevollmächtigten des Klägers unternommenen Zwangsvollstreckungsversuch als „rein prozessuales Verhalten“ des Anwalts dem Kläger von vornherein nicht zurechnen zu dürfen. Diese Begründung beachtet nicht ausreichend, dass nach der Rechtsprechung des Senats auch prozessuales Verhalten seines Anwalts dem Arbeitnehmer im Rahmen des § 9 KSchG zugerechnet werden kann. Vom Prozessverhalten ein „rein prozessuales“ Verhalten des Bevollmächtigten abzuschichten, ist nicht gerechtfertigt. Es mag zwar prozessuale Bereiche geben, deren Funktionsweise der juristische Laie schwer nachvollziehen kann. Indes zeigt § 85 Abs. 2 ZPO, dass eine Aufteilung des Prozessrechts in solche Gebiete, für die eine Zurechnung des anwaltlichen Handelns geboten ist, und solche, für die eine Zurechnung zu unterbleiben hat, nicht mit der Vorstellung des Gesetzgebers übereinstimmt.

15

b) Was die Prozessführung im Übrigen betrifft, hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die Emotionalisierung des Klägers sei möglicherweise auf seinen Prozessbevollmächtigten „übergesprungen“ und dafür könne der Kläger nicht verantwortlich gemacht werden. Da es auf die objektive Lage ankommt, berechtigt jedoch auch eine besondere Gefühlslage des Prozessbevollmächtigten nicht dazu, die Zurechnung seiner etwaigen verbalen Entgleisungen im Rahmen von § 9 KSchG von vornherein auszuschließen.

16

c) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, eine längere Betriebszugehörigkeit falle bei der Gewichtung des Auflösungsgrundes ohne Weiteres in die Waagschale, ist unzutreffend. Die Frage der Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist zukunftsbezogen zu beantworten. Das schließt es aus, der Betriebszugehörigkeit als solcher ohne nähere Betrachtung der mit ihr verbundenen Einschätzungen des künftigen betriebsdienlichen Zusammenwirkens Bedeutung beizumessen.

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II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich aus anderen Gründen dennoch als richtig. Der Auflösungsantrag ist unbegründet. Tatsachen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht erwarten ließen, liegen nicht vor.

18

1. Der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers angestrengte Vollstreckungsversuch kommt als Auflösungsgrund nicht in Betracht. Der Kläger hatte in erster Instanz keinen Beschäftigungsantrag gestellt. Folglich enthielt das Urteil des Arbeitsgerichts keinen Beschäftigungstitel. Der Versuch, einen nicht vorhandenen Titel - unter Vorlage des Urteils, aus dem sich dessen Fehlen ergab - zu vollstrecken, war daher von Anfang an und offensichtlich zum Scheitern verurteilt. Er konnte die Beklagte nicht im Ernst berühren, sondern allenfalls dem Kläger finanziellen Schaden und seinem Prozessbevollmächtigten eine Beeinträchtigung seines juristischen Rufs eintragen. Irgendeinen Rückschluss auf eine zu erwartende Störung des Leistungsaustauschs im Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien lässt diese anwaltliche Fehlleistung nicht zu. Zu einer solchen Störung der Zusammenarbeit hat die Beklagte auch nichts vorgetragen.

19

2. Die übrigen von der Beklagten benannten Tatsachen scheiden schon deshalb als Auflösungsgründe aus, weil es sich insoweit um Prozessvortrag handelt, der durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt ist. Die Formulierungen des Klägervertreters sind zwar an einigen Stellen zugespitzt und weisen einen beißenden und scharfen Ton auf. Sie stehen aber stets in einem sachlich nachvollziehbaren Bezug zu den maßgeblichen rechtlichen Fragen und übertreten weder im Inhalt noch in der Form die Grenze zu persönlicher Schmähung, Gehässigkeit oder Lüge.

20

a) Zu beachten ist, dass der vorliegende Prozess vor dem Hintergrund einer bei Kündigung schon seit etwa vier Jahren auch gerichtlich ausgetragenen Auseinandersetzung (drei Versetzungen, vier Abmahnungen) um das Arbeitsverhältnis geführt wurde. Dabei hatte eine Kammer des Arbeitsgerichts bereits im Rechtsstreit über die erste Versetzung die Einschätzung geäußert, der Kläger solle offenbar von der Beklagten „weichgekocht“ werden. Diesen Ausdruck hat der Klägervertreter in seinem Schriftsatz vom 31. Januar 2008 in Anführungszeichen zitiert. Er hat ihn jedenfalls auf den ersten Blick dadurch als plausibel erscheinen lassen, dass er vortrug, der Kläger sei mit der damals streitigen Versetzung vom Abteilungsleiter zum Sachbearbeiter degradiert und in ein Praktikantenbüro umgesetzt worden. Der Klägervertreter hat dieses sodann als öffentliches „Sterbezimmer“ apostrophiert. Diese Ausdrucksweise ist zwar bildhaft und polemisch, aber weder beleidigend noch ungehörig. Vor dem Hintergrund des Eindrucks, der sich dem Bevollmächtigten durch die Vorgehensweise der Beklagten offenbar aufdrängte, überschreitet sie nicht die Grenzen erlaubter Härte. Sowohl die Ausdrücke „weichkochen“ und „Sterbezimmer“ als auch der Ausdruck „mürbe machen“ sind erkennbar nicht wörtlich gemeinte, sondern bildhafte, umgangssprachlich geläufige Wendungen, mit denen dem Arbeitgeber anschaulich eine gewisse Unnachgiebigkeit bei der Verfolgung seines Ziels zugeschrieben wird. Dabei geht es hier nicht darum, ob die geäußerten Einschätzungen zutreffen, sondern allein, ob sie geäußert werden durften.

21

b) Soweit der Klägervertreter den Wahrheitsgehalt des Vorbringens der Beklagten angezweifelt hat, ist dies - abgesehen davon, dass auch die Beklagte dem Kläger wiederholt unwahren Vortrag vorhielt - nicht zu beanstanden. Er hat sich dabei in den Grenzen des § 138 ZPO gehalten. Der Bevollmächtigte durfte auch die - dem Kläger nicht aus eigener Beobachtung bekannten - Behauptungen der Beklagten zum Zustandekommen der unternehmerischen Entscheidung in Zweifel ziehen. Solche Zweifel lagen aus seiner Sicht deshalb besonders nahe, weil die Beklagte den Kläger erst im Frühjahr 2006 auf eben die Stelle versetzt hatte, deren Wegfall sie kurze Zeit später, nämlich im Herbst 2006 zunächst einleitete, dann aber bis Mitte 2007 verschob. In diesem Zusammenhang und unter dem Eindruck der seit 2003 andauernden zähen Auseinandersetzungen ist es dem Klägervertreter nicht vorzuwerfen, dass er die - bei betriebsbedingten Kündigungen vom Arbeitnehmer zu begründende - Möglichkeit des Missbrauchs der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit ansprach. Dazu mag er sich aus anwaltlicher Vorsorge sogar gehalten gesehen haben. In ähnlicher Weise durfte der Klägervertreter auch Zweifel des Gerichts an der von der Beklagten behaupteten Möglichkeit wecken oder bereits geweckte Zweifel wach halten, der betreffende Kollege sei in der Lage, die vorher vom Kläger ausgeübte Tätigkeit in dem von der Beklagten behaupteten Umfang alleine zu verrichten.

22

c) Entgegen der Darstellung der Beklagten hat der Kläger weder ihr noch den von ihr benannten Zeugen unterstellt, sie hätten die Absicht zu „lügen“. Er hat - bezogen auf einzelne Personen - lediglich in freilich süffisanten Wendungen darauf hingewiesen, dass sie - gleichsam im Lager der Beklagten stehend - an deren Auseinandersetzungen mit dem Kläger beteiligt seien. Dies ist ein möglicherweise unhöflicher, aber doch nicht verleumderischer oder ehrabschneidender Hinweis an das Gericht, im Falle einer Beweisaufnahme Bedacht auf die Frage der Glaubwürdigkeit der Zeugen zu nehmen.

23

d) Ebenso fügt sich in das Bild eines von Seiten des Klägervertreters zwar hart, aber nicht ungehörig geführten Rechtsstreits die von ihm selbst als rhetorisch apostrophierte und erkennbar nicht ernst gemeinte Formulierung, es frage sich, ob überhaupt etwas Wahres am Vortrag der Beklagten sei.

24

e) Alle diese Umstände lassen keine negativen Rückschlüsse auf das Arbeitsverhältnis und gedeihliche Zusammenwirken der Parteien zu. Die Beklagte hat nicht einmal ansatzweise dargelegt, inwiefern sich die Prozessführung, soweit sie sie beanstandet hat, auf den Leistungsaustausch im Arbeitsverhältnis negativ auswirken soll. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers setzt die Prognose einer schweren Beeinträchtigung des Austauschverhältnisses voraus (Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 20, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57). Davon kann hier nach dem Vortrag der Beklagten und den Feststellungen des Berufungsgerichts keine Rede sein. Störungen des erforderlichen Vertrauens, die der weiteren wechselseitigen Erfüllung der Vertragspflichten und dem Zusammenwirken zum Wohl des Betriebs entgegenstünden, sind nicht ersichtlich; zumindest haben sie sich nicht in greifbaren Tatsachen niedergeschlagen.

25

III. Die Kosten ihrer erfolglosen Revision fallen nach § 97 Abs. 1 ZPO der Beklagten zur Last.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Krichel    

        

    Pitsch    

                 

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Als Abfindung ist ein Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen.

(2) Hat der Arbeitnehmer das fünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens fünfzehn Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu fünfzehn Monatsverdiensten, hat der Arbeitnehmer das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens zwanzig Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu achtzehn Monatsverdiensten festzusetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer in dem Zeitpunkt, den das Gericht nach § 9 Abs. 2 für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses festsetzt, das in der Vorschrift des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch über die Regelaltersrente bezeichnete Lebensalter erreicht hat.

(3) Als Monatsverdienst gilt, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet (§ 9 Abs. 2), an Geld und Sachbezügen zusteht.

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.