Landesarbeitsgericht Hamm Urteil, 17. Feb. 2016 - 3 Sa 1331/15
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 31.08.2015 – 4 Ca 1950/14 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Vergütung für Umkleide und innerbetriebliche Wegezeiten.
3Der Kläger ist seit dem 06.11.2002 bei der Beklagten beschäftigt. Er ist in der Abteilung Wartung Konfitüre eingesetzt.
4Grundlage der Beschäftigung ist ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 06.11.2002. Dieser sieht in § 1 Abs. 5 und 6 folgende Regelung vor:
5„Aufgrund der bei der Produktion von Lebensmitteln geltenden Hygieneverordnung ist jeder Arbeitnehmer verpflichtet, den Dienst täglich mit sauberer und vollständiger Dienstkleidung anzutreten und zu erfüllen. Die Bedienung der Zeiterfassungsanlage, d.h. das An-und Abstempeln hat ausschließlich persönlich und zwar immer in einwandfreier Dienstkleidung zu erfolgen.
6Die Wegezeiten zu bzw. von den Stempeluhren oder Pausenräumen sind leistungsentgeltfrei.“
7Die Beklagte hat in einer Arbeitsanweisung zum Hygienestandard, gültig ab 01.02.2011, unter anderem festgelegt, dass die Arbeitnehmer bereitgestellte Kleidung tragen oder bereitzustellende Arbeitskleidung an die Erfordernisse anpassen müssen, ferner ihre Arbeitskleidung erst in den im Firmengelände bereitgestellten Sozialräumen anziehen dürfen und ein Tragen der Arbeitskleidung für private Zwecke nicht erlaubt ist. Ferner ist festgelegt, dass die geforderten Standards der Arbeitskleidung aus Sicherheitsschuhen, T-Shirts oder Pullover, Latzhosen mit Firmen- Emblem und ohne Außentaschen, Jacken und Kittel mit Emblem und ohne Außentaschen sowie einer Kopfbedeckung bestehen. Auch in dieser Arbeitsanweisung befindet sich erneut die Vorgabe, dass jeder Arbeitnehmer verpflichtet ist, den Dienst täglich mit sauberer und vollständiger Dienstkleidung anzutreten und das Bedienen der Zeiterfassungsanlage immer in einwandfreier Kleidung zu erfolgen hat. Ebenso ist geregelt, dass die Kleidung nicht mit nach Hause genommen werden darf, in den dafür vorgesehenen Sozialräumen vor Arbeitsbeginn anzuziehen und nach Arbeitsende dort wieder auszuziehen und abzulegen ist. Im einzelnen wird auf die entsprechende Arbeitsanweisung (Bl. 29-31 GA) Bezug genommen.
8In der Zeit von Januar 2011 bis einschließlich Dezember 2014 war der Kläger an insgesamt 737 Arbeitstagen tätig.
9In der Zeit vom 01.01.2011 bis zum 30.09.2012 betrug der Stundenlohn des Klägers 13,07 € brutto, danach 14,07 € brutto.
10Mit der vorliegenden, unter dem 19.12.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger Vergütung für das Umkleiden und den Weg zum Arbeitsplatz.
11Er hat die Auffassung vertreten, der in Rede stehenden Zeiten seien aufgrund der Arbeitsanweisung mit Hygienestandards zu vergüten.
12Ein Anspruch sei auch nicht nach § 1 Abs. 6 des Arbeitsvertrages ausgeschlossen, da von der dortigen Klausel Umkleidezeiten schon gar nicht erfasst würden. Zudem sei die Regelung intransparent und unklar, wenn die Rede davon sei, dass bestimmte Zeiten leistungsentgeltfrei seien, er jedoch gar nicht im Leistungslohn arbeite
13Hinsichtlich der geltend gemachten Zeiten schildert der Kläger den Ablauf wie folgt:
14Er habe das Betriebsgelände am so genannten Tor 3 zu betreten, wo er zunächst ein Gebäude aufzusuchen habe, um sich dort saubere Hygieneschutzkleidung zu holen. Sodann habe er einen Weg von etwa 30 m zu den Umkleideräumen zurückzulegen, hier die Hygieneschutzkleidung anzulegen und jeglichen Schmuck abzulegen. Sodann müsse er zum Pförtner gehen. Hier bilde sich regelmäßig eine Schlange, weil sich eine Vielzahl von Arbeitnehmern zeitgleich zum Betreten des Betriebsgeländes anmelde. Hier werde vom Pförtner registriert, wer das Betriebsgelände betrete. Anschließend müsse er 38 Treppenstufen hinaufsteigen, um eine Gangway zu betreten. Diese verlasse er nach einer Wegstrecke von 600-700 m und müsse eine Treppe hinunter gehen, um noch 40-50 m in ein Betriebsgebäude zurückzulegen, um hier die Stempeluhr zu betätigen, die den Beginn der Arbeitszeit erfasse. Bei Schichtende erfolge der umgekehrte Weg.
15Die täglich anfallenden Zeiten bemisst der Kläger mit 36 Minuten.
16Der Kläger hat beantragt,
17die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.219,57 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB ab Klageerhebung zu zahlen.
18Die Beklagte hat beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Sie hat einen Anspruch für nicht gegeben erachtet.
21Zum einen lege der Kläger nicht schlüssig dar, warum es sich bei den geltend gemachten Zeiten um vergütungspflichtige Arbeitszeit handeln solle.
22Umkleide- und Wegezeiten fielen auch nicht im Umfang von 36 Minuten, sondern lediglich im Umfang von 24 Minuten täglich an.
23Jedenfalls aber sei ihrer Meinung nach ein Anspruch ohnehin aufgrund der Regelung in § 1 Abs. 6 des Arbeitsvertrages ausgeschlossen. Eine solche Vereinbarung sei wirksam, da die Parteien Leistung und Gegenleistung grundsätzlich frei bestimmen dürften. Bedenken gegen die Wirksamkeit der Klausel ergäben sich auch nicht daraus, dass bei Bestimmungen zu Überstunden eine bestimmte Höchstgrenze zu vereinbaren sei; denn vorliegend gebe es eine Begrenzung anfallender Zeiten, die allein durch die örtlichen Gegebenheiten resultierten.
24Das Arbeitsgericht hat eine Inaugenscheinnahme darüber durchgeführt, wie viele Minuten der Kläger benötigt, um von der Ausgabestelle der Hygieneschutzkleidung zu seinem Arbeitsplatz zu gelangen, einschließlich der Zeit, die für das Umkleiden mit der Hygieneschutzkleidung benötigt wird. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf die Niederschrift vom 31.08.2015 (Bl. 44, 45 GA) Bezug genommen.
25Mit Urteil vom 31.08.2015 hat das Arbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung von 4.665,42 € brutto nebst Zinsen verurteilt und im übrigen die Klage abgewiesen.
26Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe einen Anspruch auf Vergütung für die aufgewendeten Umkleide-und innerbetrieblichen Wegezeiten aus § 612 Abs. 1 BGB. Bei diesem handele es sich um Zeiten, die der Kläger über seine Sollarbeitszeit hinaus geleistet habe. Da eine vertragliche Vereinbarung nicht ersichtlich sei, komme als Anspruchsgrundlage nur § 612 Abs. 1 BGB in Betracht. Bei den Umkleide-und innerbetrieblichen Wegezeiten handele es sich um vergütungspflichtige Arbeitszeit. Arbeit sei jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses diene. Dazu gehöre auch das Umkleiden für die Arbeit, da der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibe und das Umkleiden im Betrieb erfolgen müsse. Aus der Weisung, die ein Anliegen der Arbeitskleidung zu Hause und ein Tragen auf dem Weg zur Arbeit ausschließe, ergebe sich, dass es sich um eine fremdnützige Handlung handele. Vor allem aber diene das Tragen der Berufskleidung primär hygienischen Zwecken und damit insbesondere betrieblichen Belangen. In diesem Fall beginne die Arbeit mit dem Umkleiden.
27Der Kläger habe jedoch nur einen Anspruch auf Vergütung von 27 Minuten je Arbeitstag. In welchem zeitlichen Umfang Umkleide-und innerbetrieblichen Wegezeiten zur Arbeit zählten, bestimme sich nach allgemeinen Grundsätzen. Nur die Zeit, die für den einzelnen Arbeitnehmer unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit erforderlich sei, sei als Arbeitszeit zu werten. Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast seien die allgemeinen Grundsätze anzuwenden. Stehe fest, dass Überstunden auf Veranlassung des Arbeitgebers geleistet worden sein, könne das Gericht den Mindestumfang geleisteter Überstunden auch schätzen. Vor diesem Hintergrund habe die Kammer die aufzuwendende Zeiten auf 27 Minuten geschätzt. 5 Minuten seien dabei für den Vorgang von der Ausgabestelle der Kleidung über das Umziehen bis zum Gang zum Pförtner angesetzt worden. Für den Weg vom Pförtner zu der für den Kläger maßgeblichen Stempeluhr sei dann ein Zeitaufwand von 8 Minuten und 30 Sekunden maßgeblich, die Kammer habe den Weg mit den Parteien gemeinsam abgelaufen. Soweit der Kläger weitere Zeiten geltend mache, sei er auf die Voraussetzung für die Darlegung von Überstunden außerhalb einer Schätzung zu verweisen.
28Dem Anspruch stehe auch nicht die Regelung in § 1 des Arbeitsvertrages entgegen, bei der es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handele. Schon die Formulierung, dass die genannten Wegezeiten „leistungsentgeltfrei“ seien, sei nicht klar verständlich. Die Regelung könne auch dahingehend verstanden werden, dass für diese Zeiten bestimmte leistungsabhängige Vergütungsbestandteile nicht hätten geleistet werden sollen. Selbst wenn man die Regelung nicht für unklar halte, ergebe sich die Unwirksamkeit der Regelung aus § 307 Abs. 1 BGB, weil die Bestimmung nicht klar und verständlich sei. Eine pauschale Vergütung von Mehrarbeit regelnde Klausel sei nur dann klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrage selbst ergebe, welche Arbeitsleistungen von ihr erfasst werden sollten. Bei der Pauschalabgeltung innerbetrieblicher Wegezeiten seien dieselben Grundsätze anzuwenden. Eine konkrete Festlegung sei auch nicht deshalb entbehrlich, weil sämtliche Wegezeiten durch die örtlichen Gegebenheiten begrenzt seien. Denn der Arbeitnehmer kenne bei Unterzeichnung des Arbeitsvertrages wieder die konkrete Größe des Betriebsgeländes, noch wisse er, welche Wegstrecken er zurückzulegen habe.
29Gegen das unter dem 07.09.2015 zugestellte Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe im übrigen Bezug genommen wird, hat die Beklagte unter dem 14.09.2015 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese unter dem 05.11.2015 begründet.
30Ihrer Meinung nach sei die Klage insgesamt abzuweisen. Dem Anspruch stehe schon die Regelung in § 1 letzter Absatz des Arbeitsvertrages entgegen.
31Richtig sei, dass der Wortlaut dieser Vereinbarung Umkleidezeiten nicht erfasse, Willenserklärungen seien jedoch entsprechend ihrem Sinn und Zweck und der Verkehrsanschauung auszulegen. Es widerspreche jeglichem vernünftigen Sinn und Zweck, eine Regelung zu treffen, wonach die Wegezeiten leistungsentgeltfrei sein sollten, Umkleidezeiten jedoch nicht. Ab Bedienen der Stempeluhr habe der Kläger eine Vergütung erhalten sollen, nach Bedienen der Stempeluhr beim Arbeitsende nicht mehr. Damit ergebe sich automatisch, dass nicht nur Wegezeiten, sondern auch Umkleidezeiten nicht hätten vergütungspflichtig sein sollen. Für eine Unklarheitenregelung bleibe daher kein Raum.
32Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei die Formulierung „leistungsentgelt frei“ nicht als unklar anzusehen. Dies gelte insbesondere unter dem Aspekt, dass der Arbeitsvertrag der Parteien neben dem klaren Zeitlohn nochmals ausdrücklich regele, dass zusätzlich keine weiteren Sonderleistungen erfolgten. Mit der Formulierung könne daher nur die im Arbeitsvertrag geschuldete Vergütung gemeint sein.
33Die Wirksamkeit der Klausel scheitere auch nicht daran, dass dem Kläger bei Unterzeichnung des Arbeitsvertrages nicht klar gewesen sei, in welchem zeitlichen Umfang er Wege-oder Umkleidezeiten ohne Entgelt zu erbringen gehabt habe. Das Betriebsgelände sei räumlich begrenzt. Die Größe des Betriebsgeländes sei dem Kläger bei Abschluss des Arbeitsvertrages bekannt gewesen.
34Ein Anspruch scheitere ihrer Meinung nach zudem schon daran, dass ein solcher verwirkt sei. Das Zeitmoment folge daraus, dass der Kläger während des bestehenden Arbeitsverhältnisses zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Vergütungsansprüche geltend gemacht habe. Das Umstands- und Zumutbarkeitsmoment liege darin, dass der Kläger über einen längeren Zeitraum die monatlich abgerechnete Vergütung entgegengenommen habe, ohne deutlich zu machen, dass er davon ausgehe, ihm sei eine Vergütung für Umkleide-und Wegezeiten zu zahlen.
35Hinsichtlich des Umfangs seien ihrer Meinung nach statt der vom Arbeitsgericht zugrunde gelegten 27 Minuten nur 25 Minuten und 40 Sekunden anzusetzen. Hierbei handele sich um den Mittelwert der jeweils im Rahmen der Inaugenscheinnahme durch unterschiedliche Personen aufgewendeten Zeiten. Insoweit stellt die Beklagte grundsätzlich nicht in Abrede, dass es im alltäglichen Betrieb im Bereich der Umkleiden sowie der Werkstore zu geringfügigen Verzögerungen kommen mag, diese hätten jedoch nicht ins Blaue hinein geschätzt werden dürfen.
36Die Beklagte beantragt,
37unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Paderborn vom 31.08.2015 die Klage insgesamt abzuweisen.
38Der Kläger beantragt,
39die Berufung zurückzuweisen.
40Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil dahingehend, das Arbeitsgericht habe zutreffend angenommen, ein Anspruch sei nicht durch W§ 1 des Arbeitsvertrags ausgeschlossen. Zutreffend sei das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass die Vertragsklausel intransparent sei. Hierzu nehme das Arbeitsgericht zutreffend an, dass der Regelung nicht mit der notwendigen Klarheit entnommen werden könne, ob für Zeiten eine arbeitsvertragliche Vergütung zu leisten sei oder nicht. Unter „Leistungsentgelt“ würden üblicherweise Leistungsprämien für erreichte Stückzahlen oder Ähnliches verstanden.
41Des Weiteren sei die Regelung unklar, als das bei der Beklagten zwei Stempeluhren vorhanden sein, Arbeitnehmer zunächst bei Betreten des Betriebsgeländes an der Pförtnerloge und sodann nach dem Umziehen und zum Zurücklegen des Weges zur Arbeitsstätte dort noch einmal zu stempeln hätten. Es erschließe sich nicht, welche Stempeluhr gemeint sein solle.
42Ohnehin verbleibe es dabei, dass Umkleidezeiten in dem Arbeitsvertrag ausdrücklich nicht erwähnt seien.
43Auch sei die Klausel jedenfalls im Hinblick darauf unwirksam, dass gegebenenfalls mit dem Entgelt abgegoltenen Überstunden nicht konkret benannt worden seien. Es sei nicht ersichtlich, woraus sich ergeben solle, dass ihm bei Unterzeichnung des Arbeitsvertrages bekannt gewesen sei, in welchem Umfang Zeiten abgegolten sein sollten.
44Eine Verwirkung von Ansprüchen sei nicht anzunehmen. Es fehle jedenfalls am Umstandsmoment, da die Beklagte ihr selbst davon ausgegangen sei, Ansprüchen nicht ausgesetzt zu sein.
45Schließlich habe das Arbeitsgericht auch den Anspruch der Höhe nach zutreffend ermittelt.
46Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
47Entscheidungsgründe
48Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.
49A.
50Durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung sind nicht gegeben.
51Die Berufung ist statthaft gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 b) ArbGG.
52Die Berufung ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 517 ff. ZPO.
53B.
54Die Berufung der Beklagten ist jedoch nicht begründet.
55Der Kläger hat einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte in der vom Arbeitsgericht ausgeurteilten Höhe.
56Das Anlegen von Dienstkleidung stellt sich als vergütungspflichtige Arbeitszeit dar (I.), ein Vergütungsanspruch ist nicht durch arbeitsvertragliche Regelung ausgeschlossen (II.). Eine Verwirkung des Zahlungsanspruchs ist nicht gegeben (III.). Ein Anspruch besteht dabei in der vom Arbeitsgericht angenommene Höhe (IV.).
57I.
58Der Vergütungsanspruch des Klägers ergibt sich jedenfalls bereits aus § 611 Abs. 1 BGB, da die Verpflichtung, in bestimmter Kleidung die eigentliche Tätigkeit aufzunehmen, zum Inhalt und Umfang der vereinbarten Arbeitszeit zählt. Ob es sich bei den geltend gemachten Stunden daneben um Mehrarbeit über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus handelt, die ggfs. mit Zuschlägen zu vergüten ist, kann dahinstehen, da der Kläger nur die Grundvergütung in Höhe des vereinbarten Stundenlohns geltend macht.
591.
60Die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers knüpft nach § 611 Abs. 1 BGB allein an die Leistung der versprochenen Dienste an und ist unabhängig von der arbeitszeitrechtlichen Einordnung der Zeitspanne, während derer der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung erbringt. Zu den „versprochenen Diensten“ iSv. § 611 BGB zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Der Arbeitgeber verspricht regelmäßig die Vergütung für alle Dienste, die er dem Arbeitnehmer aufgrund seines arbeitsvertraglich vermittelten Direktionsrechts abverlangt. „Arbeit“ als Leistung der versprochenen Dienste iSd. § 611 Abs. 1 BGB ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (so zuletzt BAG 19.03.2014, 5 AZR 954/123 unter Hinweis auf BAG 19.09.2012, 5 AZR 678/11 und BAG 12.12.2012, 5 AZR 355/12).
61Umkleidezeiten gehören danach zur vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung, wenn das Umkleiden einem fremden Bedürfnis dient und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis erfüllt ( BAG 17.11.2015, 1 ABR 76/13).
622.
63Unter Berücksichtigung dieser Kriterien gehört das An-und Ablegen der Kleidung, das die Beklagte dem Kläger aufgrund von Hygieneregelungen als Vorgaben gemacht hat, zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit.
64a)
65Das Anlegen einer bestimmten Kleidung hängt mit der eigentlichen Tätigkeit des Klägers innerhalb der Produktion unmittelbar zusammen.
66Die Beklagte hat dem Kläger im Arbeitsvertrag ausdrücklich vorgegeben, den täglichen Dienst mit sauberer und vollständiger Dienstkleidung anzutreten und zu erfüllen. Bereits bei Beginn der Tätigkeit ist dem Kläger vorgegeben, das Anstempeln in einwandfreier Dienstkleidung vorzunehmen. Diese arbeitsvertragliche Verpflichtung steht in Einklang mit der Verpflichtung der Arbeitnehmer aus der vorgegebenen Arbeitsanweisung zum Hygienestandard, die hinsichtlich der geforderten Standards für Arbeitskleidung nach Ziffer 3.2 Mitarbeiter der Produktion und die, welche die Produktion regelmäßig aufsuchen, erfasst. Welche Kleidung anzulegen ist, regelt ebenfalls die Arbeitsanweisung in vorgenannter Ziffer. Arbeitskleidung darf dabei nach Ziffer 3.1. erst in den im Firmengelände bereitgestellten Sozialräumen angezogen werden und muss nach Ende der Arbeitszeit abgelegt werden. Ein Mitnehmen nach Hause ist untersagt. Tätig werden darf der Kläger danach nur in der vorgesehenen Kleidung.
67b)
68Damit werden die Arbeitnehmer auch angewiesen, in bestimmten Räumlichkeiten die Dienstkleidung an- und abzulegen. Dies gehört somit zur vertraglichen Verpflichtung des Klägers.
69c)
70Das An- und Ablagen der Dienstkleidung dient auch ausschließlich den Interessen der Beklagten. Hat die Beklagte dem Kläger vorgegeben, die Arbeitskleidung an einem bestimmten Ort im Betrieb erst anzulegen und dort wieder abzulegen, handelt sich somit um einen Vorgang, der der Befriedigung eines Bedürfnisses der Beklagten, insbesondere zur Einhaltung von Hygienevorgaben, dient.
71II.
72Ein Anspruch des Klägers auf Vergütung von Umkleidezeiten einschließlich hierzu erforderlicher innerbetrieblicher Wegezeiten ist nicht durch die Regelung der Parteien im letzten Absatz des § 1 des maßgeblichen Arbeitsvertrages ausgeschlossen. Die dortige Regelung erfasst Umkleidezeiten einschließlich hierzu erforderlicher Wegezeiten nicht. Dies ergibt die Auslegung dieser Klausel.
731.
74Unter den Parteien besteht kein Streit darüber, dass es sich bei der vertraglichen Regelung um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff BGB handelt. Wortgleiche Verträge liegen bei einer Vielzahl von Arbeitnehmern vor.
75Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zulegen sind.
76Soweit auch der mit dem Vertrag verbundene Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten: Bleiben nach Erwägung dieser Umstände Zweifel, geht dies nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders ( BAG 31.08.2005, EzA ArbZG § 6 Nr. 6;. BAG 09.11.2005, EzA BGB 2002 § 305c Nr. 3; BAG 19.07.2007, EzA BGB 2002 § 623 Nr. 7 ).
772.
78Unter Berücksichtigung dieser Kriterien liegt keine Vereinbarung der Parteien dahingehend vor, dass erforderliche Umkleidezeiten einschließlich hierzu anfallender Wegezeiten nicht vergütet werden sollen.
792.1.
80Ein fehlender Ausschluss einer Vergütungspflicht folgt allerdings nach Auffassung der Kammer nicht bereits daraus, dass für solche Zeiten lediglich ein Leistungsentgelt unberücksichtigt bleiben soll.
81Die Beklagte hat im letzten Absatz des § 1 zwar eine Bezeichnung gewählt, die vom reinen Wortlaut auf den ersten Blick ein Verständnis nahe legen könnte, nur solche Vergütungsbestandteile sollten nicht gewährt werden, die an eine bestimmte Leistung des Arbeitnehmers anknüpfen und damit leistungsabhängig sind, womit ein Zeitlohn nicht erfasst wäre.
82Die maßgebliche Passage spricht aber schon nicht von einem „Leistungslohn“ als einer Vergütungsart, wie er im gewerblichen Bereich oft für eine an eine bestimmte Leistung des Arbeitnehmers anknüpfende Vergütung gebräuchlich ist, sondern von einem „Leistungsentgelt“ und knüpft daher eher an den Begriff der Leistung aus § 611 Abs. 1 BGB an, für die die vereinbarte Vergütung gezahlt werden soll.
83Der erkennbare Zweck dieser Regelung liegt zudem darin, dort genannte Zeiten insgesamt von einer Vergütung frei zu halten. Dies macht der Zusammenhang deutlich, dass nach dem vorhergehenden Absatz das Anstempeln hinsichtlich der berücksichtigungsfähigen Arbeitszeit persönlich und bereits in Dienstkleidung erfolgen soll. Wenn im Zusammenhang damit geregelt wird, Wegezeiten zu den Stempeluhren seien „leistungsentgeltfrei“, wird damit ausreichend deutlich, dass die Beklagte damit jegliche Vergütung hierfür ausschließen wollte.
84Dies ergibt sich auch daraus, dass der Kläger zudem im Zeitlohn beschäftigt wurde, ein Leistungsentgelt im eigentlichen Sinn nicht Gegenstand des Vergütungssystems ist. Ein redlicher Geschäftspartner musste daher davon ausgehen, der Vergütungsausschluss beziehe sich auf das für ihn maßgebliche Entgelt.
852.2.
86Ein fehlender Ausschluss einer Vergütung ergibt sich des Weiteren nicht daraus, dass die Bestimmung eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB beinhaltet.
87Nach § 307 Abs.1 Satz 2 BGB kann sich eine zur Unwirksamkeit der Klausel führende unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Klausel nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot schließt dabei das Bestimmtheitsgebot ein ( BAG 31.08.2005, DB 2006 1273 ). Die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen müssen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Eine Klausel muss daher, um dem Bestimmtheitsgebot zu genügen, im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners der Verwenders so klar und präzise wie möglich umschreiben. Sie darf keine vermeidbaren Unklarheiten und Spielräume enthalten, allerdings den Verwender auch nicht überfordern, so dass die Verpflichtung, den Inhalt der Klausel klar und verständlich zu formulieren, nur im Rahmen des Möglichen besteht ( BAG 31.08.2005, DB 2006, 1273; BAG 08.08.2007, DB 2008, 133; BAG 14.08.2007, DB 2008, 66 ).
88Dem Arbeitsgericht ist einzuräumen, dass die Bestimmung keine Angaben zu einem bestimmten Zeitumfang enthält, für den eine Vergütung nicht geleistet werden soll; die Auslegung der Bestimmung unter den vorgenannten Gesichtspunkten ergibt jedoch, dass ein Leistungsausschluss für die Zeiten erfolgen sollte, die als erforderlich anfielen. Für einen redlichen Geschäftspartner auf Seiten der Klauselgegner ist damit erkennbar, dass die gesamte Zeit von einem Bezug ausgeschlossen sein sollte, die als Wegezeit vom Betreten des Betriebes zum Erreichen der Stempeluhr erforderlich ist. Hierbei handelt sich um eine Zeit, die aufgrund der Kenntnisse der Örtlichkeiten, des Umfangs der Wege und der Position der Stempeluhr erkennbar und damit ausreichend bestimmbar ist, selbst wenn der Kläger bei Unterzeichnung des Arbeitsvertrages weder die erforderliche Zeit, noch die notwendige Wegstrecke, die mit den Umziehvorgängen verbunden ist, kannte. Eine Vergütungspflicht sollte im Hinblick auf die erforderlichen Wege nicht schon mit dem Betreten des Betriebsgeländes einsetzen, sondern erst mit dem Anstempeln in der Nähe des eigentlichen Arbeitsplatzes.
89Eine nicht ausreichende Klarheit ergibt sich auch nicht daraus, dass nicht gesondert geregelt wird, welches Anstempeln gemeint ist.
90Aus dem dargestellten Gesamtzusammenhang ergibt sich in ausreichender Deutlichkeit, dass es sich um die Zeiterfassung handelt, die zu betätigen ist, nachdem die Arbeitnehmer den Ankleidevorgang abgeschlossen haben.
912.3.
92Ein Anspruchsausschluss ist aber deswegen nicht gegeben, da die Klausel Zeiten für das Anlegen von Dienstkleidung einschließlich der hierfür erforderlichen Wegezeiten nicht erfasst.
93Die Klausel erfasst schon von ihrem Wortlaut her lediglich Wegezeiten. Damit sind regelmäßig die Zeiten gemeint, die anfallen, weil der Arbeitnehmer vom Betreten des Betriebes bis zur Zeiterfassungsanlage noch einen bestimmten Weg zurückzulegen hat. Die Bestimmung soll sicherstellen, dass die für den Arbeitgeber maßgebliche Arbeitszeit unter Berücksichtigung, dass eine bestimmte Strecke vom Betreten des Betriebsgeländes bis zum Arbeitsplatz erforderlich ist, erst in Nähe zum konkreten Arbeitsplatz beginnen soll.
94Wenngleich die Beklagte das Erfordernis des An- und Abstempeln in einwandfreier Dienstkleidung in der vertraglichen Regelung aufgemacht hat, werden lediglich reine Wegezeiten einer Vergütung entzogen. Dies macht auch der Zusammenhang damit deutlich, dass Wege zu oder von den Pausenräumen von einer Vergütung nicht erfasst sein sollen. Auch dies spricht dafür, dass lediglich reine Wegezeiten zum Erreichen des Arbeitsplatzes von einer Vergütung ausgenommen sein sollten.
95Hätten die Parteien auch Zeiten für das Umziehen einer Vergütungspflicht entziehen wollen, hätte es nahe gelegen, eine entsprechende Regelung auf Umkleidezeiten zu erstrecken, zumal die Verpflichtung zum Umkleiden gesondert in der vertraglichen Regelung vorgesehen ist. Wenn dann aber lediglich die Wegezeiten als entgeltfrei bezeichnet werden, führt dies zu einem Verständnis, dass Umkleidezeiten jedenfalls von der Klausel nicht erfasst sind.
96III.
97Eine Verwirkung von Ansprüchen kann nicht angenommen werden.
981.
99Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung. Es ist nicht Zweck der Verwirkung, Schuldner, denen gegenüber Gläubiger ihre Rechte längere Zeit nicht geltend gemacht haben, von ihrer Pflicht zur Leistung vorzeitig zu befreien.
100Einmal muss der Gläubiger mit der Geltendmachung des Anspruchs gezögert haben. Allein der Zeitablauf kann aber die Verwirkung eines Rechts nicht rechtfertigen. Für die Annahme einer Verwirkung müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein:
101Es müssen zu dem Zeitmoment besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten hinzutreten (Umstandsmoment), die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen. Dabei muss der Berechtigte unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erwecken konnten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden.
102Schließlich muss dem Schuldner jetzt die Erfüllung des Anspruchs unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten sein.
103Dabei geht es bei der Verwirkung nicht darum, ob einem Schuldner die Erfüllung einer Verbindlichkeit überhaupt zuzumuten ist, sondern ob ihm die verspätet geforderte Erfüllung, auf deren Leistung er sich nicht mehr eingestellt hatte, noch zuzumuten ist (BAG 13.08.2008, EzAÜG AÜG § 10 Fiktion Nr. 121; 23. 07.2009,EzA BGB 2002 § 613a Nr. 113, BAG 20.04.2010, DB 2010,).
104Zwischen den Umständen und dem erforderlichen Zeitablauf besteht dabei eine Wechselwirkung. Der erforderliche Zeitablauf kann um so kürzer sein, je gravierender die Umstände sind; umgekehrt sind an die Umstände desto geringere Anforderungen zu stellen, je länger der abgelaufene Zeitraum ist ( BAG 12.12.2006, EzA GG Art. 3 Nr. 105 )
1052.
106Nach diesen Kriterien war von einer Verwirkung des Anspruchs nicht auszugehen.
107Zwar hat der Kläger mit der Geltendmachung eines Anspruchs auf Bezahlung von Umkleidezeiten längere Zeit zugewartet und während des bestehenden Arbeitsverhältnisses solche Ansprüche nicht erhoben.
108Allein dadurch hat er bei der Beklagten jedoch nicht den berechtigten Eindruck erweckt, diese werde künftig nicht mehr auf Vergütung entsprechender Zeiten in Anspruch genommen.
109Allein die Nichtgeltendmachung ist dabei nicht geeignet, das erforderliche Umstandsmoment zu begründen.
110Der Kläger ist lediglich schlicht untätig geblieben in Bezug auf die die Bezahlung
111von Umkleidezeiten einschließlich der hierfür anfallenden Wegezeiten.
112Ein Erfordernis, der Nichtzahlung im Zusammenhang mit Abrechnungen zu widersprechen, würde das Aufstellen von Handlungspflichten begründen, die eine Verwirkung von Ansprüchen nicht begründen kann ( BAG 14.02.2007, EzA BGB 2002 § 242 Verwirkung Nr.2).
113Soweit daher schon keine Gesichtspunkte gegeben sind, aufgrund derer die Beklagte darauf vertrauen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, kam es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht darauf an, ob der Beklagten die Erfüllung der Forderungen zumutbar ist.
114IV.
115Die Vergütungspflicht erstreckt sich zum Einen auf die gesamte Zeitspanne, die benötigt wird, um die Dienstkleidung abzuholen ( BAG 19.03.2014, aaO).
116Durch die Verpflichtung, die Dienstkleidung erst im Betrieb an bestimmten Örtlichkeiten an- und abzulegen, wird auch das Zurücklegen des Weges zu und von dieser Örtlichkeit zur arbeitsvertraglichen Verpflichtung und gehört daher zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit ( für das Abholen von Dienstkleidung an einer Ausgabestelle insoweit BAG 19.03.2014, aaO). Beginnt die Arbeit mit dem Umkleiden, zählen auch die innerbetrieblichen Wegezeiten zur Arbeitszeit, weil die Beklagte ein Umkleiden an bestimmten Stellen vorgibt
117Vergütungspflichtig ist nicht nur die erforderliche Zeit zum Anlegen und Ablegen, sondern auch die erforderliche Wegezeit, die hiermit im Zusammenhang steht. Nicht zur Arbeitszeit zählt hingegen der Weg von der Wohnung des Arbeitnehmers bis zu dem Ort, an dem die Arbeit beginnt, somit der Weg vom Betreten des Betriebsgeländes bis zur Umkleidestelle ( BAG 19.09.2012, aaO).
1181.
119Bei der Feststellung der Höhe der dem Kläger zustehenden Vergütung ist zu berücksichtigen, dass nur die Zeit zu vergüten ist, die insoweit erforderlich war.
120Zur Ermittlung dieser Zeitspanne ist ein modifizierter subjektiver Maßstab anzulegen, denn der Arbeitnehmer darf seine Leistungspflicht nicht frei selbst bestimmen, sondern muss unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten ( BAG vom 19.03.2014, aaO unter Bezugnahme auf BAG vom 19.09.2012, 5 AZR 678/11 ). „Erforderlich“ ist nur die Zeit, die der einzelne Arbeitnehmer im Rahmen der objektiven Gegebenheiten unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit benötigt.
1212.
122Unter Berücksichtigung dieser Kriterien waren jedenfalls die Zeiten zugrunde zu legen, die die Beklagte selbst dem Kläger zugesteht und hiermit zum Ausdruck bringt, damit handele es sich um die erforderlichen Zeiten.
123Über die eingeräumten Zeiten je Arbeitstag waren jedoch weitere Zeiten aufgrund einer Schätzung anzusetzen.
124a)
125Die Kammer verfügt über ausreichende Grundlagen, die es ihr ermöglichen, eine Schätzung nach § 287 ZPO insoweit vornehmen zu können.
126Die Zulässigkeit einer Schätzung setzt dabei voraus, dass der Anspruchsteller ausreichend greifbare Anhaltspunkte für eine Schätzung vorträgt (BGH 26.11.1986, NJW 1987, 909). Eine Schätzung darf nur unterbleiben, wenn sie mangels konkreter Anhaltspunkte „in der Luft“ hinge und willkürlich wäre (BGH 05.03.1998, DB 1998,1324). Es steht dem Gericht nicht frei, das Vorliegen und die die Schätzung nach bloßer Billigkeit vorzunehmen (BAG 26.09. 2012, DB 2013, 122).
127Die für eine Schätzung unabdingbaren Anknüpfungstatsachen muss der Geschädigte im Regelfall darlegen und beweisen.
128Die Vorschriften des § 287 Abs. 1 S. 1 und S. 2 ZPO gelten nach § 287 Abs. 2 ZPO bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten entsprechend, so dass danach auch die Schätzung des Umfangs von Erfüllungsansprüchen möglich ist.
129b)
130Der Kläger hat die Wege angegeben, die jeweils erforderlich sind, um in der vorgeschriebenen Dienstkleidung die Stempeluhr zu bedienen, die sich am Ende der Wegstrecken befindet. Dazu hat er unwidersprochen angegeben, nach Betreten des Betriebes ein Gebäude aufsuchen zu müssen, um sich die Dienstkleidung zu holen, ca. 30 m zu den Umkleidekabinen zurücklegen und nach dem Umziehen seine Privatsachen in dort vorhandene Spinde deponieren und dann von dort zurück zum Pförtner gehen zu müssen. Unwidersprochen kann es dort wegen der Zahl der Arbeitnehmer zu zeitlichen Verzögerungen kommen, die der Dauer nach nicht bekannt sind. Sodann hat der Kläger über eine Treppe mit 38 Stufen und über eine 600-700m lange Gangway mit einer erneuten Treppe am Ende weitere 40-50m zur maßgeblichen Stempeluhr zurückzulegen.
131c)
132Hinsichtlich der reinen Wegezeit vom Pförtner bis zur Stempeluhr ist die vom Arbeitsgericht angesetzte Zeit von 8 Minuten und 30 Sekunden für den einfachen Weg nicht zu beanstanden.
133Das Zurücklegen des Weges durch unterschiedliche Personen hat nach der vom Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme einen Mittelwert von 496 Sekunden ergeben. Die Kammer des Arbeitsgerichts hat dabei zurecht angenommen, dass die Interessenlage bei zwei Personen unterschiedlich ist. Legt man des Weiteren für die Schätzung zu Grunde, dass ein normal konstituierter Mensch mittleren Alters unter gehöriger Anspannung körperlicher Kräfte eine Gehgeschwindigkeit von 1,4m/s zurücklegt, ohne dass es sich dabei um ein strammes Gehen einerseits, ein Schlendern andererseits handelt, ergibt sich ein nahezu identischer Wert. Bei Hinzurechnung eines Mindestwertes für das weitere Zurücklegen der Strecke auf den Treppen kann daher ein Wert von 510 Sekunden und damit 8 Minuten 30 Sekunden für den einfachen Weg angenommen werden.
134d)
135Für die Zeit von der Abholung der Dienstkleidung bis zum Verlassen der Örtlichkeit beim Pförtner waren für den einfachen Weg die weiteren vom Arbeitsgericht angenommenen 5 Minuten anzusetzen.
136Eine geeignete Schätzgrundlage bietet dabei zum Einen der Mittelwert der Zeit, die die Kammervorsitzende des Arbeitsgerichts selbst benötigt hat, da bei ihr davon auszugehen ist, dass sie in Kenntnis der unterschiedlichen Interessenlage ein Tempo an den Tag gelegt hat, das einer gehörigen Anspannung körperlicher Kräfte entspricht.
137Hieraus ergab sich ein Mittelwert von 150 Sekunden für den reinen durchgeführten Umziehvorgang, der zunächst als Mittelwert auch unter Berücksichtigung des Umstandes angesetzt werden kann, dass Zeiten des Umkleidens je nach Jahreszeit wegen des unterschiedlichen Umfangs der getragenen Privatkleidung auch unterschiedliche Zeiten in Anspruch nehmen können, sich warme und weniger warme Zeiten im Jahresschnitt im hälftigen Umfang darstellen. Weitergehende Zeiten, die im Rahmen der Inaugenscheinnahme bei der stellvertretend für den Kläger handelnden Person durch das Aufsuchen des Waschraums und Zusammenbinden der Haare anfielen, waren mangels entsprechender Gegebenheiten beim Kläger nicht zu berücksichtigen.
138Hinzuzurechnen sind jedoch Wartezeiten beim Pförtner, die die Beklagte selbst grundsätzlich einräumt. Mangels weitergehender Angaben durch den Kläger war jedoch lediglich ein Mindestumfang anzusetzen, den die Kammer angesichts der Zahl der Beschäftigen mit gleichen Schichtzeiten auf 30 Sekunden bemisst.
139Des Weiteren waren den sich aus der Beweisaufnahme ergebenden Zeiten solche für das An- und Ablegen der Sicherheitsschuhe hinzuzurechnen, da auch diese getragen werden müssen. Die Kammer kann auch hier wegen fehlender konkreter Angaben des Klägers lediglich eine Mindestzeit zu Grunde legen, die mit weiteren 30 Sekunden angenommen wird.
140Ferner sind die Zeiten anzusetzen, die für das Verschließen der Privatkleidung im Spind anfallen, die mit 30 Sekunden angesetzt wird.
141Schließlich sind noch die Zeiten hinzuzurechnen, die für das Zurücklegen der Wege ab Abholung der Dienstkleidung bis zu den Umkleidekabinen, beim Kläger im ersten Stock und wieder zurück zum Pförtner anfallen. Diese sind unter Berücksichtigung der oben dargelegten Gehgeschwindigkeit wiederum mit 60 Sekunden zu bemessen.
142e)
143Hieraus ergibt sich eine einfache Zeit je Arbeitstag im Umfang von 13 Minuten und 30 Sekunden und insgesamt von 27 Minuten.
144Die Berechnung des Arbeitsgerichts bei 233 Arbeitstagen in der Zeit vom 01.01.2011 bis zum 30.09.2012 bei einem Stundenentgelt von 13,07 € brutto und bei 514 Arbeitstagen in der Zeit vom 01.10.2012 bis Dezember 2014 bei einem Stundenentgelt in Höhe von 14,07 € brutto hat die Beklagte nicht in Abrede gestellt.
145C.
146Die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels hat die Beklagte nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen
147Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage im Hinblick auf die Auslegung der Klausel zur Entgeltfreiheit im Arbeitsvertrag zum einen, zur Schätzung der erforderlichen Zeiten zum anderen, war die Revision zuzulassen.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Hamm Urteil, 17. Feb. 2016 - 3 Sa 1331/15
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Hamm Urteil, 17. Feb. 2016 - 3 Sa 1331/15
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenLandesarbeitsgericht Hamm Urteil, 17. Feb. 2016 - 3 Sa 1331/15 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
Tenor
- 1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.665,42 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB ab dem 13.01.2015 zu zahlen.
- 2.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- 3.
Die Kosten trägt der Kläger zu 25 % und die Beklagte zu 75 %.
- 4.
Der Streitwert beträgt 6.219,57 Euro.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten um die Vergütung von Umkleide- und Wegezeiten.
3Der Kläger ist seit dem 06.11.2002 bei der Beklagten beschäftigt. In der Zeit vom 01.01.2011 bis zum 30.09.2012 betrug der Stundenlohn des Klägers 13,07 EUR brutto und ab dem 01.10.2012 14,50 EUR brutto.
4In dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag (Bl. 16 d.A.) ist u.a. folgendes enthalten:
5„§ 1
6(…)
7Die Wegezeiten zu bzw. von den Stempeluhren oder Pausenräumen sind leistungsentgeltfrei.“
8Der Kläger ist eingesetzt ist dem Bereich der Konfitüre.
9Im Zeitraum Januar 2011 bis einschließlich Dezember 2014 arbeitete der Kläger an 737 Tagen für die Beklagte. Dabei fielen 223 Tage auf einen Stundenlohn von 13,07 EUR brutto und 514 Tage auf einen Stundenlohn von 14,50 EUR brutto.
10Der Kläger betritt das Werksgelände der Firma T Nahrungsmittelwerk GmbH & Co. KG am Tor 3 in der Astraße.
11Die Beklagte legt in Hygienevorschriften (Bl. 29 d.A.) fest, dass der Kläger im Betrieb eine bestimmte Arbeitsbekleidung tragen muss, die er auch nicht außerhalb des Betriebes tragen darf. Nachdem der Kläger das Werksgelände durch das Tor 3 betritt, wendet er sich zunächst zu der Ausgabestelle für die Arbeitsbekleidung und geht anschließend zu den Umkleideräumen. Dort legt er seine private Oberbekleidung einschließlich jeglichen Schmucks ab und zieht die Arbeitskleidung an. Die private Oberbekleidung schließt er in einen Spind ein. Die anzulegende Arbeitsbekleidung besteht aus einem T-Shirt, einer Latzhose, einem Kittel und einem Paar Sicherheitsschuhen und einer Kopfbedeckung. Anschließend macht er sich auf den Weg zu dem Pförtner und von dort aus durch den Betrieb bis zur der für ihn maßgeblichen Stempeluhr. Dafür muss er zunächst eine Treppe hinauf gehen. Anschließend geht er die sog. Gangway entlang. Im Anschluss an die Gangway führt der Weg zum Teil über Gitterroste.
12Auf dem Rückweg stempelt der Kläger sodann an der für ihn maßgeblichen Stempeluhr ab und macht sich auf den Weg über das Betriebsgelände zu den Umkleideräumen. Dafür legt er dieselbe Strecke zurück, wie er es schon zu Beginn seiner Tätigkeit getan hat. In den Umkleideräumen legt der Kläger die komplette Arbeitskleidung ab und zieht seine private Kleidung an.
13Die Zeit, die der Kläger für das Umziehen und den Weg über das Betriebsgelände bis zu der für ihn maßgeblichen Stempeluhr benötigt, vergütet die Beklagte nicht.
14Mit seiner am 19.12.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 12.01.2015 zugegangenen Klage macht der Kläger die Vergütung von Umkleide- und Wegezeiten für 36 Minuten je Arbeitstag für 737 Arbeitstage geltend.
15Der Kläger behauptet, er benötige für das Umkleiden und den Weg über das Betriebsgelände 36 Minuten.
16Er ist der Ansicht, es handele sich bei diesen Zeiten um vergütungspflichtige Arbeitszeit.
17Auch die Regelung in § 1 des Arbeitsvertrages führe nicht dazu, dass ein Anspruch des Klägers nicht bestehe. Nach Ansicht des Klägers sei diese Klausel intransparent und unklar. Dies ergebe sich daraus, dass in der Klausel von Leistungsentgelt die Rede sei, der Kläger jedoch nicht im Leistungslohn arbeite. Die Klausel sei so zu verstehen, dass für Wegezeiten keine leistungsabhängige Vergütung, sondern nur eine Grundvergütung gezahlt werden solle. Da bei der Beklagten jedoch keine Leistungsvergütungen gezahlt würden, gehe diese Klausel ins Leere.
18Ursprünglich hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.221,75 EUR brutto nebst Zinsen zu zahlen. Diesen Antrag hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 15.07.2015 in Höhe von 2,18 EUR zurückgenommen.
19Der Kläger beantragt,
20die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.219,57 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Klageerhebung zu zahlen.
21Die Beklagte beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Die Beklagte behauptet, der Kläger benötige für das Umkleiden und die Strecke bis zur Stempeluhr lediglich 24 Minuten.
24Dem geltend gemachten Anspruch stünde nach Ansicht der Beklagten zudem § 1 des Arbeitsvertrages entgegen. Die Parteien könnten Leistung und Gegenleistung grundsätzlich frei bestimmen. Eine solche Vereinbarung sei auch wirksam, da es grundsätzlich möglich sei, Regelungen darüber zu treffen, das eine bestimmte Anzahl an Mehrarbeitsstunden ohne gesonderten Vergütungsanspruch zu leisten seien oder innerhalb der regelmäßig vereinbarten Arbeitszeit nur ein Teil der Stunden vergütet würde. Dies sei hier erfolgt. Bedenken könnten sich auch nicht daraus ergeben, dass bei Bestimmungen zu Überstunden eine bestimmte Höchstgrenze zu vereinbaren sei. Dies diene dem Zweck, uferlose Mehrarbeit zu verhindern. Vorliegend gebe es jedoch eine Begrenzung, die allein durch die örtlichen Gegebenheiten begrenzt sei.
25Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
26Das Gericht hat Beweis erhoben zu der Frage der Umkleide- und Wegezeiten durch richterliche Inaugenscheinnahme. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll zu dem Termin der Beweisaufnahme (Bl. 44 d.A.) verwiesen.
27Entscheidungsgründe
28Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
29- 30
I.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Vergütung für Umkleide- und Wegezeiten in Höhe von 4.665,42 EUR zu.
32Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Vergütung der in der Zeit von Januar 2011 bis einschließlich Dezember 2014 aufgewendeten Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten in der oben genannten Höhe gemäß § 612 Abs. 1 BGB.
33- 34
1.
Die von dem Kläger geltend gemachten Umkleide- und Wegezeiten stellen Zeiten dar, die er über seine Sollarbeitszeit hinaus geleistet hat, sodass es sich dabei um Überstunden handelt.
36Die Vergütung von Überstunden setzt voraus, dass eine entsprechende arbeitsvertragliche Vereinbarung oder eine Vergütungspflicht nach § 612 Abs. 1 BGB besteht.
37Eine vertragliche Vereinbarung ist nicht ersichtlich.
38Anspruchsgrundlage kann daher nur § 612 Abs. 1 BGB sein. Danach gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienste den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten sind. Ob dies der Fall ist, richtet sich danach, ob die Umstände der Dienstleistungen im Einzelfall für eine Erwartung zusätzlicher Vergütung sprechen, wie also die erbrachte Leistung konkret einzuordnen ist.
39- 40
2.
Bei den Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten handelt es sich um vergütungspflichtige Arbeitszeit. § 2 Abs. 1 ArbZG definiert die Arbeitszeit als die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Hierbei sind die geltend gemachten Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten als „Arbeit“ anzusehen.
42Arbeit ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient. Dazu gehört auch das Umkleiden für die Arbeit, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt und das Umkleiden im Betrieb erfolgen muss. Dabei ergibt sich aus der Weisung des Arbeitgebers, die ein Anlegen der Arbeitskleidung zu Hause und ein Tragen auf dem Weg zur Arbeit ausschließt, dass es sich dabei um eine fremdnützige Handlung handelt. Das gilt aber vor allem vor dem Hintergrund, dass das Tragen der Berufskleidung primär hygienischen Zwecken und damit insbesondere betrieblichen Belangen dient. Da die Arbeit in diesem Falle mit dem Umkleiden beginnt, zählen auch die Zeiten, die für das Zurücklegen der innerbetrieblichen Wege anfallen, zur Arbeitszeit, wenn sie dadurch veranlasst sind, dass der Arbeitgeber das Umkleiden nicht am Arbeitsplatz ermöglicht, sondern dafür eine vom Arbeitsplatz getrennte Umkleidestelle einrichtet, die der Arbeitnehmer zwingend aufsuchen muss (BAG, Urteil v. 19.09.2012, 5 AZR 678/11, NZA-RR 2013, 63).
43Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei den Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten des Klägers, die er aufwendet, um von der Umkleidestelle zum Arbeitsplatz und zurück zu gelangen, um Arbeitszeit. Dem Kläger ist es nicht erlaubt, die Arbeitskleidung bereits in seiner Wohnung anzuziehen und auf dem Weg von seiner Wohnung bis zu seinem Arbeitsplatz zu tragen. Der Kläger hat insoweit unwidersprochen vorgetragen, dass die Beklagte aufgrund von Hygienevorschriften verlangt, dass im Betrieb eine bestimmte Arbeitskleidung getragen wird, die nicht außerhalb des Betriebes getragen werden darf. Dem Arbeitnehmer ist es damit z.B. nicht möglich, die Arbeitskleidung bereits in seiner Wohnung anzulegen.
44Damit dient das Umkleiden den betrieblichen Belangen der Beklagten. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Umkleiden im Betrieb primär hygienischen Zwecken dient.
45- 46
3.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Vergütung von 27 Minuten je Arbeitstag.
48a)
49Vergütungspflichtig sind die Umkleidezeiten einschließlich der innerbetrieblichen Wegezeiten von dem Umkleideraum bis zur Arbeitsstelle, die unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers erforderlichen sind. Die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers hat ihre Grundlage in § 611 Abs. 1 BGB. Sie knüpft an die „Leistung der versprochenen Dienste“ an. Darunter ist nicht nur die von dem Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag primär geschuldete Leistung zu verstehen, sondern jede von dem Arbeitgeber im Synallgma verlangte sonstige Tätigkeit, die mit der eigentlich zu erbringenden Tätigkeit im Zusammenhang steht.
50Das von dem Arbeitgeber angeordnete Umkleiden im Betrieb und der innerbetriebliche Weg werden durch die Anordnung des Arbeitgebers zur arbeitsvertraglichen Verpflichtung (BAG Urteil v. 19.09.2012, a.a.O.).
51b)
52In welchem zeitlichen Umfang Umkleide- und innerbetriebliche Wegezeiten zur Arbeitszeit zählen, bestimmt sich nach den allgemeinen Grundsätzen. Der Arbeitnehmer darf seine Leistungspflichten nicht willkürlich selbst bestimmen, sondern muss vielmehr unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit die von ihm verlangten Tätigkeiten vornehmen. Das gilt auch für das Umkleiden und das Zurücklegen des Weges von dem Umkleideraum zum Arbeitsplatz. Nur die Zeit, die für den einzelnen Arbeitnehmer unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit erforderlich ist, ist als Arbeitszeit zu werten (BAG, Urteil v. 19.09.2012, a.a.O.).
53Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast für den zeitlichen Umfang der Umkleide- und innerbetrieblicher Wegezeiten gelten die allgemeinen Grundsätze. Bestreitet der Arbeitgeber die vom Arbeitnehmer behaupteten Umkleide- und Wegezeiten, hat der Arbeitnehmer substantiiert vorzutragen, welche Handlungen der Umkleidevorgang umfasst und wie viel Zeit er für diese benötigt. Des Weiteren hat er näher darzustellen, welche innerbetrieblichen Wege er zurückzulegen hat und wie viel Zeit er für diese benötigt. Zu diesen Angaben des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber Stellung zu nehmen und diese gegebenenfalls mit konkretem Gegenvortrag zu bestreiten.
54c)
55Der Kläger hat hier zunächst vorgetragen, er benötige täglich für den Umkleide- und Wegevorgang 36 Minuten. Daraufhin hat die Beklagte erwidert, es seien dafür lediglich 24 erforderlich. Der Kläger hat daraufhin die von ihm durchzuführenden Vorgänge konkret erläutert.
56d)
57Da der Kläger die Umkleide- und Wegezeiten zusätzlich zu seiner regulären Arbeitszeit aufgewendet hat, handelt es sich bei diesen Zeiten um Überstunden. Für die Darlegung von Überstunden ist es grundsätzlich erforderlich, dass der Kläger darlegt, an welchem Tag er in welchem Umfang über seine regelmäßige Arbeitszeit hinaus auf Anordnung der Beklagten für diese Arbeitsleistung erbracht haben will.
58Steht jedoch fest, dass Überstunden auf Veranlassung des Arbeitgebers geleistet worden sind, kann der Arbeitnehmer seiner Darlegungs- und Beweislast jedoch nicht für jede einzelne Überstunde in jeder Hinsicht nachkommen, so kann das Gericht den Mindestumfang geleisteter Überstunden nach § 287 Abs. 1, 2 S. 1, 2 ZPO schätzen (BAG, Urteil v. 25.03.2015, 5 AZR 602/13) .
59(1)
60Es handelt sich bei den Umkleide- und Wegezeiten des Klägers um vergütungspflichtige Arbeitszeit, die von dem Arbeitgeber veranlasst worden ist und die er über seine regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistet hat. Dem Kläger war es nicht mehr möglich, für jeden einzelnen Tag darzulegen, wann genau er mit dem Umkleiden begonnen und welche Zeit er bis zu der Stempeluhr benötigt hat. Dass der Kläger Zeiten dafür aufgebracht hat, ist unstreitig.
61(2)
62Die Kammer hat vor diesem Hintergrund nach einer durchgeführten Inaugenscheinnahme die täglich aufzuwendenden Umkleide- und Wegezeiten auf 27 Minuten geschätzt.
63(a)
64Nach der durchgeführten Beweisaufnahme durch richterliche Inaugenscheinnahme auf dem Betriebsgelände der Beklagten war die Kammer davon überzeugt, dass für den Vorgang von der Ausgabestelle der Kleidung über das Umziehen bis zum Gang zu dem Pförtner eine Zeit von 5 Minuten erforderlich ist.
65Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass Frau C, welche stellvertretend für den Kläger diesen Vorgang durchgeführt hat, für diesen 6 Minuten und 4 Sekunden benötigt hat. Ein Vertreter der Beklagten benötigte für den gleichen Vorgang 3 Minuten und 13 Sekunden. Während dieser Vorgang durchgeführt worden ist, waren keine weiteren Mitarbeiter der Beklagten anwesend, die zu dieser Zeit den Umkleidevorgang durchführten.
66Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Interessenlage ist zu berücksichtigen, dass Frau C, welche in einem gleichgelagerten Verfahren ebenfalls betroffen ist, ein Interesse daran hat, für diesen Vorgang eher einen längeren Zeitraum zu benötigen, wohingegen die Beklagte ein Interesse daran hat, diesen Vorgang zu beschleunigen.
67Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich der Kläger in der Regel nicht allein bei diesem Vorgang aufhalten wird und es daher an der Ausgabestelle und in der Umkleidekabine zu Wartezeiten kommen kann, ist die Kammer davon überzeugt, dass im Regelbetrieb der Beklagten ein Zeitaufwand von 5 Minuten erforderlich ist.
68Dabei hat die Kammer folgende Erwägungen zu Grunde gelegt: Die Vorsitzende hat den Umkleidevorgang selbst durchgeführt. Dabei wurde für das reine Umkleiden eine Zeit von 2 Minuten und 39 Sekunden (Ausziehen der Privatkleidung, Anziehen der Arbeitskleidung) bzw. 2 Minuten und 20 Sekunden (Ausziehen der Arbeitskleidung, Anziehen der Privatkleidung) benötigt, wobei das Anziehen der Sicherheitsschuhe nicht erfolgte, da solche nicht zur Verfügung standen. Bei Berücksichtigung dieser Zeitangabe würden bei der Zugrundelegung von 5 Minuten noch 2 Minuten und 21 Sekunden bzw. 2 Minuten und 40 Sekunden für die Entnahme der Arbeitskleidung aus der Ausgabestelle, den Weg in die erste Etage zu der Umkleidekabine und den Weg von der Umkleidekabine aus dem Gebäude hinaus zu dem Pförtner verbleiben. Das ist nach Ansicht der Kammer ein Zeitraum, in dem es dem Kläger möglich ist, diese Vorgänge durchzuführen, ohne dass er sich „abhetzten“ muss. Es ist dem Kläger ebenso möglich, in diesem Zeitraum seine benutzte Arbeitskleidung in den dafür vorgesehenen Wäschebehälter zu verbringen. Auf der anderen Seite ist diese Zeitspanne aber auch nicht so weit bemessen, dass es dem Kläger möglich ist, sich über dem nötigen Zeitmaß hinaus besonders Zeit zu lassen.
69(b)
70Nach der durchgeführten Beweisaufnahme durch richterliche Inaugenscheinnahme auf dem Betriebsgelände der Beklagten war die Kammer zudem davon überzeugt, dass für den Weg von dem Pförtner zu der für den Kläger maßgeblichen Stempeluhr ein Zeitaufwand von 8 Minuten und 30 Sekunden erforderlich ist.
71Im Rahmen der Inaugenscheinnahme ist die Kammer mit den Parteien gemeinsam diese Wegstrecke abgelaufen.
72Die Kammer hat hierfür 8 Minuten und 33 Sekunden benötigt, Vertreter der Beklagten legten diesen Weg in 7 Minuten und 45 Sekunden zurück, der Klägervertreter benötigte mehr als 8 Minuten und 30 Sekunden.
73Vor dem Hintergrund der oben dargestellten gegenseitigen Interessenlage ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass diese Wegstrecke innerhalb von 8 Minuten und 30 Sekunden zu bewältigen ist. In dieser Zeit ist es dem Kläger möglich, den Weg zurückzulegen, ohne dass er sich in besonderem Maße über seine Leistungsfähigkeit hinaus anstrengen muss. Ebenso verbleibt dem Kläger aber auch kein Zeitraum dafür, sich besonders viel Zeit zu lassen. Es wurde ebenso berücksichtigt, dass sich zum Zeitpunkt der Inaugenscheinnahme keine weiteren Arbeitnehmer der Beklagten auf dem Gelände aufgehalten haben, sodass zu berücksichtigen war, dass ein etwas längerer Zeitraum erforderlich ist, wenn der zu beurteilende Vorgang von mehreren Mitarbeitern zur gleichen Zeit ausgeführt wird.
74(c)
75Die Kammer hat für diese Vorgänge, die sich nach Ende der Schicht wiederholen, jeweils den gleichen Zeitraum zugrunde gelegt, sodass sich ein vergütungspflichtiger Zeitraum von 27 Minuten je Arbeitstag ergibt.
76(d)
77Soweit der Kläger weitere Umstände berücksichtigt wissen will, die zu einem längeren Zeitraum führen würden, so ist auf die oben dargestellten Grundlagen bezüglich der Schätzung zu verweisen.
78Der Kammer ist es in diesem Rahmen nur möglich, das Mindestmaß an geleisteten Überstunden festzulegen. Will der Kläger darüber hinaus weitere Zeiten geltend machen, so ist er auf die Voraussetzung für die Darlegung von Überstunden außerhalb einer Schätzung zu verweisen. Der Vortrag des Klägers war dafür jedoch nicht ausreichend. Er hätte dann vielmehr für jeden Tag die von ihm benötigten Zeiten konkret darlegen müssen.
79- 80
4.
Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch für 737 Tage zu.
82Für je 27 Minuten an 223 Arbeitstagen ergibt sich bei einem Bruttostundenlohn des Klägers von 13,07 EUR und für 514 Arbeitstage bei einem Bruttostundenlohn von 14,50 EUR noch ein Vergütungsanspruch in Höhe von 4.665,42 Euro. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
83- 84
5.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 ZPO.
86- 87
II.
Dem Zahlungsanspruch des Klägers steht nicht die Regelung in § 1 des Arbeitsvertrages entgegen.
89- 90
1.
Bei dieser Regelung handelt es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung. Hierfür spricht allein die äußere Gestaltung des schriftlichen Arbeitsvertrages. Da der Arbeitnehmer Verbraucher ist, finden § 305 c Abs. 2 und §§ 306, 307 bis 309 nach 310 Abs. 2 BGB grundsätzlich auch Anwendung, falls die Klausel nur zur einmaligen Verwendung bestimmt ist und der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf den Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte (vgl. BAG vom 20.06.2013 – 8 AZR 280/12 – NZA 2013, 1285).
92- 93
2.
Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrundezulegen sind. Maßgebend sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden nicht rechtskundigen Vertragspartners. Anhaltspunkt für die Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut (vgl. BAG vom 24.01.2013 – AZ 964/11 – NZA RR 2013, 400).
95- 96
3.
Die Regelung vorliegende erfasst nach ihrem Wortlaut Wegezeiten zu bzw. von den Stempeluhren oder Pausenräumen. Umkleidezeiten sind nach dem Wortlaut nicht erfasst, sodass diese durch die Regelung auch nicht ausgeschlossen werden können.
98- 99
4.
Auch die Vergütung von innerbetrieblichen Wegezeiten kann durch die Klausel nicht ausgeschlossen werden. Die Formulierung, dass die genannten Wegzeiten „leistungsentgeltfrei“ sind, ist nicht klar verständlich.
101Es ergibt sich nicht zweifelsfrei, dass für diese Wegezeiten keine arbeitsvertragliche Vergütung zu leisten ist. Die Regelung kann vielmehr auch dahingehend verstanden werden, dass für diese Zeiten bestimmte leistungsabhängige Vergütungsbestandteile, wie z.B. Leistungsprämien nicht geleistet werden sollen. Zwar sind derartige leistungsbezogenen Entgeltbestandteile nicht in dem schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien niedergelegt. Jedoch wird in dem schriftlichen Arbeitsvertrag die arbeitsvertragliche Vergütung auch nicht als „Leistungsentgelt“ bezeichnet. Vielmehr spricht § 3 des Arbeitsvertrages lediglich von einem Bruttostundenlohn. Ist nach der Auslegung jedoch unklar, welches Entgelt bzw. welche Entgeltbestandteile von § 1 erfasst sein sollen, gehen diese Unklarheiten zulasten des Verwenders, § 305 c Abs. 2 BGB.
102- 103
5.
Selbst wenn man die Regelung insoweit nicht für unklar hielte, ergibt sich die Unwirksamkeit der Regelung aus § 307 Abs. 1 BGB. Danach sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn die den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Das ist hier der Fall.
105a)
106Eine die pauschale Vergütung von Mehrarbeit regelnde Klausel ist nur dann klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen von ihr erfasst werden sollen. Andernfalls ließe sich nicht erkenne, ab wann ein Anspruch auf zusätzliche Vergütung besteht. Der Umfang der Leistungspflicht muss so bestimmt oder zumindest durch die konkrete Begrenzung der Anordnungsbefugnis hinsichtlich des Umfangs der zu leistenden Überstunden so bestimmbar sein, dass der Arbeitnehmer bereits bei Vertragsschluss erkennen kann, was gegebenenfalls „auf ihn zukommt“ und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss. Aufgrund einer unklar abgefassten Pauschalierungsklausel besteht die Gefahr, dass der Arbeitnehmer in der Annahme, er habe keinen Rechtsanspruch auf eine gesonderte Überstundenvergütung, seinen Anspruch nicht geltend macht (vgl. BAG vom 01.09.2010 – 5 AZR 517/09 – NZA 2011, 575).
107b)
108Bei der Pauschalabgeltung der innerbetrieblichen Wegezeiten sind dieselben Grundsätze anzuwenden. Es sich bei den innerbetrieblichen Wegezeiten um vergütungspflichtige Arbeitszeit, sodass sich ein Unterschied zu der Vergütung von Mehrarbeit nicht ergibt. Es ist daher auch hier erforderlich, dass der Umfang der ohne Vergütung zu leistenden innerbetrieblichen Wegezeiten so bestimmbar ist, dass der Arbeitnehmer bereits bei Unterzeichnung des Arbeitsvertrages erkennen kann, in welchem zeitlichen Umfang er Wegezeiten ohne Entgelt maximal zu erbringen hat. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Einen zeitlichen Umfang der leistungsentgeltfrei zu leistenden Wegezeiten legt die Regelung nicht fest.
109c)
110Die konkrete Festlegung der „leistungsentgeltfrei“ zu erbringenden Wegezeiten war auch nicht deshalb entbehrlich, weil sämtliche Wegezeiten naturgemäß durch die örtlichen Gegebenheiten begrenzt sind. Der Arbeitnehmer kennt bei Unterzeichnung des Arbeitsvertrages weder die konkrete Größe des Betriebsgeländes, noch weiß er, welche Wegstrecken er dort auf dem Weg von der Umkleidestelle zur Stempeluhr und zurück zurückzulegen hat. Es ist für den Arbeitnehmer bei Unterzeichnung des Arbeitsvertrages nicht ersichtlich, ob lediglich wenige Minuten pro Arbeitstag als Wegezeiten nicht vergütet werden sollen oder ob für ihn Wegezeiten im Umfang von mehr als einer Stunde täglich anfallen, weil er von der Umkleidestelle bis zur Stempeluhr weite Strecken auf dem Betriebsgelände zurückzulegen hat. Die Regelung ist demnach auch mangels hinreichender Transparenz unwirksam.
111- 112
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, §§ 92 Abs. 1 S. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Da beide Parteien teils obsiegen und teils unterliegen, waren die Kosten verhältnismäßig zu teilen. Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, waren ihm die Kosten aufzuerlegen. Der Kostenstreitwert beträgt 6.221,75 EUR.
114- 115
IV.
Der Streitwert war gem. § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Er entspricht dem noch geltend gemachten Zahlungsantrag.
(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.
(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.
(3) (weggefallen)
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.
(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.
Tenor
-
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. Dezember 2011 - 11 Sa 1107/11 - wird zurückgewiesen.
-
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten, soweit für die Revision von Interesse, über die Vergütung von Fahrzeiten zu auswärtigen Arbeitsstellen.
- 2
-
Der Kläger ist seit Dezember 1992 bei der Beklagten als Elektromechaniker beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge für das Metallbauerhandwerk, Feinwerkmechanikerhandwerk, Metall- und Glockengießerhandwerk Nordrhein-Westfalen Anwendung.
-
Im Manteltarifvertrag für das Metallbauerhandwerk, Feinwerkmechanikerhandwerk, Metall- und Glockengießerhandwerk Nordrhein-Westfalen vom 16. Oktober 2006 (im Folgenden: MTV) ist zur Arbeitszeit ua. bestimmt:
-
„§ 2
Arbeitszeit
1.
Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 37 Stunden; bei einer 5-Tage-Woche beträgt die tägliche Arbeitszeit 7,4 Stunden.
2.
Durch Betriebsvereinbarung kann für einzelne Arbeitnehmer, Arbeitnehmergruppen, Betriebsteile oder den Gesamtbetrieb eine unterschiedliche Wochenarbeitszeit zwischen 28 und 43 Stunden festgelegt werden.
...
14.
An- und Auskleiden, Waschen sowie Pausen im Sinne der Arbeitszeitordnung gelten nicht als Arbeitszeit.“
-
Zu auswärtigen Arbeiten heißt es im Lohntarifvertrag für das Metallbauerhandwerk, Feinwerkmechanikerhandwerk, Metall- und Glockengießerhandwerk Nordrhein-Westfalen vom 22. Januar 2010 (im Folgenden: LTV) gleichlautend wie in dem vorangegangenen Lohntarifvertrag vom 11. Oktober 2007:
-
„VII.
Auswärtige Arbeiten (Montagearbeiten)
1.
Notwendiges Fahrgeld wird bei Arbeiten auf auswärtigen Arbeitsstellen erstattet für Fahrten zwischen der auswärtigen Arbeitsstelle und dem Sitz des entsendenden Betriebes.
Es wird das übliche Fahrgeld zur Benutzung des billigsten zur Verfügung stehenden öffentlichen Verkehrsmittels für Hin- und Rückfahrt vergütet.
2.
Beträgt die Entfernung vom Sitz des Betriebes bis zur auswärtigen Arbeitsstelle mehr als eine Wegstrecke von 5 km, wird dem Montagearbeiter je Montagearbeitstag neben dem Fahrgeld Auslösung nach folgender Staffel gezahlt:
in Zone 1 von 5 - 10 km
60 % des tariflichen Ecklohnes,
in Zone 2 von 11 - 20 km
120 % des tariflichen Ecklohnes,
in Zone 3 von 21 - 30 km
150 % des tariflichen Ecklohnes,
in Zone 4 von 31 - 50 km
250 % des tariflichen Ecklohnes,
in Zone 5 über 50 km
280 % des tariflichen Ecklohnes.
Der tarifliche Ecklohn ist der Tariflohn der Lohngruppe 3, 2. Gesellenjahr.
3.
Der Anspruch auf Auslösung setzt die Einhaltung der vollen betriebsüblichen täglichen Arbeitszeit auf der auswärtigen Arbeitsstelle voraus. Überstunden zählen nicht zur betriebsüblichen Arbeitszeit.
4.
Bei auswärtigen Arbeitsstellen, von denen eine tägliche Heimfahrt nicht möglich ist, wird eine Auslösung nach folgender Staffel je Kalendertag gezahlt:
während der ersten 2 Wochen
33,75 Euro
nach 2 Wochen
32,72 Euro.
In Sonderfällen werden besondere Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Montagearbeiter getroffen. Sofern eine Betriebsvertretung vorhanden ist, ist diese zu hören.
5.
Stellt der Arbeitgeber auf der auswärtigen Arbeitsstelle Unterkunft und Verpflegung kostenfrei zur Verfügung, wird eine besondere Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Montagearbeiter getroffen.
6.
Bei Arbeitsversäumnis infolge nachgewiesener Krankheit wird die Auslösung bis zur Dauer von drei Tagen gezahlt, sofern der Montagearbeiter nicht nach Hause fahren kann oder keine Aufnahme in einem Krankenhaus findet.
7.
Jeder auf einer auswärtigen Arbeitsstelle tätige Montagearbeiter hat zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten Anspruch auf eine Heimreise an dem diesen Feiertagen vorausgehenden Wochentag, wobei ihm die Reisezeit mit dem normalen Stundenlohn und das Fahrgeld vergütet werden. Die Heimreise ist so zu legen, dass der Montagearbeiter seinen Wohnort bis 12 Uhr erreichen kann. Im Falle der Heimreise ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, eine Auslösung für die Feiertage zu gewähren.
...
9.
Für Montagearbeiten auf auswärtigen Arbeitsstellen wird eine Montagezulage von 5 % auf den Tariflohn gewährt, sofern die Montagearbeitszeit auf der auswärtigen Arbeitsstelle mindestens 6 ½ Stunden am Arbeitstag beträgt.
Erstreckt sich eine Montage über einen Arbeitstag hinaus, dann ist die Montagezulage für alle Montagearbeitsstunden zu zahlen.
Nahmontagen, die in einer Entfernung der Wegstrecke vom Sitz des Betriebes bis zu 5 km ausgeführt werden, gelten nicht als zulagepflichtige Montagearbeiten. In Sonderfällen werden besondere Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Montagearbeiter getroffen. Sofern eine Betriebsvertretung vorhanden ist, ist diese zu hören.“
- 5
-
Ab dem 1. November 2008 erhielt der Kläger einen Stundenlohn von 16,44 Euro brutto, der sich zusammensetzte aus einem Grundlohn der Tarifgruppe 5 (13,82 Euro), einer Montagezulage (0,69 Euro), einer Leistungszulage (1,66 Euro) sowie einer „Übertarif-Zulage“ (0,27 Euro). Mit Schreiben vom 6. August 2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ab 1. Juni 2010 betrage sein Stundenlohn 15,84 Euro brutto und setze sich zusammen aus einem Grundlohn der Tarifgruppe 5 iHv. 14,08 Euro, einer Montagezulage iHv. 0,70 Euro und einer Leistungszulage iHv. 1,06 Euro. Fahrten zu auswärtigen Arbeitsstellen entgalt die Beklagte (nur) mit der tarifvertraglichen Auslösung.
- 6
-
Mit der am 21. Januar 2010 eingereichten und mehrfach erweiterten Klage hat der Kläger die - weitere - Vergütung von Fahrzeiten vom Betrieb zu auswärtigen Arbeitsstellen im Zeitraum September 2009 bis Juli 2010 geltend gemacht und die Auffassung vertreten, diese Fahrzeiten seien als vergütungspflichtige Arbeitszeit mit dem ihm zustehenden Stundenlohn zu vergüten.
-
Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.729,75 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach näherer betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung zu zahlen.
- 8
-
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Vergütung der Fahrzeiten zu auswärtigen Arbeitsstellen sei mit den Bestimmungen für auswärtige Arbeiten im LTV abschließend geregelt.
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
- 10
-
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.
- 11
-
I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung der Fahrten vom Betrieb zu auswärtigen Arbeitsstellen (und zurück) mit dem vereinbarten Stundenlohn. Hierfür fehlt eine Anspruchsgrundlage.
- 12
-
1. Auf eine ausdrückliche arbeitsvertragliche Vereinbarung, wonach die Fahrzeiten vom Betrieb zu einer auswärtigen Arbeitsstelle wie Arbeitszeit mit dem dafür vorgesehenen Stundenlohn zu vergüten wären, hat sich der Kläger nicht berufen.
- 13
-
2. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass auf ihr Arbeitsverhältnis kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge für das Metallbauerhandwerk, Feinwerkmechanikerhandwerk, Metall- und Glockengießerhandwerk Nordrhein-Westfalen Anwendung finden. Mithin hängt die Einordnung der streitgegenständlichen Fahrzeiten als Arbeitszeit und deren Vergütungspflicht davon ab, ob sie nach den tariflichen Bestimmungen Bestandteil der tariflichen Arbeitszeit und mit dem (tariflichen) Stundenlohn zu vergüten sind.
- 14
-
a) Fahrzeiten von der Betriebsstätte zur auswärtigen Arbeitsstelle sind schon nicht Bestandteil der tariflichen Arbeitszeit.
- 15
-
Eine ausdrückliche Bestimmung hierzu enthält der MTV allerdings nicht. § 2 MTV regelt lediglich die Dauer der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit sowie deren Flexibilisierung und nimmt in Nr. 14 ausdrücklich nur An- und Auskleiden, Waschen sowie Pausen im Sinne des Arbeitszeitrechts aus der tariflichen Arbeitszeit heraus. Was tarifliche Arbeitszeit ist, definiert der MTV aber ansonsten nicht. Doch wird aus dem Zusammenhang mit dem LTV deutlich, dass der MTV Fahrzeiten wie die streitgegenständlichen nicht zur tariflichen Arbeitszeit zählt. Denn nach VII Nr. 3 LTV setzt der Anspruch auf Auslösung die Einhaltung der vollen betriebsüblichen täglichen Arbeitszeit auf der auswärtigen Arbeitsstelle voraus. Damit bringt der Tarifvertrag zum Ausdruck, dass An- und Rückfahrt zur bzw. von der auswärtigen Arbeitsstelle nicht zur tariflichen Arbeitszeit zählen. Anderenfalls würde der Anspruch auf Auslösung stets eine Überschreitung der betriebsüblichen täglichen Arbeitszeit voraussetzen. Außerdem soll dem Arbeitgeber für die auswärtige Baustelle die volle, nicht durch An- und Abfahrt geschmälerte betriebsübliche tägliche Arbeitszeit zur Verfügung stehen, ohne dass er mitbestimmungspflichtige (§ 3 Nr. 4 MTV, § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) und ggf. zuschlagspflichtige (§ 4 MTV) Überstunden gewärtigen muss. Damit ergeben sich weder aus dem MTV noch aus dem LTV Anhaltspunkte für eine Einordnung der Fahrzeiten zu auswärtigen Arbeitsstellen als Bestandteil der tariflichen Arbeitszeit.
- 16
-
b) Unerheblich für das Ob und Wie der Vergütung der streitgegenständlichen Fahrzeiten ist es, dass die sog. Wegezeiten für die Fahrt vom Betriebssitz zu einer auswärtigen Arbeitsstätte - anders als die Wegezeit von der Wohnung des Arbeitnehmers zum Betrieb - arbeitszeitschutzrechtlich der Arbeitszeit iSd. § 2 Abs. 1 ArbZG zugerechnet werden(vgl. ErfK/Wank 13. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 16 mwN; Buschmann/Ulber ArbZG 7. Aufl. § 2 Rn. 7 f.; Schliemann ArbZG § 2 Rn. 37 ff.; Anzinger/Koberski ArbZG 3. Aufl. § 2 Rn. 16 ff.). Denn die Qualifikation einer bestimmten Zeitspanne als Arbeitszeit im Sinne des gesetzlichen Arbeitszeitschutzrechts führt nicht zwingend zu einer Vergütungspflicht, wie umgekehrt die Herausnahme bestimmter Zeiten aus der Arbeitszeit nicht die Vergütungspflicht ausschließen muss (BAG 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 20, BAGE 137, 366; 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 9, NZA 2012, 939; 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 23 f., BB 2013, 445).
- 17
-
c) Die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers knüpft nach § 611 BGB an die Leistung der versprochenen Dienste an(BAG 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 20, BAGE 137, 366). Dazu zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise von deren Erbringung unmittelbar zusammenhängt (BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 28, BB 2013, 445 unter Aufgabe von BAG 11. Oktober 2000 - 5 AZR 122/99 - BAGE 96, 45). Zu den iSv. § 611 Abs. 1 BGB „versprochenen Diensten“ gehört auch das vom Arbeitgeber angeordnete Fahren vom Betrieb zu einer auswärtigen Arbeitsstelle. Derartige Fahrten sind eine primär fremdnützige, den betrieblichen Belangen des Arbeitgebers dienende Tätigkeit und damit „Arbeit“ (zum Begriff der Arbeit, vgl. BAG 22. April 2009 - 5 AZR 292/08 - Rn. 15, AP BGB § 611 Wegezeit Nr. 11; 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 21, BAGE 137, 366 - jeweils mwN). Durch das Anordnen der Fahrten macht der Arbeitgeber diese zur arbeitsvertraglichen Verpflichtung.
- 18
-
Mit der Einordnung der Fahrzeiten als Teil der iSv. § 611 Abs. 1 BGB „versprochenen Dienste“ ist aber noch nicht geklärt, wie sie zu vergüten sind. Durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag kann eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentliche Tätigkeit und damit auch für Fahrzeiten vom Betrieb zur auswärtigen Arbeitsstelle getroffen werden (vgl. BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 29, BB 2013, 445 [Umkleidezeiten]; 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 32, BAGE 137, 366 [Beifahrerzeiten]; 21. Dezember 2006 - 6 AZR 341/06 - Rn. 13, BAGE 120, 361). Eine solche gesonderte Vergütungsregelung enthält im Streitfalle der LTV.
- 19
-
Schon der Umstand, dass die tariflichen Vorschriften Fahrzeiten nicht ausdrücklich der tariflichen Arbeitszeit zuordnen, spricht dafür, dass diese nicht mit dem „normalen“ Stundenlohn entgolten werden sollen. Dementsprechend enthält unter der Überschrift „Auswärtige Arbeiten (Montagearbeiten)“ VII LTV eine eigenständige und abschließende Regelung für die „Entlohnung“ des mit der Arbeit an auswärtigen Arbeitsstellen verbundenen (Zeit-)Aufwands. Vorgesehen sind ein Fahrgeld bei tatsächlichen Fahrtkosten, eine nach Entfernung und Aufenthaltsdauer auf der auswärtigen Arbeitsstelle gestaffelte, vom tatsächlichen Aufwand und steuerrechtlichen Pauschalbeträgen losgelöste Auslösung, deren Höhe bei täglicher Heimfahrt an bestimmte Prozentsätze des tariflichen Zeitlohnes anknüpft, und eine Montagezulage. Dagegen fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, zusätzlich zu diesen Leistungen solle die Fahrzeit zur auswärtigen Arbeitsstelle (und zurück) mit dem „normalen“ Stundenlohn vergütet werden.
- 20
-
Mit dem Begriff „Auslösung“ wird zwar gemeinhin ein pauschalierter Aufwendungsersatz bezeichnet, der Fahrt-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten abdecken soll (vgl. ErfK/Preis 13. Aufl. § 611 BGB Rn. 517). Die „Auslösung“ bei täglicher Heimfahrt nach VII Nr. 2 LTV hat jedoch - zumindest auch - Entgeltcharakter: Fahrgeld wird gesondert nach VII Nr. 1 LTV erstattet, Übernachtungskosten fallen bei täglicher Heimfahrt nicht an und höhere Verpflegungskosten als bei einer Arbeit im Betrieb müssen nicht zwingend entstehen. Zudem bemisst sich die „Auslösung“ bei täglicher Heimfahrt nicht wie diejenige bei nicht täglicher Heimfahrt (VII Nr. 4 LTV) nach einem bestimmten Euro-Betrag, sondern an einem mit zunehmender Entfernung (und damit im Regelfall längeren Fahrzeit) steigenden Prozentsatz des tariflichen Ecklohns. Bei dieser Ausgestaltung hätte es einer ausdrücklichen Regelung bedurft, wenn neben den in VII LTV vorgesehenen Leistungen für Arbeit auf auswärtigen Arbeitsstellen zusätzlich die Fahrzeit mit dem normalen Stundenlohn vergütet werden soll.
- 21
-
Das belegt VII Nr. 7 LTV, in der ausdrücklich bestimmt ist, dass bei Heimreisen zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten - neben dem Fahrgeld - „die Reisezeit mit dem normalen Stundenlohn“ vergütet werden muss, und zwar auch dann, wenn der Arbeitnehmer zunächst zum Betrieb zurückfährt, um dort zB Werkzeug abzugeben oder das Montagefahrzeug abzustellen, und erst anschließend zu seiner Wohnung weiterreist. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass andere Reisezeiten und damit auch die streitgegenständlichen Fahrzeiten nicht mit dem normalen Stundenlohn zu vergüten sind.
-
II. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
-
Müller-Glöge
Laux
Biebl
Hromadka
Zoller
Tenor
-
Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 8. August 2013 - 18 TaBV 3/13 - aufgehoben.
-
Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 21. März 2013 - 4 BV 213/12 - abgeändert.
-
Die Anträge werden abgewiesen.
Gründe
- 1
-
A. Die Beteiligten streiten über Mitbestimmungsrechte bei der Arbeitszeit.
- 2
-
Die tarifgebundene Arbeitgeberin betreibt öffentlichen Personennahverkehr in Stuttgart und Umgebung mit Straßenbahnen und Bussen. Am Verfahren beteiligt ist der bei ihr errichtete Betriebsrat.
- 3
-
Die Dienste des im Personennahverkehr eingesetzten Fahrpersonals beginnen und enden fahrplanbedingt nicht nur auf den Betriebshöfen der Arbeitgeberin, sondern auch an Haltestellen im Streckennetz. Für die Wege zu den Übernahme-/Ablösestellen stellt die Arbeitgeberin eine Transportmöglichkeit mit einem Personalwagen zur Verfügung, dessen Benutzung dem Fahrpersonal freigestellt ist. Dieses nutzt überwiegend den direkten Weg zwischen der Wohnung und der Übernahme-/Ablösestelle.
- 4
-
Bei der Dienstplangestaltung für die Jahre 2011/2012 kam es zwischen den Beteiligten zu Meinungsverschiedenheiten über die dienstplanmäßige Berücksichtigung der Wegezeiten des Fahrpersonals zu den außerhalb der Betriebshöfe im Streckennetz stehenden Fahrzeugen.
- 5
-
Der Betrieb der Arbeitgeberin wird ua. vom Bezirkstarifvertrag für die kommunalen Nahverkehrsbetriebe Baden-Württemberg (BzTV-N BW) vom 23. November 2005 erfasst. Die als „Besondere Bestimmungen für Arbeitnehmer im Fahrdienst“ bezeichnete Anlage 3 vom 13. November 2001 idF vom 3. November 2015 lautet:
-
„§ 2
(1)
Die Dienstschicht umfasst die reine Arbeitszeit (einschließlich der in § 4 Abs. 1 Satz 1 genannten Zeiten), die Pausen und die Wendezeiten. …
§ 4
(1)
Für die Vorbereitungs- und Abschlussdienste sowie - bei Abrechnung und Einzahlung - für den Weg zwischen der Ablösungs- und Abrechnungsstelle wird die notwendige Zeit in die Arbeitszeit eingerechnet. Gleiches gilt für die sich aus dem Dienst- und Fahrplan ergebenden Wendezeiten. Betrieblich können abweichende Regelungen vereinbart werden.
…
§ 7
Arbeitsplatz ist das Fahrzeug oder der angewiesene Aufenthaltsplatz.“
- 6
-
Die Beteiligten haben in der Betriebsvereinbarung Nr. 1/2003 eine pauschale Einrechnung von insgesamt 10 Minuten pro Schicht für die Vorbereitungs- und Abschlussdienste sowie für den Weg zwischen Ablösungs- und Abrechnungsstelle vereinbart.
- 7
-
In der Betriebsvereinbarung Nr. 1/2011 zur „Neuregelung der Dienstkleiderordnung im Fahrdienst und im Verkehrsaufsichtsdienst - Dienstkleiderordnung (DKLO) - vom 14. Januar 2011 (BV 2011) ist bestimmt:
-
„Präambel
Das Erscheinungsbild der SSB wird wesentlich durch Verhalten und Auftreten ihrer Mitarbeiter/innen geprägt. Die von der SSB gewollte Kundenorientierung und Außenwirkung verlangt daher von bestimmten Mitarbeitergruppen, dass sie als SSB-Mitarbeiter erkennbar sind und vorbildlich und einheitlich auftreten. Solche Mitarbeiter/innen werden daher verpflichtet, im Dienst die zur Verfügung gestellte Dienstkleidung zu tragen. …
§ 1 Personenkreis
Diese Dienstkleiderordnung gilt für die Ausstattung
a)
aller Fahrer im Linienverkehr,
…
§ 2 Beschaffung
(1)
Die Dienstkleidung wird von der SSB AG beschafft und den Mitarbeitern unentgeltlich zur ausschließlichen dienstlichen Nutzung zur Verfügung gestellt.
…
§ 5 Tragepflicht
(1)
Die Mitarbeiter sind verpflichtet, ihren Dienst in korrekter Dienstkleidung und dazu passenden, für die jeweilige Tätigkeit geeignetem Schuhwerk anzutreten und auszuüben. …“
- 8
-
Die Gestaltung der Dienstkleidung ist in einem „Katalog Dienstkleidung“ festgelegt. An der Mehrzahl der Übernahme-/Ablösestellen besteht keine Umkleidemöglichkeit für das Fahrpersonal.
- 9
-
Nach § 16 Nr. 1 der „Dienstanweisung für den Fahrdienst mit Bussen“ (DA Busse) hat das Fahrpersonal während der Fahrt die dort bestimmten Gegenstände mitzuführen. Zu diesen gehören ua. der Verbundfahrplan und der Wegweiser der Stadt Stuttgart, Formulare für Fundsachenmeldungen und Anträge auf Fahrgeldrückerstattung sowie das Wechselgeld und einen Wechsler. Die vorgenannten Gegenstände können in einem von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten Rucksack mit Firmenlogo oder in einer Tasche ohne Logo transportiert werden. Die Einnahmen sind ua. nach Dienstende oder vor der Aufnahme des nächsten Dienstes abzurechnen, wenn die Summe der Verkaufserlöse die Wertgrenze von 500,00 Euro erreicht hat.
- 10
-
Die Arbeitgeberin hat gemeint, bei den Wegezeiten von der und zur Übernahme-/Ablösungsstelle handele es sich nicht um bei der Dienstplangestaltung zu berücksichtigende Arbeitszeit.
- 11
-
Die Arbeitgeberin hat beantragt
-
festzustellen, dass folgende Wegezeiten des Fahrpersonals keine Arbeitszeiten im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne sind und somit nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG unterliegen:
a)
die Zeiten für den Weg vor Beginn der jeweiligen Schicht zum Fahrzeug, das außerhalb einer Betriebshöfe der Arbeitgeberin im Streckennetz steht,
b)
die Zeiten für den Weg nach Ende einer Schicht, die nicht auf einem der Betriebshöfe der Arbeitgeberin endet, vom Fahrzeug zu einem Betriebshof der Arbeitgeberin oder anderswohin,
soweit es sich nicht um Zeiten für Wege zwischen der Ablösungs- und Abrechnungsstelle iSd. § 4 Abs. 1 Anlage 3 idF. vom 3. November 2011 des BzTV-N BW handelt.
- 12
-
Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge abzuweisen.
- 13
-
Das Arbeitsgericht hat den Anträgen entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt dieser seinen Abweisungsantrag weiter.
- 14
-
B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats gegen die stattgebende Entscheidung des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Die negativen Feststellungsanträge der Arbeitgeberin sind unbegründet.
- 15
-
I. Die Anträge sind in der gebotenen Auslegung zulässig.
- 16
-
1. Die Arbeitgeberin möchte die Feststellung erreichen, dass es sich - mit Ausnahme der Wege zwischen Ablösungs- und Abrechnungsstelle - bei den Zeiten für die Wege, die von den Arbeitnehmern zu Schichtbeginn zum Fahrzeug und nach Schichtende vom Fahrzeug zurückgelegt werden, nicht um solche handelt, die als betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bei der Dienstplangestaltung des Fahrpersonals zu berücksichtigen sind. Diese Feststellung will die Arbeitgeberin in Bezug auf den Antrag zu a) auch für solche Wege erreichen, die von den Arbeitnehmern nach Anlegen ihrer Dienstkleidung im Betriebshof zu den Fahrzeugen zurückgelegt werden. Dies folgt - anders als bei dem Antrag zu b) - nicht bereits aus seinem Wortlaut, sondern aus dem zur Begründung ihres Antrags gehaltenen Vorbringen. Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, die in den Dienstplänen zu verteilende Arbeitszeit beginne erst, wenn das Fahrpersonal in Dienstkleidung an der Übernahme-/Ablösestelle erscheint. Mit diesem Inhalt sind beide Anträge auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet.
- 17
-
2. Die Anträge sind hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
- 18
-
Dies gilt auch in Hinblick auf die vom Arbeitsgericht angeregte Einschränkung in Bezug auf „Wege zwischen der Ablösungs- und Abrechnungsstelle“. Das Vorliegen solcher Sachverhalte steht mit der notwendigen Eindeutigkeit fest. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Anlage 3 BzTV-N BW wird bei der Abrechnung und Einzahlung der Fahrgeldeinnahmen die notwendige Zeit für den Weg zwischen der Ablösungs- und Abrechnungsstelle in die Arbeitszeit eingerechnet. Abrechnungsstelle ist in örtlicher Hinsicht der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine Einnahmen abliefert und die Abrechnung vornimmt. Nach der Tarifbestimmung sind dies nur Wege, die er zwischen der Ablösungsstelle und einer Einrichtung der Arbeitgeberin (Betriebshof) zurücklegt und die zur Abrechnung und Einzahlung führen sollen. Die Abrechnungsstelle kann allerdings nicht beliebig aufgesucht werden, sondern nur aufgrund einer Anordnung der Arbeitgeberin (BAG 12. August 1993 - 6 AZR 553/92 - zu II 1 a und c der Gründe, BAGE 74, 85). Diese hat ihr Direktionsrecht in der Dienstanweisung 01/2011 onkretisiert.
- 19
-
3. Für die Klärung der aufgeworfenen Fragen nach dem Inhalt der betrieblichen Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG besteht ein Feststellungsinteresse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO.
- 20
-
a) Das besondere Feststellungsinteresse für die Anträge der Arbeitgeberin folgt aus den unterschiedlichen Auffassungen der Beteiligten über die nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu verteilende betriebliche Arbeitszeit und ihrer Berücksichtigung in den Dienstplänen. Dieser Streit wird durch die Anträge einer Klärung zugeführt.
- 21
-
b) Das Feststellungsinteresse für die Anträge ist nicht deshalb entfallen, weil die Betriebsparteien entsprechend der Vorgaben in § 4 Abs. 1 Satz 3 Anlage 3 BzTV-N BW eine Regelung über die Dauer der notwendigen Vorbereitungs- und Abschlussdienste getroffen haben. Zu diesen gehören die Wegezeiten nicht.
- 22
-
II. Die Anträge sind unbegründet. Sie erfassen Sachverhaltsgestaltungen, in denen die betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG Umkleide- und Wegezeiten sowie das Mitführen von Arbeitsmitteln umfasst.
- 23
-
1. Die Zeiten für das An- und Ablegen der Dienstkleidung in den Betriebsräumen des Arbeitgebers können ebenso zur verteilungsfähigen Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG gehören, wie die Zeiten, die der Arbeitnehmer braucht, um in Dienstkleidung von dem Ort seines Kleidungswechsels zu seinem Arbeitsplatz zu gelangen.
- 24
-
a) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Das Beteiligungsrecht nach dieser Bestimmung dient dazu, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage der Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien Zeit für die Gestaltung ihres Privatlebens zur Geltung zu bringen. Das Mitbestimmungsrecht betrifft die Lage der täglichen „Arbeitszeit“ iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Dies ist die Zeit, während derer der Arbeitnehmer die von ihm in einem bestimmten zeitlichen Umfang vertraglich geschuldete Arbeitsleistung tatsächlich zu erbringen hat. Es geht um die Festlegung des Zeitraums, während dessen der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die Erfüllung seiner vertraglichen Hauptleistungspflichten verlangen und dieser sie ihm ggf. mit der Folge des § 293 BGB anbieten kann. Arbeitszeit iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist deshalb die Zeit, in welcher der Arbeitnehmer verpflichtet bzw. berechtigt ist, seine vertraglich geschuldete Arbeit zu leisten (BAG 14. November 2006 - 1 ABR 5/06 - Rn. 27, BAGE 120, 162).
- 25
-
b) Nach der Senatsrechtsprechung gehören Umkleidezeiten zur vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung, wenn das Umkleiden einem fremden Bedürfnis dient und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis erfüllt. Das ist bei einer besonders auffälligen Dienstkleidung der Fall. An der Offenlegung seines Arbeitgebers gegenüber Dritten hat der Arbeitnehmer außerhalb seiner Arbeitszeit kein objektiv feststellbares eigenes Interesse (vgl. BAG 17. Januar 2012 - 1 ABR 45/10 - Rn. 32, BAGE 140, 223). Das Ankleiden mit vorgeschriebener Dienstkleidung ist nicht lediglich fremdnützig und damit nicht Arbeitszeit, wenn sie zu Hause angelegt und - ohne besonders auffällig zu sein - auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann (BAG 10. November 2009 - 1 ABR 54/08 - Rn. 15). An der ausschließlichen Fremdnützigkeit fehlt es auch, wenn es dem Arbeitnehmer gestattet ist, eine an sich besonders auffällige Dienstkleidung außerhalb der Arbeitszeit zu tragen, und er sich entscheidet, diese nicht im Betrieb an- und abzulegen. Dann dient das Umkleiden außerhalb des Betriebs nicht nur einem fremden Bedürfnis, weil der Arbeitnehmer keine eigenen Kleidungsstücke auf dem Arbeitsweg einsetzen muss oder sich aus anderen, selbstbestimmten Gründen gegen das An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb entscheidet (BAG 12. November 2013 - 1 ABR 59/12 - Rn. 33, BAGE 146, 271). Zur Arbeitszeit zählt auch das Zurücklegen des Wegs von der Umkleide- zur Arbeitsstelle. Bei diesen Zeiten handelt es sich um innerbetriebliche Wegezeiten, die der Arbeitnehmer aufgrund der Anordnung des Arbeitgebers über das Anlegen einer besonders auffälligen Dienstkleidung zurücklegen muss (BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 28, BAGE 143, 107).
- 26
-
2. Danach erweist sich zwar die vom Betriebsrat vertretene Ansicht als unzutreffend, wonach die Wege von der und zur Übernahme-/Ablösestelle bereits dann betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG darstellen, wenn das Fahrpersonal diese in Dienstkleidung zurücklegt. Jedoch handelt es sich um betriebliche Arbeitszeit, wenn Arbeitnehmer sich im Betriebshof umkleiden und anschließend den Weg zur Übernahme-/Ablösestelle in ihrer Dienstkleidung zurücklegen. Dies gilt gleichermaßen, wenn sie nach Schichtende zum Betriebshof zurückkehren, um dort ihre Dienstkleidung abzulegen.
- 27
-
a) Die im Fahrdienst beschäftigten Arbeitnehmer sind nach § 1 Buchst. a, § 5 Abs. 1 BV 2011 zum Tragen der unternehmenseinheitlichen Dienstkleidung verpflichtet. Dies steht zwischen den Beteiligten außer Streit.
- 28
-
b) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts handelt es bei den tragepflichtigen Kleidungsstücken des Fahrpersonals um eine besonders auffällige Dienstkleidung.
- 29
-
aa) Bei der Beurteilung, ob eine Dienstkleidung als besonders auffällig anzusehen ist, steht dem Beschwerdegericht ein Beurteilungsspielraum zu. Dessen Würdigung ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob das Gericht den Rechtsbegriff selbst verkannt, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungs- und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat (vgl. BAG 13. Mai 2014 - 1 ABR 50/12 - Rn. 19).
- 30
-
bb) Diesem eingeschränkten rechtsbeschwerderechtlichen Prüfungsmaßstab hält die angefochtene Entscheidung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat die besondere Auffälligkeit der vom Fahrpersonal zu tragenden Dienstkleidung verneint. Nach der hierzu gegebenen Begründung hat es darauf abgestellt, dass die Dienstkleidung weder in markanten Farben gehalten noch der Firmenname der Arbeitgeberin in größerer, auch aus einer gewissen Entfernung deutlich erkennbarer Schrift oder auffälliger Färbung gestaltet ist.
- 31
-
cc) Danach hat das Landesarbeitsgericht die Anforderungen an eine besonders auffällige Dienstkleidung verkannt. Um eine solche handelt es sich, wenn die Arbeitnehmer im öffentlichen Raum aufgrund der Ausgestaltung ihrer Kleidungsstücke als Angehörige ihres Arbeitgebers ohne Weiteres erkannt werden können. Hierfür ist ohne Bedeutung, ob die Dienstkleidung in dezenten oder auffälligen Farben gehalten ist. Die Möglichkeit einer Zuordnung zu einem bestimmten Arbeitgeber besteht auch bei einer unauffälligen Farbgestaltung der Dienstkleidung, wenn auf dieser ein Emblem oder Schriftzüge angebracht sind, die aufgrund ihrer Bekanntheit in der Öffentlichkeit mit einem bestimmten Rechtsträger oder einer Unternehmensgruppe in Verbindung gebracht werden (BAG 12. November 2013 - 1 ABR 59/12 - Rn. 35, BAGE 146, 271). Hierfür kommt es - unabhängig von der Größe der Schriftzüge oder Logos - nur auf deren Erkennbarkeit an.
- 32
-
(4) Einer hierauf gestützten Zurückverweisung bedarf es indes nicht. Der Senat kann über die besondere Auffälligkeit der Dienstkleidung selbst befinden. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat nach § 559 Abs. 2 ZPO bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann das Fahrpersonal der Arbeitgeberin aufgrund der darauf angebrachten Schriftzüge von Dritten dem Unternehmen der Arbeitgeberin zugeordnet werden. Das entspricht dem Zweck ihrer Ausgestaltung. Die Dienstkleidung dient nach der Präambel der BV 2011 der Herstellung eines einheitlichen Erscheinungsbilds des Fahrpersonals und dessen Erkennbarkeit in der Öffentlichkeit.
- 33
-
c) Die Zuordnung der Umkleide- und Wegezeiten zur betrieblichen Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist von der Entscheidung des Fahrpersonals abhängig, an welchem Ort sie die Dienstkleidung an- und ablegen.
- 34
-
aa) Entgegen der Auffassung des Betriebsrats handelt es sich nicht um betriebliche Arbeitszeit, wenn die als Fahrpersonal beschäftigten Arbeitnehmer unmittelbar von ihrer Wohnung zur Übernahme-/Ablösestelle fahren oder nach Dienstende dorthin zurückkehren. Die Arbeitgeberin gestattet dem Fahrpersonal, seine Dienstkleidung bereits zu Hause anzulegen und auf den Wegen von und zur Übernahme-/Ablösestelle zu tragen. Entscheiden sich die Arbeitnehmer, die Kleidungsstücke nicht im Betrieb an- und abzulegen, ist das Tragen der Dienstkleidung auf dem Weg von und zur Arbeit nicht ausschließlich fremdnützig.
- 35
-
bb) Hingegen liegt eine ausschließlich fremdnützige Tätigkeit vor, wenn die als Fahrpersonal eingesetzten Arbeitnehmer eine dafür vorgesehene und geeignete Umkleidemöglichkeit im Betrieb für das Anlegen der Dienstkleidung nutzen und sich anschließend zur Übernahme-/Ablösestelle begeben. Dies gilt entsprechend nach Beendigung ihrer Fahrtätigkeit. Nutzen sie eine betriebliche Umkleidemöglichkeit zum An-/Ablegen ihrer Dienstkleidung, handelt es sich bei den dafür notwendigen Wege- und Umkleidezeiten um betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.
- 36
-
d) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist nicht nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG eingeschränkt oder ausgeschlossen.
- 37
-
aa) Die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten dient dem Schutz der Arbeitnehmer durch gleichberechtigte Teilhabe an den sie betreffenden Angelegenheiten (BAG GS 3. Dezember 1991 - GS 2/90 - zu C II 1 a der Gründe, BAGE 69, 134). § 87 Abs. 1 BetrVG beschränkt wegen der persönlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers und im Hinblick auf den Teilhabegedanken die Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers bei der Vertragsgestaltung und der Ausübung seines Direktionsrechts(Wiese GK-BetrVG 10. Aufl. § 87 Rn. 56). Der Eingangshalbsatz in § 87 Abs. 1 BetrVG beruht dabei auf der Erwägung, dass für die Erreichung des Mitbestimmungszwecks kein Raum mehr besteht, wenn eine den Arbeitgeber bindende Regelung durch Gesetz oder Tarifvertrag bereits vorliegt. In diesem Fall kann davon ausgegangen werden, dass mit dieser Regelung den berechtigten Interessen und Schutzbedürfnissen der Arbeitnehmer hinreichend Rechnung getragen worden ist (BAG 12. November 2013 - 1 ABR 59/12 - Rn. 38, BAGE 146, 271).
- 38
-
bb) Die Tarifvertragsparteien haben in dem für das Fahrpersonal einschlägigen BzTV-N BW keine abschließende Regelung über die betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG getroffen.
- 39
-
Nach § 2 Abs. 1 Anlage 3 BzTV-N BW umfasst die Dienstschicht die reine Arbeitszeit, die Pausen und die Wendezeiten. In § 2 Abs. 1 ArbZG wird die Arbeitszeit als die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhepausen definiert. Zur Arbeit iSd. genannten Vorschrift gehört auch das Umkleiden für die Arbeit und die innerbetrieblichen Wegezeiten, wenn - wie vorliegend - das Tragen einer besonders auffälligen Dienstkleidung vorgeschrieben ist und betrieblichen Belangen dient. Für ein vom gesetzlichen Arbeitszeitbegriff abweichendes Verständnis der Tarifvertragsparteien hätte es eines hinreichend deutlich zum Ausdruck gebrachten Regelungswillens bedurft, für den jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich sind. Ebenso wird das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nicht durch § 7 Anlage 3 BzTV-N BW, wonach Arbeitsplatz das Fahrzeug oder der angewiesene Aufenthaltsplatz ist, ausgeschlossen oder eingeschränkt. Die Vorschrift enthält schon nach ihrem Wortlaut keine Regelung über die betriebliche Arbeitszeit. Entscheiden sich die Angehörigen des Fahrpersonals, ihre Dienstkleidung erst an einem von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten Ort an- und abzulegen, handelt es sich bei diesem Ort zudem um einen angewiesenen Aufenthaltsplatz iSd. § 7 Anlage 3 BzTV-N BW. Die Arbeitgeberin kann ihr Fahrpersonal nicht anweisen, die auffällige Dienstkleidung auch auf dem Weg von und nach der Übernahme-/Ablösestelle zu tragen.
- 40
-
3. Die Anträge der Arbeitgeberin sind auch unbegründet, weil ihre im Fahrdienst mit Bussen eingesetzten Arbeitnehmer berechtigt sind, die von ihnen mitzuführenden Arbeitsmittel an einem der Betriebshöfe der Arbeitgeberin abzugeben und wieder in Empfang zu nehmen. Dementsprechend stellt auch die erforderliche Zeit für das Zurücklegen dieser Wege betriebliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG dar.
- 41
-
a) Die Entgegennahme und Abgabe von arbeitsnotwendigen Betriebsmitteln stellt Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG dar, wenn diese Tätigkeiten einem fremden Bedürfnis dienen und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis des Arbeitnehmers erfüllen. In diesem Fall handelt es sich auch um Arbeitszeit iSd. § 2 Abs. 1 ArbZG. Arbeitnehmer sind regelmäßig nicht verpflichtet, Arbeitsmittel, die sie in der dienstfreien Zeit nicht nutzen, nach Beendigung ihrer Arbeitszeit für den Arbeitgeber zu verwahren. Eine solche Tätigkeit dient nicht ihrem eigenen Bedürfnis (BAG 12. November 2013 - 1 ABR 59/12 - Rn. 57 und 60, BAGE 146, 271).
- 42
-
b) Bei den nach § 16 Nr. 1 DA Busse mitzuführenden Gegenständen handelt es sich um notwendige Arbeitsmittel. Deren Empfang und Abgabe stellen Arbeitszeit dar. Die Arbeitgeberin erlaubt dem Fahrpersonal zwar die Verwahrung dieser Arbeitsmittel außerhalb des Dienstes. Entscheiden sich die Arbeitnehmer jedoch zu deren Rückgabe nach Dienstende, sind die Abgabe und die erneute Entgegennahme dieser Arbeitsmittel bei Dienstbeginn ausschließlich fremdnützig und damit Arbeitszeit. Dies gilt gleichermaßen für die Wege nach Dienstende zur Abgabestelle und bei Dienstbeginn von dort bis zum Fahrzeug.
-
Schmidt
K. Schmidt
Koch
Rath
N. Schuster
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.
(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.
(1) Die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer ist nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen.
(2) Die werktägliche Arbeitszeit der Nachtarbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn abweichend von § 3 innerhalb von einem Kalendermonat oder innerhalb von vier Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Für Zeiträume, in denen Nachtarbeitnehmer im Sinne des § 2 Abs. 5 Nr. 2 nicht zur Nachtarbeit herangezogen werden, findet § 3 Satz 2 Anwendung.
(3) Nachtarbeitnehmer sind berechtigt, sich vor Beginn der Beschäftigung und danach in regelmäßigen Zeitabständen von nicht weniger als drei Jahren arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen. Nach Vollendung des 50. Lebensjahres steht Nachtarbeitnehmern dieses Recht in Zeitabständen von einem Jahr zu. Die Kosten der Untersuchungen hat der Arbeitgeber zu tragen, sofern er die Untersuchungen den Nachtarbeitnehmern nicht kostenlos durch einen Betriebsarzt oder einen überbetrieblichen Dienst von Betriebsärzten anbietet.
(4) Der Arbeitgeber hat den Nachtarbeitnehmer auf dessen Verlangen auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz umzusetzen, wenn
- a)
nach arbeitsmedizinischer Feststellung die weitere Verrichtung von Nachtarbeit den Arbeitnehmer in seiner Gesundheit gefährdet oder - b)
im Haushalt des Arbeitnehmers ein Kind unter zwölf Jahren lebt, das nicht von einer anderen im Haushalt lebenden Person betreut werden kann, oder - c)
der Arbeitnehmer einen schwerpflegebedürftigen Angehörigen zu versorgen hat, der nicht von einem anderen im Haushalt lebenden Angehörigen versorgt werden kann,
(5) Soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen, hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren.
(6) Es ist sicherzustellen, daß Nachtarbeitnehmer den gleichen Zugang zur betrieblichen Weiterbildung und zu aufstiegsfördernden Maßnahmen haben wie die übrigen Arbeitnehmer.
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.
(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.
Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen.
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
(1) Ist der Vertrag zwischen einem Verleiher und einem Leiharbeitnehmer nach § 9 unwirksam, so gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen; tritt die Unwirksamkeit erst nach Aufnahme der Tätigkeit beim Entleiher ein, so gilt das Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer mit dem Eintritt der Unwirksamkeit als zustande gekommen. Das Arbeitsverhältnis nach Satz 1 gilt als befristet, wenn die Tätigkeit des Leiharbeitnehmers bei dem Entleiher nur befristet vorgesehen war und ein die Befristung des Arbeitsverhältnisses sachlich rechtfertigender Grund vorliegt. Für das Arbeitsverhältnis nach Satz 1 gilt die zwischen dem Verleiher und dem Entleiher vorgesehene Arbeitszeit als vereinbart. Im übrigen bestimmen sich Inhalt und Dauer dieses Arbeitsverhältnisses nach den für den Betrieb des Entleihers geltenden Vorschriften und sonstigen Regelungen; sind solche nicht vorhanden, gelten diejenigen vergleichbarer Betriebe. Der Leiharbeitnehmer hat gegen den Entleiher mindestens Anspruch auf das mit dem Verleiher vereinbarte Arbeitsentgelt.
(2) Der Leiharbeitnehmer kann im Fall der Unwirksamkeit seines Vertrags mit dem Verleiher nach § 9 von diesem Ersatz des Schadens verlangen, den er dadurch erleidet, daß er auf die Gültigkeit des Vertrags vertraut. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Leiharbeitnehmer den Grund der Unwirksamkeit kannte.
(3) Zahlt der Verleiher das vereinbarte Arbeitsentgelt oder Teile des Arbeitsentgelts an den Leiharbeitnehmer, obwohl der Vertrag nach § 9 unwirksam ist, so hat er auch sonstige Teile des Arbeitsentgelts, die bei einem wirksamen Arbeitsvertrag für den Leiharbeitnehmer an einen anderen zu zahlen wären, an den anderen zu zahlen. Hinsichtlich dieser Zahlungspflicht gilt der Verleiher neben dem Entleiher als Arbeitgeber; beide haften insoweit als Gesamtschuldner.
(4) und (5) weggefallen
(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.
(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.
(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.
(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.
(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:
- 1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs, - 2.
den Grund für den Übergang, - 3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und - 4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.
(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)