Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 14. Okt. 2015 - 2 K 1760/14

ECLI:ECLI:DE:FGRLP:2015:1014.2K1760.14.0A
bei uns veröffentlicht am14.10.2015

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Tenor

I. Unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 11. Dezember 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. April 2013 wird der Beklagte verpflichtet, wegen der sich aus den Einkommensteuerfestsetzungen für 2010 und 2011 vom 20. März 2012 und 7. Februar 2013 ergebenden Nachzahlung, die aus der Vermietung der Objekte L-Straße 1. Hausnummer und 2. Hausnummer, PLZ H und L-Gasse Hausnummer, PLZ H für die Zeit ab April 2010 resultieren, lediglich in den auf den Kläger entfallenden Nachlass des Herrn F zu vollstrecken.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 1/10 und der Beklagte 9/10 zu tragen.

III. Das Urteil ist wegen der vom Beklagten zu tragenden Kosten zugunsten des Klägers vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der noch festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob Einkommensteuerforderungen, die aus der Vermietung eines ererbten Objektes herrühren, auf Grund angeordneten Nachlassinsolvenzverfahrens der beschränkten Erbenhaftung unterfallen.

2

Der Kläger und seine Mutter wurden Miterben ihres in 2005 verstorbenen Vaters/Ehemannes. Zum Nachlass gehörten die fremdvermieteten Mehrfamilienhäuser L-Straße 1. Hausnummer und 2. Hausnummer in PLZ H sowie das gewerblich verpachtete Objekt L-Gasse Hausnummer in H. Die hieraus von dem Kläger und seiner Mutter in Erbengemeinschaft erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wurden auf der Grundlage entsprechender Feststellungserklärungen bis jedenfalls einschließlich des Veranlagungszeitraumes 2011 gesondert vom Finanzamt festgestellt.

3

Nachdem der Kläger und seine Miterbin Ende 2009 zur Zahlung eines Vermächtnisses an Verwandte des verstorbenen Vaters verurteilt worden waren, war auf ihren Antrag hin am 1. April 2010 das derzeit noch andauernde Nachlassinsolvenzverfahren über den Nachlass des Vaters eröffnet worden. In dessen Rahmen wurden die o.g. Anwesen in 2013 veräußert.

4

Die gesondert festgestellten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Klägers fanden Eingang in die jeweiligen Einkommensteuerfestsetzungen, u.a. in die für 2010 vom 20. März 2012 und in die für 2011 vom 7. Februar 2013.

5

Nachdem der Kläger und seine mit ihm zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Ehefrau die sich hieraus ergebenden Einkommensteuernachzahlungen schuldig geblieben waren und das Finanzamt daraufhin die Vollstreckung angekündigt hatte, wurde die Einkommensteuerschuld 2010 und 2011 auf Antrag des Klägers und seiner Gattin aufgeteilt. Des Weiteren machte der Kläger die Einwendung der beschränkten Erbenhaftung nach § 1975 BGB geltend. Hierzu trug er vor, die o.g. Nachzahlungsverpflichtungen beruhten auf den festgestellten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Sie seien damit allein aus Vermögensgegenständen erzielt worden, die zur Nachlassinsolvenzmasse gehörten. Er und seine Mutter hätten auch nicht die Möglichkeit gehabt, die Mietverhältnisse, die noch der Vater eingegangen sei, ohne weiteres zu kündigen. Hierzu hätte es nach § 573 BGB eines berechtigten Interesses bedurft. Das Interesse an der Vermeidung entsprechender Einkünfte reiche hierfür nicht aus. Zudem habe nach Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens ohnehin nur noch der Insolvenzverwalter Mietverhältnisse begründen und beenden können. Daher sei die Entscheidung des BFH vom 11. August 1998, VII R 118/95 einschlägig. Die Einkommensteuerschuld stelle eine Nachlassverbindlichkeit in Form der Nachlassverwaltungskostenschuld dar, so dass die Erbenhaftung auf den Nachlass beschränkt werden könne.

6

Auf Nachfrage des Finanzamtes ließ der Kläger noch wissen, er habe sich zunächst nur wenig um den Nachlass gekümmert und alle Entscheidungen sowie die Verwaltung seiner Mutter überlassen. Seinem Kenntnisstand nach habe diese sich auch nicht um einen Verkauf der Häuser in H bemüht. Hierfür habe es gar keinen Anlass gegeben, da diese sich mehr oder weniger selbst getragen hätten. Aller Wahrscheinlichkeit nach seien die Mietverhältnisse noch vom Vater eingegangen worden, es sei jedoch auch möglich, dass eine der Wohnungen vor Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens durch die Mutter neu vermietet worden sei. Nachweise hierzu könnten nicht mehr beschafft werden. Sämtliche Unterlagen seien an den Käufer des Objektes übergeben worden. Der diesbezüglich angeschriebene Nachlassinsolvenzverwalter habe nicht reagiert. Weder der Kläger noch seine Mutter hätten von diesem irgendwelche Zahlungen erhalten.

7

Mit Bescheid vom 11. Dezember 2013 lehnte das Finanzamt den Antrag auf Haftungsbeschränkung ab, da die Grundsätze über die Beschränkung der Erbenhaftung nur für Nachlassverbindlichkeiten Anwendung fänden, die Einkommensteuerschulden des Klägers jedoch keine Nachlassverbindlichkeiten darstellten. Zu diesen zählten die vom Erblasser auf den Erben übergegangenen Schulden sowie die aus Anlass des Erbfalles entstandenen Schulden, insbesondere aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen sowie die Erbschaftsteuer. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gehöre die Einkommensteuer auf Grund von Einkünften, die der Erbe aus dem Nachlass erziele, jedoch nicht dazu. Auch das von dem Kläger zitierte Urteil des BFH ändere daran nichts. Der BFH habe dort folgende Differenzierung getroffen: wenn die Steuerschuld „nach materieller Betrachtungsweise“ dem Bereich des Erblassers zuzurechnen sei, könne die Haftung beschränkt werden. Sei sie dagegen dem Bereich des Erben zuzurechnen, komme eine Beschränkung nicht in Betracht. Die danach für den Kläger günstige Tatsache, dass Mietverhältnisse unverändert fortbestanden hätten, sei nicht nachgewiesen worden. Darüber hinaus bestehe hier die Besonderheit, dass seit dem Erbfall bereits mehrere Jahre vergangen seien, in denen die Objekte hätten verkauft werden können. In einem ähnlich gelagerten Fall habe der BFH einem Erben die Berufung auf die beschränkte Erbenhaftung mit der Begründung versagt, dem Erben sei eine steuerlich relevante Nutzung des Nachlasses zuzurechnen, da er noch mehrere Jahre nach dem Erbfall die Rechtsgeschäfte des Erblassers fortgeführt habe. Im Streitfall seien die Vermietungsobjekte jahrelang gehalten und im Wege der Vermietung genutzt worden, was auch durch die von dem Kläger und seiner Mutter eingereichten Steuererklärungen dokumentiert werde. Nach „materieller Betrachtungsweise“ seien die Steuerschulden daher dem Bereich der Erben zuzurechnen.

8

Dem stehe auch weder die Anordnung einer Nachlassverwaltung noch die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens entgegen. Solche Maßnahmen begründeten für den Erben zwar Verwaltungs- und Verfügungsbeschränkungen, ließen aber den Steueranspruch des Finanzamtes gegenüber dem Erben unberührt. Dabei sei es auch unerheblich, dass dem Erben die während der Nachlassverwaltung/während des Nachlassinsolvenzverfahrens erzielten Erträge regelmäßig nicht unmittelbar zuflössen, weil sie der Nachlassverwalter zur Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten eingesetzt habe. Die Verwendung von Einkünften habe keine Auswirkung auf die bestehende Steuerpflicht. Der Erbe könne sich wegen der verauslagten Einkommensteuer allenfalls im Innenverhältnis gegenüber dem Nachlass mittels eines Aufwendungsersatzanspruches schadlos halten.

9

Mit hiergegen fristgerecht eingelegtem Einspruch gab der Kläger zu bedenken, dass er – folgte man der Auffassung des Finanzamtes – aus eigenem Vermögen für durch den Nachlassinsolvenzverwalter erzielte, aber nicht an die Erben weitergeleitete, sondern für Zwecke des Nachlassinsolvenzverfahrens verwendete Einkünfte zu haften hätte. Da die Einkommensteuerschuld zudem noch in den Zurechnungsbereich des Erblassers falle, müsse die beschränkte Erbenhaftung greifen.

10

Nachdem eine Nachfrage des Finanzamtes beim Nachlassinsolvenzverwalter betreffend evtl. Verkaufsabsichten der Erbengemeinschaft unbeantwortet und auch eine Anforderung der einschlägigen Mietverträge ohne Reaktion des Verwalters geblieben waren, wurde der Einspruch unter dem 30. April 2014 mit der bereits zur Ablehnung der Haftungsbeschränkung erfolgten Begründung zurückgewiesen (Bl. 82 ff. Vollstreckungsakten).

11

Mit der vorliegenden, sich hiergegen richtenden Klage trägt der Kläger – über die bereits zuvor erfolgten Einwendungen hinaus – vor, bei Aufhebung des Nachlassinsolvenzverfahrens würden er und seine Mutter keine Zahlungen erhalten. Die Masse reiche nicht aus, um sämtliche Verbindlichkeiten und Kosten zu decken. Im Prinzip stritten die Beteiligten hier über die Auslegung des Urteils des BFH vom 11. August 1998, VII R 118/95. Dort habe der BFH entschieden, dass die Steuerschuld dem Bereich des Erblassers und nicht dem Erben zuzurechnen sei, wenn der Erblasser selbst noch einen Geschehensablauf in Gang gesetzt habe, den weder der Erbe noch der Nachlassinsolvenzverwalter im Hinblick auf die Realisierung eines steuerpflichtigen Veräußerungsgewinnes habe beeinflussen können. Das sei hier der Fall gewesen, da die Anwesen zum Zeitpunkt des Todes des Vaters komplett vermietet gewesen seien. Es sei dann auch nicht schädlich, wenn einzelne leer werdende Wohnungen in der Folgezeit durch die Mutter des Klägers neu vermietet worden sein sollten, denn es seien dann jedenfalls Mietverhältnisse vorhanden gewesen, die bis zum Verkauf der Objekte fortbestanden hätten. Wegen dieser fortbestehenden Mietverhältnisse sei auch nur eine Neuvermietung von leer werdenden Wohnungen in Frage gekommen.

12

Zudem habe der Kläger aus den Mieteinkünften auf Grund der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens keinen wirtschaftlichen Vorteil mehr gehabt. Der Insolvenzverwalter habe hiermit weder eigene Verbindlichkeiten des Klägers zurückgeführt noch sei mit einer Auskehrung von Vermögen bei Beendigung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu rechnen. Der Beklagte versuche also, Einkommensteuer aus Einkünften beizutreiben, die dem Kläger nie zugeflossen seien und auch nie zufließen würden.

13

Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 11. Dezember 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. April 2013 zu verpflichten, wegen der Einkommensteuerschuld 2010 und 2011 des Klägers, die durch die Vermietung der Objekte L-Gasse Hausnummer und L-Straße 1. Hausnummer und 2. Hausnummer, PLZ H durch die Erbengemeinschaft „F“ entstand, lediglich in den auf den Kläger entfallenden Nachlass des verstorbenen F zu vollstrecken,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

14

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

15

Er meint, es sei unschädlich, dass dem Kläger die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nie direkt zugeflossen seien. Die Tilgung der Nachlassverbindlichkeiten durch den Nachlassinsolvenzverwalter unter Verwendung dieser Einkünfte komme dem hierfür jedenfalls dem Grunde nach haftenden Erben zumindest wirtschaftlich zu Gute. Gemäß den bereits in der Einspruchsentscheidung bzw. dem ablehnenden Bescheid dargestellten Grundsätzen, die vom BFH herausgearbeitet worden seien, und auch nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. dessen Urteil vom 23. Januar 2013, VIII ZR 68/12) sei darauf abzustellen, ob die Erben nach dem Tod des Erblassers Einfluss auf die Fortführung der zuvor geschlossenen Mietverträge nehmen könnten, sei es in Form von aktivem  Tun (Kündigung bzw. Abschluss von neuen Mietverträgen) oder auch in Form des Verkaufs des Mietobjektes.

16

Dem hält der Kläger entgegen, das vom Finanzamt zitierte Urteil des BGH sei nicht einschlägig. Es behandle den genau umgekehrten Fall. Zudem sei die zivilrechtliche Ausgangslage eine völlig andere.

17

Darüber hinaus sei im Streitfall zu berücksichtigen, dass sich die Mieteinnahmen und die Werbungskosten (bestehend aus Darlehenszinsen und Instandhaltungsaufwendungen) die Waage hielten. Wenn in einem solchen Fall der Erbe leerstehende Wohnungen neu vermiete, um ererbte Verbindlichkeiten zu decken, begründe er keine Eigenschuld, sondern eine Nachlassverbindlichkeit.

18

Das Finanzamt macht in Erwiderung hierauf weitere Ausführungen dazu, aus welchen Gründen das zitierte BGH-Urteil auch im Streitfall heranzuziehen sei. Es meint zusammenfassend, sowohl aus der Rechtsprechung des BGH als auch aus der des BFH lasse sich folgender Schluss ziehen: führe der Erbe eines Vermieters nach dessen Tod die Rechtsgeschäfte fort und unterlasse er es, sich von diesen – sei es durch Kündigung, sei es durch Veräußerung – zu lösen, obwohl ihm dies rechtlich möglich gewesen wäre, sei ihm dies zuzurechnen, so dass eine Beschränkung der Erbenhaftung nicht stattfinde.

Entscheidungsgründe

19

Die Klage ist überwiegend begründet.

20

Die auf Erträge des zu einem Nachlass gehörenden Vermögens zurückzuführende Einkommensteuer ist – wie das auch von den Beteiligten übereinstimmend so gesehen wird – nicht gegen den Nachlass, sondern gegen den Erben festzusetzen. Der Nachlass als solcher ist kein Subjekt der Einkommensbesteuerung. Den Tatbestand der Einkunftserzielung vermag allein der Erbe, nicht der Nachlass zu verwirklichen. (Der Senat verweist hierzu auf die Ausführungen in dem Urteil vom heutigen Tage in der Streitsache der Mutter des Klägers wegen gesonderter Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2011, 2 K 2143/13, zu der der Kläger beigeladen war.)

21

Die Beteiligten gehen auch zu Recht davon aus, dass die hier aufgeworfene Problematik nicht Gegenstand des Einkommensteuerfestsetzungsverfahrens oder des Verfahrens betreffend die gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, sondern allein im Rahmen der Zwangsvollstreckung zu entscheiden ist (BFH, Urteil vom 11. August 1998, VII R 118/95, BStBl II 1998, 705, m.w.N.).

22

Im Streitfall haben der Kläger und seine Mutter – wie im Übrigen von ihnen selbst erklärt – seit dem Ableben des Vaters/Ehemannes bis zur Veräußerung des o.g. Anwesens, also insbesondere auch während des Nachlassinsolvenzverfahrens, den Tatbestand der Einkünfteerzielung durch Vermietung gem. § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllt. Der Nachlassinsolvenzverwalter ist lediglich Vermögensverwalter im Sinne des § 34 Abs. 3 AO. Steuersubjekt bleibt der Erbe. Ihm sind die steuerpflichtigen Einkünfte aus der Verwaltung des Nachlassvermögens persönlich zuzurechnen, obwohl er während des Nachlassinsolvenzverfahrens die Verwaltungs- und Nutzungsbefugnis hierüber verloren hat, denn die Handlungen des Nachlassinsolvenzverwalters werden, was die Frage der Steuerfestsetzung betrifft, ihm mit steuerlicher Wirkung als eigene zugerechnet (BFH, Urteil vom 10. Februar 2015, IX R 23/14, BFH/NV 2015, 1018, m.w.N., für den Fall der Zwangsverwaltung).

23

Dem steht nicht entgegen, dass der Nachlassinsolvenzverwalter auch und gerade die Interessen der Nachlassgläubiger, nicht die des Erben wahrnimmt (vgl. BFH, Urteil vom 18. Mai 1988, X R 27/80, BStBl II 1988, 716 zum Sachwalter im Vergleichsverfahren).

24

Hinzu kommt, dass, indem die Mieteinnahmen von dem Nachlassinsolvenzverwalter eingezogen wurden und zur Begleichung des o.g. Vermächtnisses Verwendung fanden, dies dem Kläger (und seiner Mutter) insoweit zu Gute kam, als diese gegen sie gerichtete Forderung der Vermächtnisgläubiger in entsprechendem Umfang getilgt wurde. Die von dem Kläger in diesem Zusammenhang geäußerte Einwendung, dies sei ungerecht, da die Gläubiger nur auf den Nachlass und nicht auch auf das Eigenvermögen des Klägers hätten zugreifen können, berührt die Einkünftezurechnung nicht. Sie kann allenfalls im Rahmen der später zu prüfenden Haftungsbeschränkung von Belang sein.

25

Derjenige, der – wie demnach hier der Kläger und seine Mutter – den Tatbestand der Einkünfteerzielung realisiert, hat grundsätzlich auch die sich hieraus ergebenden Einkommensteuern zu entrichten, und zwar unabhängig davon, welcher Teil seines Vermögens der Einkünfteerzielung diente.

26

Hiervon ist gem. § 45 Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. § 1975 BGB ausnahmsweise dann abzusehen, wenn eine Nachlassverwaltung angeordnet oder das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet ist. In diesen Fällen beschränkt sich die Haftung des Erben auf den Nachlass.

27

Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es sich bei der Verbindlichkeit, wegen der der Gläubiger auf den Nachlass beschränkt werden soll, um eine Nachlassverbindlichkeit gem. § 1967 ff. BGB handelt (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 1 AO „... für aus dem Nachlass zu entrichtende Schulden...“).

28

Nach der (bis dato spärlichen und mittlerweile auch älteren) von der Literatur heftig angegriffenen Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 28. April 1992, VII R 33/91, BStBl II 1992, 781) zählen hierzu zwar die noch vom Erblasser selbst herrührenden Schulden und die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten, insbesondere Ansprüche aus Pflichtteilsrechten und Vermächtnissen usw., nicht jedoch die Einkommensteuer, die auf Grund von Einkünften entsteht, die der Erbe nach dem Tod des Erblassers aus dem Nachlass erzielt.

29

Laut BFH handelt es sich hierbei entweder um originäre Eigenschulden des Erben, die per se nicht beschränkbar sind, oder jedenfalls um aus der Nachlassverwaltung herrührende sog. Nachlasserbenschulden, die sowohl eine Nachlassverbindlichkeit im Sinne des § 1967 BGB als auch eine Eigenschuld des Erben darstellen, so dass das Finanzamt wegen letzterer wiederum nicht auf den Nachlass verwiesen werden kann.

30

Dem soll (wie bereits bei der oben erörterten Frage der Einkünftezurechnung) nicht entgegenstehen, dass dem Erben bei Nachlassverwaltung/ Nachlassinsolvenz die während der Nachlassverwaltung/der Nachlassinsolvenz aus dem Nachlass erzielten Erträge in der Regel nicht (unmittelbar) zufließen, weil sie der Verwalter zur Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten zu verwenden hat. Die Verwendung der erzielten Gewinne zur Schuldentilgung berühre – so der BFH – die Steuerpflicht nicht. Im Übrigen komme auch die Tilgung der Nachlassverbindlichkeiten dem dafür jedenfalls dem Grunde nach haftenden Erben wirtschaftlich zu Gute.

31

In Fortentwicklung dieser Rechtsprechung hat der BFH (Urteil vom 11. August 1998, VII R 118/95, BStBl II 1998, 705) eine Haftungsbeschränkung auch in den Fällen vorgesehen, in denen noch der Erblasser durch eine Rechtshandlung einen Geschehensablauf in Gang gesetzt hat, der zwangsläufig, ohne Zutun des Erben oder des Nachlassverwalters/Nachlassinsolvenzverwalters, zur Verwirklichung eines Besteuerungstatbestandes führte, der auch weder vom Erben noch vom Verwalter verhindert oder aufgehalten werden konnte und der weder vom Willen des Erben noch dem des Verwalters getragen war. Für eine hieraus resultierende aufgedrängte Einkünfteerzielung sei – so der BFH - eine Haftung des Erben mit dem Eigenvermögen nicht angebracht. Das ergebe sich im Übrigen auch aus dem zivilrechtlichen Schrifttum, wonach für die Entstehung einer Nachlasserbenschuld stets ein Handeln des Erben bzw. des Verwalters verlangt werde. Fehle ein solches Handeln sowohl beim Erben als auch beim Verwalter, sei die Einkommensteuerschuld als Nachlassverbindlichkeit, genauer: als Nachlassverwaltungskostenschuld, zu begreifen und die Haftung daher beschränkbar.

32

Darüber hinaus reißt der BFH in der eben zitierten Entscheidung die von ihm sodann allerdings offengelassene Frage auf, ob eine Differenzierung auch danach gerechtfertigt werden könne, wem  (dem Erben oder dem Erblasser) die Steuerschuld nach nicht näher umschriebener „materieller Betrachtungsweise“ zuzurechnen sei.

33

Vor diesem Hintergrund und ausgehend von der neueren höchstrichterlichen Zivilrechtsprechung ist nach Auffassung des erkennenden Senates im Streitfall die Haftungsbeschränkung ab dem Zeitpunkt gerechtfertigt, in dem die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Klägers hinsichtlich der o.g. Vermietungsobjekte auf den Nachlassinsolvenzverwalter überging, mithin ab Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens am 1. April 2010.

34

Wegen der in § 45 Abs. 2 Satz 1 AO getroffenen gesetzgeberischen Entscheidung, dass für die Inanspruchnahme des Erben durch den Fiskus die Vorschriften des bürgerlichen Rechtes über die Haftung desselben für Nachlassverbindlichkeiten heranzuziehen sind, ist hinsichtlich der Frage, welcher Teil des Vermögens für welche Schulden herangezogen werden kann, entscheidend, was nach bürgerlichem Recht unter Nachlassverbindlichkeit zu verstehen ist. Wie der BGH in neuerer Rechtsprechung (vgl. das Urteil vom 5. Juli 2013, V ZR 81/12, FamRZ 2013, 1476) klarstellt, zählen hierzu auch die Verpflichtungen, die im Rahmen der Verwaltung des Nachlasses durch den Nachlassverwalter/Nachlassinsolvenzverwalter entstehen. Hiervon zu unterscheiden sind Verbindlichkeiten, die der Erbe im Rahmen der eigenhändigen Verwaltung des Nachlasses eingeht. Soweit diese auf ordnungsgemäßer Sachwaltung beruhen, stellen sie sowohl Nachlassverbindlichkeiten als auch Eigenverbindlichkeiten des Erben dar, die wegen dieser Doppelnatur nicht auf den Nachlass beschränkbar sind. Für Verbindlichkeiten aus einer Nachlassverwaltung, die ohne Zutun des Erben entstehen, haftet dieser dagegen nur als Träger des Nachlasses mit eben diesem. Unter „Verwaltung“ des Nachlasses ist nach der oben zitierten höchstrichterlichen Zivilrechtsprechung nicht nur eine nach außen wahrnehmbare Tätigkeit zu verstehen, vielmehr ist von einem Verwaltungshandeln bereits dann auszugehen, wenn der Erbe die Erbschaft angenommen hat oder die Ausschlagungsfrist abgelaufen ist und er über den fraglichen Nachlassgegenstand faktisch verfügen kann, denn ab diesem Zeitpunkt beruht es allein auf seiner als Verwaltungsmaßnahme zu bewertenden Entscheidung, wie er mit dem Gegenstand weiter verfährt, d.h. – bezogen auf ein Vermietungsobjekt – ob er dieses selbst nutzt, vermietet, leer stehen lässt oder veräußert etc. .

35

Diese Sichtweise stimmt mit der überein, die ganz überwiegend auf einem anderen Feld der Zwangsverwaltung vertreten wird, nämlich im Zusammenhang mit der Zuordnung von Steuerverbindlichkeiten zu den Insolvenz- bzw. den Masseverbindlichkeiten. Dort wird ebenfalls das bloße Halten eines zur Masse gehörenden, der Einkünfteerzielung dienenden Wirtschaftsgutes als Verwaltungsmaßnahme begriffen (vgl. BFH, Urteil vom 18. Mai 2010, X R 16/08, BStBl II 2011, 429.)

36

D.h.: Die Handlungen des Nachlassinsolvenzverwalters (auch das bloße Halten/Weiterbehalten eines Wirtschaftsgutes, das der Einkünfteerzielung dient) sind dem Erben zwar einkommensteuerlich als eigenes Verhalten zuzurechnen (s.o.), d.h. falls ein Wirtschaftsgut des Nachlasses zur Einkünfteerzielung führt, ist diese als eigene Einkünfteerzielung des Erben anzusehen, so dass dem Erben gegenüber die entsprechende Steuerfestsetzung/Steuerfeststellung zu ergehen hat. Das gilt jedoch nur hinsichtlich der Zurechnung für Zwecke der Einkommensteuerfestsetzung bzw. Einkünftefeststellung und ergibt sich aus der Regelung des § 34 AO.

37

Von dieser Ebene ist die Ebene der Durchsetzung der festgesetzten Steueransprüche zu unterscheiden, für die § 45 AO spezielle Regelungen trifft. Betreffend die Frage, auf welche Vermögensteile eines Erben zur Durchsetzung von Steuerschulden zugegriffen werden kann, kommt es nach dieser Vorschrift allein auf die bürgerlich-rechtlichen Regelungen an, auf die § 45 Abs. 2 Satz 1 AO Bezug nimmt. Zivilrechtlich ist dem Erben aber das Verhalten des Nachlassverwalters bzw. Nachlassinsolvenzverwalters gerade nicht zuzurechnen. Die Einkommensteuer, die durch Handlungen (auch durch bloßes Halten eines Vermögensgegenstandes) des Verwalters ausgelöst wird, ist vielmehr aus Sicht des Erben eine zwangsläufige Folge der Nachlassverwaltung/Nachlassinsolvenzverwaltung, die außerhalb jeglicher Einflussmöglichkeiten des Erben steht.

38

Kommt eine zivilrechtliche Zuordnung beim Erben aber nicht in Betracht, so bleibt lediglich die Zuordnung beim Verwalter. Die aus dessen Maßnahmen herrührenden Verbindlichkeiten, auch soweit sie nicht rechtsgeschäftlich begründet werden, sondern sich aus dem Gesetz, bspw. dem Einkommensteuergesetz, ergeben, stellen sog. Erbschaftsverwaltungskosten und damit Nachlassverbindlichkeiten im Sinne des § 1967 BGB dar, so dass die Beschränkung des § 1975 BGB greift (so auch: Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 45 Rz. 21; Welzel, Erbenhaftung im Steuerrecht, DStZ 1993, 425).

39

Der Kläger und seine Mutter haben in der Zeit ab dem Antreten des Erbes bis zur Anordnung des Nachlassinsolvenzverfahrens unabhängig davon, wann welcher Mietvertrag geschlossen wurde, in Eigenverwaltung gehandelt, so dass die Einkommensteuer, die auf die in dieser Zeitspanne erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung entstand und auf den Kläger entfiel, auch von diesem unbeschränkbar aus seinem Gesamtvermögen zu entrichten ist. Selbst wenn man den klägerischen Vortrag als wahr unterstellt und von einer Bindung an Miet- bzw. Pachtverträge ausgeht, die noch vom Erblasser abgeschlossen wurden, erfolgte dies vor dem Hintergrund der ganz grundsätzlichen Eigenverwaltungsentscheidung des Klägers und seiner Mutter, die Vermietungsobjekte weiter zu halten und nicht zu veräußern.

40

Etwas anderes ergibt sich jedoch für die Zeit ab Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens. Ab dann hatte der Kläger keine Einflussmöglichkeiten auf den Nachlass mehr.

41

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 151 Abs. 2, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

42

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Es ist noch nicht höchstrichterlich geklärt, was unter den im Urteil des BFH vom 11. August 1998, VII R 118/95, BStBl II 1998, 705 angesprochenen Kriterien der „materiellen Zurechnung“ zu verstehen ist und ob unter diesem Gesichtspunkt eine Differenzierung in der vom erkennenden Senat vorgenommenen Art und Weise (unterschiedliche Zurechnung von Verwaltungs-Maßnahmen bei der Frage der Verwirklichung des Steuertatbestandes einerseits und des Umfanges des Vollstreckungszugriffes andererseits) gerechtfertigt ist.

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der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat,
2.
der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder
3.
der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.

(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.

(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 68/12 Verkündet am:
23. Januar 2013
Ring,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wird das Mietverhältnis nach dem Tod des Mieters gemäß § 564 Satz 1 BGB mit
dem Erben fortgesetzt, sind die nach dem Erbfall fällig werdenden Forderungen jedenfalls
dann reine Nachlassverbindlichkeiten, wenn das Mietverhältnis innerhalb der
in § 564 Satz 2 BGB bestimmten Frist beendet wird.
BGH, Urteil vom 23. Januar 2013 - VIII ZR 68/12 - LG Nürnberg-Fürth
AG Nürnberg
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Januar 2013 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterinnen
Dr. Milger, Dr. Hessel und Dr. Fetzer sowie den Richter Dr. Bünger

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 7. Februar 2012 - auch im Kostenpunkt - aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 15. Juni 2010 geändert, soweit bezüglich der Klage zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Anschlussrevision des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die in der ersten und zweiten Instanz entstandenen außergerichtlichen Kosten der Drittwiderbeklagten sowie 1/20 der weiteren Kosten der ersten und zweiten Instanz zu tragen. Im Übrigen fallen die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger zur Last.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger und die Drittwiderbeklagten sind Gesellschafter der S. Vermietungs-GbR, die dem Vater der Beklagten im Jahr 1994 eine Wohnung in N. vermietet hatte. Der Kläger macht gegen die Beklagte als Erbin nach ihrem am 8. Oktober 2008 verstorbenen Vater aus abgetretenem Recht der Vermieterin Ansprüche aus dem mit Ablauf des Monats Januar 2009 beendeten Mietverhältnis geltend. Die Beklagte hat die Erbschaft mit einer beim Nachlassgericht am 30. Januar 2009 eingegangenen notariellen Erklärung ausgeschlagen und im Übrigen die Dürftigkeitseinrede erhoben.
2
Der Kläger begehrt Zahlung der Miete für die Monate November 2008 bis Januar 2009, ferner Schadensersatz wegen unvollständiger Räumung, nicht durchgeführter Schönheitsreparaturen und Beschädigung der Mietsache, ins- gesamt 7.721,54 € nebst Zinsen und vorgerichtlichenAnwaltskosten. Im Wege der Widerklage hat die Beklagte Abrechnung über die vom Erblasser in Höhe von 1.533,87 € (3.000 DM) erbrachte Kaution verlangt. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben, die Widerklage abgewiesen und der Beklagten die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass vorbehalten. Das Landgericht hat das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit die Beklagte zur Zahlung von mehr als 2.512,48 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 311,19 € verurteilt worden ist. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage. Der Kläger erstrebt mit der Anschlussrevision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils bezüglich der Klage.

Entscheidungsgründe:

3
Die Revision der Beklagten hat Erfolg; die Anschlussrevision des Klägers ist unbegründet.

I.

4
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
5
Die Beklagte sei als Miterbin und Rechtsnachfolgerin des Erblassers gemäß §§ 564, 1922 BGB in den Mietvertrag eingetreten, weil sie die Erbschaft nicht fristgemäß ausgeschlagen habe. Die sechswöchige Ausschlagungsfrist habe mit Kenntnis der Beklagten vom Tod des Vaters am 9. Oktober 2008 zu laufen begonnen und sei daher im Zeitpunkt der Ausschlagung (30. Januar 2009) bereits abgelaufen gewesen.
6
Die Beklagte sei deshalb zur Zahlung der Miete für den Zeitraum November 2008 bis Januar 2009 (insgesamt 2.262,48 €) verpflichtet. Insoweit hafte sie auch persönlich, denn es handele sich um sogenannte Nachlasserbenschulden. Zwar werde teilweise die Auffassung vertreten, dass die bis zur ersten Kündigungsmöglichkeit entstandenen Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis reine Nachlassverbindlichkeiten seien. Diese Auffassung berücksichtige indes nicht, dass § 564 BGB den Eintritt des Erben in das Mietverhältnis in einer über die normalen Erbwirkungen hinausgehenden Weise selbständig anordne. Hier komme außerdem hinzu, dass die Beklagte ihre eigenen Möbel zumindest zeitweise in der Wohnung untergestellt habe. Es wäre unbillig, wenn bei einem überschuldeten Nachlass für den Erben die Möglichkeit bestünde , die Wohnung unentgeltlich zu nutzen, ohne dass er im Gegenzug vom Vermieter persönlich in Anspruch genommen werden könnte. In gleicher Weise hafte die Beklagte für die Entsorgungskosten (250 €), die wegen der unzu- reichend durchgeführten Räumung des Mietobjektes entstanden seien.
7
Bei den Schadensersatzansprüchen wegen unterlassener Schönheitsreparaturen und Beschädigungen der Mietsache handele es sich hingegen um Nachlassverbindlichkeiten; insoweit sei die Klage aufgrund der von der Beklagten erhobenen Dürftigkeitseinrede abzuweisen, da die Unzulänglichkeit des Nachlasses feststehe. Hinsichtlich der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten stehe dem Kläger für die außergerichtliche Geltendmachung der Mietforderung durch seine Rechtsanwälte ein Betrag in Höhe von 311,19 € zu.

II.

8
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind sämtliche mit der Klage erhobenen Ansprüche (reine) Nachlassverbindlichkeiten, so dass die Klage jedenfalls mit Rücksicht auf die von der Beklagten erhobene Dürftigkeitseinrede und die vom Berufungsgericht zutreffend festgestellte Erschöpfung des Nachlasses insgesamt unbegründet ist. Der Eintritt des Erben in das Mietverhältnis nach § 564 BGB führt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht dazu, dass der Erbe für die weiteren Forderungen aus dem Mietverhältnis auch persönlich ("als Mieter") haften würde.
9
A. Revision der Beklagten
10
1. Die Revision ist (insgesamt) zulässig, auch soweit sich die Beklagte gegen die Verurteilung zum Ersatz von Räumungskosten wendet. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung hat das Berufungsgericht die Revision nicht nur beschränkt - soweit der Kläger rückständige Miete begehrt - zugelas- sen. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil es der Frage, ob der Erbe wegen des Eintritts in das Mietverhältnis gemäß § 564 BGB für die weiteren Forderungen aus dem Mietverhältnis persönlich haftet, grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat. Da das Berufungsgericht eine solche persönliche Haftung der Beklagten auch für die Räumungskosten bejaht hat, ist die Revision auch insoweit zugelassen.
11
2. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Beklagte die Erbschaft rechtzeitig ausgeschlagen hat. Denn der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung der Miete für die Monate November 2008 bis Januar 2009 und auf Ersatz der Räumungskosten auch dann nicht zu, wenn die Beklagte, wie das Berufungsgericht angenommen hat, mangels rechtzeitiger Erbausschlagung Erbin ihres Vaters geworden sein sollte.
12
a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts handelt es sich bei den nach dem Erbfall fällig gewordenen Mieten und den Kosten der Räumung nicht um sogenannte Nachlasserbenschulden, für die die Beklagte mit dem eigenen Vermögen und nicht nur beschränkt auf den Nachlass haften würde.
13
aa) Die Einordnung derartiger Forderungen ist allerdings umstritten. Nach einer in der mietrechtlichen Literatur teilweise vertretenen Auffassung, der auch das Berufungsgericht folgt, haftet der Erbe für die nach dem Erbfall entstehenden mietrechtlichen Verbindlichkeiten aufgrund seiner Stellung als Mieter auch persönlich (Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 10. Aufl., § 564 BGB Rn. 3; Kinne in Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, 6. Aufl., § 564 Rn. 3; wohl auch MünchKommBGB/Häublein, 6. Aufl., § 564 Rn. 6).
14
bb) Nach der Gegenmeinung handelt es sich jedenfalls dann, wenn das Mietverhältnis durch Kündigung nach § 564 BGB beendet wird, um reine Nachlassverbindlichkeiten (KG, NJW 2006, 2561, 2562; OLG Düsseldorf, ZMR 1994, 114; LG Wuppertal, MDR 1997, 34; Soergel/Stein, BGB, 13. Aufl., § 1967 Rn. 2, 11; Staudinger/Rolfs, BGB, Neubearb. 2011, § 564 Rn. 7), so dass der Erbe seine Haftung durch Erhebung der Dürftigkeitseinrede auf den Nachlass beschränken kann.
15
cc) Der Senat hat die Frage, ob und inwieweit der Erbe für Forderungen aus dem übergegangenen Dauerschuldverhältnis auch persönlich haftet, bislang offen gelassen (Senatsurteil vom 21. Dezember 1988 - VIII ZR 277/87, NJW 1989, 2133 unter III 1 a). Er beantwortet sie nunmehr dahin, dass auch die nach dem Tod des Erblassers fällig werdenden Forderungen aus dem Mietverhältnis jedenfalls dann reine Nachlassverbindlichkeiten sind, wenn das Mietverhältnis - wie hier - innerhalb der in § 564 Satz 2 BGB bestimmten Frist beendet wird.
16
(1) Als sogenannte Nachlasserbenschulden werden im Allgemeinen Verbindlichkeiten bezeichnet, die durch Rechtsgeschäfte des Erben bei der Verwaltung des Nachlasses entstehen und die deshalb sowohl Eigenverbindlichkeiten des Erben als auch - soweit sie auf ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses beruhen - Nachlassverbindlichkeiten sind (vgl. BGH, Urteil vom 31. Januar 1990 - IV ZR 326/88, BGHZ 110, 176, 179). Unter diesem Blickwinkel lässt sich eine persönliche Haftung der Beklagten nicht begründen, denn ein rechtsgeschäftliches Handeln der Beklagten zur Fortsetzung des Mietverhältnisses liegt nicht vor.
17
(2) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich auch aus § 564 Satz 1 BGB keine persönliche Haftung der Beklagten. Diese Vorschrift knüpft den Eintritt in das Mietverhältnis an die Erbenstellung an; der Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung bietet somit keine Anhaltspunkte für eine zusätzliche persönliche Haftung des in das Mietverhältnis eintretenden Erben. Auch aus dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift lässt sich nichts dafür entnehmen, dass dem Erben im Hinblick auf das Wohnraummietverhältnis des Erblassers eine über die allgemeine Rechtsnachfolge (§ 1922 BGB) hinausgehende und mit einer persönlichen Haftung verbundene Sonderstellung zugewiesen wäre. Denn die Regelung des § 564 Satz 1 BGB erklärt sich aus der Besonderheit, dass im Falle des Todes eines Mieters von Wohnraum vorrangig der Eintritt von Familien- und Haushaltsangehörigen oder Mitmietern des Erblassers in Betracht kommt (§§ 563, 563a BGB) und es deshalb einer Regelung dahin bedarf, dass der Erbe (nur) dann in das Mietverhältnis eintritt, wenn das Mietverhältnis nicht nach §§ 563, 563a BGB fortgesetzt wird. Dies ändert indes nichts daran, dass das Mietverhältnis als Dauerschuldverhältnis nach §§ 1922, 1967 BGB auf den Erben übergeht und die daraus resultierenden Verbindlichkeiten den Erben nur als solchen treffen. Zutreffend weist die Revision in diesem Zusammenhang darauf hin, dass § 580 BGB für sonstige Mietverhältnisse lediglich eine dem § 564 Satz 2 BGB entsprechende außerordentliche Kündigungsmöglichkeit vorsieht und somit den Übergang des Mietverhältnisses auf den Erben (nach §§ 1922, 1967 BGB) voraussetzt.
18
c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts haftet die Beklagte auch nicht "aus Billigkeitsgründen" für die Mieten von November 2008 bis Januar 2009. Eine Anspruchsgrundlage, aus der sich eine persönliche Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Miete mit Rücksicht darauf ergäbe, dass sich bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zeitweise noch einige der Beklagten gehörende, dem Erblasser zur Benutzung überlassene Möbelstücke in der Wohnung befanden, ist nicht ersichtlich.
19
d) Da es sich somit bei den Mietschulden um (reine) Nachlassverbindlichkeiten handelt, haftet die Beklagte nur beschränkt auf den Nachlass. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die auf Erfüllung einer Nachlassverbindlichkeit gerichtete Klage abzuweisen ist, wenn der Erbe die Dürftigkeitseinrede erhoben hat und die Erschöpfung des Nachlasses feststeht (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 1983 - IVa ZR 211/81, NJW 1983, 2378 unter 2). Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei bejaht. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist der Anspruch auf Rückgewähr der Kaution wertlos, weil bereits die rückständigen Mietforderungen die Kaution übersteigen.
20
B. Anschlussrevision des Klägers
21
Die Anschlussrevision bezieht sich ausschließlich auf Nachlassverbindlichkeiten und ist somit schon deshalb unbegründet, weil - wie oben ausgeführt - die Beklagte die Dürftigkeitseinrede erhoben hat und der Nachlass erschöpft ist.

III.

22
Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts im Kostenpunkt und insoweit keinen Bestand haben, als hinsichtlich der Klage zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, da es keiner weiteren Feststellungen bedarf (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Abänderung des erstin- stanzlichen Urteils und zur Abweisung der Klage insgesamt. Die Anschlussrevision des Klägers ist zurückzuweisen. Ball Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Fetzer Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Nürnberg, Entscheidung vom 15.06.2010 - 29 C 5423/09 -
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 07.02.2012 - 7 S 5446/10 -

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 22.924,91 € festgesetzt.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32

(1)1Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind

1.
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen, insbesondere von Grundstücken, Gebäuden, Gebäudeteilen, Schiffen, die in ein Schiffsregister eingetragen sind, und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z. B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht);
2.
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von Sachinbegriffen, insbesondere von beweglichem Betriebsvermögen;
3.
Einkünfte aus zeitlich begrenzter Überlassung von Rechten, insbesondere von schriftstellerischen, künstlerischen und gewerblichen Urheberrechten, von gewerblichen Erfahrungen und von Gerechtigkeiten und Gefällen;
4.
Einkünfte aus der Veräußerung von Miet- und Pachtzinsforderungen, auch dann, wenn die Einkünfte im Veräußerungspreis von Grundstücken enthalten sind und die Miet- oder Pachtzinsen sich auf einen Zeitraum beziehen, in dem der Veräußerer noch Besitzer war.
2§§ 15a und 15b sind sinngemäß anzuwenden.

(2)1Beträgt das Entgelt für die Überlassung einer Wohnung zu Wohnzwecken weniger als 50 Prozent der ortsüblichen Marktmiete, so ist die Nutzungsüberlassung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen.2Beträgt das Entgelt bei auf Dauer angelegter Wohnungsvermietung mindestens 66 Prozent der ortsüblichen Miete, gilt die Wohnungsvermietung als entgeltlich.

(3) Einkünfte der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Art sind Einkünften aus anderen Einkunftsarten zuzurechnen, soweit sie zu diesen gehören.

(1) Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.

(2) Soweit nicht rechtsfähige Personenvereinigungen ohne Geschäftsführer sind, haben die Mitglieder oder Gesellschafter die Pflichten im Sinne des Absatzes 1 zu erfüllen. Die Finanzbehörde kann sich an jedes Mitglied oder jeden Gesellschafter halten. Für nicht rechtsfähige Vermögensmassen gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass diejenigen, denen das Vermögen zusteht, die steuerlichen Pflichten zu erfüllen haben.

(3) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter die in Absatz 1 bezeichneten Pflichten, soweit ihre Verwaltung reicht.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 29. November 2013  4 K 3607/10 E aufgehoben.

Der Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 9. Februar 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. September 2010 wird mit der Maßgabe geändert, dass die Entrichtungspflicht des Klägers als Insolvenzverwalter auf den Betrag von 186 € herabgesetzt wird.

Die gegen den Beigeladenen festgesetzte Einkommensteuer bleibt der Höhe nach unverändert.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

A. Im Revisionsverfahren ist nur noch streitig, ob der Insolvenzverwalter die Einkommensteuer des Insolvenzschuldners vorab aus der Masse entrichten muss, soweit sie aus der Vermietung von unter Zwangsverwaltung stehenden Grundstücken herrührt.

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Beigeladenen.

3

Im Vermögen des Beigeladenen befanden sich bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens drei Grundstücke und ein Erbbaurecht, die unter Zwangsverwaltung standen. Der Grundbesitz war vermietet. Im Streitjahr (2008) betrug der Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben aus der Vermietung der vier Objekte 23.614 €.

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte u.a. die aus diesen Einkünften resultierende Einkommensteuer gegen den Kläger fest und wies den dagegen gerichteten Einspruch als unbegründet zurück.

5

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben, soweit die festgesetzte Einkommensteuer den Betrag von 4.910 € übersteigt. Im hier noch streitigen Punkt hat es die Klage abgewiesen. Der Kläger habe u.a. die anteilig auf die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung entfallende Einkommensteuer (4.724 €) als Masseverbindlichkeit zu entrichten.

6

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 9. Februar 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. September 2010 dahin abzuändern, dass die ihn treffende Entrichtungspflicht auf den Betrag von 186 € herabgesetzt wird.

7

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Der Beigeladene hat sich am Revisionsverfahren nicht aktiv beteiligt.

Entscheidungsgründe

9

B. I. Die Revision ist zulässig. Dem Kläger wird wegen Versäumung der Frist zur Revisionseinlegung und -begründung antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, weil er ohne Verschulden verhindert war, die gesetzlichen Fristen einzuhalten (§ 56 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Kläger hat die versäumten Rechtshandlungen innerhalb der Antragsfrist nachgeholt, nachdem der Senat ihm als Partei kraft Amtes für die Revision Prozesskostenhilfe bewilligt hat.

10

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).

11

Nicht der Insolvenzverwalter, sondern der Zwangsverwalter hat die Einkommensteuer des Vollstreckungsschuldners zu entrichten, soweit sie aus der Verwaltung des der Zwangsverwaltung unterfallenden Vermögens herrührt; er hat insbesondere die Einkommensteuer zu entrichten, soweit sie aus der Vermietung der im Zwangsverwaltungsverfahren beschlagnahmten Grundstücke herrührt. Das gilt auch, wenn während der Zwangsverwaltung das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wird, solange die Zwangsverwaltung nicht aufgehoben ist. Das FA hat deshalb den Kläger als Insolvenzverwalter insoweit zu Unrecht in Anspruch genommen. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden.

12

1. Der Zwangsverwalter hat die Einkommensteuer des Vollstreckungsschuldners zu entrichten, soweit sie aus der Vermietung der im Zwangsverwaltungsverfahren beschlagnahmten Grundstücke herrührt.

13

a) Durch den Beschluss über die Anordnung der Zwangsverwaltung wird dem Vollstreckungsschuldner die Befugnis zur Verwaltung und Benutzung des Grundstücks entzogen (§ 148 Abs. 2 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung --ZVG--). Der Beschluss gilt zugunsten des Gläubigers als Beschlagnahme des Grundstücks (§ 146 Abs. 1, § 20 Abs. 1 ZVG). Das Recht, das Grundstück zu verwalten und zu benutzen, geht auf den Zwangsverwalter über. Er ist gemäß § 152 ZVG verpflichtet, das Grundstück in seinem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten und ordnungsgemäß zu benutzen. Die Anordnung der Zwangsverwaltung lässt das Eigentum des Vollstreckungsschuldners an dem Grundstück unberührt; ihm verbleibt auch die dingliche Verfügungsbefugnis über das Grundstück. Die Beschlagnahme führt aber dazu, dass der unter Zwangsverwaltung stehende Grundbesitz von dem übrigen Vermögen des Schuldners getrennt wird und ein Sondervermögen bildet, welches den die Zwangsverwaltung betreibenden Vollstreckungsgläubigern zur Sicherung ihres Befriedigungsrechtes zur Verfügung steht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. Januar 2009 V R 67/07, BFHE 225, 172, BStBl II 2009, 1029).

14

b) Als Vermögensverwalter i.S. von § 34 Abs. 3 i.V.m. § 34 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) hat der Zwangsverwalter nicht nur die im ZVG geregelten Pflichten, sondern daneben auch die steuerlichen Pflichten des Vollstreckungsschuldners zu erfüllen, soweit seine Verwaltung reicht. § 34 Abs. 3 AO enthält insofern eine außerhalb des ZVG stehende Verpflichtungsgrundlage. Als Vermögensverwalter tritt der Zwangsverwalter als weiterer Steuerpflichtiger (§ 33 Abs. 1 AO) neben den Steuerschuldner.

15

aa) Steuersubjekt und damit Schuldner der Einkommensteuer bleibt der Vollstreckungsschuldner. Ihm sind insbesondere die steuerpflichtigen Einkünfte aus der Verwaltung des beschlagnahmten Vermögens persönlich zuzurechnen, obwohl er infolge der Beschlagnahme den Besitz an dem vermieteten Grundstück und die Verwaltungs- und Nutzungsbefugnis darüber verloren hat. Gleichwohl erfüllt er den objektiven Tatbestand der Vermietung und Verpachtung auch während der Zwangsverwaltung, denn die Handlungen, die der Zwangsverwalter im Rahmen der ihm zugewiesenen Aufgaben (§ 150, § 152 Abs. 1 ZVG) vornimmt, werden dem Vollstreckungsschuldner auch mit steuerlicher Wirkung als eigene zugerechnet (vgl. Senatsurteile vom 16. April 2002 IX R 53/98, BFH/NV 2002, 1152; vom 11. März 2003 IX R 65-67/01, BFH/NV 2003, 778; ferner schon Reichsgericht, Urteil vom 22. Mai 1889 Rep. I 106/89 RGZ 24, 302; Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 9. Dezember 2011 V ZR 131/11, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2012, 1293).

16

bb) Daneben hat der Zwangsverwalter als Vermögensverwalter die steuerlichen Pflichten des Schuldners als eigene zu erfüllen (§ 34 Abs. 3 i.V.m. § 33 AO), soweit seine Aufgaben und Befugnisse reichen. Für Inhalt und Umfang der steuerlichen Pflichten, die der Zwangsverwalter demgemäß zu erfüllen hat, verweist § 34 Abs. 3 letzter Halbsatz AO vorrangig auf die Vorschriften des ZVG ("soweit die Verwaltung reicht"); inhaltlich ergeben sich die steuerlichen Pflichten aus den Steuergesetzen. Die Verweisung auf die Aufgaben und Befugnisse nach dem ZVG hat für die Anwendung des § 34 Abs. 3 AO vor allem zweierlei Bedeutung.

17

(1) Gegenständlich ist der Aufgabenkreis des Zwangsverwalters begrenzt durch den Umfang der vollstreckungsrechtlichen Beschlagnahme. Nur Sachverhalte, die mit dem der Zwangsverwaltung unterliegenden Vermögen in Zusammenhang stehen, lösen die Rechtsfolgen des § 34 Abs. 3 AO aus.

18

(2) Zeitlich sind die Rechte und Pflichten des Zwangsverwalters begrenzt durch die Dauer des Verfahrens. Sie enden grundsätzlich mit dessen Aufhebung (§ 161 ZVG; vgl. BGH-Urteil vom 25. Mai 2005 VIII ZR 301/03, Monatsschrift für Deutsches Recht 2005, 1306).

19

cc) Hat der Zwangsverwalter als Vermögensverwalter Steuern des Vollstreckungsschuldners gemäß § 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 AO zu entrichten, so richtet sich der Anspruch des Fiskus nur gegen das liquide Verwaltungsvermögen (Nutzungen des Grundstücks; vgl. § 155 Abs. 1 ZVG). Zur Verfügung über das der Verwaltung unterliegende Grundstück ist der Zwangsverwalter nicht befugt. Mit seinem Privatvermögen haftet er allenfalls gemäß § 69 AO bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihn treffenden Entrichtungspflicht.

20

c) Als Vermögensverwalter hat der Zwangsverwalter gemäß § 34 Abs. 3 AO die Einkommensteuer des Vollstreckungsschuldners zu entrichten, soweit sie aus der ordnungsgemäßen Verwaltung des beschlagnahmten Grundvermögens herrührt.

21

aa) Voraussetzung dafür ist, dass der Zwangsverwalter im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben und Befugnisse handelt und dass die Einkommensteuer einen hinreichenden Bezug zu dem der Zwangsverwaltung unterliegenden Vermögen aufweist (vgl. BFH-Urteil vom 13. April 2011 II R 49/09, BFHE 234, 97, BStBl II 2011, 944; ferner Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 2009  8 C 9/09, NJW 2010, 2152 beide zu § 55 der Insolvenzordnung --InsO--). Beides ist hier der Fall.

22

(1) Die Anordnung der Zwangsverwaltung lässt bestehende Miet- oder Pachtverhältnisse unberührt (§ 152 Abs. 2 ZVG). Setzt der Zwangsverwalter die bei Anordnung der Zwangsverwaltung bestehenden Mietverhältnisse fort, handelt er demzufolge im Rahmen der ihm nach dem ZVG übertragenen Aufgaben und Befugnisse.

23

(2) Erzielt der Zwangsverwalter aus der Vermietung oder Verpachtung der seiner Verwaltung unterliegenden Grundstücke gemäß § 21 des Einkommensteuergesetzes steuerpflichtige Einnahmenüberschüsse, ist die darauf entfallende Einkommensteuer des Schuldners unmittelbar durch die Verwaltung verursacht und veranlasst, denn der Verwalter übt die den Besteuerungstatbestand erfüllende Tätigkeit (entgeltliche Überlassung des Grundstücks zur Nutzung) im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung selbst aus. Durch seine verwaltende Tätigkeit entsteht die Steuer; nur er kann die steuerpflichtige Tätigkeit beenden und die Entstehung des Steueranspruchs verhindern.

24

bb) Aus dem ZVG ergibt sich nichts anderes. Nach § 155 Abs. 1 ZVG hat der Zwangsverwalter aus den Nutzungen des Grundstücks vorweg die Ausgaben der Verwaltung und die Kosten des Verfahrens zu bestreiten. Nach § 156 Abs. 1 Satz 1 ZVG sind die laufenden Beträge der öffentlichen Lasten vom Verwalter ohne weiteres Verfahren zu berichtigen. Aus dem Wortlaut der Vorschriften ergibt sich kein Argument gegen die Verpflichtung des Verwalters, die Einkommensteuer des Schuldners anteilig zu entrichten. Insbesondere § 156 Abs. 1 Satz 1 ZVG regelt weder positiv noch negativ, welche Steuern der Zwangsverwalter zu entrichten hat. Dies ergibt sich aus § 34 Abs. 3 AO i.V.m. den Steuergesetzen. Die Bedeutung von § 156 Abs. 1 Satz 1 ZVG liegt vor allem darin, dass er die steuerliche Entrichtungspflicht des Verwalters im Interesse der Gläubiger ihrem Umfang nach auf die laufenden Beträge beschränkt. Dem ist genügt, wenn der Verwalter die Einkommensteuer des Schuldners anteilig nur für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung entrichten muss, die während seiner Verwaltungszeit aus der Verwaltung des beschlagnahmten Grundbesitzes entstanden sind.

25

cc) Der gegenteiligen Auffassung des BFH (Urteil vom 22. August 1958 VI 157/57, Der Betrieb --DB-- 1958, 1203) folgt der Senat nicht.

26

(1) Der BFH hat dort entschieden, der Zwangsverwalter hafte nicht für die auf einen Überschuss aus der Zwangsverwaltung entfallende Einkommensteuer des Grundstückseigentümers. Zur Begründung hat der BFH ausgeführt, die dinglichen Rechte der Gläubiger erstreckten sich auf die Bruttomieten (§ 1123 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--); die Gläubiger müssten sich nur einen Abschlag von den Bruttomieten für die Verwaltungs- und Verfahrenskosten gefallen lassen. Persönliche Schulden des Eigentümers seien ihnen gegenüber, anders als im Konkurs, nicht bevorrechtigt. Die Einkommensteuer des Grundeigentümers gehöre deshalb nicht zu den Ausgaben der Verwaltung (zustimmend z.B. Paulick in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, Lfg. 72, November 1972, § 104 RAO Rz 3).

27

(2) Das Rangargument ist überholt und verfängt auch nicht. Das frühere Fiskusprivileg (vgl. § 61 Nr. 2 der Konkursordnung --KO--), auf welches der BFH im Jahr 1958 seine Begründung gestützt hat, ist mit der Einführung der Insolvenzordnung aufgehoben worden. Seitdem gilt im Insolvenzverfahren der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger. Das Fehlen einer Vorrangregelung im ZVG kann deshalb nicht gegen die Entrichtungspflicht des Zwangsverwalters hinsichtlich der durch seine Verwaltungstätigkeit verursachten Einkommensteuer eingewandt werden. Im Übrigen ergibt sich die Vorrangigkeit von Steueransprüchen im Zwangsverwaltungsverfahren aus § 156 Abs. 1 Satz 1 ZVG i.V.m. § 34 Abs. 3 und Abs. 1 AO und den Steuergesetzen.

28

(3) Auch aus § 1123 BGB lässt sich nicht herleiten, dass die Einkommensteuer, soweit sie aus der Tätigkeit des Verwalters herrührt, nicht aus den vom Verwalter erzielten Nutzungen des Grundstücks zu entrichten ist. Zwar erstreckt sich die Hypothek nach § 1123 BGB auf die Miet- oder Pachtforderungen und nicht nur auf die Vermietungsüberschüsse. Dieses Recht kann in der Zwangsverwaltung aber nur nach Maßgabe der dafür geltenden Vorschriften durchgesetzt werden. Es wird insofern vor allem durch die Vorschriften des ZVG beschränkt, die vorsehen, welche Abzüge der Zwangsverwalter vor Auszahlung des Überschusses an die betreibenden Gläubiger vornehmen muss (vgl. § 155 Abs. 1 ZVG; § 156 Abs. 1 Satz 1 ZVG). Wie bereits dargelegt, ergibt sich aus diesen Vorschriften weder, dass die Einkommensteuer des Schuldners abgezogen werden muss noch dass dies nicht geschehen darf. Ergänzend müssen insofern § 34 Abs. 3 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO und die Steuergesetze herangezogen werden. Soweit sich daraus steuerliche Entrichtungspflichten des Verwalters ergeben, begrenzen auch diese den Anspruch der Gläubiger i.S. von § 1123 BGB.

29

(4) Im steuerlichen Schrifttum wird, soweit ersichtlich einhellig die Auffassung vertreten, der Zwangsverwalter habe die Einkommensteuer des Schuldners nicht zu entrichten (Boeker in HHSp, § 34 AO Rz 84; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 34 AO Rz 26; Koenig/Koenig, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 34 D.; Jatzke in Beermann/Gosch, AO § 34 Rz 35; Schwarz in Schwarz, AO, § 34 Rz 17). Zur Begründung wird jedoch lediglich auf das BFH-Urteil von 1958 (in DB 1958, 1203) Bezug genommen.

30

(5) Auch das zivilprozessuale Schrifttum geht davon aus, dass der Zwangsverwalter die Einkommensteuer des Schuldners nicht entrichten müsse (vgl. Stöber, Zwangsversteigerungsgesetz, 20. Aufl. § 152 Rz 15.1 und 15.6; Böttcher/Keller, ZVG, 5. Aufl. § 152 Rz 65; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, 5. Aufl., § 155 Rz 9; Steiner/Eickmann/ Hagemann/Storz/Teufel, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 9. Aufl. § 152 ZVG Rz 22; Drasdo, NJW 2014, 1855, 1860; vgl. auch Ackermann/Reck, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht 2012, 1969; Kahlert, Deutsches Steuerrecht 2013, 97). Zur Begründung wird insoweit ergänzend auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts --OLG-- Zweibrücken Bezug genommen (Beschluss vom 14. Februar 1967  3 W 5/67, Der Deutsche Rechtspfleger 1967, 418). Streitig war dort, ob das Landgericht (LG) dem Zwangsverwalter zu Recht aufgegeben hatte, für den Vollstreckungsschuldner Bilanzen aufzustellen. Das hat das OLG verneint und die Entscheidung des LG aufgehoben. Den Zwangsverwalter treffe (gemäß § 104 der Reichsabgabenordnung --RAO--) eine Verantwortlichkeit nur für die Steuern und Abgaben, die aus der Verwaltungsmasse zu entrichten seien. Für Einkommen-, Vermögen- und Körperschaftsteuern, für die der Schuldner allein verantwortlich bleibe, hafte der Zwangsverwalter nicht. Diese Ausführungen enthalten indes keine Begründung, sondern setzen dasjenige voraus, was sie zu begründen vorgeben, ob nämlich der Zwangsverwalter die Einkommensteuer aus der Verwaltungsmasse zu entrichten habe.

31

dd) Die Entrichtungspflicht des Zwangsverwalters für die anteilig auf seine Tätigkeit entfallende Einkommensteuer des Schuldners liegt auf einer Linie mit der neueren Rechtsprechung des BFH zur Entrichtungspflicht des Zwangsverwalters bezüglich der Umsatzsteuer und der Kfz-Steuer im Zusammenhang mit seiner Verwaltungstätigkeit.

32

(1) Für die Umsatzsteuer ist höchstrichterlich geklärt, dass der Zwangsverwalter als Steuerpflichtiger gemäß § 34 Abs. 3 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO neben dem Steuerschuldner zur Entrichtung der Umsatzsteuer verpflichtet ist, soweit seine Verwaltung reicht. Insoweit sind Umsatzsteuerbescheide an ihn zu richten; führt der Schuldner außerhalb des Unternehmensbereichs, auf den sich die Beschlagnahme erstreckt, Umsätze aus, ist die hieraus entstandene Umsatzsteuer allein durch einen an den Schuldner gerichteten Umsatzsteuerbescheid geltend zu machen (vgl. BFH-Urteil vom 18. Oktober 2001 V R 44/00, BFHE 196, 372, BStBl II 2002, 171; Beschluss vom 28. Juni 2011 XI B 18/11, BFH/NV 2011, 1931).

33

(2) Die Kfz-Steuer ist im Insolvenzverfahren als Masseverbindlichkeit vom Insolvenzverwalter zu entrichten, wenn das Fahrzeug Teil der Insolvenzmasse ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 234, 97, BStBl II 2011, 944; vom 8. September 2011 II R 54/10, BFHE 235, 1, BStBl II 2012, 149 zur Freigabe). Es muss nach der Rechtsprechung des II. Senats außerdem der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters unterliegen. Fehlt es daran, weil bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Zwangsverwaltung über ein Grundstück angeordnet ist und weil das Fahrzeug als Zubehör des Grundstücks vorrangig der Zwangsverwaltung und insoweit der Nutzungs- und Verwaltungsbefugnis des Zwangsverwalters unterfällt, hat der Zwangsverwalter und nicht der Insolvenzverwalter als Vermögensverwalter die Kfz-Steuer zu entrichten (BFH-Urteil vom 1. August 2012 II R 28/11, BFHE 238, 319, BStBl II 2013, 131). Diese Erwägungen sind auf die Nutzung des Grundstücks entsprechend übertragbar.

34

ee) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des FA nicht daraus, dass die Einkommensteuer eine Subjektsteuer ist.

35

Für Insolvenzverwalter ist allgemein anerkannt, dass sie als Vermögensverwalter gemäß § 34 Abs. 3 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO und den Steuergesetzen auch die Einkommensteuer des Insolvenzschuldners zu entrichten haben, soweit es sich um eine Masseverbindlichkeit handelt. Die zunächst einheitlich ermittelte Einkommensteuer wird in einem zweiten Schritt aufgeteilt. Soweit sie Masseverbindlichkeit ist (§ 55 InsO), ist sie gegen den Insolvenzverwalter als Entrichtungsschuldner durch Steuerbescheid festzusetzen. Soweit sie Insolvenzforderung ist, darf sie vom FA nicht festgesetzt, sondern muss zur Tabelle angemeldet werden. Soweit sie auf die Nutzung des insolvenzfreien Vermögens des Schuldners entfällt, ist sie durch Steuerbescheid gegen den Insolvenzschuldner festzusetzen. Entsprechendes muss auch für den Zwangsverwalter gelten.

36

(1) Zwar unterliegt seiner Verwaltung nur ein bestimmter Teil des Schuldnervermögens, während im Insolvenzverfahren grundsätzlich das gesamte Vermögen des Schuldners dem Insolvenzbeschlag unterfällt (§ 80 Abs. 1 i.V.m. § 35 InsO). Darin liegt jedoch nur ein gradueller und kein prinzipieller Unterschied, denn auch im Insolvenzverfahren gibt es insolvenzfreies Vermögen (z.B. nicht pfändbares oder vom Insolvenzverwalter freigegebenes Vermögen), aus dessen Nutzung sich während des Insolvenzverfahrens eine nur vom Steuerschuldner persönlich zu tragende Einkommensteuer ergeben kann (vgl. BFH-Urteil vom 18. September 2012 VIII R 47/09, BFH/NV 2013, 411 zur Duldung der freiberuflichen Tätigkeit des Insolvenzschuldners durch den Insolvenzverwalter).

37

(2) Ohne Bedeutung ist ferner der Umstand, dass die Aufgabe des Zwangsverwalters in der Verwertung der Nutzungsmöglichkeit liegt, wohingegen der Insolvenzverwalter grundsätzlich die Substanz des Vermögens zu werten hat. Aus beiden Tätigkeiten können sich Einkommensteueransprüche gegen den Schuldner ergeben, die dann vom jeweils zuständigen Verwalter zu entrichten sind.

38

2. An der Entrichtungspflicht des Zwangsverwalters ändert sich nichts, wenn (wie im Streitfall) während der Zwangsverwaltung das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wird.

39

a) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht gemäß § 80 Abs. 1 InsO das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen (§ 35 InsO) zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Dieser hat als Vermögensverwalter gemäß § 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 AO auch die steuerlichen Pflichten des Insolvenzschuldners zu erfüllen, soweit seine Verwaltung reicht. Als Vermögensverwalter ist der Insolvenzverwalter Steuerpflichtiger (§ 33 Abs. 1 AO) und richtiger Inhaltsadressat von Steuerbescheiden, mit denen eine Finanzbehörde bestehende Masseverbindlichkeiten geltend macht (BFH-Urteile in BFHE 234, 97, BStBl II 2011, 944; in BFHE 235, 1, BStBl II 2012, 149; in BFHE 238, 319, BStBl II 2013, 131).

40

b) Treffen die Zwangsverwaltung und die Insolvenzverwaltung für einen Schuldner zeitlich zusammen, ergibt sich aus § 34 Abs. 3 letzter Halbsatz AO, dass beide Verwalter die steuerlichen Pflichten des Schuldners zu erfüllen haben, soweit ihre Verwaltung jeweils reicht. In der InsO ist eindeutig geregelt, dass eine früher angeordnete Zwangsverwaltung grundsätzlich Vorrang vor der Insolvenzverwaltung hat.

41

aa) Dies ergibt sich zunächst aus § 80 Abs. 2 Satz 2 InsO. Danach bleiben die Vorschriften über die Wirkungen einer Pfändung oder einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung von dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen auf den Insolvenzverwalter unberührt. § 80 Abs. 2 Satz 2 InsO ist die Grundlage dafür, dass eine vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens angeordnete Zwangsverwaltung neben diesem wirksam bleibt (Windel in Jaeger, InsO, § 80 Rz 289). Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht danach zwar die an das Eigentum geknüpfte Verfügungsbefugnis des Schuldners an den der Zwangsverwaltung unterliegenden Grundstücken auf den Insolvenzverwalter über. Die Befugnis, das Grundstück zu verwalten und zu benutzen und insbesondere der Besitz an dem Grundstück verbleiben aber bei dem Zwangsverwalter.

42

bb) Auch aus § 153b Abs. 1 ZVG ergibt sich, dass die Insolvenzeröffnung als solche keinen Einfluss auf die fortbestehende Verwaltungs- und Nutzungsbefugnis des Zwangsverwalters über bereits wirksam beschlagnahmte Sachen hat. Gemäß § 153b Abs. 1 ZVG wird nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Antrag des Insolvenzverwalters die einstweilige vollständige oder teilweise Einstellung der Zwangsverwaltung angeordnet, wenn der Insolvenzverwalter glaubhaft macht, dass durch die Fortsetzung der Zwangsverwaltung eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung der Insolvenzmasse wesentlich erschwert wird. Damit ist der Vorrang der Verwaltungsrechte des Insolvenzverwalters vor denen des Zwangsverwalters nur unter der Voraussetzung gesetzlich vorgesehen, dass dies die Verwertungsmöglichkeiten des Schuldnervermögens verbessert. Mit der einstweiligen Einstellung des Zwangsverwaltungsverfahrens nach § 153b ZVG geht die Verwaltungs- und Benutzungsbefugnis des Zwangsverwalters über die beschlagnahmten Sachen in dem Umfang, den die Einstellung hat, auf den Insolvenzverwalter über (Mönning/ Zimmermann, Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht 2008, 134, 139; Stöber, Zwangsversteigerungsgesetz, 20. Aufl., § 153b Rz 4.3 und Rz 7; ders., ZVG-Handbuch, 9. Aufl. 2010, Rz 670c). Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass allein die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die fortbestehende Verwaltungs- und Nutzungsbefugnis des Zwangsverwalters über die beschlagnahmten Sachen nicht berührt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 238, 319, BStBl II 2013, 131).

43

c) Aus § 55 InsO ergibt sich nichts anderes. Die Vorschrift regelt, welche Forderungen im Insolvenzverfahren vom Insolvenzverwalter als Masseverbindlichkeit vorab aus der Masse zu bedienen sind. Sie setzt dabei voraus, dass die Forderung, um die es geht, in die Insolvenz fällt. Daran fehlt es aber, wenn sie in einem vorrangigen Zwangsverwaltungsverfahren vom dortigen Zwangsverwalter zu bedienen ist. Das übersieht auch die Gegenansicht, wonach die Einkommensteuer aus der Nutzung eines mit einem Absonderungsrecht belasteten Gegenstands stets zu einer Insolvenzforderung (§ 38 InsO) führen soll (Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 8. Aufl. S. 160 ff.; Schüppen/Ruh in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, Band 3, 3. Aufl. Insolvenzsteuerrecht, B. Besonderes Insolvenzsteuerrecht, Rz 59, 61).

44

d) Die Entrichtungspflicht des Zwangsverwalters für die anteilige Einkommensteuer des Schuldners ordnet die Steuerlast derjenigen Vermögensmasse zu, aus deren Zwangsverwertung sie entstanden ist. Dies dient der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger und vermeidet Verzerrungen, die ansonsten entstehen, wenn die Insolvenzmasse mit Steuern belastet wird, die im Zusammenhang mit Einnahmen stehen, welche nicht der Insolvenzmasse, sondern dem Zwangsverwalter zuzurechnen sind. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die absonderungsberechtigten Gläubiger aus der Zwangsverwaltung die Bruttomieten vereinnahmen und die anderen Insolvenzgläubiger die darauf entfallende Einkommensteuer tragen sollten.

45

3. Eine Vorlage an den Großen Senat des BFH gemäß § 11 Abs. 3 FGO ist nicht geboten. Der Senat weicht von dem BFH-Urteil (in DB 1958, 1203) nicht ab. Das Urteil ist zur RAO und zur KO und damit zu einer nicht mehr geltenden Rechtslage ergangen.

46

4. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil ist deshalb aufzuheben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Feststellungen des FG ausreichen, um der Klage im Rahmen des Revisionsbegehrens stattzugeben. Der Senat teilt die Einkommensteuer des Streitjahres entsprechend dem Vorgehen des FG auf, das von keinem Beteiligten in Frage gestellt worden ist. Das FA hat den Kläger danach nur in Höhe der auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen entfallenden Einkommensteuer von 186 € zu Recht auf die Entrichtung der Steuer aus der Insolvenzmasse in Anspruch genommen. Die Klage hat danach in Höhe von weiteren 4.724 € mit der Maßgabe Erfolg, dass die Entrichtungspflicht des Klägers als Insolvenzverwalter in dieser Höhe herabgesetzt wird, nicht jedoch die gegen den Beigeladenen festgesetzte Einkommensteuer.

47

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Das FA ist letztlich in vollem Umfang unterlegen und hat deshalb die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

(1) Bei Gesamtrechtsnachfolge gehen die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Rechtsnachfolger über. Dies gilt jedoch bei der Erbfolge nicht für Zwangsgelder.

(2) Erben haben für die aus dem Nachlass zu entrichtenden Schulden nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten einzustehen. Vorschriften, durch die eine steuerrechtliche Haftung der Erben begründet wird, bleiben unberührt.

Die Haftung des Erben für die Nachlassverbindlichkeiten beschränkt sich auf den Nachlass, wenn eine Nachlasspflegschaft zum Zwecke der Befriedigung der Nachlassgläubiger (Nachlassverwaltung) angeordnet oder das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet ist.

(1) Bei Gesamtrechtsnachfolge gehen die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Rechtsnachfolger über. Dies gilt jedoch bei der Erbfolge nicht für Zwangsgelder.

(2) Erben haben für die aus dem Nachlass zu entrichtenden Schulden nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten einzustehen. Vorschriften, durch die eine steuerrechtliche Haftung der Erben begründet wird, bleiben unberührt.

(1) Der Erbe haftet für die Nachlassverbindlichkeiten.

(2) Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören außer den vom Erblasser herrührenden Schulden die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten, insbesondere die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen.

(1) Bei Gesamtrechtsnachfolge gehen die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Rechtsnachfolger über. Dies gilt jedoch bei der Erbfolge nicht für Zwangsgelder.

(2) Erben haben für die aus dem Nachlass zu entrichtenden Schulden nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten einzustehen. Vorschriften, durch die eine steuerrechtliche Haftung der Erben begründet wird, bleiben unberührt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 81/12 Verkündet am:
5. Juli 2013
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Nach dem Erbfall fällig werdende oder durch Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft
begründete Wohngeldschulden sind (jedenfalls auch) Eigenverbindlichkeiten
des Erben, wenn ihm das Halten der Wohnung als ein Handeln bei der
Verwaltung des Nachlasses zugerechnet werden kann.
Hiervon ist in der Regel spätestens dann auszugehen, wenn er die Erbschaft angenommen
hat oder die Ausschlagungsfrist abgelaufen ist und ihm faktisch die Möglichkeit
zusteht, die Wohnung zu nutzen.
BGH, Urteil vom 5. Juli 2013 - V ZR 81/12 - LG Düsseldorf
AG Wuppertal
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. März 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richter
Dr. Czub, Dr. Roth, die Richterin Weinland und den Richter Dr. Kazele

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 29. Februar 2012 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagten zu 2 und 3 sowie weitere Personen sind die Erben der im Jahr 1999 verstorbenen Erblasserin U. H. . Zum Nachlass gehört der hälftige Miteigentumsanteil an einer Eigentumswohnung. Die Erben wurden am 3. Juli 2008 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Die Beklagte zu 1 ist Erbin des Erblassers A. H. . Zu dessen Nachlass gehörte der andere hälftige Miteigentumsanteil an der Eigentumswohnung. Ihre Eintragung in das Grundbuch erfolgte am 28. August 2008. Am 27. Januar 2009 wurde für die Wohnung ein Zwangsversteigerungsvermerk in das Grundbuch eingetragen.
2
Die Wohnungseigentümergemeinschaft verlangt von den Beklagten die Zahlung der Wohngeldrückstände aus den Jahresabrechnungen für die Jahre 2009 und 2010 sowie des Hausgeldes gemäß den Wirtschaftsplänen 2010 und 2011. Die Beschlussfassung über die jeweiligen Jahresabrechnungen und Wirtschaftspläne erfolgte in den Eigentümerversammlungen vom 28. August 2010 und 25. Mai 2011.
3
Das Amtsgericht hat die Beklagten, die die Überschuldung des Nachlas- ses einwenden, durch Teilurteil zur Zahlung von 10.731,58 € nebst Zinsen unter Beschränkung der Haftung auf den Nachlass verurteilt. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht das Urteil dahingehend geändert, dass es den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung aufgehoben hat. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist kein Vorbehalt der Haftungsbeschränkung gemäß § 780 Abs. 1 ZPO auszusprechen. Bei den geltend gemachten Wohngeldforderungen, die auf einem erst nach dem Erbfall gefassten Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft beruhten, handle es sich nicht um reine Nachlassverbindlichkeiten. Vielmehr seien sie als Eigenschulden oder zumindest als Nachlasserbenschulden anzusehen, die keine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass erlaubten.

II.

5
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen lässt sich nicht beurteilen, ob die Beklagten berechtigt sind, ihre Haftung auf den Nachlass zu beschränken.
6
1. Nach § 1967 Abs. 1 BGB haftet der Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten grundsätzlich unbeschränkt, d.h. nicht nur mit dem Nachlass, sondern auch mit seinem eigenen Vermögen. Er kann seine Haftung aber auf den Nachlass beschränken (§§ 1975 ff. BGB). Nach § 780 Abs. 1 ZPO kann er die Beschränkung seiner Haftung nur dann im Vollstreckungsverfahren geltend machen , wenn sie ihm im Urteil vorbehalten ist. Voraussetzung für einen Vorbehalt ist, dass der Erbe als Prozesspartei wegen einer (reinen) Nachlassverbindlichkeit (§ 1967 BGB) in Anspruch genommen wird (MünchKomm-ZPO/ Schmidt/Brinkmann, 4. Aufl., § 780 Rn. 5; Musielak, ZPO, 10 Aufl., § 780 Rn. 3). Handelt es sich dagegen (auch) um eine Eigenverbindlichkeit des Erben , kommt ein Vorbehalt einer beschränkten Erbenhaftung nach § 780 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht.
7
2. Ob es sich bei Wohngeldschulden für eine im Wege der Erbfolge erworbene Eigentumswohnung, die auf die Zeit nach dem Erbfall entfallen, um Nachlassverbindlichkeiten oder (auch) um Eigenverbindlichkeiten des Erben handelt, ist umstritten.
8
a) Nach einer Auffassung stellen sie reine Nachlassverbindlichkeiten dar. Die Beitragsverpflichtung beruhe nicht auf dem freien Entschluss des Erben, eine Verbindlichkeit neu zu begründen, sondern auf dem Entschluss des Erblassers , Wohnungseigentum zu erwerben und Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft zu werden, und auf der auf § 1922 BGB beruhenden Eigentümerstellung des Erben (Staudinger/Bub, BGB [2005], § 28 WEG Rn. 174; im Ergebnis auch BayObLG, NJW-RR 2000, 306 und OLG Hamburg, NJW-RR 1986, 177; letzteres behandelt Wohngeldschulden aus Billigkeitsgründen wie reine Nachlassverbindlichkeiten). Überwiegend wird diese Ansicht allerdings dahingehend modifiziert, dass dann, wenn der Erbe zu erkennen gebe, dass er die Wohnung für sich behalten wolle, eine Eigenverbindlichkeit des Erben entstehe , für die er mit seinem eigenen Vermögen hafte (OLG Köln, NJW-RR 1992, 460, 461; Köhler, ZWE 2007, 186, 187; Hügel, ZWE 2006, 174, 180; Niedenführ, NZM 2000, 641; ders. in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 10. Aufl., § 16 WEG, Rn. 166; Bub, Finanz- und Rechnungswesen, 2. Aufl., S. 142; wohl auch OLG Hamburg, aaO).
9
b) Andere differenzieren danach, ob die Hausgeldschuld ihre Grundlage in einem bereits vor dem Erbfall gefassten Beschluss der Wohnungseigentümer hat oder auf einem erst danach gefassten Beschluss beruht.
10
aa) Für nach dem Erbfall fällig werdende Wohngeldschulden, die auf einem vor dem Erbfall gefassten Beschluss beruhen, wird überwiegend angenommen , dass es sich um eine reine Nachlassverbindlichkeit handelt, da der Beschluss noch unter der Mitwirkung oder zumindest Mitwirkungsmöglichkeit des Erblassers zustande gekommen sei (Bonifacio, MDR 2006, 244; Dötsch, ZMR 2006, 902, 906; Joachim, Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten , 3. Aufl., Rn. 101; offen gelassen bei Siegmann, NZM 2000, 995, 997; für Eigenverbindlichkeit Marotzke, ZEV 2000, 151, 154).
11
bb) Gründeten sich die Hausgeldschulden hingegen auf einen nach dem Erbfall gefassten Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft, seien sie jedenfalls auch Eigenverbindlichkeiten des Erben mit der Folge, dass eine Beschränkung der Haftung auf den Nachlass nicht möglich sei. Zum Teil wird dies damit begründet, dass die Beschlussfassung über das Hausgeld unter der Mög- lichkeit der Beteiligung des stimmberechtigten Erben erfolge. Daher handle es sich bei der Begründung einer solchen Hausgeldschuld um ein dem Erben zuzurechnendes Rechtsgeschäft (MünchKomm-BGB/Küpper, 5. Aufl., § 1967 Rn. 20; Becker in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 16 Rn. 168; Rieke/Schmid/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 16 Rn. 199; ders. ZMR 2012, 212; Dötsch, ZMR 2006, 902, 905; Bonifacio, MDR 2006, 244, 245; Siegmann, NZM 2000, 995, 996). Andere verweisen darauf, dass der Erbe für Wohngeldverbindlichkeiten primär aufgrund seiner Stellung als Wohnungseigentümer und nicht als Erbe hafte (Marotzke, ZEV 2000, 151, 154, der allerdings ein Haftungsbeschränkungsrecht des Erben entsprechend § 139 Abs. 4 HGB annimmt; Rebmann, Der Eintritt des Erben in pflichtbelastete Rechtspositionen, S. 202, 248; Joachim, Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten, 3. Aufl., Rn. 101).
12
3. Der Senat entscheidet die Streitfrage dahin, dass nach dem Erbfall fällig werdende oder durch Beschluss neu begründete Wohngeldschulden bei einer Verwaltung des Nachlasses durch den Erben im Regelfall (jedenfalls auch) Eigenverbindlichkeiten des Erben sind und er seine Haftung daher nicht auf den Nachlass beschränken kann (bei Testamentsvollstreckung vgl. Senat, Urteil vom 4. November 2011 - V ZR 82/11, NJW 2012, 316, 317).
13
a) Zu den Nachlassverbindlichkeiten zählen gemäß § 1967 Abs. 2 BGB die „vom Erblasser herrührenden Schulden“, also im Zeitpunktdes Erbfalls in der Person des Erblassers bereits begründete Verpflichtungen, sowie „die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten“, also Schulden, die erst nach und aus Anlass des Erbfalls entstehen. Zu Letzterem können auch Verpflichtungen gehören, die nach dem Erbfall im Rahmen der Verwaltung des Nachlasses entstehen. Das wird angenommen für Verbindlichkeiten aus Rechtshandlungen des Nachlassverwalters und des Nachlassinsolvenzverwalters (RGZ 132, 138, 144; Joachim, Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlich- keiten, 3. Aufl., Rn. 116; Muscheler, Erbrecht, Rn. 3396, ebenso für den Nachlasspfleger ). Für den Testamentsvollstrecker ergibt es sich ausdrücklich aus § 2206 BGB. Nach dessen Abs. 1 ist er im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung berechtigt, Verbindlichkeiten für den Nachlass einzugehen; nach Abs. 2 ist der Erbe zur Einwilligung in derartige Verbindlichkeiten verpflichtet, kann die Haftung aber auf den Nachlass beschränken.
14
b) Anders werden hingegen allgemein Verbindlichkeiten beurteilt, die der Erbe selbst im Rahmen der „eigenhändigen“ Verwaltung des Nachlasses ein- geht. Solche Rechtshandlungen des Erben begründen persönliche Eigenverbindlichkeiten des Erben (vgl. BGH, Urteil vom 31. Januar 1990 - IV ZR 326/88, BGHZ 110, 176, 179; RGZ 146, 343, 346); sie können daneben zugleich Nachlassverbindlichkeiten sein, soweit sie auf ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses beruhen (sog. Nachlasserbenschulden, vgl. Senat, BGH, Urteil vom 23. Januar 2013 - VIII ZR 68/12, NJW 2013, 933, 934 Rn. 16; Urteil vom 10. Februar 1960 - V ZR 39/58, BGHZ 32, 60, 64 f.; Muscheler, Erbrecht, Rn. 3397). Durch ein Handeln des Erben bei der Verwaltung des Nachlasses - sei es durch ein rechtsgeschäftliches Handeln, sei es durch eine sonstige Verwaltungsmaßnahme (etwa durch Unterlassen einer möglichen Kündigung, vgl. Soergel/Stein, BGB, 13. Aufl., § 1967 Rn. 2) - entsteht eine Eigenschuld oder Nachlasserbenschuld des Erben, für die er mit seinem Vermögen und nicht nur beschränkt auf den Nachlass haftet. Entscheidend ist stets, ob ein eigenes Verhalten des Erben Haftungsgrundlage ist. Für Verbindlichkeiten aus der Verwaltung des Nachlasses, die ohne sein Zutun entstehen, haftet der Erbe demgegenüber nur als Träger des Nachlasses (vgl. MünchKomm-BGB/Küpper, 5. Aufl., § 1967 Rn. 21).
15
c) Diese Grundsätze gelten auch für die laufenden Kosten einer in den Nachlass fallenden Eigentumswohnung. Bei ihnen besteht allerdings die Be- sonderheit, dass sie in aller Regel ohne Zutun des Erben aufgrund von (Mehrheits -)Beschlüssen der Wohnungseigentümer anfallen. Andererseits ist zu berücksichtigen , dass den Kosten Leistungen gegenüberstehen (z.B. Treppenhausreinigung , Aufzugswartung, Reparaturen), die der Erbe bei einem zum Nachlass gehörenden Haus nur über den Abschluss oder die Fortführung von Verträgen und damit unter Begründung einer Eigenschuld erhalten würde. Richtigerweise ist deshalb nicht darauf abzustellen, ob die Begründung der Hausgeldschulden auf einem Verhalten des Erben beruht, sondern ob ihm das Halten der Wohnung als ein Handeln bei der Verwaltung des Nachlasses zugerechnet werden kann. Ist dies der Fall, haftet er für die damit verbundenen Verbindlichkeiten , zu denen das laufende Hausgeld gehört, (auch) mit seinem eigenen Vermögen.
16
Ein Handeln des Erben bei der Verwaltung einer in den Nachlass fallenden Eigentumswohnung liegt nicht erst dann vor, wenn er eine nach außen wahrnehmbare Tätigkeit entfaltet, etwa indem er die Mieten einzieht, Handwerker beauftragt oder an Beschlüssen der Wohnungseigentümergemeinschaft mitwirkt. Vielmehr ist von einem Verwaltungshandeln des Erben in der Regel spätestens dann auszugehen, wenn er die Erbschaft angenommen hat oder die Ausschlagungsfrist abgelaufen ist und ihm faktisch die Möglichkeit zusteht, die Wohnung zu nutzen. Ab diesem Zeitpunkt beruht es allein auf seiner als Verwaltungsmaßnahme zu qualifizierenden Entscheidung, wie er mit der Wohnung verfährt, ob er sie selbst nutzt, vermietet bzw. vermietet lässt, verkauft oder in sonstiger Weise aus ihr Nutzen zieht. Auch wenn er die Wohnung leer stehen lässt, stellt dies eine Maßnahme der Verwaltung der Wohnung durch den Erben dar. Denn einer solchen Vorgehensweise liegt ebenfalls eine Entscheidung des Erben zugrunde. Diese kann von vielfältigen Erwägungen getragen sein, wie etwa der, dass im Falle eines Verkaufes für eine unvermietete Wohnung ein höherer Erlös zu erzielen ist (vgl. Siegmann, NZM 2000, 995, 996). Nur in - von dem Erben darzulegenden und zu beweisenden - Ausnahmefällen ist ein passives Verhalten des Erben im Hinblick auf eine zum Nachlass gehörende Eigentumswohnung nicht als Maßnahme ihrer Verwaltung zu qualifizieren. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Erbe aufgrund einer Belastung der Wohnung mit einem Wohnrecht für einen Dritten keine Handlungsoptionenim Hinblick auf die Nutzung der Wohnung hat und er zudem keine Nutzungen aus ihr zieht und auch nicht ziehen kann (zu einer solchen Fallgestaltung vgl. AG Düsseldorf, ZMR 2012, 583); sobald er aber an Beschlüssen der Eigentümerversammlung mitwirkt, liegt auch in diesen Konstellationen ein Verwaltungshandeln des Erben vor.
17
Gegen eine Haftung des Erben für laufendes Wohngeld (auch) mit seinem eigenen Vermögen spricht nicht, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft damit bei Unzulänglichkeit des Nachlasses besser gestellt wird als bei Durchführung eines Nachlassverwaltungs- oder Nachlassinsolvenzverfahrens (so aber Staudinger/Bub, BGB [2005], § 28 WEG Rn. 174). Denn eine etwaige Besserstellung der Wohnungseigentümergemeinschaft beruht nicht auf den Besonderheiten des Wohngelds, sondern allgemein auf der unterschiedlichen Behandlung von Rechtshandlungen des Nachlass(insolvenz)verwalters einerseits und dem Eigenhandeln des Erben bei dürftigem Nachlass andererseits. So etwa lassen notwendige Erhaltungsmaßnahmen an einem zum Nachlass gehörenden Einfamilienhaus bei den amtlichen Verfahren zur Nachlasssonderung eine reine Nachlassverbindlichkeit entstehen, bei dürftigem Nachlass (also beim Handeln des Erben) hingegen auch eine Eigenschuld des Erben. Diese unterschiedliche Behandlung liegt darin begründet, dass bei der Eigenverwaltung der Rechtsverkehr grundsätzlich davon ausgehen kann, dass für Verbindlichkeiten das Vermögen des Erben als Vollstreckungsobjekt zur Verfügung steht. Tritt hingegen ein Nachlass(insolvenz)verwalter auf, wird der Rechtsverkehr diese Erwartung nicht haben.
18
Die Haftung des Erben für Wohngeldschulden mit seinem Eigenvermögen im Falle der Eigenverwaltung des Nachlasses ist nicht unbillig. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass das Gesetz dem Erben ausreichend Möglichkeiten zur Verfügung stellt, die persönliche Haftung auszuschließen (vgl. Siegmann , NZM 2000, 995, 997). Er kann die Erbschaft binnen sechs Wochen seit Kenntnis des Erbfalls ausschlagen (§ 1944 BGB); dieser Zeitraum reicht in der Regel aus, um die Überschuldung des Nachlasses festzustellen. Hat er die Überschuldung des Nachlasses nicht erkannt, kann er unter bestimmten Voraussetzungen die Annahme anfechten (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar, 1989 - IVa ZR 98/87, BGHZ 106, 359, 363). Will er sich der persönlichen Haftung für künftige Wohngeldschulden entziehen, steht es ihm frei, die Wohnung zu veräußern oder gem. § 175 ZVG die Zwangsversteigerung zu beantragen.

III.

19
Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da die oben dargestellten rechtlichen Gesichtspunkte bisher von den Parteien nicht bedacht und in den Tatsacheninstanzen nicht erörtert worden sind. Die Zurückverweisung gibt den Beklagten Gelegenheit ergänzend vorzutragen, ob hier ein Sachverhalt vorliegt, bei dem ausnahmsweise ein Handeln der Erben bei der Verwaltung der Wohnung zu verneinen ist. Stresemann Czub Roth Weinland Kazele
Vorinstanzen:
AG Wuppertal, Entscheidung vom 24.10.2011 - 95b C 88/11 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 29.02.2012 - 25 S 139/11 -

(1) Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.

(2) Soweit nicht rechtsfähige Personenvereinigungen ohne Geschäftsführer sind, haben die Mitglieder oder Gesellschafter die Pflichten im Sinne des Absatzes 1 zu erfüllen. Die Finanzbehörde kann sich an jedes Mitglied oder jeden Gesellschafter halten. Für nicht rechtsfähige Vermögensmassen gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass diejenigen, denen das Vermögen zusteht, die steuerlichen Pflichten zu erfüllen haben.

(3) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter die in Absatz 1 bezeichneten Pflichten, soweit ihre Verwaltung reicht.

(1) Bei Gesamtrechtsnachfolge gehen die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Rechtsnachfolger über. Dies gilt jedoch bei der Erbfolge nicht für Zwangsgelder.

(2) Erben haben für die aus dem Nachlass zu entrichtenden Schulden nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten einzustehen. Vorschriften, durch die eine steuerrechtliche Haftung der Erben begründet wird, bleiben unberührt.

(1) Der Erbe haftet für die Nachlassverbindlichkeiten.

(2) Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören außer den vom Erblasser herrührenden Schulden die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten, insbesondere die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen.

Die Haftung des Erben für die Nachlassverbindlichkeiten beschränkt sich auf den Nachlass, wenn eine Nachlasspflegschaft zum Zwecke der Befriedigung der Nachlassgläubiger (Nachlassverwaltung) angeordnet oder das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet ist.

(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.

(2) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.

(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.