Finanzgericht München Urteil, 20. Juni 2016 - 2 K 1716/15

bei uns veröffentlicht am20.06.2016

Gericht

Finanzgericht München

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Streitig ist die Rechtmäßigkeit des vom Beklagten (dem ... -...-) gegenüber dem Kläger erlassenen Duldungsbescheids.

Der Kläger ist Sohn des Vollstreckungsschuldners A (nachfolgend: Vollstreckungsschuldner).

Gegenüber dem Vollstreckungsschuldner erließ das ... bestandskräftige Bescheide über Einkommensteuer für 2005 bis 2010, Verspätungszuschläge zur Einkommensteuer 2009 und 2010, über Solidaritätszuschläge für 2005 bis 2009 sowie Zinsen zur Einkommensteuer 2005 bis 2010. Darüber hinaus bestanden Säumniszuschläge für 2005 bis 2010. Die fälligen rückständigen Steuern und steuerlichen Nebenleistungen des Vollstreckungsschuldners betrugen zum Zeitpunkt des Erlasses des Duldungsbescheids am 14. Januar 2013 insgesamt 141.993,02 €. Der Vollstreckungsschuldner leistete auf diese am 10. November 2011, 16. Mai 2012 und 17. Dezember 2012 fälligen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis trotz Mahnungen und Vollstreckungsankündigungen keine Zahlungen. Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn waren nicht möglich. Der Vollstreckungsschuldner hatte seinen Wohnsitz in das Vereinigte Königreich verlegt.

Mit Notarurkunde vom 24. November 2004 … unterbreitete der Vollstreckungsschuldner seiner Mutter, der Großmutter des Klägers, ein Kaufangebot über eine Eigentumswohnung in K (nachfolgend -Eigentumswohnung-). An das Angebot sollte der Vollstreckungsschuldner bis zum 31. Dezember 2007 gebunden sein. Danach sollte das Angebot unter Einhaltung einer Frist von einem Monat schriftlich widerrufen werden können, mit der Folge, dass das Angebot mit Ablauf der genannten Frist erlöschen sollte. Bis zum Ablauf der Frist sollte das Angebot trotz Erklärung des Widerrufs noch angenommen werden können. Der Kaufvertrag sollte zustande kommen, wenn die Annahme fristgerecht zu Protokoll eines deutschen Notars erklärt wird.

Mit weiterer Notarurkunde vom 24. November 2004 unterbreitete der Vollstreckungsschuldner dem damals noch minderjährigen Kläger ebenfalls ein widerrufliches bedingtes Kaufangebot über die Eigentumswohnung. Eine Annahme sollte nur bei Erlöschen des bedingten Kaufangebots, das der Vollstreckungsschuldner gegenüber der Großmutter des Klägers hinsichtlich der Eigentumswohnung erklärte, zulässig sein.

Das zugunsten der Großmutter des Klägers abgegebene Kaufangebot war durch Auflassungsvormerkung gesichert. Eine Auflassungsvormerkung für das bedingte Kaufangebot zugunsten des Klägers wurde im Grundbuch nicht eingetragen.

Mit Notarurkunde vom 29. Dezember 2009 erklärten der Vollstreckungsschuldner und die Großmutter des Klägers, dass das Kaufangebot des Vollstreckungsschuldners zugunsten der Großmutter mittlerweile erloschen sein soll und bewilligten die Löschung der zugunsten der Großmutter eingetragenen Auflassungsvormerkung. Die Vertragsbeteiligten ergänzten das Angebot dahingehend, dass der Kläger als Angebotsempfänger sich den Wert der Zuwendung auf seine künftigen Pflichtteilsansprüche am Nachlass des Vollstreckungsschuldners anrechnen lassen müsse. Gleichzeitig nahm der Kläger das Kaufangebot des Vollstreckungsschuldners über die Eigentumswohnung vollinhaltlich und vorbehaltslos an. Eine Auflassungsvormerkung zugunsten des Klägers wurde bewilligt. Der Kläger sollte für den Eigentumsübergang dem Vollstreckungsschuldner keinen Kaufpreis schulden. Der Vollstreckungsschuldner sollte u.a. berechtigt sein, im Falle einer Veräußerung der Eigentumswohnung zu seinen Lebzeiten die Rückübertragung des verkauften Grundbesitzes an sich zum Alleineigentum oder die Übertragung an einen von ihm mit gesonderter Urkunde schriftlich benannten bestimmten Dritten zu verlangen. Dieser Anspruch des Vollstreckungsschuldners auf Rückübertragung der Eigentumswohnung war durch Vormerkung im Grundbuch gesichert. Der grundbuchrechtliche Eigentumsübergang zugunsten des Klägers sowie die Löschung der Auflassungsvormerkung zugunsten der Großmutter erfolgten am 15. März 2010.

Am 17. Oktober 2011 verkaufte der Kläger mit Zustimmung des nach der Notarurkunde noch in B wohnhaften Vollstreckungsschuldners die in Abteilung III lastenfreie Eigentumswohnung für 290.000 €. Die zugunsten des Vollstreckungsschuldners ins Grundbuch in Abteilung II eingetragene Vormerkung auf Rückübertragung wurde von den Käufern nicht übernommen und der Vollstreckungsschuldner bewilligte deren Löschung. Die Käufer wurden als hälftige Miteigentümer am 2. Juli 2012 in das Grundbuch eingetragen.

Mit Beschluss vom 22. Dezember 2011 eröffnete der … C. C. unter Bezugnahme auf Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, L 160 vom 30. Juni 2000, S. 1-18, -EuInsVO-) auf Antrag des Vollstreckungsschuldners das (Haupt-)Insolvenzverfahren über dessen Vermögen.

Nach dem Aktenvermerk des Vollstreckungssachbearbeiters über ein Telefonat mit der steuerlichen Vertreterin am 28. Februar 2012 hielt sich der Vollstreckungsschuldner am 27. Februar 2012 in Österreich, …, auf.

Am 9. März 2012 teilte die (seit 18. August 2010) steuerliche Vertreterin des Vollstreckungsschuldners dem ... mit, dass der Vollstreckungsschuldner derzeit nicht in der Lage sei, seine aufgrund von Schätzungen beruhenden Steuerrückstände zu bezahlen. Er befinde sich ausweislich des Beschlusses des … C. C. im dortigen Insolvenzverfahren. Die dem Beschluss beigefügte Anlage über den amtlichen Insolvenzverwalter (dem O. R.) wurde dem ... nicht vorgelegt. Die fehlenden Steuererklärungen seien auf dem Weg.

Am 12. März 2012 ging die Einkommensteuererklärung 2007 samt Gewinnermittlung mit einem betrieblichen Gewinn der Zahnarztpraxis (in B) von 180.917 € beim ... ein.

Lt. Vermerk des Vollstreckungssachbearbeiters vom 26. März 2012 erfolgte eine Anmeldung der Abgabenforderungen beim englischen Insolvenzverwalter nicht, weil dem ... dessen Anforderungsschreiben noch nicht vorlag.

Mit Beschluss vom 22. Dezember 2012 erteilte der … C. C. dem Vollstreckungsschuldner Restschuldbefreiung -Certificate of Dischargenach Art. 278, Art. 279 Insolvency Act 1986.

Mit Bescheid vom 14. Januar 2013 erließ das ... gemäß § 191 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 4 des Gesetzes betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens (AnfG) einen an den Kläger gerichteten Duldungsbescheid. Dazu focht das ... gegenüber dem Kläger die unentgeltliche Übertragung der Eigentumswohnung vom 29. Dezember 2009 mit Grundbucheintragung vom 15. März 2010 an. Durch die vollzogene Grundstücksübertragung sei dem ... als Steuergläubiger der Zugriff auf diesen Vermögensgegenstand entzogen worden und dessen Befriedigungsmöglichkeit aus dem Schuldnerverhältnis beeinträchtigt worden. Das ... sei daher gegenüber dem Kläger in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens zur Anfechtung dieser Rechtshandlung berechtigt gewesen. Da der Kläger die Eigentumswohnung veräußert habe, habe der Kläger Wert-ersatz in Geld in Höhe der vom Vollstreckungsschuldner geschuldeten Ansprüche von 141.993,02 € zu leisten. Für die Ermittlung der Höhe des Anspruchs auf Wertersatz sei maßgeblich gewesen, dass der Verkaufserlös erheblich höher als die vom Vollstreckungsschuldner geschuldeten Steuern und Nebenleistungen gewesen sei. Aufgrund des gesetzlichen Auftrags, die rechtzeitige Zahlung von Abgaben sicherzustellen, hielt es das ... für ermessensgerecht, den Kläger zur Duldung der Vollstreckung heranzuziehen. Die Vollstreckung gegen den Vollstreckungsschuldner sei erfolglos verlaufen.

Den Einspruch dagegen wies das ... mit Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2015 als unbegründet zurück. Eine Auflassungsvormerkung für das an den Kläger gerichtete notarielle Kaufangebot sei nicht ins Grundbuch eingetragen worden. Die maßgebliche Rechtshandlung sei erst bei Angebotsannahme am 29. Dezember 2009 erfolgt. Damit habe es die Rechtshandlung rechtzeitig innerhalb der Vier-Jahresfrist angefochten. Der Kläger habe die Eigentumswohnung unentgeltlich erhalten. Aufgrund der Veräußerung der Eigentumswohnung habe der Kläger den fälligen Wertersatz in Höhe von 141.993,02 € unmittelbar nach Zugang der Einspruchsentscheidung zu erfüllen. Vom Ausgang des im Vereinigten Königreichs geführten Insolvenzverfahrens habe es keine Kenntnisse. Eine Anmeldung inländischer Steuerforderungen bei dem in X anhängigen Insolvenzverfahren sei nicht erfolgt. Der O. R. habe das ... als Gläubiger nicht aufgefordert, Steuerforderungen anzumelden. Auch lägen ihm keinerlei Unterlagen über die angeblich erteilte Restschuldbefreiung vor.

Dagegen richtet sich die Klage des Klägers, zu der er unter Vorlage des Insolvenzeröffnungsbeschlusses (Bankruptcy Order on Debitor´s Petition) und der Restschuldbefreiung (Certificate of Discharge) des … C. C. vorträgt, dass vor Erlass des Duldungsbescheids aufgrund der Restschuldbefreiung die Steuerschulden des Vollstreckungsschuldners nicht mehr durchsetzbar gewesen seien. Es komme nicht darauf an, dass der Insolvenzverwalter das ... eigens aufgefordert habe, Ansprüche anzumelden; hier gelte die Veröffentlichung des Gläubigeraufrufs. Zum Zeitpunkt der Anfechtung der Eigentumsübertragung müsse ein gegen den Vollstreckungsschuldner durchsetzbarer Anspruch bestehen. Mit Wegfall des Titels gegen den Vollstreckungsschuldner werde die Anfechtung unzulässig. Nach § 301 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) wirke die Restschuldbefreiung in der Weise, dass die Forderung nicht mehr durchsetzbar sei (unter Hinweis auf Bundesgerichtshof -BGHBeschluss vom 25. September 2008 IX ZB 205/06, NZI 2008, 737). Er könne gegen die Anfechtung den Einwand der unvollkommenen Verbindlichkeit im Rahmen von § 2 AnfG führen. § 302 InsO sei nicht einschlägig, da die Anfechtung kein Sicherungsinstrument sei, sondern der Titeldurchsetzung gegenüber Dritten diene. Das ausländische Insolvenzverfahren sei nach Art. 25 EuInsVO in Deutschland anzuerkennen.

Ein Anfechtungsgrund sei ihm gegenüber zudem nicht fristgerecht geltend gemacht worden. Mit Bewilligung der Auflassungsvormerkung zugunsten seiner Großmutter habe der Vollstreckungsschuldner keine Möglichkeit mehr gehabt, einen eigenen geldwerten Vorteil an ihn zu übertragen. Es liege daher eine abgekürzte Übertragung vor, die ebenso durch Übertragung von der Großmutter auf ihn hätte vollzogen werden können.

Der Vollstreckungsschuldner sei seit 2009 in England ansässig gewesen und habe keine Kenntnis von den Schätzbescheiden 2007, 2008 und 2009 gehabt, als er Anfang Januar 2012 beim englischen Insolvenzverwalter Angaben über seine Schulden gemacht habe. Der Vollstreckungsschuldner habe der … Bank 500.000 € geschuldet, von denen er durch das Insolvenzverfahren in England Restschuldbefreiung erlangt habe. Die Eigentumswohnung habe dem Insolvenzverwalter zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung am 22. Dezember 2011 zur Verwertung nicht zur Verfügung gestanden, da seit 24. November 2004 ein durch eine Auflassungsvormerkung gesichertes Kaufangebot des Vollstreckungsschuldners an die Großmutter des Klägers für diese Eigentumswohnung bestanden habe. Dem O. R. sei bei Abgabe der Vermögensaufstellung diese vertragliche Bindung bekannt gegeben worden. Die Eigentumswohnung hätte nach dessen Auffassung nicht verwertet werden können, da die Auflassungsvormerkung zugunsten der Großmutter des Klägers bis zum Abschluss des Vertrags des Vollstreckungsschuldners mit dem Kläger Bestand gehabt habe. Eine Verwertung der Eigentumswohnung im Rahmen des Insolvenzverfahrens sei daher nicht erfolgt. Die fehlende Benachrichtigung des ... durch den Insolvenzverwalter oder das Insolvenzgericht habe keine Auswirkung auf die Restschuldbefreiung. Das ... habe den Insolvenzverwalter über die Eigentumswohnung nicht informiert und habe diesem Insolvenzmasse vorenthalten. Überdies werde nunmehr noch vorgetragen, dass die Eigentumswohnung seinen drei Kindern (dem Kläger, seinem Bruder D und seiner Schwester A) habe erhalten bleiben sollen. Da die Eigentumswohnung verkauft worden sei, sollte der Verkaufserlös allen drei Kindern zugutekommen. Deshalb sollten die Geschwister des Klägers auf ihr Verlangen hin einen Anspruch auf 1/3 des Verkaufserlöses gegen den Kläger haben. Bis dahin sollte der Kläger das Geld verwalten. Ob und inwieweit das Geld an die Geschwister bereits abgeflossen sei, sei aber unbekannt. Die Geschwister des Klägers seien über ihr Forderungsrecht informiert. Für diesen Vortrag werde der Vollstreckungsschuldner -A- als Zeuge genannt.

Der Kläger beantragt,

den Duldungsbescheid vom 14. Januar 2013 und die Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2015 aufzuheben.

Das ... beantragt,

die Klage abzuweisen.

Bezugnehmend auf seine Einspruchsentscheidung trägt das ... vor, dass der Kläger erst mit notariellem Vertrag vom 29. Dezember 2009 das nicht durch eine Auflassungsvormerkung gesicherte Kaufangebot des Vollstreckungsschuldners angenommen habe. Die bei der Beurkundung anwesende Großmutter des Klägers sowie der Vollstreckungsschuldner hätten in dieser Urkunde unmissverständlich erklärt, dass das Kaufangebot zugunsten der Großmutter mittlerweile erloschen gewesen sei.

Der Kläger habe keine Nachweise beigebracht, dass das ... vom O. R. über das in England eröffnete Insolvenzverfahren und über die vom Vollstreckungsschuldner dort vorgelegte Vermögensübersicht (Statement of Affairs) informiert worden sei sowie dass die inländischen Steuerforderungen Eingang in das Insolvenzverfahren in England gefunden hätten. Einwendungen gegen die dem Duldungsbescheid zugrundeliegenden bestandskräftigen Steuerverwaltungsakte könne der Duldungsverpflichtete nicht vorbringen.

II.

Die Klage ist unbegründet.

Der Duldungsbescheid ist dem Grunde und der Höhe nach rechtmäßig und ermessensfehlerfrei ergangen.

Nach § 191 Abs. 1 AO kann derjenige, der kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Dazu zählen auch die Fälle, in denen einem Gläubiger zur Befriedigung seiner Forderungen das zur Verfügung gestellt werden muss, was durch anfechtbare Rechtshandlungen aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist. Gleiches gilt gemäß § 11 Abs. 1 AnfG, wenn der Anfechtungsgegner den in anfechtbarer Weise aus dem Schuldnervermögen ausgeschiedenen Gegenstand nicht in Natur zurückgewähren kann und wenn er deshalb verpflichtet ist, Wertersatz zu leisten.

Bei der Entscheidung über die Inanspruchnahme nach § 191 Abs. 1 AO hat die Finanzbehörde zunächst zu prüfen, ob in der Person, die sie durch Duldungsbescheid in Anspruch nehmen will, die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Anfechtung erfüllt sind. Hierbei handelt es sich um eine vom Gericht in vollem Umfang überprüfbare Rechtsentscheidung. Daran schließt sich die nach § 191 Abs. 1 AO von der Finanzbehörde zu treffende Ermessensentscheidung an, ob und ggf. wen sie als Duldungsverpflichteten in Anspruch nehmen will. Diese auf der zweiten Stufe zu treffende Entscheidung ist gerichtlich nur im Rahmen des § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf Ermessensfehler (Ermessensfehlgebrauch bzw. Ermessensüberschreitung) überprüfbar (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -BFHvom 11. März 2004 VII R 52/02, BStBl II 2004, 579, m.w.N.). Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung im Sinne des § 102 FGO ist die Ermessensentscheidung der Verwaltung so, wie sie regelmäßig, nach Abschluss des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren getroffen wurde. Maßgeblich ist daher die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, der Einspruchsentscheidung (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 28. Juni 2000 X. R 24/95, BStBl II 2000, 514, Urteil des Finanzgericht München vom 16. Oktober 2014 14 K 2328/11, EFG 2015, 346).

Das ... ist befugt gewesen, den Kläger als Empfänger einer unentgeltlichen Verfügung aus dem Vermögen des Vollstreckungsschuldners durch Duldungsbescheid in Anspruch zu nehmen. Denn die Voraussetzungen für den Erlass des Duldungsbescheids sind gemäß § 191 Abs. 1 AO i.V.m. § 19, § 18 Abs. 1 und Abs. 2, § 1 Abs. 1, § 2, § 4 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 AnfG erfüllt gewesen.

Dem steht insbesondere nicht die in England erlangte Restschuldbefreiung des Vollstreckungsschuldners entgegen.

1. Der Streitfall und damit die Anforderungen an eine Einzelgläubigeranfechtung sind nach dem deutschen AnfG zu beurteilen.

Das AnfG enthält keine Einschränkung, wonach eine Gläubigeranfechtung ausscheidet, wenn der Schuldner ein Insolvenzverfahren in England durchlaufen hat und dieses Insolvenzverfahren abgeschlossen ist. Ebenso wenig ist eine Gläubigeranfechtung grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der Schuldner als Ergebnis eines Insolvenzverfahrens von seinen am Ende des Insolvenzverfahrens noch bestehenden Verbindlichkeiten befreit worden ist und die Gläubiger aufgrund eines ausländischen Insolvenzverfahrens und der dort erlangten Restschuldbefreiung nur noch eingeschränkt auf das Vermögen des Schuldners zugreifen können (vgl. Bundesgerichtshof -BGH-Urteil vom 12. November 2015 IX ZR 301/14, BGHZ 208, 1, BB 2015, 3010; Karsten/Schmidt, InsO, mit EuInsVO, 19. Aufl., § 129 Rn. 13).

Die dem Kläger vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens in England und damit außerhalb des Insolvenzverfahrens i.S. von § 1 Abs. 1 AnfG unentgeltlich übertragene Eigentumswohnung befindet sich in Deutschland.

Nach § 19 AnfG ist bei Sachverhalten mit Auslandsberührung für die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung das Recht maßgeblich, dem die Wirkungen der Rechtshandlung unterliegen. Im Streitfall ist das Verfügungsgeschäft zur Übereignung der Eigentumswohnung im Inland angefochten worden, so dass das deutsche Recht als Recht des Lageortes des Grundstücks maßgeblich ist (vgl. Huber, AnfG, 10. Aufl., § 19 Rz. 9, m.w.N.). Dies gilt auch für den Fall, dass der Vollstreckungsschuldner im Ausland wohnhaft ist oder im Ausland ein Insolvenzverfahren über dessen Vermögen durchgeführt worden ist (vgl. BGH in BGHZ 208, 1, BB 2015, 3010, unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs -EuGH-).

2. Wegen des bereits beendeten Insolvenzverfahrens in England ist das ... am 14. Januar 2013 nicht am Erlass des Duldungsbescheids gehindert gewesen. Zudem ist eine dem Vollstreckungsschuldner gewährte Restschuldbefreiung kein dem Kläger als Anfechtungsgegner zustehender Einwand.

Gemäß § 18 Abs. 1 AnfG können nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens Anfechtungsansprüche, die der Insolvenzverwalter geltend machen konnte, von den einzelnen Gläubigern -hier vom...nach dem AnfG verfolgt werden, soweit nicht dem Anspruch entgegenstehende Einreden gegen den Insolvenzverwalter erlangt sind.

Mit Erteilung der Restschuldbefreiung (Certificate of Discharge) des … C. C. am 22. Dezember 2012 ist das Insolvenzverfahren in England beendet gewesen (vgl. Art. 278 und 279 Insolvency Act 1986).

a) Zwar ist nach Art. 4 Abs. 1 EuInsVO bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens in England englisches Insolvenzrecht anzuwenden gewesen. Jedoch betrifft die EuInsVO (insbesondere Art. 4 Abs. 2 lit. k und m EuInsVO) nicht das Recht der Einzelgläubigeranfechtung, da die EuInsVO nur insolvenzrechtliche Fallgestaltungen erfasst und sie eng auszulegen ist (vgl. EuGH-Urteile vom 4. September 2014 C-157/13, ZIP 2015, 96, Rn. 23; und vom 11. Juni 2015 C-649/13, ZIP 2015, 1299, Rn. 27).

Danach ist entscheidend, ob ein Anspruch anlässlich eines Insolvenzverfahrens oder in einem engen Zusammenhang damit erhoben worden ist und ob er seinen Ursprung im Insolvenzverfahren hat (vgl. EuGH-Urteil vom 4. Dezember 2014 C-295/13, ZIP, 196, Rn. 18, m.w.N.). Dies trifft auf die Einzelgläubigeranfechtung im Sinne des AnfG nicht zu.

Das Insolvenzrecht erstreckt seine Wirkungen nicht darauf, wie sich Rechtsbeziehungen zwischen Gläubigern und Dritten gestalten, wenn das Insolvenzverfahren beendet ist und der Schuldner nicht betroffen ist (vgl. BGH in BGHZ 208, 1; BB 2015, 3010, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).

Der Kläger als Dritter ist daher weder aufgrund der EuInsVO noch aufgrund des § 301 Abs. 2 Satz 1 InsO befugt, sich auf die Restschuldbefreiung des Vollstreckungsschuldners zu berufen, da diese nur zugunsten des Schuldners wirkt. Die Restschuldbefreiung soll dem Schuldner einen wirtschaftlichen Neuanfang ermöglichen. Die anfechtbar weggegebene Eigentumswohnung des Schuldners vor Insolvenzeröffnung soll dagegen nach den Regelungen der Gläubigeranfechtung weiterhin den einzelnen Gläubigern zu deren Befriedigung offenstehen. Die Certificate of Discharge gemäß Art. 280 ff Insolvency Act 1986 hat keine weitergehenden Wirkungen für die Einzelgläubigeranfechtung als eine Restschuldbefreiung, zumal die Einzelgläubigeranfechtung des... im AnfG geregelt ist und das ... keine Zahlungen vom Vollstreckungsschuldner auf dessen rückständige Steuerschulden erhalten hat (vgl. BGH in BGHZ 208, 1; BB 2015, 3010).

Im Übrigen würde die Anwendung des englischen Insolvenzrechts zu keinem anderen Ergebnis führen. Gemäß Art. 281 Abs. 7 Insolvency Act 1986 –“Discharge does not release any person other than the bankrupt from any liability< whether as partner or co-trustee of the bankrupt or otherwise > from which the bankrupt is released by the discharge, or from any liability as surety for the bankrupt or as a person in the nature of such a surety.”- wirkt die Restschuldbefreiung nicht gegenüber Dritten, die für Forderungen des Insolvenzschuldners haften. Die Discharge will nicht Dritte, sondern nur den Insolvenzschuldner begünstigen (vgl. Cranshaw, Anm. zum BGH-Urteil in BGHZ 208, 1, BB 2015, 3010, in JurisPR-InsR 2/2016).

Im Übrigen kann im Streitfall dahinstehen, ob die Restschuldbefreiung (überhaupt) gegenüber dem Vollstreckungsschuldner greift. Jedoch bestehen daran erhebliche Zweifel. Die Restschuldbefreiung bezieht sich grundsätzlich auf alle Insolvenzverbindlichkeiten (Art. 281 Abs. 2 i.V.m. Art. 382 Insolvency Act 1986). Der Insolvenzschuldner hat dem O. R. ein vollständiges Vermögensverzeichnis und eine nach bestem Wissen und Gewissen erstellte Forderungsaufstellung sowie ggf. weitere Nachweise vorzulegen (vgl. Mitwirkungspflichten des Insolvenzschuldners nach Art. 283 ff. Insolvency Act 1986).

Macht der Insolvenzschuldner in der Vermögensübersicht (Statement of Affairs) falsche Angaben, wie z.B. unzutreffende Angaben über Steuerverbindlichkeiten, und hat er die Richtigkeit eidesstattlich versichert, ist er einem Gläubiger, dem infolgedessen ein Schaden entsteht (z.B. keine Zahlung aus der Insolvenzmasse wegen fehlender Kenntnis vom Verfahren), zum Schadensersatz verpflichtet. In diesem Fall greift die Restschuldbefreiung nicht (vgl. Art. 281 Abs. 6 Insolvency Act 1986).

Aus den Angaben des Klägers im Schriftsatz vom 7. Juni 2017 ist zu schließen, dass der Vater des Klägers, also der Vollstreckungsschuldner, um die von ihm geschuldeten Abgaben der Jahre 2005 und 2006 gewusst hat und dass er folglich gegenüber dem Insolvenzverwalter im Rahmen des englischen Insolvenzverfahrens nicht sämtliche Steuerschulden im Vermögensverzeichnis ordnungsgemäß angegeben hat. Diese sind folglich dann nicht Gegenstand des dortigen Insolvenzverfahrens geworden. Hinzu kommt, dass der Vater aufgrund seiner im Jahr 2007 erzielten hohen Einkünfte als selbständiger Zahnarzt von einer Einkommensteuerschuld hat ausgehen müssen. Demzufolge hat der Vater die Forderungsaufstellung nicht nach besten Wissen und Gewissen erstellt. Für die Unkenntnis des Insolvenzverwalters über Abgabenschulden des Vaters spricht auch, dass der Insolvenzverwalter das ... nicht (spätestens 30 Tage nach der Insolvenzeröffnung) bezüglich der Anmeldung dieser (über 750 £ liegenden) Insolvenzforderungen angeschrieben hat (vgl. Art. 267 ff. Insolvency Act 1986).

b) Dass der O. R. mögliche Anfechtungsansprüche nach englischem Recht im Rahmen des am 22. Dezember 2011 eröffneten Insolvenzverfahrens hinsichtlich der Übertragung der Eigentumswohnung an den Kläger mit Eintragung ins Grundbuch am 15. März 2010 verfolgt hat und der Kläger daraus Einwendungen gegen den O. R. erlangt hat, ist nicht ersichtlich. Der Kläger hat selbst vorgetragen, dass die Eigentumswohnung als Vermögensgegenstand des Vollstreckungsschuldners nicht ins Insolvenzverfahren vom Insolvenzverwalter einbezogen worden ist.

3. Die unentgeltliche Übertragung der Eigentumswohnung auf den Kläger hat das ... als Gläubiger von Abgaben zu Recht angefochten und wegen des Verkaufs der Eigentumswohnung am 17. Oktober 2011 vom Kläger einen Wertersatz in Höhe der Abgabenschulden des Vollstreckungsschuldners von 141.993,02 € verlangt.

a) Nach § 1 Abs. 1 AnfG können Rechtshandlungen eines Schuldners, die seine Gläubiger benachteiligen, außerhalb des Insolvenzverfahrens angefochten werden. Zu einer solchen Anfechtung ist nach § 2 AnfG jeder Gläubiger berechtigt, der einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat und dessen Forderung fällig ist, wenn die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers geführt hat.

Anfechtbar ist nach § 4 Abs. 1 AnfG eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, wenn sie nicht früher als vier Jahre vor der Anfechtung vorgenommen worden ist. Wird -wie hierdie Anfechtung durch Duldungsbescheid geltend gemacht, bestimmt sich die in § 4 AnfG festgelegte Frist gemäß § 191 Abs. 1 Satz 2 AO nach dem Zeitabstand zwischen dem Wirksamwerden der Rechtshandlung (§ 8 AnfG) und dem Erlass des Duldungsbescheids.

Nach § 11 Abs. 1 AnfG muss dasjenige, das durch die anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners weggeben worden ist, dem Gläubiger zur Verfügung gestellt werden, soweit es zu dessen Befriedigung erforderlich ist.

b) Diese Voraussetzungen waren bei Erlass des Duldungsbescheids am 14. Januar 2013 erfüllt.

Vorliegend benachteiligt die unentgeltliche Übertragung der Eigentumswohnung an den Kläger das ... (vgl. § 1 Abs. 1 AnfG). Der Kläger hat keine Gegenleistung an den Vollstreckungsschuldner erbracht und hat keine Gegenleistung erbringen müssen. Aufgrund der Eigentumsübertragung hat das ... nicht auf die Eigentumswohnung zur Befriedigung seiner Gläubigerinteressen zugreifen können.

Das ... ist Anfechtungsberechtigter i.S. des § 2 AnfG gewesen. Zu den in § 2 AnfG genannten vollstreckbaren Schuldtitel gehören auch Steuerbescheide (vgl. BFH-Urteil vom 9. Februar 1988 VII R 62/86, BFH/NV 1988, 752, m.w.N.). Das ... hat gegenüber dem Vollstreckungsschuldner vollstreckbare Steuerbescheide über bestandskräftig festgesetzte und fällige Steuern und steuerlichen Nebenleistungen in Höhe von 141.993,02 € erlangt, die dem Duldungsbescheid zugrunde liegen. Das ... hat darauf bis heute keine Zahlungen des Vollstreckungsschuldners erhalten.

Die nach der Insolvenzeröffnung in England vom ... erlassenen Steuerbescheide sind auch wirksam und vollstreckbar. Art. 39 EuInsVO regelt zwar, dass jeder Gläubiger, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt, Wohnsitz oder Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Staat der Verfahrenseröffnung hat, einschließlich der Steuerbehörden der Mitgliedstaaten, seine Forderung in dem Insolvenzverfahren schriftlich anmelden kann. Eine § 251 Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. § 87 InsO entsprechende Regelung enthält die EuInsVO jedoch nicht. § 251 Abs. 2 Satz 1 AO legt fest, dass im Vollstreckungsverfahren nach der AO die Vorschriften der InsO unberührt bleiben. Art. 251 Abs. 2 Satz 1 AO findet im Falle eines ausländischen Insolvenzverfahrens -wie im Streitfallkeine Anwendung, da dieses nicht nach der InsO durchgeführt wird.

Das am 22. Dezember 2011 vom … C. C. eröffnete Insolvenzverfahren hat auf die Wirksamkeit der danach erlassenen und gegenüber dem steuerlichen Vertreter im Inland bekanntgegebenen Steuerverwaltungsakte deshalb keinen Einfluss (vgl. Jatzke in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 251 AO Rz. 60).

Der durch Duldungsbescheid in Anspruch genommene (Anfechtungsgegner und) Kläger kann zudem keine Einwendungen gegen die bestandskräftigen Steuerverwaltungsakte erheben (vgl. BFH-Urteil vom 1. März 1988 VII R 109/86, BStBl II 1988, 408). Die Zwangsvollstreckung aus den Schuldtiteln gegenüber dem Vollstreckungsschuldner ist erfolglos -zuletzt auch wegen dessen Wohnsitzverlegung in das Vereinigte Königreich und wegen des Insolvenzverfahrensgeblieben.

c) Der Kläger verfügt über den vollständigen Erlös aus dem Verkauf der Eigentumswohnung (§ 11 Abs. 1 Satz 2 AnfG).

Er ist bereichert und kann sich deshalb auf einen Wegfall der Bereicherung nicht berufen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 AnfG, Haftungsprivileg für gutgläubigen Empfänger).

Der Kläger hat die Eigentumswohnung am 17. Oktober 2011 unter Bewilligung der Löschung der Vormerkung auf Rückübertragung durch den Vollstreckungsschuldner verkauft. Weitergehende Vereinbarungen zwischen dem Kläger und dem Vollstreckungsschuldner über die Voraussetzungen einer Zustimmung zur Löschung dieser Vormerkung wurden in den Notarverträgen vom 24. November 2004, vom 29. Dezember 2009 und vom 17. Oktober 2011 notariell nicht beurkundet. Der gesamte Kaufpreis ist an den Kläger gezahlt worden.

Gemäß § 11 Abs. 2 AnfG hat der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung, diese zur Verfügung zu stellen, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muss, dass die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.

Dass die Bereicherung des Klägers nach Erhalt des Kaufpreises weggefallen ist, hat der Kläger nicht schlüssig vorgetragen, geschweige denn nachgewiesen. Der Kläger hat jedoch für den Wegfall der Bereicherung die Feststellungslast zu tragen, so dass sich deren Unerweislichkeit zu seinen Lasten auswirkt.

Der Prozessbevollmächtigte hat erstmals in der mündlichen Verhandlung die Entreicherung des Klägers gegen die Rechtmäßigkeit des Duldungsbescheids eingewendet und dies nach telefonischer Rücksprache mit dem Vollstreckungsschuldner schließlich damit begründet, dass der Kläger an seine beiden Geschwister jeweils 1/3 des Kaufpreises auf deren Verlangen hätte zahlen sollen. Bis dahin sollte der Kläger das Geld behalten und verwalten. Eine derartige Vereinbarung zwischen dem Kläger und seinem Vater, dem Vollstreckungsschuldner, ist nach Erläuterung des Prozessbevollmächtigten weder schriftlich fixiert noch notariell beurkundet worden. Ob und inwieweit das Geld an die Geschwister des Klägers abgeflossen ist, ist dem vom Kläger als Zeuge für diesen Sachvortrag genannten Vollstreckungsschuldner nicht bekannt. Bei Unterstellung dieser Angaben des Vollstreckungsschuldners zugunsten des Klägers als wahr ist der Wegfall der Bereicherung des Klägers nicht nachgewiesen. Denn der Vollstreckungsschuldner weiß nicht aufgrund eigener Kenntnis, dass der Kläger - was dieser allerdings selbst auch gar nicht behauptet - an seine Geschwister tatsächlich Zahlungen geleistet hat. Von der beantragten Beweiserhebung durch Zeugeneinvernahme des Vollstreckungsschuldners hat daher abgesehen werden können. Die Voraussetzungen des Haftungsprivilegs nach § 11 Abs. 2 Satz 1 AnfG sind nicht nachgewiesen.

d) Nach alledem kann dahinstehen, ob der Kläger als Empfänger der unentgeltlichen Leistung bösgläubig gewesen ist.

Für die Bösgläubigkeit des Klägers spricht jedoch, dass er den Umständen nach hat wissen müssen, dass sein unentgeltlicher Leistungsempfang die Gläubiger seines Vaters benachteiligt.

Der Vollstreckungsschuldner ist der Vater des Klägers. Beide sind in B zum Zeitpunkt der Annahme des „Kaufangebots“ am 29. Dezember 2009 wohnhaft gewesen. Dies ergibt sich aus der Notarurkunde vom 29. Dezember 2009. Daran hat sich auch bis zum Verkauf der Eigentumswohnung nichts geändert (vgl. Notarurkunde vom 17. Oktober 2011). Auch wenn der Vollstreckungsschuldner über weitere Wohnsitze in Österreich und in X im Vereinigtem Königreich verfügt hat, ergibt sich aus der Wohnsituation in B und aus der Vater-Sohn-Beziehung ein enges Näheverhältnis zwischen dem Vollstreckungsschuldner und dem Kläger, zumal der Kläger die Eigentumswohnung unentgeltlich vom Vollstreckungsschuldner erhalten hat.

Dem Kläger ist nach seinen Angaben im Klageverfahren bekannt gewesen, dass sein Vater 2009 nach England gezogen ist, um dort aufgrund seiner hohen Bankschulden Restschuldbefreiung zu erlangen.

e) Die Anfechtung der unentgeltlichen Eigentumsübertragung der Eigentumswohnung gegenüber dem Kläger ist rechtzeitig erfolgt.

War gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 AnfG der Anfechtungsanspruch nicht schon zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gerichtlich geltend gemacht, so wird die in § 4 AnfG bestimmte Frist von diesem Zeitpunkt an berechnet, wenn der Anspruch bis zum Ablauf eines Jahres seit der Beendigung des Insolvenzverfahrens gerichtlich geltend gemacht wird.

Die Fristberechnung nach § 18 Abs. 2 Satz 1 AnfG betrifft Anfechtungsansprüche, die bei Insolvenzeröffnung noch nicht geltend gemacht worden sind. Voraussetzung ist allerdings, dass bei Insolvenzeröffnung die nach § 7 AnfG zu berechnende Anfechtungsfrist des einschlägigen Anfechtungstatbestands -hier § 4 Abs. 1 AnfG- noch nicht abgelaufen gewesen ist (vgl. Huber, AnfG, 10. Aufl., § 18 Rz. 14).

Die das ... benachteiligende Rechtshandlung des Vollstreckungsschuldners ist innerhalb der in § 4 AnfG festgelegten Zeitspanne erfolgt. Zu Recht hat das ... darauf hingewiesen, dass die unentgeltliche Übertragung der Eigentumswohnung erst in dem Zeitpunkt als vorgenommen gilt, indem ihre Rechtswirkungen eintreten (vgl. § 8 Abs. 1 AnfG). Ist für das Wirksamwerden eines Rechtsgeschäfts eine Eintragung ins Grundbuch erforderlich, so gilt das Rechtsgeschäft als vorgenommen, sobald die übrigen Voraussetzungen für das Wirksamwerden erfüllt sind, die Willenserklärungen des Schuldners für ihn bindend geworden sind und der andere Teil den Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung gestellt hat (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 AnfG).

Anhand des Grundbuchauszugs ergibt sich, dass für das notariell beurkundete bedingte Kaufangebot vom 24. November 2004 an den damals minderjährigen Kläger jedenfalls keine Auflassungsvormerkung ins Grundbuch eingetragen worden ist, so dass dahinstehen kann, ob dieses Kaufangebot an einen Minderjährigen überhaupt rechtswirksam gewesen ist. Die maßgebliche Rechtshandlung bei dem aus mehreren Teilakten bestehenden Rechtsgeschäft ist der Vertragsabschluss vom 29. Dezember 2009 unter Bewilligung einer Auflassungsvormerkung gewesen. Das mit Vormerkung gesicherte Kaufangebot zugunsten der Großmutter des Klägers hat zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bestanden. In der Notarurkunde vom 29. Dezember 2009 ist unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass das vom Vollstreckungsschuldner gegenüber der Großmutter des Klägers bedingte und widerrufliche Kaufangebot mittlerweile und damit vor dem 29. Dezember 2009 erloschen gewesen ist. Nichts anderes ergibt sich aus dem Inhalt der Notarurkunde vom 24. November 2004. Dort ist lediglich unter A. I. geregelt, dass der an das Angebot bis zum 31. Dezember 2007 gebundene Vollstreckungsschuldner unter Einhaltung einer Frist von einem Monat schriftlich widerrufen kann, mit der Folge, dass das Angebot mit Ablauf der genannten Frist erlischt und dass bis zum Ablauf der Frist das Angebot trotz Erklärung des Widerrufs noch von der Großmutter des Klägers angenommen werden kann. Dies ist nicht geschehen, so dass der Vollstreckungsschuldner dem Kläger zum Zeitpunkt der Angebotsannahme uneingeschränkt die Eigentumswohnung hat übertragen können.

Gemäß § 4 Abs. 1 AnfG hat demnach das... die Anfechtung der Rechtshandlung innerhalb der Vierjahresfrist, die am 29. Dezember 2009 zu laufen begann, mit Duldungsbescheid vom 14. Januar 2013 rechtzeitig vorgenommen.

Nach § 18 Abs. 2 Satz 1 AnfG wird die in § 4 Abs. 1 AnfG bestimmte Frist von vier Jahren vom Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung an zurückgerechnet, wenn der Anspruch bis zum Ablauf eines Jahres seit der Beendigung des Insolvenzverfahrens geltend gemacht wird. Im Streitfall ist das Insolvenzverfahren am 22. Dezember 2011 eröffnet und am 22. Dezember 2012 beendet worden. Der Duldungsbescheid ist am 14. Januar 2013 innerhalb eines Jahres nach Abschluss des Insolvenzverfahrens erlassen worden.

f) Die Ermessenserwägungen des ... zum Erlass des Duldungsbescheids sind weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden. Die übertragene Eigentumswohnung ist der einzige Vermögensgegenstand des Vollstreckungsschuldners gewesen, in den ohne die Übertragung hätte vollstreckt werden können. Kein anderes verwertbares Vermögen des Vollstreckungsschuldners ist vom Kläger vorgetragen worden oder nach Aktenlage ersichtlich. Hinzu kommt, dass das ... der Höhe nach seinen Rückgewähranspruch gemäß § 11 Abs. 1 AnfG auf die Höhe der Schuldtitel begrenzt hat.

4. Der Antrag auf Terminsvertagung mit Schriftsätzen vom 19. und 20. Juni 2017 war abzulehnen, da erhebliche Gründe i. S. von § 155 FGO i. V. m. § 227 der Zivilprozessordnung weder schlüssig vorgetragen noch glaubhaft gemacht worden sind (vgl. auch BFH-Beschluss vom 14. Oktober 2013 III B 58/13, BFH/NV 2014, 356, m.w.N.).

Die vom Vollstreckungsschuldner im Insolvenzverfahren in England erlangte Restschuldbefreiung ist für das hiesige Klageverfahren nicht entscheidungserheblich. Der Antrag für eine Frist zur weiteren inhaltlichen und rechtlichen Stellungnahme dazu rechtfertigt deshalb keine Terminvertagung. Darauf ist der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden.

Nach Ablehnung des Terminverlegungsantrags durch das Gericht am 8. Juni 2017 sind weiterhin erhebliche Gründe für eine Terminsvertagung nicht vorgebracht und glaubhaft gemacht worden. Der Prozessbevollmächtigte hätte nach dem Inhalt der Vollmacht des Klägers vom 6. Juli 2015 seinem Angestellten, Rechtsanwalt K, der im Klageverfahren im Übrigen schriftsätzlich aufgetreten ist, ausdrücklich Untervollmacht erteilen können.

Der Prozessbevollmächtigte hat einen vor Zustellung der Ladung gebuchten Segelurlaub vom 2. Juni bis 18. Juni 2017 nicht glaubhaft gemacht. Zudem hat sich der Prozessbevollmächtigte nach eigenen Angaben seit 19. Juni 2017 nicht mehr im Urlaub befunden. Der Wunsch nach einer weiteren Erholungsphase nach dem Segel-Urlaub ist zumindest – auch im Hinblick auf den sehr vitalen Eindruck, den der Prozessbevollmächtige in der mündlichen Verhandlung gemacht hat – kein erheblicher Grund für Terminsvertagung.

Seit dem letzten Schriftsatz des ... vom 28. Januar 2016 vor Ergehen der Aufklärungsanordnung am 13. April 2017 und seit Ergehen dieser Aufklärungsanordnung hat dem Prozessbevollmächtigten zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden, insbesondere zur Darlegung des erstmals am Nachmittag der mündlichen Verhandlung vorgetragen neuen Sachverhalts.

5. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 135 Abs. 1 FGO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Finanzgericht München Urteil, 20. Juni 2016 - 2 K 1716/15

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht München Urteil, 20. Juni 2016 - 2 K 1716/15

Referenzen - Gesetze

Finanzgericht München Urteil, 20. Juni 2016 - 2 K 1716/15 zitiert 23 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 155


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz

Zivilprozessordnung - ZPO | § 227 Terminsänderung


(1) Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht1.das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür

Abgabenordnung - AO 1977 | § 191 Haftungsbescheide, Duldungsbescheide


(1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 102


Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Er

Abgabenordnung - AO 1977 | § 251 Vollstreckbare Verwaltungsakte


(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem

Insolvenzordnung - InsO | § 87 Forderungen der Insolvenzgläubiger


Die Insolvenzgläubiger können ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen.

Insolvenzordnung - InsO | § 302 Ausgenommene Forderungen


Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden nicht berührt: 1. Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gew

Anfechtungsgesetz - AnfG 1999 | § 11 Rechtsfolgen


(1) Was durch die anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß dem Gläubiger zur Verfügung gestellt werden, soweit es zu dessen Befriedigung erforderlich ist. Die Vorschriften über die Rech

Anfechtungsgesetz - AnfG 1999 | § 4 Unentgeltliche Leistung


(1) Anfechtbar ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor der Anfechtung vorgenommen worden. (2) Richtet sich die Leistung auf ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk geringen Werts, so ist sie ni

Insolvenzordnung - InsO | § 301 Wirkung der Restschuldbefreiung


(1) Wird die Restschuldbefreiung erteilt, so wirkt sie gegen alle Insolvenzgläubiger. Dies gilt auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben. (2) Die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners so

Anfechtungsgesetz - AnfG 1999 | § 1 Grundsatz


(1) Rechtshandlungen eines Schuldners, die seine Gläubiger benachteiligen, können außerhalb des Insolvenzverfahrens nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen angefochten werden. (2) Eine Unterlassung steht einer Rechtshandlung gleich.

Anfechtungsgesetz - AnfG 1999 | § 2 Anfechtungsberechtigte


Zur Anfechtung ist jeder Gläubiger berechtigt, der einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat und dessen Forderung fällig ist, wenn die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers gef

Anfechtungsgesetz - AnfG 1999 | § 7 Berechnung der Fristen


(1) Die in den §§ 3 und 4 bestimmten Fristen sind von dem Zeitpunkt zurückzurechnen, in dem die Anfechtbarkeit gerichtlich geltend gemacht wird. (2) Hat der Gläubiger, bevor er einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hatte oder seine Forderung fäl

Anfechtungsgesetz - AnfG 1999 | § 8 Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung


(1) Eine Rechtshandlung gilt als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. (2) Ist für das Wirksamwerden eines Rechtsgeschäfts eine Eintragung im Grundbuch, im Schiffsregister, im Schiffsbauregister oder im Register

Anfechtungsgesetz - AnfG 1999 | § 18 Beendigung des Insolvenzverfahrens


(1) Nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens können Anfechtungsansprüche, die der Insolvenzverwalter geltend machen konnte, von den einzelnen Gläubigern nach diesem Gesetz verfolgt werden, soweit nicht dem Anspruch entgegenstehende Einreden gegen

Anfechtungsgesetz - AnfG 1999 | § 19 Internationales Anfechtungsrecht


Bei Sachverhalten mit Auslandsberührung ist für die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung das Recht maßgeblich, dem die Wirkungen der Rechtshandlung unterliegen.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Finanzgericht München Urteil, 20. Juni 2016 - 2 K 1716/15 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Finanzgericht München Urteil, 20. Juni 2016 - 2 K 1716/15 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Sept. 2008 - IX ZB 205/06

bei uns veröffentlicht am 25.09.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 205/06 vom 25. September 2008 in dem Zwangsvollstreckungsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO § 301; ZPO §§ 766, 767, 775 Der Einwand des Schuldners, aus einem gegen ihn ergangene

Finanzgericht München Urteil, 16. Okt. 2014 - 14 K 2328/11

bei uns veröffentlicht am 16.10.2014

Tenor 1. Der Duldungsbescheid vom 4. September 2008 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 21. Juli 2011 werden aufgehoben. 2. Die Kosten des Verfahrens trägt das Finanzamt. 3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kl

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Nov. 2015 - IX ZR 301/14

bei uns veröffentlicht am 12.11.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 301/14 Verkündet am: 12. November 2015 Kluckow Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja AnfG § 2 Eine d

Bundesfinanzhof Beschluss, 14. Okt. 2013 - III B 58/13

bei uns veröffentlicht am 14.10.2013

Tatbestand 1 I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Eigentümer mehrerer Mietwohngrundstücke in Brandenburg. Für Modernisierungsmaßnahmen, die er in den Jahren 2

Referenzen

(1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 des Anfechtungsgesetzes geltend zu machen ist; bei der Berechnung von Fristen nach den §§ 3 und 4 des Anfechtungsgesetzes steht der Erlass eines Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes gleich. Die Bescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen.

(2) Bevor gegen einen Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer wegen einer Handlung im Sinne des § 69, die er in Ausübung seines Berufs vorgenommen hat, ein Haftungsbescheid erlassen wird, gibt die Finanzbehörde der zuständigen Berufskammer Gelegenheit, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Die Vorschriften über die Festsetzungsfrist sind auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre, in den Fällen des § 70 bei Steuerhinterziehung zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre, in den Fällen des § 71 zehn Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Ist die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist; andernfalls gilt § 171 Abs. 10 sinngemäß. In den Fällen der §§ 73 und 74 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt (§ 228) ist.

(4) Ergibt sich die Haftung nicht aus den Steuergesetzen, so kann ein Haftungsbescheid ergehen, solange die Haftungsansprüche nach dem für sie maßgebenden Recht noch nicht verjährt sind.

(5) Ein Haftungsbescheid kann nicht mehr ergehen,

1.
soweit die Steuer gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist und wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr festgesetzt werden kann,
2.
soweit die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt ist oder die Steuer erlassen worden ist.
Dies gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat.

(1) Wird die Restschuldbefreiung erteilt, so wirkt sie gegen alle Insolvenzgläubiger. Dies gilt auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben.

(2) Die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners sowie die Rechte dieser Gläubiger aus einer zu ihrer Sicherung eingetragenen Vormerkung oder aus einem Recht, das im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, werden durch die Restschuldbefreiung nicht berührt. Der Schuldner wird jedoch gegenüber dem Mitschuldner, dem Bürgen oder anderen Rückgriffsberechtigten in gleicher Weise befreit wie gegenüber den Insolvenzgläubigern.

(3) Wird ein Gläubiger befriedigt, obwohl er auf Grund der Restschuldbefreiung keine Befriedigung zu beanspruchen hat, so begründet dies keine Pflicht zur Rückgewähr des Erlangten.

(4) Ein allein aufgrund der Insolvenz des Schuldners erlassenes Verbot, eine gewerbliche, geschäftliche, handwerkliche oder freiberufliche Tätigkeit aufzunehmen oder auszuüben, tritt mit Rechtskraft der Erteilung der Restschuldbefreiung außer Kraft. Satz 1 gilt nicht für die Versagung und die Aufhebung einer Zulassung zu einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 205/06
vom
25. September 2008
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Einwand des Schuldners, aus einem gegen ihn ergangenen Urteil könne wegen
Erteilung der Restschuldbefreiung nicht mehr vollstreckt werden, kann nur im Wege
der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO verfolgt werden.
BGH, Beschluss vom 25. September 2008 - IX ZB 205/06 - OLG Dresden
AG Meißen
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, die Richter Raebel und Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann und
den Richter Dr. Pape
am 25. September 2008

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 4. Oktober 2006 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 50.816,02 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Der Schuldner, der seinen Wohnsitz schon seit längeren Jahren in London hat, ist angestellter Rechtsanwalt einer in R. ansässigen Kanzlei. Mit Versäumnisurteil vom 5. September 2005 verurteilte ihn das Landgericht Dresden wegen rückständiger Mietschulden einen Betrag von 46.019,51 € zuzüglich Zinsen an die Gläubigerin zu zahlen. Am 20. September 2005 eröffnete der High Court of Justice in London das Insolvenzverfahren über sein Vermögen. Auf Antrag der Gläubigerin erließ das Amtsgericht Meißen am 2. März 2006 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem die Gehaltsan- sprüche des Schuldners gegen die Rechtsanwälte, bei denen er angestellt war, gepfändet wurden.
2
die Auf Erinnerung des Schuldners hat das Amtsgericht Meißen am 16. Juni 2006 im Wege der Abhilfe den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufgehoben. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat das Oberlandesgericht die Abhilfeentscheidung des Amtsgerichts aufgehoben und die Erinnerung des Schuldners zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die - zugelassene - Rechtsbeschwerde des Schuldners, dessen Insolvenzverfahren in Großbritannien nach einem Beschluss des High Court of Justice in London vom 2. Oktober 2006 am 20. September 2006 geendet hat.

II.


3
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) und zulässig (§§ 766, 793, 574 Abs. 3 ZPO). Sie hat aber keinen Erfolg.
4
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die Vollstreckungserinnerung des Schuldners sei entweder unzulässig oder unbegründet gewesen. Falls die Gehaltsansprüche des Schuldners zur Insolvenzmasse des in Großbritannien eröffneten Insolvenzverfahrens gehört hätten, sei der Schuldner nicht erinnerungsbefugt gewesen, weil das Verbot der Einzelzwangsvollstreckung während des Insolvenzverfahrens die Gesamtheit der Gläubiger und nicht den Schuldner schütze. Hätten die Ansprüche nicht in die Masse des in Großbritannien geführten Insolvenzverfahrens gehört, sei die Erinnerung unbegründet, weil der Schuldner lediglich den Einwand erhoben habe, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens stehe der Pfändung und Überweisung der Ansprüche durch die Gläubigerin entgegen. Soweit der Schuldner seinen Rechtsbehelf hilfsweise auf die Sittenwidrigkeit der Zwangsvollstreckung gestützt habe, handele es sich um einen materiell-rechtlichen Einwand, der nur im Rahmen des § 826 BGB, nicht aber im Erinnerungsverfahren nach § 766 ZPO geltend gemacht werden könne.
5
2. Diese Ausführungen halten im Ergebnis rechtlicher Überprüfung stand. Die Erinnerung des Schuldners ist unzulässig.
6
a) Bei der Entscheidung ist zu berücksichtigen, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners seit dem 20. September 2006 beendet ist.
7
ist Zwar der Beschluss des High Court of Justice in London vom 2. Oktober 2006 erst nach Abschluss der Beschwerdeinstanz in das Verfahren eingeführt worden. Der Senat hat die Aufhebung des Insolvenzverfahrens in Großbritannien aber gleichwohl als neue Tatsache bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Gemäß § 577 Abs. 2 Satz 4 ZPO gilt im Rechtsbeschwerdeverfahren § 559 ZPO entsprechend. Nach dieser Vorschrift ist neues tatsächliches Vorbringen in der Revision zwar grundsätzlich nicht zulässig. Aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit ist § 559 Abs. 1 ZPO aber einschränkend dahin auszulegen, dass neue, für die Prozessführungsbefugnis des Klägers erhebliche Umstände dann in der Revisionsinstanz zu berücksichtigen sind, wenn das Revisionsgericht hierdurch nicht mit der Bewertung von Tatsachen belastet wird und wenn schützenswerte Belange der Gegenpartei nicht beeinträchtigt werden (BGHZ 28, 13, 15; BGH, Urt. v. 6. Mai 1981 - IX ZR 45/80, WM 1981, 678, 679; v. 10. Juli 1995 - II ZR 75/94, WM 1995, 1806, 1807; Beschl. v. 22. Februar 2001 - IX ZB 71/99, WM 2001, 971, 972; jeweils zur Vorgängerregelung des § 561 Abs. 1 ZPO; Hk-ZPO/Kayser, 2. Aufl. § 559 Rn. 14; Musielak/Ball, ZPO 6. Aufl. § 559 Rn. 8 f; Zöller/Gummer, ZPO 26. Aufl. § 559 Rn. 7). Zu den prozessual bedeutsamen Tatsachen, die danach auch dann noch berücksichtigt werden müssen, wenn sie erst nach Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung eingetreten sind, gehören insbesondere auch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei (BGHZ 157, 213, 214; Hk-ZPO/Kayser, aaO Rn. 11) und dessen Einstellung oder Aufhebung (BGHZ 28, 13, 16; BGH, Urt. v. 6. Mai 1981, aaO; Hk-ZPO/Kayser, aaO Rn. 14). Diese Grundsätze sind im Rechtsbeschwerdeverfahren entsprechend anzuwenden (BGH, Beschl. v. 20. Februar 2001 - III ZB 71/99, WM 2001, 971, 972).
8
b) Der Schuldner kann den Einwand, aufgrund der Entscheidung des High Court of Justice vom 2. Oktober 2006 sei ihm die Restschuldbefreiung erteilt worden, aus dem Versäumnisurteil des Landgerichts Dresden vom 5. September 2005 könne daher nicht mehr vollstreckt werden, nur im Weg der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO verfolgen. Eine Geltendmachung der Restschuldbefreiung im Wege der Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO ist unzulässig. Es handelt sich nicht um eine Einwendung gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung.
9
In aa) der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, die Vollstreckbarkeit von Titeln gegen den Schuldner werde durch die Restschuldbefreiung unmittelbar beseitigt. Ein Vollstreckungsversuch sei gemäß § 775 Nr. 1 ZPO einzustellen. Der Schuldner könne als Rechtsbehelf gegen die Vollstreckung Erinnerung nach § 766 ZPO einlegen (FK-InsO/Ahrens, 4. Aufl. § 301 Rn. 12). Nach anderer Ansicht soll die Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO aus praktischen Erwägungen vorzugswürdig sein, weil sich zumindest der Verbraucherinsolvenzschuldner in der Lebenswirklichkeit zur Abwehr der Zwangsvollstreckung an das Vollstreckungsgericht - und gerade nicht an das Prozessgericht - wende (HmbKomm-InsO/Streck, 2. Aufl. § 301 Rn. 10). Ganz überwiegend wird dagegen die Auffassung vertreten, es bedürfe für die Beseitigung der Vollstreckbarkeit eines vor Erteilung der Restschuldbefreiung ergangenen Titels einer gerichtlichen Feststellung. Der Schuldner müsse die Zwangsvollstreckung nach § 767 ZPO für unzulässig erklären lassen, falls ein Gläubiger nach Beendigung des Restschuldbefreiungsverfahrens die Zwangsvollstreckung betreibe (Braun/Lang, InsO 3. Aufl. § 301 Rn. 5; GrafSchlicker /Kexel, InsO § 301 Rn. 10;HK-InsO/Landfermann, § 301 Rn. 3; MünchKomm-InsO/Stephan, 2. Aufl. § 301 Rn. 20; Nerlich/Römermann, InsO § 301 Rn. 17; Uhlenbruck/Vallender, InsO 12. Aufl. § 301 Rn. 34; Döbereiner, Die Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung, S. 228; Frege /Keller/Riedel, Insolvenzrecht, 7. Aufl. Rn. 2195 Fn. 310).
10
bb) Der Senat schließt sich der überwiegend vertretenen Auffassung an. Die Erteilung der Restschuldbefreiung ist keine vollstreckbare Entscheidung, aus der sich ergibt, dass das zu vollstreckende Urteil aufgehoben oder die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt oder ihre Einstellung angeordnet ist. Ein Fall des § 775 Nr. 1 ZPO liegt nicht vor. Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift scheidet aus. Die Aufzählung in § 775 ZPO ist erschöpfend (MünchKomm-InsO/Stephan, aaO; Hk-ZPO/Kindl, 2. Aufl. § 775 Rn. 1; Musielak/Lackmann, ZPO 6. Aufl. § 775 Rn. 1; Zöller/Stöber, ZPO 26. Aufl. § 775 Rn. 3). Für das Vollstreckungsorgan, den Gerichtsvollzieher oder das Vollstreckungsgericht ist in der Regel aus dem vorgelegten Titel zusammen mit dem Beschluss über die Erteilung der Restschuldbefreiung nicht eindeutig zu entnehmen, ob die titulierte Forderung tatsächlich von der Restschuldbefreiung erfasst wird. Es ist nicht Aufgabe des Vollstreckungsgerichts zu entscheiden, ob die zu vollstreckende Forderung der Restschuldbefreiung unterliegt (Münch- Komm-InsO/Stephan, aaO). Dies gilt umso mehr, wenn - wie hier - der Beschluss eines ausländischen Insolvenzgerichts vorgelegt wird, aus dem sich die Erteilung der Restschuldbefreiung ergeben soll. Damit ist auch für die Anwendung des § 766 Abs. 1 Satz 1 ZPO, mit dem nur Verfahrensverstöße gerügt werden können, nicht aber Einwendungen gegen den titulierten Anspruch (HkZPO /Kindl, aaO § 766 Rn. 2; Musielak/Lackmann, aaO § 766 Rn. 2, 4), kein Raum.
11
cc) Die Restschuldbefreiung führt zur Entstehung einer unvollkommenen Verbindlichkeit, die weiterhin erfüllbar, aber nicht erzwingbar ist (Begründung zu § 250 RegE-InsO BT-Drucks. 12/2445, S. 195; AG Saarbrücken ZInsO 2002, 151, 152; Braun/Lang, InsO 3. Aufl. § 301 Rn. 1; Graf-Schlicker/Kexel, InsO § 301 Rn. 18; HK-InsO/Landfermann, § 301 Rn. 1; Kübler/Prütting/Wenzel, InsO § 301 Rn. 1; MünchKomm-InsO/Stephan, 2. Aufl. § 301 Rn. 18; Uhlenbruck/Vallender, aaO § 301 Rn. 10; Mohrbutter/Ringstmeier/Pape, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8. Aufl. § 17 Rn. 191). Diese Umgestaltung der Forderung bewirkt einen materiell-rechtlichen Einwand, der nur mit der Vollstreckungsgegenklage verfolgt werden kann. Die Beurteilung der Frage, ob diese Wirkung eingetreten ist, obliegt im Streitfall nicht dem Vollstreckungsgericht, sondern dem Prozessgericht. Entgegen der Auffassung von Streck (HmbKomm-InsO/Streck, aaO) kann deshalb keine Zulässigkeit der Vollstreckungserinnerung aus pragmatischen Gründen angenommen werden.
Ganter Raebel Kayser
Lohmann Pape

Vorinstanzen:
AG Meißen, Entscheidung vom 16.06.2006 - 1 M 1025/06 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 04.10.2006 - 3 W 1221/06 -

Zur Anfechtung ist jeder Gläubiger berechtigt, der einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat und dessen Forderung fällig ist, wenn die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers geführt hat oder wenn anzunehmen ist, daß sie nicht dazu führen würde.

Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden nicht berührt:

1.
Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, oder aus einem Steuerschuldverhältnis, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 der Abgabenordnung rechtskräftig verurteilt worden ist; der Gläubiger hat die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Absatz 2 anzumelden;
2.
Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 gleichgestellten Verbindlichkeiten des Schuldners;
3.
Verbindlichkeiten aus zinslosen Darlehen, die dem Schuldner zur Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens gewährt wurden.

(1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 des Anfechtungsgesetzes geltend zu machen ist; bei der Berechnung von Fristen nach den §§ 3 und 4 des Anfechtungsgesetzes steht der Erlass eines Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes gleich. Die Bescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen.

(2) Bevor gegen einen Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer wegen einer Handlung im Sinne des § 69, die er in Ausübung seines Berufs vorgenommen hat, ein Haftungsbescheid erlassen wird, gibt die Finanzbehörde der zuständigen Berufskammer Gelegenheit, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Die Vorschriften über die Festsetzungsfrist sind auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre, in den Fällen des § 70 bei Steuerhinterziehung zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre, in den Fällen des § 71 zehn Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Ist die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist; andernfalls gilt § 171 Abs. 10 sinngemäß. In den Fällen der §§ 73 und 74 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt (§ 228) ist.

(4) Ergibt sich die Haftung nicht aus den Steuergesetzen, so kann ein Haftungsbescheid ergehen, solange die Haftungsansprüche nach dem für sie maßgebenden Recht noch nicht verjährt sind.

(5) Ein Haftungsbescheid kann nicht mehr ergehen,

1.
soweit die Steuer gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist und wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr festgesetzt werden kann,
2.
soweit die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt ist oder die Steuer erlassen worden ist.
Dies gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat.

(1) Was durch die anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß dem Gläubiger zur Verfügung gestellt werden, soweit es zu dessen Befriedigung erforderlich ist. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrags ist ausgeschlossen.

(2) Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zur Verfügung zu stellen, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.

(3) Im Fall der Anfechtung nach § 6a hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die Zwangsvollstreckung in sein Vermögen bis zur Höhe des Betrags zu dulden, mit dem er als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, dem Gläubiger zur Verfügung stellt.

(1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 des Anfechtungsgesetzes geltend zu machen ist; bei der Berechnung von Fristen nach den §§ 3 und 4 des Anfechtungsgesetzes steht der Erlass eines Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes gleich. Die Bescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen.

(2) Bevor gegen einen Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer wegen einer Handlung im Sinne des § 69, die er in Ausübung seines Berufs vorgenommen hat, ein Haftungsbescheid erlassen wird, gibt die Finanzbehörde der zuständigen Berufskammer Gelegenheit, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Die Vorschriften über die Festsetzungsfrist sind auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre, in den Fällen des § 70 bei Steuerhinterziehung zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre, in den Fällen des § 71 zehn Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Ist die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist; andernfalls gilt § 171 Abs. 10 sinngemäß. In den Fällen der §§ 73 und 74 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt (§ 228) ist.

(4) Ergibt sich die Haftung nicht aus den Steuergesetzen, so kann ein Haftungsbescheid ergehen, solange die Haftungsansprüche nach dem für sie maßgebenden Recht noch nicht verjährt sind.

(5) Ein Haftungsbescheid kann nicht mehr ergehen,

1.
soweit die Steuer gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist und wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr festgesetzt werden kann,
2.
soweit die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt ist oder die Steuer erlassen worden ist.
Dies gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat.

Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Finanzbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen.

Tenor

1. Der Duldungsbescheid vom 4. September 2008 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 21. Juli 2011 werden aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt das Finanzamt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

I. Streitig ist insbesondere, ob nach Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens eine Entscheidung über den Einspruch gegen einen Duldungsbescheid ergehen durfte.

Die Klägerin und ihr Ehemann (UR) waren zu 20/100 (Klägerin) und 80/100 (UR) Eigentümer des Grundstücks Astr. 7 in E. Mit notariellem Vertrag vom 9. Dezember 2003 überließ UR seinen 4/5 Miteigentumsanteil am vorbezeichneten Grundbesitz der Klägerin, so dass diese Alleineigentümerin geworden ist. Dabei wurde vereinbart, dass die Ehegatten weiter gemeinsam für das durch eine Grundschuld gesicherte Darlehen haften. Des Weiteren wurde unter 2.5 des Vertrags UR ein Rückforderungsrecht für den Fall eingeräumt, dass ein Ehepartner die Scheidung beantragt, die Klägerin vor UR stirbt, in Vermögensverfall gerät oder der übertragene Teil ohne Zustimmung von UR belastet, veräußert oder zur Zwangsvollstreckung gebracht wird.

Nachdem ein Duldungsbescheid gegen die Klägerin, mit dem das beklagte Finanzamt die unentgeltliche Überlassung des 4/5 Anteils von UR angefochten hatte, aufgrund Einspruchs aufgehoben wurde, pfändete es am 23. Juni 2008 den UR zustehenden „bedingten Rückforderungsanspruch“, weil dieser dem Freistaat Bayern 129.449,64 EUR schuldete. Die gepfändete Forderung wurde jedoch von der Klägerin nicht anerkannt, da UR am 9. Dezember 2007 auf sein, unter 2.5 im Überlassungsvertrag vereinbartes Rückübertragungsrecht zu ihren Gunsten verzichtet hatte.

Mit Datum vom 4. September 2008 erging an die Klägerin erneut ein Duldungsbescheid gemäß § 191 Abgabenordnung (AO) in Verbindung mit § 4 des Anfechtungsgesetzes (AnfG). Wegen Abgabenschulden des UR in Höhe von zwischenzeitlich insgesamt 131.509,16 EUR wurde dessen unentgeltlicher Verzicht auf sein bedingtes Rückforderungsrecht vom 9. Dezember 2007 angefochten und der Klägerin mitgeteilt, dass sie entsprechend § 11 AnfG die Vollstreckung in das bedingte Rückübertragungsrecht zu dulden habe.

Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Zur Begründung wurde mit Schreiben vom 9. März 2009 vorgebracht, dass über das Vermögen des UR durch Beschluss des Amtsgerichts W vom 20. Oktober 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei, weshalb sich eine weitere Stellungnahme zum Duldungsbescheid erübrige. Auf die Aufforderung des Finanzamts, den Einspruch dennoch zu begründen, verwies die Klägerin auf § 16 AnfG. Das Finanzamt wies den Einspruch sodann mit Einspruchsentscheidung vom 21. Juli 2011 als unbegründet zurück. In den Entscheidungsgründen wies es darauf hin, dass im Falle einer Verbraucherinsolvenz jeder Insolvenzgläubiger zur Anfechtung von Rechtshandlungen des Insolvenzschuldners berechtigt sei, und stützte die Anfechtung nun auf § 133 Abs. 1 und § 134 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO).

Ihre hiergegen eingelegte Klage begründete die Klägerin im Wesentlichen damit, dass mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des UR das vom Finanzamt angestrengte Anfechtungsverfahren gemäß § 17 Abs. 1 AnfG unterbrochen sei und es zu einer Aufnahme des Verfahrens durch den Treuhänder bzw. zu seinen Gunsten nicht gekommen sei. Eine Verfahrensfortführung durch das Finanzamt ausschließlich zu eigenen und nicht zu Gunsten der Gesamtheit der Gläubiger sei jedoch nicht zulässig. Auf eine Stellungnahme zur Rechtmäßigkeit des Duldungsbescheids wurde von der Klägerin ausdrücklich verzichtet (vgl. Schreiben vom 30. April 2014, Bl. 40 FG-Akte).

Die Klägerin beantragt, den Duldungsbescheid vom 4. September 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Juli 2011 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.

Es verweist auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Behördenakten und die im vorliegenden Verfahren eingereichten Schriftsätze verwiesen.

Gründe

II. Die Klage ist begründet.

Das Finanzamt vertritt zutreffend die Ansicht, dass durch den Verzicht des UR auf seinen bedingten Rückübertragungsanspruch die Merkmale des Tatbestands des § 1 AnfG bzw. § 134 InsO erfüllt waren und es grundsätzlich berechtigt gewesen ist, das Einspruchsverfahren gegen den vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlassenen Duldungsbescheid fortzuführen. Das Finanzamt konnte jedoch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr ausschließlich zu seinen Gunsten auf das weggegebene, bedingte Rückübertragungsrecht zugreifen.

Nach § 191 Abs. 1 AO kann derjenige, der kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Dazu zählen auch die Fälle, in denen einem bzw. den Gläubigern zur Befriedigung seiner bzw. ihrer Forderungen das zur Verfügung gestellt werden muss, was durch anfechtbare Rechtshandlungen aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggeben oder aufgegeben worden ist.

Die Entscheidung über die Inanspruchnahme nach § 191 Abs. 1 AO ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zweigliedrig. Das Finanzamt hat zunächst zu prüfen, ob in der Person, die es durch Duldungsbescheid in Anspruch nehmen will, die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Anfechtung erfüllt sind. Hierbei handelt es sich um eine vom Gericht in vollem Umfang überprüfbare Rechtsentscheidung. Daran schließt sich die nach § 191 Abs. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung (§ 5 AO) des Finanzamts an, ob und ggf. wen es als Duldungsverpflichteten in Anspruch nehmen will. Diese auf der zweiten Stufe zu treffende Entscheidung ist gerichtlich nur im Rahmen des § 102 Finanzgerichtsordnung (FGO) auf Ermessensfehler (Ermessensfehlgebrauch bzw. Ermessensüberschreitung) überprüfbar (vgl. BFH-Urteil vom 11. März 2004 VII R 52/02, BStBl II 2004, 579 unter II. 1a mwN). Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung im Sinne des § 102 FGO ist die Ermessensentscheidung der Verwaltung so, wie sie regelmäßig, nach Abschluss des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren getroffen wurde. Maßgeblich ist daher die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, der Einspruchsentscheidung (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 28. Juni 2000 X R 24/95, BStBl II 2000, 514).

Das Finanzamt ging zutreffend davon aus, dass durch den Verzicht des UR auf seinen bedingten Rückübertragungsanspruch am 4/5-tel Grundstücksanteil ein Tatbestand nach dem AnfG bzw. der InsO erfüllt ist.

Nach § 1 Abs. 1 AnfG können Rechtshandlungen eines Schuldners, die seine Gläubiger benachteiligen, angefochten werden. Zu einer solchen Anfechtung ist nach § 2 AnfG jeder Gläubiger berechtigt, der einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat und dessen Forderung fällig ist, wenn die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers geführt hat. Anfechtbar ist nach § 4 Abs. 1 AnfG eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, wenn sie nicht früher als vier Jahre vor der Anfechtung vorgenommen worden ist. Wird – wie hier – die Anfechtung durch Duldungsbescheid geltend gemacht, bestimmt sich die in § 4 AnfG festgelegte Frist gemäß § 191 Abs. 1 Satz 2 AO nach dem Zeitabstand zwischen dem Wirksamwerden der Rechtshandlung (§ 8 AnfG) und dem Erlass des Duldungsbescheids. Nach 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG muss dasjenige, das durch die anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners weggeben worden ist, dem Gläubiger zur Verfügung gestellt werden, soweit es zu dessen Befriedigung erforderlich ist.

Diese Voraussetzungen lagen bei Erlass des Duldungsbescheids am 4. September 2008 vor.

Das Finanzamt hat nach Aktenlage die Steuerbeträge, die dem Duldungsbescheid zu Grunde liegen, durch entsprechende Bescheide festgesetzt und fällig gestellt und dadurch jeweils einen vollstreckbaren Schuldtitel im Sinne des § 2 AnfG erlangt. Auch war die Zwangsvollstreckung aus den Schuldtiteln erfolglos.

Bei dem von UR vorgenommenen Verzicht handelt es sich auch um eine, die Gläubiger benachteiligende Rechtshandlung im Sinne des § 1 AnfG, die innerhalb der in § 4 AnfG festgelegten Zeitspanne und unentgeltlich erfolgte.

Im vorliegenden Fall hat der Schuldner, UR, aufgrund des Verzichts vom 9. Dezember 2007 endgültig davon Abstand genommen, seinen 4/5 Anteil am Grundstück zurückverlangen zu können. Diese Rechtshandlung des UR hat seine Gläubiger benachteiligt, da sie dazu geführt hat, dass der 4/5 Anteil am Grundstück unter keinen Umständen zur Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung steht.

Das Recht des UR, unter bestimmten Voraussetzungen seinen 4/5 Anteil am Grundstück  seinem Vermögen wieder zuführen zu können, hat Vermögenswert (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs – BGH – vom 20. Februar 2003 IX ZR 102/02, BGHZ 154, 64). Da dieser Vermögenswert bei der Grundstücksübertragung am 9. Dezember 2003 ausgeklammert worden ist, hatte sich UR seines Anteils noch nicht endgültig „vollständig“ entäußert. Dies geschah erst mit der Erklärung seines Verzichts am 9. Dezember 2007.

Der Verzicht erfolgte unentgeltlich im Sinne des § 4 AnfG. UR hat nämlich ohne juristisch oder sittliche Notwendigkeit auf seinen bedingten Rückübertragungsanspruch verzichtet, ohne dass die Klägerin hierfür irgendeine Gegenleistung erbracht hat oder erbringen musste (vgl. Überlassungsvertrag vom 9. Dezember 2003, unter 2.5).

2. Vorliegend wurde jedoch über das Vermögen des UR während des Einspruchsverfahrens das Insolvenzverfahren eröffnet, so dass das Finanzamt die Klägerin nur dann zu Recht weiterhin in Anspruch genommen hat, wenn es zur Fortführung des Einspruchsverfahrens berechtigt gewesen ist und ein Anfechtungsanspruch auch nach der Insolvenzordnung gegeben war. Dies ist im Streitfall gegeben.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist das Finanzamt auch nach Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners zur Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs weiterhin berechtigt gewesen

Ein Verfahren über den Anfechtungsanspruch wird – auch bei Geltendmachung durch Duldungsbescheid – nach § 17 Abs. 1 Satz 1 AnfG mit Eröffnung des (Regel-) Insolvenzverfahrens unterbrochen (vgl. z. B. BFH-Beschluss vom 30. August 2010 VII B 83/10, BFH/NV 2010, 2298). Das gilt nicht nur für ein finanzgerichtliches Verfahren, sondern auch für ein Einspruchsverfahren gegen einen Duldungsbescheid, der sich durch die Unterbrechung nicht erledigt (vgl. auch Urteil des FG Schleswig-Holstein vom 1. Februar 2011 3 K 57/10, EFG 2011, 1230). Mit Eröffnung des (Regel-)Insolvenzverfahrens ist nur noch der Insolvenzverwalter berechtigt, die von den Insolvenzgläubigern erhobenen Anfechtungsansprüche zu verfolgen (§ 16 Abs. 1 Satz 1 AnfG). Der Anfechtungsanspruch des Einzelgläubigers erlischt (§ 11 AnfG). Der Insolvenzverwalter kann das Verfahren durch einfache Erklärung gegenüber dem Finanzamt entsprechend § 17 Abs. 1 Satz 2 AnfG aufnehmen (vgl. Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 191, Tz. 196).

Eine Unterbrechung des Verfahrens über den Anfechtungsanspruch tritt zwar auch durch die Eröffnung eines – wie hier gegeben - sog. vereinfachten Insolvenzverfahrens nach § 311 bis § 314 Inso ein (vgl. BFH-Beschluss vom 30. August 2010 VII B 83/10, BFH/NV 2010, 2298). Wer in einem solchen Insolvenzverfahren, in dem kein Insolvenzverwalter bestellt worden ist, bereits rechtshängige Einzelanfechtungsansprüche jedoch weiter geltend machen kann, regeln weder die InsO noch das AnfG. Die Vorschrift des § 313 Abs. 2 Satz 1 InsO, nach welcher nicht der Treuhänder, sondern jeder Insolvenzgläubiger berechtigt ist, Rechtshandlungen nach den §§ 129 bis 147 InsO anzufechten, betrifft (unmittelbar) nur die Insolvenzanfechtung, nicht die Gläubigeranfechtung. Die Vorschriften des AnfG, nach denen der Insolvenzverwalter berechtigt ist, die von den Insolvenzgläubigern erhobenen Anfechtungsansprüche zu verfolgen (§ 16 Abs. 1 Satz 1 AnfG) und das unterbrochene Verfahren aufzunehmen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 und 2 AnfG), setzen einen Insolvenzverwalter voraus. Sie finden auf ein Verbraucherinsolvenzverfahren, in dem die Aufgaben des Insolvenzverwalters vom Treuhänder wahrgenommen werden (§ 313 Abs. 1 Satz 1 InsO) keine unmittelbare Anwendung. Diese Regelungslücke ist jedoch durch eine entsprechende Anwendung des § 313 Abs. 2 Satz 1 InsO auf die in §§ 16, 17 AnfG geregelten Fälle zu schließen (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 3. Dezember 2009 IX ZR 29/08, ZinsO 2010, 230 sowie BFH-Beschluss vom 30. August 2010 VII B 83/10, BFH/NV 2010, 2298, Rn. 8).

Nach der Rechtsprechung ist folglich, worauf der Treuhänder im Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des UR mit Schreiben vom 3. Dezember 2010 das Finanzamt zutreffend hingewiesen hat, in entsprechender Anwendung des § 313 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht der Treuhänder anstelle des Insolvenzverwalters, sondern der Gläubiger und damit bei Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis das Finanzamt berechtigt, das unterbrochene Verfahren fortzusetzen und den Anfechtungsanspruch geltend zu machen (§§ 129 bis 147 InsO), wobei der Anfechtungsanspruch aber nunmehr zur Insolvenzmasse gehört (§ 143 InsO) und das Finanzamt das Verfahren nur noch „fremdnützig“ zugunsten der Masse fortführen darf (vgl. BFH in BFH/NV 2010, 2298).

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens konnte die Anfechtung des Verzichts zwar auf § 134 Abs. 1 InsO gestützt werden.

Nach § 129 Abs. 1 der InsO können Rechtshandlungen, die – wie im Entscheidungsfall – vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, nach Maßgabe §§ der 130 bis 146 InsO angefochten werden.

Ebenso wie im Sinne des § 1 Abs. 1 AnfG ist der Begriff der Rechtshandlungen im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO weit auszulegen. Demgemäß ist der streitgegenständliche Verzicht des UR unter Berücksichtigung der oben dargestellten Erwägungen auch als Rechtshandlung im Sinne des § 129 InsO einzuordnen.

Eine Benachteiligung der Gläubiger nach Insolvenzrecht ist gegeben. Die Masse erfasst das gesamte pfändbare Vermögen des Schuldners (§§ 35, 36 InsO). Auch aufschiebend bedingte Rechte und selbständige Gestaltungsrechte sind nach der Rechtsprechung des Oberlandesgericht München – OLG -, der sich der Senat anschließt, grundsätzlich erfasst (vgl. OLG-Beschluss vom 11. März 2010, Az. 34 Wx 10/10, NZI 2010, 527), mithin auch der hier im Streit stehende Rückübertragungsanspruch. Durch den Verzicht auf diesen wurde die Masse demgemäß geschädigt und die Gläubiger benachteiligt. Da eine unentgeltliche Leistung des UR an die Klägerin vorliegt, die innerhalb der in § 134 InsO festgelegten Grenzen vorgenommen worden ist, hat das Finanzamt seine Einspruchsentscheidung zu Recht mit § 134 InsO begründet.

Auch ist kein Fehler bei der Ermessensausübung unter insolvenzrechtlichen Gesichtspunkten festzustellen.

Der Duldungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist aber - unabhängig von der Frage, ob das Finanzamt das Einspruchsverfahren auch formell wirksam aufgenommen hat - jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil das Finanzamt laut Tenor seiner Entscheidung nach wie vor anordnete, dass die Klägerin die Vollstreckung in das bedingte Rückübertragungsrecht (durch das Finanzamt) dulden müsse.

Mit Eröffnung  des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des UR war es dem Finanzamt zwar nicht verwehrt, das Einspruchsverfahren fortzuführen und den Anfechtungsanspruch geltend zu machen. Da der Anfechtungsanspruch mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedoch zur Insolvenzmasse gehörte, konnte das Finanzamt - worauf die Klägerin zutreffend hingewiesen hat - nur die Rückgewähr der angefochtenen Leistung zur Masse verlangen.

Das Finanzamt hat zwar die vorgenommene Anfechtung in seiner Einspruchsentscheidung zutreffend auf § 134 InsO gestützt, deren Rechtsfolge gemäß § 143 InsO das Entstehen eines zivilrechtlichen Anspruchs auf Rückgewähr des aufgegebenen Rechts zur Insolvenzmasse ist. Da der Ausspruch im angefochtenen Duldungsbescheid jedoch nach seinem eindeutigen Wortlaut darauf gerichtet ist, dass die Klägerin die Vollstreckung (durch das Finanzamt) in das bedingte Rückgewährrecht zu dulden hätte, kann auch nicht im Wege der Auslegung davon ausgegangen werden, dass das Finanzamt die Klägerin nun zur Zurückführung des anfechtbar weggegebenen Rückübertragungsanspruchs zur Insolvenzmasse in Anspruch nehmen wollte. Das Finanzamt hat insofern auch nichts vorgetragen. Im Falle einer gewollten Fortführung des Verfahrens zugunsten der Masse, hätte das Finanzamt den Tenor des Duldungsbescheids jedenfalls entsprechend umstellen müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

(1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 des Anfechtungsgesetzes geltend zu machen ist; bei der Berechnung von Fristen nach den §§ 3 und 4 des Anfechtungsgesetzes steht der Erlass eines Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes gleich. Die Bescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen.

(2) Bevor gegen einen Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer wegen einer Handlung im Sinne des § 69, die er in Ausübung seines Berufs vorgenommen hat, ein Haftungsbescheid erlassen wird, gibt die Finanzbehörde der zuständigen Berufskammer Gelegenheit, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Die Vorschriften über die Festsetzungsfrist sind auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre, in den Fällen des § 70 bei Steuerhinterziehung zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre, in den Fällen des § 71 zehn Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Ist die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist; andernfalls gilt § 171 Abs. 10 sinngemäß. In den Fällen der §§ 73 und 74 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt (§ 228) ist.

(4) Ergibt sich die Haftung nicht aus den Steuergesetzen, so kann ein Haftungsbescheid ergehen, solange die Haftungsansprüche nach dem für sie maßgebenden Recht noch nicht verjährt sind.

(5) Ein Haftungsbescheid kann nicht mehr ergehen,

1.
soweit die Steuer gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist und wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr festgesetzt werden kann,
2.
soweit die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt ist oder die Steuer erlassen worden ist.
Dies gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat.

Bei Sachverhalten mit Auslandsberührung ist für die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung das Recht maßgeblich, dem die Wirkungen der Rechtshandlung unterliegen.

(1) Nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens können Anfechtungsansprüche, die der Insolvenzverwalter geltend machen konnte, von den einzelnen Gläubigern nach diesem Gesetz verfolgt werden, soweit nicht dem Anspruch entgegenstehende Einreden gegen den Insolvenzverwalter erlangt sind.

(2) War der Anfechtungsanspruch nicht schon zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gerichtlich geltend gemacht, so werden die in den §§ 3 und 4 bestimmten Fristen von diesem Zeitpunkt an berechnet, wenn der Anspruch bis zum Ablauf eines Jahres seit der Beendigung des Insolvenzverfahrens gerichtlich geltend gemacht wird. Satz 1 gilt für die in den §§ 6 und 6a bestimmten Fristen entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle der gerichtlichen Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs die Erlangung des vollstreckbaren Schuldtitels tritt.

(1) Rechtshandlungen eines Schuldners, die seine Gläubiger benachteiligen, können außerhalb des Insolvenzverfahrens nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen angefochten werden.

(2) Eine Unterlassung steht einer Rechtshandlung gleich.

Zur Anfechtung ist jeder Gläubiger berechtigt, der einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat und dessen Forderung fällig ist, wenn die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers geführt hat oder wenn anzunehmen ist, daß sie nicht dazu führen würde.

(1) Anfechtbar ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor der Anfechtung vorgenommen worden.

(2) Richtet sich die Leistung auf ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk geringen Werts, so ist sie nicht anfechtbar.

(1) Was durch die anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß dem Gläubiger zur Verfügung gestellt werden, soweit es zu dessen Befriedigung erforderlich ist. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrags ist ausgeschlossen.

(2) Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zur Verfügung zu stellen, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.

(3) Im Fall der Anfechtung nach § 6a hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die Zwangsvollstreckung in sein Vermögen bis zur Höhe des Betrags zu dulden, mit dem er als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, dem Gläubiger zur Verfügung stellt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 301/14
Verkündet am:
12. November 2015
Kluckow
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Eine dem Schuldner erteilte Restschuldbefreiung steht der Gläubigeranfechtung jedenfalls
dann nicht entgegen, wenn der Gläubiger die Anfechtungsklage bereits vor
Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhoben hat und die Anfechtung Rechtshandlungen
betrifft, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden
sind.
EuInsVO Art. 4 Abs. 1
Die Auswirkungen einer Insolvenz auf das Recht der Einzelgläubigeranfechtung sind
nicht Gegenstand des Insolvenzstatuts nach Art. 4 Abs. 1 EuInsVO.
BGH, Urteil vom 12. November 2015 - IX ZR 301/14 - OLG Köln
LG Köln
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. November 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die
Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, die Richterin Lohmann und den Richter
Dr. Schoppmeyer

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 26. November 2014 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin gewährte der D. GmbH einen unbefristeten Kredit in Höhe von zuletzt 7,2 Mio. €. Alleingesellschafter und Geschäftsführer der D. GmbH war G. D. (fortan: Schuldner). Der Schuldner verbürgte sich gegenüber der Klägerin für den der D. GmbH gewährten Kredit.
2
Der Schuldner ist mit der Beklagten zu 2 verheiratet, die Beklagte zu 1 ist ihre gemeinsame Tochter. Der Schuldner und die Beklagte zu 2 waren je zur Hälfte Miteigentümer des unbelasteten Grundstücks K. in O. . Mit notariellem Vertrag vom 26. März 2007 übertrug der Schuldner seinen hälftigen Miteigentumsanteil auf die Beklagte zu 2. Eine Gegenleistung sah der notarielle Vertrag nicht vor. Mit notariellem Vertrag vom 21. Juli 2008 übertrug die Beklagte zu 2 ihr Eigentum am Grundstück K. in O. unentgeltlich auf die Beklagte zu 1.
3
Am 1. November 2008 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der D. GmbH. Die Klägerin nahm den Schuldner aus der Bürgschaft in Höhe von 1.000.000 € in Anspruch. Mit Urteil vom 2. März 2010 verurteilte das Landgericht Köln den Schuldner, 1.000.000 € nebst Zinsen an die Klägerin zu zahlen; das Urteil ist seit 2. Februar 2011 rechtskräftig.
4
Am 19. Juni 2010 erhob die Klägerin Anfechtungsklage gegen die Beklagten. Am 8. Juli 2011 reichte der Schuldner beim County Court von Reading in England eine Debtor’s Bankruptcy Petition ein. Der High Court of Justice eröffnete das Verfahren am 6. Februar 2012. Das Verfahren wurde am 6. Februar 2013 abgeschlossen.
5
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten als unzulässig abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der zugelassenen Revision, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt.

Entscheidungsgründe:


6
Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I.


7
Das Berufungsgericht nimmt an, die Klage sei unzulässig, weil der Schuldner Restschuldbefreiung (discharge) nach englischem Recht erlangt habe. Diese sei in Deutschland anzuerkennen und führe zu einer Umgestaltung der Forderung. Sie bewirke, dass dem Schuldner ein materiell-rechtlicher Einwand zustehe, den er nach § 767 ZPO verfolgen könne. Damit werde die Forderung zu einer unvollkommenen Verbindlichkeit, so dass der Gläubiger die Leistung nicht mehr verlangen (§ 271 Abs. 1 BGB) könne und es daher an der nach § 2 AnfG erforderlichen Fälligkeit fehle. Hierauf könne sich auch der Anfechtungsgegner berufen.
8
Aus § 301 Abs. 2 InsO lasse sich nichts für den Gläubiger herleiten. Hierbei handele es sich um eine Sonderregel für Dritte, die es übernommen hätten, für die Forderung des Schuldners in einer bestimmten Weise einzustehen. Das Anfechtungsrecht führe nur dazu, dass der Dritte die Vollstreckung in bestimmte Vermögenswerte dulden müsse. Es gleiche also nur die Minderung der Haftungssumme beim Schuldner aus. Darauf, dass sich die Restschuldbefreiung letztlich auf die persönliche Situation des Schuldners beziehe, komme es nicht an. Vielmehr sei ein Anspruch, wenn er nachträglich eingeschränkt oder ausgeschlossen werde, nur noch im verbleibenden Umfang im Anfechtungsprozess zu berücksichtigen. Dies gelte auch dann, wenn dies auf die wirtschaftliche Situation des Schuldners zurückzuführen sei.

II.


9
Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

10
1. Die Anforderungen an eine Gläubigeranfechtung richten sich nach deutschem Recht. § 19 AnfG bestimmt, dass außerhalb eines Insolvenzverfahrens für die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung das Recht maßgeblich ist, dem die Wirkungen der Rechtshandlung unterliegen. Dies ist hier deutsches Recht, weil das Grundstück, dessen Belastung und Übereignung angefochten werden soll, in Deutschland belegen ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - IX ZR 33/11, WM 2012, 185 Rn. 13). Dies gilt auch für den Fall, dass der Schuldner im Ausland wohnhaft ist oder im Ausland ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners durchgeführt worden ist.
11
2. Die Klage ist - anders als das Berufungsgericht meint - zulässig, weil die von § 2 AnfG genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Danach genügt es, wenn der Gläubiger einen vollstreckbaren Titel erlangt hat, die Forderung des Gläubigers fällig ist und das Vermögen des Schuldners für eine vollständige Befriedigung des Gläubigers nicht ausreicht. Dass dem Schuldner eine Restschuldbefreiung erteilt ist oder er discharge gemäß section 280 ff. Insolvency Act 1986 (fortan: IA 1986) nach englischem Recht erlangt hat, steht der Gläubigeranfechtung jedenfalls dann nicht entgegen, wenn - wie im Streitfall - der Gläubiger die Anfechtungsklage bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhoben hat und die Anfechtung Rechtshandlungen betrifft, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind.
12
a) Die Klägerin hat ein rechtskräftiges Urteil erlangt, wonach der Schuldner ihr 1.000.000 € nebst Zinsen zu bezahlen hat. Diese Forderung ist fällig. Das Schuldnervermögen reicht nach den - unstreitigen - Erklärungen des Schuldners nicht aus, um den titulierten Anspruch zu erfüllen. Zudem wäre der Klägerin aufgrund der nach englischem Recht erfolgten discharge der (weitere) Zugriff auf das Vermögen des Schuldners versagt (vgl. section 281 (1) IA 1986).
13
b) Das Anfechtungsgesetz enthält keine Einschränkung, wonach eine Gläubigeranfechtung ausscheidet, wenn der Schuldner ein Insolvenzverfahren durchlaufen hat und dieses Insolvenzverfahren abgeschlossen ist. Ebensowenig ist eine Gläubigeranfechtung grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der Schuldner als Ergebnis eines Insolvenzverfahrens von seinen am Ende des Insolvenzverfahrens noch bestehenden Verbindlichkeiten befreit worden ist, er also etwa Restschuldbefreiung gemäß §§ 286 ff. InsO erlangt hat oder die Gläubiger aufgrund eines vergleichbaren Rechtsinstituts eines ausländischen Insolvenzverfahrens nur noch eingeschränkt auf das Vermögen des Schuldners zugreifen können.
14
aa) Das Insolvenzverfahren steht der Anfechtungsklage der Klägerin nicht entgegen. Gemäß § 18 Abs. 1 AnfG kann ein einzelner Gläubiger einen Anfechtungsanspruch nach Beendigung eines Insolvenzverfahrens selbst verfolgen. Dies gilt auch für den Fall, dass der Rechtsstreit bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens anhängig war (MünchKomm-AnfG/Kirchhof, § 18 Rn. 13).
15
bb) Eine einem Schuldner im Rahmen eines Insolvenzverfahrens gewährte Schuldbefreiung ist kein dem Anfechtungsgegner zustehender Einwand. Dies gilt jedenfalls, soweit - wie im Streitfall - der Anfechtungsanspruch bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens rechtshängig ist und mit der Gläubigeranfechtung Rechtshandlungen angefochten werden, die vorgenommen worden sind, bevor das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
16
Allerdings ist der Anfechtungsgegner grundsätzlich berechtigt, Einwände gegen den Bestand des dem Vollstreckungstitel zugrunde liegenden Anspruchs in den Grenzen des § 767 ZPO zu erheben (BGH, Urteil vom 16. August 2007 - IX ZR 63/06, BGHZ 173, 328 Rn. 23 mwN). Der Schuldner selbst könnte im Hinblick auf die discharge eine Vollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Köln vom 2. März 2010 mit der Vollstreckungsgegenklage abwehren (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2008 - IX ZB 205/06, WM 2008, 2219 Rn. 8). Ob dies im Streitfall möglich ist, kann dahinstehen.
17
Die Beklagte ist im Streitfall nicht befugt, sich gegenüber dem Anfechtungsanspruch auf die Entschuldung des Schuldners zu berufen. Dies ergibt sich aus den der Restschuldbefreiung und dem Anfechtungsrecht des einzelnen Gläubigers zugrunde liegenden Wertungen. Bereits die Regelungen der Insolvenzordnung machen deutlich, dass eine Restschuldbefreiung nicht sämtliche Rechte der Insolvenzgläubiger ausschließt. So werden gemäß § 301 Abs. 2 InsO Rechte der Insolvenzgläubiger insbesondere bei akzessorischen Rechten von der Restschuldbefreiung nicht berührt. Dies zeigt, dass - auch wenn die Restschuldbefreiung zu einer unvollkommenen Verbindlichkeit führt - diese nur die Person des Schuldners betrifft; im Verhältnis zu Dritten verbleibt es zugunsten des Gläubigers dabei, dass die Forderung in vollem Umfang durchsetzbar ist. Weiter ordnet die Insolvenzordnung an, dass ein Gläubiger, der befriedigt worden ist, obwohl er dies auf Grund der Restschuldbefreiung nicht zu beanspruchen hatte, diese Leistungen behalten darf; es gibt keine Pflicht zur Rückgewähr (§ 301 Abs. 3 InsO). Schließlich bestätigt - der im Streitfall allerdings noch nicht anwendbare (Art. 103h Satz 1 EGInsO) - § 300a Abs. 1 Satz 2 InsO nF, dass trotz einer bereits erteilten Restschuldbefreiung weiterhin eine Insolvenzanfechtung zulässig ist.
18
Auch nach Sinn und Zweck der Restschuldbefreiung ist es nicht geboten, diese auf jede Gläubigeranfechtung zu erstrecken. Die Restschuldbefreiung wirkt nur zugunsten des Schuldners. Es handelt sich um eine Möglichkeit, sich von der Haftung auch für solche Verbindlichkeiten zu befreien, die aus dem vorhandenen Schuldnervermögen nicht erfüllt werden können (BT-Drucks. 12/2443 S. 109). Sie soll dem Schuldner einen wirtschaftlichen Neuanfang ermöglichen (MünchKomm-InsO/Stephan, 3. Aufl. Vor §§ 286-303 Rn. 7; Wenzel in Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand April 2014 § 286 Rn. 1). Diese Entschuldung beruht gerade darauf, dass das Vermögen des Schuldners im Rahmen des Insolvenzverfahrens zugunsten der Gläubiger verwertet worden ist. Ihm soll hingegen nicht ermöglicht werden, bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung erworbenes oder vorhandenes Vermögen zu behalten, sondern er soll die Chance erhalten, nach Abschluss des Insolvenzverfahrens neues Vermögen zu erwirtschaften. Demgegenüber erhält der Gläubiger - soweit dem Schuldner eine Restschuldbefreiung versprochen wird - tatsächlich keine Leistung. Die Befreiung des Schuldners von den Verbindlichkeiten ist mithin in erster Linie auf die persönliche Situation des Schuldners zurückzuführen; sie berührt weder den ursprünglichen Bestand der Forderung noch gewährt sie dem Gläubiger eine Befriedigung.
19
Die Regeln der Gläubigeranfechtung beruhen darauf, dass anfechtbar weggegebenes Vermögen des Schuldners weiterhin den Gläubigern offensteht, um daraus ihre Forderungen befriedigen zu können. Unterliegt ein Gegenstand der Gläubigeranfechtung nach §§ 3 ff AnfG, so soll damit der Gläubiger in den Stand gesetzt werden, auf den anfechtbar weggegebenen Gegenstand zuzugreifen (vgl. § 11 Abs. 1 AnfG). Es geht gerade darum, den Zugriff auf ehemaliges Vermögen des Schuldners zu erweitern, weil und soweit der Gläubiger aufgrund der Unzulänglichkeit des Schuldnervermögens leer ausgeht. Dieser Grund trifft auch dann zu, wenn dem Schuldner aufgrund seiner Vermögensunzulänglichkeit eine Restschuldbefreiung erteilt worden ist. Das rechtfertigt es, den Zugriff der Gläubiger im Wege der Gläubigeranfechtung auf ehemaliges Vermögen des Schuldners jedenfalls dann trotz Restschuldbefreiung zuzulassen , sofern die Anfechtungsklage bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhoben und die Rechtshandlung vorgenommen worden ist, bevor das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. In diesem Fall erfasst eine Gläubigeranfechtung nur Vermögen, das ohne Weggabe im Rahmen des Insolvenzverfahrens hätte verwertet werden können. Die betroffenen Vermögensgegenstände waren bereits zum Zeitpunkt der Restschuldbefreiung vorhanden und hätten bis zur Restschuldbefreiung einem Zugriff der Gläubiger offengestanden, wenn sie der Schuldner noch besessen hätte.
20
Soweit nach § 12 AnfG sich der Anfechtungsgegner wegen einer Erstattung einer Gegenleistung oder eines infolge der Anfechtung wiederauflebenden Anspruchs an den Schuldner halten kann, wird damit - jedenfalls wenn es sich um Rechtshandlungen handelt, die vorgenommen worden sind, bevor das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist - die Wirkung der Restschuldbefreiung nicht umgangen. Denn auch solche Ansprüche des Anfechtungsgegners werden von der Restschuldbefreiung erfasst (§ 301 Abs. 1 InsO). Es handelt sich um Insolvenzforderungen, die der Anfechtungsgegner - gegebenenfalls als bedingte Forderung - hätte anmelden können (§§ 38, 41 InsO). Im Übrigen gilt § 301 Abs. 2 Satz 2 InsO entsprechend.
21
cc) Eine englische Restschuldbefreiung (discharge gemäß section 280 ff IA 1986) hat keine weitergehenden Wirkungen für die Einzelgläubigeranfechtung als eine Restschuldbefreiung. Dabei kann dahinstehen, wie sich nach englischem Recht eine discharge gemäß section 280 ff IA 1986 auf das Rechtder Einzelgläubigeranfechtung auswirkt. Denn die Voraussetzungen für eine Einzelgläubigeranfechtung regelt das Anfechtungsgesetz.
22
Entsprechend den Wertungen des Anfechtungsgesetzes entfällt der Anfechtungsanspruch eines Gläubigers nicht schon dann, wenn der Schuldner als Ergebnis eines Insolvenzverfahrens von seinen am Ende des Insolvenzverfahrens noch bestehenden Verbindlichkeiten befreit worden ist, wenn der Gläubiger hierbei keine Leistung erhalten hat und die Schuldbefreiung darauf abzielt, dem Schuldner nach Verwertung seines vorhandenen Vermögens einen wirtschaftlichen Neubeginn zu ermöglichen. Dies ist bei der discharge gemäß section 280 ff IA 1986 der Fall. Sie ist als Rechtsinstitut nach allgemeiner Meinung mit der Restschuldbefreiung vergleichbar (vgl. Wiedemann/Guglia, ZVI 2014, 397, 398 f; Allemand/Baister/Kuglarz/Mathijsen/O’Neill/Potamitis/Vallender, NZI 2014, 1, 4). Ein Rechtsinstitut des ausländischen Rechts, dass in Anlass und Wirkungen der Restschuldbefreiung vergleichbar ist, berührt den Anfechtungsanspruch eines Gläubigers nicht.
23
Das Insolvenzstatut nach Art. 4 Abs. 1 EuInsVO betrifft nicht die Auswirkungen einer Insolvenz auf das Recht der Einzelgläubigeranfechtung. Deshalb ist unerheblich, ob eine discharge nach englischem Recht eine Einzelgläubigeranfechtung ausschließt. Die Europäische Insolvenzverordnung (EuInsVO) erfasst nur Fallgestaltungen, die als insolvenzrechtliche im Sinne der EuInsVO einzuordnen sind (Mäsch in Rauscher, EuZPR-EuIPR, 4. Aufl. Art. 4 EG-InsVO Rn. 8). Ihr Anwendungsbereich ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH im Hinblick auf ihren sechsten Erwägungsgrund nicht weit auszulegen (EuGH, Urteil vom 4. September 2014 - C-157/13, ZIP 2015, 96 Rn. 22; vom 11. Juni 2015 - C-649/13, ZIP 2015, 1299 Rn. 27). Entscheidend ist, ob ein Anspruch anlässlich eines Insolvenzverfahrens erhoben wurde und ob er seinen Ursprung im Insolvenzverfahrensrecht hat (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Dezember 2014 - C-295/13, ZIP 2015, 196 Rn. 18 mwN).
24
Dies trifft auf die Einzelgläubigeranfechtung nicht zu. Das nach der EuInsVO berufene Insolvenzstatut umfasst daher nicht die Regeln des anwendbaren Insolvenzrechts, welche die Einzelgläubigeranfechtung betreffen. Insbesondere erstreckt die EuInsVO die Wirkungen der lex fori concursus nicht auf die Frage, wie sich die Rechtsbeziehungen zwischen Gläubigern und Dritten gestalten, wenn das Insolvenzverfahren beendet ist und der Schuldner hiervon nicht betroffen ist (vgl. auch Art. 4 Abs. 2 lit. k EuInsVO). Denn dies gehört nicht mehr zum autonom auszulegenden Begriff des Insolvenzverfahrens im Sinne des Art. 4 EuInsVO. Auch aus Art. 4 Abs. 2 lit. m EuInsVO ergibt sich nicht, dass die lex fori concursus zugleich über Voraussetzungen der Gläubigeranfechtung bestimmt (Paulus, EuInsVO, 4. Aufl. Art. 4 Rn. 36). Gläubigeranfechtungsklagen fallen vielmehr unter die EuGVVO (vgl. EuGH, Urteil vom 10. Januar 1990 - C-115/88, IPrax 1991, 45 zu Art. 16 Abs. 1 EuGVÜ; ebenso EuGH, Urteil vom 19. April 2012 - C-213/10, ZIP 2012, 1049 Rn. 29, 48 für die Anfechtungsklage eines Zessionars; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht , 9. Aufl. Art. 1 EuGVO Rn. 35). Bezüglich dieser aus den Regeln der EuInsVO folgenden Abgrenzung zum Recht der Einzelgläubigeranfechtung besteht kein Raum für einen vernünftigen Zweifel, weshalb der Senat ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung der Europäischen Insolvenzverordnung im Streitfall nicht für erforderlich erachtet.

III.


25
Das Berufungsgericht wird daher in der Sache über die geltend gemachte Gläubigeranfechtung zu entscheiden haben.
Kayser Gehrlein Vill
Lohmann Schoppmeyer
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 08.07.2011 - 7 O 207/10 -
OLG Köln, Entscheidung vom 26.11.2014 - 2 U 146/11 -

(1) Rechtshandlungen eines Schuldners, die seine Gläubiger benachteiligen, können außerhalb des Insolvenzverfahrens nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen angefochten werden.

(2) Eine Unterlassung steht einer Rechtshandlung gleich.

Bei Sachverhalten mit Auslandsberührung ist für die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung das Recht maßgeblich, dem die Wirkungen der Rechtshandlung unterliegen.

(1) Nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens können Anfechtungsansprüche, die der Insolvenzverwalter geltend machen konnte, von den einzelnen Gläubigern nach diesem Gesetz verfolgt werden, soweit nicht dem Anspruch entgegenstehende Einreden gegen den Insolvenzverwalter erlangt sind.

(2) War der Anfechtungsanspruch nicht schon zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gerichtlich geltend gemacht, so werden die in den §§ 3 und 4 bestimmten Fristen von diesem Zeitpunkt an berechnet, wenn der Anspruch bis zum Ablauf eines Jahres seit der Beendigung des Insolvenzverfahrens gerichtlich geltend gemacht wird. Satz 1 gilt für die in den §§ 6 und 6a bestimmten Fristen entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle der gerichtlichen Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs die Erlangung des vollstreckbaren Schuldtitels tritt.

(1) Wird die Restschuldbefreiung erteilt, so wirkt sie gegen alle Insolvenzgläubiger. Dies gilt auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben.

(2) Die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners sowie die Rechte dieser Gläubiger aus einer zu ihrer Sicherung eingetragenen Vormerkung oder aus einem Recht, das im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, werden durch die Restschuldbefreiung nicht berührt. Der Schuldner wird jedoch gegenüber dem Mitschuldner, dem Bürgen oder anderen Rückgriffsberechtigten in gleicher Weise befreit wie gegenüber den Insolvenzgläubigern.

(3) Wird ein Gläubiger befriedigt, obwohl er auf Grund der Restschuldbefreiung keine Befriedigung zu beanspruchen hat, so begründet dies keine Pflicht zur Rückgewähr des Erlangten.

(4) Ein allein aufgrund der Insolvenz des Schuldners erlassenes Verbot, eine gewerbliche, geschäftliche, handwerkliche oder freiberufliche Tätigkeit aufzunehmen oder auszuüben, tritt mit Rechtskraft der Erteilung der Restschuldbefreiung außer Kraft. Satz 1 gilt nicht für die Versagung und die Aufhebung einer Zulassung zu einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit.

(1) Rechtshandlungen eines Schuldners, die seine Gläubiger benachteiligen, können außerhalb des Insolvenzverfahrens nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen angefochten werden.

(2) Eine Unterlassung steht einer Rechtshandlung gleich.

Zur Anfechtung ist jeder Gläubiger berechtigt, der einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat und dessen Forderung fällig ist, wenn die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers geführt hat oder wenn anzunehmen ist, daß sie nicht dazu führen würde.

(1) Anfechtbar ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor der Anfechtung vorgenommen worden.

(2) Richtet sich die Leistung auf ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk geringen Werts, so ist sie nicht anfechtbar.

(1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 des Anfechtungsgesetzes geltend zu machen ist; bei der Berechnung von Fristen nach den §§ 3 und 4 des Anfechtungsgesetzes steht der Erlass eines Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes gleich. Die Bescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen.

(2) Bevor gegen einen Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer wegen einer Handlung im Sinne des § 69, die er in Ausübung seines Berufs vorgenommen hat, ein Haftungsbescheid erlassen wird, gibt die Finanzbehörde der zuständigen Berufskammer Gelegenheit, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Die Vorschriften über die Festsetzungsfrist sind auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre, in den Fällen des § 70 bei Steuerhinterziehung zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre, in den Fällen des § 71 zehn Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Ist die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist; andernfalls gilt § 171 Abs. 10 sinngemäß. In den Fällen der §§ 73 und 74 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt (§ 228) ist.

(4) Ergibt sich die Haftung nicht aus den Steuergesetzen, so kann ein Haftungsbescheid ergehen, solange die Haftungsansprüche nach dem für sie maßgebenden Recht noch nicht verjährt sind.

(5) Ein Haftungsbescheid kann nicht mehr ergehen,

1.
soweit die Steuer gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist und wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr festgesetzt werden kann,
2.
soweit die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt ist oder die Steuer erlassen worden ist.
Dies gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat.

(1) Eine Rechtshandlung gilt als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten.

(2) Ist für das Wirksamwerden eines Rechtsgeschäfts eine Eintragung im Grundbuch, im Schiffsregister, im Schiffsbauregister oder im Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen erforderlich, so gilt das Rechtsgeschäft als vorgenommen, sobald die übrigen Voraussetzungen für das Wirksamwerden erfüllt sind, die Willenserklärung des Schuldners für ihn bindend geworden ist und der andere Teil den Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung gestellt hat. Ist der Antrag auf Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf die Rechtsänderung gestellt worden, so gilt Satz 1 mit der Maßgabe, daß dieser Antrag an die Stelle des Antrags auf Eintragung der Rechtsänderung tritt.

(3) Bei einer bedingten oder befristeten Rechtshandlung bleibt der Eintritt der Bedingung oder des Termins außer Betracht.

(1) Was durch die anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß dem Gläubiger zur Verfügung gestellt werden, soweit es zu dessen Befriedigung erforderlich ist. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrags ist ausgeschlossen.

(2) Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zur Verfügung zu stellen, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.

(3) Im Fall der Anfechtung nach § 6a hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die Zwangsvollstreckung in sein Vermögen bis zur Höhe des Betrags zu dulden, mit dem er als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, dem Gläubiger zur Verfügung stellt.

(1) Rechtshandlungen eines Schuldners, die seine Gläubiger benachteiligen, können außerhalb des Insolvenzverfahrens nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen angefochten werden.

(2) Eine Unterlassung steht einer Rechtshandlung gleich.

Zur Anfechtung ist jeder Gläubiger berechtigt, der einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat und dessen Forderung fällig ist, wenn die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers geführt hat oder wenn anzunehmen ist, daß sie nicht dazu führen würde.

(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem nur vollstreckt werden, soweit die Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung nicht ausgesetzt ist (Artikel 108 Absatz 3 des Zollkodex der Union).

(2) Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung sowie § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Finanzbehörde ist berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 der Insolvenzordnung sowie des § 71 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken.

(3) Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt fest.

Die Insolvenzgläubiger können ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen.

(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem nur vollstreckt werden, soweit die Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung nicht ausgesetzt ist (Artikel 108 Absatz 3 des Zollkodex der Union).

(2) Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung sowie § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Finanzbehörde ist berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 der Insolvenzordnung sowie des § 71 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken.

(3) Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt fest.

(1) Was durch die anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß dem Gläubiger zur Verfügung gestellt werden, soweit es zu dessen Befriedigung erforderlich ist. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrags ist ausgeschlossen.

(2) Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zur Verfügung zu stellen, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.

(3) Im Fall der Anfechtung nach § 6a hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die Zwangsvollstreckung in sein Vermögen bis zur Höhe des Betrags zu dulden, mit dem er als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, dem Gläubiger zur Verfügung stellt.

(1) Nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens können Anfechtungsansprüche, die der Insolvenzverwalter geltend machen konnte, von den einzelnen Gläubigern nach diesem Gesetz verfolgt werden, soweit nicht dem Anspruch entgegenstehende Einreden gegen den Insolvenzverwalter erlangt sind.

(2) War der Anfechtungsanspruch nicht schon zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gerichtlich geltend gemacht, so werden die in den §§ 3 und 4 bestimmten Fristen von diesem Zeitpunkt an berechnet, wenn der Anspruch bis zum Ablauf eines Jahres seit der Beendigung des Insolvenzverfahrens gerichtlich geltend gemacht wird. Satz 1 gilt für die in den §§ 6 und 6a bestimmten Fristen entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle der gerichtlichen Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs die Erlangung des vollstreckbaren Schuldtitels tritt.

(1) Anfechtbar ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor der Anfechtung vorgenommen worden.

(2) Richtet sich die Leistung auf ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk geringen Werts, so ist sie nicht anfechtbar.

(1) Nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens können Anfechtungsansprüche, die der Insolvenzverwalter geltend machen konnte, von den einzelnen Gläubigern nach diesem Gesetz verfolgt werden, soweit nicht dem Anspruch entgegenstehende Einreden gegen den Insolvenzverwalter erlangt sind.

(2) War der Anfechtungsanspruch nicht schon zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gerichtlich geltend gemacht, so werden die in den §§ 3 und 4 bestimmten Fristen von diesem Zeitpunkt an berechnet, wenn der Anspruch bis zum Ablauf eines Jahres seit der Beendigung des Insolvenzverfahrens gerichtlich geltend gemacht wird. Satz 1 gilt für die in den §§ 6 und 6a bestimmten Fristen entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle der gerichtlichen Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs die Erlangung des vollstreckbaren Schuldtitels tritt.

(1) Die in den §§ 3 und 4 bestimmten Fristen sind von dem Zeitpunkt zurückzurechnen, in dem die Anfechtbarkeit gerichtlich geltend gemacht wird.

(2) Hat der Gläubiger, bevor er einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hatte oder seine Forderung fällig war, dem Anfechtungsgegner seine Absicht, die Rechtshandlung anzufechten, schriftlich mitgeteilt, so wird die Frist vom Zeitpunkt des Zugangs der Mitteilung zurückgerechnet, wenn schon zu dieser Zeit der Schuldner unfähig war, den Gläubiger zu befriedigen, und wenn bis zum Ablauf von zwei Jahren seit diesem Zeitpunkt die Anfechtbarkeit gerichtlich geltend gemacht wird.

(3) In die Fristen wird die Zeit nicht eingerechnet, während der Maßnahmen nach § 46 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 bis 6 des Kreditwesengesetzes angeordnet waren.

(1) Anfechtbar ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor der Anfechtung vorgenommen worden.

(2) Richtet sich die Leistung auf ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk geringen Werts, so ist sie nicht anfechtbar.

(1) Eine Rechtshandlung gilt als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten.

(2) Ist für das Wirksamwerden eines Rechtsgeschäfts eine Eintragung im Grundbuch, im Schiffsregister, im Schiffsbauregister oder im Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen erforderlich, so gilt das Rechtsgeschäft als vorgenommen, sobald die übrigen Voraussetzungen für das Wirksamwerden erfüllt sind, die Willenserklärung des Schuldners für ihn bindend geworden ist und der andere Teil den Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung gestellt hat. Ist der Antrag auf Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf die Rechtsänderung gestellt worden, so gilt Satz 1 mit der Maßgabe, daß dieser Antrag an die Stelle des Antrags auf Eintragung der Rechtsänderung tritt.

(3) Bei einer bedingten oder befristeten Rechtshandlung bleibt der Eintritt der Bedingung oder des Termins außer Betracht.

(1) Anfechtbar ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor der Anfechtung vorgenommen worden.

(2) Richtet sich die Leistung auf ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk geringen Werts, so ist sie nicht anfechtbar.

(1) Nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens können Anfechtungsansprüche, die der Insolvenzverwalter geltend machen konnte, von den einzelnen Gläubigern nach diesem Gesetz verfolgt werden, soweit nicht dem Anspruch entgegenstehende Einreden gegen den Insolvenzverwalter erlangt sind.

(2) War der Anfechtungsanspruch nicht schon zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gerichtlich geltend gemacht, so werden die in den §§ 3 und 4 bestimmten Fristen von diesem Zeitpunkt an berechnet, wenn der Anspruch bis zum Ablauf eines Jahres seit der Beendigung des Insolvenzverfahrens gerichtlich geltend gemacht wird. Satz 1 gilt für die in den §§ 6 und 6a bestimmten Fristen entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle der gerichtlichen Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs die Erlangung des vollstreckbaren Schuldtitels tritt.

(1) Anfechtbar ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor der Anfechtung vorgenommen worden.

(2) Richtet sich die Leistung auf ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk geringen Werts, so ist sie nicht anfechtbar.

(1) Was durch die anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß dem Gläubiger zur Verfügung gestellt werden, soweit es zu dessen Befriedigung erforderlich ist. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrags ist ausgeschlossen.

(2) Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zur Verfügung zu stellen, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.

(3) Im Fall der Anfechtung nach § 6a hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die Zwangsvollstreckung in sein Vermögen bis zur Höhe des Betrags zu dulden, mit dem er als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, dem Gläubiger zur Verfügung stellt.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.

(1) Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht

1.
das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist;
2.
die mangelnde Vorbereitung einer Partei, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt;
3.
das Einvernehmen der Parteien allein.

(2) Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden, für eine Vertagung auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.

(3) Ein für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August bestimmter Termin, mit Ausnahme eines Termins zur Verkündung einer Entscheidung, ist auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung oder Terminsbestimmung zu verlegen. Dies gilt nicht für

1.
Arrestsachen oder die eine einstweilige Verfügung oder einstweilige Anordnung betreffenden Sachen,
2.
Streitigkeiten wegen Überlassung, Benutzung, Räumung oder Herausgabe von Räumen oder wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
3.
(weggefallen)
4.
Wechsel- oder Scheckprozesse,
5.
Bausachen, wenn über die Fortsetzung eines angefangenen Baues gestritten wird,
6.
Streitigkeiten wegen Überlassung oder Herausgabe einer Sache an eine Person, bei der die Sache nicht der Pfändung unterworfen ist,
7.
Zwangsvollstreckungsverfahren oder
8.
Verfahren der Vollstreckbarerklärung oder zur Vornahme richterlicher Handlungen im Schiedsverfahren;
dabei genügt es, wenn nur einer von mehreren Ansprüchen die Voraussetzungen erfüllt. Wenn das Verfahren besonderer Beschleunigung bedarf, ist dem Verlegungsantrag nicht zu entsprechen.

(4) Über die Aufhebung sowie Verlegung eines Termins entscheidet der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung; über die Vertagung einer Verhandlung entscheidet das Gericht. Die Entscheidung ist kurz zu begründen. Sie ist unanfechtbar.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Eigentümer mehrerer Mietwohngrundstücke in Brandenburg. Für Modernisierungsmaßnahmen, die er in den Jahren 2002 bis 2004 durchgeführt hatte, stellte er unter Mitwirkung einer Steuerberatungsgesellschaft einen Antrag auf Gewährung einer erhöhten Investitionszulage nach § 3a des Investitionszulagengesetzes 1999 (InvZulG 1999) für 2004 in Höhe von 22 % der Bemessungsgrundlage. Im weiteren Verfahren reichte der Kläger u.a. eine Bescheinigung der zuständigen Stadtverwaltung nach § 3a InvZulG 1999 ein.

2

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte die beantragte erhöhte Investitionszulage mit Bescheid vom 18. März 2009 auf 0 € fest, da die betreffenden Mietwohngrundstücke nach der Bescheinigung der zuständigen Stadtverwaltung im Zeitraum der Modernisierungsmaßnahmen nicht die Voraussetzungen des § 3a InvZulG 1999 erfüllten.

3

Mit dem hiergegen am 9. April 2009 eingereichten Einspruch machte der Kläger geltend, dass der Antrag in einen solchen nach § 3 InvZulG 1999 umzudeuten sei, da der nach § 3a InvZulG 1999 gestellte Antrag auf einem Büroversehen seines Bevollmächtigten beruhe. Zugleich reichte der Kläger auch einen förmlichen Antrag nach § 3 InvZulG 1999 ein, mit dem er eine Förderung in Höhe von 15 % der Bemessungsgrundlage begehrte.

4

Das FA lehnte den Antrag auf Investitionszulage nach § 3 InvZulG 1999 mit Bescheid vom 21. Juli 2009 wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist ab. Den Einspruch wies es mit Einspruchsentscheidung vom 18. November 2010 als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies es darauf, dass die Voraussetzungen des § 3a InvZulG 1999 nicht vorgelegen hätten und eine Umdeutung des Antrags in einen solchen nach § 3 InvZulG 1999 daran scheitere, dass der ursprüngliche Antrag nicht i.S. des § 5 Abs. 3 InvZulG 1999 auf amtlichem Vordruck gestellt worden sei.

5

In dem gegen den Bescheid vom 18. März 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. November 2010 gerichteten Klageverfahren wurde der Kläger von einer Steuerberatungsgesellschaft mbH vertreten, die laut Briefkopf von drei Geschäftsführern geleitet wird. Als Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmte der Vorsitzende den 18. April 2013. Die Ladung wurde der Prozessbevollmächtigten am 2. April 2013 zugestellt. Mit Telefax vom 8. April 2013 beantragte die Prozessbevollmächtigte Terminsverlegung, da beide Sachbearbeiter der Angelegenheit am Termintag an einer Fortbildung teilnähmen. Mit Schreiben vom 11. April 2013 lehnte der Vorsitzende die beantragte Terminsverlegung ab. Dabei wies er u.a. darauf hin, dass keine erheblichen Gründe i.S. des § 227 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) vorlägen, wenn eine Vertretung durch einen anderen Prozessbevollmächtigten zumutbar sei, und dass keine Gründe vorgetragen und glaubhaft gemacht worden seien, die eine Vertretung durch einen anderen Bevollmächtigten der vom Kläger bevollmächtigten Gesellschaft unzumutbar erscheinen ließen. Mit Telefax vom 15. April 2013 übersandte die Prozessbevollmächtigte eine Anmeldung vom 27. Juni 2012 zu einer am Termin stattfindenden beruflichen Fortbildungsveranstaltung eines ihrer Geschäftsführer (A). Ferner teilte sie mit, dass die andere Geschäftsführerin (B) am Termin an einer lange geplanten privat veranlassten Fortbildungsveranstaltung teilnehme und dem weiteren Geschäftsführer (C) die Einarbeitung in den ihm nicht bekannten Fall und die komplexe Materie nicht zumutbar sei. Mit Telefax vom 17. April 2013 wies das Finanzgericht (FG) darauf hin, dass auch durch das letzte Schreiben der Prozessbevollmächtigten Hinderungsgründe nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht worden seien. Schließlich übermittelte die Prozessbevollmächtigte mit Telefax vom 17. April 2013 (16:59 Uhr) Unterlagen, die eine Anmeldung zu dem Privatseminar der Geschäftsführerin B glaubhaft machen sollten, und teilte mit, dass keiner der Geschäftsführer zur mündlichen Verhandlung erscheinen werde.

6

Das FG führte den anberaumten Termin durch und wies die Klage als unbegründet ab. In den Urteilsgründen führte das FG u.a. aus, dem Terminsverlegungsantrag sei nicht zu entsprechen gewesen, da die Prozessbevollmächtigte keine ausreichenden Ausführungen gemacht habe, weshalb dem jedenfalls nicht verhinderten dritten Geschäftsführer C die Wahrnehmung des Termins unzumutbar gewesen sei. Dieser sei seit 1993 Steuerberater, so dass von ausreichenden Kenntnissen auszugehen sei. Ferner sei der Fall weder vom Sachverhalt her problematisch oder umfangreich noch von den sich stellenden Rechtsfragen.

7

Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG habe den Terminsverlegungsantrag zu Unrecht abgelehnt und dadurch das Recht des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Beschwerde ist unbegründet und deshalb durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO).

9

Die Vorentscheidung leidet unter keinem Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Das FG hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) mit der Ablehnung des Antrags auf Terminsverlegung und der Durchführung der mündlichen Verhandlung wie anberaumt nicht verletzt.

10

a) Gemäß § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO ist Voraussetzung für eine Terminsverlegung, dass hierfür erhebliche Gründe vorliegen. Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden glaubhaft zu machen (§ 227 Abs. 2 ZPO). Die Glaubhaftmachung erfordert zwar nicht den vollen Beweis, wohl aber die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die Umstände, aus denen der erhebliche Grund abgeleitet wird, tatsächlich vorliegen (vgl. etwa Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. September 2012 I R 29/12, BFH/NV 2013, 58). Danach wird einem Verfahrensbeteiligten rechtliches Gehör versagt, wenn das Gericht mündlich verhandelt und in der Sache entscheidet, obwohl er einen Antrag auf Terminsverlegung gestellt und dafür erhebliche Gründe geltend gemacht hat.

11

b) Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass in Person des Geschäftsführers C, der nach Angabe der Prozessbevollmächtigten nicht mit dem Fall befasst war, ein erheblicher Hinderungsgrund weder von der Prozessbevollmächtigten dargelegt wurde noch nach Aktenlage anderweitig erkennbar ist.

12

aa) Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Verhinderung eines Prozessvertreters nicht als erheblicher Grund i.S. des § 227 Abs. 1 ZPO anzusehen, wenn die Prozessvollmacht einer Sozietät erteilt worden ist und der betreffende Termin durch ein anderes Mitglied der Sozietät sachgerecht wahrgenommen werden kann (BFH-Beschluss vom 26. Oktober 1998 I B 3/98, BFH/NV 1999, 626, m.w.N.). Dies gilt auch, wenn es sich bei dem Prozessbevollmächtigten um eine GmbH mit mehreren Geschäftsführern handelt. Denn hier kann ebenso wie im Fall der Sozietät regelmäßig davon ausgegangen werden, dass (zumindest) alle Geschäftsführer gleichermaßen in der Lage sind, das Anliegen des Mandanten der GmbH in der mündlichen Verhandlung zu vertreten (BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 626).

13

Abweichend hiervon wird ein Verweis auf eine anderweitige Terminsvertretung nicht für zulässig erachtet, wenn die Wahrnehmung des Termins durch eine andere Person als den eigentlichen Sachbearbeiter nicht zumutbar ist (BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 626, m.w.N.). Dies ist namentlich dann der Fall, wenn der als Vertreter in Betracht kommenden Person keine hinreichende Einarbeitungszeit zur Verfügung steht oder wenn wegen der besonderen Komplexität oder wegen bestimmter Eigentümlichkeiten des Verfahrens anzunehmen ist, dass nur der mit dem Fall vertraute Sachbearbeiter die Belange des Mandanten angemessen vertreten kann. Solche Besonderheiten müssen indessen, sofern sie nicht offenkundig sind, im Einzelnen vorgetragen werden. Geschieht dies nicht, so muss von dem Bestehen einer Vertretungsmöglichkeit ausgegangen und demgemäß das Vorliegen erheblicher Gründe für eine Terminsverlegung verneint werden (BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 626, m.w.N.).

14

bb) Im vorliegenden Fall handelte es sich bei der Prozessbevollmächtigten um eine Steuerberatungs-GmbH, nach deren Briefkopf auch C als einer von drei Geschäftsführern bestellt war.

15

Nach den Feststellungen des FG ist C seit 1993 Steuerberater und somit für die zu behandelnde Materie als fachkundig anzusehen.

16

Der Sachverhalt des Falles und das bisherige Prozessgeschehen waren nicht komplex. Die Gründe der Einspruchsentscheidung umfassen etwas mehr als zwei Seiten, die Ausführungen in den zwei zur Klagebegründung eingereichten Schriftsätzen der Prozessbevollmächtigten insgesamt zwei bis drei Seiten und die Erwiderung des FA etwa eine halbe Seite. Inhaltlich beschränkte sich der Rechtsstreit auf zwei Fragen, zum einen, ob eine erhöhte Investitionszulage nach § 3a InvZulG 1999 gewährt werden kann, obwohl sich aus der Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde ergibt, dass das Gebäude im Zeitpunkt der Modernisierungsmaßnahmen in keinem der vom Gesetz begünstigten Gebiete liegt. Zum anderen betraf er die Frage, ob ein Antrag nach § 3a InvZulG 1999, der auf dem hierfür vorgesehenen amtlichen Formular gestellt wurde, in einen Antrag nach § 3 InvZulG 1999 umgedeutet werden kann, obwohl § 5 Abs. 3 Satz 1 InvZulG 1999 eine Antragstellung nach amtlichem Vordruck verlangt. Nachdem seitens des sachbearbeitenden Geschäftsführers A nur wenige rechtliche Argumente vorgetragen wurden, beschränkte sich die Einarbeitung in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen auf die Lektüre der wenigen Gesetzesvorschriften und BFH-Urteile, auf die das FA bzw. das FG im Laufe des Verfahrens bereits hingewiesen hatten. Keine besondere Schwierigkeit des Verfahrens lässt sich dem von der Prozessbevollmächtigten vorgetragenen Umstand entnehmen, dass es sich bei den anzuwendenden Vorschriften des InvZulG 1999 um ausgelaufenes Recht handele, so dass präsentes Wissen in der Kanzlei nicht mehr vorhanden gewesen sei. Denn zum einen ist die Anwendung ausgelaufenen Rechts im Bereich des Steuerrechts aufgrund der in diesem Rechtsgebiet permanent stattfindenden Änderungen nichts Ungewöhnliches. Zum anderen finden sich auch in neueren Gesetzesfassungen zum Teil wieder ähnliche Vorschriften (vgl. etwa § 7 Abs. 2 InvZulG 2010 zur Antragstellung nach amtlichem Vordruck).

17

Unter Berücksichtigung des überschaubaren Prozessstoffes ist auch die dem Geschäftsführer C nach Zugang der Ladung verbleibende Einarbeitungszeit von etwas mehr als zwei Wochen als noch ausreichend anzusehen, zumal keine Umstände dargelegt und glaubhaft gemacht wurden, die einer solchen Einarbeitungsmöglichkeit entgegenstehen könnten.

18

Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass das FG die Prozessbevollmächtigte zu einer weiteren Ergänzung ihres Vortrags über die Gründe der Unzumutbarkeit einer Terminwahrnehmung durch C und zu einer weiteren Glaubhaftmachung hätte auffordern müssen. Denn nach Aktenlage hat das FG mit Telefax vom 17. April 2013 nochmals darauf hingewiesen, dass die Hinderungsgründe mit dem Schreiben der Prozessbevollmächtigten vom 15. April 2013 nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht seien. Auf das Schreiben der Prozessbevollmächtigten vom 17. April 2013 musste das FG keinen erneuten Hinweis erteilen, weil dieses Schreiben schon nicht auf die Hinderungsgründe in der Person des C eingegangen ist.

19

c) Selbst wenn man indessen davon ausginge, dass das FG einen in der Person des C gegebenen Hinderungsgrund zu Unrecht nicht beachtet hätte, wäre die Revision nach der im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde entsprechend anwendbaren Regelung des § 126 Abs. 4 FGO (s. hierzu z.B. BFH-Beschluss vom 15. Dezember 2004 X B 116/04, BFH/NV 2005, 715; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 98) gleichwohl nicht zuzulassen, da sich die angegriffene Entscheidung aus anderen Gründen als verfahrensfehlerfrei darstellte. Denn nach Aktenlage wurde ein erheblicher Grund i.S. des § 227 Abs. 1 ZPO auch in Person der Geschäftsführerin B, die nach Angaben der Prozessbevollmächtigten neben A mit der Sache befasst war, jedenfalls nicht glaubhaft gemacht.

20

aa) Zwar kann ein geplanter Urlaub ein erheblicher Grund für eine Terminsverlegung sein. Dies setzt jedoch zum einen voraus, dass der Urlaub im Zeitpunkt der Zustellung der Ladung bereits verbindlich geplant war. Zum anderen muss der Urlaub in seiner Planung so ausgestaltet sein, dass die Wahrnehmung des gerichtlichen Termins während dieser Zeit nicht zumutbar ist (BFH-Beschluss vom 27. April 2005 X B 130/04, BFH/NV 2005, 1596, m.w.N.).

21

bb) Das FG hat mit dem Vorsitzendenschreiben vom 11. April 2013 deutlich gemacht, dass für alle Bevollmächtigten der vom Kläger beauftragten Steuerberatungsgesellschaft Hinderungsgründe vorzutragen und glaubhaft zu machen seien.

22

Demgegenüber ergab sich aus den für die Geschäftsführerin B übermittelten Unterlagen bereits nicht, dass B sich überhaupt für ein privates Seminar angemeldet hatte. Vielmehr forderte die dem FG übermittelte E-Mail des Seminaranbieters für eine verbindliche Anmeldung die Angabe weiterer Daten. Ob, wann und mit welchem Inhalt eine Antwort der B auf diese E-Mail erfolgte, lässt sich den dem FG übermittelten Unterlagen auch unter Anlegung des Maßstabes einer bloß überwiegenden Wahrscheinlichkeit indessen nicht entnehmen. Vielmehr hätte es der Prozessbevollmächtigten unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Nachweise erst am Vorabend der mündlichen Verhandlung dem FG übermittelt wurden, oblegen, sofort aussagekräftige Nachweise vorzulegen.

23

Zwar hat das FG insofern nur Zweifel an dem für B geltend gemachten Hinderungsgrund erkennen lassen und die Frage einer Verhinderung der B letztlich offen gelassen. Indessen hätte die Ablehnung der Terminsverlegung auch bereits darauf gestützt werden können, dass ein erheblicher Grund in der Person der B, die nach eigenen Angaben der Prozessbevollmächtigten ebenfalls mit dem Fall betraut war, nicht glaubhaft gemacht wurde (§ 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1, Abs. 2 ZPO).

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.