Gründe

I.

1

Die Antragstellerin begehrt die Aufhebung der Vollziehung einer Steueranmeldung vom 08.06.2012 betreffend Kernbrennstoffsteuer, wobei zwischen den Beteiligten kein Streit besteht über die zutreffende Anwendung des Kernbrennstoffsteuergesetzes vom 08.12.2010 (BGBl. I S. 1804 - KernbrStG -), sondern ausschließlich über die Frage, ob das Kernbrennstoffsteuergesetz selbst rechtmäßig ist.

2

1. Die Antragstellerin betreibt von den neun gegenwärtig in Deutschland noch in Betrieb befindlichen Kernkraftwerken unter anderem das streitgegenständliche Kernkraftwerk in A. Sie ist im Besitz der dafür erforderlichen atomrechtlichen Genehmigung.

3

Im Juni 2013 wurden Brennelemente in den Kernreaktor des Kernkraftwerks eingesetzt und eine sich selbsttragende Kettenreaktion ausgelöst. Die Antragstellerin berechnete in ihrer Steueranmeldung vom 02.07.2013 Kernbrennstoffsteuer in Höhe von EUR 123.950.060 und erhob dagegen am 08.07.2013 beim Finanzgericht Hamburg (FG) Sprungklage (Az. 4 K 92/13). Das Verfahren ruht aufgrund des Beschlusses des FG Hamburg vom 14.08.2013.

4

Am 28.11.2013 hat die Antragstellerin, nachdem ihr Antrag auf Aufhebung der Vollziehung der angemeldeten und gezahlten Kernbrennstoffsteuer vom Antragsgegner abgelehnt worden war, beim Finanzgericht Hamburg um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht.

5

2. In Bezug auf eine frühere Steueranmeldung der Antragstellerin vom 08.07.2011 für dasselbe Kernkraftwerk hat der beschließende Senat mit Beschluss vom heutigen Tag (Az. 4 V 154/13) deren Vollziehung aufgehoben. Der Senat verweist hinsichtlich des weiteren Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten auf den Inhalt jenes Beschlusses, ausgenommen die Ausführungen der Beteiligten, die sich auf die dortige Zulässigkeit des Antrags nach § 69 Abs. 6 FGO beziehen.

3.

6

Die Antragstellerin beantragt,

7

die Vollziehung der am 02.07.2013 angemeldeten und gezahlten Kernbrennstoffsteuer in Höhe von EUR 123.950.060 ohne Sicherheitsleistung für den Zeitraum ab Fälligkeit der angemeldeten Kernbrennstoffsteuer bis einen Monat nach Zustellung der Entscheidung über den Abschluss des Klageverfahrens aufzuheben.

8

Der Antragsgegner beantragt,

9

den Antrag abzulehnen,

10

hilfsweise

11

die Aufhebung der Vollziehung gegen Sicherheitsleistung anzuordnen.

12

4. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakte des Antragsgegners verwiesen.

II.

13

Der Antrag hat Erfolg.

14

1. Der Antrag ist nach § 69 Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig, insbesondere ist ein zunächst beim Antragsgegner gestellter Antrag auf Aufhebung der Vollziehung vom Antragsgegner abgelehnt worden, § 69 Abs. 4 FGO.

15

2. Der Antrag ist auch begründet, denn es bestehen gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2, 1. Alt. FGO ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steueranmeldung im Hinblick einerseits auf die Unionsrechtmäßigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes und andererseits auf dessen Verfassungsmäßigkeit:

16

In seinem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union vom 19.11.2013 hat der beschließende Senat dargelegt, welche Zweifel an der Unionsrechtmäßigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes bestehen. Für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist es hinreichend, dass es auf der Grundlage der Erwägungen des Vorabentscheidungsersuchens nicht auszuschließen ist, dass der Gerichtshof der Europäischen Union im Sinne der Antragstellerin entscheiden wird. Darüber hinaus sieht der beschließende Senat sogar eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass das Kernbrennstoffsteuergesetz jedenfalls gegen die Energiesteuerrichtlinie RL 2003/96/EG bzw. gegen die Verbrauchsteuersystemrichtlinie RL 2008/118/EG verstößt. Die Energiesteuerrichtlinie RL 2003/96/EG bezweckt eine Besteuerung des Verbrauchs nur im Bestimmungsland unter Vermeidung einer Mehrfachbesteuerung durch zusätzliche Besteuerung im Ursprungsland des Verbrauchsgutes. Die Mitgliedstaaten sind gemäß Art. 14 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/96/EG grundsätzlich verpflichtet, die bei der Stromerzeugung verwendeten "Energieerzeugnisse" von der Steuer zu befreien und (lediglich) den erzeugten Strom mit Energiesteuer zu belegen (sog. Output-Besteuerung). Auch wenn die zur Stromerzeugung eingesetzten Kernbrennstoffe im Anwendungskatalog von Art. 2 RL 2003/96/EG nicht genannt sind, gibt es nach Ansicht des Senats gute Gründe für die Annahme, dass sich die Steuerbefreiung der für die Stromerzeugung eingesetzten Stoffe auch auf die Kernbrennstoffe erstreckt.

17

Der beschließende Senat neigt andernfalls dazu, in der Kernbrennstoffsteuer eine indirekte Steuer auf elektrischen Strom gemäß Art. 1 RL 2008/118/EG zu erkennen, die deshalb unzulässig ist, weil sie im Unionsrecht nicht näher geregelt ist und sie nicht dem gemäß Art. 1 Abs. 2 RL 2008/118/EG beschränkten Steuerfindungsrecht der Mitgliedstaaten für indirekte Steuern auf verbrauchsteuerpflichtige Waren unterfällt.

18

Wegen der Einzelheiten der Begründung wird Bezug genommen auf den Inhalt des Vorabentscheidungsersuchens in der Sache 4 K 122/13 und - hier wie auch im Folgenden - auf die ausführliche Begründung des Senatsbeschlusses in der Parallelsache 4 V 154/13.

19

3. Nach Ansicht des Senats ist eine Aufhebung der Vollziehung daneben auch wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Kernbrennsteuergesetzes zu gewähren. Der Senat ist davon überzeugt, dass das Gesetz formell verfassungswidrig ist, weil die Kernbrennstoffsteuer keine Verbrauchsteuer im Sinne der finanzverfassungsrechtlichen Kompetenzregeln ist und dem Bund auch im Übrigen keine (alleinige) Gesetzgebungskompetenz zur Verfügung steht. Insoweit wird zusätzlich Bezug genommen auf den Vorlagebeschluss des Senats in der Sache 4 K 270/11.

20

4. Das Bestehen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Steueranmeldung verpflichtet zur Gewährung des begehrten vorläufigen Rechtsschutzes. Weitere Voraussetzungen sind nicht zu erfüllen.

21

Einzelne Senate des Bundesfinanzhofs fordern allerdings im Falle von Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Vorschrift zusätzlich ein berechtigtes Interesses an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (vgl. Beschluss vom 09.03.2012, VII B 171/11; Beschluss vom 27.05.2004, III B 127/03, m. w. N.), das allerdings unter anderem immer dann gegeben sein soll, wenn der Bundesfinanzhof die Vorschrift dem Bundesverfassungsgericht im Rahmen eines konkreten Normenkontrollverfahrens zu Überprüfung vorgelegt hat (vgl. BFH, Beschluss vom 21.11.2013, II B 46/13, unter Bezugnahme auf BFH, Beschluss vom 23.04.2012, III B 187/11; BFH, Beschluss vom 01.04.2010, II B 168/09). Nach Ansicht des beschließenden Senats kann für die Vorlage durch ein Finanzgericht nichts anderes gelten. Insofern liegt ein derart berechtigtes Interesse vor.

22

5. Eine Sicherheitsleistung ist nicht anzuordnen.

23

Die Anordnung einer Sicherheitsleistung gemäß § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO stellt eine Ausnahme vom Regelfall dar und setzt eine Gefährdung des Steueranspruchs voraus. Der insoweit darlegungspflichtige Antragsgegner behauptet keine gegenwärtige, sondern lediglich eine zukünftige Gefährdung. Er begründet seine Behauptung indes nicht hinreichend substantiiert, sondern mit eher spekulativen Erwägungen. Auch insoweit wird auf die ausführliche Begründung des Beschlusses 4 V 154/13 Bezug genommen.

24

6. Die Kosten des Verfahrens fallen dem Antragsgegner zur Last, § 135 Abs. 1 FGO.

25

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruht auf § 151 Abs. 1 Satz 1 FGO, § 151 Abs. 3 FGO analog, § 155 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

26

Der Senat lässt die Beschwerde gegen diesen Beschluss nach § 128 Abs. 3 Satz 1 FGO zu.

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(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für

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(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin begehrt die Aufhebung der Vollziehung einer Steueranmeldung betreffend Kernbrennstoffsteuer, wobei zwischen den Beteiligten kein Streit besteht über die zutreffende Anwendung des Kernbrennstoffsteuergesetzes vom 08.12.2010 (BGBl. I S. 1804 - KernbrStG -), sondern ausschließlich über die Frage, ob das Kernbrennstoffsteuergesetz selbst rechtmäßig ist.

2

A. 1. Die Antragstellerin betreibt von den neun ... gegenwärtig in Deutschland noch in Betrieb befindlichen Kernkraftwerken unter anderem das streitgegenständliche Kernkraftwerk in X. Sie ist im Besitz der dafür erforderlichen atomrechtlichen Genehmigung.

3

Am 16.06.2011 setzte die Antragstellerin Brennelemente in den Kernreaktor des Kernkraftwerks X ein und löste eine sich selbsttragende Kettenreaktion aus. In ihrer für den Monat Juni 2011 abgegebenen Steueranmeldung berechnete die Antragstellerin eine Steuer von EUR 96.347.570,-, die sie in der Folgezeit zunächst entrichtete.

4

2. Auf ihren vorläufigen Rechtsschutzantrag hob das Finanzgericht Hamburg mit Beschluss vom 16.09.2011 (4 V 133/11) die Vollziehung der Steueranmeldung ohne Sicherheitsleistung mit der Begründung auf, dass es ernstlich zweifelhaft sei, ob dem Bund für den Erlass der Kernbrennstoffsteuer eine Gesetzgebungskompetenz zustehe. Ob das Kernbrennstoffsteuergesetz im Übrigen verfassungs- und europarechtsgemäß sei, ließ der Senat dahingestellt.

5

Auf die vom Antragsgegner erhobene Beschwerde hob der Bundesfinanzhof mit Beschluss vom 09.03.2012 (VII B 171/11) den Beschluss des Finanzgerichts Hamburg vom 16.09.2001 auf und lehnte den Antrag auf Aufhebung der Vollziehung unter Hinweis darauf ab, dass im Streitfall die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in der praktischen Auswirkung einem einstweiligen Außerkraftsetzen des Kernbrennstoffsteuergesetzes gleich käme. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG stehe indes allein dem Bundesverfassungsgericht die Kompetenz zu, den Vollzug eines Gesetzes auszusetzen. Dass ihr durch die sofortige Vollziehung der angefochtenen Steueranmeldung irreparable Nachteile oder eine unzumutbare Härte drohen würden, habe die Antragstellerin nicht schlüssig vorgebracht. - Zu der von der Antragstellerin ebenfalls gerügten Europarechtswidrigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes verhält sich der Beschluss des Bundesfinanzhofs nicht.

6

3. Die Antragstellerin hatte bereits am 28.11.2011 Klage gegen die Steueranmeldung und die zwischenzeitlich ergangene Einspruchsentscheidung erhoben. Mit Beschluss vom 29.01.2013 (4 K 270/11) hat der beschließende Senat das Verfahren ausgesetzt und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob das Kernbrennstoffsteuergesetz mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb ungültig ist. Der Senat führt in seinem Beschluss aus, dass er zu der Überzeugung gelangt sei, das Kernbrennstoffsteuergesetz sei formell verfassungswidrig, weil dem Bund für die Einführung der Kernbrennstoffsteuer keine Gesetzgebungskompetenz zur Seite stehe. - Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Az.: 2 BvL 6/13) über die Vorlage des Senats steht noch aus.

7

B. In einem Parallelverfahren eines anderen Kernkraftwerksbetreibers hat der Senat zwischenzeitlich mit Beschluss 19.11.2013 (4 K 122/13) das Verfahren ebenfalls ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Auslegung des Unionsrechts im Wege der Vorabentscheidung vorgelegt:

8

1. Frage:

9

Berechtigt Art. 267 Satz 2 i. V. m. Satz 1 Buchst. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) das Gericht eines Mitgliedstaats, Fragen, die ihm im Zusammenhang mit der Rechtmäßigkeit eines nationalen Gesetzes über die Auslegung von Unionsrecht gestellt werden, auch dann dem Gerichtshof der Europäischen Union vorzulegen, wenn das Gericht nicht nur einerseits Zweifel an der Unionsrechtmäßigkeit des Gesetzes hat, sondern andererseits auch zur Überzeugung gelangt ist, das nationale Gesetz widerspreche der nationalen Verfassung, und deswegen in einem Parallelfall bereits das nach nationalem Recht allein zur Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen befugte Verfassungsgericht angerufen hat, dessen Entscheidung aber noch nicht vorliegt?

10

Sofern die 1. Frage bejaht wird, ersucht der Senat den Gerichtshof um die Beantwortung folgender Frage:

11

2. Frage:

12

Stehen die zur Harmonisierung von Verbrauchsteuern und für Energieerzeugnisse und elektrischen Strom in der Union erlassenen Richtlinien RL 2008/118/EG und RL 2003/96/EG der Einführung einer nationalen Steuer, die auf zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom verwendete Kernbrennstoffe erhoben wird, entgegen? Kommt es darauf an, ob erwartet werden kann, dass die nationale Steuer über den Strompreis auf den Verbraucher abgewälzt werden kann, und was ist gegebenenfalls unter Abwälzung zu verstehen?

13

Sofern die 2. Frage verneint wird, ersucht der Senat den Gerichtshof um die Beantwortung folgender Fragen:

14

3. Frage:

15

Kann sich ein Unternehmen gegen eine Steuer, die ein Mitgliedstaat zur Erzielung von Einnahmen auf die Verwendung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom erhebt, mit dem Einwand wehren, die Erhebung der Steuer stelle eine unionsrechtswidrige Beihilfe gemäß Art. 107 AEUV dar?

16

Sofern die vorstehende Frage bejaht wird:

17

Stellt das deutsche Kernbrennstoffsteuergesetz, nach dem zur Erzielung von Einnahmen eine Steuer nur von solchen Unternehmen erhoben wird, die gewerblich Strom unter Verwendung von Kernbrennstoffen erzeugen, eine staatliche Beihilfemaßnahme im Sinne des Art. 107 AEUV dar? Welche Umstände sind bei der Prüfung beachtlich, ob sich andere Unternehmen, bei denen Steuern nicht in gleicher Weise erhoben werden, in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden?

18

4. Frage:

19

Steht die Erhebung der deutschen Kernbrennstoffsteuer im Widerspruch zu den Regelungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (EAGV)?

20

Über das Vorabentscheidungsersuchen des Senats hat der Gerichtshof der Europäischen Union noch nicht entschieden (Az. EuGH C-5/14).

21

C. Am 28.11.2013 hat die Antragstellerin, nachdem ihr erneuter Antrag auf Aufhebung der Vollziehung der angemeldeten und gezahlten Kernbrennstoffsteuer vom Antragsgegner wiederum abgelehnt worden war, beim Finanzgericht Hamburg abermals um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht.

22

1. a) Sie begründet ihren Antrag zum einen mit der Europarechtswidrigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes. Das Gesetz stehe im Widerspruch zu europarechtlichen Vorschriften, insbesondere verstoße es

- gegen das in Art. 14 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/96/EG enthaltene Verbot einer Inputbesteuerung bei der Stromerzeugung,

- gegen das in Art. 1 RL 2008/118/EG enthaltene Verbot der Erhebung nicht harmonisierter Verbrauchsteuern auf Strom,

- gegen das EURATOM-Vertragsziel der preisgleichen Versorgung zur Sicherung eines wettbewerbsneutralen Bezuges der Brennelemente und regele eine europavertragswidrige Besteuerung von EURATOM,

- gegen EU-Beihilferecht.

23

Dass ernstliche Zweifel im Sinne von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO vorlägen, werde durch das Vorabentscheidungsersuchen des beschließenden Senats vom 19.11.2013 wegen klärungsbedürftiger unionsrechtlicher Rechtsfragen belegt. Zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes während des Vorabentscheidungsverfahrens bedürfe es - auch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - der Aufhebung der Vollziehung der Steueranmeldung.

24

Es sei nicht erforderlich, dass sie - die Antragstellerin - noch ein besonderes berechtigtes Interesse an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes geltend mache. Ein solches Interesse werde zwar von einigen Senaten des Bundesfinanzhofs für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal dann verlangt, wenn die Rechtmäßigkeit des Veraltungsaktes wegen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit des zugrunde liegenden Gesetzes in Frage gestellt werde. Begründet werde diese Forderung mit Blick auf das Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts und zum Schutz der öffentlichen Haushalte. Entsprechendes werde hingegen zu Recht weder in der Rechtsprechung noch im Schrifttum in Fällen von Zweifeln an der Europarechtsmäßigkeit eines Gesetzes verlangt. Es bestehe kein Verwerfungsmonopol bestimmter Gerichte für unionsrechtswidrige Gesetze. Der Gerichtshof der Europäischen Union lehne es auch prinzipiell ab, in einem bloßen Fiskalinteresse einen tragfähigen Rechtfertigungsgrund für eine Verletzung der Grundfreiheiten wie der Versagung von Eilrechtsschutz zu sehen.

25

b) Die Antragstellerin begründet ihren Antrag zum anderen mit der Verfassungswidrigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes. Das Gesetz sei formell und materiell verfassungswidrig, einerseits wegen mangelnder Gesetzgebungskompetenz des Bundes, andererseits wegen Verstoßes gegen die Grundrechte aus Art. 3 und 14 GG.

26

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs folge aus dem Umstand, dass ein Gericht dem Bundesverfassungsgericht eine Norm im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle zur Aufhebung vorgelegt habe, die Verpflichtung zur Gewährung der Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung des auf der Grundlage dieser Norm ergangenen Bescheids. Die Aussetzungs- bzw. Aufhebungspflicht sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht auf Vorlagen oberster Bundesgerichte beschränkt. Eine solche Beschränkung wäre rechtswidrig, denn sie würde das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzen. Außerdem würde dadurch ein Rechtssuchender, dessen Hauptsacheverfahren bereits durch ein Instanzgericht dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt worden sei, ungerechtfertigt gegenüber demjenigen diskriminiert, dessen Rechtsstreit erst am Ende des Instanzenzuges durch ein Bundesgericht dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werde.

27

c) Die Beschwerdeentscheidung des VII. Senats des Bundesfinanzhofs vom 09.03.2012 (VII B 171/11) stehe der Stellung eines neuen Antrags auf Aufhebung der Vollziehung nicht entgegen.

28

Zwar habe der Bundesfinanzhof in jenem Beschluss eine Aufhebung der Vollziehung zu ihren, der Antragstellerin, Gunsten abgelehnt. Es sei jedoch zu berücksichtigen, dass jener Entscheidung in rechtlicher Hinsicht ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen habe. Zum einen habe die mit der Beschwerde angegriffene Eilrechtsschutzgewährung durch das Finanzgericht lediglich auf Zweifeln an der formellen Verfassungsgemäßheit des Kernbrennstoffsteuergesetzes beruht, die zudem nur das Ergebnis einer vorläufigen Prüfung gewesen sei. Inzwischen liege mit dem Vorlagebeschluss des beschließenden Senats vom 29.01.2013 (FG Hamburg, 4 K 270/11, s. o.) eine gerichtliche Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes vor. Zum anderen stehe mit dem Vorabentscheidungsersuchen des beschließenden Senats vom 19.11.2013 (FG Hamburg, 4 K 122/13, s. o.) fest, dass die Europarechtmäßigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes ebenfalls zweifelhaft sei.

29

Die Beschwerdeentscheidung des Bundesfinanzhofs vom 09.03.2012 sei richtigerweise so zu verstehen, dass Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung eines Bescheids im Hinblick auf eine Verfassungswidrigkeit des zugrunde liegenden Gesetzes zwar grundsätzlich zu versagen sei, dies jedoch nicht gelte, wenn entweder ein derart offenkundiger Verfassungsverstoß gegeben sei, dass das Gesetz die formelle Verfassungswidrigkeit auf der Stirn trage, oder - sofern ein Vorlagebeschluss nach Art. 100 Abs. 1 GG noch nicht vorliege - die Vollziehung des Bescheids für den Steuerpflichtigen einen wesentlichen Nachteil darstelle. Es sei nicht davon auszugehen, dass der Entscheidung des VII. Senats ein noch restriktiveres Verständnis des § 69 FGO zugrunde liege, zumal der VII. Senat keinen Anlass gesehen habe, den Großen Senat des Bundesfinanzhofs (§ 11 Abs. 2 FGO) anzurufen, wozu er anderenfalls im Hinblick auf eine dann festzustellende Abweichung seines Beschlusses von der Rechtsprechung anderer Senate verpflichtet gewesen wäre.

30

d) Sie - die Antragstellerin - ist auch der Ansicht, dass ihr einstweiliger Rechtsschutz ohne Sicherheitsleistung zu gewähren sei. Unstreitig gebe es aktuell keine Anzeichen, dass sie im gegenwärtigen Zeitpunkt die Steuer nicht mehr entrichten könne. Allgemeine Erwägungen über die Möglichkeit einer Vermögensverschlechterung bis zur Entscheidung in der Hauptsache rechtfertigten die Anordnung einer Sicherheitsleistung nicht. Sie weist darauf hin, dass bereits aufgrund der Bedingungen für die Erteilung einer kerntechnischen Genehmigung nach § 7c Abs. 2 Atomgesetz bei ihr als Genehmigungsinhaberin das Vorhalten angemessener finanzieller Mittel zur Erfüllung ihrer Pflichten in Bezug auf die nukleare Sicherheit gewährleistet und damit zugleich ihre steuerliche Leistungsfähigkeit gegeben sei. Die Eigenkapitalquote des Genehmigungsinhabers sei nicht ausschlaggebend. Zu berücksichtigen sei im Übrigen zu ihren Gunsten, dass sie in den Y-Konzern, der zum 31.12.2012 ein Eigenkapital von über EUR ... Mio. aufgewiesen habe, eingebunden sei und dass diese Einbindung auch eine Verlustübernahmeverpflichtung beinhalte. Allein aus seinem Teilgeschäft mit der Weiterleitung von Energie erziele der Konzern jährlich ein "EBITDA" ("earnings before interest, taxes, depreciation and amortization" = "Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen (auf Sachanlagen) und Abschreibungen (auf immaterielle Vermögensgegenstände)") von über EUR ... Mio., mithin ein Betrag, der für sich bereits die jährlichen Kernbrennstoffsteuerforderungen übersteige. Die Antragstellerin weist darauf hin, dass die Bundesregierung selbst keine Zweifel an einem Einstehen des Konzerns habe, wie sich aus ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage im November 2011 nach den Stilllegungs- und Abbaukosten von Kernkraftwerken im Fall der Insolvenz der Betreiber ergebe, in der die Bundesregierung ohne weitere Begründung auf die Haftung der vier großen Energieversorger Deutschlandes verwiesen habe, zu denen auch die Y SE gehöre.

31

Die Antragstellerin beantragt, die Vollziehung der am 08.07.2011 angemeldeten und gezahlten Kernbrennstoffsteuer in Höhe von EUR 96.347.570 ohne Sicherheitsleistung für den Zeitraum ab Fälligkeit der angemeldeten Kernbrennstoffsteuer bis einen Monat nach Zustellung der Entscheidung über den Abschluss des Klageverfahrens aufzuheben.

32

2. Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen,

33

hilfsweise die Aufhebung der Vollziehung gegen Sicherheitsleistung anzuordnen.

34

Der Antragsgegner hält den Antrag für unzulässig und unbegründet.

35

a) Da im vorliegenden Rechtsstreit durch den Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 09.03.2012 (VII B 171/11) einstweiliger Rechtsschutz bereits unanfechtbar versagt worden sei, könne der vorliegende Antrag nur auf der Grundlage von § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO zulässig sein, dessen Voraussetzungen allerdings nicht erfüllt seien. Gegenstand der allein in Betracht kommenden Beschlüsse des Finanzgerichts Hamburg über die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht und das Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union seien lediglich die im damaligen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof bereits vorgetragenen und bekannten Aspekte; die zeitlich späteren Beschlüsse des Finanzgerichts Hamburg vertieften lediglich die seinerzeitigen rechtliche Erwägungen.

36

b) Der Antrag sei zudem unbegründet.

37

Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Vereinbarkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes mit Vorschriften höherrangigen Rechts. Von ernstlichen Zweifeln im Sinne von § 69 FGO könne nur dann die Rede sein, wenn das Obsiegen des Betroffenen im Hauptsacheverfahren mindestens ebenso wahrscheinlich sei wie sein Unterliegen.

38

Der Umstand, dass überhaupt ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet worden sei, begründe für sich keine derart qualifizierten Zweifel, denn formelle Voraussetzung eines Vorabentscheidungsersuchens sei lediglich die bloße Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage. Die von der Antragstellerin und dem Finanzgericht Hamburg vorgetragenen Bedenken würden indes durch eine Vielzahl gewichtiger Argumente ausgeräumt.

39

Insbesondere sei die Richtlinie RL 2003/96/EG wegen ihres Wortlauts nicht direkt, aber auch nicht analog anwendbar, weil der Grundsatz der schrittweisen Harmonisierung einer Anwendungsanalogie entgegenstehe. Im Übrigen ergebe sich aus der Systematik der Richtlinie, ihren Zielen und ihrer Entstehungsgeschichte unter Berücksichtigung des Willens der EU-Kommission und der Mitgliedstaaten, dass Kernbrennstoffe von der Richtlinie RL 2003/96/EG bewusst ausgeschlossen worden seien. Der Anwendungsbereich der Energiesteuerrichtlinie RL 2003/96/EG werde auch nicht durch die Verbrauchsteuersystemrichtlinie RL 2008/118/EG erweitert. Kernbrennstoffe unterfielen nicht den harmonisierten Verbrauchsteuern. Anders als das Finanzgericht Hamburg in seinem Vorabentscheidungsersuchen erwäge, handele es sich bei der Kernbrennstoffsteuer auch nicht um eine direkte oder indirekte Steuer auf elektrischen Strom, denn die Kernbrennstoffsteuer sei sowohl bei der Entstehung als auch bei der Berechnung unabhängig von der tatsächlich verbrauchten und verbrauchsteuerpflichtigen Strommenge. Weiterhin ergäben sich auch keine ernstlichen Zweifel an der Vereinbarkeit der Kernbrennstoffsteuer mit dem europäischen Beihilferecht und mit den Vorschriften über die europäische Atomgemeinschaft.

40

Die gegen die Verfassungsmäßigkeit vorgetragenen Argumente überzeugten gleichfalls nicht.

41

c) Im Übrigen müsse bei der Anwendung des in § 69 FGO normierten Anordnungsermessens selbst im unterstellten Fall des Bestehens ernstlicher Zweifel an der Vereinbarkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes mit höherrangigem Recht berücksichtigt werden, dass ein atypischer Fall vorliege, weil es nicht allein um eine möglicherweise fehlerhafte Rechtsanwendung der Verwaltung, sondern um die Gesetzesentscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers gehe. Die dementsprechend vorzunehmende Abwägung von Aussetzungsinteresse einerseits und Vollzugsinteresse andererseits sei bereits durch den Bundesfinanzhof in seinem Beschluss vom 09.03.2012 vorgenommen und vorläufiger Rechtsschutz zu Recht versagt worden. Dass dies nicht nur im Hinblick auf verfassungs-, sondern auch in Bezug auf unionsrechtliche Fragen gelte, ergebe sich aus der Grundsatzentscheidung des Großen Senats des Gerichtshofs bei der Europäischen Union vom 13.06.2006 in der Rechtssache Unibet (C-432/05).

42

d) Einstweiliger Rechtsschutz sei gegebenenfalls nur gegen Sicherheitsleistung zu gewähren, weil die Durchsetzung des Steueranspruchs aufgrund konkreter Anhaltspunkte gefährdet wäre, falls die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren unterliege.

43

Zwar habe die Antragstellerin bislang alle Steuerforderungen beglichen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage einer Gefährdung sei jedoch der Abschluss des Hauptsacheverfahrens. Da aller Voraussicht nach in dem Hauptsacheverfahren eine rechtskräftige Entscheidung erst in drei Jahren zu erwarten sei, gerechnet ab dem Erlass des Vorabentscheidungsersuchens durch den beschließenden Senat, müsse die Gefährdungsprognose die bis dahin zu erwartenden Entwicklungen mitberücksichtigen.

44

Dabei sei zu bedenken, dass die Antragstellerin über verhältnismäßig wenig Eigenkapital verfüge. Die Antragstellerin habe im letzten veröffentlichen Jahresabschluss zum 31.12.2012 Eigenkapital von nur rund EUR ... Mio. ausgewiesen. Ihre Eigenkapitalquote habe damit weniger als 2 % der Bilanzsumme betragen und damit unter den in der Energiewirtschaft üblichen 40 % gelegen.

45

Für die Zukunft bestünden erhebliche Risiken im Hinblick auf hohe Kosten für die Entsorgung von Brennelementen und für die Stilllegung und Beseitigung von nuklearen Anlagen. Die Antragstellerin habe hierfür Rückstellungen in Höhe von über EUR ... Mio. und über EUR ... Mio. gebildet. Soweit sich diese Kosten gegenüber den Schätzungen auch nur verhältnismäßig geringfügig erhöhen sollten, wäre die Deckung der Mehrkosten durch das geringe Eigenkapital kaum darstellbar. Zudem bestehe aufgrund des anhaltend niedrigen Zinsniveaus ein Korrekturbedarf nach Erhöhung der Rückstellungen. Ein weiterer Korrekturbedarf könne sich auch aus der zu erwartenden gesetzlichen Neubewertung der Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle bis 2016 ergeben.

46

Zu berücksichtigen sei die Höhe der Kernbrennstoffsteuerforderungen; die Antragstellerin schulde nicht nur die in diesem Verfahren streitgegenständliche Steuer, sondern für die bereits abgelaufene Zeit bis zum Ende des Jahres 2013 allein oder als Gesamtschuldner insgesamt Kernbrennstoffsteuer in Höhe von rund EUR ... Mio. Zudem entstehe zu Lasten der Antragstellerin zukünftig jährlich weitere Kernbrennstoffsteuer in Höhe von rund EUR ... Mio. Sollte einstweiliger Rechtsschutz gewährt werden, die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren in geschätzten drei Jahren aber unterliegen, müsste sie eine Steuerschuld von bis zu EUR ... Mio. zuzüglich Zinsen von 6 % pro Jahr zahlen.

47

Zusammenfassend bestehe daher ein erhebliches Risiko, dass die Antragstellerin im Falle einer Aufhebung und Aussetzung der Vollziehung bei einer Entscheidung der Hauptsache im Jahr 2016 für die dann aufgelaufenen Steuerschulden nicht werde einstehen können, zumal die wirtschaftliche Entwicklung der Antragstellerin vor dem Hintergrund der Energiewende unsicher sei.

48

Auf die Leistungsfähigkeit der Konzernmutter der Antragstellerin komme es rechtlich nicht an. Außerdem könne die Konzernstruktur, aus der sich nach Ansicht der Antragstellerin eine Haftung der Konzernmutter ergeben solle, jährlich geändert werden. Selbst wenn es eine Einstandspflicht der Konzernmutter geben würde, wäre eine die geforderte Sicherheitsleistung rechtfertigende Steueranspruchsgefährdung gegeben, denn auch die Wirtschaftslage der Konzernmutter habe sich - zum Teil aus denselben Gründen wie bei der Antragstellerin - bereits in einem im Verhältnis zu der Höhe der in Rede stehenden Kernbrennstoffsteuerforderungen gegen sämtliche Konzerngesellschaften wesentlichen Maß verschlechtert und es drohe eine noch weitere Verschlechterung.

49

D. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakte des Antragsgegners verwiesen.

Entscheidungsgründe

II.

50

Der Antrag hat Erfolg. Er ist gemäß § 69 Abs. 6 Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig (1) und gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO begründet. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Unionsrechtmäßigkeit (2) und an der Verfassungsmäßigkeit (3) der angefochtenen Steueranmeldung. Weitere Voraussetzungen sind für die Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes im Hinblick auf die unionsrechtlichen Zweifel nicht erforderlich (4a) bzw. im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Zweifel jedenfalls nunmehr gegeben (4b).

51

Eine Sicherheitsleistung ist nicht anzuordnen (5).

52

Die Beschwerde ist zuzulassen (6).

53

1. Der Antrag ist als Änderungsantrag gemäß § 69 Abs. 3, Abs. 6 FGO zulässig.

54

Das Gericht der Hauptsache kann nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO auf Antrag die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Da die Entscheidung des Gerichts über einen Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO nicht in materielle Rechtskraft erwächst, kann das Gericht nach § 69 Abs. 6 Satz 1 FGO Aussetzungsbeschlüsse über Anträge nach § 69 Abs. 3 FGO jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen (§ 69 Abs. 6 Satz 2 FGO). Es steht dem Antragsteller frei, jederzeit einen neuen Antrag zu stellen. Die Zulässigkeit eines solchen Folgeantrags ist allerdings an die Voraussetzungen des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO gebunden.

55

a) Die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO sind im Streitfall erfüllt.

56

Nach dieser Vorschrift ist die Zulässigkeit des Antrags entweder von veränderten Umständen (§ 69 Abs. 6 Satz 2 Alt. 1 FGO) oder von zwar unveränderten Umständen abhängig, die aber im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemacht worden sind (§ 69 Abs. 6 Satz 2 Alt. 2 FGO). "Umstände" in diesem Sinne können Tatsachen und Beweismittel sein, die nach Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung entstanden oder bekannt geworden sind. Dasselbe gilt, wenn eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage inzwischen höchstrichterlich (anders) entschieden worden oder inzwischen ein die entscheidungserhebliche Rechtsfrage betreffender Vorlagebeschluss ergangen ist (vgl. BFH, Beschluss vom 21.10.2013, V B 68/13; Koch, in: Gräber, FGO, 7. Aufl., § 69 Rz 199; Seer, in: Tipke/Kruse, AO und FGO, § 69 FGO Rz 166, jeweils m. w. N.).

57

Vorliegend kann sich die Antragstellerin auf in zweifacher Hinsicht veränderte Umstände im Sinne des § 69 Abs. 6 Satz 2 Alt. 2 FGO berufen, die ihren erneuten vorläufigen Rechtsschutzantrag zulassen. Diese veränderten Umstände liegen zum einen darin, dass der beschließende Senat das Kernbrennstoffsteuergesetz zwischenzeitlich mit Beschluss vom 29.01.2013 (4 K 270/11) dem Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes vorgelegt hat. Zum anderen haben sich die Umstände zusätzlich dadurch verändert, dass der beschließende Senat zwischenzeitlich auch für dieses Verfahren entscheidungserhebliche Rechtsfragen im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt hat (Beschluss vom 19.11.2013, 4 K 122/13). Für die Zulässigkeit des Antrags ist dabei ohne Bedeutung, inwieweit diese Beschlüsse jeweils in dem Hauptsacheverfahren der Antragstellerin gegen die auch im vorliegenden Antragsverfahren streitgegenständliche Steueranmeldung ergangen ist oder aber in einem Parallelverfahren der Antragstellerin oder eines anderen Betreibers eines Kernkraftwerkes. So wie die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes sämtliche Anfechtungsverfahren gegen Anmeldungen bzw. Festsetzungen von Kernbrennstoffsteuer betrifft, so sind die vom Senat dem Europäischen Gerichthof vorgelegten unionsrechtlichen Zweifelsfragen in gleicher Weise auch für den Ausgang der von der Antragstellerin gegen die streitgegenständliche Steueranmeldung erhobenen Anfechtungsklage entscheidungserheblich.

58

Ob für die Zulässigkeit eines Antrags gemäß § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO eine erneute behördliche Ablehnung gemäß § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO erforderlich ist, kann dahinstehen, weil die Antragstellerin am 25.06.2013 einen erneuten Antrag beim Antragsgegner gestellt hatte, den dieser am 19.08.2013 abgelehnt hat.

59

b) Unbeschadet der vorstehenden Darlegungen nimmt der beschließende Senat den von der Antragstellerin gestellten (erneuten) vorläufigen Rechtsschutzantrag zum Anlass, den in der Sache 4 V 133/11 ergangenen und zwischenzeitlich vom Bundesfinanzhof im Beschwerdeverfahren VII B 171/11 aufgehobenen Beschluss von Amts wegen gemäß § 69 Abs. 6 Satz 1 FGO zu ändern. Die Änderung des die Aussetzung der Vollziehung ablehnenden BFH-Beschlusses von Amts wegen ist ebenfalls in zweifacher Hinsicht sachgerecht. Zum einen, weil der Senat - nachdem er in den ersten Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes zunächst wegen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes gewährt hat, die der Bundesfinanzhof in seinen Aufhebungsbeschlüssen nicht in Abrede genommen hat - nunmehr die Frage der formellen Verfassungsmäßigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes dem Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle aufgrund ausführlich dargelegter Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes zur Entscheidung vorgelegt hat. Zum anderen ist die Änderung durch den Senat von Amts wegen aber auch deswegen sachgerecht, weil er auch den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV zur Auslegung der entscheidungserheblichen unionsrechtlichen Zweifelsfragen angerufen hat, und die von der Antragstellerin in Bezug auf das Kernbrennstoffsteuergesetz vorgebrachten europarechtlichen Einwände nicht Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens waren.

60

c) Das Finanzgericht Hamburg ist für einen erneuten Antrag der Antragstellerin zuständig.

61

Zuständig für die Änderung oder Aufhebung eines Beschlusses gemäß § 69 Abs. 6 FGO ist als Gericht der Hauptsache regelmäßig das Finanzgericht. Wegen der eingeschränkten Kompetenzen eines Beschwerdegerichts ist das Finanzgericht auch dann für die Entscheidung nach § 69 Abs. 6 FGO zuständig, wenn der Bundesfinanzhof bereits über eine Beschwerde nach § 128 Abs. 3 FGO gegen eine frühere Entscheidung des Finanzgerichts zum vorläufigen Rechtsschutz entschieden hat, selbst wenn seine Entscheidung von der des Finanzgerichts abweicht (Seer in Tipke/Kruse Abgabenordnung Finanzgerichtsordnung, FGO § 69, Rdnr. 164 unter Hinweis auf BFH, Beschluss vom 25.03.1993, I S 5/93). Eine Bindung des Finanzgerichts an die Beschwerdeentscheidung gibt es im Rahmen von § 69 Abs. 6 FGO nicht (BFH, Beschluss vom 26.03.1980, I B 11/80).

62

Zu einer Zuständigkeitsverlagerung auf den Bundesfinanzhof kann es nur kommen, wenn die Hauptsache inzwischen beim Bundesfinanzhof anhängig ist (Seer in Tipke/Kruse Abgabenordnung Finanzgerichtsordnung, FGO § 69, Rdnr. 164 unter Hinweis auf BFH, Beschluss vom 28.08.2003, VIII S 26/02; BFH, Beschluss vom 26.09.2008, VIII B 37/08; vgl. auch BFH, Beschluss vom 13.10.1999, I S 4/99 m. w. N), was hier nicht der Fall ist.

63

Eine Zuständigkeitsverlagerung auf das Bundesverfassungsgericht infolge der Vorlage des Hauptsacheverfahrens gemäß Art. 100 Abs. 1 GG erfolgt nicht.

64

2. Die materiellen Voraussetzungen für eine Aufhebung der Vollziehung sind zunächst im Hinblick auf das Unionsrecht gegeben.

65

a) Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Gericht auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes aussetzen oder aufheben, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder - was vorliegend nicht in Betracht kommt und auch von der Antragstellerin nicht geltend gemacht wird - seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

66

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn und soweit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund der präsenten Beweismittel, des unstreitigen Sachverhalts und der gerichtsbekannten Tatsachen erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich der Verwaltungsakt bei abschließender Klärung dieser Fragen als rechtswidrig erweisen kann (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. nur Beschluss vom 03.04.2013, V B 125/12; Beschluss vom 26.09.2007, I B 53, 54/07; Beschluss vom 30.10.2008, II B 58/08, Beschluss vom 02.04.2009, II B 157/08, jeweils m. w. N.). Zur Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (BFH, Beschluss vom 03.04.2013, V B 125/12). Ist die Rechtslage nicht eindeutig, so ist im summarischen Verfahren nicht abschließend zu entscheiden, sondern es ist im Regelfall die Vollziehung auszusetzen (BFH, Beschluss vom 13.03.2012, I B 111/11; Beschluss vom 19.05.2010, I B 191/09).

67

b) Vorliegend bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Steueranmeldung, weil nach Ansicht des beschließenden Senats die Europarechtmäßigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes zweifelhaft ist.

68

aa) Der Senat kann unentschieden lassen, ob es für die Annahme ernstlicher Zweifel bereits ausreicht, dass ein Vorabentscheidungsersuchen beim Gerichtshof der Europäischen Union anhängig ist, dessen Beantwortung für die Entscheidung des Streitfalls erheblich ist. Ernstliche Zweifel sind jedenfalls dann anzunehmen, wenn es sich nicht ausschließen lässt, dass der Gerichtshof der Europäischen Union im Sinne des Antragsstellers entscheiden wird (so BFH, Beschluss vom 05.05.1994, V S 11/93). Es reicht, dass im Hinblick auf ein streiterhebliches Vorabentscheidungsersuchen die Möglichkeit besteht, dass der Gerichtshof der Europäischen Union eine Verletzung von Unionsrecht bejahen wird (BFH, Beschluss vom 24.03.1998, I B 100/97).

69

Zur Rechtfertigung der Annahme begründeter Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids genügt allerdings, dass dem Gericht des Eilverfahrens die Aussetzung des Hauptsacheverfahrens zur Vorabentscheidung - im Eilverfahren ist ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nicht statthaft - geboten erscheint, falls der Ausgang des Vorabentscheidungsverfahrens nicht vorhersehbar ist und insoweit von einer Unentschiedenheit in der Beurteilung der Rechtslage auszugehen ist oder von ihr jedenfalls ausgegangen werden kann (BFH, Beschluss v. 25.09.2008, XI S 4/08; dem folgend FG Düsseldorf, Beschluss vom 13.02.2009, 4 V 3976/08 A(Z)).

70

Nur soweit ein Gericht - bei Anhängigkeit eines erheblichen Vorabentscheidungsersuchens eines anderen Gerichts - zu dem Ergebnis kommt, dass seiner Ansicht nach keinerlei Zweifel daran bestehen, dass eine Auslegung des Unionsrechts ergibt, dass der streitgegenständliche Bescheid nicht unionsrechtswidrig ist, das Gericht also ausschließen kann, dass der Gerichtshof der Europäischen Union im Sinne des Antragsstellers entscheiden wird, ist es nicht zur Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz verpflichtet, sondern kann ihn trotz der Anhängigkeit eines Vorabentscheidungsersuchens in der maßgeblichen Frage versagen (vgl. im Ergebnis Hessisches FG, Beschluss vom 17.05.2013, 1 V 337/13; FG Münster, Beschluss vom 18.01.2013, 5 V 3800/12U; unklar FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.05.2012, 14 V 3826/11, das die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz im Wesentlichen durch einen Hinweis auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs begründet).

71

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist vorliegend davon auszugehen, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Steueranmeldung bestehen.

72

In seinem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union hat der Senat das Bestehen von Zweifeln an der Unionsrechtmäßigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes begründet. Der Senat nimmt Bezug auf den gesamten Inhalt seines Vorabentscheidungsersuchens vom 19.11.2013, aus dem sich ergibt, dass der beschließende Senat es für möglich hält, dass das Unionsrecht in einer Weise auszulegen ist, das der Einführung der Kernbrennstoffsteuer entgegensteht. Auf der Grundlage dieser Erwägungen ist es nach Ansicht des Senats jedenfalls nicht auszuschließen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union im Sinne der Antragstellerin entscheiden wird.

73

bb) Darüber hinaus - worauf es allerdings nach dem Ausgeführten nicht mehr entscheidend ankommt - hält es der beschließende Senat im Hinblick auf das im Vorabentscheidungsersuchen angesprochene Richtlinienrecht überdies sogar für wahrscheinlich, dass das Kernbrennstoffsteuergesetz jedenfalls gegen die Energiesteuerrichtlinie RL 2003/96/EG bzw. gegen die Verbrauchsteuersystemrichtlinie RL 2008/118/EG verstößt und die Steueranmeldung der Antragstellerin damit nicht rechtmäßig ist.

74

Nach dem Ergebnis der Prüfung des Senats spricht einiges dafür, dass die zur Harmonisierung von Verbrauchsteuern und für Energieerzeugnisse und elektrischen Strom in der Union erlassenen Richtlinien RL 2008/118/EG und RL 2003/96/EG der Einführung einer nationalen Steuer, die auf zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom verwendete Kernbrennstoffe erhoben wird, entgegen stehen.

75

(1) Gemäß Art. 14 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/96/EG sind die Mitgliedstaaten grundsätzlich verpflichtet, die bei der Stromerzeugung verwendeten "Energieerzeugnisse" von der Steuer zu befreien. Im Sinne einer "Output-Besteuerung" wird im Anwendungsbereich der Richtlinie RL 2003/96/EG also insoweit lediglich der erzeugte Strom der Energiesteuer unterworfen, es werden aber nicht die hierfür verwendeten "Energieerzeugnisse" besteuert mit dem Ziel, das dem Verbrauchsteuerregime der Union insgesamt zugrunde liegende Prinzip einer Besteuerung des Verbrauchers nur im Bestimmungsland unter Vermeidung einer Mehrfachbesteuerung durch zusätzliche Besteuerung im Ursprungsland des Verbrauchsgutes zu verwirklichen (vgl. zum Konzept der Output-Besteuerung im Rahmen der Harmonisierung der Strombesteuerung Jatzke, ZfZ 2010, 278, 281 m. w. N, vgl. insbes. Kube, IStR 2012, 553, 555, m. w. N., u. a. unter Bezugnahme des Vorschlags für eine Richtlinie des Rates zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen vom 12.03.1997, KOM (97) 30, S. 5).

76

Der Unionsgesetzgeber hat in Art. 2 Abs. 1 RL 2003/96EG zur Bestimmung des Anwendungsbereichs dieser Richtlinie einen Katalog von Waren aufgelistet, die als Energieerzeugnisse im Sinne dieser Richtlinie gelten. Kernbrennstoffe sind in diesem Katalog nicht enthalten und damit nach dem (reinen) Wortlaut dieser Vorschrift keine Energieerzeugnisse im Sinne der Richtlinie, zumal sie auch unter keine der in Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 und 3 RL 2003/96/EG enthaltenen Erweiterungen zu subsumieren sind (vgl. Jatzke, ZfZ 2010, 278, 281; Kube, IStR 2012, 553, 555 f.). Dass die Anwendung der zitierten Vorschrift bzw. des Prinzips der Output-Besteuerung auf Atomstrom überhaupt ausgeschlossen ist, also keine Pflicht der Mitgliedstaaten zur Steuerbefreiung für die zur Erzeugung von Atomstrom eingesetzten Kernbrennstoffe besteht, ist allerdings unionsrechtlich zweifelhaft. Denn es sprechen gewichtige Gründe dafür, zu erwägen, ob die RL 2003/96/EG oder jedenfalls die Regelung in Art. 14 Abs. 1 RL 2003/96/EG gleichwohl, etwa im Wege der Analogie, auf Kernbrennstoffe angewendet werden kann (so Kube, IStR 2012, 553, 556; auch Jatzke, ZfZ 2010, 278, 281 erwägt die Anwendung von Art. 14 Abs. 1 RL 2003/96 EG auf die Stromerzeugung mittels Kernbrennstoffen, verneint sie allerdings im Ergebnis).

77

Argumente für eine solche Anwendung sind den Gesetzesmaterialien der Richtlinie zu entnehmen, so dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen vom 12.03.1997, KOM (97) 30, S. 5 (vgl. im Einzelnen Kube, IStR 2012, 553, 556) sowie dem Bericht des Europäischen Parlaments über den Entwurf einer Richtlinie des Rates zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom vom 11.09.2003 (A5-0302/2003). In diesem Bericht ist festgehalten, der Rat habe sich auf eine "umfassende Richtlinie zur Energiebesteuerung geeinigt ..., die alle Energieformen umfasst". Diese Feststellung spricht gegen die Annahme, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Katalog in Art. 2 RL 2003/96/EG die Kernkraft bewusst aus dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie habe ausnehmen wollen und dass der Aufzählung der Energieerzeugnisse eine abschließende Bedeutung zukommen solle. Zwar könnte der Umstand, dass in die sodann verabschiedete Richtlinie entgegen der in dem zitierten Bericht angestrebten Erfassung aller Energieformen die Atomkraft nicht ausdrücklich aufgenommen worden ist, für eine Meinungsänderung der Organe sprechen. Die Nichtaufnahme könnte sich jedoch ebenso damit erklären lassen, dass eine ausdrücklich Regelung der Geltung der Output-Besteuerung auch für Atomstrom deswegen für nicht erforderlich erachtet wurde, weil die Kernbrennstoffe mit dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (EAGV) bereits einem Sonderregime unterworfen sind, aufgrund dessen sie als im Eigentum der Europäischen Atomgemeinschaft stehend (Art. 86 EAGV) nicht am normalen Handels- und Warenverkehr teilnehmen und daher auch zu keiner Zeit in einen freien Verkehr gelangen, was jedoch regelmäßig Anknüpfungspunkt für die Erhebung von Verbrauchsteuern ist (vgl. etwa RL 2008/118/EG, 8. Erwägungsgrund).

78

Nach Ansicht des beschließenden Senats kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Richtlinienrecht, das im Zuge schrittweiser Harmonisierung erlassen wird, einer erweiternden Auslegung oder Analogie in keinem Fall zugänglich ist, wie der Antragsgegner meint (zur Zulässigkeit eines Analogieschlusses Kube, IStR 2012, 553, 556).

79

Vor diesem Hintergrund sieht der beschließende Senat über das für die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz hinreichende Bestehen von Zweifeln hinaus eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Beantwortung der dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegten Auslegungsfragen im Sinne der Antragstellerin beantwortet werden; eine die Zweifelsfragen weiter vertiefende Prüfung ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht angezeigt.

80

(2) Sofern die Besteuerung der Kernbrennstoffe nicht bereits infolge einer Anwendbarkeit der RL 2003/96/EG ausgeschlossen ist, spricht nach Ansicht des beschließenden Senats einiges dafür, dass ihr jedenfalls die durch RL 2008/118/EG erfolgte Harmonisierung von Verbrauchsteuern entgegensteht.

81

Diese Richtlinie legt gemäß ihrem Art. 1 Abs. 1 ein allgemeines System für die Verbrauchsteuern fest, die mittelbar oder unmittelbar auf den Verbrauch der dort aufgeführten und als "verbrauchsteuerpflichtige Waren" definierten Waren, nämlich neben den Energieerzeugnissen und elektrischem Strom gemäß RL 2003/96/EG noch auf Alkohol und alkoholische Getränke sowie Tabakwaren, erhoben werden.

82

Der beschließende Senat neigt dazu, dass die Kernbrennstoffsteuer als eine im Sinne von Art. 1 RL 2008/118/EG indirekte Steuer auf elektrischen Strom anzusehen ist (a) und dass durch Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 RL 2008/118/EG das Steuerfindungsrecht der Mitgliedstaaten für indirekte Steuern auf verbrauchsteuerpflichtige Waren beschränkt wird (b).

83

(a) Der beschließende Senat hält es für möglich, dass der Begriff der indirekten Steuern in Art. 1 Abs. 2 RL 2008/118/EG so auszulegen ist, dass die Kernbrennstoffsteuer, deren Erhebungstatbestand an das Verwenden von Kernbrennstoffen bei der gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom anknüpft, auch als indirekte Steuer auf elektrischen Strom im Sinne der Richtlinie zu qualifizieren ist.

84

Der Begriff der indirekten Steuern ist im Unionsrecht nicht legal definiert. Für die Annahme, dass es sich bei der Kernbrennsteuer um eine indirekte Steuer im Sinne der Richtlinie handelt, spricht Folgendes:

85

(aa) In Art. 4 Abs. 2 RL 2003/96/EG - einer in einem engen Regelungszusammenhang mit der Verbrauchsteuersystemrichtlinie RL 2008/118/EG stehenden Vorschrift (s. Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 RL 2008/118/EG) - wird der "Steuerbetrag" als die Gesamtheit der als indirekte Steuern erhobenen Abgaben definiert, die zum Zeitpunkt der Überführung in den freien Verkehr direkt oder indirekt anhand der Menge an Energieerzeugnissen und elektrischem Strom berechnet werden. Dies spricht nach Ansicht des Senats dafür, dass indirekte Steuern auf elektrischen Strom auch im Sinne der Verbrauchsteuersystemrichtlinie RL 2008/118/EG alle diejenigen Steuern sind, deren Höhe sich jedenfalls indirekt nach der Menge des erzeugten und an die Konsumenten abgegebenen elektrischen Stroms bestimmt und somit hierzu proportional sind (so wohl auch Kube, IStR 2012, 553, 554).

86

Das Verhältnis zwischen Kernbrennstoffsteuer einerseits und erzeugtem bzw. abgegebenem Strom andererseits ist zwar nicht streng proportional, denn die Menge des in einem Kernkraftwerksreaktor nach dem Einsetzen von Brennelementen erzeugten Stroms ergibt sich nicht unmittelbar aus der Menge der Kernbrennstoffe, sondern kann nach dem unbestrittenen Vortrag der Antragstellerin je nach Art des eingesetzten Kernbrennstoffs und seiner Beschaffenheit schwanken und hängt auch von dem zwischen verschiedenen Kraftwerken differierenden Wirkungsgrad des Reaktors ab. Daraus ergibt sich aber zugleich, dass sich das Verhältnis zwischen Kernbrennstoffsteuer einerseits und erzeugtem bzw. abgegebenem Strom andererseits regelmäßig einer Proportionalität annähert.

87

Der Senat neigt dem Verständnis zu und hält es durchaus für möglich, dass, um von einer indirekten Steuer auf Strom im Sinne der Verbrauchsteuerrichtlinie RL 2008/118/EG zu sprechen, zwar eine gewisse Proportionalität der Steuer zur Menge des Stroms grundsätzlich erforderlich ist, insoweit aber eine bloß ungefähre Proportionalität ausreicht. Unter Berücksichtigung des Richtlinienziels der Harmonisierung dürften unwesentliche Ungenauigkeiten in der Steuerbemessung ohne Bedeutung sein. Bei Maßgeblichkeit einer strengen Proportionalität bestünde ansonsten sogar die Gefahr, dass dieses Richtlinienziel verfehlt würde bzw. umgangen werden könnte. Entsprechend wird vertreten, dass durch die Kernbrennstoffsteuer der Stromverbrauch mittelbar besteuert werde, weil der Verbrauch von Kernbrennstoffen in direktem, kausalem Zusammenhang mit der Menge des erzeugen und seinerseits verbrauchten Stroms stehe (vgl. Kube, IStR 2012, 553, 558, m. w. N).

88

Der beschließende Senat berücksichtigt dabei auch die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 10.06.1999 in der Rechtssache C-346/97 zur Vorgängervorschrift in Art. 1 der RL 92/12. In dieser Entscheidung hat der Gerichtshof der Europäischen Union eine mittelbare Steuer auf den Verbrauch einer Ware bereits bejaht, sofern ein unmittelbarer, untrennbarer Zusammenhang zwischen dem Warenverbrauch einerseits und dem Steuertatbestand andererseits besteht. Ein solcher Zusammenhang dürfte vorliegend bestehen, weil die Kernbrennstoffsteuer bei Verwendung der Kernbrennstoffe zur Erzeugung von elektrischem Strom erhoben wird und elektrischer Strom nach seiner Erzeugung mangels hinreichender Speichermöglichkeit grundsätzlich auch verbraucht wird.

89

(bb) Der beschließende Senat erwägt allerdings auch, ob die in Art. 1 RL 2008/118/EG verwendeten Begriffe der mittelbaren Erhebung und der indirekten Steuer etwa voraussetzen, dass die Steuer einen anderen als den Steuerschuldner belasten.

90

Der Senat geht davon aus, dass eine Steuer, die auf ein bei der Herstellung einer Ware eingesetztes Produktionsmittel (hier den Kernbrennstoff) erhoben wird, im Hinblick auf die hergestellte Ware grundsätzlich eine indirekte (vgl. Art. 1 Abs. 2 RL 2008/118/EG) bzw. eine mittelbar auf ihren Verbrauch erhobene (vgl. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 RL 2008/118/EG) Steuer sein kann. Denn im Allgemeinen werden von produzierenden Unternehmen die im Zusammenhang mit der Warenproduktion anfallenden Steuern - ebenso wie die sonstigen Produktionskosten - beim Vertrieb der Waren eingepreist und damit auf den Verbraucher überwälzt, der dadurch indirekt mit der Steuer belastet wird. Die Kernbrennstoffsteuer wird nach § 2 Abs. 1 KernbrStG nur auf solche Kernbrennstoffe erhoben, die zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom verwendet werden, so dass auch eine Steuer, die an den Einsatz von Kernbrennstoffen anknüpft, grundsätzlich zu einer Belastung des Stromverbrauchers im Sinne einer indirekten Besteuerung führen könnte.

91

Sollte es auf die Belastung des Stromverbrauchers ankommen, wäre zu fragen, ob davon auszugehen ist, dass es den steuerpflichtigen Unternehmen gelingen kann, die Kernbrennstoffsteuer tatsächlich auf ihre Abnehmer abzuwälzen.

92

Im Rahmen seiner Überprüfung, ob das Kernbrennstoffsteuergesetz in Übereinstimmung mit der deutschen Verfassung erlassen wurde, hat der beschließende Senat in seinem Vorlagebeschluss vom 29.0.2013 (4 K 270/11, s. o.) geprüft, ob die Kernbrennstoffsteuer im Sinne des Verbrauchsteuerbegriffs des deutschen Grundgesetzes auf Überwälzung auf den privaten Verbraucher angelegt ist; der Senat hat diese Prüfung im Ergebnis verneint.

93

Der Senat erkennt jedoch, dass der Begriff der indirekten Steuern im Unionsrecht nicht unbedingt mit dem kompetenzrechtlichen Verbrauchsteuerbergriffs des deutschen Grundgesetzes übereinstimmen muss, zumal der im Unionsrecht verwendete Begriff anders als der im Grundgesetz verwendete Begriff funktional der Abgrenzung gegenüber dem Begriff der direkten Steuern dient (so auch in Art. 110 ff. AEUV; nach Kube, IStR 2012, 553, 554, ist die indirekte Erhebungsweise in Form der Belastung durch Überwälzung keine konstitutive Voraussetzung für das Eingreifen des Verbrauchsteuerregimes der Union). Direkte Steuern knüpfen üblicherweise an die Person des Steuerpflichtigen an, nicht jedoch an Waren oder Dienstleistungen, nach denen indirekte Steuern regelmäßig bemessen werden. Die Abgrenzungsfunktion des unionsrechtlichen Begriffs der indirekten Steuern wird bei seiner Auslegung nicht unbeachtet bleiben können. Selbst unter Berücksichtigung ihrer gewinnabschöpfenden Wirkung ist die Kernbrennstoffsteuer wegen ihrer warenbezogenen Erhebung keinesfalls eine klassische direkte Steuer.

94

Der beschließende Senat hat auch die Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in seinem Urteil vom 24.10.2013 (C-440/12) in seine Überlegungen einbezogen. In jenem Vorabentscheidungsersuchen war im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuer nach der Bedeutung des Begriffs der Abwälzbarkeit gefragt worden. In dem dortigen Ausgangsfall war es dem klagenden Unternehmer, einem Betreiber von Glücksspielgeräten, aufgrund eines gesetzlichen Verbots verwehrt, den Preis für seine Dienstleistung um die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Nach den Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in diesem Urteil reicht es jedoch für die Abwälzbarkeit aus, wenn sich die geschuldete Mehrwertsteuer aus der Anwendung des gesetzlichen Mehrwertsteuersatzes auf die Nettokasse als Bemessungsgrundlage ergibt; dann werde die Steuer auch tatsächlich von den Endverbrauchern gezahlt und es könne nicht erkannt werden, dass die Preisregulierung die Abwälzung der Mehrwertsteuer auf die Endverbraucher verhindere (EuGH, Urteil vom 24.10.2013, C-440/12, Rz. 50 f.).

95

Der beschließende Senat geht davon aus, dass diese Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Abwälzbarkeit der Mehrwertsteuer auf die Verbrauchsteuern übertragen werden können, so dass eine unionsrechtliche Abwälzbarkeit einer Waren- oder Dienstleistungsteuer immer dann schon gegeben wäre, wenn die Steuer das Entgelt für eine Ware oder Dienstleistung nicht übersteigt. Da im vorliegenden Fall nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich ist, dass der von der Antragstellerin für ihren Atomstrom erzielte Preis grundsätzlich nicht ausreichen kann, um die erhobenen Steuern zu zahlen, dürfte, falls die Urteilsdeutung des beschließenden Senats zutreffend sein sollte, der Kernbrennstoffsteuer die unionsrechtliche Abwälzbarkeit nicht fehlen und sie könnte also eine indirekte Steuer im Sinne von Art. 1 RL 2008/118/EG sein.

96

(b) Der beschließende Senat bezweifelt, dass die Erhebung der Kernbrennstoffsteuer, wenn sie denn als mittelbare oder indirekte Steuer auf elektrischen Strom im Sinne von Art. 1 RL 2008/118/EG anzusehen sein sollte, auf Art. 1 Abs. 1 oder 2 RL 2008/118/EG gestützt werden kann und geht davon aus, dass die Mitgliedstaaten nicht berechtigt sind, außerhalb des Regelungsbereichs dieser beiden Vorschriften weitere Steuern auf verbrauchsteuerpflichtige Waren zu erfinden.

97

(aa) Art. 1 Abs. 1 RL 2008/118/EG könnte Rechtsgrundlage für die Erhebung der Kernbrennstoffsteuer allenfalls im Zusammenhang mit der Energiesteuerrichtlinie RL 2003/96/EG sein. Es ist bereits dargelegt worden, dass diese Richtlinie gemäß dem Wortlaut ihrer Anwendungsvorschrift in Art. 2 keine Kernbrennstoffe erfasst. Würde die Richtlinie indes anders auszulegen oder anzuwenden sein, dürften die Kernbrennstoffe jedenfalls nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. a) Satz 1 RL 2003/96/EG steuerbefreit sein (s. o.). Zwar stellt Art. 14 Abs. 1 Buchst. a) Satz 2 RL 2003/96/EG es den Mitgliedstaaten frei, zur Stromerzeugung eingesetzte Energieerzeugnisse aus umweltpolitischen Gründen doch zu besteuern. Freilich ist diese Voraussetzung hier nicht erfüllt, denn die Gesetzesbegründung des Kernbrennstoffsteuergesetzes stellt nicht auf umweltpolitische Gründe ab, sondern nennt als Gesetzeszweck die Schaffung von Einnahmen für den allgemeinen Haushalt.

98

(bb) Die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage in Art. 1 Abs. 2 RL 2008/118/EG dürften ebenfalls nicht gegeben sein. Nach Art. 1 Abs. 2 RL 2008/118/EG können Mitgliedstaaten für besondere Zwecke auf verbrauchsteuerpflichtige Waren andere indirekte Steuern erheben, sofern diese Steuern in Bezug auf die Bestimmung der Bemessungsgrundlage, die Berechnung der Steuer, die Entstehung des Steueranspruchs und die steuerliche Überwachung mit den gemeinschaftlichen Vorschriften für die Verbrauchsteuer oder die Mehrwertsteuer - ausgenommen die Bestimmungen über die Steuerbefreiungen - vereinbar sind. Kein besonderer, sondern ein allgemeiner Steuerzweck im Sinne der Verbrauchsteuerrichtlinie ist allerdings die Absicht, mit einer Steuer Einnahmen zu erzielen (vgl. EuGH, Urteil vom 09.03.2000, C-437/97, Rz. 33; Urteil vom 24.02.2000, C-434/97 m. w. N.; vgl. Jatzke, ZfZ 2010, 278, 281; vgl. Kube, IStR 2012, 553, 558f m. w. N.). Demnach wird die Kernbrennstoffsteuer nicht für besondere Zwecke erhoben, denn sie wurde ausweislich der Gesetzesbegründung eingeführt, weil aus Gründen der Haushaltskonsolidierung des Bundes zusätzliche Einnahmequellen erschlossen werden sollten.

99

(cc) Der beschließende Senat ist der Auffassung, dass der Richtliniengeber in Art. 1 Abs. 2 RL 2008/118/EG die Erhebung anderer indirekter Steuern auf verbrauchsteuerpflichtige Waren als die in Art. 1 Abs. 1 RL 2008/118/EG geregelten Steuern zwar einerseits ausdrücklich zulässt - "können erhoben werden" -, zugleich aber diese Zulassung materiell beschränkt auf solche indirekten Steuern, die zum einen "für besondere Zwecke" erhoben werden und zum anderen mit den dort näher bezeichneten unionsrechtlichen Vorschriften vereinbar sind (vgl. zur Beschränkung des nationalen Steuerfindungsrechts durch Art. 1 RL 2008/118/EG Jatzke, ZfZ 2010, 278, 281; Kube, IStR 2012, 553, 555). Das zugrunde gelegt, dürfte eine Erhebung indirekter Steuern im Übrigen nicht zulässig sein.

100

Der beschließende Senat neigt diesem Verständnis aus folgendem Grunde zu: Hätte es den Mitgliedstaaten generell und voraussetzungslos freistehen sollen, neben den Steuern, die durch die in Art. 1 Abs. 1 RL 2008/118/EG genannten Richtlinien eine Regelung erfahren haben, noch weitere indirekte Steuern auf verbrauchsteuerpflichtige Waren zu erheben, so bliebe die Regelung in Abs. 2 der Vorschrift, die die Erhebung weiterer Steuern innerhalb des dort näher bestimmten Rahmens für zulässig erklärt, ohne Anwendungsbereich.

101

In diesem Zusammenhang merkt der beschließende Senat an, dass er allerdings nicht mit der Antragstellerin der Ansicht ist, dass Deutschland bereits wegen einer "umfassenden Energiezuständigkeit" der Europäischen Union aufgrund des Vertrags von Lissabon oder eines "generellen Verbots einer sogenannten Inputbesteuerung von elektrischem Strom", aufgrund einer "strukturellen Harmonisierungspflicht bzw. Vorab-Sperrwirkung einer noch nicht umgesetzten Harmonisierung des Steuerrechts der Mitgliedstaaten" oder wegen eines etwaigen "CO2-Preissignals" unmittelbar oder im Rahmen einer Auslegung der angesprochenen Richtlinien an der Erhebung einer Steuer auf die Verwendung von Kernbrennstoffen zur Stromerzeugung gehindert ist.

102

3. Nach Ansicht des Senats ist eine Aufhebung der Vollziehung weiterhin auch wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Kernbrennsteuergesetzes zu gewähren.

103

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm bereits dann zu bejahen, wenn der Bundesfinanzhof die Rechtsnorm im Rahmen eines konkreten Normenkontrollverfahrens dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt hat (BFH, Beschluss vom 11.06.2003, IX B 16/03; BFH, Beschluss vom 31.01.2007, VIII B 219/06).

104

Dies gilt nach Ansicht des beschließenden Senats auch dann, wenn der Vorlagebeschluss nicht durch den Bundesfinanzhof, sondern nur durch ein Finanzgericht erfolgt. Sofern keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Vorlagebeschluss durch den Senat eines Finanzgerichts unzulässig oder offenkundig unbegründet ist, in dem Beschluss also im Hinblick auf die strengen Zulässigkeitsvoraussetzungen die Überzeugung des vorlegenden Senats unter Berücksichtigung des Standes der Rechtsprechung und der Literatur die Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit umfassend dargelegt ist, begründet auch ein solcher Vorlagebeschluss ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids, der auf den betreffenden Rechtsnormen beruht (so FG Köln, Beschluss vom 04.07.2012, 13 V 1292/12 unter Bezugnahme auf Gosch in Beermann/Gosch, AO/FGO, FGO § 69 Rz. 130; Koch in Gräber, FGO, § 69 Rz. 90).

105

Wie sich aus dem Vorlagebeschluss des beschließenden Senats vom 29.01.2013 ergibt, an dem der Senat festhält und auf den er insoweit Bezug nimmt, haben sich die in dem ursprünglichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes aufgrund vorläufiger Prüfung ergebenden Zweifel an der formellen Verfassungsmäßigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes zwischenzeitlich im Hauptsacheverfahren ("bei detailliert ... begründeter Prüfung", vgl. insoweit Gärditz, ZfZ 2014, 18) zur Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes verdichtet.

106

4. Das Bestehen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Steueranmeldung verpflichtet zur Gewährung des begehrten vorläufigen Rechtsschutzes. Weitere Voraussetzungen sind nicht zu erfüllen.

107

a) Bei europarechtlichen Zweifeln bedarf es ohnehin keines - bei verfassungsrechtlichen Zweifeln zwischen den BFH-Senaten streitigen - besonderen Interesses des Antragstellers am vorläufigen Rechtsschutz, das dem öffentlichen Interesse an geordneter Haushaltsführung vorgeht.

108

Soweit von einzelnen Senaten des Bundesfinanzhofs vertreten wird (vgl. etwa BFH, Beschluss vom 27.05.2004, III B 127/03, m. w. N.), dass für eine Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung von Steuerbescheiden wegen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der ihnen zugrunde liegenden Vorschrift ein zusätzliches berechtigtes Interesses an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu verlangen ist, wird dieses Erfordernis auf die Fälle der Geltendmachung von Verletzungen des Unionsrecht nicht übertragen (BFH, Beschluss vom 24.03.1998, I B 100/97; BFH, Beschluss vom 19.12.2012, V S 30/12; BFH, Beschluss vom 05.05.1994, V S 11/93).

109

Bereits in seinem Beschluss vom 05.05.1994 gewährte der Bundesfinanzhof (V S 11/93) vorläufigen Rechtsschutz im Hinblick auf Zweifel an der Übereinstimmung des nationalen Rechts mit europäischem Richtlinienrecht, die er mit Beschluss vom selben Tag (Az.: V R 23/93) zum Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens machte - und dies, obwohl er, wie in den Gründen seines Vorabentscheidungsersuchens dargelegt, die aufgezeigten Zweifel im Ergebnis nicht für durchgreifend gehalten hat.

110

Dieser Entscheidung wurde in späteren Entscheidungen ausnahmslos gefolgt (BFH, Beschluss vom 14.02.2006, VIII B 107/04; BFH, Beschluss vom 24.03.1998, I B 100/97; Hessisches FG, Beschluss vom 22.10.2008, 7 V 2514/08; FG Düsseldorf, Beschluss vom 20.11.2000, 4 V 5995/00; vgl. auch BFH, Beschluss vom 19.12.2012, V S 30/12; Niedersächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 14.10.2004, 6 V 655/04; FG Berlin, Beschluss vom 26.01.2001, 7 B 8348/00; vgl. auch Seer in Tipke/Kruse Abgabenordnung Finanzgerichtsordnung, § 98 FGO).

111

Unerheblich ist, dass sich die Ausführungen in den späteren Entscheidungen teilweise auf die Möglichkeit der Verletzung von primärem Unionsrecht beziehen. So formuliert etwa der Bundesfinanzhof in dem Beschluss vom 24.03.1998 (I B 100/97), die Geltendmachung eines berechtigten Interesses an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer geordneten Haushaltsführung könne nicht gefordert werden, wenn die Verletzung des EG-Vertrags ernstlich in Betracht komme. Da sich der I. Senat des Bundesfinanzhofs in dieser Entscheidung zur Begründung seiner Ansicht allerdings ausdrücklich auf die zitierte Entscheidung des V. Senats vom 05.05.1994 (V S 11/93) bezieht und sich ihr anschließt, kann in der Formulierung keine Einschränkung dahin gehend gesehen werden, dass die Aussetzungsvoraussetzungen bei Zweifeln an der Übereinstimmung nationalen Rechts mit primärem Unionsrecht weitergehend sind als bei solchen, die nur das sekundäre Recht - hier das Richtlinienrecht - betreffen.

112

b) Im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Zweifel ist die zum Teil geforderte weitere Rechtsschutzvoraussetzung des besonderen Interesses jedenfalls nunmehr gegeben.

113

Zwar hat der VII. Senat des Bundesfinanzhofs seine Entscheidung vom 09.03.2012 (VII B 171/11), mit der er den Beschluss des beschließenden Senats vom 16.09.2011 aufhob, sowie seine entsprechenden weiteren Beschlüsse in den Parallelverfahren damit begründet, dass eine im Streitfall gebotene Abwägung des für eine Aufhebung der Vollziehung sprechenden individuellen Interesses der antragstellenden Betreiber von Kernkraftwerken wegen der Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes einerseits und des einer solchen Maßnahme entgegenstehenden öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung unter der gebotenen Beachtung des Verwerfungsmonopols des Bundesverfassungsgerichts andererseits, zur Versagung des vorläufigen Rechtsschutzes führe, weil das Rechtsschutzinteresse der Betreiber der Kernkraftwerke keinen Vorrang genieße.

114

Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass, soweit in der Rechtsprechung für die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz wegen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsgrundlage überhaupt jenseits der geschriebenen Tatbestandsmerkmale des § 69 FGO noch ein vorrangiges Rechtsschutzinteresse des Steuerpflichtigen verlangt wird, in einem Vorlagebeschluss durch den Bundesfinanzhof an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. GG ein Vorrang begründender Umstand erkannt wird (vgl. BFH, Beschluss vom 21.11.2013, II B 46/13, unter Bezugnahme auf BFH, Beschluss vom 23.04.2012, III B 187/11; BFH, Beschluss vom 01.04.2010, II B 168/09). Nach der entsprechenden Rechtsprechungsänderung des insoweit bisher bei verfassungsrechtlichen Zweifeln eher restriktiv vorläufigen Rechtsschutz gewährenden II. Senat des Bundesfinanzhofs (Beschluss vom 21.11.2013, II B 46/13) kommt es insoweit auch nicht (mehr) darauf an, ob zu erwarten ist, dass das Bundesverfassungsgericht nicht lediglich die Unvereinbarkeit eines Gesetzes mit dem Grundgesetz aussprechen und dem Gesetzgeber eine Nachbesserungspflicht für die Zukunft aufgeben wird. Ein Vorlagebeschluss eines Senats des Bundesfinanzhofs begründet demnach grundsätzlich einen Anspruch auf vorläufigen Rechtsschutz.

115

Ob der Vorlagebeschluss eines Finanzgerichts in gleicher Weise wie ein Vorlagebeschluss eines Senats des Bundesfinanzhofs den teilweise von der Rechtsprechung verlangten Vorrang begründet, ist zwar, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden worden, ist aber nach Ansicht des beschließenden Senats grundsätzlich zu bejahen.

116

Der beschließende Senat nimmt insoweit Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Es hat zwar entschieden, dass durch den Erlass eines Vorlagebeschlusses durch ein Finanzgericht andere Finanzgerichte oder jedenfalls der Bundesfinanzhof nicht daran gehindert werden, die gegen die Verfassungsmäßigkeit der im Ausgangsverfahren erheblichen Vorschrift durch das vorlegende Finanzgericht vorgebrachten Gründe einer sachlichen Prüfung zu unterziehen und unter Bezugnahme auf die bisherige verfassungsgerichtliche Rechtsprechung gegebenenfalls zu der Würdigung zu gelangen, dass der Vorlagebeschluss wegen offenkundiger Unbegründetheit erfolglos bleiben werde und daraufhin die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz zu versagen, weil ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Vorschrift offensichtlich fehlen (BVerfG, Beschluss vom 06.05.2013, 1 BvR 821/13). Im Umkehrschluss entnimmt der Senat diesen Ausführungen jedoch, dass im Rahmen eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes für die Frage, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids bestehen, der Inhalt des Vorlagebeschlusses einer Prüfung zu unterziehen und zu würdigen und für den Fall, dass im Ergebnis das Vorliegen ernstlicher Zweifel nicht verneint werden kann, vorläufiger Rechtsschutz ohne weiteres zu gewähren ist.

117

Andernfalls würde es zu einer nicht gerechtfertigten Schlechterstellung derjenigen Steuerpflichtigen kommen, auf deren Anfechtung bereits das Finanzgericht die Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des zugrunde liegenden Gesetzes gewinnt, gegenüber denjenigen, bei denen erst der Bundesfinanzhof im Rechtsmittelverfahren zu diesem Ergebnis kommt. Letztere erhielten vorläufigen Rechtsschutz ohne Interessenvorrang, bei Ersteren müsste diese Rechtsschutzvoraussetzung noch zusätzlich erfüllt sein.

118

5. Eine Sicherheitsleistung ist nicht anzuordnen.

119

Die Anordnung der Sicherheitsleistung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO dient der Vermeidung von Steuerausfällen, die infolge einer Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung vor allem dadurch entstehen können, dass der Steuerpflichtige im Verfahren zur Hauptsache letztlich unterliegt und zu diesem Zeitpunkt die Durchsetzung der Steuerforderung gefährdet oder erschwert ist (BFH, Beschluss vom 18.07.2012, X S 19/12; BFH, Beschluss vom 03.02.2005, I B 208/04, m. w. N.). Besteht eine entsprechende Gefahr im konkreten Fall nicht, ist für die Anordnung einer Sicherheitsleistung kein Raum (BFH, Beschluss vom 18.07.2012, X S 19/12; BFH, Beschluss vom 03.02.2005, I B 208/04, m. w. N.; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 69 FGO, Rdnr. 388), denn die Anordnung der Sicherheitsleistung stellt eine Ausnahme vom Regelfall dar (Gosch in Beermann/Gosch, § 69 FGO Rdnr. 206).

120

Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt. Es ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen, soweit ihre Mitwirkungspflicht reicht. Für die Anordnung einer Sicherheitsleistung ergibt sich hieraus, dass grundsätzlich die Finanzbehörde die für eine Gefährdung des Steueranspruchs sprechenden Gesichtspunkte vortragen muss - wenn sich diese Umstände nicht bereits aus dem Vortrag des Antragstellers ergeben - und der Steuerpflichtige ggf. Umstände vortragen muss, die ein (dargelegtes) Sicherungsbedürfnis der Behörde entfallen oder unangemessen erscheinen lassen (BFH, Beschluss vom 10.02.2010, V S 24/09 m. w. N.; BFH, Beschluss vom 07.09.2007, V B 95/07; BFH, Beschluss vom 10.10.2002, VII S 28/01; Dumke in Schwarz, FGO, § 69, Rdnr. 106 m. w. N.).

121

Vorliegend hat der Antragsgegner keine Umstände hinreichend substantiiert vorgebracht, die die Anordnung einer Sicherheitsleistung als erforderlich erscheinen lassen.

122

Der Antragsgegner selbst räumt ein, dass die gegenwärtige finanzielle Situation der Antragstellerin keine Gefährdung des streitgegenständlichen Abgabenanspruchs begründet.

123

Eine Gefährdung des Anspruchs kann allerdings, wie der Antragsgegner zutreffend geltend macht, auch gegeben sein, wenn mit dem Eintritt solcher Umstände künftig ernsthaft zu rechnen ist. Dabei ist der Begriff der Gefährdung nicht erst dann erfüllt, wenn eigene Maßnahmen des Steuerpflichtigen - wie das Beiseiteschaffen von Vermögensgegenständen, fehlerhafte Vermögensspekulationen und anderes mehr - die Gefahr der Uneinbringlichkeit der Steuer begründen, sondern bereits dann, wenn die Liquiditätslage des Steuerpflichtigen die alsbaldige Begleichung einer Steuerschuld nach ihrer endgültigen gerichtlichen Feststellung fraglich erscheinen lassen muss (BFH, Beschluss vom 22.06.1967, I B 7/67). Dafür müssen aber konkrete Anhaltspunkte und nicht nur Vermutungen vorliegen (Birkenfeld a. a. O., Rdnr. 386). Es reicht nicht aus, auf die voraussichtliche - hier tatsächlich eher längere - Verfahrensdauer oder die - hier tatsächlich sehr erhebliche - Höhe des Steueranspruchs schlicht hinzuweisen (Birkenfeld a. a. O., Rdnr. 386). Bei der Beurteilung einer Gefährdung der Steueransprüche kommt es gegebenenfalls auf die Relation der Steuerforderungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Steuerpflichtigen an (vgl. BFH, Beschluss vom 10.10.2002, VII S 28/01; FG Düsseldorf, Beschluss vom 03.07.2002, 15 V 6331/01). Die vom Antragsgegner insbesondere in Bezug genommene Eigenkapitalquote ist nicht mehr als nur eine Facette bei der Beurteilung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse und trägt daher die Feststellung einer Gefährdungssituation für sich nicht. Die weiteren Erwägungen des Antragsgegners, dass die Antragstellerin die Brennelemente-Entsorgung und Anlagenstilllegung trotz bereits gebildeter Rückstellungen nicht werde tragen können, rechtfertigen die Anordnung einer Sicherheitsleistung ebenfalls nicht. Denn sie sind nicht hinreichend konkret, sondern eher spekulativer Natur. Dies gilt auch im Hinblick auf sich möglicherweise verschlechternde Rahmenbedingungen aufgrund verschärfter gesetzlicher Verantwortlichkeit für den hochradioaktiven Abfall, zumal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bisher noch keine Großunternehmen der Atomindustrie durch gesetzliche Maßnahmen in den Ruin getrieben worden sind und auch keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass solche Maßnahmen zukünftig in rechtmäßiger Weise erfolgen können. Im Übrigen begründet die Äußerung des Antragsgegners, die wirtschaftliche Entwicklung der Antragstellerin in den nächsten drei Jahren sei unsicher, für sich noch keine hinreichend konkrete Gefährdungssituation, sie erschöpft sich vielmehr in einer bloßen Vermutung.

124

Auch den weiteren Vortrag des Antragsgegners, die Antragstellerin werde die Kernbrennstoffsteuer nach gegebenenfalls klagabweisender Entscheidung des Hauptsacheverfahrens deswegen nicht zahlen können, weil die Steuer so hoch sei, hält der Senat im Hinblick auf die Prognose der zukünftigen Zahlungsfähigkeit der Antragstellerin für reine Spekulation. Dass die Berechnung der Höhe der gegebenenfalls zukünftig zu zahlenden Kernbrennstoffsteuer für sich genommen nachvollziehbar ist, ist nicht ausreichend - zumal diese Berechnung unter der nicht belegten Prämisse steht, dass das streitgegenständliche Kernkraftwerk überhaupt weiter betrieben werden wird.

125

Nur ergänzend merkt der Senat Folgendes an: Sollte indes in der Höhe der Kernbrennstoffsteuer eine konkrete Ursache für die von dem Antragsgegner befürchtete Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Schuldner der Kernbrennstoffsteuer in einem solchen Maß sein, dass die Erfüllung des Kernbrennstoffsteueranspruchs gefährdet wird - wovon der Senat mangels hinreichend konkreter Darlegung durch den Antragsgegner indes nicht ausgeht -, so würde dieser Umstand weitere ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Erhebung der Kernbrennstoffsteuer begründen, etwa im Hinblick auf die Unzulässigkeit einer erdrosselnden Besteuerung. Die Erfolgsaussichten für die Klage der Antragstellerin würden entsprechend steigen und die wirkliche Gefahr des Steuerausfalls also sinken und mit ihr auch das Bedürfnis nach einer Sicherheitsleistung (vgl. BFH, Beschluss vom 19.10.2010, XI B 60/09; Seer in Tipke/Kruse Abgabenordnung Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO, Rdnr. 109 m. w. N.).

126

6. Die Kosten des Verfahrens fallen dem Antragsgegner zur Last, § 135 Abs. 1 FGO.

127

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruht auf § 151 Abs. 1 Satz 1 FGO, § 151 Abs. 3 FGO analog, § 155 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO (vgl. FG Hamburg, Beschluss vom 10.01.2012, 4 V 288/11, mit weiterer Begründung).

128

Der Senat lässt die Beschwerde gegen diesen Beschluss nach § 128 Abs. 3 Satz 1 FGO zu.

129

Die Beschwerde ist gemäß § 128 Abs. 3 Satz 2 FGO in Verbindung mit § 115 Abs. 2 FGO u. a. zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert.

130

Nach der Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 28.11.1977 (GrS 4/77) ist die Beschwerde auch dann zuzulassen, wenn sich die maßgebliche Rechtsfrage nicht auf die Auslegung des § 69 FGO (also auf die Frage, ob vorliegend ernsthafte rechtliche Zweifel gegeben sind), sondern auf die zugrunde liegende Rechtsfrage bezieht, derentwegen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides geltend gemacht werden. Dabei handelt es sich um eine seitdem ständige Rechtsprechung (vgl. BFH, Beschluss vom 06.02.2009, IV B 125/08; BFH, Vorlagebeschluss vom 29.04.1999, IV R 40/97; vgl. BFH, Beschluss vom 07.04.1992, VII B 56/91; a. A. FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 07.10.2008, 6 V 6161/08).

131

Der Große Senat hat in seiner Entscheidung vom 28.11.1977 u. a. ausgeführt, dass für eine in dem dargelegten Sinne bestehende Beschwerdezuständigkeit des Bundesfinanzhofs in Verfahren auf Aussetzung / Aufhebung der Vollziehung ein Bedürfnis bestehe. Es könne sich bei solchen Verfahren um Rechtssachen von weittragender Bedeutung handeln. Nicht selten würden die Entscheidungen veröffentlicht. Es wäre, auch im Hinblick auf die unvermeidlich längere Dauer der Revisionsverfahren, nicht tragbar, wenn sich in diesen wichtigen - obschon nur die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes betreffenden - Verfahren eine unterschiedliche Entscheidungspraxis der Finanzgerichte entwickeln könnte, etwa dergestalt, dass einzelne Finanzgerichte Steuergesetze wegen angenommener Verfassungswidrigkeit für nicht anwendbar halten oder von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, eines anderen obersten Gerichtshofs des Bundes, des Gemeinsamen Senats, des Bundesverfassungsgerichts oder des Europäischen Gerichtshofs abweichen, oder dass sie in einer neuartigen Rechtsfrage von grundsätzlicher, d.h. allgemeiner Bedeutung entscheiden.

132

Vor diesem Hintergrund ist die Beschwerde zuzulassen.

133

Im Hinblick auf die europarechtlichen Zweifel ist zu berücksichtigen, dass das Finanzgericht Baden-Württemberg seine vorläufigen Rechtsschutz versagenden Beschlüsse vom 10.01.2012 (11 V 2661/11 und 11 V 4024/11) damit begründet hat, dass die Anwendung des Kernbrennstoffsteuergesetzes bei summarischer Prüfung weder gegen Verfassungsrecht noch gegen primäres oder sekundäres Gemeinschaftsrecht verstoße.

134

Auch wenn das Finanzgericht Baden-Württemberg die nach Ansicht des beschließenden Senats erhebliche europarechtliche Frage, ob die Kernbrennstoffsteuer eine indirekte Steuer auf Strom im Sinne von Art. 1 Abs. 1, Abs. 2 RL 2008/118/EG ist und ihre Erhebung sich daher an den sich aus diesen Regelungen ergebenden Beschränkungen messen lassen muss, nicht erörtert hat, ist jedenfalls im Hinblick darauf, dass das Finanzgericht Baden-Württemberg die Fragen der Verfassungs- und Unionsrechtsmäßigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes im Ergebnis grundlegend anders beantwortet hat, nämlich dass insoweit keine ernsthaften Zweifel besehen, die Beschwerde gegen diesen Beschluss, mit dem die Vollziehung der angefochtenen Steueranmeldung aufgehoben wird, zuzulassen.

135

Im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Zweifel berücksichtigt der beschließende Senat die Grundsätzlichkeit der Frage, ob ein Anspruch auf Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz wegen bestehender Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes voraussetzt, dass ein Vorrang des individuellen Interesses des Antragstellers gegenüber dem öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung unter der gebotenen Beachtung des Verwerfungsmonopols des Bundesverfassungsgerichts festgestellt werden kann und ein solcher Vorrang jedenfalls dann zu bejahen ist, wenn ein Finanzgericht das Gesetz dem Bundesverfassungsgericht im Wege der konkreten Normenkontrolle zur Prüfung vorgelegt hat.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) betreibt in X ein Kraftwerk. Im Juni 2011 setzte sie in den Kernreaktor Brennelemente ein und löste anschließend eine selbsttragende Kettenreaktion aus, was zur Steuerentstehung nach § 5 Abs. 1 des Kernbrennstoffsteuergesetzes (KernbrStG) führte. Die verwendeten Brennelemente enthielten ... Gramm Uran 235. In ihrer für den Monat Juni 2011 abgegebenen Steueranmeldung berechnete die Antragstellerin eine Steuer von ... €, die zunächst bezahlt worden ist. Die Antragstellerin hat jedoch Sprungklage erhoben und Aufhebung der Vollziehung beantragt. Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Hauptzollamt --HZA--) hat der Sprungklage nicht zugestimmt, sondern stattdessen im November 2011 eine Einspruchsentscheidung erlassen. Mit Beschluss vom 16. September 2011 hat das Finanzgericht (FG) die Vollziehung der Steueranmeldung ohne Sicherheitsleistung aufgehoben.

2

In der Begründung seiner Entscheidung äußert das FG Bedenken, ob die Kernbrennstoffsteuer dem verfassungsrechtlichen Typus einer Verbrauchsteuer entspreche, so dass sie als Verbrauchsteuer i.S. des Art. 106 des Grundgesetzes (GG) angesehen werden könne, und ob dem Bund für die Einführung einer solchen Steuer nach Art. 105 Abs. 2 GG eine Gesetzgebungskompetenz zustehe. Die Kernbrennstoffe seien keine verbrauchsfähigen Güter im Sinne des herkömmlichen Verbrauchsteuerbegriffs, da sie ausschließlich im Rahmen eines Produktionsprozesses Verwendung fänden und nicht in den allgemeinen Wirtschaftsverkehr eingebracht würden. Besteuert werde die unternehmerische Tätigkeit der Erzeugung von Energie. Darüber hinaus bestünden erhebliche Zweifel, ob die Kernbrennstoffsteuer auf Abwälzbarkeit angelegt sei. In der Begründung zum Gesetzentwurf habe der Gesetzgeber ausgeführt, eine Überwälzung der den Stromerzeugern entstehenden zusätzlichen Kosten werde nur in geringem Umfang möglich sein (BTDrucks 17/3054 S. 1 und 2). Soweit nicht der Stromverbraucher belastet werden solle, kämen nur die Betreiber der Kernkraftwerke als Träger der Belastung in Betracht. Ernsthaft zweifelhaft sei auch, ob die Kernbrennstoffsteuer als "übrige Steuer" i.S. des Art. 105 Abs. 2 GG verstanden werden könne.

3

Das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung stehe der Aufhebung der Vollziehung des angefochtenen Bescheids nicht entgegen. Die Einnahmen aus der Kernbrennstoffsteuer würden nach Angaben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) jährlich ca. 2,3 Mrd. € betragen. Diesem Betrag stünden nach der gleichen Prognose wegen der steuerlichen Absetzbarkeit der Steuer Mindereinnahmen im Bereich der Ertragsteuern in Höhe von 1,4 Mrd. € gegenüber. Diese Mindereinnahmen seien bei der Bestimmung des öffentlichen Interesses zu berücksichtigen, auch wenn insoweit zum Teil die Länderhaushalte betroffen seien. Darüber hinaus sei eine Verringerung der Mehreinnahmen durch die vorzeitige Stilllegung von 8 der ursprünglich 17 Kernkraftwerke um mindestens ein Drittel zu berücksichtigen. Die Steuermehreinnahmen würden daher höchstens noch 600 Mio. € betragen, mithin ca. 0,3 % der Steuer- und sonstigen Einnahmen des Bundes. Die Belastung der Antragstellerin bei Nichtaufhebung der Vollziehung sei im Verhältnis zur Belastung der öffentlichen Haushalte im Falle einer Aufhebung demnach sehr hoch und würde die Aufhebung der Vollziehung der Steueranmeldung auch dann rechtfertigen, wenn das KernbrStG einen Geltungsvorrang beanspruchen könne.

4

Mit seiner Beschwerde begehrt das HZA die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und die Ablehnung des Antrags auf Aufhebung der Vollziehung der angefochtenen Steueranmeldung. Es hält das KernbrStG für verfassungsgemäß; am Verbrauchsteuercharakter der Kernbrennstoffsteuer, die auf Abwälzung angelegt sei, und an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes bestünden keine Zweifel. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes würde zur vorläufigen Nichtanwendung des KernbrStG und damit zu Steuerausfällen in Milliardenhöhe führen. Allein für den Zeitraum Januar bis September 2011 beliefen sich die Einnahmen aus der Kernbrennstoffsteuer auf über 875 Mio. €. Im Jahr 2011 sei mit einem Aufkommen von 1,3 Mrd. € und in den Folgejahren mit einem ähnlich hohen Aufkommen zu rechnen. Das öffentliche Interesse des Bundes an einer geordneten Haushaltsführung sei höher zu gewichten als das Individualinteresse der Antragstellerin.

5

Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegengetreten. Sie schließt sich im Wesentlichen den Ausführungen des FG an.

6

Mit Zwischenbeschluss vom 11. Januar 2012 VII B 171/11 hat der beschließende Senat festgestellt, dass die vom HZA eingelegte Beschwerde zulässig ist.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Beschwerde des HZA ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Ablehnung des Antrags auf Aufhebung der Vollziehung. Dem öffentlichen Interesse am Vollzug des KernbrStG kommt nach den Umständen des Streitfalls der Vorrang gegenüber dem Interesse der Antragstellerin an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu.

8

1. Bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts, hat das FG im Regelfall dessen Vollziehung auszusetzen oder im Falle eines bereits vollzogenen Verwaltungsakts die Vollziehung wieder aufzuheben (§ 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen kann trotz Vorliegens solcher Zweifel die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt werden.

9

a) Ein solcher atypischer Fall kommt in Betracht, wenn die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts auf Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift beruhen (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BFHE 140, 396, BStBl II 1984, 454). Ist dies der Fall, setzt die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wegen des Geltungsanspruchs jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes zusätzlich ein (besonderes) berechtigtes Interesse des Antragstellers voraus (BFH-Beschlüsse vom 1. April 2010 II B 168/09, BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558; vom 27. August 2002 XI B 94/02, BFHE 199, 566, BStBl II 2003, 18; vom 6. November 2001 II B 85/01, BFH/NV 2002, 508; vom 30. Januar 2001 VII B 291/00, BFH/NV 2001, 1031, und vom 17. März 1994 VI B 154/93, BFHE 173, 554, BStBl II 1994, 567).

10

b) Bei der Prüfung, ob ein solches berechtigtes Interesse des Steuerpflichtigen besteht, ist dieses mit den gegen die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sprechenden öffentlichen Belangen abzuwägen. Dabei kommt es maßgeblich einerseits auf die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen und andererseits auf die Auswirkungen einer Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung hinsichtlich des Gesetzesvollzugs und des öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung an (BFH-Beschlüsse in BFHE 199, 566, BStBl II 2003, 18; vom 20. Juli 1990 III B 144/89, BFHE 162, 542, BStBl II 1991, 104, und vom 20. Mai 1992 III B 100/91, BFHE 168, 174, BStBl II 1992, 729). Dem bis zu einer gegenteiligen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) bestehenden Geltungsanspruch jedes formell verfassungsmäßig zustande gekommenen Gesetzes ist dann der Vorrang einzuräumen, wenn die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung eines Steuerbescheids im Ergebnis zur vorläufigen Nichtanwendung eines ganzen Gesetzes führen würde, die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Bescheids im Einzelfall eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen als eher gering einzustufen sind und der Eingriff keine dauerhaften nachteiligen Wirkungen hat (BFH-Beschluss in BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558; a.A. offenbar Seer, Vorläufiger Rechtsschutz bei ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit eines Steuergesetzes, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2012, 325).

11

c) Wie das BVerfG entschieden hat, verstößt eine solche Interessensabwägung --die eine geordnete öffentliche Haushaltswirtschaft in den Blick nimmt-- nicht grundsätzlich gegen den aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Anspruch auf einen umfassenden und effektiven gerichtlichen Schutz, zumindest solange der sofortige Vollzug des Verwaltungsakts die Ausnahme bleibt; in Ausnahmefällen können überwiegende öffentliche Belange es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers einstweilen zurückzustellen (BVerfG-Beschluss vom 6. April 1988  1 BvR 146/88, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Finanzgerichtsordnung, § 69, Rechtsspruch 283).

12

d) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin können diese Grundsätze nicht nur dann Geltung beanspruchen, wenn es um die Frage der materiellen Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm geht, sondern sie sind auch auf Fälle anzuwenden, in denen die formelle Verfassungsmäßigkeit einer Norm in Frage steht (zur fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes vgl. BFH-Beschluss in BFHE 140, 396, BStBl II 1984, 454). Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn ein Verfassungsverstoß offensichtlich wäre, so dass das Gesetz die formelle Verfassungswidrigkeit auf der Stirn trüge. In solchen Ausnahmefällen könnte Anlass bestehen, im Rahmen eines Aussetzungs- bzw. Aufhebungsverfahrens den Geltungsanspruch des Gesetzes in Frage zu stellen. So liegt es im Streitfall jedoch nicht (zur Verfassungsmäßigkeit des KernbrStG vgl. Wernsmann, Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Kernbrennstoffsteuer, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2011, 1367, und Jatzke, Die Kernbrennstoffsteuer - ein Exot im deutschen Verbrauchsteuerrecht, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2010, 278; Waldhoff, Die Kernbrennstoffsteuer als Verbrauchsteuer und die steuerrechtliche Typenlehre, zur Veröffentlichung in der ZfZ 3/12 vorgesehen; a.A. Seer, DStR 2012, 325).

13

2. Zu Unrecht hat das FG im Streitfall die Aufhebung der Vollziehung der angefochtenen Steueranmeldung angeordnet. Die im Streitfall gebotene Abwägung des für eine Aufhebung der Vollziehung sprechenden individuellen Interesses der Antragstellerin und des einer solchen Maßnahme entgegenstehenden öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung sowie die gebotene Beachtung der Verwerfungskompetenz des BVerfG führen zu dem Ergebnis, dass vorläufiger Rechtsschutz nicht gewährt werden kann.

14

a) In der praktischen Auswirkung käme die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes einem einstweiligen Außerkraftsetzen des KernbrStG gleich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass allein dem BVerfG nach § 32 Abs. 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes die Kompetenz zusteht, den Vollzug eines Gesetzes auszusetzen. Von dieser Möglichkeit ist nach Auffassung des BVerfG nur mit größter Zurückhaltung Gebrauch zu machen, denn der Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen ein Gesetz stellt stets einen erheblichen Eingriff in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers dar, so dass die Gründe, die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechen, ein besonderes Gewicht haben müssen (BVerfG-Beschluss vom 22. Mai 2001  2 BvQ 48/00, BVerfGE 104, 23, 27 f.).

15

b) Nach Auffassung des beschließenden Senats liegt ein überwiegendes besonderes berechtigtes Interesse der Antragstellerin nicht vor. Eine faktische Außerkraftsetzung des KernbrStG würde zu Einnahmeausfällen in Milliardenhöhe führen. Ausweislich des Referentenentwurfs rechnete die Bundesregierung in den Jahren 2011 bis 2016 mit einem jährlichen Aufkommen in Höhe von ca. 2,3 Mrd. €, das ohne gesetzlich festgelegte Zweckbindung zur Konsolidierung des Bundeshaushalts beitragen sollte (BTDrucks 17/3054 S. 1). Auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Lisa Paus u.a. und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (BTDrucks 17/4609) hat die Bundesregierung mitgeteilt, im Rahmen der Verhandlungen zum Förderfondsvertrag habe unter den Vertragspartnern ein Konsens bestanden, nach dem bei einem Steuersatz von 145 €/g Kernbrennstoff von einem durchschnittlichen Aufkommen der Kernbrennstoffsteuer von 2,3 Mrd. € auszugehen sei, wobei im Falle eines gemeinsamen Kalkulationsirrtums über die Höhe des zu erzielenden Aufkommens eine korrigierende Erhöhung des Steuersatzes erfolgen könne (BTDrucks 17/4832 S. 4 f.). Von vornherein war die Einführung der neuen Steuer darauf angelegt, dem Bund Steuereinnahmen in Milliardenhöhe zu verschaffen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Aufkommenserwartungen im ersten Jahr der Erhebung der Kernbrennstoffsteuer nicht vollständig erfüllt worden sind. Im Jahr 2011 betrug das Gesamtaufkommen lediglich 922 Mio. €. Nach den Ergebnissen des Arbeitskreises Steuerschätzungen wird in den Folgejahren mit einem durchschnittlichen Aufkommen von ca. 1,3 Mrd. € gerechnet (Monatsbericht des BMF, November 2011).

16

c) Im Rahmen der vorzunehmenden Interessensabwägung können die durch die steuerliche Absetzbarkeit der Kernbrennstoffsteuer als Betriebsausgaben zu erwartenden Mindereinnahmen im Bereich der Körperschaft- und Gewerbesteuern zwar nicht völlig außer Acht gelassen werden, jedoch erreichen sie nicht ein solches Ausmaß, dass die verbleibenden Mehreinnahmen ein überwiegendes öffentliches Interesse des Bundes an einer geordneten Haushaltsführung nicht mehr begründen können. In seinem Beschluss vom 26. November 2010 geht der Bundesrat unter Voraussetzung der Nichtabwälzbarkeit der Steuer von Mindereinnahmen bei Ländern und Gemeinden in Höhe von 500 Mio. € aus (BRDrucks 687/10 S. 2). In diesem Zusammenhang hat die Bundesregierung bestätigt, dass die Mindereinnahmen bei der Körperschaft- und Gewerbesteuer bei allen Gebietskörperschaften zwischen 25 % und 30 % des Aufkommens der Kernbrennstoffsteuer betragen könnten, jedoch zugleich auf die Möglichkeit der Abwälzung der Steuer und auf die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke hingewiesen. Diese führe zu Zusatzgewinnen bei den Betreibern von Kernkraftwerken und damit zu zusätzlichem Aufkommen bei den Ertragsteuern. Deshalb gehe die Bundesregierung davon aus, dass das Steueraufkommen die Steuermindereinnahmen aus dem Betriebsausgabenabzug der Kernbrennstoffsteuer überkompensieren werde (BTDrucks 17/4832 S. 5). Diese Gesichtspunkte hat das FG bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen und dem prognostizierten Gesamtaufkommen von 2,3 Mrd. € einen auf Steuermindereinnahmen zurückzuführenden Abzugsbetrag in Höhe von 1,4 Mrd. € gegenübergestellt, dessen Berechnung nicht belegt wird. Jedenfalls ergibt sich dieser Betrag nicht aus der vom FG angeführten BTDrucks 17/3054. Aus der Beantwortung der bereits in Bezug genommenen Kleinen Anfrage in BTDrucks 17/4609 lässt sich auf Mindereinnahmen bei der Körperschaft- und Gewerbesteuer von lediglich 690 Mio. € schließen, wobei auf die Länder und Gemeinden ca. 500 Mio. € entfallen (BTDrucks 17/4832 S. 5). Danach bleibt es für den Bundeshaushalt bei Mehreinnahmen von über 2 Mrd. €.

17

d) Allerdings hat das FG zu Recht auf das Atom-Moratorium und die Stilllegung der ältesten Atomkraftwerke hingewiesen. Nach § 7 Abs. 1a des Atomgesetzes sind bei insgesamt acht Kernkraftwerken die Berechtigungen zum Leistungsbetrieb mit Ablauf des 6. August 2011 erloschen. Wie die Bundesregierung mitgeteilt hat, kann das erwartete Aufkommen der Kernbrennstoffsteuer durch die dauerhafte Abschaltung dieser Kernkraftwerke jährlich um einen "dreistelligen Millionenbetrag im oberen Bereich" geringer ausfallen (BTDrucks 17/5749 S. 3). Auch die Berücksichtigung der mit der Abschaltung verbundenen Mindereinnahmen führt nicht zu einer derartigen Minderung des Aufkommens der Kernbrennstoffsteuer, dass das berechtigte Interesse des Bundes an einer Haushaltskonsolidierung und geordneten Haushaltsführung vernachlässigt werden könnte. Aufgrund der dauerhaften Stilllegung von acht Kernkraftwerken ist nach den Ergebnissen des Arbeitskreises Steuerschätzungen das geschätzte Aufkommen für das Jahr 2012 um 830 Mio. € und für die folgenden Jahre um jeweils 1 Mrd. € zu korrigieren (Monatsbericht des BMF, November 2011). Danach verbleibt ein prognostiziertes jährliches Steueraufkommen der Kernbrennstoffsteuer von über 1 Mrd. €.

18

Letztlich können Unsicherheiten bei der exakten Bestimmung des Steuerausfalls bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung auf sich beruhen. Entscheidend ist, dass durch eine Aufhebung der Vollziehung des angefochtenen Bescheids das KernbrStG faktisch mit der Folge von drohenden hohen Einnahmeausfällen außer Kraft gesetzt würde.

19

e) Dem Vorbringen der Antragstellerin ist nicht schlüssig zu entnehmen, dass durch die sofortige Vollziehung der angefochtenen Steueranmeldung irreparable Nachteile oder eine unzumutbare Härte drohen würden. In diesem Zusammenhang verweist sie lediglich auf den teilweisen Wegfall der kalkulierbaren Gewinne aus der Kernenergiegewinnung und auf --nicht näher bezifferte-- Kosten für frustrierte Aufwendungen und nutzlos gewordene Anlageninvestitionen sowie umfangreiche Investitionen in alternative Formen der Energiegewinnung. Auch die Behauptung, dass für Zwecke der Ertragsbesteuerung zumindest in 2011 im Inland ein negatives Jahresergebnis erzielt werde, wird nicht näher belegt. Jedenfalls lässt sich aus diesen Angaben nicht auf eine drohende Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz der Antragstellerin schließen. Nach der Rechtsprechung des BFH setzt eine Aufhebung der Vollziehung wegen unbilliger Härte voraus, dass der Betroffene seine wirtschaftliche Lage im Einzelnen vorträgt und glaubhaft macht (BFH-Beschlüsse vom 29. März 2001 III B 80/00, BFH/NV 2001, 1294, und in BFHE 199, 566, BStBl II 2003, 18). Nach Einschätzung des Senats ist die (vorläufige) Entrichtung der Steuer der Antragstellerin durchaus zumutbar. Dies wird auch durch den Verzicht des FG auf die Anforderung einer Sicherheitsleistung belegt, den es damit begründet hat, dass Anhaltspunkte für eine Gefährdung des --im Streitfall sehr hohen-- Steueranspruchs nicht ersichtlich seien.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist die geschiedene Ehefrau des im September 2011 verstorbenen Erblassers (E). Aufgrund eines Vermächtnisses des E erhält sie auf Lebenszeit eine monatliche Rente von 2.700 €.

2

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte für den Erwerb der Antragstellerin in Höhe von 342.015 € (Jahreswert der Rente 32.400 € x Vervielfältiger 10,556) mit Bescheid vom 1. Oktober 2012 Erbschaftsteuer in Höhe von 71.000 € fest, die die Antragstellerin am 2. November 2012 entrichtete.

3

Mit dem Einspruch machte die Antragstellerin im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. September 2012 II R 9/11 (BFHE 238, 241, BStBl II 2012, 899) und das damit beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängige Verfahren 1 BvL 21/12 die Verfassungswidrigkeit des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der Fassung des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24. Dezember 2008 --ErbStG-- (BGBl I 2008, 3018) geltend. Das Einspruchsverfahren ruht bis zu einer Entscheidung des BVerfG im Verfahren 1 BvL 21/12.

4

Die von der Antragstellerin beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte das FA ab. Die beim Finanzgericht (FG) beantragte Aufhebung der Vollziehung wurde ebenfalls abgelehnt. Das FG führte zur Begründung aus, das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiege nicht die öffentlichen Interessen am ordnungsgemäßen Gesetzesvollzug und an einer geordneten Haushaltsführung. Die festgesetzte Erbschaftsteuer belaufe sich nur auf knapp 25 % des Erwerbs. Die Antragstellerin könne etwaige finanzielle Härten durch die Wahl der Jahresversteuerung gemäß § 23 ErbStG abmildern. Die Gewährung einer Aufhebung der Vollziehung käme dagegen einem einstweiligen Außerkraftsetzen des ErbStG gleich.

5

Mit der Beschwerde rügt die Antragstellerin die Verletzung des § 69 Abs. 2 Sätze 2 und 7 sowie Abs. 3 Sätze 1 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) gewährleistete Garantie auf effektiven Rechtsschutz könne einem Steuerpflichtigen bei einem Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht dadurch faktisch entzogen werden, dass nach der Rechtsprechung des BFH dem öffentlichen Interesse an einer geordneten Haushaltswirtschaft der Vorrang vor dem Interesse des Steuerpflichtigen an einer AdV eingeräumt werde (vgl. BFH-Beschluss vom 1. April 2010 II B 168/09, BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558). Außerdem fehle eine gesetzliche Grundlage, die bei ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit einer der Besteuerung zugrunde gelegten Norm ein besonderes berechtigtes Interesse des Steuerpflichtigen an der AdV verlange. Die Ablehnung der AdV sei auch nicht damit zu rechtfertigen, dass nach der Rechtsprechung des BFH (II. Senat) regelmäßig keine weitergehende Entscheidung getroffen werden könne als vom BVerfG zu erwarten sei (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Juli 2003 II B 20/03, BFHE 202, 380, BStBl II 2003, 807). Dies bedeute eine Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache, weil die fortgesetzte Vollziehung aller Erbschaftsteuerbescheide kaum rückgängig zu machen sei und damit für den einzelnen Steuerpflichtigen dauerhaft nachteilige Wirkungen habe.

6

Die Antragstellerin beantragt, die Vorentscheidung und die Vollziehung des Erbschaftsteuerbescheids vom 1. Oktober 2012 aufzuheben.

7

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Beschwerde ist begründet. Die Vorentscheidung und die Vollziehung des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids sind aufzuheben. Entgegen der Auffassung des FG kommt dem Interesse der Antragstellerin an der Aufhebung der Vollziehung der Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des ErbStG zu.

9

1. An der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids bestehen --wie das FG zutreffend ausgeführt hat-- ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO.

10

a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO hat das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheids neben den für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 3. April 2013 V B 125/12, BFHE 240, 447, m.w.N.). Im Falle eines bereits vollzogenen Verwaltungsaktes ist die Vollziehung wieder aufzuheben (§ 69 Abs. 3 Satz 3 FGO).

11

b) Im Streitfall bestehen ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Tarifvorschrift des § 19 Abs. 1 ErbStG. Beim BVerfG ist unter dem Az. 1 BvL 21/12 ein Normenkontrollverfahren zu der Frage anhängig, ob die Vorschrift des § 19 Abs. 1 ErbStG i.V.m. §§ 13a und 13b ErbStG wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verfassungswidrig ist, weil die in §§ 13a und 13b ErbStG vorgesehenen Steuervergünstigungen in wesentlichen Teilbereichen von großer finanzieller Tragweite über das verfassungsrechtlich gerechtfertigte Maß hinausgehen und dadurch die Steuerpflichtigen, die die Vergünstigungen nicht beanspruchen können, in ihrem Recht auf eine gleichmäßige, der Leistungsfähigkeit entsprechende und folgerichtige Besteuerung verletzt werden (vgl. Vorlagebeschluss des BFH in BFHE 238, 241, BStBl II 2012, 899).

12

2. Das Interesse der Antragstellerin an der Aufhebung der Vollziehung ist gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des ErbStG vorrangig.

13

a) Nach ständiger Rechtsprechung setzt eine Aufhebung der Vollziehung, die mit ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit einer dem angefochtenen Steuerbescheid zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift begründet wird, voraus, dass nach den Umständen des Einzelfalles ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes besteht, dem der Vorrang vor dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes zukommt (vgl. BFH-Beschlüsse in BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558; vom 21. Mai 2010 IV B 88/09, BFH/NV 2010, 1613; vom 9. März 2012 VII B 171/11, BFHE 236, 206, BStBl II 2012, 418; vom 13. März 2012 I B 111/11, BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611; vom 9. Mai 2012 I B 18/12, BFH/NV 2012, 1489; vom 18. Juni 2012 II B 17/12, BFH/NV 2012, 1652; Erfordernis eines berechtigten Interesses offen gelassen: BFH-Beschlüsse vom 23. August 2007 VI B 42/07, BFHE 218, 558, BStBl II 2007, 799, und vom 25. August 2009 VI B 69/09, BFHE 226, 85, BStBl II 2009, 826).

14

Das BVerfG hat dieser Rechtsprechung im Grundsatz zugestimmt (BVerfG-Beschlüsse vom 6. April 1988  1 BvR 146/88, Steuerrechtsprechung in Karteiform --StRK--, Finanzgerichtsordnung, § 69, Rechtsspruch 283; vom 3. April 1992  2 BvR 283/92, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1992, 726; kritisch insoweit Niedersächsisches FG, Beschluss vom 6. Januar 2011  7 V 66/10, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2011, 827; Gosch in Beermann/Gosch, FGO, § 69 Rz 179 ff.; Gräber/ Koch, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 69 Rz 113; Schallmoser, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2010, 297 ff.; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Rz 97; Specker, Deutsche Steuer-Zeitung 2010, 800, 802 f.; einschränkend auch FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. Oktober 2011  12 V 12089/11, EFG 2012, 358). In neueren Entscheidungen hat das BVerfG die Frage, ob die Rechtsprechung des BFH (in BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558) in jeder Hinsicht mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar ist, wegen der fehlenden Entscheidungserheblichkeit offen gelassen (BVerfG-Beschlüsse vom 24. Oktober 2011  1 BvR 1848/11, 1 BvR 2162/11, HFR 2012, 89, und vom 6. Mai 2013  1 BvR 821/13, HFR 2013, 639).

15

b) Bei der Prüfung, ob ein berechtigtes Interesse des Steuerpflichtigen an der Aussetzung bzw. der Aufhebung der Vollziehung eines Steuerbescheids vorliegt, ist das individuelle Interesse des Steuerpflichtigen mit den gegen die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sprechenden öffentlichen Belangen abzuwägen. Dabei kommt es maßgeblich einerseits auf die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen und andererseits auf die Auswirkungen einer Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung auf den Gesetzesvollzug und das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung an (BFH-Beschlüsse in BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558; in BFHE 236, 206, BStBl II 2012, 418; in BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611; in BFH/NV 2012, 1489).

16

c) Allerdings hat der BFH in Fällen, in denen die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes auf Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift beruhen, in verschiedenen Fallgruppen dem Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen den Vorrang vor den öffentlichen Interessen eingeräumt (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558, m.w.N.). Dazu zählt auch der Fall, dass der BFH die vom Antragsteller als verfassungswidrig angesehene Vorschrift bereits dem BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vorgelegt hat (vgl. BFH-Beschlüsse in BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558, und vom 23. April 2012 III B 187/11, BFH/NV 2012, 1328, jeweils m.w.N.).

17

Bis zur Entscheidung des BVerfG ist zwar ungewiss, ob dieses die Vorschrift als verfassungswidrig beurteilen und im Fall einer Verfassungswidrigkeit für nichtig oder (nur) für mit dem GG unvereinbar erklären wird und welche Rechtsfolge es hieraus ziehen wird. Jedoch hat der BFH vorläufigen Rechtsschutz auf der Basis seiner, der Vorlage zugrunde liegenden Rechtsauffassung zu gewähren (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Dezember 2003 IX B 177/02, BFHE 204, 39, BStBl II 2004, 367, m.w.N.). Eine Einschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes bei Verfassungsverstößen, von denen das Gericht überzeugt ist, gegenüber dem bei sonstigen Rechtsverstößen zu gewährenden vorläufigen Rechtsschutz ist dem rechtsuchenden Steuerpflichtigen im Hinblick auf seinen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht zuzumuten (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 204, 39, BStBl II 2004, 367). Mit dem Begehren nach vorläufigem Rechtsschutz muss der Steuerpflichtige auch in Kauf nehmen, dass bei einer Erfolglosigkeit des Einspruchs oder der Klage gegen den Steuerbescheid Aussetzungszinsen nach § 237 der Abgabenordnung (AO) anfallen, die für jeden Monat ein halbes Prozent betragen (§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO).

18

d) Ist --wie bei der Erbschaftsteuer-- die dem BVerfG zur Prüfung vorgelegte Vorschrift allerdings eine Tarifnorm, muss im Rahmen der Interessensabwägung auch berücksichtigt werden, dass in diesem Fall die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes praktisch zu einer einstweiligen Nichterhebung der gesamten Steuer führen kann. Die Kompetenz, den Vollzug eines Gesetzes auszusetzen, steht aber nach § 32 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht allein dem BVerfG zu, das von dieser Möglichkeit nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Gründe Gebrauch machen darf (BVerfG-Beschluss vom 22. Mai 2001  2 BvQ 48/00, BVerfGE 104, 23, 27 f.). Dennoch hat ein Steuerpflichtiger auch in einem solchen Fall Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Nur in Ausnahmefällen können überwiegende öffentliche Belange es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers einstweilen zurückzustellen (vgl. BVerfG-Beschluss in StRK, Finanzgerichtsordnung, § 69, Rechtsspruch 283).

19

e) Nachdem zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 19 Abs. 1 ErbStG i.V.m. §§ 13a und 13b ErbStG aufgrund des Vorlagebeschlusses des BFH (in BFHE 238, 241, BStBl II 2012, 899) ein Normenkontrollverfahren beim BVerfG anhängig ist, ist die Vollziehung eines auf § 19 Abs. 1 ErbStG beruhenden Erbschaftsteuerbescheids auf Antrag des Steuerpflichtigen auszusetzen oder aufzuheben, wenn ein berechtigtes Interesse des Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes besteht. Ein berechtigtes Interesse liegt jedenfalls vor, wenn der Steuerpflichtige mangels des Erwerbs liquider Mittel (wie z.B. Bargeld, Bankguthaben, mit dem Ableben des Erblassers fällige Versicherungsforderungen) zur Entrichtung der festgesetzten Erbschaftsteuer eigenes Vermögen einsetzen oder die erworbenen Vermögensgegenstände veräußern oder belasten muss. In diesen Fällen kann der Erwerber die Erbschaftsteuer nicht bzw. nicht ohne weitere, ggf. auch verlustbringende Dispositionen aus dem Erwerb begleichen. Es ist ihm hier deshalb nicht zuzumuten, die Erbschaftsteuer vorläufig zu entrichten. Wegen des vorrangigen Interesses des Steuerpflichtigen steht der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht entgegen, dass das ErbStG als formell zustande gekommenes Gesetz bis zu einer gegenteiligen Entscheidung des BVerfG Geltung beansprucht und von den Behörden und Gerichten anzuwenden ist.

20

Gehören dagegen zu dem der Erbschaftsteuer unterliegenden Erwerb auch verfügbare Zahlungsmittel, die zur Entrichtung der Erbschaftsteuer eingesetzt werden können, fehlt regelmäßig ein vorrangiges Interesse des Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Durch die Begleichung der Erbschaftsteuer vermindern sich lediglich die dem Steuerpflichtigen mit dem Erwerb zugeflossenen Zahlungsmittel, so dass die vorläufige Zahlung der Erbschaftsteuer dem Steuerpflichtigen zuzumuten ist.

21

f) Im Streitfall ist das Interesse der Antragstellerin an der Aufhebung der Vollziehung des Erbschaftsteuerbescheids gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des ErbStG vorrangig.

22

aa) Die Antragstellerin konnte die mit Bescheid vom 1. Oktober 2012 festgesetzte Erbschaftsteuer von 71.000 € bei Fälligkeit nicht aus den ihr zu diesem Zeitpunkt zugeflossenen Rentenzahlungen von monatlich 2.700 € entrichten. Wegen des Ansatzes der Rente nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 14 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes mit dem Kapitalwert war ein Erwerb nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in Höhe von 342.015 € (Jahreswert der Rente 32.400 € x Vervielfältiger 10,556) zu besteuern. Die dafür festgesetzte Erbschaftsteuer überstieg zum Zeitpunkt der Fälligkeit die Rentenzahlungen, die die Antragstellerin bis dahin für die Zeit nach dem Ableben des E (im September 2011) erhalten hatte. Die Rentenzahlungen dienten im Übrigen --nach dem unbestrittenen Vortrag der Antragstellerin im Einspruchsverfahren-- der Bestreitung ihres Lebensunterhalts, so dass die Antragstellerin den Zahlungseingang von vornherein allenfalls nur in einem hier zu vernachlässigenden Umfang zur Begleichung der Erbschaftsteuer verwenden konnte. Die Erbschaftsteuer musste überwiegend aus eigenen Mitteln der Antragstellerin entrichtet werden. Im Hinblick darauf ist derzeit ein berechtigtes Interesse der Antragstellerin an der Aufhebung der Vollziehung des Erbschaftsteuerbescheids auch insoweit gegeben, als sie in der Zeit ab Fälligkeit der Erbschaftsteuer bis zur Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes weiterhin Rentenzahlungen erhalten hat. Dies schließt einen späteren Änderungsantrag nach § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO nicht aus.

23

bb) Der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kann nicht entgegen gehalten werden, dass die Antragstellerin das Wahlrecht nach § 23 ErbStG hätte ausüben können.

24

Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 ErbStG können Steuern, die von dem Kapitalwert von Renten zu entrichten sind, nach Wahl des Erwerbers statt vom Kapitalwert jährlich im Voraus von dem Jahreswert entrichtet werden. Durch das Wahlrecht soll die unbillige Härte abgemildert werden, die sich aus der Besteuerung von Renten mit dem Kapitalwert ergibt, wenn dem Erwerber zur Begleichung der hohen Steuer die liquiden Mittel fehlen (vgl. Schuck in Viskorf/Knobel/Schuck, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 4. Aufl., § 23 ErbStG Rz 1). Das Wahlrecht ist jedoch mit dem Nachteil verbunden, dass die Erbschaftsteuer in diesem Fall nach der wirklichen und nicht nach der auf der Wahrscheinlichkeitsrechnung beruhenden Lebensdauer erhoben wird; lebt der Berechtigte länger als es der Wahrscheinlichkeitsrechnung entspricht, so ist die Gesamtbelastung höher (vgl. Schuck, a.a.O., § 23 ErbStG Rz 16). Zudem muss auch bei Ausübung dieses Wahlrechts die Erbschaftsteuer jährlich im Voraus beglichen werden. Der Antragstellerin muss deshalb die Entscheidung überlassen bleiben, ob sie das gesetzliche Wahlrecht in Anspruch nimmt oder nicht. Allein das Bestehen des einfachgesetzlichen Wahlrechts nach § 23 ErbStG kann nicht dazu führen, das grundgesetzlich geschützte Recht der Antragstellerin auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG einzuschränken. Der Antragstellerin stehen beide Rechte gleichermaßen zu.

25

3. Soweit der Senat bisher vorläufigen Rechtsschutz versagt hat, wenn zu erwarten ist, dass das BVerfG lediglich die Unvereinbarkeit eines Gesetzes mit dem GG aussprechen und dem Gesetzgeber eine Nachbesserungspflicht für die Zukunft aufgeben wird (vgl. BFH-Beschlüsse vom 11. Juni 1986 II B 49/83, BFHE 146, 474, BStBl II 1986, 782; vom 11. September 1996 II B 32/96, BFH/NV 1997, 270; in BFHE 202, 380, BStBl II 2003, 807; vom 5. April 2011 II B 153/10, BFHE 232, 380, BStBl II 2011, 942; vom 4. Mai 2011 II B 151/10, BFH/NV 2011, 1395), wird daran im Hinblick auf die geäußerte Kritik (vgl. Seer, a.a.O., § 69 FGO Rz 96; derselbe, DStR 2012, 325, 328 f.; Gosch, a.a.O., § 69 Rz 180.1; Gräber/Koch, a.a.O., § 69 Rz 113; Anwendung offen gelassen: BFH-Beschlüsse in BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611, und in BFH/NV 2012, 1489) nicht mehr festgehalten.

26

Es ist nicht gerechtfertigt, aufgrund einer Prognose über die Entscheidung des BVerfG vorläufigen Rechtsschutz generell auszuschließen. Ist ein qualifiziertes Interesse des Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vorhanden, muss es im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG auch effektiv durchsetzbar sein und darf nicht deshalb leerlaufen, weil das BVerfG möglicherweise in einem Normenkontrollverfahren eine Weitergeltung verfassungswidriger Normen anordnet. Aus diesem Grund ist auch im Streitfall eine Aufhebung der Vollziehung unabhängig davon zu gewähren, ob das BVerfG im Verfahren 1 BvR 21/12 für den Fall, dass es zu der Überzeugung gelangt, § 19 Abs. 1 ErbStG sei mit dem GG unvereinbar, die Norm für nichtig erklärt oder wiederum eine zeitlich beschränkte Weitergeltung anordnet. Sollte das BVerfG eine solche Weitergeltungsanordnung treffen und dem Gesetzgeber eine Neuregelung aufgeben, besteht auch die Möglichkeit, dass die Neuregelung des ErbStG den Steuerpflichtigen, deren Erwerbe zeitlich von der Weitergeltungsanordnung erfasst werden, ein Wahlrecht auf Anwendung des neuen Rechts einräumt.

27

4. Die Vollziehung des Erbschaftsteuerbescheids vom 1. Oktober 2012 war ohne Sicherheitsleistung aufzuheben.

28

Nach § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO kann die Aufhebung der Vollziehung auch gegen Sicherheit angeordnet werden. Durch die Verknüpfung mit einer Sicherheitsleistung sollen Steuerausfälle bei einem für den Steuerpflichtigen ungünstigen Verfahrensausgang vermieden werden. Die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ist regelmäßig ohne Sicherheitsleistung auszusetzen, wenn seine Rechtmäßigkeit ernstlich zweifelhaft ist und keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass bei einem Unterliegen des Antragstellers im Hauptsacheverfahren die Durchsetzung des Steueranspruchs gefährdet wäre (BFH-Beschluss vom 12. September 2011 VIII B 70/09, BFH/NV 2012, 229, Rz 21). Im Streitfall gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Antragstellerin nicht über eine gesicherte Vermögenslage verfügt und daher die Gefahr eines Steuerausfalls besteht.

Tatbestand

1

I. Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) begründete mit Herrn X im März 2002 eine eingetragene Lebenspartnerschaft. Er beantragte beim Antragsgegner und Beschwerdeführer (Finanzamt --FA--), für die Jahre 2002 bis 2008 zusammen mit seinem Lebenspartner zur Einkommensteuer veranlagt zu werden. Das FA lehnte dies ab und führte jeweils Einzelveranlagungen durch. Gegen die Ablehnung einer Zusammenveranlagung wandte sich der Antragsteller mit Einsprüchen. Außerdem beantragte er beim FA die "Aussetzung der Vollziehung" (AdV) der Einkommensteuerbescheide 2002 bis 2008. Dies lehnte das FA ab.

2

Die beim Finanzgericht (FG) gestellten Anträge hatten Erfolg. Das FG setzte die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 2002 bis 2008 in Höhe der Differenzbeträge aus, die sich bei Anwendung des Splittingtarifs im Vergleich zu den bisherigen Einzelveranlagungen ergeben würden. Zur Begründung führte es aus, nach dem Wortlaut der §§ 26, 26b des Einkommensteuergesetzes (EStG) scheide eine Anwendung des Ehegattensplittings zwar aus. Die Schlechterstellung eingetragener Lebenspartnerschaften verstoße jedoch gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Nach dem zum Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht ergangenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 21. Juli 2010  1 BvR 611/07, 2464/07 (BVerfGE 126, 400) bestünden keine Unterschiede von solchem Gewicht, die eine Schlechterstellung eingetragener Lebenspartner gegenüber Ehegatten im Hinblick auf die einkommensteuerliche Zusammenveranlagung rechtfertigen könnten.

3

Zur Begründung der vom FG zugelassenen Beschwerde trägt das FA vor, trotz des Beschlusses des BVerfG in BVerfGE 126, 400 gebe es Gründe, weshalb es gerechtfertigt sei, eingetragene Lebenspartnerschaften im Einkommensteuerrecht anders zu behandeln als Ehegatten. Das Rechtsinstitut der Ehe habe bleibende Bedeutung als typische Grundlage der Familie mit Kindern.

4

Das FA beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Anträge des Antragstellers auf Aufhebung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 2002 bis 2008 abzuweisen.

5

Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

6

Zur Begründung führt er aus, die Beschlüsse des BVerfG vom 7. Juli 2009  1 BvR 1164/07 (BVerfGE 124, 199) sowie in BVerfGE 126, 400 seien nach § 31 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) auch für das Einkommensteuerrecht bindend.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Beschwerde des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Ablehnung der Anträge des Antragstellers (§ 132 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

8

1. Die Einkommensteuerbescheide 2002 bis 2008 sind nach Aktenlage bereits vollzogen, da die für den Antragsteller abgeführten Lohnsteuerbeträge in jedem Jahr die jeweils festgesetzte Einkommensteuer übersteigen. Das Begehren des Antragstellers ist somit nicht auf die AdV gerichtet (§ 69 Abs. 3 Satz 1 FGO), sondern auf die Aufhebung der Vollziehung bereits vollzogener Verwaltungsakte (§ 69 Abs. 3 Satz 3 FGO). Da Prozesserklärungen unter Beachtung des Grundsatzes der rechtsschutzgewährenden Auslegung von Verfahrensvorschriften (Art. 19 Abs. 4 GG) so auszulegen sind, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was rechtlich vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. Januar 2010 VI B 115/09, BFH/NV 2010, 935), sind die Anträge des Antragstellers als solche auf Aufhebung der Vollziehung zu beurteilen.

9

2. Die Anträge auf Aufhebung der Vollziehung sind statthaft.

10

a) Im finanzgerichtlichen Verfahren ist vorläufiger Rechtsschutz entweder durch die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts nach § 69 FGO oder durch eine einstweilige Anordnung nach § 114 FGO zu gewähren. Die Abgrenzung der beiden Rechtsschutzmöglichkeiten richtet sich danach, welche Klage in einem Hauptsacheverfahren zu erheben wäre. Ist die zutreffende Klageart die Anfechtungsklage, wird vorläufiger Rechtsschutz durch die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung gewährt (§ 69 FGO), bei Verpflichtungsklagen ist grundsätzlich eine einstweilige Anordnung (§ 114 FGO) zu beantragen (BFH-Beschluss vom 16. Dezember 1997 XI S 41/97, BFH/NV 1998, 615; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 69 Rz 5, 33).

11

b) Auch wenn der Antragsteller letztlich den Erlass von Einkommensteuerbescheiden anstrebt, durch die er und sein Lebenspartner zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden und die Verpflichtung des FA zum Erlass eines solchen Bescheids nur im Wege der Verpflichtungsklage erreicht werden könnte (s. BFH-Urteil vom 9. März 1973 VI R 396/70, BFHE 109, 44, BStBl II 1973, 487; Senatsbeschluss vom 23. Mai 2011 III B 211/10, BFH/NV 2011, 1517), sind gleichwohl die Anträge auf Aufhebung der Vollziehung statthaft. Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2002 bis 2008 beschränken sich nicht auf eine bloße Negation (Versagung der Zusammenveranlagung), sondern beinhalten darüber hinaus Steuerfestsetzungen (s. Beschluss des Großen Senats vom 14. April 1987 GrS 2/85, BFHE 149, 493, BStBl II 1987, 637, zum negativen Gewinnfeststellungsbescheid). Der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) gebietet es, einem Steuerpflichtigen die Möglichkeit zu eröffnen, sich mit einem Antrag auf Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung gegen einen Einkommensteuerbescheid zu wenden, durch den er nicht, wie beantragt, zusammen mit seinem Lebenspartner, sondern einzeln zur Einkommensteuer veranlagt wird (ebenso FG Baden-Württemberg vom 12. September 2011  3 V 2820/11, Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 66; a.A. FG Hamburg vom 25. Juli 2011  6 V 50/11, juris), und zwar insoweit, als die bei der Einzelveranlagung festgesetzte Steuer den Betrag übersteigt, der bei einer Zusammenveranlagung festzusetzen wäre.

12

3. Eine Aufhebung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 2002 bis 2008 wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gegen den Ausschluss der Partner einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft von der Möglichkeit zur Zusammenveranlagung nach §§ 26, 26b EStG ist im Streitfall nicht gerechtfertigt.

13

a) Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts aufgehoben werden, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hat. Bei Steuerbescheiden ist die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aufhebung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 69 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 8 FGO). Der Begriff der wesentlichen Nachteile i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO ist im Sinne der Rechtsprechung zu § 114 FGO zu verstehen (z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 935, m.w.N.). Diese Beschränkung ist mit dem GG vereinbar und nicht im Wege der verfassungskonformen Auslegung zu korrigieren (BFH-Beschluss vom 22. Dezember 2003 IX B 177/02, BFHE 204, 39, BStBl II 2004, 367, m.w.N.).

14

b) Im Streitfall sind keine wesentlichen Nachteile erkennbar, die dem Antragsteller drohen könnten, wenn die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 2002 bis 2008 nicht aufgehoben wird.

15

aa) Insbesondere wird die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtigen durch die Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide nicht unmittelbar und ausschließlich bedroht (s. BFH-Beschlüsse vom 22. November 2001 V B 100/01, BFH/NV 2002, 519, und vom 11. Juni 2001 I B 30/01, BFH/NV 2001, 1223, zu § 114 FGO).

16

bb) Eine Aufhebung der Vollziehung ist auch nicht geboten, um eine erhebliche Verletzung von Grundrechten zu vermeiden, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnte (s. BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 935, m.w.N.). Denn selbst schwerwiegende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der angewendeten Rechtsvorschrift allein rechtfertigen eine Aufhebung der Vollziehung wegen wesentlicher Nachteile nicht. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache führen nur dann zur Bejahung wesentlicher Nachteile, wenn die Rechtslage klar und eindeutig für die begehrte Regelung spricht und eine abweichende Beurteilung in einem etwa durchzuführenden Hauptverfahren zweifelsfrei auszuschließen ist. Eine Aufhebung der Vollziehung kann geboten sein, wenn das zuständige Gericht von der Verfassungswidrigkeit einer streitentscheidenden Vorschrift überzeugt ist und diese deshalb gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem BVerfG zur Prüfung vorgelegt hat (BFH-Beschlüsse in BFHE 204, 39, BStBl II 2004, 367, und in BFH/NV 2010, 935).

17

cc) Ein solcher Vorlagebeschluss ist jedoch durch den Senat nicht ergangen. Auch wenn wegen des offenen Ausgangs der beim BVerfG anhängigen Verfassungsbeschwerden 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06 und 2 BvR 288/07 zweifelhaft ist, ob die §§ 26, 26b EStG mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sind, ist der Senat nicht von der Verfassungswidrigkeit der §§ 26, 26b EStG überzeugt.

18

Entgegen der Rechtsansicht des Antragstellers kommt den Ausführungen des BVerfG in den Beschlüssen in BVerfGE 124, 199 und in BVerfGE 126, 400 zur Auslegung der Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG keine verfahrensrechtliche Bindungswirkung gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG zu. Dabei kann --ebenso wie es das BVerfG in seinem Beschluss vom 18. Januar 2006  2 BvR 2194/99 (BVerfGE 115, 97) offen ließ-- dahinstehen, ob die Bindungswirkung allein den in der Entscheidungsformel ausgedrückten konkreten Streitgegenstand oder auch die tragenden Gründe der Entscheidung umfasst, soweit diese Ausführungen zur Auslegung der Verfassung enthalten. Den genannten Beschlüssen des BVerfG lagen Verfassungsbeschwerden gegen Gerichtsentscheidungen zugrunde, die mit der Begründung angegriffen wurden, die maßgeblichen Rechtsnormen seien nicht mit dem GG vereinbar. In einem solchen Fall geht die Entscheidung des BVerfG nach § 95 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 BVerfGG nicht über die angegriffene Gerichtsentscheidung und die angegriffenen gesetzlichen Bestimmungen hinaus (s. auch Hömig in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/ Bethge, BVerfGG, Kommentar, § 95 Rz 5, 11 f.). Danach bezieht sich der Beschluss in BVerfGE 124, 199 auf Bestimmungen der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, der Beschluss in BVerfGE 126, 400 auf Vorschriften des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes; weder die Entscheidungsformeln noch die tragenden Gründe der beiden Beschlüsse betreffen daher die Frage der Verfassungsmäßigkeit der §§ 26, 26b EStG.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin begehrt die Aufhebung der Vollziehung einer Steueranmeldung betreffend Kernbrennstoffsteuer, wobei zwischen den Beteiligten kein Streit besteht über die zutreffende Anwendung des Kernbrennstoffsteuergesetzes vom 08.12.2010 (BGBl. I S. 1804 - KernbrStG -), sondern ausschließlich über die Frage, ob das Kernbrennstoffsteuergesetz selbst rechtmäßig ist.

2

A. 1. Die Antragstellerin betreibt von den neun ... gegenwärtig in Deutschland noch in Betrieb befindlichen Kernkraftwerken unter anderem das streitgegenständliche Kernkraftwerk in X. Sie ist im Besitz der dafür erforderlichen atomrechtlichen Genehmigung.

3

Am 16.06.2011 setzte die Antragstellerin Brennelemente in den Kernreaktor des Kernkraftwerks X ein und löste eine sich selbsttragende Kettenreaktion aus. In ihrer für den Monat Juni 2011 abgegebenen Steueranmeldung berechnete die Antragstellerin eine Steuer von EUR 96.347.570,-, die sie in der Folgezeit zunächst entrichtete.

4

2. Auf ihren vorläufigen Rechtsschutzantrag hob das Finanzgericht Hamburg mit Beschluss vom 16.09.2011 (4 V 133/11) die Vollziehung der Steueranmeldung ohne Sicherheitsleistung mit der Begründung auf, dass es ernstlich zweifelhaft sei, ob dem Bund für den Erlass der Kernbrennstoffsteuer eine Gesetzgebungskompetenz zustehe. Ob das Kernbrennstoffsteuergesetz im Übrigen verfassungs- und europarechtsgemäß sei, ließ der Senat dahingestellt.

5

Auf die vom Antragsgegner erhobene Beschwerde hob der Bundesfinanzhof mit Beschluss vom 09.03.2012 (VII B 171/11) den Beschluss des Finanzgerichts Hamburg vom 16.09.2001 auf und lehnte den Antrag auf Aufhebung der Vollziehung unter Hinweis darauf ab, dass im Streitfall die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in der praktischen Auswirkung einem einstweiligen Außerkraftsetzen des Kernbrennstoffsteuergesetzes gleich käme. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG stehe indes allein dem Bundesverfassungsgericht die Kompetenz zu, den Vollzug eines Gesetzes auszusetzen. Dass ihr durch die sofortige Vollziehung der angefochtenen Steueranmeldung irreparable Nachteile oder eine unzumutbare Härte drohen würden, habe die Antragstellerin nicht schlüssig vorgebracht. - Zu der von der Antragstellerin ebenfalls gerügten Europarechtswidrigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes verhält sich der Beschluss des Bundesfinanzhofs nicht.

6

3. Die Antragstellerin hatte bereits am 28.11.2011 Klage gegen die Steueranmeldung und die zwischenzeitlich ergangene Einspruchsentscheidung erhoben. Mit Beschluss vom 29.01.2013 (4 K 270/11) hat der beschließende Senat das Verfahren ausgesetzt und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob das Kernbrennstoffsteuergesetz mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb ungültig ist. Der Senat führt in seinem Beschluss aus, dass er zu der Überzeugung gelangt sei, das Kernbrennstoffsteuergesetz sei formell verfassungswidrig, weil dem Bund für die Einführung der Kernbrennstoffsteuer keine Gesetzgebungskompetenz zur Seite stehe. - Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Az.: 2 BvL 6/13) über die Vorlage des Senats steht noch aus.

7

B. In einem Parallelverfahren eines anderen Kernkraftwerksbetreibers hat der Senat zwischenzeitlich mit Beschluss 19.11.2013 (4 K 122/13) das Verfahren ebenfalls ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Auslegung des Unionsrechts im Wege der Vorabentscheidung vorgelegt:

8

1. Frage:

9

Berechtigt Art. 267 Satz 2 i. V. m. Satz 1 Buchst. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) das Gericht eines Mitgliedstaats, Fragen, die ihm im Zusammenhang mit der Rechtmäßigkeit eines nationalen Gesetzes über die Auslegung von Unionsrecht gestellt werden, auch dann dem Gerichtshof der Europäischen Union vorzulegen, wenn das Gericht nicht nur einerseits Zweifel an der Unionsrechtmäßigkeit des Gesetzes hat, sondern andererseits auch zur Überzeugung gelangt ist, das nationale Gesetz widerspreche der nationalen Verfassung, und deswegen in einem Parallelfall bereits das nach nationalem Recht allein zur Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen befugte Verfassungsgericht angerufen hat, dessen Entscheidung aber noch nicht vorliegt?

10

Sofern die 1. Frage bejaht wird, ersucht der Senat den Gerichtshof um die Beantwortung folgender Frage:

11

2. Frage:

12

Stehen die zur Harmonisierung von Verbrauchsteuern und für Energieerzeugnisse und elektrischen Strom in der Union erlassenen Richtlinien RL 2008/118/EG und RL 2003/96/EG der Einführung einer nationalen Steuer, die auf zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom verwendete Kernbrennstoffe erhoben wird, entgegen? Kommt es darauf an, ob erwartet werden kann, dass die nationale Steuer über den Strompreis auf den Verbraucher abgewälzt werden kann, und was ist gegebenenfalls unter Abwälzung zu verstehen?

13

Sofern die 2. Frage verneint wird, ersucht der Senat den Gerichtshof um die Beantwortung folgender Fragen:

14

3. Frage:

15

Kann sich ein Unternehmen gegen eine Steuer, die ein Mitgliedstaat zur Erzielung von Einnahmen auf die Verwendung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom erhebt, mit dem Einwand wehren, die Erhebung der Steuer stelle eine unionsrechtswidrige Beihilfe gemäß Art. 107 AEUV dar?

16

Sofern die vorstehende Frage bejaht wird:

17

Stellt das deutsche Kernbrennstoffsteuergesetz, nach dem zur Erzielung von Einnahmen eine Steuer nur von solchen Unternehmen erhoben wird, die gewerblich Strom unter Verwendung von Kernbrennstoffen erzeugen, eine staatliche Beihilfemaßnahme im Sinne des Art. 107 AEUV dar? Welche Umstände sind bei der Prüfung beachtlich, ob sich andere Unternehmen, bei denen Steuern nicht in gleicher Weise erhoben werden, in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden?

18

4. Frage:

19

Steht die Erhebung der deutschen Kernbrennstoffsteuer im Widerspruch zu den Regelungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (EAGV)?

20

Über das Vorabentscheidungsersuchen des Senats hat der Gerichtshof der Europäischen Union noch nicht entschieden (Az. EuGH C-5/14).

21

C. Am 28.11.2013 hat die Antragstellerin, nachdem ihr erneuter Antrag auf Aufhebung der Vollziehung der angemeldeten und gezahlten Kernbrennstoffsteuer vom Antragsgegner wiederum abgelehnt worden war, beim Finanzgericht Hamburg abermals um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht.

22

1. a) Sie begründet ihren Antrag zum einen mit der Europarechtswidrigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes. Das Gesetz stehe im Widerspruch zu europarechtlichen Vorschriften, insbesondere verstoße es

- gegen das in Art. 14 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/96/EG enthaltene Verbot einer Inputbesteuerung bei der Stromerzeugung,

- gegen das in Art. 1 RL 2008/118/EG enthaltene Verbot der Erhebung nicht harmonisierter Verbrauchsteuern auf Strom,

- gegen das EURATOM-Vertragsziel der preisgleichen Versorgung zur Sicherung eines wettbewerbsneutralen Bezuges der Brennelemente und regele eine europavertragswidrige Besteuerung von EURATOM,

- gegen EU-Beihilferecht.

23

Dass ernstliche Zweifel im Sinne von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO vorlägen, werde durch das Vorabentscheidungsersuchen des beschließenden Senats vom 19.11.2013 wegen klärungsbedürftiger unionsrechtlicher Rechtsfragen belegt. Zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes während des Vorabentscheidungsverfahrens bedürfe es - auch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - der Aufhebung der Vollziehung der Steueranmeldung.

24

Es sei nicht erforderlich, dass sie - die Antragstellerin - noch ein besonderes berechtigtes Interesse an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes geltend mache. Ein solches Interesse werde zwar von einigen Senaten des Bundesfinanzhofs für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal dann verlangt, wenn die Rechtmäßigkeit des Veraltungsaktes wegen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit des zugrunde liegenden Gesetzes in Frage gestellt werde. Begründet werde diese Forderung mit Blick auf das Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts und zum Schutz der öffentlichen Haushalte. Entsprechendes werde hingegen zu Recht weder in der Rechtsprechung noch im Schrifttum in Fällen von Zweifeln an der Europarechtsmäßigkeit eines Gesetzes verlangt. Es bestehe kein Verwerfungsmonopol bestimmter Gerichte für unionsrechtswidrige Gesetze. Der Gerichtshof der Europäischen Union lehne es auch prinzipiell ab, in einem bloßen Fiskalinteresse einen tragfähigen Rechtfertigungsgrund für eine Verletzung der Grundfreiheiten wie der Versagung von Eilrechtsschutz zu sehen.

25

b) Die Antragstellerin begründet ihren Antrag zum anderen mit der Verfassungswidrigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes. Das Gesetz sei formell und materiell verfassungswidrig, einerseits wegen mangelnder Gesetzgebungskompetenz des Bundes, andererseits wegen Verstoßes gegen die Grundrechte aus Art. 3 und 14 GG.

26

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs folge aus dem Umstand, dass ein Gericht dem Bundesverfassungsgericht eine Norm im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle zur Aufhebung vorgelegt habe, die Verpflichtung zur Gewährung der Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung des auf der Grundlage dieser Norm ergangenen Bescheids. Die Aussetzungs- bzw. Aufhebungspflicht sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht auf Vorlagen oberster Bundesgerichte beschränkt. Eine solche Beschränkung wäre rechtswidrig, denn sie würde das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzen. Außerdem würde dadurch ein Rechtssuchender, dessen Hauptsacheverfahren bereits durch ein Instanzgericht dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt worden sei, ungerechtfertigt gegenüber demjenigen diskriminiert, dessen Rechtsstreit erst am Ende des Instanzenzuges durch ein Bundesgericht dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werde.

27

c) Die Beschwerdeentscheidung des VII. Senats des Bundesfinanzhofs vom 09.03.2012 (VII B 171/11) stehe der Stellung eines neuen Antrags auf Aufhebung der Vollziehung nicht entgegen.

28

Zwar habe der Bundesfinanzhof in jenem Beschluss eine Aufhebung der Vollziehung zu ihren, der Antragstellerin, Gunsten abgelehnt. Es sei jedoch zu berücksichtigen, dass jener Entscheidung in rechtlicher Hinsicht ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen habe. Zum einen habe die mit der Beschwerde angegriffene Eilrechtsschutzgewährung durch das Finanzgericht lediglich auf Zweifeln an der formellen Verfassungsgemäßheit des Kernbrennstoffsteuergesetzes beruht, die zudem nur das Ergebnis einer vorläufigen Prüfung gewesen sei. Inzwischen liege mit dem Vorlagebeschluss des beschließenden Senats vom 29.01.2013 (FG Hamburg, 4 K 270/11, s. o.) eine gerichtliche Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes vor. Zum anderen stehe mit dem Vorabentscheidungsersuchen des beschließenden Senats vom 19.11.2013 (FG Hamburg, 4 K 122/13, s. o.) fest, dass die Europarechtmäßigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes ebenfalls zweifelhaft sei.

29

Die Beschwerdeentscheidung des Bundesfinanzhofs vom 09.03.2012 sei richtigerweise so zu verstehen, dass Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung eines Bescheids im Hinblick auf eine Verfassungswidrigkeit des zugrunde liegenden Gesetzes zwar grundsätzlich zu versagen sei, dies jedoch nicht gelte, wenn entweder ein derart offenkundiger Verfassungsverstoß gegeben sei, dass das Gesetz die formelle Verfassungswidrigkeit auf der Stirn trage, oder - sofern ein Vorlagebeschluss nach Art. 100 Abs. 1 GG noch nicht vorliege - die Vollziehung des Bescheids für den Steuerpflichtigen einen wesentlichen Nachteil darstelle. Es sei nicht davon auszugehen, dass der Entscheidung des VII. Senats ein noch restriktiveres Verständnis des § 69 FGO zugrunde liege, zumal der VII. Senat keinen Anlass gesehen habe, den Großen Senat des Bundesfinanzhofs (§ 11 Abs. 2 FGO) anzurufen, wozu er anderenfalls im Hinblick auf eine dann festzustellende Abweichung seines Beschlusses von der Rechtsprechung anderer Senate verpflichtet gewesen wäre.

30

d) Sie - die Antragstellerin - ist auch der Ansicht, dass ihr einstweiliger Rechtsschutz ohne Sicherheitsleistung zu gewähren sei. Unstreitig gebe es aktuell keine Anzeichen, dass sie im gegenwärtigen Zeitpunkt die Steuer nicht mehr entrichten könne. Allgemeine Erwägungen über die Möglichkeit einer Vermögensverschlechterung bis zur Entscheidung in der Hauptsache rechtfertigten die Anordnung einer Sicherheitsleistung nicht. Sie weist darauf hin, dass bereits aufgrund der Bedingungen für die Erteilung einer kerntechnischen Genehmigung nach § 7c Abs. 2 Atomgesetz bei ihr als Genehmigungsinhaberin das Vorhalten angemessener finanzieller Mittel zur Erfüllung ihrer Pflichten in Bezug auf die nukleare Sicherheit gewährleistet und damit zugleich ihre steuerliche Leistungsfähigkeit gegeben sei. Die Eigenkapitalquote des Genehmigungsinhabers sei nicht ausschlaggebend. Zu berücksichtigen sei im Übrigen zu ihren Gunsten, dass sie in den Y-Konzern, der zum 31.12.2012 ein Eigenkapital von über EUR ... Mio. aufgewiesen habe, eingebunden sei und dass diese Einbindung auch eine Verlustübernahmeverpflichtung beinhalte. Allein aus seinem Teilgeschäft mit der Weiterleitung von Energie erziele der Konzern jährlich ein "EBITDA" ("earnings before interest, taxes, depreciation and amortization" = "Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen (auf Sachanlagen) und Abschreibungen (auf immaterielle Vermögensgegenstände)") von über EUR ... Mio., mithin ein Betrag, der für sich bereits die jährlichen Kernbrennstoffsteuerforderungen übersteige. Die Antragstellerin weist darauf hin, dass die Bundesregierung selbst keine Zweifel an einem Einstehen des Konzerns habe, wie sich aus ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage im November 2011 nach den Stilllegungs- und Abbaukosten von Kernkraftwerken im Fall der Insolvenz der Betreiber ergebe, in der die Bundesregierung ohne weitere Begründung auf die Haftung der vier großen Energieversorger Deutschlandes verwiesen habe, zu denen auch die Y SE gehöre.

31

Die Antragstellerin beantragt, die Vollziehung der am 08.07.2011 angemeldeten und gezahlten Kernbrennstoffsteuer in Höhe von EUR 96.347.570 ohne Sicherheitsleistung für den Zeitraum ab Fälligkeit der angemeldeten Kernbrennstoffsteuer bis einen Monat nach Zustellung der Entscheidung über den Abschluss des Klageverfahrens aufzuheben.

32

2. Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen,

33

hilfsweise die Aufhebung der Vollziehung gegen Sicherheitsleistung anzuordnen.

34

Der Antragsgegner hält den Antrag für unzulässig und unbegründet.

35

a) Da im vorliegenden Rechtsstreit durch den Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 09.03.2012 (VII B 171/11) einstweiliger Rechtsschutz bereits unanfechtbar versagt worden sei, könne der vorliegende Antrag nur auf der Grundlage von § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO zulässig sein, dessen Voraussetzungen allerdings nicht erfüllt seien. Gegenstand der allein in Betracht kommenden Beschlüsse des Finanzgerichts Hamburg über die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht und das Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union seien lediglich die im damaligen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof bereits vorgetragenen und bekannten Aspekte; die zeitlich späteren Beschlüsse des Finanzgerichts Hamburg vertieften lediglich die seinerzeitigen rechtliche Erwägungen.

36

b) Der Antrag sei zudem unbegründet.

37

Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Vereinbarkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes mit Vorschriften höherrangigen Rechts. Von ernstlichen Zweifeln im Sinne von § 69 FGO könne nur dann die Rede sein, wenn das Obsiegen des Betroffenen im Hauptsacheverfahren mindestens ebenso wahrscheinlich sei wie sein Unterliegen.

38

Der Umstand, dass überhaupt ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet worden sei, begründe für sich keine derart qualifizierten Zweifel, denn formelle Voraussetzung eines Vorabentscheidungsersuchens sei lediglich die bloße Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage. Die von der Antragstellerin und dem Finanzgericht Hamburg vorgetragenen Bedenken würden indes durch eine Vielzahl gewichtiger Argumente ausgeräumt.

39

Insbesondere sei die Richtlinie RL 2003/96/EG wegen ihres Wortlauts nicht direkt, aber auch nicht analog anwendbar, weil der Grundsatz der schrittweisen Harmonisierung einer Anwendungsanalogie entgegenstehe. Im Übrigen ergebe sich aus der Systematik der Richtlinie, ihren Zielen und ihrer Entstehungsgeschichte unter Berücksichtigung des Willens der EU-Kommission und der Mitgliedstaaten, dass Kernbrennstoffe von der Richtlinie RL 2003/96/EG bewusst ausgeschlossen worden seien. Der Anwendungsbereich der Energiesteuerrichtlinie RL 2003/96/EG werde auch nicht durch die Verbrauchsteuersystemrichtlinie RL 2008/118/EG erweitert. Kernbrennstoffe unterfielen nicht den harmonisierten Verbrauchsteuern. Anders als das Finanzgericht Hamburg in seinem Vorabentscheidungsersuchen erwäge, handele es sich bei der Kernbrennstoffsteuer auch nicht um eine direkte oder indirekte Steuer auf elektrischen Strom, denn die Kernbrennstoffsteuer sei sowohl bei der Entstehung als auch bei der Berechnung unabhängig von der tatsächlich verbrauchten und verbrauchsteuerpflichtigen Strommenge. Weiterhin ergäben sich auch keine ernstlichen Zweifel an der Vereinbarkeit der Kernbrennstoffsteuer mit dem europäischen Beihilferecht und mit den Vorschriften über die europäische Atomgemeinschaft.

40

Die gegen die Verfassungsmäßigkeit vorgetragenen Argumente überzeugten gleichfalls nicht.

41

c) Im Übrigen müsse bei der Anwendung des in § 69 FGO normierten Anordnungsermessens selbst im unterstellten Fall des Bestehens ernstlicher Zweifel an der Vereinbarkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes mit höherrangigem Recht berücksichtigt werden, dass ein atypischer Fall vorliege, weil es nicht allein um eine möglicherweise fehlerhafte Rechtsanwendung der Verwaltung, sondern um die Gesetzesentscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers gehe. Die dementsprechend vorzunehmende Abwägung von Aussetzungsinteresse einerseits und Vollzugsinteresse andererseits sei bereits durch den Bundesfinanzhof in seinem Beschluss vom 09.03.2012 vorgenommen und vorläufiger Rechtsschutz zu Recht versagt worden. Dass dies nicht nur im Hinblick auf verfassungs-, sondern auch in Bezug auf unionsrechtliche Fragen gelte, ergebe sich aus der Grundsatzentscheidung des Großen Senats des Gerichtshofs bei der Europäischen Union vom 13.06.2006 in der Rechtssache Unibet (C-432/05).

42

d) Einstweiliger Rechtsschutz sei gegebenenfalls nur gegen Sicherheitsleistung zu gewähren, weil die Durchsetzung des Steueranspruchs aufgrund konkreter Anhaltspunkte gefährdet wäre, falls die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren unterliege.

43

Zwar habe die Antragstellerin bislang alle Steuerforderungen beglichen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage einer Gefährdung sei jedoch der Abschluss des Hauptsacheverfahrens. Da aller Voraussicht nach in dem Hauptsacheverfahren eine rechtskräftige Entscheidung erst in drei Jahren zu erwarten sei, gerechnet ab dem Erlass des Vorabentscheidungsersuchens durch den beschließenden Senat, müsse die Gefährdungsprognose die bis dahin zu erwartenden Entwicklungen mitberücksichtigen.

44

Dabei sei zu bedenken, dass die Antragstellerin über verhältnismäßig wenig Eigenkapital verfüge. Die Antragstellerin habe im letzten veröffentlichen Jahresabschluss zum 31.12.2012 Eigenkapital von nur rund EUR ... Mio. ausgewiesen. Ihre Eigenkapitalquote habe damit weniger als 2 % der Bilanzsumme betragen und damit unter den in der Energiewirtschaft üblichen 40 % gelegen.

45

Für die Zukunft bestünden erhebliche Risiken im Hinblick auf hohe Kosten für die Entsorgung von Brennelementen und für die Stilllegung und Beseitigung von nuklearen Anlagen. Die Antragstellerin habe hierfür Rückstellungen in Höhe von über EUR ... Mio. und über EUR ... Mio. gebildet. Soweit sich diese Kosten gegenüber den Schätzungen auch nur verhältnismäßig geringfügig erhöhen sollten, wäre die Deckung der Mehrkosten durch das geringe Eigenkapital kaum darstellbar. Zudem bestehe aufgrund des anhaltend niedrigen Zinsniveaus ein Korrekturbedarf nach Erhöhung der Rückstellungen. Ein weiterer Korrekturbedarf könne sich auch aus der zu erwartenden gesetzlichen Neubewertung der Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle bis 2016 ergeben.

46

Zu berücksichtigen sei die Höhe der Kernbrennstoffsteuerforderungen; die Antragstellerin schulde nicht nur die in diesem Verfahren streitgegenständliche Steuer, sondern für die bereits abgelaufene Zeit bis zum Ende des Jahres 2013 allein oder als Gesamtschuldner insgesamt Kernbrennstoffsteuer in Höhe von rund EUR ... Mio. Zudem entstehe zu Lasten der Antragstellerin zukünftig jährlich weitere Kernbrennstoffsteuer in Höhe von rund EUR ... Mio. Sollte einstweiliger Rechtsschutz gewährt werden, die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren in geschätzten drei Jahren aber unterliegen, müsste sie eine Steuerschuld von bis zu EUR ... Mio. zuzüglich Zinsen von 6 % pro Jahr zahlen.

47

Zusammenfassend bestehe daher ein erhebliches Risiko, dass die Antragstellerin im Falle einer Aufhebung und Aussetzung der Vollziehung bei einer Entscheidung der Hauptsache im Jahr 2016 für die dann aufgelaufenen Steuerschulden nicht werde einstehen können, zumal die wirtschaftliche Entwicklung der Antragstellerin vor dem Hintergrund der Energiewende unsicher sei.

48

Auf die Leistungsfähigkeit der Konzernmutter der Antragstellerin komme es rechtlich nicht an. Außerdem könne die Konzernstruktur, aus der sich nach Ansicht der Antragstellerin eine Haftung der Konzernmutter ergeben solle, jährlich geändert werden. Selbst wenn es eine Einstandspflicht der Konzernmutter geben würde, wäre eine die geforderte Sicherheitsleistung rechtfertigende Steueranspruchsgefährdung gegeben, denn auch die Wirtschaftslage der Konzernmutter habe sich - zum Teil aus denselben Gründen wie bei der Antragstellerin - bereits in einem im Verhältnis zu der Höhe der in Rede stehenden Kernbrennstoffsteuerforderungen gegen sämtliche Konzerngesellschaften wesentlichen Maß verschlechtert und es drohe eine noch weitere Verschlechterung.

49

D. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakte des Antragsgegners verwiesen.

Entscheidungsgründe

II.

50

Der Antrag hat Erfolg. Er ist gemäß § 69 Abs. 6 Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig (1) und gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO begründet. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Unionsrechtmäßigkeit (2) und an der Verfassungsmäßigkeit (3) der angefochtenen Steueranmeldung. Weitere Voraussetzungen sind für die Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes im Hinblick auf die unionsrechtlichen Zweifel nicht erforderlich (4a) bzw. im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Zweifel jedenfalls nunmehr gegeben (4b).

51

Eine Sicherheitsleistung ist nicht anzuordnen (5).

52

Die Beschwerde ist zuzulassen (6).

53

1. Der Antrag ist als Änderungsantrag gemäß § 69 Abs. 3, Abs. 6 FGO zulässig.

54

Das Gericht der Hauptsache kann nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO auf Antrag die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Da die Entscheidung des Gerichts über einen Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO nicht in materielle Rechtskraft erwächst, kann das Gericht nach § 69 Abs. 6 Satz 1 FGO Aussetzungsbeschlüsse über Anträge nach § 69 Abs. 3 FGO jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen (§ 69 Abs. 6 Satz 2 FGO). Es steht dem Antragsteller frei, jederzeit einen neuen Antrag zu stellen. Die Zulässigkeit eines solchen Folgeantrags ist allerdings an die Voraussetzungen des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO gebunden.

55

a) Die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO sind im Streitfall erfüllt.

56

Nach dieser Vorschrift ist die Zulässigkeit des Antrags entweder von veränderten Umständen (§ 69 Abs. 6 Satz 2 Alt. 1 FGO) oder von zwar unveränderten Umständen abhängig, die aber im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemacht worden sind (§ 69 Abs. 6 Satz 2 Alt. 2 FGO). "Umstände" in diesem Sinne können Tatsachen und Beweismittel sein, die nach Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung entstanden oder bekannt geworden sind. Dasselbe gilt, wenn eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage inzwischen höchstrichterlich (anders) entschieden worden oder inzwischen ein die entscheidungserhebliche Rechtsfrage betreffender Vorlagebeschluss ergangen ist (vgl. BFH, Beschluss vom 21.10.2013, V B 68/13; Koch, in: Gräber, FGO, 7. Aufl., § 69 Rz 199; Seer, in: Tipke/Kruse, AO und FGO, § 69 FGO Rz 166, jeweils m. w. N.).

57

Vorliegend kann sich die Antragstellerin auf in zweifacher Hinsicht veränderte Umstände im Sinne des § 69 Abs. 6 Satz 2 Alt. 2 FGO berufen, die ihren erneuten vorläufigen Rechtsschutzantrag zulassen. Diese veränderten Umstände liegen zum einen darin, dass der beschließende Senat das Kernbrennstoffsteuergesetz zwischenzeitlich mit Beschluss vom 29.01.2013 (4 K 270/11) dem Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes vorgelegt hat. Zum anderen haben sich die Umstände zusätzlich dadurch verändert, dass der beschließende Senat zwischenzeitlich auch für dieses Verfahren entscheidungserhebliche Rechtsfragen im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt hat (Beschluss vom 19.11.2013, 4 K 122/13). Für die Zulässigkeit des Antrags ist dabei ohne Bedeutung, inwieweit diese Beschlüsse jeweils in dem Hauptsacheverfahren der Antragstellerin gegen die auch im vorliegenden Antragsverfahren streitgegenständliche Steueranmeldung ergangen ist oder aber in einem Parallelverfahren der Antragstellerin oder eines anderen Betreibers eines Kernkraftwerkes. So wie die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes sämtliche Anfechtungsverfahren gegen Anmeldungen bzw. Festsetzungen von Kernbrennstoffsteuer betrifft, so sind die vom Senat dem Europäischen Gerichthof vorgelegten unionsrechtlichen Zweifelsfragen in gleicher Weise auch für den Ausgang der von der Antragstellerin gegen die streitgegenständliche Steueranmeldung erhobenen Anfechtungsklage entscheidungserheblich.

58

Ob für die Zulässigkeit eines Antrags gemäß § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO eine erneute behördliche Ablehnung gemäß § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO erforderlich ist, kann dahinstehen, weil die Antragstellerin am 25.06.2013 einen erneuten Antrag beim Antragsgegner gestellt hatte, den dieser am 19.08.2013 abgelehnt hat.

59

b) Unbeschadet der vorstehenden Darlegungen nimmt der beschließende Senat den von der Antragstellerin gestellten (erneuten) vorläufigen Rechtsschutzantrag zum Anlass, den in der Sache 4 V 133/11 ergangenen und zwischenzeitlich vom Bundesfinanzhof im Beschwerdeverfahren VII B 171/11 aufgehobenen Beschluss von Amts wegen gemäß § 69 Abs. 6 Satz 1 FGO zu ändern. Die Änderung des die Aussetzung der Vollziehung ablehnenden BFH-Beschlusses von Amts wegen ist ebenfalls in zweifacher Hinsicht sachgerecht. Zum einen, weil der Senat - nachdem er in den ersten Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes zunächst wegen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes gewährt hat, die der Bundesfinanzhof in seinen Aufhebungsbeschlüssen nicht in Abrede genommen hat - nunmehr die Frage der formellen Verfassungsmäßigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes dem Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle aufgrund ausführlich dargelegter Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes zur Entscheidung vorgelegt hat. Zum anderen ist die Änderung durch den Senat von Amts wegen aber auch deswegen sachgerecht, weil er auch den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV zur Auslegung der entscheidungserheblichen unionsrechtlichen Zweifelsfragen angerufen hat, und die von der Antragstellerin in Bezug auf das Kernbrennstoffsteuergesetz vorgebrachten europarechtlichen Einwände nicht Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens waren.

60

c) Das Finanzgericht Hamburg ist für einen erneuten Antrag der Antragstellerin zuständig.

61

Zuständig für die Änderung oder Aufhebung eines Beschlusses gemäß § 69 Abs. 6 FGO ist als Gericht der Hauptsache regelmäßig das Finanzgericht. Wegen der eingeschränkten Kompetenzen eines Beschwerdegerichts ist das Finanzgericht auch dann für die Entscheidung nach § 69 Abs. 6 FGO zuständig, wenn der Bundesfinanzhof bereits über eine Beschwerde nach § 128 Abs. 3 FGO gegen eine frühere Entscheidung des Finanzgerichts zum vorläufigen Rechtsschutz entschieden hat, selbst wenn seine Entscheidung von der des Finanzgerichts abweicht (Seer in Tipke/Kruse Abgabenordnung Finanzgerichtsordnung, FGO § 69, Rdnr. 164 unter Hinweis auf BFH, Beschluss vom 25.03.1993, I S 5/93). Eine Bindung des Finanzgerichts an die Beschwerdeentscheidung gibt es im Rahmen von § 69 Abs. 6 FGO nicht (BFH, Beschluss vom 26.03.1980, I B 11/80).

62

Zu einer Zuständigkeitsverlagerung auf den Bundesfinanzhof kann es nur kommen, wenn die Hauptsache inzwischen beim Bundesfinanzhof anhängig ist (Seer in Tipke/Kruse Abgabenordnung Finanzgerichtsordnung, FGO § 69, Rdnr. 164 unter Hinweis auf BFH, Beschluss vom 28.08.2003, VIII S 26/02; BFH, Beschluss vom 26.09.2008, VIII B 37/08; vgl. auch BFH, Beschluss vom 13.10.1999, I S 4/99 m. w. N), was hier nicht der Fall ist.

63

Eine Zuständigkeitsverlagerung auf das Bundesverfassungsgericht infolge der Vorlage des Hauptsacheverfahrens gemäß Art. 100 Abs. 1 GG erfolgt nicht.

64

2. Die materiellen Voraussetzungen für eine Aufhebung der Vollziehung sind zunächst im Hinblick auf das Unionsrecht gegeben.

65

a) Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Gericht auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes aussetzen oder aufheben, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder - was vorliegend nicht in Betracht kommt und auch von der Antragstellerin nicht geltend gemacht wird - seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

66

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn und soweit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund der präsenten Beweismittel, des unstreitigen Sachverhalts und der gerichtsbekannten Tatsachen erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich der Verwaltungsakt bei abschließender Klärung dieser Fragen als rechtswidrig erweisen kann (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. nur Beschluss vom 03.04.2013, V B 125/12; Beschluss vom 26.09.2007, I B 53, 54/07; Beschluss vom 30.10.2008, II B 58/08, Beschluss vom 02.04.2009, II B 157/08, jeweils m. w. N.). Zur Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (BFH, Beschluss vom 03.04.2013, V B 125/12). Ist die Rechtslage nicht eindeutig, so ist im summarischen Verfahren nicht abschließend zu entscheiden, sondern es ist im Regelfall die Vollziehung auszusetzen (BFH, Beschluss vom 13.03.2012, I B 111/11; Beschluss vom 19.05.2010, I B 191/09).

67

b) Vorliegend bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Steueranmeldung, weil nach Ansicht des beschließenden Senats die Europarechtmäßigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes zweifelhaft ist.

68

aa) Der Senat kann unentschieden lassen, ob es für die Annahme ernstlicher Zweifel bereits ausreicht, dass ein Vorabentscheidungsersuchen beim Gerichtshof der Europäischen Union anhängig ist, dessen Beantwortung für die Entscheidung des Streitfalls erheblich ist. Ernstliche Zweifel sind jedenfalls dann anzunehmen, wenn es sich nicht ausschließen lässt, dass der Gerichtshof der Europäischen Union im Sinne des Antragsstellers entscheiden wird (so BFH, Beschluss vom 05.05.1994, V S 11/93). Es reicht, dass im Hinblick auf ein streiterhebliches Vorabentscheidungsersuchen die Möglichkeit besteht, dass der Gerichtshof der Europäischen Union eine Verletzung von Unionsrecht bejahen wird (BFH, Beschluss vom 24.03.1998, I B 100/97).

69

Zur Rechtfertigung der Annahme begründeter Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids genügt allerdings, dass dem Gericht des Eilverfahrens die Aussetzung des Hauptsacheverfahrens zur Vorabentscheidung - im Eilverfahren ist ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nicht statthaft - geboten erscheint, falls der Ausgang des Vorabentscheidungsverfahrens nicht vorhersehbar ist und insoweit von einer Unentschiedenheit in der Beurteilung der Rechtslage auszugehen ist oder von ihr jedenfalls ausgegangen werden kann (BFH, Beschluss v. 25.09.2008, XI S 4/08; dem folgend FG Düsseldorf, Beschluss vom 13.02.2009, 4 V 3976/08 A(Z)).

70

Nur soweit ein Gericht - bei Anhängigkeit eines erheblichen Vorabentscheidungsersuchens eines anderen Gerichts - zu dem Ergebnis kommt, dass seiner Ansicht nach keinerlei Zweifel daran bestehen, dass eine Auslegung des Unionsrechts ergibt, dass der streitgegenständliche Bescheid nicht unionsrechtswidrig ist, das Gericht also ausschließen kann, dass der Gerichtshof der Europäischen Union im Sinne des Antragsstellers entscheiden wird, ist es nicht zur Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz verpflichtet, sondern kann ihn trotz der Anhängigkeit eines Vorabentscheidungsersuchens in der maßgeblichen Frage versagen (vgl. im Ergebnis Hessisches FG, Beschluss vom 17.05.2013, 1 V 337/13; FG Münster, Beschluss vom 18.01.2013, 5 V 3800/12U; unklar FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.05.2012, 14 V 3826/11, das die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz im Wesentlichen durch einen Hinweis auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs begründet).

71

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist vorliegend davon auszugehen, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Steueranmeldung bestehen.

72

In seinem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union hat der Senat das Bestehen von Zweifeln an der Unionsrechtmäßigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes begründet. Der Senat nimmt Bezug auf den gesamten Inhalt seines Vorabentscheidungsersuchens vom 19.11.2013, aus dem sich ergibt, dass der beschließende Senat es für möglich hält, dass das Unionsrecht in einer Weise auszulegen ist, das der Einführung der Kernbrennstoffsteuer entgegensteht. Auf der Grundlage dieser Erwägungen ist es nach Ansicht des Senats jedenfalls nicht auszuschließen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union im Sinne der Antragstellerin entscheiden wird.

73

bb) Darüber hinaus - worauf es allerdings nach dem Ausgeführten nicht mehr entscheidend ankommt - hält es der beschließende Senat im Hinblick auf das im Vorabentscheidungsersuchen angesprochene Richtlinienrecht überdies sogar für wahrscheinlich, dass das Kernbrennstoffsteuergesetz jedenfalls gegen die Energiesteuerrichtlinie RL 2003/96/EG bzw. gegen die Verbrauchsteuersystemrichtlinie RL 2008/118/EG verstößt und die Steueranmeldung der Antragstellerin damit nicht rechtmäßig ist.

74

Nach dem Ergebnis der Prüfung des Senats spricht einiges dafür, dass die zur Harmonisierung von Verbrauchsteuern und für Energieerzeugnisse und elektrischen Strom in der Union erlassenen Richtlinien RL 2008/118/EG und RL 2003/96/EG der Einführung einer nationalen Steuer, die auf zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom verwendete Kernbrennstoffe erhoben wird, entgegen stehen.

75

(1) Gemäß Art. 14 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/96/EG sind die Mitgliedstaaten grundsätzlich verpflichtet, die bei der Stromerzeugung verwendeten "Energieerzeugnisse" von der Steuer zu befreien. Im Sinne einer "Output-Besteuerung" wird im Anwendungsbereich der Richtlinie RL 2003/96/EG also insoweit lediglich der erzeugte Strom der Energiesteuer unterworfen, es werden aber nicht die hierfür verwendeten "Energieerzeugnisse" besteuert mit dem Ziel, das dem Verbrauchsteuerregime der Union insgesamt zugrunde liegende Prinzip einer Besteuerung des Verbrauchers nur im Bestimmungsland unter Vermeidung einer Mehrfachbesteuerung durch zusätzliche Besteuerung im Ursprungsland des Verbrauchsgutes zu verwirklichen (vgl. zum Konzept der Output-Besteuerung im Rahmen der Harmonisierung der Strombesteuerung Jatzke, ZfZ 2010, 278, 281 m. w. N, vgl. insbes. Kube, IStR 2012, 553, 555, m. w. N., u. a. unter Bezugnahme des Vorschlags für eine Richtlinie des Rates zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen vom 12.03.1997, KOM (97) 30, S. 5).

76

Der Unionsgesetzgeber hat in Art. 2 Abs. 1 RL 2003/96EG zur Bestimmung des Anwendungsbereichs dieser Richtlinie einen Katalog von Waren aufgelistet, die als Energieerzeugnisse im Sinne dieser Richtlinie gelten. Kernbrennstoffe sind in diesem Katalog nicht enthalten und damit nach dem (reinen) Wortlaut dieser Vorschrift keine Energieerzeugnisse im Sinne der Richtlinie, zumal sie auch unter keine der in Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 und 3 RL 2003/96/EG enthaltenen Erweiterungen zu subsumieren sind (vgl. Jatzke, ZfZ 2010, 278, 281; Kube, IStR 2012, 553, 555 f.). Dass die Anwendung der zitierten Vorschrift bzw. des Prinzips der Output-Besteuerung auf Atomstrom überhaupt ausgeschlossen ist, also keine Pflicht der Mitgliedstaaten zur Steuerbefreiung für die zur Erzeugung von Atomstrom eingesetzten Kernbrennstoffe besteht, ist allerdings unionsrechtlich zweifelhaft. Denn es sprechen gewichtige Gründe dafür, zu erwägen, ob die RL 2003/96/EG oder jedenfalls die Regelung in Art. 14 Abs. 1 RL 2003/96/EG gleichwohl, etwa im Wege der Analogie, auf Kernbrennstoffe angewendet werden kann (so Kube, IStR 2012, 553, 556; auch Jatzke, ZfZ 2010, 278, 281 erwägt die Anwendung von Art. 14 Abs. 1 RL 2003/96 EG auf die Stromerzeugung mittels Kernbrennstoffen, verneint sie allerdings im Ergebnis).

77

Argumente für eine solche Anwendung sind den Gesetzesmaterialien der Richtlinie zu entnehmen, so dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen vom 12.03.1997, KOM (97) 30, S. 5 (vgl. im Einzelnen Kube, IStR 2012, 553, 556) sowie dem Bericht des Europäischen Parlaments über den Entwurf einer Richtlinie des Rates zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom vom 11.09.2003 (A5-0302/2003). In diesem Bericht ist festgehalten, der Rat habe sich auf eine "umfassende Richtlinie zur Energiebesteuerung geeinigt ..., die alle Energieformen umfasst". Diese Feststellung spricht gegen die Annahme, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Katalog in Art. 2 RL 2003/96/EG die Kernkraft bewusst aus dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie habe ausnehmen wollen und dass der Aufzählung der Energieerzeugnisse eine abschließende Bedeutung zukommen solle. Zwar könnte der Umstand, dass in die sodann verabschiedete Richtlinie entgegen der in dem zitierten Bericht angestrebten Erfassung aller Energieformen die Atomkraft nicht ausdrücklich aufgenommen worden ist, für eine Meinungsänderung der Organe sprechen. Die Nichtaufnahme könnte sich jedoch ebenso damit erklären lassen, dass eine ausdrücklich Regelung der Geltung der Output-Besteuerung auch für Atomstrom deswegen für nicht erforderlich erachtet wurde, weil die Kernbrennstoffe mit dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (EAGV) bereits einem Sonderregime unterworfen sind, aufgrund dessen sie als im Eigentum der Europäischen Atomgemeinschaft stehend (Art. 86 EAGV) nicht am normalen Handels- und Warenverkehr teilnehmen und daher auch zu keiner Zeit in einen freien Verkehr gelangen, was jedoch regelmäßig Anknüpfungspunkt für die Erhebung von Verbrauchsteuern ist (vgl. etwa RL 2008/118/EG, 8. Erwägungsgrund).

78

Nach Ansicht des beschließenden Senats kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Richtlinienrecht, das im Zuge schrittweiser Harmonisierung erlassen wird, einer erweiternden Auslegung oder Analogie in keinem Fall zugänglich ist, wie der Antragsgegner meint (zur Zulässigkeit eines Analogieschlusses Kube, IStR 2012, 553, 556).

79

Vor diesem Hintergrund sieht der beschließende Senat über das für die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz hinreichende Bestehen von Zweifeln hinaus eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Beantwortung der dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegten Auslegungsfragen im Sinne der Antragstellerin beantwortet werden; eine die Zweifelsfragen weiter vertiefende Prüfung ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht angezeigt.

80

(2) Sofern die Besteuerung der Kernbrennstoffe nicht bereits infolge einer Anwendbarkeit der RL 2003/96/EG ausgeschlossen ist, spricht nach Ansicht des beschließenden Senats einiges dafür, dass ihr jedenfalls die durch RL 2008/118/EG erfolgte Harmonisierung von Verbrauchsteuern entgegensteht.

81

Diese Richtlinie legt gemäß ihrem Art. 1 Abs. 1 ein allgemeines System für die Verbrauchsteuern fest, die mittelbar oder unmittelbar auf den Verbrauch der dort aufgeführten und als "verbrauchsteuerpflichtige Waren" definierten Waren, nämlich neben den Energieerzeugnissen und elektrischem Strom gemäß RL 2003/96/EG noch auf Alkohol und alkoholische Getränke sowie Tabakwaren, erhoben werden.

82

Der beschließende Senat neigt dazu, dass die Kernbrennstoffsteuer als eine im Sinne von Art. 1 RL 2008/118/EG indirekte Steuer auf elektrischen Strom anzusehen ist (a) und dass durch Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 RL 2008/118/EG das Steuerfindungsrecht der Mitgliedstaaten für indirekte Steuern auf verbrauchsteuerpflichtige Waren beschränkt wird (b).

83

(a) Der beschließende Senat hält es für möglich, dass der Begriff der indirekten Steuern in Art. 1 Abs. 2 RL 2008/118/EG so auszulegen ist, dass die Kernbrennstoffsteuer, deren Erhebungstatbestand an das Verwenden von Kernbrennstoffen bei der gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom anknüpft, auch als indirekte Steuer auf elektrischen Strom im Sinne der Richtlinie zu qualifizieren ist.

84

Der Begriff der indirekten Steuern ist im Unionsrecht nicht legal definiert. Für die Annahme, dass es sich bei der Kernbrennsteuer um eine indirekte Steuer im Sinne der Richtlinie handelt, spricht Folgendes:

85

(aa) In Art. 4 Abs. 2 RL 2003/96/EG - einer in einem engen Regelungszusammenhang mit der Verbrauchsteuersystemrichtlinie RL 2008/118/EG stehenden Vorschrift (s. Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 RL 2008/118/EG) - wird der "Steuerbetrag" als die Gesamtheit der als indirekte Steuern erhobenen Abgaben definiert, die zum Zeitpunkt der Überführung in den freien Verkehr direkt oder indirekt anhand der Menge an Energieerzeugnissen und elektrischem Strom berechnet werden. Dies spricht nach Ansicht des Senats dafür, dass indirekte Steuern auf elektrischen Strom auch im Sinne der Verbrauchsteuersystemrichtlinie RL 2008/118/EG alle diejenigen Steuern sind, deren Höhe sich jedenfalls indirekt nach der Menge des erzeugten und an die Konsumenten abgegebenen elektrischen Stroms bestimmt und somit hierzu proportional sind (so wohl auch Kube, IStR 2012, 553, 554).

86

Das Verhältnis zwischen Kernbrennstoffsteuer einerseits und erzeugtem bzw. abgegebenem Strom andererseits ist zwar nicht streng proportional, denn die Menge des in einem Kernkraftwerksreaktor nach dem Einsetzen von Brennelementen erzeugten Stroms ergibt sich nicht unmittelbar aus der Menge der Kernbrennstoffe, sondern kann nach dem unbestrittenen Vortrag der Antragstellerin je nach Art des eingesetzten Kernbrennstoffs und seiner Beschaffenheit schwanken und hängt auch von dem zwischen verschiedenen Kraftwerken differierenden Wirkungsgrad des Reaktors ab. Daraus ergibt sich aber zugleich, dass sich das Verhältnis zwischen Kernbrennstoffsteuer einerseits und erzeugtem bzw. abgegebenem Strom andererseits regelmäßig einer Proportionalität annähert.

87

Der Senat neigt dem Verständnis zu und hält es durchaus für möglich, dass, um von einer indirekten Steuer auf Strom im Sinne der Verbrauchsteuerrichtlinie RL 2008/118/EG zu sprechen, zwar eine gewisse Proportionalität der Steuer zur Menge des Stroms grundsätzlich erforderlich ist, insoweit aber eine bloß ungefähre Proportionalität ausreicht. Unter Berücksichtigung des Richtlinienziels der Harmonisierung dürften unwesentliche Ungenauigkeiten in der Steuerbemessung ohne Bedeutung sein. Bei Maßgeblichkeit einer strengen Proportionalität bestünde ansonsten sogar die Gefahr, dass dieses Richtlinienziel verfehlt würde bzw. umgangen werden könnte. Entsprechend wird vertreten, dass durch die Kernbrennstoffsteuer der Stromverbrauch mittelbar besteuert werde, weil der Verbrauch von Kernbrennstoffen in direktem, kausalem Zusammenhang mit der Menge des erzeugen und seinerseits verbrauchten Stroms stehe (vgl. Kube, IStR 2012, 553, 558, m. w. N).

88

Der beschließende Senat berücksichtigt dabei auch die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 10.06.1999 in der Rechtssache C-346/97 zur Vorgängervorschrift in Art. 1 der RL 92/12. In dieser Entscheidung hat der Gerichtshof der Europäischen Union eine mittelbare Steuer auf den Verbrauch einer Ware bereits bejaht, sofern ein unmittelbarer, untrennbarer Zusammenhang zwischen dem Warenverbrauch einerseits und dem Steuertatbestand andererseits besteht. Ein solcher Zusammenhang dürfte vorliegend bestehen, weil die Kernbrennstoffsteuer bei Verwendung der Kernbrennstoffe zur Erzeugung von elektrischem Strom erhoben wird und elektrischer Strom nach seiner Erzeugung mangels hinreichender Speichermöglichkeit grundsätzlich auch verbraucht wird.

89

(bb) Der beschließende Senat erwägt allerdings auch, ob die in Art. 1 RL 2008/118/EG verwendeten Begriffe der mittelbaren Erhebung und der indirekten Steuer etwa voraussetzen, dass die Steuer einen anderen als den Steuerschuldner belasten.

90

Der Senat geht davon aus, dass eine Steuer, die auf ein bei der Herstellung einer Ware eingesetztes Produktionsmittel (hier den Kernbrennstoff) erhoben wird, im Hinblick auf die hergestellte Ware grundsätzlich eine indirekte (vgl. Art. 1 Abs. 2 RL 2008/118/EG) bzw. eine mittelbar auf ihren Verbrauch erhobene (vgl. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 RL 2008/118/EG) Steuer sein kann. Denn im Allgemeinen werden von produzierenden Unternehmen die im Zusammenhang mit der Warenproduktion anfallenden Steuern - ebenso wie die sonstigen Produktionskosten - beim Vertrieb der Waren eingepreist und damit auf den Verbraucher überwälzt, der dadurch indirekt mit der Steuer belastet wird. Die Kernbrennstoffsteuer wird nach § 2 Abs. 1 KernbrStG nur auf solche Kernbrennstoffe erhoben, die zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom verwendet werden, so dass auch eine Steuer, die an den Einsatz von Kernbrennstoffen anknüpft, grundsätzlich zu einer Belastung des Stromverbrauchers im Sinne einer indirekten Besteuerung führen könnte.

91

Sollte es auf die Belastung des Stromverbrauchers ankommen, wäre zu fragen, ob davon auszugehen ist, dass es den steuerpflichtigen Unternehmen gelingen kann, die Kernbrennstoffsteuer tatsächlich auf ihre Abnehmer abzuwälzen.

92

Im Rahmen seiner Überprüfung, ob das Kernbrennstoffsteuergesetz in Übereinstimmung mit der deutschen Verfassung erlassen wurde, hat der beschließende Senat in seinem Vorlagebeschluss vom 29.0.2013 (4 K 270/11, s. o.) geprüft, ob die Kernbrennstoffsteuer im Sinne des Verbrauchsteuerbegriffs des deutschen Grundgesetzes auf Überwälzung auf den privaten Verbraucher angelegt ist; der Senat hat diese Prüfung im Ergebnis verneint.

93

Der Senat erkennt jedoch, dass der Begriff der indirekten Steuern im Unionsrecht nicht unbedingt mit dem kompetenzrechtlichen Verbrauchsteuerbergriffs des deutschen Grundgesetzes übereinstimmen muss, zumal der im Unionsrecht verwendete Begriff anders als der im Grundgesetz verwendete Begriff funktional der Abgrenzung gegenüber dem Begriff der direkten Steuern dient (so auch in Art. 110 ff. AEUV; nach Kube, IStR 2012, 553, 554, ist die indirekte Erhebungsweise in Form der Belastung durch Überwälzung keine konstitutive Voraussetzung für das Eingreifen des Verbrauchsteuerregimes der Union). Direkte Steuern knüpfen üblicherweise an die Person des Steuerpflichtigen an, nicht jedoch an Waren oder Dienstleistungen, nach denen indirekte Steuern regelmäßig bemessen werden. Die Abgrenzungsfunktion des unionsrechtlichen Begriffs der indirekten Steuern wird bei seiner Auslegung nicht unbeachtet bleiben können. Selbst unter Berücksichtigung ihrer gewinnabschöpfenden Wirkung ist die Kernbrennstoffsteuer wegen ihrer warenbezogenen Erhebung keinesfalls eine klassische direkte Steuer.

94

Der beschließende Senat hat auch die Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in seinem Urteil vom 24.10.2013 (C-440/12) in seine Überlegungen einbezogen. In jenem Vorabentscheidungsersuchen war im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuer nach der Bedeutung des Begriffs der Abwälzbarkeit gefragt worden. In dem dortigen Ausgangsfall war es dem klagenden Unternehmer, einem Betreiber von Glücksspielgeräten, aufgrund eines gesetzlichen Verbots verwehrt, den Preis für seine Dienstleistung um die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Nach den Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in diesem Urteil reicht es jedoch für die Abwälzbarkeit aus, wenn sich die geschuldete Mehrwertsteuer aus der Anwendung des gesetzlichen Mehrwertsteuersatzes auf die Nettokasse als Bemessungsgrundlage ergibt; dann werde die Steuer auch tatsächlich von den Endverbrauchern gezahlt und es könne nicht erkannt werden, dass die Preisregulierung die Abwälzung der Mehrwertsteuer auf die Endverbraucher verhindere (EuGH, Urteil vom 24.10.2013, C-440/12, Rz. 50 f.).

95

Der beschließende Senat geht davon aus, dass diese Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Abwälzbarkeit der Mehrwertsteuer auf die Verbrauchsteuern übertragen werden können, so dass eine unionsrechtliche Abwälzbarkeit einer Waren- oder Dienstleistungsteuer immer dann schon gegeben wäre, wenn die Steuer das Entgelt für eine Ware oder Dienstleistung nicht übersteigt. Da im vorliegenden Fall nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich ist, dass der von der Antragstellerin für ihren Atomstrom erzielte Preis grundsätzlich nicht ausreichen kann, um die erhobenen Steuern zu zahlen, dürfte, falls die Urteilsdeutung des beschließenden Senats zutreffend sein sollte, der Kernbrennstoffsteuer die unionsrechtliche Abwälzbarkeit nicht fehlen und sie könnte also eine indirekte Steuer im Sinne von Art. 1 RL 2008/118/EG sein.

96

(b) Der beschließende Senat bezweifelt, dass die Erhebung der Kernbrennstoffsteuer, wenn sie denn als mittelbare oder indirekte Steuer auf elektrischen Strom im Sinne von Art. 1 RL 2008/118/EG anzusehen sein sollte, auf Art. 1 Abs. 1 oder 2 RL 2008/118/EG gestützt werden kann und geht davon aus, dass die Mitgliedstaaten nicht berechtigt sind, außerhalb des Regelungsbereichs dieser beiden Vorschriften weitere Steuern auf verbrauchsteuerpflichtige Waren zu erfinden.

97

(aa) Art. 1 Abs. 1 RL 2008/118/EG könnte Rechtsgrundlage für die Erhebung der Kernbrennstoffsteuer allenfalls im Zusammenhang mit der Energiesteuerrichtlinie RL 2003/96/EG sein. Es ist bereits dargelegt worden, dass diese Richtlinie gemäß dem Wortlaut ihrer Anwendungsvorschrift in Art. 2 keine Kernbrennstoffe erfasst. Würde die Richtlinie indes anders auszulegen oder anzuwenden sein, dürften die Kernbrennstoffe jedenfalls nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. a) Satz 1 RL 2003/96/EG steuerbefreit sein (s. o.). Zwar stellt Art. 14 Abs. 1 Buchst. a) Satz 2 RL 2003/96/EG es den Mitgliedstaaten frei, zur Stromerzeugung eingesetzte Energieerzeugnisse aus umweltpolitischen Gründen doch zu besteuern. Freilich ist diese Voraussetzung hier nicht erfüllt, denn die Gesetzesbegründung des Kernbrennstoffsteuergesetzes stellt nicht auf umweltpolitische Gründe ab, sondern nennt als Gesetzeszweck die Schaffung von Einnahmen für den allgemeinen Haushalt.

98

(bb) Die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage in Art. 1 Abs. 2 RL 2008/118/EG dürften ebenfalls nicht gegeben sein. Nach Art. 1 Abs. 2 RL 2008/118/EG können Mitgliedstaaten für besondere Zwecke auf verbrauchsteuerpflichtige Waren andere indirekte Steuern erheben, sofern diese Steuern in Bezug auf die Bestimmung der Bemessungsgrundlage, die Berechnung der Steuer, die Entstehung des Steueranspruchs und die steuerliche Überwachung mit den gemeinschaftlichen Vorschriften für die Verbrauchsteuer oder die Mehrwertsteuer - ausgenommen die Bestimmungen über die Steuerbefreiungen - vereinbar sind. Kein besonderer, sondern ein allgemeiner Steuerzweck im Sinne der Verbrauchsteuerrichtlinie ist allerdings die Absicht, mit einer Steuer Einnahmen zu erzielen (vgl. EuGH, Urteil vom 09.03.2000, C-437/97, Rz. 33; Urteil vom 24.02.2000, C-434/97 m. w. N.; vgl. Jatzke, ZfZ 2010, 278, 281; vgl. Kube, IStR 2012, 553, 558f m. w. N.). Demnach wird die Kernbrennstoffsteuer nicht für besondere Zwecke erhoben, denn sie wurde ausweislich der Gesetzesbegründung eingeführt, weil aus Gründen der Haushaltskonsolidierung des Bundes zusätzliche Einnahmequellen erschlossen werden sollten.

99

(cc) Der beschließende Senat ist der Auffassung, dass der Richtliniengeber in Art. 1 Abs. 2 RL 2008/118/EG die Erhebung anderer indirekter Steuern auf verbrauchsteuerpflichtige Waren als die in Art. 1 Abs. 1 RL 2008/118/EG geregelten Steuern zwar einerseits ausdrücklich zulässt - "können erhoben werden" -, zugleich aber diese Zulassung materiell beschränkt auf solche indirekten Steuern, die zum einen "für besondere Zwecke" erhoben werden und zum anderen mit den dort näher bezeichneten unionsrechtlichen Vorschriften vereinbar sind (vgl. zur Beschränkung des nationalen Steuerfindungsrechts durch Art. 1 RL 2008/118/EG Jatzke, ZfZ 2010, 278, 281; Kube, IStR 2012, 553, 555). Das zugrunde gelegt, dürfte eine Erhebung indirekter Steuern im Übrigen nicht zulässig sein.

100

Der beschließende Senat neigt diesem Verständnis aus folgendem Grunde zu: Hätte es den Mitgliedstaaten generell und voraussetzungslos freistehen sollen, neben den Steuern, die durch die in Art. 1 Abs. 1 RL 2008/118/EG genannten Richtlinien eine Regelung erfahren haben, noch weitere indirekte Steuern auf verbrauchsteuerpflichtige Waren zu erheben, so bliebe die Regelung in Abs. 2 der Vorschrift, die die Erhebung weiterer Steuern innerhalb des dort näher bestimmten Rahmens für zulässig erklärt, ohne Anwendungsbereich.

101

In diesem Zusammenhang merkt der beschließende Senat an, dass er allerdings nicht mit der Antragstellerin der Ansicht ist, dass Deutschland bereits wegen einer "umfassenden Energiezuständigkeit" der Europäischen Union aufgrund des Vertrags von Lissabon oder eines "generellen Verbots einer sogenannten Inputbesteuerung von elektrischem Strom", aufgrund einer "strukturellen Harmonisierungspflicht bzw. Vorab-Sperrwirkung einer noch nicht umgesetzten Harmonisierung des Steuerrechts der Mitgliedstaaten" oder wegen eines etwaigen "CO2-Preissignals" unmittelbar oder im Rahmen einer Auslegung der angesprochenen Richtlinien an der Erhebung einer Steuer auf die Verwendung von Kernbrennstoffen zur Stromerzeugung gehindert ist.

102

3. Nach Ansicht des Senats ist eine Aufhebung der Vollziehung weiterhin auch wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Kernbrennsteuergesetzes zu gewähren.

103

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm bereits dann zu bejahen, wenn der Bundesfinanzhof die Rechtsnorm im Rahmen eines konkreten Normenkontrollverfahrens dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt hat (BFH, Beschluss vom 11.06.2003, IX B 16/03; BFH, Beschluss vom 31.01.2007, VIII B 219/06).

104

Dies gilt nach Ansicht des beschließenden Senats auch dann, wenn der Vorlagebeschluss nicht durch den Bundesfinanzhof, sondern nur durch ein Finanzgericht erfolgt. Sofern keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Vorlagebeschluss durch den Senat eines Finanzgerichts unzulässig oder offenkundig unbegründet ist, in dem Beschluss also im Hinblick auf die strengen Zulässigkeitsvoraussetzungen die Überzeugung des vorlegenden Senats unter Berücksichtigung des Standes der Rechtsprechung und der Literatur die Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit umfassend dargelegt ist, begründet auch ein solcher Vorlagebeschluss ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids, der auf den betreffenden Rechtsnormen beruht (so FG Köln, Beschluss vom 04.07.2012, 13 V 1292/12 unter Bezugnahme auf Gosch in Beermann/Gosch, AO/FGO, FGO § 69 Rz. 130; Koch in Gräber, FGO, § 69 Rz. 90).

105

Wie sich aus dem Vorlagebeschluss des beschließenden Senats vom 29.01.2013 ergibt, an dem der Senat festhält und auf den er insoweit Bezug nimmt, haben sich die in dem ursprünglichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes aufgrund vorläufiger Prüfung ergebenden Zweifel an der formellen Verfassungsmäßigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes zwischenzeitlich im Hauptsacheverfahren ("bei detailliert ... begründeter Prüfung", vgl. insoweit Gärditz, ZfZ 2014, 18) zur Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes verdichtet.

106

4. Das Bestehen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Steueranmeldung verpflichtet zur Gewährung des begehrten vorläufigen Rechtsschutzes. Weitere Voraussetzungen sind nicht zu erfüllen.

107

a) Bei europarechtlichen Zweifeln bedarf es ohnehin keines - bei verfassungsrechtlichen Zweifeln zwischen den BFH-Senaten streitigen - besonderen Interesses des Antragstellers am vorläufigen Rechtsschutz, das dem öffentlichen Interesse an geordneter Haushaltsführung vorgeht.

108

Soweit von einzelnen Senaten des Bundesfinanzhofs vertreten wird (vgl. etwa BFH, Beschluss vom 27.05.2004, III B 127/03, m. w. N.), dass für eine Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung von Steuerbescheiden wegen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der ihnen zugrunde liegenden Vorschrift ein zusätzliches berechtigtes Interesses an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu verlangen ist, wird dieses Erfordernis auf die Fälle der Geltendmachung von Verletzungen des Unionsrecht nicht übertragen (BFH, Beschluss vom 24.03.1998, I B 100/97; BFH, Beschluss vom 19.12.2012, V S 30/12; BFH, Beschluss vom 05.05.1994, V S 11/93).

109

Bereits in seinem Beschluss vom 05.05.1994 gewährte der Bundesfinanzhof (V S 11/93) vorläufigen Rechtsschutz im Hinblick auf Zweifel an der Übereinstimmung des nationalen Rechts mit europäischem Richtlinienrecht, die er mit Beschluss vom selben Tag (Az.: V R 23/93) zum Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens machte - und dies, obwohl er, wie in den Gründen seines Vorabentscheidungsersuchens dargelegt, die aufgezeigten Zweifel im Ergebnis nicht für durchgreifend gehalten hat.

110

Dieser Entscheidung wurde in späteren Entscheidungen ausnahmslos gefolgt (BFH, Beschluss vom 14.02.2006, VIII B 107/04; BFH, Beschluss vom 24.03.1998, I B 100/97; Hessisches FG, Beschluss vom 22.10.2008, 7 V 2514/08; FG Düsseldorf, Beschluss vom 20.11.2000, 4 V 5995/00; vgl. auch BFH, Beschluss vom 19.12.2012, V S 30/12; Niedersächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 14.10.2004, 6 V 655/04; FG Berlin, Beschluss vom 26.01.2001, 7 B 8348/00; vgl. auch Seer in Tipke/Kruse Abgabenordnung Finanzgerichtsordnung, § 98 FGO).

111

Unerheblich ist, dass sich die Ausführungen in den späteren Entscheidungen teilweise auf die Möglichkeit der Verletzung von primärem Unionsrecht beziehen. So formuliert etwa der Bundesfinanzhof in dem Beschluss vom 24.03.1998 (I B 100/97), die Geltendmachung eines berechtigten Interesses an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer geordneten Haushaltsführung könne nicht gefordert werden, wenn die Verletzung des EG-Vertrags ernstlich in Betracht komme. Da sich der I. Senat des Bundesfinanzhofs in dieser Entscheidung zur Begründung seiner Ansicht allerdings ausdrücklich auf die zitierte Entscheidung des V. Senats vom 05.05.1994 (V S 11/93) bezieht und sich ihr anschließt, kann in der Formulierung keine Einschränkung dahin gehend gesehen werden, dass die Aussetzungsvoraussetzungen bei Zweifeln an der Übereinstimmung nationalen Rechts mit primärem Unionsrecht weitergehend sind als bei solchen, die nur das sekundäre Recht - hier das Richtlinienrecht - betreffen.

112

b) Im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Zweifel ist die zum Teil geforderte weitere Rechtsschutzvoraussetzung des besonderen Interesses jedenfalls nunmehr gegeben.

113

Zwar hat der VII. Senat des Bundesfinanzhofs seine Entscheidung vom 09.03.2012 (VII B 171/11), mit der er den Beschluss des beschließenden Senats vom 16.09.2011 aufhob, sowie seine entsprechenden weiteren Beschlüsse in den Parallelverfahren damit begründet, dass eine im Streitfall gebotene Abwägung des für eine Aufhebung der Vollziehung sprechenden individuellen Interesses der antragstellenden Betreiber von Kernkraftwerken wegen der Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes einerseits und des einer solchen Maßnahme entgegenstehenden öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung unter der gebotenen Beachtung des Verwerfungsmonopols des Bundesverfassungsgerichts andererseits, zur Versagung des vorläufigen Rechtsschutzes führe, weil das Rechtsschutzinteresse der Betreiber der Kernkraftwerke keinen Vorrang genieße.

114

Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass, soweit in der Rechtsprechung für die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz wegen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsgrundlage überhaupt jenseits der geschriebenen Tatbestandsmerkmale des § 69 FGO noch ein vorrangiges Rechtsschutzinteresse des Steuerpflichtigen verlangt wird, in einem Vorlagebeschluss durch den Bundesfinanzhof an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. GG ein Vorrang begründender Umstand erkannt wird (vgl. BFH, Beschluss vom 21.11.2013, II B 46/13, unter Bezugnahme auf BFH, Beschluss vom 23.04.2012, III B 187/11; BFH, Beschluss vom 01.04.2010, II B 168/09). Nach der entsprechenden Rechtsprechungsänderung des insoweit bisher bei verfassungsrechtlichen Zweifeln eher restriktiv vorläufigen Rechtsschutz gewährenden II. Senat des Bundesfinanzhofs (Beschluss vom 21.11.2013, II B 46/13) kommt es insoweit auch nicht (mehr) darauf an, ob zu erwarten ist, dass das Bundesverfassungsgericht nicht lediglich die Unvereinbarkeit eines Gesetzes mit dem Grundgesetz aussprechen und dem Gesetzgeber eine Nachbesserungspflicht für die Zukunft aufgeben wird. Ein Vorlagebeschluss eines Senats des Bundesfinanzhofs begründet demnach grundsätzlich einen Anspruch auf vorläufigen Rechtsschutz.

115

Ob der Vorlagebeschluss eines Finanzgerichts in gleicher Weise wie ein Vorlagebeschluss eines Senats des Bundesfinanzhofs den teilweise von der Rechtsprechung verlangten Vorrang begründet, ist zwar, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden worden, ist aber nach Ansicht des beschließenden Senats grundsätzlich zu bejahen.

116

Der beschließende Senat nimmt insoweit Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Es hat zwar entschieden, dass durch den Erlass eines Vorlagebeschlusses durch ein Finanzgericht andere Finanzgerichte oder jedenfalls der Bundesfinanzhof nicht daran gehindert werden, die gegen die Verfassungsmäßigkeit der im Ausgangsverfahren erheblichen Vorschrift durch das vorlegende Finanzgericht vorgebrachten Gründe einer sachlichen Prüfung zu unterziehen und unter Bezugnahme auf die bisherige verfassungsgerichtliche Rechtsprechung gegebenenfalls zu der Würdigung zu gelangen, dass der Vorlagebeschluss wegen offenkundiger Unbegründetheit erfolglos bleiben werde und daraufhin die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz zu versagen, weil ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Vorschrift offensichtlich fehlen (BVerfG, Beschluss vom 06.05.2013, 1 BvR 821/13). Im Umkehrschluss entnimmt der Senat diesen Ausführungen jedoch, dass im Rahmen eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes für die Frage, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids bestehen, der Inhalt des Vorlagebeschlusses einer Prüfung zu unterziehen und zu würdigen und für den Fall, dass im Ergebnis das Vorliegen ernstlicher Zweifel nicht verneint werden kann, vorläufiger Rechtsschutz ohne weiteres zu gewähren ist.

117

Andernfalls würde es zu einer nicht gerechtfertigten Schlechterstellung derjenigen Steuerpflichtigen kommen, auf deren Anfechtung bereits das Finanzgericht die Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des zugrunde liegenden Gesetzes gewinnt, gegenüber denjenigen, bei denen erst der Bundesfinanzhof im Rechtsmittelverfahren zu diesem Ergebnis kommt. Letztere erhielten vorläufigen Rechtsschutz ohne Interessenvorrang, bei Ersteren müsste diese Rechtsschutzvoraussetzung noch zusätzlich erfüllt sein.

118

5. Eine Sicherheitsleistung ist nicht anzuordnen.

119

Die Anordnung der Sicherheitsleistung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO dient der Vermeidung von Steuerausfällen, die infolge einer Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung vor allem dadurch entstehen können, dass der Steuerpflichtige im Verfahren zur Hauptsache letztlich unterliegt und zu diesem Zeitpunkt die Durchsetzung der Steuerforderung gefährdet oder erschwert ist (BFH, Beschluss vom 18.07.2012, X S 19/12; BFH, Beschluss vom 03.02.2005, I B 208/04, m. w. N.). Besteht eine entsprechende Gefahr im konkreten Fall nicht, ist für die Anordnung einer Sicherheitsleistung kein Raum (BFH, Beschluss vom 18.07.2012, X S 19/12; BFH, Beschluss vom 03.02.2005, I B 208/04, m. w. N.; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 69 FGO, Rdnr. 388), denn die Anordnung der Sicherheitsleistung stellt eine Ausnahme vom Regelfall dar (Gosch in Beermann/Gosch, § 69 FGO Rdnr. 206).

120

Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt. Es ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen, soweit ihre Mitwirkungspflicht reicht. Für die Anordnung einer Sicherheitsleistung ergibt sich hieraus, dass grundsätzlich die Finanzbehörde die für eine Gefährdung des Steueranspruchs sprechenden Gesichtspunkte vortragen muss - wenn sich diese Umstände nicht bereits aus dem Vortrag des Antragstellers ergeben - und der Steuerpflichtige ggf. Umstände vortragen muss, die ein (dargelegtes) Sicherungsbedürfnis der Behörde entfallen oder unangemessen erscheinen lassen (BFH, Beschluss vom 10.02.2010, V S 24/09 m. w. N.; BFH, Beschluss vom 07.09.2007, V B 95/07; BFH, Beschluss vom 10.10.2002, VII S 28/01; Dumke in Schwarz, FGO, § 69, Rdnr. 106 m. w. N.).

121

Vorliegend hat der Antragsgegner keine Umstände hinreichend substantiiert vorgebracht, die die Anordnung einer Sicherheitsleistung als erforderlich erscheinen lassen.

122

Der Antragsgegner selbst räumt ein, dass die gegenwärtige finanzielle Situation der Antragstellerin keine Gefährdung des streitgegenständlichen Abgabenanspruchs begründet.

123

Eine Gefährdung des Anspruchs kann allerdings, wie der Antragsgegner zutreffend geltend macht, auch gegeben sein, wenn mit dem Eintritt solcher Umstände künftig ernsthaft zu rechnen ist. Dabei ist der Begriff der Gefährdung nicht erst dann erfüllt, wenn eigene Maßnahmen des Steuerpflichtigen - wie das Beiseiteschaffen von Vermögensgegenständen, fehlerhafte Vermögensspekulationen und anderes mehr - die Gefahr der Uneinbringlichkeit der Steuer begründen, sondern bereits dann, wenn die Liquiditätslage des Steuerpflichtigen die alsbaldige Begleichung einer Steuerschuld nach ihrer endgültigen gerichtlichen Feststellung fraglich erscheinen lassen muss (BFH, Beschluss vom 22.06.1967, I B 7/67). Dafür müssen aber konkrete Anhaltspunkte und nicht nur Vermutungen vorliegen (Birkenfeld a. a. O., Rdnr. 386). Es reicht nicht aus, auf die voraussichtliche - hier tatsächlich eher längere - Verfahrensdauer oder die - hier tatsächlich sehr erhebliche - Höhe des Steueranspruchs schlicht hinzuweisen (Birkenfeld a. a. O., Rdnr. 386). Bei der Beurteilung einer Gefährdung der Steueransprüche kommt es gegebenenfalls auf die Relation der Steuerforderungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Steuerpflichtigen an (vgl. BFH, Beschluss vom 10.10.2002, VII S 28/01; FG Düsseldorf, Beschluss vom 03.07.2002, 15 V 6331/01). Die vom Antragsgegner insbesondere in Bezug genommene Eigenkapitalquote ist nicht mehr als nur eine Facette bei der Beurteilung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse und trägt daher die Feststellung einer Gefährdungssituation für sich nicht. Die weiteren Erwägungen des Antragsgegners, dass die Antragstellerin die Brennelemente-Entsorgung und Anlagenstilllegung trotz bereits gebildeter Rückstellungen nicht werde tragen können, rechtfertigen die Anordnung einer Sicherheitsleistung ebenfalls nicht. Denn sie sind nicht hinreichend konkret, sondern eher spekulativer Natur. Dies gilt auch im Hinblick auf sich möglicherweise verschlechternde Rahmenbedingungen aufgrund verschärfter gesetzlicher Verantwortlichkeit für den hochradioaktiven Abfall, zumal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bisher noch keine Großunternehmen der Atomindustrie durch gesetzliche Maßnahmen in den Ruin getrieben worden sind und auch keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass solche Maßnahmen zukünftig in rechtmäßiger Weise erfolgen können. Im Übrigen begründet die Äußerung des Antragsgegners, die wirtschaftliche Entwicklung der Antragstellerin in den nächsten drei Jahren sei unsicher, für sich noch keine hinreichend konkrete Gefährdungssituation, sie erschöpft sich vielmehr in einer bloßen Vermutung.

124

Auch den weiteren Vortrag des Antragsgegners, die Antragstellerin werde die Kernbrennstoffsteuer nach gegebenenfalls klagabweisender Entscheidung des Hauptsacheverfahrens deswegen nicht zahlen können, weil die Steuer so hoch sei, hält der Senat im Hinblick auf die Prognose der zukünftigen Zahlungsfähigkeit der Antragstellerin für reine Spekulation. Dass die Berechnung der Höhe der gegebenenfalls zukünftig zu zahlenden Kernbrennstoffsteuer für sich genommen nachvollziehbar ist, ist nicht ausreichend - zumal diese Berechnung unter der nicht belegten Prämisse steht, dass das streitgegenständliche Kernkraftwerk überhaupt weiter betrieben werden wird.

125

Nur ergänzend merkt der Senat Folgendes an: Sollte indes in der Höhe der Kernbrennstoffsteuer eine konkrete Ursache für die von dem Antragsgegner befürchtete Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Schuldner der Kernbrennstoffsteuer in einem solchen Maß sein, dass die Erfüllung des Kernbrennstoffsteueranspruchs gefährdet wird - wovon der Senat mangels hinreichend konkreter Darlegung durch den Antragsgegner indes nicht ausgeht -, so würde dieser Umstand weitere ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Erhebung der Kernbrennstoffsteuer begründen, etwa im Hinblick auf die Unzulässigkeit einer erdrosselnden Besteuerung. Die Erfolgsaussichten für die Klage der Antragstellerin würden entsprechend steigen und die wirkliche Gefahr des Steuerausfalls also sinken und mit ihr auch das Bedürfnis nach einer Sicherheitsleistung (vgl. BFH, Beschluss vom 19.10.2010, XI B 60/09; Seer in Tipke/Kruse Abgabenordnung Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO, Rdnr. 109 m. w. N.).

126

6. Die Kosten des Verfahrens fallen dem Antragsgegner zur Last, § 135 Abs. 1 FGO.

127

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruht auf § 151 Abs. 1 Satz 1 FGO, § 151 Abs. 3 FGO analog, § 155 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO (vgl. FG Hamburg, Beschluss vom 10.01.2012, 4 V 288/11, mit weiterer Begründung).

128

Der Senat lässt die Beschwerde gegen diesen Beschluss nach § 128 Abs. 3 Satz 1 FGO zu.

129

Die Beschwerde ist gemäß § 128 Abs. 3 Satz 2 FGO in Verbindung mit § 115 Abs. 2 FGO u. a. zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert.

130

Nach der Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 28.11.1977 (GrS 4/77) ist die Beschwerde auch dann zuzulassen, wenn sich die maßgebliche Rechtsfrage nicht auf die Auslegung des § 69 FGO (also auf die Frage, ob vorliegend ernsthafte rechtliche Zweifel gegeben sind), sondern auf die zugrunde liegende Rechtsfrage bezieht, derentwegen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides geltend gemacht werden. Dabei handelt es sich um eine seitdem ständige Rechtsprechung (vgl. BFH, Beschluss vom 06.02.2009, IV B 125/08; BFH, Vorlagebeschluss vom 29.04.1999, IV R 40/97; vgl. BFH, Beschluss vom 07.04.1992, VII B 56/91; a. A. FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 07.10.2008, 6 V 6161/08).

131

Der Große Senat hat in seiner Entscheidung vom 28.11.1977 u. a. ausgeführt, dass für eine in dem dargelegten Sinne bestehende Beschwerdezuständigkeit des Bundesfinanzhofs in Verfahren auf Aussetzung / Aufhebung der Vollziehung ein Bedürfnis bestehe. Es könne sich bei solchen Verfahren um Rechtssachen von weittragender Bedeutung handeln. Nicht selten würden die Entscheidungen veröffentlicht. Es wäre, auch im Hinblick auf die unvermeidlich längere Dauer der Revisionsverfahren, nicht tragbar, wenn sich in diesen wichtigen - obschon nur die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes betreffenden - Verfahren eine unterschiedliche Entscheidungspraxis der Finanzgerichte entwickeln könnte, etwa dergestalt, dass einzelne Finanzgerichte Steuergesetze wegen angenommener Verfassungswidrigkeit für nicht anwendbar halten oder von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, eines anderen obersten Gerichtshofs des Bundes, des Gemeinsamen Senats, des Bundesverfassungsgerichts oder des Europäischen Gerichtshofs abweichen, oder dass sie in einer neuartigen Rechtsfrage von grundsätzlicher, d.h. allgemeiner Bedeutung entscheiden.

132

Vor diesem Hintergrund ist die Beschwerde zuzulassen.

133

Im Hinblick auf die europarechtlichen Zweifel ist zu berücksichtigen, dass das Finanzgericht Baden-Württemberg seine vorläufigen Rechtsschutz versagenden Beschlüsse vom 10.01.2012 (11 V 2661/11 und 11 V 4024/11) damit begründet hat, dass die Anwendung des Kernbrennstoffsteuergesetzes bei summarischer Prüfung weder gegen Verfassungsrecht noch gegen primäres oder sekundäres Gemeinschaftsrecht verstoße.

134

Auch wenn das Finanzgericht Baden-Württemberg die nach Ansicht des beschließenden Senats erhebliche europarechtliche Frage, ob die Kernbrennstoffsteuer eine indirekte Steuer auf Strom im Sinne von Art. 1 Abs. 1, Abs. 2 RL 2008/118/EG ist und ihre Erhebung sich daher an den sich aus diesen Regelungen ergebenden Beschränkungen messen lassen muss, nicht erörtert hat, ist jedenfalls im Hinblick darauf, dass das Finanzgericht Baden-Württemberg die Fragen der Verfassungs- und Unionsrechtsmäßigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes im Ergebnis grundlegend anders beantwortet hat, nämlich dass insoweit keine ernsthaften Zweifel besehen, die Beschwerde gegen diesen Beschluss, mit dem die Vollziehung der angefochtenen Steueranmeldung aufgehoben wird, zuzulassen.

135

Im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Zweifel berücksichtigt der beschließende Senat die Grundsätzlichkeit der Frage, ob ein Anspruch auf Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz wegen bestehender Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes voraussetzt, dass ein Vorrang des individuellen Interesses des Antragstellers gegenüber dem öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung unter der gebotenen Beachtung des Verwerfungsmonopols des Bundesverfassungsgerichts festgestellt werden kann und ein solcher Vorrang jedenfalls dann zu bejahen ist, wenn ein Finanzgericht das Gesetz dem Bundesverfassungsgericht im Wege der konkreten Normenkontrolle zur Prüfung vorgelegt hat.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.

(2) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.

(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Gegen die Entscheidungen des Finanzgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an den Bundesfinanzhof zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozessleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über die Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse nach §§ 91a und 93a, Beschlüsse über die Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen, Sachverständigen und Dolmetschern, Einstellungsbeschlüsse nach Klagerücknahme sowie Beschlüsse im Verfahren der Prozesskostenhilfe können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Gegen die Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 und 5 und über einstweilige Anordnungen nach § 114 Abs. 1 steht den Beteiligten die Beschwerde nur zu, wenn sie in der Entscheidung zugelassen worden ist. Für die Zulassung gilt § 115 Abs. 2 entsprechend.

(4) In Streitigkeiten über Kosten ist die Beschwerde nicht gegeben. Das gilt nicht für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision.