Finanzgericht Hamburg Urteil, 23. Juni 2017 - 4 K 74/16

bei uns veröffentlicht am23.06.2017

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Nacherhebung von Antidumpingzoll.

2

Die Klägerin, vertreten durch die A Gesellschaft mit beschränkter Haftung, überführte im Zeitraum 20.07.2007 bis 25.07.2008 mit insgesamt elf Zollanmeldungen diverse Partien Schuhe (Damenschuhe) der Warennummern 6403 9118 990 (bzw. 6403 9118 980 - ab 2008), 6403 9198 980 (nur 2008), 6403 9911 900 (bzw. 6403 9911 990 - ab 2008), 6403 9938 900 (bzw. 6403 9938 990 - ab 2008) und 6403 9998 990 (bzw. 6403 9998 980 - ab 2008) aus Malaysia, gekauft von der Firma B Limited, C, China, in den zollrechtlich freien Verkehr, jeweils unter Vorlage von entsprechenden Ursprungszeugnissen Formblatt A. Die Ursprungszeugnisse wiesen als Aussteller Secretary General, Ministry of International Trade and Industry Malaysia (MITI), aus und bescheinigten eine Herstellung der angegebenen Waren in Malaysia durch die Ausführer, die D ...., E, bzw. die F, E (im Einzelnen: KL2007/...-1 vom 25.06.2007, KL2007/...-2 vom 09.07.2007, KL2007/...-3 vom 14.08.2007, KL2007/...-4 vom 24.08.2007 -3 Seiten-, KL2007/...-5 vom 24.09.2007, KL2007/...-6 vom 06.09.2007 -3 Seiten-, KL2008/...-7 vom 22.02.2008 -3 Seiten- und KL2008/...-8 vom 03.07.2008).

3

Mit Schreiben der Europäischen Kommission, Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) vom 01.06.2010 wurden das Zollkriminalamt G und das Zollfahndungsamt H darüber informiert, dass nach den vorläufigen Ergebnissen der Auswertung der aus Malaysia erhaltenen Informationen in 17 Deutschland betreffenden Fällen der Einfuhr von Schuhen aus Malaysia - darunter fünf der streitgegenständlichen Einfuhrvorgänge der Klägerin - eine Verbindung zwischen dem Import und Export chinesischer Schuhe in die bzw. aus der Freizone Malaysias sowie in 19 Deutschland betreffenden Fällen der Einfuhr von Schuhen aus Malaysia - darunter sechs der streitgegenständlichen Einfuhrvorgänge der Klägerin - eine Verbindung zu dem Export chinesischer bzw. vietnamesischer Schuhe aus der Freizone Malaysias festgestellt worden sei (sog. Malaysia-Liste, SA Ordner Band I, Allgemeiner Teil, Bl. 7 ff.). Auf Anforderung des Zollfahndungsamts J im Rahmen eines - durch einen anonymen Hinweis veranlassten - Ermittlungsverfahrens gegen Verantwortliche der Klägerin wegen mutmaßlicher Umgehungseinfuhren von Schuhen aus Malaysia hatte das Hauptzollamt K bereits im Juli 2008 zwei Nachprüfungsersuchen eingeleitet betreffend die Ursprungszeugnisse Formblatt A KL2007/...-5, KL 2007/...-1, KL 2007/...-2, KL 2007/...-3, KL 2007/...-4, KL 2007/...-6. Auf Erinnerung des Hauptzollamts Münster, Bundesstelle Ursprungsnachprüfung, vom 16.02.2009, erfolgten zwei Zwischennachrichten des MITI vom 09.07.2009, denen zufolge die Ursprungszeugnisse überprüft würden; eine weitere Mitteilung erfolgte nicht.

4

Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 14.07.2010 (AT/S/00/...-1) setzte der Beklagte gegen die Klägerin im Wege der Nacherhebung insgesamt 15.178,81 EUR Einfuhrabgaben (2.656,29 EUR ZollEU und 12.522,52 EUR Antidumpingzoll) für die Einfuhren vom 20.07.2007 und 23.07.2007 fest. Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 23.07.2010 (AT/S/00/...-2) setzte der Beklagte gegen die Klägerin im Wege der Nacherhebung ferner insgesamt 61.590,74 EUR Einfuhrabgaben (10.778,39 EUR ZollEU und 50.812,35 EUR Antidumpingzoll) für die Einfuhren in dem Zeitraum vom 31.08.2007 bis 25.07.2008 fest. Zur Begründung führte der Beklagte jeweils aus, dass nachträgliche Prüfungen unter Mithilfe der malaysischen Behörden ergeben hätten, dass die mit den Bezugsbelegen abgefertigten Waren entgegen der Anmeldung ihren Ursprung in der Volksrepublik China hätten. Da bei der Abfertigung Präferenz beantragt und gewährt worden sei, sei die Differenz zum Drittlandszollsatz nachzuerheben sowie zusätzlich Antidumpingzoll zu erheben, da die Waren mit Ursprung in China Antidumpingmaßnahmen unterlägen.

5

Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 04.08.2010 bzw. vom 09.08.2010 jeweils Einspruch ein mit der Begründung, dass keine begründeten Zweifel am Ursprung der Waren bestünden, so dass die Voraussetzungen an ein Nachprüfungsersuchen nicht erfüllt seien. Auf eine rechtswidrige nachträgliche Prüfung von Präferenznachweisen könne eine nachträgliche buchmäßige Erfassung nicht gestützt werden. Das den Einfuhrabgabenbescheiden zugrunde liegende Nachprüfungsersuchen stütze sich ausschließlich auf haltlose Verdächtigungen, die zuletzt auch durch ein fragwürdiges Zusammenwirken von Prüfungsdienst und Zollfahndung gewonnen worden seien. Von einer nachträglichen buchmäßigen Erfassung sei zudem gemäß Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302/1), im Folgenden: ZK, abzusehen. Mit ergänzendem Schreiben vom 01.10.2010 legte die Klägerin zwei Bestätigungsschreiben des MITI vom 01.09.2010 und vom 03.09.2010 betreffend die bei den streitgegenständlichen Einfuhrvorgängen vorgelegten Ursprungszeugnisse Formblatt A vor, Schreiben vom 01.09.2010 an die F betreffend Form A KL2008/...-7, KL2008/...-8 und KL2007/...-5, und Schreiben vom 03.09.2010 an D betreffend Form A KL2007/...-1, KL2007/...-2, KL2007/...-3, KL2007/...-4 und KL2007/...-6 (SA Ordner Band I, Gemeinsame Weiterbearbeitung, Bl. 120 f., 124, 125). Die Präferenznachweise zu den betroffenen Lieferungen seien damit geführt. Damit sei eine Nacherhebung ausgeschlossen, es sei denn, die Zollbehörden des Einfuhrmitgliedstaates könnten nachweisen, dass der Ausführer die Fakten unrichtig dargestellt habe, um eine präferenzielle Ursprungsbescheinigung zu erhalten, und der Abgabenschuldner habe nicht in gutem Glauben gehandelt und bei der Zollanmeldung alle Vorschriften eingehalten. Sie, die Klägerin, sei jedenfalls gutgläubig gewesen, da es sich weder um ungewöhnliche, der Handelspraxis nicht entsprechende Einfuhrgeschäfte gehandelt habe, noch spezielle Umstände vorgelegen hätten, auf deren Basis sich Zweifel an der ursprungsbegründenden Herstellung der Einfuhrwaren in Malaysia hätten aufdrängen müssen. Auch seien keine entsprechenden Warnhinweise der Europäischen Kommission veröffentlicht gewesen.

6

Auf Veranlassung des Zollfahndungsamts H stellte OLAF eine Anfrage beim MITI hinsichtlich der Echtheit der von der Klägerin vorgelegten Bescheinigungen vom 01.und 03.09.2010. Mit Schreiben vom 25.01.2011 an OLAF teilte das MITI (SA Ordner Band I, Gemeinsame Weiterbearbeitung, Bl. 155) mit, dass es sich dabei um Fälschungen handele, sie seien nicht vom MITI ausgestellt, die enthaltenen Angaben wie Empfänger, Bezugsnummer, Daten und Inhalt seien in den Vorgängen nicht erfasst, die Unterschrift sei nachgewiesenermaßen gefälscht.

7

In der Zeit vom 22. bis 26.11.2010 und vom 21. bis 28.01.2011 fand eine Missionsreise einer Delegation der Europäischen Gemeinschaft, bestehend aus Angehörigen des OLAF und einem Angehörigen der Fahndungsdienste der Bundesrepublik Deutschland, ZOAR L, nach Malaysia statt zur Klärung vermuteter Umgehungseinfuhren von drittlands- und antidumpingzollpflichtigen Schuhen mit Obermaterial aus Leder chinesischen oder vietnamesischen Ursprungs über Malaysia.

8

Mit Schreiben vom 31.03.2011 legte das Zollfahndungsamt H den Reisebericht des Zollfahndungsamts H vom 07.03.2011 über die Missionsreise einer Delegation der Europäischen Gemeinschaft, bestehend aus Angehörigen des OLAF und einem Angehörigen der Fahndungsdienste der Bundesrepublik Deutschland, in der Zeit vom 22. bis 26.11.2010 und vom 21. bis 28.01.2011 nach Malaysia vor (SA Ordner Band II, Reisebericht vom 07.03.2011 - "Reisebericht L").

9

Mit Schreiben vom 09.08.2012 übersandte das Zollkriminalamt dem Beklagten den Missionsreisebericht des OLAF OF-Nr. OF/.../..., Title: Footwear imported into the EC from Malaysia - Suspected Origin China - Evasion of Antidumping Duties, mit Abschlussbericht in englischer Sprache und mit Schreiben vom 22.08.2012 in deutschsprachiger Übersetzung (SA Ordner Band III, Missionsreisebericht Malaysia). Mit Schreiben vom 25.02.2013 übersandte das Zollkriminalamt dem Beklagten nochmals die Anlage 18 zum Missionsreisebericht in vollständiger Fassung (SA Hefter Beiheft 2, "Abklärung Anhang 18").

10

Mit Schreiben vom 13.09.2010 sowie nochmals mit Schreiben vom 04.05.2011 beantragte die Klägerin beim Beklagten hilfsweise, die mit Einfuhrabgabenbescheiden vom 14.07.2010 und vom 23.07.2010 festgesetzten Abgaben gemäß Art. 239 ZK bzw. allen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen zu erlassen bzw. zu erstatten, da sich die zur Erlangung der Zollpräferenzbehandlung vorgelegten Einfuhrpapiere später gerade nicht als falsch, sondern als echt erwiesen hätten und sie, die Klägerin, weder grob fahrlässig noch in betrügerischer Absicht gehandelt habe, sondern im Vertrauen auf die vorgelegten Präferenznachweise die Waren gutgläubig eingeführt habe. Über diesen Antrag hat der Beklagte noch nicht entschieden.

11

Mit ihrer am 15.04.2011 eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren im Wege der Untätigkeitsklage weiter. Sie wiederholt und vertieft ihre Einspruchsbegründung und führt ergänzend im Wesentlichen Folgendes aus:

12

In Bezug auf die Nacherhebung von Antidumpingzoll sei zu berücksichtigen, dass die Welthandelsorganisation (WTO) in einem Streitschlichtungsverfahren der Volksrepublik China gegen die von der Europäischen Union verhängten Antidumpingzölle auf Lederschuhe aus China und Vietnam am 28.10.2011 in weiten Teilen festgestellt habe, dass die Antidumpingmaßnahmen gegen internationale Regeln des Welthandels verstießen. Die WTO-Entscheidung vom 28.10.2011 sei für die Mitgliedstaaten bindend mit der Folge, dass durch die ex tunc geänderte Rechtslage die streitigen Antidumpingzölle gesetzlich nicht geschuldet seien. Der WTO-Panel-Report sei durch das WTO-Streitbeilegungsgremium angenommen worden. Die Europäische Kommission habe in der Sitzung des Streitbeilegungsgremiums vom 23.03.2012 mitgeteilt, dass sie die Empfehlungen und Entscheidungen des Streitbeilegungsgremiums beachte, aber eine angemessene Frist zur Umsetzung benötige. Soweit man mit dem Beklagten davon ausgehe, dass der WTO-Panel-Report keine unmittelbare Rechtswirkung für den Streitfall entfalte, so sei der Antidumpingzoll jedoch im Fall einer vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) festzustellenden Ungültigkeit der streitgegenständlichen Antidumpingverordnung zu erstatten. Die Antidumpingverordnung leide an mehreren Rechtsfehlern und sei ungültig: Bei Erlass der Verordnung sei durch die Einbeziehung von Schuhen mit patentierter Technologie eine zu weite Definition der betroffenen Ware gewählt worden, indem Waren in die Stichproben mit einbezogen worden seien, die sich wesentlich voneinander unterschieden, worin ein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 4 und Art. 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 384/96 des Rates vom 22.12.1995 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. L 56/1, m. spät. Änd.), Antidumping-Grundverordnung, im Folgenden: VO (EG) Nr. 384/96, liege. Die gezogene Stichprobe chinesischer ausführender Hersteller sei nicht repräsentativ, da hauptsächlich Wirtschaftsteilnehmer einbezogen worden seien, die STAF herstellten, obwohl diese von der Definition der betroffenen Ware ausgeschlossen seien, und nur ein Unternehmen, dem Marktwirtschaftsbehandlung (MWB) zuerkannt worden sei, und kein Unternehmen, das eine individuelle Behandlung (IB) genossen habe, einbezogen worden sei. Darin liege ein Verstoß gegen Art. 17 VO (EG) Nr. 384/96. Die Gemeinschaftsorgane hätten sich bei der Beurteilung der dem Wirtschaftszweig der Gemeinschaft entstandenen Schädigung auf nicht repräsentative und nicht zuverlässige Daten gestützt, indem nur zehn Unternehmen einbezogen worden seien, die lediglich 0,1 % der Hersteller und 4,2 % der Gemeinschaftsproduktion repräsentierten. Auch darin liege ein Verstoß gegen Art. 17 VO (EG) Nr. 384/96. Einige der in die Stichprobe einbezogenen größten italienischen Hersteller hätten falsche Angaben gemacht, so dass ein offensichtlicher Beurteilungsfehler vorliege, der einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 VO (EG) Nr. 384/96 begründe. Ebenso stelle es einen Beurteilungsfehler und Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 VO (EG) Nr. 384/96 dar, dass das Jahr 2004 das maßgebliche Jahr für die Bestimmung der Höhe der Antidumpingzölle zur Beseitigung der Schädigung sei, obwohl zwischen den gedumpten Einfuhren und der Schädigung, die dem Wirtschaftszweig der Gemeinschaft im Jahr 2004 entstanden sei, kein unmittelbarer Kausalzusammenhang bestehe, sondern andere Schadensfaktoren, insbesondere die nicht wettbewerbsfähigen Preise der betroffenen Gemeinschaftsprodukte, maßgeblich gewesen seien. Schließlich beruhe auch die Festlegung der Gewinnspanne, die der Wirtschaftszweig der Gemeinschaft ohne schädigendes Dumping hätte erzielen können, auf einem offensichtlichen Beurteilungsfehler und begründe einen Verstoß gegen Art. 9 Abs. 4 VO (EG) Nr. 384/96. Mit Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-659/13 und C-34/14 habe der EuGH entschieden, dass die streitgegenständliche Antidumpingverordnung ungültig sei, da die Europäische Kommission im Rahmen des Verordnungserlasses nicht eine marktwirtschaftliche Behandlung betroffener Lieferanten untersucht habe. Damit sei die Rechtsgrundlage der festgesetzten Antidumpingzölle entfallen. In der Folge seien die Antidumpingzölle nach Art. 236 ZK zu erstatten. Auch soweit die Europäische Kommission mit Durchführungsverordnung (EU) 2016/223 der Kommission vom 17.02.2016 zur Einführung eines Verfahrens zur Prüfung bestimmter, von ausführenden Herstellern aus China und Vietnam eingereichter Anträge auf Marktwirtschaftsbehandlung und individuelle Behandlung, und zur Durchführung des Urteils des Gerichtshofs in den verbundenen Rechtssachen C-659/13 und C-34/14 (ABl. L 41/3), im Folgenden: DVO (EU) 2016/233, dies zu reparieren versuche, könne hinsichtlich der Nacherhebung von Antidumpingzoll gerade nicht auf die vormalige Verordnung als Rechtsgrundlage abgestellt werden, sondern ausschließlich darauf, dass - die Wirksamkeit der Durchführungsverordnung einmal unterstellt - der Antidumpingzoll allenfalls für Hersteller, die keinen MWB- oder IB-Antrag gestellt hätten, wieder eingeführt werden könnte. Hinsichtlich der Voraussetzungen für die Nacherhebung von Antidumpingzoll sei allein der Beklagte beweispflichtig. Die Beweislast gehe dahin, dass die Waren einen Ursprung hätten, der zur Erhebung von Antidumpingzoll führe. Auch nach dem Reisebericht vom 07.03.2011 könne gerade nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die Waren einen Ursprung hätten, der zur Erhebung von Antidumpingzoll führe. Nach Ziffer 5.2. des Reiseberichts hätten zwar zahlreiche Sendungen, die aus China stammten und die über die Free Zone von Port Klang abgewickelt worden seien, Zollabfertigungen in Deutschland mit angemeldetem Ursprung Malaysia zugeordnet werden können. Die dem Reisebericht beigefügte Anlage 4 sei aber irrelevant, da die entsprechenden Unterlagen, die diese Feststellungen belegen sollten, bis heute nicht von dem Beklagten vorgelegt worden seien. Unabhängig davon beruhten die Feststellungen auch lediglich auf Angaben der für den Hafen Port Klang verantwortlichen Organisation und nicht auf Feststellungen der Zollbehörde in Malaysia, die nach Ziffer 5.3. des Reiseberichts zu den vermuteten Umgehungseinfuhren gerade keine sachdienlichen Auskünfte habe geben können. Der OLAF-Missionsreisebericht sei zudem in folgenden Punkten zu beanstanden: Die Untersuchungen seien nicht gemäß Art. 7 Abs. 5 der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 883/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.09.2013 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (Euratom) Nr. 1074/1999 des Rates (ABl. L 248/1), im Folgenden: VO (EU, Euratom) Nr. 883/2013, ohne Unterbrechung durchgeführt worden, weil die Untersuchungen in der Zeit vom 20. bis 26.11.2010 und in der Zeit vom 21. bis 28.01.2011 stattgefunden hätten. Gemäß Art. 9 Abs. 4 VO (EU, Euratom) Nr. 883/2013 sei nach Abschluss der Untersuchungen den Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Dass dies geschehen sei, sei nicht ersichtlich. Nach dem 12. Erwägungsgrund der VO (EU, Euratom) Nr. 883/2013 dürften grundsätzlich Schlussfolgerungen aus einer Untersuchung nur auf beweiskräftige Tatsachen gestützt werden. Die der sogenannten Malaysia-Liste zugrunde liegenden Frachtpapiere und Unterlangen seien vollständig unbekannt, so dass der Beweiswert der Malaysia-Liste insgesamt angezweifelt werde. Ferner fehlten sechs der elf streitgegenständlichen Zollanmeldungen zu insgesamt 44.838,91 EUR nacherhobenen Antidumpingzöllen in der Malaysia-Liste. Der zum OLAF-Missionsreisebericht zunächst vorgelegte Anhang 18 habe die Positionen DE...-1, DE...-2, DE...-3, DE...-4, DE...-5, DE...-6 und DE...-7 der ursprünglichen Malaysia-Liste nicht enthalten. Die mit E-Mail vom 28.03.2013 dem Beklagten vorgelegte Ergänzung des Anhangs 18 sei als Beweismittel nicht geeignet, da keine Kopien der malaysischen Zollbehörden vorlägen, anhand deren eine Prüfung der Verknüpfungen vorgenommen werden könne. Der Warenursprung China/Vietnam hinsichtlich der Positionen DE...-1, DE...-2, DE...-3, DE...-4, DE...-5, DE...-6 und DE...-7 sei daher nochmals ausdrücklich zu bestreiten. Darüber hinaus umfasse der antidumpingzollbegründende Warenursprung nicht nur das antidumpingpflichtige Produktionsland, sondern auch die entsprechend antidumpingpflichtige Produktionsstätte. Auch dafür trage der Beklagte die volle Beweislast. Es handele sich dabei nicht um ein negatives Tatbestandsmerkmal. Nach der DVO (EU) 2016/233 sei die Frage der Wiedereinführung von Antidumpingzöllen für andere chinesische und vietnamesische Hersteller und damit eine anspruchsbegründende Voraussetzung der vorliegend streitgegenständlichen Nacherhebung von Antidumpingzöllen entscheidungserheblich, für die allein der Beklagte beweisbelastet sei. Es werde ausdrücklich bestritten, dass der angebliche Hersteller der streitgegenständlichen Schuhe in der Volksrepublik China keinen MWB- oder IB-Antrag gestellt habe. Da es sich der Kenntnis des Beklagten entziehe, ob es sich bei den tatsächlichen Produzenten der streitgegenständlichen Schuhe um nicht in die Stichprobe einbezogene chinesische Hersteller handele, die MWB- oder IB-Anträge gestellt hätten, die einer nachträglichen Bewertung durch die Kommission und damit einer eventuellen Neufestsetzung der ihre Produkte betreffenden Antidumpingzollsätze überhaupt zugänglich wären, sei ein antidumpingpflichtiger Warenursprung in der VR China nicht bewiesen. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass die DVO (EU) 2016/233 rechtswidrig sei. Der Durchführungsverordnung mangele es an der erforderlichen Rechtsgrundlage vor dem Hintergrund, dass mit der Verordnung eine Maßnahme mit echter Rückwirkung vorbereitet werden solle. Darüber hinaus fehle der Kommission die Kompetenz zur Durchführung von Erstattungsverfahren, die ausschließlich bei den nationalen Zollbehörden liege. Auf einen entsprechenden Vorlagebeschluss des Finanzgerichts Düsseldorf vom 20.04.2016 (4 K 1099/14 Z) sei zu verweisen und eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH in der Sache C-256/16 anzuregen. Zudem stelle sich ein unrichtiger Präferenznachweis als ein Irrtum der drittländischen Behörde dar, der vernünftigerweise nicht habe erkannt werden können, so dass die streitigen Abgaben entgegen Art. 220 Abs. 2 ZK buchmäßig erfasst worden seien. Die Zollbehörde habe darzulegen und zu beweisen, dass der Ausführer unrichtige Angaben bei der Beantragung der Ursprungsbescheinigung gemacht habe. Hierzu habe der Ausfuhrstaat keine Mitteilungen gemacht. Die Feststellungen im Rahmen der Missionsreise nach Malaysia seien nicht geeignet, derartige Mitteilungen zu ersetzen. Auch sei sie, die Klägerin, gutgläubig gewesen. Sie habe die Ware nicht beim Exporteur, sondern bei einem Zwischenhändler, der B Ltd., gekauft und sich im Rahmen des Handelsgeschäfts mit der gebotenen Sorgfalt vergewissert, dass alle Voraussetzungen für die Präferenzbehandlung erfüllt seien.

13

Mit an den Beklagten gerichtetem Schreiben vom 03.09.2015 nahm die Klägerin den Einspruch gegen die Einfuhrabgabenbescheide vom 14.07.2010 und vom 23.07.2010 bezogen auf die Nacherhebung des Drittlandszolls jeweils zurück und erklärte zugleich, dass die Einsprüche und die Erstattungsanträge nur noch hinsichtlich der nacherhobenen Antidumpingzölle aufrecht erhalten würden.

14

Nachdem die Klägerin ursprünglich beantragt hat, den Einfuhrabgabenbescheid vom 14.07.2010 sowie den Einfuhrabgabenbescheid vom 23.07.2010 aufzuheben, hilfsweise die festgesetzten Einfuhrabgaben zu erlassen bzw. zu erstatten,
beantragt die Klägerin nunmehr,
den Einfuhrabgabenbescheid vom 14.07.2010 insoweit aufzuheben, als darin 12.522,52 EUR Antidumpingzoll festgesetzt wird, sowie den Einfuhrabgabenbescheid vom 23.07.2010 insoweit aufzuheben, als darin 50.812,35 EUR Antidumpingzoll festgesetzt wird.

15

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

16

Zur Begründung trägt der Beklagte vor, dass die Nacherhebungen nicht im Hinblick auf die unbeantwortet gebliebenen Nachprüfungsersuchen des Hauptzollamts K erfolgt seien, sondern im Hinblick auf das OLAF-Schreiben vom 01.06.2010, mit dem OLAF das Zollkriminalamt drüber unterrichtet habe, dass die malaysischen Behörden Listen über den Im- und Export von Schuhen der HS-Positionen 6403 und 6405 aus Malaysia bzw. aus den malaysischen Freizonen übermittelt hätten, nach denen die betreffenden Schuhe ihren tatsächlichen Ursprung in China (bzw. in Einzelfällen in Vietnam) hätten. Im Rahmen der Auswertung der Listen habe in 18 Fällen, von denen vier Fälle Ursprungszeugnisse betroffen hätten, die die Klägerin zu insgesamt fünf der streitgegenständlichen elf Einfuhrzollanmeldungen vorgelegt habe, eine Verbindung zwischen den Einfuhrdaten in die Europäische Union und den übermittelten Daten betreffend die Ein-und Ausfuhr chinesischer Schuhe in eine malaysische Freizone hergestellt werden können. In 21 weiteren Fällen, von denen vier Fälle Ursprungszeugnisse betroffen hätten, die die Klägerin zu den übrigen sechs streitgegenständlichen Einfuhrzollanmeldungen vorgelegt habe, habe eine solche Verbindung "lediglich" zu den entsprechenden Ausfuhrdaten hergestellt werden können. Zwecks angestrebter zusätzlicher Verknüpfung mit den malaysischen Einfuhrzollanmeldungen hätten zu den zuletzt genannten Fällen noch ergänzende Ermittlungen im Rahmen einer ohnehin geplanten Missionsreise nach Malaysia durchgeführt werden sollen. Die entsprechende Missionsreise habe ausweislich des vorliegenden Reiseberichts eines deutschen Delegationsmitgliedes zu verschiedenen für den Streitfall bedeutenden Erkenntnissen geführt. Unter anderem seien Feststellungen getroffen worden hinsichtlich fehlender Produktionsmöglichkeiten bei den Ausführern D ... bzw. F. Darüber hinaus hätten sich die von der Klägerin im Oktober 2010 vorgelegten Schreiben des MITI vom 01. bzw. 03.09.2010 als Fälschungen erwiesen. Der zunächst ausstehend gewesene offizielle OLAF-Missionsreisebericht nebst umfangreicher Anlagen sowie der offizielle Abschlussbericht des OLAF zu den von ihm durchgeführten Untersuchungen zu Schuheinfuhren aus Malaysia führe in seinem Anhang 18 zwar nur eine der insgesamt acht streitgegenständlichen Einfuhrsendungen (DE...-8) auf. Eine diesbezügliche Abklärung bei OLAF habe jedoch ergeben, dass das Fehlen der anderen Einfuhrsendungen allein auf einen fehlerhaften Kopiervorgang des Anhangs zurückzuführen gewesen sei. Dem vorgelegten Heft "Abklärung Anhang 18" sei der ausgedruckte Original-Excel-Anhang mit allen Daten zu entnehmen. Danach enthalte der Originalanhang jedenfalls die weiteren Einfuhrsendungen DE...-1, DE...-2, DE...-4, DE...-5, DE...-6 und DE...-7. Die Einfuhrsendung DE...-3 sei zwar im Originalanhang nicht enthalten, jedoch seien alle acht streitgegenständlichen Einfuhrsendungen einschließlich der Sendung DE...-3 in der vom OLAF mit Schreiben vom 01.06.2010 übermittelten Liste der Einfuhrsendungen enthalten, für die eine Verknüpfung zu malaysischen Einfuhrzollanmeldungen ZB1 und/oder malaysischen Ausfuhrzollanmeldungen ZB2 mit angegebenen Ursprungsland China bereits anhand der im Rahmen der Vorbereitung der Missionsreisen von den malaysischen Behörden übermittelten Daten möglich gewesen sei (sog. Malaysia-Liste). Im Rahmen der Missionsreise seien keine Erkenntnisse darüber gewonnen worden, die diesen vorab übermittelten Erkenntnissen entgegenstünden. Die erneute Auflistung im Anhang 18 habe daher nur noch deklaratorischen Charakter. Die Beweislast hinsichtlich des für die Erhebung des Antidumpingzolls maßgeblichen nichtpräferenziellen Warenursprungs der Einfuhrwaren trage er, der Beklagte, wobei es ausreiche, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne, dass die streitgegenständlichen Schuhe ihren Ursprung in China oder Vietnam hätten. Des Nachweises des konkreten Herstellers durch ihn, den Beklagten, bedürfe es hingegen nicht. Solange die Klägerin nicht nachweise, dass die Waren tatsächlich von einem begünstigten Unternehmen oder von einen Unternehmen, hinsichtlich dessen der EuGH die Verordnung (EG) Nr. 1472/2006 des Rates vom 05.10.2006 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in der Volksrepublik China und Vietnam (ABl. L 275/1), im Folgenden: VO (EG) Nr. 1472/2006, für ungültig erklärt habe, hergestellt worden seien, komme der für alle übrigen Unternehmen geltende Regel-Antidumpingzollsatz zur Anwendung. Da es zur Beweisführung ausreiche, wenn der chinesische bzw. vietnamesische Ursprung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne, sei es bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für einen entsprechenden Warenursprung nicht erforderlich, jedwedes theoretisch denkbare, sondern lediglich jedes mindestens ebenso wahrscheinliche andere Ursprungsland auszuschließen. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin kein mindestens ebenso wahrscheinliches oder wahrscheinlicheres Ursprungsland aufgezeigt. Die Klägerin bestreite den chinesischen Warenursprung und berufe sich im Übrigen lediglich auf die inhaltliche Richtigkeit der von ihr vorgelegten präferenziellen Ursprungszeugnisse bzw. ihr Vertrauen in deren inhaltliche Richtigkeit und die bloße Möglichkeit der Produktion bei einem anderen als in den Ursprungszeugnissen ausgewiesenen malaysischen Unternehmen oder in einem beliebigen dritten Land. Dem stehe jedoch entgegen, dass die im Vorfeld der OLAF-Mission von den malaysischen Behörden übermittelten Daten aus den dortigen Einfuhranmeldungen und/oder Ausfuhranmeldungen für alle Sendungen einen Ursprung in China bzw. für eine Teilsendung in Vietnam auswiesen und diese Ursprungsangaben durch die sich aus dem OLAF-Kontrollbericht und dem Reisebericht des deutschen Missionsteilnehmers L ergebenden zusätzlichen Erkenntnisse weiter gestützt würden, insbesondere auch die ergänzend ermittelten malaysischen Einfuhrzollanmeldungen mit ausgewiesenem Warenursprung in China. Die inhaltliche Richtigkeit der vorgelegten Ursprungszeugnisse sei durch die im Rahmen der Gemeinschaftsmission gewonnenen Erkenntnisse bereits widerlegt. Ferner sei festgestellt worden, dass in diesen Ursprungszeugnissen als Ausführer und Antragsteller sowie zudem in den Frachtpapieren und den malaysischen Zollanmeldungen in fünf Fällen mit der D ... ein gänzlich unbeteiligtes Unternehmen und mit der F in drei Fällen ein längst nicht mehr existierendes Unternehmen angegeben worden sei. Zudem spreche das Vorlegen der gefälschten Ursprungszeugnisse und vermeintlichen Bestätigungsschreiben des MITI für ein gewolltes Verschleiern des tatsächlichen Ursprungs durch die Klägerin oder jedenfalls ihrer Geschäftspartner. Er, der Beklagte, sei in der Beweisführung hinsichtlich des tatsächlichen nichtpräferenziellen Warenursprungs nicht auf bestimmte Beweismittel oder die Auskünfte bestimmter Personen und Behörden beschränkt, so dass es unschädlich sei, dass die getroffenen Feststellungen nicht auf Feststellungen der Zollbehörde in Malaysia, sondern insbesondere auf Feststellungen der für die Überwachung der Freizone von Port Klang zuständigen Hafenbehörde beruhten. Der von der Klägerin angeführte WTO-Report vom 28.10.2011 habe keine unmittelbaren Rechtswirkungen auf den Streitfall. Er führe nicht zu einer Ungültigkeit der den Antidumpingzollerhebungen zugrunde liegenden VO (EG) Nr. 1472/2006. Es handele sich bei WTO-Panel-Reports nicht um unmittelbar geltendes Recht oder unmittelbare Rechte und Pflichten für den Einzelnen begründendes Gemeinschaftsrecht, sondern um in die nationale Rechtsordnung bzw. das Gemeinschaftsrecht zu transformierendes Völkerrecht. Zudem erscheine eine, zumal rückwirkende, Aufhebung oder Änderung der VO (EG) Nr. 1472/2006 unwahrscheinlich, da in dem Report ausdrücklich keine Änderung der bereits außer Kraft getretenen Antidumpingverordnung für chinesische Schuhe empfohlen werde. Darüber hinaus sei es nach der Rechtsprechung des EuGH selbst im Fall einer erfolgten Anpassung der vom WTO-Streitbeilegungsgremium beurteilten Rechtsvorschrift an WTO-Recht nicht möglich, sich auf die zugrundeliegende Entscheidung des WTO-Streitbeilegungsgremiums zu berufen, wenn, wie im Streitfall, die Anmeldungen zum Zollverfahren für die Überführung in den freien Verkehr vor dem Zeitpunkt der Annahme des WTO-Panel-Reports erfolgt seien. Auch unter Berücksichtigung des Urteils des EuGH vom 04.02.2016 (C-659/13 und C-34/14) habe der festgesetzte Antidumpingzoll Bestand. Der EuGH habe keineswegs entschieden, dass die VO (EG) Nr. 1472/2006 insgesamt ungültig sei, sondern diese nur ungültig erklärt, soweit der Rat und die Kommission nicht über die Anträge auf MWB bzw. IB der nicht in die gemäß Art. 17 der VO (EG) Nr. 384/96 gebildeten Stichprobe einbezogenen chinesischen und vietnamesischen ausführenden Hersteller entschieden habe und die VO (EG) Nr. 1472/2006 damit gegen Art. 2 Abs. 7 Buchst b) und Art. 9 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 384/96 verstoße. Bezüglich der Waren aller anderen ausführenden Hersteller und in Bezug auf alle anderen in den Ausgangsverfahren vorgebrachten Verstöße bleibe die Verordnung hingegen gültig. Und selbst die Antidumpingzölle, die für Schuhe erhoben würden, die tatsächlich von ausführenden Herstellern erzeugt worden seien, die nicht in die gebildeten Stichproben einbezogen worden seien und die einen MWB- oder IB-Antrag gestellt hätten, könnten nicht ohne weiteres aufgrund der insoweit erfolgten Ungültigerklärung der VO (EG) Nr. 1492/2006 erstattet werden. Diesbezüglich sei vielmehr die DVO (EU) 2016/223 zu beachten. Das Verfahren zur Änderung der teilweise für ungültig erklärten Verordnung solle genau an dem Punkt wieder aufgenommen werden, an dem die Rechtswidrigkeit eingetreten sei, so dass das zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtswidrigkeit noch nicht abgeschlossene Antidumpingverfahren wieder aufgenommen und geprüft werde, ob für die betroffenen ausführenden Hersteller im Zeitraum vom 01.04.2004 bis 31.03.2005 Marktwirtschaftsbedingungen gegeben gewesen seien. Dabei würden nur diejenigen MWB- und IB-Anträge beurteilt, die von Erstattungsanträgen betroffen seien, die form- und fristgerecht bei den nationalen Zollstellen eingereicht worden seien. Die nationalen Zollbehörden hätten diesen Antrag an die Kommission weiterzuleiten, die den Antrag prüfe und bewerte und durch eine Durchführungsverordnung den angemessenen Zoll wiedereinführe. Die nationalen Zollbehörden hätten die Veröffentlichung der einschlägigen Durchführungsverordnung abzuwarten, bevor sie über den Antrag auf Erstattung oder Erlass von Antidumpingzöllen entschieden. Im vorliegenden Fall scheitere die Durchführung des in der DVO (EU) 2016/223 vorgesehenen Verfahrens aber bereits daran, dass die Klägerin zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht habe, dass die von ihr importierten Schuhe von einem nicht in die Stichprobe einbezogenen chinesischen oder vietnamesischen Hersteller, der einen MWB- oder IB-Antrag gestellt habe, erzeugt worden seien. Ein Absehen von der Nacherhebung nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) ZK komme schon deshalb nicht in Betracht, weil die Ausstellung der inhaltlich unrichtigen Ursprungszeugnisse offenkundig auf falschen Angaben des Ausführers gegenüber der ausstellenden Behörde in Malaysia beruhe, denn die im Rahmen der Missionsreisen gewonnenen Erkenntnisse zu den Herstellern hätten zweifelsfrei ergeben, dass diese die streitgegenständlichen Schuhe nicht hergestellt hätten.

17

Über die Einsprüche der Klägerin gegen die Einfuhrabgabenbescheide vom 14.07.2010 und vom 23.07.2010 hat der Beklagte bisher nicht entschieden. Nachdem der Beklagte zunächst mitgeteilt hatte, dass eine abschließende Entscheidung über die Einsprüche vor Vorliegen und einer abschließenden Auswertung des offiziellen OLAF-Missionsreiseberichts nicht möglich sei, hat er mit Schriftsatz vom 28.04.2017 erklärt, dass er nicht mehr beabsichtige, über die Einsprüche zu entscheiden, und von der Zulässigkeit der Untätigkeitsklage ausgehe.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakten des Beklagten (3 Stehordner Bände I-III, 2 Hefter Beihefte 1-2) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

19

Die Klage - die nach gemäß § 155 FGO i. V. m. § 264 Nr. 2 ZPO zulässiger Ermäßigung des Sachantrags nur noch darauf gerichtet ist, dass die Aufhebung der angefochtenen Einfuhrabgabenbescheide vom 14.07.2010 und vom 23.07.2010 insoweit begehrt wird, als darin jeweils Antidumpingzoll festgesetzt wird - ist zulässig (dazu 1.), aber nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet (dazu 2.).

1.

20

Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, insbesondere steht der Zulässigkeit nicht entgegen, dass das außergerichtliche Vorverfahren noch nicht abgeschlossen worden ist.

21

Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO ist eine Anfechtungsklage abweichend von § 44 Abs. 1 FGO ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig, wenn über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs handelt es sich bei den in § 46 Abs. 1 FGO angeführten Tatbestandsvoraussetzungen nicht um Zugangsvoraussetzungen, sondern um Sachentscheidungsvoraussetzungen, die erst im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung erfüllt sein müssen; für die Zulässigkeit der Klage kommt es somit darauf an, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 46 Abs. 1 FGO zum Zeitpunkt der Entscheidung gegeben sind (BFH, Beschluss vom 07.03.2006, VI B 78/04, in: juris).

22

Aus § 46 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Satz 2 FGO folgt, dass eine Frist von bis zu sechs Monaten nach Einlegung des Einspruchs regelmäßig als angemessen anzusehen ist. Das Tatbestandsmerkmal "in angemessener Frist" kann aber auch eine Frist von mehr als sechs Monaten bedeuten. Es ist nach den gesamten Umständen des Falles zu beurteilen, ob eine darüber hinausreichende Frist noch "angemessen" ist. Abzuwägen sind auf der einen Seite der Umfang und die rechtlichen Schwierigkeiten des Falles und auf der anderen Seite das Interesse des Rechtsbehelfsführers an einer baldigen Entscheidung (BFH, Beschluss vom 27.06.2012, XI B 8/12, in: juris, m. w. N.). Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO muss ein Steuerpflichtiger eine Verzögerung der Entscheidung über seinen außergerichtlichen Rechtsbehelf über eine ansonsten angemessene Frist hinaus nur dann hinnehmen, wenn dafür ein zureichender Grund besteht und dieser ihm mitgeteilt worden ist (BFH, Beschluss vom 27.06.2012, XI B 8/12, in: juris, m. w. N.). Ein zureichender Grund liegt vor, wenn es nach den besonderen Umständen des Einzelfalles einleuchtend erscheint, dass das Rechtsbehelfsverfahren noch nicht abgeschlossen wurde (BFH, Beschluss vom 27.06.2012, XI B 8/12, in: juris, m. w. N.), z. B. wenn umfangreiche Auslandsermittlungen notwendig sind und nicht festgestellt werden kann, dass die Behörde die notwendigen Ermittlungsmaßnahmen nicht mit dem gebotenen Nachdruck betreibt (vgl. BFH, Beschluss vom 07.03.2006, VI B 78/04, in: juris).

23

Die Klage ist nach § 46 Abs. 1 FGO zulässig, weil der Beklagte nicht in angemessener Frist über die Einsprüche gegen die angefochtenen Einfuhrabgabenbescheide vom 14.07.2010 und vom 23.07.2010 entschieden hat. Es ist - jedenfalls zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung - kein zureichender Grund dafür gegeben, dass über die Einsprüche vom 04.08.2010 bzw. vom 09.08.2010 nach nunmehr weit über sechs Jahren noch immer nicht entschieden worden ist. Es kann dabei offenbleiben, ob der seitens des Beklagten angegebene Grund, nicht über die Einsprüche zu entscheiden, da zunächst die Vorlage des offiziellen OLAF-Reiseberichts über die im November 2010 und Januar 2011 durchgeführte Missionsreise nach Malaysia abzuwarten gewesen sei, auch unter Berücksichtigung der dem Beklagten mit Schreiben vom 31.03.2011 rund acht Monate nach den Einsprüchen bereits vorgelegten Unterlagen, namentlich des Reiseberichts des Zollfahndungsamts vom 07.03.2011 über die Missionsreise, einen zureichenden Grund für die Verzögerung der Einspruchsentscheidungen darstellte. Jedenfalls ist der Grund nach der erfolgten Vorlage des offiziellen Missionsreiseberichts in deutschsprachiger Übersetzung mit Schreiben des Zollkriminalamts vom 22.08.2012 entfallen, so dass, wie auch die Beteiligten übereinstimmend annehmen, jedenfalls jetzt Entscheidungsreife gegeben ist.

2.

24

Die Anfechtungsklage ist jedoch lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet: Der Einfuhrabgabenbescheid vom 14.07.2010 ist insoweit rechtswidrig, als darin unter der Position 3 für die Waren, die vietnamesischen Ursprungs sind, Antidumpingzoll nach einem Antidumpingzollsatz von mehr als 10 % festgesetzt wird, der Einfuhrabgabenbescheid vom 14.07.2010 im Übrigen sowie der Einfuhrabgabenbescheid vom 23.07.2010 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

25

Rechtsgrundlage für die Nacherhebung des Antidumpingzolls ist Art. 220 Abs. 1 Satz 1 ZK. Diese Norm ist trotz des Inkrafttretens der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 vom 09.10.2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269/1, berichtigt durch ABl. 2016 L 267/2 - Unionszollkodex) noch anwendbar, da die streitgegenständlichen Einfuhren und die Nacherhebung vor dem 01.05.2016 erfolgten. Gemäß Art. 220 Abs. 1 Satz 1 ZK hat die nachträgliche buchmäßige Erfassung einer Zollschuld zu erfolgen, die nicht buchmäßig erfasst worden ist. Für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zollnacherhebung ist der Beklagte beweisbelastet (FG Hamburg, Urteil vom 30.08.2005, IV 337/02, in: juris). Die Voraussetzungen von Art. 220 Abs. 1 Satz 1 ZK sind erfüllt, da bisher der dem Grunde nach von der Klägerin geschuldete Antidumpingzoll nicht buchmäßig erfasst wurde (dazu 2.1). Auf einen die nachträgliche buchmäßige Erfassung ausschließenden Vertrauensschutz kann sich die Klägerin nicht berufen (dazu 2.2). Die Nacherhebungsfristen sind gewahrt (dazu 2.3). Hinsichtlich der Höhe des geltend gemachten Antidumpingzolls ist in Bezug auf eine Teillieferung von Waren vietnamesischen Ursprungs ein niedrigerer als der von dem Beklagten zugrunde gelegte Antidumpingzollsatz einschlägig und die Berechnung insoweit zu beanstanden mit der Folge der Teilaufhebung des Einfuhrabgabenbescheids vom 14.07.2010 (dazu 2.4).

2.1

26

Nicht erhoben wurde dem Grunde nach von der Klägerin geschuldeter Antidumpingzoll in Höhe von 16,5 % bzw. 10 % gemäß Art. 1 Abs. 1, Abs. 3 VO (EG) Nr. 1472/2006.

2.1.1

27

Der EuGH hat mit Urteil vom 04.02.2016 (C-659/13 und C-34/14, in: juris) entschieden, dass die VO (EG) Nr. 1472/2006 ungültig ist, soweit sie gegen Art. 2 Abs. 7 Buchst. b) und Art. 9 Abs. 5 VO (EG) Nr. 384/96 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 461/2004 des Rates vom 08.03.2004 (ABl. L 77/12) geänderten Fassung verstößt, und die Prüfung der in den Vorlageverfahren C-659/13 und C-34/14 gestellten Fragen nichts ergeben hat, was die Gültigkeit der endgültigen Entscheidung mit Blick auf Art. 296 AEUV sowie Art. 2 Abs. 7 Buchst. c), Art. 3 Abs. 1, 2 und 5 bis 7, Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 4, Art. 9 Abs. 6 oder Art. 17 der VO (EG) Nr. 384/96 zu beeinträchtigen vermag. Aus der Begründung des Urteils geht hervor, dass es sich um eine teilweise Ungültigerklärung der VO (EG) Nr. 1472/2006 in Bezug auf Waren einzelner ausführender Hersteller handelt, und zwar auf dem Umstand beruhend, dass der Rat und die Kommission nicht über die Anträge auf MWB der nicht in die gemäß Art. 17 der VO (EG) Nr. 384/96 gebildete Stichprobe einbezogenen chinesischen und vietnamesischen ausführenden Hersteller entschieden haben (vgl. Rn. 112 des Urteils), bzw. auf dem Umstand beruhend, dass der Rat und die Kommission nicht über die Anträge auf IB der nicht in die gemäß Art. 17 VO (EG) Nr. 384/96 gebildete Stichprobe einbezogenen chinesischen und vietnamesischen ausführenden Hersteller entschieden haben (vgl. Rn. 135 des Urteils). Damit ist die VO (EG) Nr. 1472/2006 - außer in Bezug auf Waren solcher chinesischen und vietnamesischen Hersteller, die einen Antrag auf MWB oder IB gestellt haben, über den entschieden worden ist, weil die jeweiligen Hersteller in die nach Art. 17 VO (EG) Nr. 384/96 gebildete Stichprobe einbezogen worden waren, vgl. dazu Rnrn. 102 und 114 des Urteils - in Bezug auf Waren solcher chinesischen und vietnamesischen Hersteller, die weder einen Antrag auf MWB noch auf IB gestellt haben, ohne weiteres gültig und als Rechtsgrundlage für die Erhebung von Antidumpingzoll tragfähig und einschlägig, soweit die nach der VO (EG) Nr. 1472/2006 zur Erhebung von Antidumpingzoll normierten Voraussetzungen im Einzelnen erfüllt sind.

28

Demgegenüber ist - anders als offenbar die Klägerin meint - in Bezug auf Waren solcher chinesischen und vietnamesischen ausführenden Hersteller, die weder einen Antrag auf MWB noch auf IB gestellt haben, weder auf die DVO (EU) 2016/233 noch auf ggf. erst zu erlassende Durchführungsverordnungen zur Wiedereinführung eines entsprechenden Antidumpingzolls für Waren von nicht in die gemäß Art. 17 der VO (EG) Nr. 384/96 ursprünglich gebildete Stichprobe einbezogenen chinesischen und vietnamesischen ausführenden Herstellern, die einen MWB- oder IB-Antrag gestellt haben, auf der Grundlage der von der Kommission hierzu noch vorzunehmenden MWB- bzw. IB-Bewertungen (vgl. dazu 16. und 28. Erwägungsgrund der DVO (EU) 2016/233) als Rechtsgrundlage für die Erhebung des streitgegenständlichen Antidumpingzolls abzustellen. Denn die genannten Durchführungsverordnungen betreffen von vornherein nur Antidumpingzoll in Bezug auf Waren von nicht in die gemäß Art. 17 der VO (EG) Nr. 384/96 ursprünglich gebildete Stichprobe einbezogenen chinesischen und vietnamesischen ausführenden Herstellern, die einen MWB- oder IB-Antrag gestellt haben. Da keine Erkenntnisse darüber vorliegen, dass die streitgegenständlichen Schuhe von derartigen Herstellern produziert worden sein könnten, kommt übrigens auch eine - von der Klägerin angeregte - Verfahrensaussetzung nach § 74 FGO im Hinblick auf das zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der DVO (EU) 2016/233 beim EuGH anhängige Verfahren (C-256/16) von vornherein nicht in Betracht, abgesehen davon, dass die DVO (EU) 2016/233 nur das Verfahren in Bezug auf bestimmte Anträge auf Erstattung von Antidumpingzoll nach der VO (EG) Nr. 1472/2006 regelt und insofern für das mit der vorliegenden Klage verfolgte Anfechtungsbegehren ohnehin nicht relevant ist.

29

Anlass, aus den von der Klägerin angeführten Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der VO (EG) Nr. 1472/2006 - nämlich die fehlerhafte Warendefinition und die fehlende Repräsentativität der durchgeführten Stichprobe, die auf nicht repräsentative und unzuverlässige Daten sowie die Nichtberücksichtigung anderer Schadensfaktoren gestützte fehlerhafte Beurteilung der dem Wirtschaftszweig der Union entstandenen Schädigung und die fehlerhafte Festlegung der Höhe der Antidumpingzölle - an der Rechtmäßigkeit der VO (EG) Nr. 1472/2006 zu zweifeln und dem EuGH daher die VO (EG) Nr. 1472/2006 zur Prüfung im Wege des Vorabentscheidungsersuchens nochmals vorzulegen, hat der erkennende Senat nicht. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 04.02.2016 (C-659/13 und C-34/14) bereits entschieden, dass die Prüfung der in den Vorlageverfahren C-659/13 und C-34/14 gestellten Fragen nichts ergeben hat, was die Gültigkeit der endgültigen Entscheidung mit Blick auf Art. 296 AEUV sowie Art. 2 Abs. 7 Buchst. c), Art. 3 Abs. 1, 2 und 5 bis 7, Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 4, Art. 9 Abs. 6 oder Art. 17 der VO (EG) Nr. 384/96 zu beeinträchtigen vermag. Ausweislich der Urteilsbegründung war Gegenstand der Vorlagefragen unter anderem auch, ob die VO (EG) Nr. 1472/2006 ungültig ist, weil die Zahl der mitarbeitenden Hersteller aus dem Wirtschaftszweig der Gemeinschaft nicht ausreichte, um der Kommission eine fundierte Beurteilung der Schädigung und ihrer Ursache zu ermöglichen, weil Beweise in der Ermittlungsakte zeigen, dass die Schädigung des Wirtschaftszweiges der Gemeinschaft unter Heranziehung von Daten mit erheblichen Mängeln beurteilt wurde, und weil in der endgültigen Verordnung nicht erläutert wird, warum diese Beweise unbeachtet blieben, und weil andere Faktoren, deren schädigende Wirkung bekannt ist, nicht ordnungsgemäß von den Wirkungen der angeblich gedumpten Einfuhren abgegrenzt und unterschieden wurden, bzw. ob die VO (EG) Nr. 1472/2006 insgesamt gültig ist, soweit sie nicht durch die Urteile des EuGH in den Sachen C-249/10 P und C-247/10 P für nichtig erklärt wurde, bzw. in Bezug auf welche Ausführer und Hersteller die VO (EG) Nr. 1472/2006 nichtig ist, insbesondere unter dem Gesichtspunkt, ob die angewandte Dumpingspanne ordnungsgemäß ermittelt wurde (vgl. zu den Vorlagefragen Rn. 46 und 52 des Urteils, sowie zu den darauf bezogenen Ausführungen des EuGH Rnrn. 145 ff., 151 ff., 159 ff., 167 ff. des Urteils). Damit sind gerade auch die von der Klägerin vorgebrachten Einwendungen bereits vom EuGH als für die Gültigkeit der VO (EG) Nr. 1472/2006 nicht durchgreifend bewertet worden.

30

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass auch etwaige Einwendungen gegen die VO (EG) Nr. 1472/2006 aufgrund deren Unvereinbarkeit mit internationalen Regeln des Welthandels, die sich aus dem vom WTO-Streitbeilegungsgremium angenommenen WTO-Panel-Report vom 28.10.2011, WT/DS405/R, ergeben, zu keiner der Klägerin günstigeren Beurteilung führen. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 04.02.2016 (C-659/13 und C-34/14) ausgeführt, dass weder das WTO-Antidumpingübereinkommen noch u. a. der WTO-Bericht "Europäische Union - Antidumpingmaßnahmen gegenüber bestimmten Schuhe aus China" vom 28.10.2011, WT/DS405/R, im Rahmen der Rechtssachen C-659/13 und C-34/14 geltend gemacht werden können und dass sie folglich bei der Prüfung der Gültigkeit der VO (EG) Nr. 1472/2006 nicht zu berücksichtigen sind (vgl. Rnrn. 80 ff., Rn. 100 des Urteils).

2.1.2

31

Die mit den den streitgegenständlichen Einfuhrabgabenbescheiden zugrunde liegenden Zollanmeldungen eingeführten Schuhe gehören zu den in Art. 1 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1472/2006 genannten Waren u. a. der Unterpositionen (ex)6403 9118, (ex)6403 9198, (ex)6403 9911, (ex)6403 9938 und (ex) 6403 9998. Nach Art. 1 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1472/2006 beträgt der Antidumpingzollsatz grundsätzlich die vom Beklagten geltend gemachten 16,5 % auf den Nettopreis frei Grenze der Union, unverzollt für Schuhe chinesischen Warenursprungs, bzw. 10 % auf den Nettopreis frei Grenze der Union, unverzollt, soweit es sich im Einfuhrabgabenbescheid vom 14.07.2010 in einem Fall einer Teileinfuhr um Schuhe vietnamesischen Ursprungs handelt.

32

Da die Hersteller der eingeführten Schuhe unbekannt sind, kann weder ein- ohnehin nur für Schuhe chinesischen Ursprungs des Unternehmens M eröffneter - individueller Zollsatz zur Anwendung kommen, noch fehlt nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen unter 2.1.1 die Rechtsgrundlage für die Erhebung eines Antidumpingzolls aufgrund der teilweisen Ungültigerklärung der VO (EG) Nr. 1472/2006 durch den EuGH für Waren von nicht in die gemäß Art. 17 der VO (EG) Nr. 384/96 ursprünglich gebildete Stichprobe einbezogenen chinesischen und vietnamesischen ausführenden Herstellern, die einen MWB- oder IB-Antrag gestellt haben. Der Umstand, dass hinsichtlich des Warenursprungs letztlich nicht weiter aufgeklärt werden kann, welche konkreten ausführenden Hersteller die streitgegenständlichen Schuhe produziert haben, geht zu Lasten der insoweit beweisbelasteten Klägerin. Die Klägerin vermag mit ihrem Einwand, dass der Beklagte nicht nur für das antidumpingpflichtige Produktionsland, sondern auch für eine "antidumpingpflichtige Produktionsstätte" beweisbelastet sei, nicht durchzudringen. Die Antidumpingzollpflicht nach der VO (EG) Nr. 1472/2006 knüpft an den Warenursprung in einem bestimmten Land an, vgl. Art. 1 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1472/2006. Aufgrund der teilweisen Ungültigerklärung der VO (EG) Nr. 1472/2006 durch das Urteil des EuGH vom 04.02.2016 (C-659/13 und C-34/14) stellt sich die "Nichtherkunft der Waren von Herstellern, die MWB oder IB beantragt haben und nicht in die Stichprobe einbezogen worden sind", als negatives Tatbestandsmerkmal bzw. die "Herkunft der Waren von Herstellern, die MWB oder IB beantragt haben und nicht in die Stichprobe einbezogen worden sind", als Befreiungsvoraussetzung in Bezug auf die Anwendbarkeit der ansonsten gültigen VO (EG) Nr. 1472/2006 dar. Nach allgemeinen Beweislastregeln ist derjenige beweisbelastet, der sich auf einen für ihn günstigen Umstand beruft, mithin hier für die "Herkunft der Waren von Herstellern, die MWB oder IB beantragt haben und nicht in die Stichprobe einbezogen worden sind", die Klägerin. Zudem führte die Annahme einer die Zollbehörden treffenden Beweislast nicht nur hinsichtlich des Ursprungslandes, sondern auch hinsichtlich der "Nichtherkunft der Waren von Herstellern, die MWB oder IB beantragt haben und nicht in die Stichprobe einbezogen worden sind", letztlich zu dem in sich widersprüchlichen Ergebnis, dass bei strittigem Warenursprung zwar einerseits aufgrund des naturgemäß schwer zu ermittelnden Auslandssachverhaltes der Nachweis eines mit an Sicherheit grenzenden antidumpingzollbegründenden Warenursprungs für die Erhebung von Antidumpingzoll im Sinne einer Beweiserleichterung ausreicht (vgl. FG Hamburg, Urteile vom 11.09.2015, 4 K 84/14, und vom 18.02.2014, 4 K 6/13, m. w. N., jeweils in: juris), andererseits durch eine über diesen Warenursprung hinausgehende Nachweispflicht in Bezug auf einen konkreten Hersteller die Beweisanforderungen für die Zollbehörden derart überhöht würden, dass im Ergebnis der Nachweis eines antidumpingzollbegründenden Warenursprungs in solchen Fällen faktisch so gut wie nicht mehr möglich wäre.

2.1.3

33

Hinsichtlich der Nacherhebungsvoraussetzungen, hier also des chinesischen bzw. vietnamesischen Ursprungs der Schuhe, ist der Beklagte beweispflichtig, wobei es, wie bereits ausgeführt, ausreicht, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass die Waren einen Ursprung haben, der zur Erhebung von Antidumpingzoll führt (vgl. FG Hamburg, Urteile vom 11.09.2015, 4 K 84/14, vom 18.02.2014, 4 K 6/13, und vom 17.05.2017, 4 K 147/15 m. w. N., jeweils in: juris).

34

Der erkennende Senat ist gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO davon überzeugt, dass die eingeführte Ware im Lichte dieser Beweislastverteilung und nach Gesamtwürdigung des Sachverhalts mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht - wie in den mit den Zollanmeldungen vorgelegten Ursprungszeugnissen ausgewiesen - malaysischen, sondern chinesischen bzw. bezüglich einer Teileinfuhr vietnamesischen Ursprungs ist und damit die Voraussetzungen für die Erhebung des geltend gemachten Antidumpingzolls dem Grunde nach gegeben sind. Dies ergibt sich aus den vom Beklagten vorgelegten Unterlagen, insbesondere der von OLAF mit Schreiben vom 01.06.2010 übersandten Aufstellung über Angaben der malaysischen Hafenbehörde Port Klang Authority zu Einfuhr- und Ausfuhrsendungen in das bzw. aus dem Zollfreigebiet Free Commercial Zone Port Klang, sog. Malaysia-Liste (SA Ordner Band I, Allgemeiner Teil, Bl. 5-32), dem Reisebericht des Zollfahndungsamts H vom 07.03.2011 (SA Ordner Band II, Bl. 2 ff.) sowie dem OLAF-Abschlussbericht OF/.../... THOR-Nr. (2012) ... vom 20.07.2012 (SA Ordner Band III, Bl. 38 ff.) und dem OLAF-Kontrollbericht OF/.../... THOR-Nr. (2012) ... vom 13.07.2012 nebst Anlagen (SA Ordner Band III, Bl. 47 ff.) und insbesondere der hierzu von dem Beklagten nochmals vorgelegten und in Bezug auf die klägerischen Einfuhren vollständig ausgedruckte und ungeschwärzte Anlage 18 zum OLAF-Kontrollbericht (SA Hefter Beiheft 2, "Abklärung Anhang 18", sowie Anlage zum Schriftsatz des Beklagten vom 08.03.2016).

35

Die Erkenntnisse, die auf die OLAF-Missionsreise zurückzuführen sind, sind entgegen der Annahme der Klägerin ohne erkennbare Verstöße gegen Vorgaben der - für den hier maßgeblichen Untersuchungszeitraum allein einschlägigen - Verordnung (EG) Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.05.1999 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) (ABl. L 136/1), im Folgenden: VO (EG) Nr. 1073/1999, gewonnen worden und daher verwertbar. Die Aufteilung der Missionsreise in zwei, zudem in zeitlich engem Zusammenhang stehende Teile (November 2010 und Januar 2011) war auf organisatorische (vgl. Ziff. 1 des Reiseberichts des Zollfahndungsamts vom 07.03.2011) und damit sachgerechte Gründe zurückzuführen und stellt mithin keinen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 5 VO (EG) Nr. 1073/1999, wonach Untersuchungen ohne Unterbrechungen durchzuführen sind, dar. Verstöße gegen Verfahrensgarantien Betroffener, insbesondere ein Äußerungsrecht betroffener Personen zu auf diese Personen bezogenen Schlussfolgerungen, das in dieser Form erst in die Nachfolgeverordnung zur VO (EG) Nr. 1073/1999 (VO (EU, Euratom) Nr. 883/2013) aufgenommen worden ist, sind ebenfalls nicht ersichtlich.

36

Dies vorweggeschickt, ergibt sich aus den durch die malaysischen Behörden gegebenen Auskünften und den nachvollziehbaren Schlussfolgerungen, die übereinstimmend sowohl im Reisebericht des Zollfahndungsamts als auch im OLAF-Kontrollbericht und im OLAF-Abschlussbericht enthalten sind, in Zusammenschau und Abgleich mit den den streitgegenständlichen Einfuhrsendungen zuordenbaren vorhandenen Daten zu den Bewegungen der entsprechenden Warenpartien durch das Zollfreigebiet Free Commercial Zone Port Klang, namentlich den Daten zu Einfuhranmeldungen in die Free Commercial Zone Port Klang bzw. Ausfuhranmeldungen aus der Free Commercial Zone Port Klang, der zwingende Rückschluss, dass sämtliche streitgegenständlichen Wareneinfuhren aus China bzw. in einem Fall einer Teillieferung aus Vietnam stammten und über Malaysia unverändert, d. h. insbesondere auch ohne ursprungsbegründende Bearbeitung in Malaysia, in die Europäische Union eingeführt wurden, wobei in den Zollanmeldungen bei der Einfuhr in die Europäische Union unter Vorlage unrichtiger Ursprungszeugnisse Formblatt A mit Ursprungsangabe Malaysia als unzutreffende Herkunft der Waren Malaysia angegeben wurde. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich für sämtliche streitgegenständlichen Wareneinfuhren ein insoweit stimmiges und auf hinreichend nachweisbaren Tatsachen beruhendes Bild. Im Einzelnen:

37

Die mit insgesamt elf Zollanmeldungen von der Klägerin eingeführten Warenpartien sind in der sog. Malaysia-Liste, ausgehend von der jeweiligen Verwendung der insgesamt acht gefälschten Ursprungszeugnisse, insgesamt acht Fallnummern (DE...-1, DE...-2, DE...-3, DE...-4, DE...-5, DE...-6, DE...-7 und DE...-8) zugeordnet. Sämtlichen acht Fallnummern konnten sog. ZB2-Nummern, die von der Hafenbehörde Port Klang bei Wiederausfuhr der Waren aus der Free Commercial Zone u. a. unter Erfassung des im Zusammenhang mit der Ausfuhr vom Ausführer angegebenen Herkunftslands der Ware vergeben werden, zugeordnet werden (vgl. SA Ordner Band I, Allgemeiner Teil, Bl. 21). Nach den danach erfassten Daten weisen eine Teilausfuhr der Fallnummer DE...-2 als Herkunftsland Vietnam und sämtliche sonstigen Ausfuhren der genannten Fallnummern einschließlich der anderen Teilausfuhr der Fallnummer DE...-2 als angegebenes Herkunftsland China aus (vgl. SA Ordner Band I, Allgemeiner Teil, Bl. 23). Für drei der genannten Fallnummern, nämlich DE...-1, DE...-3 und DE...-6, konnten darüber hinaus anhand der vorhandenen Daten, die einen Abgleich der Einfuhr- und Ausfuhrvorgänge in der Free Commercial Zone und entsprechende Verknüpfungen zulassen, sog. ZB1-Nummern, die von der Hafenverwaltung Port Klang bei Einfuhr der Waren in die Free Commercial Zone Port Klang u. a. unter Erfassung des vom Einführer angegebenen Herkunftslands der Ware vergeben werden, zugeordnet werden (vgl. SA Ordner Band I, Allgemeiner Teil, Bl. 27). Des Weiteren konnte für die Fallnummer DE...-2 in Bezug auf einen Teil der Waren eine ZB1-Nummer zugeordnet werden (vgl. SA Ordner Band I, Allgemeiner Teil, Bl. 27). Nach den unter diesen ZB1-Nummern erfassten Herkunftsländern ist für die Fallnummern DE...-1, DE...-3 und DE...-6 sowie für eine in den Datenbeständen näher ausgewiesene Teillieferung der Fallnummer DE...-2 - es handelt sich um die Teillieferung, die in der zugehörigen ZB2-Nummer ebenfalls China als Herkunftsland ausweist - jeweils China erfasst (vgl. SA Ordner Band I, Allgemeiner Teil, Bl. 29).

38

Diese Erkenntnisse, die auf der vor der Missionsreise übermittelten Malaysia-Liste beruhen, wurden durch die Feststellungen anlässlich der OLAF-Missionsreise bestätigt, wie sich insbesondere aus der Schilderung der Gespräche mit der Hafenbehörde Port Klang zur Verfahrensweise der Vergabe der ZB1- und ZB2-Nummern und den Vorgaben zu den nur erlaubten Behandlungen in der Free Commercial Zone (vgl. Ziff. 5.2. des Reiseberichts des Zollfahndungsamts H vom 07.03.2011 nebst Anlage 3; OLAF-Kontrollbericht vom 13.07.2012 Anlage 5) sowie den Zusammenstellungen der erhaltenen Daten, die teilweise um weitere nachträglich ermittelte ZB1-Nummern ergänzt wurden (vgl. Reisebericht des Zollfahndungsamts H vom 07.03.2011 Anlage 4; Ziff. 4.3. des OLAF-Kontrollberichts vom 13.07.2012 nebst Anlage 18), ergibt:

39

So haben sich anlässlich der Missionsreise in Bezug auf die streitgegenständlichen Einfuhren die bisherigen Angaben der Malaysia-Liste nicht nur bestätigen, sondern sogar noch weitere Verknüpfungen zwischen ZB1-Nummern und ZB2-Nummern in Bezug auf die streitgegenständlichen Warenpartien feststellen lassen. Aus der Anlage 4 zum Reisebericht des Zollfahndungsamts H vom 07.03.2011 ergibt sich, dass hinsichtlich der Fallnummern DE...-4, DE...-5 und DE...-7 den insoweit streitgegenständlichen Warenpartien nunmehr ebenfalls jeweils ZB1-Nummern mit Herkunftsangabe China zugeordnet werden konnten (SA Ordner Band II, Bl. 92). In der Anlage 18 zum OLAF-Kontrollbericht vom 13.07.2012 sind die in die Europäische Union eingeführten Sendungen aufgelistet, bei denen eine Zuordnung der Einfuhr in die Europäische Union zu einer entsprechenden Ausfuhr aus dem Zollfreigebiet Port Klang mit ZB2-Dokument bzw. aus dem malaysischen Zollgebiet von zuvor als chinesisches, vietnamesisches oder taiwanesisches Ursprungserzeugnis mit ZB1-Dokument eingeführten Schuhen möglich war. Entgegen der von der Klägerin geäußerten Zweifel kann zum Nachweis der Datenlage auf die vom Beklagten im Nachgang nochmals in vollständig abgedruckter und betreffend die Klägerin in vollständig ungeschwärzter Form vorgelegte Anlage 18 (SA Hefter Beiheft 2, "Abklärung Anhang 18; Anlage zum Schriftsatz des Beklagten vom 08.03.2016) zurückgegriffen werden. Es bestehen keine Zweifel daran, dass diese Fassung der Anlage 18 der Originalversion der Anlage 18 zum OLAF-Kontrollbericht vom 13.07.2012 entspricht. Ausweislich des Vermerks von ZOAR L vom 21.02.2013 über ein Gespräch mit Frau N von OLAF war bei der Kopie der Orginal-Exceldatei, die der Anlage 18 zugrunde liegt, versehentlich nicht der gesamte Inhalt in das pdf-Format umgesetzt worden, so dass in der ursprünglich dem Beklagten übersandten Anlage 18 nicht alle streitrelevanten Daten ausgewiesen waren (vgl. SA Hefter Beiheft 2, "Abklärung Anhang 18", Bl. 8). Der Senat hat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser nachvollziehbaren Darstellung eines versehentlichen fehlerhaften Datenkopiervorgangs zu zweifeln, zumal es sich bei der Anlage 18 um eine äußert umfangreiche mehrseitige Tabelle handelt. In der demzufolge als Erkenntnisgrundlage heranzuziehenden nachgereichten vollständigen Fassung der Anlage 18 sind - in Übereinstimmung mit den Daten aus der zuvor erwähnten Anlage 4 - hinsichtlich der Fallnummern DE...-1, DE...-2 (Teillieferung), DE...-4, DE...-5, DE...-6, DE...-7 entsprechende ZB1- und ZB2-Verknüpfungen mit Herkunftsland China aufgeführt (vgl. SA Ordner Band II, Bl. 91 f., SA Hefter Beiheft 2, "Abklärung Anhang 18", Bl. 35, 43, sowie Anlage zum Schriftsatz des Beklagten vom 08.03.2016, dort S. 33 und 39). Eine weitere Verknüpfung von ZB1- und ZB2-Daten ist ausweislich des Vermerks von ZOAR L vom 21.02.2013 über das bereits erwähnte Gespräch mit Frau N von OLAF zu der Fallnummer DE...-3 möglich gewesen, allerdings ist die Information zu Fallnummer DE...-3 versehentlich - von vornherein - nicht in die Anlage 18 mit aufgenommen worden und daher auch nicht Bestandteil des nachgelieferten vollständigen Ausdrucks der Anlage 18 (vgl. SA Hefter Beiheft 2, "Abklärung Anhang 18", Bl. 8). Auch insoweit hat der erkennende Senat keinen Anlass, an der Richtigkeit der Angaben von Frau N zu zweifeln. Angesichts der überaus großen Menge an Daten, die im Rahmen der Missionsreise erhoben wurden und weit mehr als die streitgegenständlichen Einfuhrvorgänge betreffen (vgl. Ziff. 4.2 des OLAF-Kontrollberichts vom 13.07.2012 nebst Anlagen 9, 14 und 18: 74 plus 44 in die Europäische Union verschiffte Sendungen, aus denen sich allein für Einfuhren nach Deutschland rund 250 verknüpfte ZB1- und ZB2-Warenpartien mit chinesischem, taiwanesischem oder vietnamesischem Ursprung ergeben), entspricht es der Lebenswahrscheinlichkeit, dass bei der Erstellung einer abschließenden Tabellenübersicht ausnahmsweise vereinzelt Fehler passieren können und ein Vorgang deshalb versehentlich nicht mit aufgenommen wird. Es fehlen auch jegliche Anhaltspunkte dafür, dass die Fallnummer DE...-3 deshalb nicht in die Anlage 18 mit aufgenommen worden sein könnte, weil sich die dazu in der Malaysia-Liste mitgeteilten ZB1- und ZB2-Daten im Nachhinein als unzutreffend erwiesen hätten und daher zu korrigieren gewesen wären. Derartige Feststellungen enthalten weder der OLAF-Kontrollbericht noch der OLAF-Abschlussbericht, was aber zu erwarten gewesen wäre, wenn die nachträglichen Ermittlungen tatsächlich Abweichungen von den in der Malaysia-Liste niedergelegten Erkenntnissen ergeben hätten. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich mithin, wie auch der Beklagte zutreffend vorgetragen hat, dass sich - anders als die Klägerin wohl meint - den Aussagen des OLAF-Kontrollberichts im Zusammenhang mit der Anlage 18 gerade nicht entnehmen lässt, dass sich die für die streitgegenständlichen Einfuhrsendungen maßgeblichen Erkenntnisse, die bereits in der sog. Malaysia-Liste niedergelegt gewesen waren, im Nachhinein nicht bestätigt hätten. Im Gegenteil, es ist aufgrund der entsprechenden Angaben von Frau N als Teilnehmerin der Missionsreise davon auszugehen, dass sich sämtliche die klägerischen Einfuhren betreffenden Angaben aus der Malaysia-Liste vollumfänglich im Rahmen der Missionsreise haben bestätigen lassen.

40

Zusammenfassend ist damit hinsichtlich der Fallnummern DE...-1, DE...-2 (in Bezug auf eine Teilwarenlieferung), DE...-3, DE...-4, DE...-5, DE...-6 und DE...-7 von einer sowohl in den Einfuhr- als auch Ausfuhrdaten der Free Commercial Zone Port Klang dokumentierten Herkunftsangabe China auszugehen und damit ein chinesischer Warenursprung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der Datenerhebung durch die malaysische Hafenbehörde und der darauf beruhenden Verknüpfung der Wareneingänge und -ausgänge bestehen nicht. Insbesondere ist es entgegen der Auffassung der Klägerin unerheblich, dass die malaysischen Zollbehörden hierzu nicht nähere Angaben haben machen können. Denn die in Bezug auf die Warenbewegungen in der Free Commercial Zone Port Klang relevanten Daten werden nach den nachvollziehbaren Darlegungen der Missionsteilnehmer in ihren Berichten gerade von der Hafenbehörde erhoben und verwaltet und nicht von den malaysischen Zollbehörden (vgl. Ziff. 5.2. und 5.3. des Reiseberichts des Zollfahndungsamts vom 07.03.2011, Ziff. 2 des OLAF-Abschlussberichts vom 20.07.2012). Der Senat hält auch die Herkunftsangabe "China" in den ZB1-Meldungen für ausreichend, um einen chinesischen Ursprung im zollrechtlichen Sinne nachzuweisen, ohne dass die zusätzliche Vorlage diesbezüglicher Frachtpapiere, Rechnungen o. ä. zu fordern wäre. Die Angaben zum Herkunftsland werden aufgrund der Angaben, die die mit dem Handel und Transport befassten Unternehmen in den vorzulegenden ZB-Dokumenten machen, in den Datenbanken der Hafenbehörde erfasst. Anhaltspunkte dafür, dass die in Bezug auf die streitrelevanten Warenpartien gemachten Herkunftsangaben unrichtig gewesen oder von der Hafenbehörde unzutreffend erfasst worden sein könnten, liegen nicht vor. Insbesondere besteht für die Einführer auch kein Anlass, Waren, die nicht aus China stammten, fälschlicherweise als Waren aus China zu deklarieren.

41

In Bezug auf die Fallnummer DE...-8 und eine Teillieferung der Fallnummer DE...-2 hat sich eine Verknüpfung zwischen ZB1- und ZB2-Nummer zwar nicht herstellen lassen. Insofern ergeben die vorhandenen Daten aber zumindest jeweils eine ZB2-Nummer mit der Herkunftsangabe China (DE...-8) bzw. Vietnam (Teillieferung DE...-2). Anlass, an der Richtigkeit der von der Hafenbehörde mitgeteilten und vom OLAF wiedergegebenen Daten zu zweifeln, hat der Senat auch insoweit nicht. Die vorstehenden Ausführungen zur Belastbarkeit der aufgrund der ZB-Dokumente erfassten Daten gelten insoweit auch für die ZB2-Dokumente entsprechend, da nichts dafür ersichtlich ist, warum die jeweiligen Ausführer Waren, die nicht aus China bzw. Vietnam stammen, fälschlicherweise als aus China bzw. Vietnam stammend deklarieren sollten. Auch spricht allein der Umstand, dass, anders als bei den übrigen Fallnummern, bei der Fallnummer DE...-8 bzw. einer Teillieferung der Fallnummer DE...-2 eine Verknüpfung zwischen der zuordenbaren ZB2-Nummer zu einer ZB1-Nummer nicht möglich gewesen ist, nicht gegen die Verwendbarkeit der ZB2-Daten. Es liegt auf der Hand, dass angesichts der Vielzahl der untersuchten Vorgänge und der Vielzahl der dazu vorhandenen Daten in Einzelfällen aufgrund möglicher Datenlücken eine hinreichend sichere Verknüpfung von ZB1- und ZB2-Nummern ausnahmsweise nicht möglich ist. Auch ohne korrespondierende Daten aus einer ZB1-Anmeldung behalten die anlässlich einer ZB2-Anmeldung niedergelegten Daten mithin ihre Richtigkeit.

42

Da schließlich Anhaltspunkte für einen anderweitigen Warenursprung nicht vorliegen, muss in Bezug auf sämtliche streitgegenständlichen Warenpartien von einem chinesischen bzw. vietnamesischen Warenursprung ausgegangen werden. Die jeweils bei der Einfuhr in die Europäische Union vorgelegten Ursprungszeugnisse des MITI, die einen malaysischen Ursprung der streitgegenständlichen Waren belegen sollten, mögen den nach vorstehenden Ausführungen mit an Sicherheit grenzenden chinesischen bzw. vietnamesischen Ursprung der Waren nicht in Frage zu stellen. Präferentielle Ursprungszeugnisse haben hinsichtlich des für die Erhebung von Antidumpingzoll maßgeblichen nichtpräferentiellen Ursprungs nur Indizwirkung (FG Düsseldorf, Urteil vom 11.06.2014, 4 K 1226/13 Z, in: juris). Diese Indizwirkung ist vorliegend bereits deshalb entfallen, weil sich die Ursprungszeugnisse als unrichtig erwiesen haben. Dies ergibt sich bereits aus der nach vorstehenden Ausführungen nachgewiesenen nichtmalaysischen Herkunft der aus China bzw. Vietnam nach Malaysia eingeführten streitgegenständlichen Waren. Anhaltspunkte für eine ursprungsbegründende Bearbeitung der Waren nach deren Einfuhr nach Malaysia gibt es nicht. Die Waren sind ausweislich der von der malaysischen Hafenbehörde erhobenen Daten in die Freigebietszone Free Commercial Zone Port Klang eingeführt und aus dieser in die Europäische Union wieder ausgeführt worden. In der Free Commercial Zone sind lediglich bestimmte zollfreie Behandlungen, wie beispielsweise das Löschen, Sortieren, (Um)-Packen und Umetikettieren von Waren, die aus Drittländern stammen und nur für den Transit bestimmt sind, zulässig, während in der Free Industrial Zone Waren mit entsprechender Genehmigung zollfrei hergestellt oder be- oder verarbeitet werden dürfen (vgl. Ziff. 5.2 des Reiseberichts des Zollfahndungsamts vom 07.03.2011 nebst Anlage 3; OLAF-Kontrollbericht vom 13.07.2012 Anlage 5.2). Ursprungsbegründende Bearbeitungen sind damit in der Free Commercial Zone nicht zulässig. Auch die weiteren Erkenntnisse, die während der Missionsreise zu den angeblichen Herstellern der eingeführten Waren gewonnen wurden, sprechen eindeutig dafür, dass die Waren nicht in Malaysia hergestellt wurden. Denn die angegebenen malaysischen Herstellerfirmen existierten entweder nicht (F) oder ihre Produktionsmöglichkeiten waren völlig unzureichend für die Anzahl der angeblich produzierten Waren (D) (vgl. Ziff. 5.1.4, 6.1., 6.3 des Reiseberichts des Zollfahndungsamts vom 07.03.2001; Ziff. 3.3.2.2 des OLAF-Kontrollberichts vom 13.07.2012). Schließlich spricht auch der Umstand, dass seitens der Klägerin zwei gefälschte, d. h. vom MITI nicht ausgestellte Schreiben an die angeblichen Herstellerfirmen F und D vom 01.09.2010 bzw. vom 03.09.2010, mit denen das MITI die Richtigkeit der ausgestellten Ursprungszeugnisse angeblich bestätigt, vorgelegt wurden, dafür, dass die von der Klägerin verwendeten Ursprungszeugnisse auf unzutreffenden Angaben der Ausführer beruhen und damit zum Nachweis eines malaysischen Ursprungs ungeeignet sind. Mit Schreiben des MITI vom 25.01.2011 hat das MITI bestätigt, dass die in den Schreiben vom 01.09.2010 und 03.09.2010 enthaltenen Angaben wie Empfänger, Bezugsnummer, Daten und Inhalt in den Vorgängen des MITI nicht erfasst sind und die Unterschrift nachgewiesenermaßen gefälscht ist (SA Ordner Band I, Gemeinsame Weiterbearbeitung, Bl. 155 f., vgl. auch Ziff. 5.1.2 des Reiseberichts des Zollfahndungsamts vom 07.03.2011). Dass im Nachgang gefälschte Schreiben zum Nachweis der angeblichen Richtigkeit der in den Ursprungszeugnissen niedergelegten Angaben vorgelegt werden - auch wenn die gefälschten Schreiben, dies zugunsten der Klägerin einmal unterstellt, ohne Zutun der Klägerin allein auf Veranlassung der Ausführer erstellt worden sein mögen -, ergibt letztlich nur dann einen Sinn, wenn die Ursprungszeugnisse auf falschen Angaben der Ausführer beruhen, anderenfalls man vielmehr direkte Nachweise für die Richtigkeit der in den Ursprungszeugnissen gemachten Angaben zum Warenursprung beibringen würde.

2.2

43

Die Klägerin kann für die Nacherhebung des Antidumpingzolls keinen Vertrauensschutz beanspruchen. Nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) Unterabs. 1 ZK erfolgt keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vernünftigerweise vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Bestimmungen über die Zollerklärung eingehalten hat.

44

Die Voraussetzungen von Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) Unterabs. 1 ZK sind bereits deshalb nicht gegeben, weil es sich nicht um einen aktiven Irrtum handelt. Aktiver Irrtum bedeutet, dass die Zollbehörde den Irrtum aktiv begehen muss und ihm nicht lediglich unterliegen darf, etwa weil sie ungeprüft die Angaben in der Zollanmeldung übernommen hat. Vielmehr muss der Irrtum auf ein Handeln der Zollbehörde zurückzuführen sein (BFH, Beschluss vom 28.11.2005, VII B 116/05, in: juris). Ein in diesem Sinne beachtlicher Irrtum der beteiligten Behörden liegt nicht vor, weil das beklagte Hauptzollamt die Zollanmeldungen ohne weitere Prüfung angenommen hat.

45

Die ergänzenden Voraussetzungen für die Gewährung von Vertrauensschutz nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) Unterabs. 2-5 ZK gelten nicht für die Erhebung von Antidumpingzöllen, sondern nur den Präferenzstatus einer Ware, so dass sich die Klägerin nicht auf ein etwaiges Vertrauen in die Richtigkeit der verwendeten malaysischen Ursprungszeugnisse berufen kann. Im Übrigen sind die malaysischen Ursprungszeugnisse zum einen, wie unter 2.1.3 bereits ausgeführt, als nichtpräferentielle Ursprungsbescheinigungen für das Einfuhrverfahren in Bezug auf eine etwaige Nichterhebung von Antidumpingzöllen nicht bindend, und zum anderen beruhen sie, wie sich ebenfalls aus den obigen Ausführungen unter 2.1.3 ergibt, auf unrichtigen Angaben der Ausführer der streitgegenständlichen Waren, so dass auch von daher ein Vertrauensschutz ausgeschlossen ist, vgl. Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) Unterabs. 3 ZK.

2.3.

46

Auch die Festsetzungsfrist des Art. 221 Abs. 3 ZK, nach der die Erhebung nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht mehr erfolgen darf, ist jeweils gewahrt.

2.4.

47

Hinsichtlich der Höhe der berechneten nachzuerhebenden Antidumpingzölle ist bei der im Einfuhrabgabenbescheid vom 14.07.2010 unter Position 3 unter Bezugnahme auf die Position 1 des Einfuhrabgabenbescheides vom 23.07.2007 (AT/C/40/...) ausgewiesenen Warenpartie von 8.103 Paar Schuhen im Hinblick auf 7.603 Paar Schuhe, die nach den zur Fallnummer DE...-2, Teillieferung ZB2-Nummer ..., ermittelten Daten vietnamesischen und nicht chinesischen Ursprungs sind, ein Antidumpingzollsatz von nur 10 % statt 16,5 % zugrunde zu legen. Wegen der Einzelheiten der zutreffenden Berechnung des sich daraus ergebenden Erstattungsbetrages von 3.354,13 EUR wird auf die Ausführungen des Beklagten in dem mit Schriftsatz vom 23.06.2017 vorgelegten Bescheidentwurf verwiesen. Im Übrigen drängen sich dem Senat zur Höhe der berechneten nachzuerhebenden Antidumpingzölle keine Bedenken auf, auch die Klägerin macht solche nicht geltend.

II.

48

Über das zunächst hilfsweise verfolgte Verpflichtungsbegehren, die mit Einfuhrabgabenbescheiden vom 14.07.2010 und vom 23.07.2010 festgesetzten Einfuhrabgaben zu erlassen bzw. zu erstatten, war nicht mehr zu entscheiden, da der Hilfsantrag ausweislich des Schriftsatzes des Prozessbevollmächtigen der Klägerin vom 22.06.2017 vollumfänglich zurückgenommen worden ist, § 72 Abs. 1 Satz 1 FGO.

III.

49

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 136 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 FGO. Soweit die Klägerin ihren Sachantrag ermäßigt hat, ist dies - da die angefochtenen Einfuhrabgabenbescheide in Bezug auf den nacherhobenen Drittlandszoll und die entsprechend ausgewiesenen Nacherhebungsbeträge jeweils teilbare Streitgegenstände darstellen - als teilweise Klagrücknahme zu werten und kostenmäßig entsprechend zu berücksichtigen, so dass nach einem anteiligen Streitwert von 13.434,87 EUR (76.769,55 EUR abzüglich 63.334,87 EUR) die Klägerin die Kosten zu tragen hat (vgl. zur nachträglichen Beschränkung des Klageantrags bei Anfechtung eines Steuerbescheids und den kostenrechtlichen Folgen auch BFH, Urteil vom 16.07.1969, I R 81/66; Beschluss vom 12.10.1967, V B 33/67, jeweils in: juris). Soweit über die Klage entschieden worden ist, beläuft sich der für die Kosten erhebliche Streitwert auf 63.334,87 EUR, diesbezüglich obsiegt die Klägerin mit einem Betrag von 3.354,13 EUR und unterliegt die Klägerin mit einem Betrag von 59.980,74 EUR. Unter Berücksichtigung des Betrags, der auf den zurückgenommenen Teil der Klage entfällt, mithin 13.434,87 EUR, und des Betrags, mit dem die Klägerin im streitig entschiedenen Teil der Klage unterlegen ist, mithin 59.980,74 EUR, insgesamt 73.415,42 EUR, ergäbe sich für die Klägerin eine Kostenquote von 95,6 % und für den Beklagten eine Kostenquote von 4,4 %. Da der Beklagte damit nur zu einem geringen Teil unterlegen ist, sieht der Senat mit Blick auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO von einer gemäß § 136 Abs. 1 Satz 2 FGO grundsätzlich gebotenen Kostenquote zu Lasten des Beklagten ab.

50

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Finanzgericht Hamburg Urteil, 23. Juni 2017 - 4 K 74/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht Hamburg Urteil, 23. Juni 2017 - 4 K 74/16

Referenzen - Gesetze

Finanzgericht Hamburg Urteil, 23. Juni 2017 - 4 K 74/16 zitiert 12 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 100


(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an di

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 96


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 155


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz

Zivilprozessordnung - ZPO | § 264 Keine Klageänderung


Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes1.die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden;2.der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert od

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 136


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 74


Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde fes

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 44


(1) In den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, ist die Klage vorbehaltlich der §§ 45 und 46 nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist. (2) Ge

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 46


(1) Ist über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 44 ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig. Die Klag

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 72


(1) Der Kläger kann seine Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, bei Verzicht auf die mündliche Verhandlung und nach Ergehen eines Gerichtsbescheides ist die Rücknahme nur mit Einwilligung des Bek

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Finanzgericht Hamburg Urteil, 23. Juni 2017 - 4 K 74/16 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Finanzgericht Hamburg Urteil, 23. Juni 2017 - 4 K 74/16 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Finanzgericht Hamburg Urteil, 17. Mai 2017 - 4 K 147/15

bei uns veröffentlicht am 17.05.2017

Tatbestand 1 Die Klägerin wendet sich gegen die Nacherhebung von Drittlandszoll und Antidumpingzoll. 2 Die Klägerin meldete in der Zeit vom 30.07.2012 bis 05.10.2012 mit insgesamt sechs Zollanmeldungen Aluminiumheizkörper, die sie von dem in

Finanzgericht Hamburg Urteil, 11. Sept. 2015 - 4 K 84/14

bei uns veröffentlicht am 11.09.2015

Tatbestand 1 Die Klägerin wendet sich gegen die Nacherhebung von Antidumpingzoll. 2 Die Klägerin überführte mit zwei Zollanmeldungen vom 24.01.2011 Silizium der Codenummer 2804 6900 900 in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr mit steu

Finanzgericht Düsseldorf Urteil, 11. Juni 2014 - 4 K 1226/13 Z

bei uns veröffentlicht am 11.06.2014

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. 1Tatbestand: 2Die Klägerin ließ in dem Zeitraum vom 21. Februar 2009 bis zum 25. November 2010 Verbindungselemente beim Hauptzollamt

Finanzgericht Hamburg Urteil, 18. Feb. 2014 - 4 K 6/13

bei uns veröffentlicht am 18.02.2014

Tatbestand 1 Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Antidumpingzoll für die Einfuhr von Schuhen. 2 Im Zeitraum vom 06.01.1998 bis zum 19.02.2003 überführte die Klägerin aus Asien importierte Schuhe aus Textil bzw. Kunststoff der.

Bundesfinanzhof Beschluss, 27. Juni 2012 - XI B 8/12

bei uns veröffentlicht am 27.06.2012

Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, gab für das Jahr 2005 (Streitjahr) keine Umsatzsteuererklärung ab. Sie war und ist der Ansicht
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Finanzgericht Hamburg Urteil, 23. Juni 2017 - 4 K 74/16.

Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 04. Juni 2018 - 1 BvR 1928/16

bei uns veröffentlicht am 04.06.2018

Tenor Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Gründe I.

Referenzen

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.

Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden;
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird;
3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.

(1) Ist über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 44 ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Das Gericht kann das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aussetzen; wird dem außergerichtlichen Rechtsbehelf innerhalb dieser Frist stattgegeben oder der beantragte Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist der Rechtsstreit in der Hauptsache als erledigt anzusehen.

(2) Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt für die Fälle sinngemäß, in denen geltend gemacht wird, dass eine der in § 348 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung genannten Stellen über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat.

(1) In den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, ist die Klage vorbehaltlich der §§ 45 und 46 nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist.

(2) Gegenstand der Anfechtungsklage nach einem Vorverfahren ist der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat.

(1) Ist über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 44 ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Das Gericht kann das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aussetzen; wird dem außergerichtlichen Rechtsbehelf innerhalb dieser Frist stattgegeben oder der beantragte Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist der Rechtsstreit in der Hauptsache als erledigt anzusehen.

(2) Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt für die Fälle sinngemäß, in denen geltend gemacht wird, dass eine der in § 348 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung genannten Stellen über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, gab für das Jahr 2005 (Streitjahr) keine Umsatzsteuererklärung ab. Sie war und ist der Ansicht, dass sie Organgesellschaft des Einzelunternehmens ihres Geschäftsführers sei.

2

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) schätzte die Besteuerungsgrundlagen und erließ am 20. Dezember 2007 den Umsatzsteuerbescheid für 2005 gegen die Klägerin. Hiergegen legte sie am 21. Januar 2008 Einspruch ein.

3

Das FA gewährte antragsgemäß die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des angefochtenen Bescheids.

4

Mit Schreiben vom 10. Juni 2011 teilte das FA der Klägerin auf deren Anfrage hin mit, dass das für die Besteuerung des Geschäftsführers zuständige FA X für die Jahre ab 2005 noch keine Entscheidung über das Bestehen einer Organschaft getroffen habe und hierzu hinsichtlich der Jahre 2002 bis 2004 beim Finanzgericht (FG) unter dem Aktenzeichen … ein finanzgerichtliches Verfahren anhängig sei.

5

Mit der am 16. Juni 2011 erhobenen, auf Aufhebung des streitigen Umsatzsteuerbescheids gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, es sei ihr nicht zumutbar, länger auf eine Entscheidung des FA zu warten. Die Erhebung einer Untätigkeitsklage sei geboten. Es gebe keinen sachlichen Grund, über den Einspruch vom 21. Januar 2008 nicht zu entscheiden.

6

Das FG wies die Klage als unzulässig ab. Die Zulässigkeit der Klage ergebe sich nicht aus § 46 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Das FA habe der Klägerin vor Klageerhebung mitgeteilt, dass es vor einer Entscheidung über den Einspruch den Ausgang des beim FG anhängigen Verfahrens … abwarten wolle. Dies sei sachgerecht, weil das FG in diesem Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Organschaft der Klägerin zum Einzelunternehmen ihres Geschäftsführers zu befinden haben werde.

7

Das Vorliegen eines sachlichen Grundes lasse sich auch nicht deshalb verneinen, weil das vorgenannte Verfahren lediglich die Jahre 2002 bis 2004 betreffe. Es sei nicht ersichtlich, dass sich die Voraussetzungen für das Bestehen einer möglichen Organschaft im Streitjahr 2005 grundlegend geändert hätten. Angesichts dessen sei das Verfahren nicht nach § 46 Abs. 1 Satz 3 FGO auszusetzen.

8

Das FA habe die AdV gewährt, so dass sich die Klägerin derzeit keiner beizutreibenden Steuerforderungen gegenüber sehe.

9

Das FG ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Nichtzulassungsbeschwerde.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie war daher zurückzuweisen.

11

Die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe sind entweder nicht gegeben oder nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargelegt.

12

1. Die von der Klägerin sinngemäß erhobene Rüge, das FG habe die Klage zu Unrecht durch ein Prozessurteil als unzulässig abgewiesen, kann zwar einen Verfahrensmangel nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO begründen (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. April 2011 III B 124/10, BFH/NV 2011, 1110; vom 20. April 2012 III B 36/11, nicht veröffentlicht --n.v.--, juris, jeweils m.w.N.). Ein solcher Verstoß liegt im Streitfall aber nicht vor.

13

Das FG hat die Klage zu Recht als unzulässig verworfen, weil im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht über den außergerichtlichen Rechtsbehelf entschieden war (§ 44 Abs. 1 FGO) und die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 FGO nicht vorlagen.

14

a) Ohne vorherigen Abschluss eines Vorverfahrens ist eine Klage nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO abweichend von § 44 FGO zulässig, wenn über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist.

15

aa) Aus § 46 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 FGO folgt, dass eine Frist von bis zu sechs Monaten nach Einlegung des Einspruchs regelmäßig als angemessen anzusehen ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 27. April 2006 IV R 18/04, BFH/NV 2006, 2017; vom 7. Oktober 2010 V R 43/08, BFH/NV 2011, 989, jeweils m.w.N.). Das Tatbestandsmerkmal "in angemessener Frist" ist aber auch nach Ablauf von sechs Monaten zu prüfen. Dabei ist nach den gesamten Umständen des Falles zu beurteilen, ob eine darüber hinausreichende Frist noch "angemessen" ist. Abzuwägen sind auf der einen Seite der Umfang und die rechtlichen Schwierigkeiten des Falles und auf der anderen Seite das Interesse des Rechtsbehelfsführers an einer baldigen Entscheidung (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2006, 2017; in BFH/NV 2011, 989, jeweils m.w.N.). Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO muss ein Steuerpflichtiger eine Verzögerung der Entscheidung über seinen außergerichtlichen Rechtsbehelf über eine angemessene Frist hinaus nur dann hinnehmen, wenn dafür ein zureichender Grund besteht und dieser ihm mitgeteilt worden ist (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 989).

16

bb) Ein zureichender Grund liegt vor, wenn es nach den besonderen Umständen des Einzelfalles einleuchtend erscheint, dass das Rechtsbehelfsverfahren noch nicht abgeschlossen wurde (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 989, m.w.N.). Als zureichender Grund i.S. des § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO kommt auch das Abwarten einer noch ausstehenden Entscheidung in einem finanzgerichtlichen Verfahren in Betracht, wenn dort dieselbe Streitfrage entscheidungserheblich ist, wie in demjenigen Verfahren, in dem die Entscheidung über den Einspruch zurückgestellt werden soll (zum "Musterverfahren" vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 989, m.w.N.).

17

b) Vorliegend hat das FG das Abwarten der noch ausstehenden Entscheidung im Verfahren … zu Recht als zureichenden Grund dafür angesehen, dass das FA die Entscheidung über den Einspruch der Klägerin zurückgestellt hat. Denn in beiden Verfahren ist die Streitfrage erheblich, ob die Voraussetzungen für eine Organschaft der Klägerin zum Einzelunternehmen ihres Geschäftsführers vorliegen. Dieser zureichende Grund lässt sich --wovon das FG zutreffend ausging-- nicht deshalb verneinen, weil das Verfahren … nicht das Streitjahr, sondern die Jahre 2002 bis 2004 betrifft. Denn es war weder ersichtlich noch substantiiert vorgebracht, dass sich die Voraussetzungen für das Bestehen einer möglichen Organschaft geändert hätten. Die Klägerin hatte hierzu in ihrer Klageschrift lediglich pauschal behauptet, der die Jahre 2002 bis 2004 betreffende Rechtsstreit besage "nichts" für das Organschaftsverhältnis der Folgejahre; die Frage der Organschaft müsse "für jedes Jahr geprüft und entschieden werden".

18

c) Dieser zureichende Grund wurde der Klägerin mit Schreiben des FA vom 10. Juni 2011 --mithin vor Klageerhebung-- auch mitgeteilt.

19

2. Der ferner von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO der Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor.

20

a) Die Klägerin rügt, das FG habe ihr prozessuales Grundrecht auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es ihr tatsächliches Vorbringen übergangen habe. Es habe nicht zur Kenntnis genommen, dass --wie sie, die Klägerin, vorgebracht habe-- das FA X "wissentlich" und "wohlüberlegt" entschieden hätte, ihre Umsätze und Vorsteuerbeträge bei der Umsatzbesteuerung ihres Geschäftsführers als Organträger zu berücksichtigen, und die Unzumutbarkeit des Zuwartens in den gegebenenfalls auf unabsehbare Zeit anfallenden Aussetzungszinsen zu sehen sei.

21

b) Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes i.V.m. § 96 Abs. 2 FGO) umfasst vor allem das Recht der Verfahrensbeteiligten, sich vor Erlass einer Entscheidung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern. Sie haben einen Anspruch darauf, dem Gericht auch in rechtlicher Hinsicht alles vortragen zu können, was sie für wesentlich halten. Diesen Ansprüchen entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Weiterhin hat das Gericht seine Entscheidung zu begründen, wobei aus seiner Begründung erkennbar sein muss, dass eine Auseinandersetzung mit dem wesentlichen Vorbringen der Verfahrensbeteiligten stattgefunden hat (vgl. z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15. April 1980  2 BvR 827/79, BVerfGE 54, 86, m.w.N.). Diese richterliche Pflicht geht jedoch nicht so weit, dass sich das Gericht mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich befassen müsste, da davon auszugehen ist, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen hat (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 119 Rz 10a, m.w.N.). Es darf das Vorbringen außer Acht lassen, das nach seiner Auffassung unerheblich oder unsubstantiiert ist. Das rechtliche Gehör ist erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalles deutlich ergibt, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 27. Juli 2007 III S 8/07, BFH/NV 2007, 2135; vom 15. Dezember 2010 XI B 46/10, BFH/NV 2011, 448; vom 20. Februar 2012 III B 107/11, BFH/NV 2012, 987; vom 27. April 2012 III B 238/11, n.v., juris, jeweils m.w.N.).

22

c) Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat das FG den Vortrag der Klägerin ersichtlich zur Kenntnis genommen.

23

aa) Die Vorentscheidung führt zu dem im Tatbestand (FG-Urteil, Seite 2) dargelegten Vorbringen der Klägerin, dass das FA X die Umsätze und Vorsteuerbeträge der Klägerin im Rahmen der Umsatzsteuerfestsetzung gegen ihren Geschäftsführer berücksichtigt habe und dass das FA X für das Streitjahr 2005 eine Organschaft faktisch anerkannt habe, in den Entscheidungsgründen (FG-Urteil, Seite 3) aus, dass dies allein nicht zum Vorliegen einer Organschaft führe.

24

bb) Das FG hat ferner zur Kenntnis genommen, dass das FA antragsgemäß die AdV des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids gewährt hat (FG-Urteil, Seite 2). Es hielt die erhobene Untätigkeitsklage auch nicht unter dem Gesichtspunkt für zulässig, dass der Klägerin durch die Nichtentscheidung unzumutbare Nachteile erwüchsen, da die AdV gewährt worden sei (FG-Urteil, Seite 3).

25

3. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen.

26

a) Eine ordnungsgemäße Darlegung dieses Zulassungsgrundes setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellt, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Hierzu ist schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darzulegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im Streitfall klärungsfähig ist. Dazu muss auch dargelegt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 10. Februar 2010 III B 112/09, BFH/NV 2010, 881, m.w.N.; vom 24. Juni 2010 XI B 105/09, BFH/NV 2010, 2086, m.w.N.; vom 8. Oktober 2010 II B 111/10, BFH/NV 2011, 73, m.w.N.).

27

b) Diesem Erfordernis genügt die Beschwerdeschrift nicht. Die Klägerin hält zwar hinsichtlich der Behandlung von umsatzsteuerrechtlichen Organschaftsverhältnissen (§ 2 des Umsatzsteuergesetzes) eine Reihe von Fragen für grundsätzlich bedeutsam. Sie legt jedoch schon nicht dar, dass die Klärung der Fragen im Interesse der Allgemeinheit liegt. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache genügt insbesondere nicht der Hinweis darauf, dass die Revisionsentscheidung für eine größere Zahl von Fällen von Bedeutung sei (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 22. Februar 1994 V B 85/93, BFH/NV 1995, 603; vom 25. September 2003 XI B 11/01, BFH/NV 2004, 77; vom 27. Juni 2007 X B 73/06, BFH/NV 2007, 1653, jeweils m.w.N.).

28

Im Übrigen ist die Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung nicht im allgemeinen Interesse, wenn die Entscheidung --wie im Streitfall-- maßgeblich von den tatsächlichen Besonderheiten des Einzelfalls abhängt (vgl. z.B. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz 23).

29

c) Die ferner zur Zulässigkeit von Untätigkeitsklagen (§ 46 FGO) aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig.

30

An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn die Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen oder der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH geboten erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 14. Februar 2011 XI B 32/10, BFH/NV 2011, 746, m.w.N.).

31

Es ist bereits geklärt, dass als zureichender Grund i.S. des § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO auch das Abwarten einer noch ausstehenden Entscheidung in einem finanzgerichtlichen Verfahren in Betracht kommt, wenn --wovon im Streitfall auszugehen ist-- dort dieselbe Streitfrage entscheidungserheblich ist, wie in demjenigen Verfahren, in dem die Entscheidung über den Einspruch zurückgestellt werden soll (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 989, m.w.N.).

32

Neue Gesichtspunkte, die eine erneute Prüfung dieser Rechtsprechung erfordern würden, sind weder dargetan noch ersichtlich.

33

4. Die Klägerin hat schließlich nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt, dass die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zuzulassen ist.

34

a) Zur Darlegung einer Divergenz gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist erforderlich, dass sich aus der Beschwerdebegründung ergibt, in welcher konkreten Rechtsfrage das FG in der angefochtenen Entscheidung nach Ansicht des Beschwerdeführers von der Rechtsprechung anderer Gerichte abgewichen ist. Er hat rechtserhebliche abstrakte Rechtssätze im angefochtenen Urteil und in den von ihm angeführten Entscheidungen so genau zu bezeichnen, dass die Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 4. Dezember 2000 V B 15/00, BFH/NV 2001, 819; vom 15. Oktober 2008 XI B 247/07, n.v., juris; vom 18. November 2010 XI B 56/10, BFH/NV 2011, 199, jeweils m.w.N.).

35

b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Die Klägerin bezieht sich zwar auf BFH-Urteile, ohne jedoch abweichende Rechtssätze oder vergleichbare Sachverhalte derart darzutun, dass die Nichtübereinstimmung verschiedener Gerichte im Grundsätzlichen erkennbar wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 3. November 2011 V B 53/11, BFH/NV 2012, 281, m.w.N.).

36

5. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).

(1) Ist über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 44 ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Das Gericht kann das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aussetzen; wird dem außergerichtlichen Rechtsbehelf innerhalb dieser Frist stattgegeben oder der beantragte Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist der Rechtsstreit in der Hauptsache als erledigt anzusehen.

(2) Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt für die Fälle sinngemäß, in denen geltend gemacht wird, dass eine der in § 348 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung genannten Stellen über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, gab für das Jahr 2005 (Streitjahr) keine Umsatzsteuererklärung ab. Sie war und ist der Ansicht, dass sie Organgesellschaft des Einzelunternehmens ihres Geschäftsführers sei.

2

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) schätzte die Besteuerungsgrundlagen und erließ am 20. Dezember 2007 den Umsatzsteuerbescheid für 2005 gegen die Klägerin. Hiergegen legte sie am 21. Januar 2008 Einspruch ein.

3

Das FA gewährte antragsgemäß die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des angefochtenen Bescheids.

4

Mit Schreiben vom 10. Juni 2011 teilte das FA der Klägerin auf deren Anfrage hin mit, dass das für die Besteuerung des Geschäftsführers zuständige FA X für die Jahre ab 2005 noch keine Entscheidung über das Bestehen einer Organschaft getroffen habe und hierzu hinsichtlich der Jahre 2002 bis 2004 beim Finanzgericht (FG) unter dem Aktenzeichen … ein finanzgerichtliches Verfahren anhängig sei.

5

Mit der am 16. Juni 2011 erhobenen, auf Aufhebung des streitigen Umsatzsteuerbescheids gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, es sei ihr nicht zumutbar, länger auf eine Entscheidung des FA zu warten. Die Erhebung einer Untätigkeitsklage sei geboten. Es gebe keinen sachlichen Grund, über den Einspruch vom 21. Januar 2008 nicht zu entscheiden.

6

Das FG wies die Klage als unzulässig ab. Die Zulässigkeit der Klage ergebe sich nicht aus § 46 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Das FA habe der Klägerin vor Klageerhebung mitgeteilt, dass es vor einer Entscheidung über den Einspruch den Ausgang des beim FG anhängigen Verfahrens … abwarten wolle. Dies sei sachgerecht, weil das FG in diesem Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Organschaft der Klägerin zum Einzelunternehmen ihres Geschäftsführers zu befinden haben werde.

7

Das Vorliegen eines sachlichen Grundes lasse sich auch nicht deshalb verneinen, weil das vorgenannte Verfahren lediglich die Jahre 2002 bis 2004 betreffe. Es sei nicht ersichtlich, dass sich die Voraussetzungen für das Bestehen einer möglichen Organschaft im Streitjahr 2005 grundlegend geändert hätten. Angesichts dessen sei das Verfahren nicht nach § 46 Abs. 1 Satz 3 FGO auszusetzen.

8

Das FA habe die AdV gewährt, so dass sich die Klägerin derzeit keiner beizutreibenden Steuerforderungen gegenüber sehe.

9

Das FG ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Nichtzulassungsbeschwerde.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie war daher zurückzuweisen.

11

Die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe sind entweder nicht gegeben oder nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargelegt.

12

1. Die von der Klägerin sinngemäß erhobene Rüge, das FG habe die Klage zu Unrecht durch ein Prozessurteil als unzulässig abgewiesen, kann zwar einen Verfahrensmangel nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO begründen (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. April 2011 III B 124/10, BFH/NV 2011, 1110; vom 20. April 2012 III B 36/11, nicht veröffentlicht --n.v.--, juris, jeweils m.w.N.). Ein solcher Verstoß liegt im Streitfall aber nicht vor.

13

Das FG hat die Klage zu Recht als unzulässig verworfen, weil im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht über den außergerichtlichen Rechtsbehelf entschieden war (§ 44 Abs. 1 FGO) und die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 FGO nicht vorlagen.

14

a) Ohne vorherigen Abschluss eines Vorverfahrens ist eine Klage nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO abweichend von § 44 FGO zulässig, wenn über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist.

15

aa) Aus § 46 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 FGO folgt, dass eine Frist von bis zu sechs Monaten nach Einlegung des Einspruchs regelmäßig als angemessen anzusehen ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 27. April 2006 IV R 18/04, BFH/NV 2006, 2017; vom 7. Oktober 2010 V R 43/08, BFH/NV 2011, 989, jeweils m.w.N.). Das Tatbestandsmerkmal "in angemessener Frist" ist aber auch nach Ablauf von sechs Monaten zu prüfen. Dabei ist nach den gesamten Umständen des Falles zu beurteilen, ob eine darüber hinausreichende Frist noch "angemessen" ist. Abzuwägen sind auf der einen Seite der Umfang und die rechtlichen Schwierigkeiten des Falles und auf der anderen Seite das Interesse des Rechtsbehelfsführers an einer baldigen Entscheidung (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2006, 2017; in BFH/NV 2011, 989, jeweils m.w.N.). Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO muss ein Steuerpflichtiger eine Verzögerung der Entscheidung über seinen außergerichtlichen Rechtsbehelf über eine angemessene Frist hinaus nur dann hinnehmen, wenn dafür ein zureichender Grund besteht und dieser ihm mitgeteilt worden ist (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 989).

16

bb) Ein zureichender Grund liegt vor, wenn es nach den besonderen Umständen des Einzelfalles einleuchtend erscheint, dass das Rechtsbehelfsverfahren noch nicht abgeschlossen wurde (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 989, m.w.N.). Als zureichender Grund i.S. des § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO kommt auch das Abwarten einer noch ausstehenden Entscheidung in einem finanzgerichtlichen Verfahren in Betracht, wenn dort dieselbe Streitfrage entscheidungserheblich ist, wie in demjenigen Verfahren, in dem die Entscheidung über den Einspruch zurückgestellt werden soll (zum "Musterverfahren" vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 989, m.w.N.).

17

b) Vorliegend hat das FG das Abwarten der noch ausstehenden Entscheidung im Verfahren … zu Recht als zureichenden Grund dafür angesehen, dass das FA die Entscheidung über den Einspruch der Klägerin zurückgestellt hat. Denn in beiden Verfahren ist die Streitfrage erheblich, ob die Voraussetzungen für eine Organschaft der Klägerin zum Einzelunternehmen ihres Geschäftsführers vorliegen. Dieser zureichende Grund lässt sich --wovon das FG zutreffend ausging-- nicht deshalb verneinen, weil das Verfahren … nicht das Streitjahr, sondern die Jahre 2002 bis 2004 betrifft. Denn es war weder ersichtlich noch substantiiert vorgebracht, dass sich die Voraussetzungen für das Bestehen einer möglichen Organschaft geändert hätten. Die Klägerin hatte hierzu in ihrer Klageschrift lediglich pauschal behauptet, der die Jahre 2002 bis 2004 betreffende Rechtsstreit besage "nichts" für das Organschaftsverhältnis der Folgejahre; die Frage der Organschaft müsse "für jedes Jahr geprüft und entschieden werden".

18

c) Dieser zureichende Grund wurde der Klägerin mit Schreiben des FA vom 10. Juni 2011 --mithin vor Klageerhebung-- auch mitgeteilt.

19

2. Der ferner von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO der Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor.

20

a) Die Klägerin rügt, das FG habe ihr prozessuales Grundrecht auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es ihr tatsächliches Vorbringen übergangen habe. Es habe nicht zur Kenntnis genommen, dass --wie sie, die Klägerin, vorgebracht habe-- das FA X "wissentlich" und "wohlüberlegt" entschieden hätte, ihre Umsätze und Vorsteuerbeträge bei der Umsatzbesteuerung ihres Geschäftsführers als Organträger zu berücksichtigen, und die Unzumutbarkeit des Zuwartens in den gegebenenfalls auf unabsehbare Zeit anfallenden Aussetzungszinsen zu sehen sei.

21

b) Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes i.V.m. § 96 Abs. 2 FGO) umfasst vor allem das Recht der Verfahrensbeteiligten, sich vor Erlass einer Entscheidung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern. Sie haben einen Anspruch darauf, dem Gericht auch in rechtlicher Hinsicht alles vortragen zu können, was sie für wesentlich halten. Diesen Ansprüchen entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Weiterhin hat das Gericht seine Entscheidung zu begründen, wobei aus seiner Begründung erkennbar sein muss, dass eine Auseinandersetzung mit dem wesentlichen Vorbringen der Verfahrensbeteiligten stattgefunden hat (vgl. z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15. April 1980  2 BvR 827/79, BVerfGE 54, 86, m.w.N.). Diese richterliche Pflicht geht jedoch nicht so weit, dass sich das Gericht mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich befassen müsste, da davon auszugehen ist, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen hat (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 119 Rz 10a, m.w.N.). Es darf das Vorbringen außer Acht lassen, das nach seiner Auffassung unerheblich oder unsubstantiiert ist. Das rechtliche Gehör ist erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalles deutlich ergibt, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 27. Juli 2007 III S 8/07, BFH/NV 2007, 2135; vom 15. Dezember 2010 XI B 46/10, BFH/NV 2011, 448; vom 20. Februar 2012 III B 107/11, BFH/NV 2012, 987; vom 27. April 2012 III B 238/11, n.v., juris, jeweils m.w.N.).

22

c) Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat das FG den Vortrag der Klägerin ersichtlich zur Kenntnis genommen.

23

aa) Die Vorentscheidung führt zu dem im Tatbestand (FG-Urteil, Seite 2) dargelegten Vorbringen der Klägerin, dass das FA X die Umsätze und Vorsteuerbeträge der Klägerin im Rahmen der Umsatzsteuerfestsetzung gegen ihren Geschäftsführer berücksichtigt habe und dass das FA X für das Streitjahr 2005 eine Organschaft faktisch anerkannt habe, in den Entscheidungsgründen (FG-Urteil, Seite 3) aus, dass dies allein nicht zum Vorliegen einer Organschaft führe.

24

bb) Das FG hat ferner zur Kenntnis genommen, dass das FA antragsgemäß die AdV des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids gewährt hat (FG-Urteil, Seite 2). Es hielt die erhobene Untätigkeitsklage auch nicht unter dem Gesichtspunkt für zulässig, dass der Klägerin durch die Nichtentscheidung unzumutbare Nachteile erwüchsen, da die AdV gewährt worden sei (FG-Urteil, Seite 3).

25

3. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen.

26

a) Eine ordnungsgemäße Darlegung dieses Zulassungsgrundes setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellt, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Hierzu ist schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darzulegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im Streitfall klärungsfähig ist. Dazu muss auch dargelegt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 10. Februar 2010 III B 112/09, BFH/NV 2010, 881, m.w.N.; vom 24. Juni 2010 XI B 105/09, BFH/NV 2010, 2086, m.w.N.; vom 8. Oktober 2010 II B 111/10, BFH/NV 2011, 73, m.w.N.).

27

b) Diesem Erfordernis genügt die Beschwerdeschrift nicht. Die Klägerin hält zwar hinsichtlich der Behandlung von umsatzsteuerrechtlichen Organschaftsverhältnissen (§ 2 des Umsatzsteuergesetzes) eine Reihe von Fragen für grundsätzlich bedeutsam. Sie legt jedoch schon nicht dar, dass die Klärung der Fragen im Interesse der Allgemeinheit liegt. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache genügt insbesondere nicht der Hinweis darauf, dass die Revisionsentscheidung für eine größere Zahl von Fällen von Bedeutung sei (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 22. Februar 1994 V B 85/93, BFH/NV 1995, 603; vom 25. September 2003 XI B 11/01, BFH/NV 2004, 77; vom 27. Juni 2007 X B 73/06, BFH/NV 2007, 1653, jeweils m.w.N.).

28

Im Übrigen ist die Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung nicht im allgemeinen Interesse, wenn die Entscheidung --wie im Streitfall-- maßgeblich von den tatsächlichen Besonderheiten des Einzelfalls abhängt (vgl. z.B. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz 23).

29

c) Die ferner zur Zulässigkeit von Untätigkeitsklagen (§ 46 FGO) aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig.

30

An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn die Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen oder der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH geboten erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 14. Februar 2011 XI B 32/10, BFH/NV 2011, 746, m.w.N.).

31

Es ist bereits geklärt, dass als zureichender Grund i.S. des § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO auch das Abwarten einer noch ausstehenden Entscheidung in einem finanzgerichtlichen Verfahren in Betracht kommt, wenn --wovon im Streitfall auszugehen ist-- dort dieselbe Streitfrage entscheidungserheblich ist, wie in demjenigen Verfahren, in dem die Entscheidung über den Einspruch zurückgestellt werden soll (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 989, m.w.N.).

32

Neue Gesichtspunkte, die eine erneute Prüfung dieser Rechtsprechung erfordern würden, sind weder dargetan noch ersichtlich.

33

4. Die Klägerin hat schließlich nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt, dass die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zuzulassen ist.

34

a) Zur Darlegung einer Divergenz gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist erforderlich, dass sich aus der Beschwerdebegründung ergibt, in welcher konkreten Rechtsfrage das FG in der angefochtenen Entscheidung nach Ansicht des Beschwerdeführers von der Rechtsprechung anderer Gerichte abgewichen ist. Er hat rechtserhebliche abstrakte Rechtssätze im angefochtenen Urteil und in den von ihm angeführten Entscheidungen so genau zu bezeichnen, dass die Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 4. Dezember 2000 V B 15/00, BFH/NV 2001, 819; vom 15. Oktober 2008 XI B 247/07, n.v., juris; vom 18. November 2010 XI B 56/10, BFH/NV 2011, 199, jeweils m.w.N.).

35

b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Die Klägerin bezieht sich zwar auf BFH-Urteile, ohne jedoch abweichende Rechtssätze oder vergleichbare Sachverhalte derart darzutun, dass die Nichtübereinstimmung verschiedener Gerichte im Grundsätzlichen erkennbar wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 3. November 2011 V B 53/11, BFH/NV 2012, 281, m.w.N.).

36

5. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).

(1) Ist über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 44 ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Das Gericht kann das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aussetzen; wird dem außergerichtlichen Rechtsbehelf innerhalb dieser Frist stattgegeben oder der beantragte Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist der Rechtsstreit in der Hauptsache als erledigt anzusehen.

(2) Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt für die Fälle sinngemäß, in denen geltend gemacht wird, dass eine der in § 348 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung genannten Stellen über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Nacherhebung von Antidumpingzoll.

2

Die Klägerin überführte mit zwei Zollanmeldungen vom 24.01.2011 Silizium der Codenummer 2804 6900 900 in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr mit steuerbefreiender Lieferung. Verkäufer und Versender war das taiwanesische Unternehmen A Co. Ltd. Die Klägerin meldete die Ware als solche taiwanesischen Ursprungs an und fügte den taiwanesischen Ursprung bestätigende Ursprungszeugnisse der taiwanesischen Handelskammer bei (Sach-akte I Bl. 9 und 16). In der Handelsrechnung und den Ursprungszeugnissen ist die Rede von "Silicon Metal 3303".

3

Die Ware wurde antragsgemäß abgefertigt. Wegen des angemeldeten taiwanesischen Ursprungs erhob der Beklagte den für Silizium der Codenummer 2804 6900 900 gemäß VO Nr. 398/2004 i. V. m. VO Nr. 467/2010 geltenden Antidumpingzoll i. H. v. 19 % nicht.

4

Mit Schreiben vom 25.08.2011 informierte das Zollfahndungsamt B den Beklagten darüber, dass es sich bei 110 von insgesamt 135 bekannten Lieferungen der Firma A Co. Ltd. an Unternehmen im Zollgebiet tatsächlich nicht um taiwanesisches Silizium gehandelt habe, da die vorgenommenen Be- und Verarbeitungen (Separieren, Verkleinern und Reinigen) keinen taiwanesischen Ursprung begründeten. Das Zollfahndungsamt bezog sich auf Ermittlungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF). Ein erster Bericht datiert vom 09.08.2011 (Sachakte I Bl. 38), die streitgegenständlichen Sendungen tragen ausweislich der von OLAF erstellten sog. Masterlisten die Bezeichnungen DE037 und DE036 (Sachakte I Bl. 51).

5

Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 27.09.2011 erhob der Beklagte Antidumpingzoll i. H. v. 18.645,30 € nach, wobei er davon ausging, das Silizium habe seinen Ursprung in der Volksrepublik China.

6

Mit Schreiben vom 21.10.2011 legte die Klägerin Einspruch ein. Sie berief sich auf die Ursprungszeugnisse und betonte, in Taiwan habe eine ursprungsbegründende Verarbeitung stattgefunden. Das Silizium sei in einem bestimmten Verfahren gereinigt, unerwünschte Stoffe (Alu, Eisen, Kalk) seien ausgefiltert worden. Weiter sei es in Teile von 10-100 mm zerkleinert worden. Schließlich seien Staub und Kleinpartikel herausgefiltert worden. Als letzter Bearbeitungsschritt seien die einzelnen Standardgattungen des Siliziums konfektioniert worden. Dadurch seien die physikalisch-chemischen Eigenschaften verändert worden.

7

Die Klägerin übersandte eine E-Mail des taiwanesischen Bureau of Foreign Trade (BOFT) vom 09.02.2012 (Sachakte I Bl. 164), mit der dieses mitteilte, den Herstellungsprozess bei der Firma A Co. Ltd. überprüft und festgestellt zu haben, dass die für die Begründung der Ursprungseigenschaft geltenden Bestimmungen Taiwans erfüllt seien.

8

Mit Bericht vom 07.05.2013 fasste OLAF die Ergebnisse der ergänzenden Missionsreise vom 09.09.2012 bis zum 15.09.2012 nach Taiwan zusammen (Sachakte II Bl. 425 ff., deutsche Übersetzung Bl. 613 ff.). Darin findet sich die Schlussfolgerung, dass das gesamte von den betroffenen Unternehmen - unter anderem die Firma A Co. Ltd. - ausgeführte Silizium seinen Ursprung in der Volksrepublik China behalten habe. Der einzige Zweck der angeblichen Tätigkeit in Taiwan bestehe darin, die Zahlung von Antidumpingzöllen bei der Einfuhr von chinesischem Silizium in die EU zu umgehen.

9

Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 12.06.2014 zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Beklagte aus, spätestens aus dem Missionsreisebericht vom 07.05.2013 ergebe sich, dass die betroffenen Einfuhrsendungen aus der Volksrepublik China kommend nach Taiwan eingeführt und sodann aus Taiwan ausgeführt worden seien. Die entsprechenden Import- und Exportdeklarationen hätten den betroffenen Einfuhrsendungen zugeordnet werden können. Zudem habe in Taiwan keine ursprungsbegründende Bearbeitung stattgefunden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

10

Mit ihrer am 08.04.2014 zunächst als Untätigkeitsklage erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung trägt sie vor, die Waren seien, wie durch das "certificate of origin" nachgewiesen werde, aufgrund der in Taiwan durchgeführten Bearbeitung taiwanesischen Ursprungs. Im Übrigen sei schon nicht bewiesen, woher das Rohmaterial gestammt habe. Weiter beruft sie sich auf ein Nacherhebungsverbot gemäß Art. 220 Abs. 2 lit. b) Zollkodex. Wegen der Einzelheiten der Klagebegründung wird auf die von der Klägerin eingereichten Schriftsätze verwiesen.

11

Die Klägerin beantragt,
den Einfuhrabgabenbescheid vom 27.09.2011 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 12.06.2014 aufzuheben.

12

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

13

Er verweist auf die Einspruchsentscheidung. Er legte aus seiner Sicht dar, dass sich aus den Missionsreiseberichten von OLAF ergebe, dass das Silizium aus der Volksrepublik China stamme, chinesischen Ursprungs sei und in Taiwan keine ursprungsbegründende Be- oder Verarbeitung erfahren habe.

14

Die Beteiligten haben schriftsätzlich ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Sachakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung, § 90 Abs. 2 FGO.

17

Die ursprünglich gemäß § 46 FGO als Untätigkeitsklage erhobene Anfechtungsklage ist jedenfalls nach Erlass der Einspruchsentscheidung zulässig. Sie ist auch begründet.

18

I.
Der Einfuhrabgabenbescheid vom 27.09.2011 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 12.06.2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 FGO.

19

Der Beklagte hat zu Unrecht Antidumpingzoll für die streitigen Einfuhren von Silizium nacherhoben. Eine Nacherhebung setzt nach Art. 220 Abs. 1 Zollkodex voraus, dass der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag nicht nach den Art. 218 und 219 Zollkodex buchmäßig erfasst worden ist. Diese Voraussetzung liegt nicht vor. Die vom Beklagten vorgenommene Nacherhebung von Antidumpingzoll stützt sich auf die Verordnung (EG) Nr. 398/2004 des Rates vom 02.03.2004 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhr von Silizium mit Ursprung in der Volksrepublik China (VO Nr. 398/2004). Nach Art. 1 Abs. 1 VO Nr. 398/2004 wird auf die Einfuhr von Silizium des KN-Codes 2804 69 00 mit Ursprung in der Volksrepublik China ein endgültiger Antidumpingzoll eingeführt, der gemäß Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 398/2004 49 % beträgt.

20

Dass die Voraussetzungen für die Nacherhebung des Antidumpingzolls vorliegen, steht nicht fest. Es kann nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht davon ausgegangen werden, dass das von der Klägerin eingeführte Silizium seinen zollrechtlichen Ursprung in der Volksrepublik China hat. Der insoweit beweisbelastete Beklagte hat den Beweis hierfür nicht erbringen können. Es ist schon nicht bewiesen, dass das Rohmaterial für das Silizium tatsächlich aus der Volksrepublik China stammte. Die Klägerin bestreitet dies.

21

Nach Darstellung des Beklagten wurden die beiden streitbefangenen Partien mit den taiwanesischen Importdeklarationen BEXXX (DE 36) und BDXXX (DE 37) aus der Volksrepublik China kommend nach Taiwan eingeführt und mit der Exportdeklaration BEYYY aus Taiwan ausgeführt. Diese Import- und Exportdeklarationen hätten den betroffenen Einfuhrsendungen zugeordnet und in Verbindung mit den entsprechenden Ursprungszeugnissen, Rechnungen, Packlisten und Bill of Lading gebracht werden können. Im Anhang 1.3 zum Missionsreisebericht vom 17.11.2011 (Sachakte I Bl. 367 ff., Bl. 389) finden sich zwar die entsprechenden Deklarationsnummern, inwieweit sie die streitgegenständlichen Einfuhren betreffen, ist jedoch nicht hinreichend ersichtlich.

22

Zunächst ist festzustellen, dass offenbar jedenfalls mit Blick auf den Einfuhrvorgang DE 37 noch kein endgültiges Ergebnis feststeht. So heißt es in Anhang 2.1 des Missionsreiseberichts vom 17.11.2011 (Sachakte I Bl. 397) und im Bericht selbst unter 2.A. (Sachakte I Bl. 370) in Bezug auf diesen Vorgang: "investigation not yet concluded", die Überprüfung war also noch nicht abgeschlossen. Aus welchen Gründen die Überprüfung noch nicht abgeschlossen war, ist letztlich unerheblich. Selbst wenn dies auf Tarifierungsfragen zurückzuführen sein sollte (Klageerwiderung vom 17.11.2014, Gerichtsakte Bl. 44), würde dies an der durch den Vermerk aufgeworfenen Unklarheit nichts ändern. In jedem Fall dokumentiert der Vermerk, dass der Ursprung des Rohmaterials noch nicht geklärt war. So heißt es auch im Kommissionsbericht vom 17.11.2011 - worauf der Beklagte in der Klageerwiderung ausdrücklich verweist -, "... the actual origin of those consignments cannot yet be established" (Sachakte I Bl. 370). Der Warenursprung ist indes genau das, worum es im Streitfall geht. Der Schlussbericht vom 07.05.2013 enthält in dessen Anhang 8 (Sachakte II Bl. 502) ebenfalls in Bezug auf den Vorgang DE 37 den Vermerk "investigation not yet concluded", kommt dann jedoch - ohne dass dies schlüssig begründet worden wäre - gleichwohl zu dem Ergebnis, dass das von den überprüften Unternehmen ausgeführte Silizium in jedem Fall seinen Ursprung behalten habe (Sachakte II Bl. 636). Dabei wird auf die Anhänge 14 und 15 des Schlussberichts verwiesen (Sachakte II Bl. 598 ff. und Bl. 607 ff.), die offenbar mit Schreiben vom 06.09.2012 durch das taiwanesische Directorate General of Customs, Department of Investigation, (Sachakte I Bl. 599) übersandt wurden. In diesem Anschreiben heißt es jedoch speziell in Bezug auf die Firma A Co. Ltd.: "As I mentioned before, we could not match any connection between their imported and exported consignments". Eine Verknüpfung zwischen den eingeführten und ausgeführten Lieferungen der Firma A Co. Ltd. konnte also jedenfalls seitens der taiwanesischen Behörden gerade nicht hergestellt werden. Dementsprechend hatte das taiwanesische Directorate General of Customs, Department of Investigation, bereits zuvor mit Schreiben vom 10.08.2011 (Sachakte I Bl. 413) generell mitgeteilt: "It´s impossible for us to list their import and export relationship". Dieses Schreiben mag einen anderen Ausführer betreffen, es bleibt aber die offene Frage, inwieweit die Beziehung zwischen Einfuhr und Ausfuhr im Streitfall hergestellt werden konnte, obwohl dies in anderen Fällen nicht möglich war. Eine nachvollziehbare Zuordnung nimmt der Schlussbericht vom 07.05.2013 im Übrigen nicht vor, insbesondere ergibt sich diese nicht aus der Gliederungsnummer 2.3.4.7 des Berichts - auf die der Beklagte ausdrücklich verweist - und den dort in Bezug genommenen Anhängen 14 und 15.

23

Es liegen auch nicht die - möglicherweise näheren Rückschluss hinsichtlich der Nämlichkeit zulassenden - Import- und Exportdeklarationen vor, so dass deren inhaltliche Überprüfung durch OLAF bzw. den Beklagten nicht möglich war. Selbst wenn man eine mengenmäßige Übereinstimmung von Einfuhren aus China und Ausfuhren aus Taiwan feststellen und der Firma A Co. Ltd. zuordnen könnte, wäre damit noch nicht zwangsläufig der Nachweis der Nämlichkeit erbracht. Der Hinweis des Beklagten in der Einspruchsentscheidung, die Deklarationen lägen nicht vor, da der Zoll in Taiwan papierlos abgewickelt werde und nur elektronische Dokumente in chinesischer Schrift verfügbar seien, ist nicht hilfreich. Ggf. müssen Ausdrucke gefertigt und übersetzt werden. Soweit dies technisch nicht möglich sein sollte, kann dies den Beklagten jedenfalls nicht von seiner Beweislast entbinden, der er dann durch Vorlage anderer, ebenso beweiskräftiger Dokumente nachkommen muss.

24

Auch der Hinweis des Beklagten, die Zuordnung sei aufgrund von Auskünften der taiwanesischen Behörden zu Import- und Exportdeklarationen erfolgt, reicht nicht aus. Die Richtigkeit dieser Zuordnung ist nicht überprüfbar und vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen und der auch von OLAF dargelegten Schwierigkeit, sie vorzunehmen, keineswegs zweifelsfrei. Die Schwierigkeiten beim Vergleich zwischen den Einfuhren aus der Volksrepublik China und den Ausfuhren aus Taiwan werden in dem Bericht von OLAF über operative Besprechungen mit dem taiwanesischen Directorate of Investigation vom 23.06.2011 (Sachakte I Bl. 356 f.) deutlich. Dort heißt es etwa: "The Department of Investigation mentioned that finding the link between consignments imported from the PR China and exported consignments is difficult for the following reasons: The description of the code of the silicon metal on the import invoice (expressing the purity level of the product) is sometimes different from the description of the code on the export invoice, large consignments imported from the PR China are often split up in smaller consignments, the import container is not the same as the export container". Danach war es schwierig, die Verbindung zwischen den Einfuhren aus China und den Ausfuhren zu finden, da die Beschreibung des Warencodes auf den Einfuhrrechnungen manchmal abwich von der Beschreibung auf den Ausfuhrrechnungen, da große Lieferungen aus China oft in kleinere Lieferungen aufgeteilt wurden und weil Einfuhr- und Ausfuhrcontainer nicht identisch waren. Angesichts dessen kommt ein maßgebliches Abstellen auf die Auflistungen der taiwanesischen Behörden nicht in Betracht.

25

Zu Recht hat die Klägerin auch darauf hingewiesen, dass unklar ist, welche Mengen tatsächlich aus China ein- bzw. aus Taiwan ausgeführt worden sind. Weder im Missionsreisebericht vom 17.11.2011 noch im Schlussbericht finden sich zu den genannten Import- bzw. Exportdeklarationen Mengenangaben. Die Klägerin hat insofern allerdings - vom Beklagten unwidersprochen - vorgetragen und mit Unterlagen, die offenbar auch Gegenstand eines in den Niederlanden geführten Parallelverfahrens gewesen sind, belegt, dass die aus der Volksrepublik China nach Taiwan beförderten Sendungen mit den Importdeklarationsnummern BEXXX (DE 36) und BDXXX (DE 37) 110 t bzw. 96 t Silizium enthielten, während die Ausfuhr aus Taiwan, auf die der Beklagte sich stützt, mit der Exportdeklarationsnummer BEYYY lediglich 44 t Silizium enthielt (Sachakte II Bl. 700 und Bl. 609, Anlagen 2 und 5 zum Schriftsatz der Klägerin vom 18.10.2014). Diese Unterlagen bringen im Hinblick auf die Nämlichkeit jedenfalls keine Klarheit, zumal auch der Beklagte einräumt, die Siliziummengen (110 t bzw. 96 t) nicht im Detail aufschlüsseln zu können (Gerichtsakte Bl. 45). Dieser Umstand spricht jedenfalls nicht für die Identität der aus der Volksrepublik China eingeführten und der aus Taiwan ausgeführten Waren.

26

Es ist auch nicht so, dass der Beklagte nachgewiesen hätte, dass sämtliches Rohmaterial für das von der Klägerin eingeführte Silizium von der Firma A Co. Ltd. aus China bezogen worden wäre. So heißt es etwa im Missionsreisebericht vom 27.07.2011 (Sachakte I Bl. 308, Bl. 315): "The department of Investigation established that the other companies under investigation imported silicon from the PR China, Belize, Mauritius and Hongkong. The Chinese imports represent in excess of 95 % of those exports. Accordingly, the investigation is focused on the verification of the Chinese imports". Insofern steht fest, dass - wenn auch in geringem Umfang - Silizium aus anderen Ländern bezogen wurde. Dass die Firma A Co. Ltd. zu diesen "other companies" gehört, ergibt sich daraus, dass lediglich eine geschwärzte Firma, bei der es sich nicht um die Firma A Co. Ltd. handeln kann, weil der Name ansonsten nicht geschwärzt worden wäre, ausgenommen ist. Anhaltspunkte dafür, dass man ausschließen könnte, dass im Streitfall relevantes Rohmaterial aus einem anderen Land als der Volksrepublik China stammte, finden sich nicht.

27

Mithin lässt sich nicht sicher feststellen, dass das Rohmaterial tatsächlich aus China stammte. Dies geht zu Lasten des beweisbelasteten Beklagten.

28

Es kann daher offenbleiben, inwieweit das Silizium in Taiwan gemäß Art. 24 Zollkodex ursprungsbegründend bearbeitet worden ist oder nicht. Ebenso kann - da die Voraussetzungen für eine Nacherhebung nicht vorliegen - offenbleiben, ob sich die Klägerin auf ein Nacherhebungsverbot gemäß Art. 220 Abs. 2 lit. b) Zollkodex berufen kann.

29

II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 135 Abs. 1, 139 Abs. 3 S. 3 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1, Abs. 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Antidumpingzoll für die Einfuhr von Schuhen.

2

Im Zeitraum vom 06.01.1998 bis zum 19.02.2003 überführte die Klägerin aus Asien importierte Schuhe aus Textil bzw. Kunststoff der Warenlistennummer 6404 1990 90 0 in den freien Verkehr. In den streitgegenständlichen 6 Fällen, die Einfuhren im Zeitraum vom 17.01.2002 bis zum 27.02.2002 betreffen (Fälle Nr. XX-3 und XX5-XX9), gab die Klägerin in den Zollanmeldungen als Ursprungsland jeweils Nordkorea an. Als Ausführer war jeweils die Firma S Import and Export mit Sitz in B angegeben. Verschifft wurden die Schuhe vom Hafen C, China, direkt nach Hamburg. In den Sachakten finden sich Akkreditiveröffnungen, in denen die Firma S begünstigt wird. Die vorliegenden Handelsrechnungen, Packlisten und Proforma-Rechnungen, wurden von der Firma S ge- bzw. erstellt. Weiter finden sich in den Sachakten für die Einfuhren von einer Behörde in Pjöngjang, Nordkorea, ausgestellte Ursprungszeugnisse Form A, in denen der nordkoreanische Ursprung bescheinigt wird. Darin ist als Transportweg die Verschiffung von "F Port via China Port to Hamburg, Germany by sea" angegeben. In Feld 10 der Ursprungsnachweise wird auf die von der Firma S gestellte Handelsrechnung Bezug genommen. Die Bill of Lading, die sich in den Sachakten befinden, sind über die Verschiffung von C nach Hamburg ausgestellt. Aus einem Vermerk des Zollfahndungsamts Hamburg vom 16.09.2002 (Sachakte Heft I Bl. 32) ergibt sich, dass Nordkorea laut Auskunft der Zentralstelle Ursprungsnachprüfungen nicht dem GSP (Generalized System of Preferences) angeschlossen sei. In allen 6 Fällen seien die Container am 11.12.2001 bzw. 31.01.2002 leer im Depot dem Verlader in C, China, zur Verfügung gestellt und jeweils einen Tag später bereits voll in C auf die beiden Seefrachtschiffe verladen worden. Die Container hätten sich demzufolge nie in Nordkorea befunden.

3

Anlässlich von im Rahmen einer Außenprüfung im Sommer 2000 gemachten Feststellungen nahm das Zollfahndungsamt E Ermittlungen auf. In den vorläufigen Ermittlungsberichten heißt es unter anderem, die Klägerin habe Schuhe aus China eingeführt und falsche Ursprungszeugnisse mit den Ursprungsangaben Vietnam, Bangladesch, Malaysia, Kambodscha oder Nordkorea vorgelegt. Damit habe der bei der Einfuhr von Schuhen chinesischen Ursprungs zu erhebende Antidumpingzoll vermieden werden sollen. Teilweise seien unzutreffende Warenlistennummern und unterfakturierte Rechnungen vorgelegt worden. Nordkorea sei dem Allgemeinen Präferenzsystem für Entwicklungsländer (APS) nicht angeschlossen, könne also kein Formblatt A ausstellen. Die angeblich aus Nordkorea stammenden Schuhe seien ausweislich der Frachtpapiere in C, China, verladen worden. Eine unbekannte Firma aus Hongkong habe die Klägerin beschuldigt, chinesische Schuhe mit gefälschten nordkoreanischen Ursprungszeugnissen nach Deutschland einzuführen (anonyme Anzeige, Ermittlungsakte Bl. 362).

4

Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 19.09.2006 erhob der Beklagte Einfuhrabgaben in Höhe von insgesamt 606.793,55 € (83.695,66 € Einfuhrumsatzsteuer und 523.097,89 € Antidumpingzoll) nach. Ermittlungen hätten ergeben, dass die Klägerin Schuhe aus China eingeführt und unter Vorlage falscher Ursprungszeugnisse Form A in den zollrechtlich freien Verkehr überführt habe. Der Bescheid bezieht sich auf 52 Einfuhrfälle, darunter befinden sich die 6 streitgegenständlichen Einfuhren, für die Antidumpingzoll in Höhe von 94.913,62 € erhoben wurde. Wegen der Berechnung wird auf den Bescheid nebst Anlage verwiesen.

5

Am 25.09.2006 legte die Klägerin Einspruch ein. In Bezug auf die streitigen Einfuhrfälle trug sie vor, sie habe die Schuhe bei der Firma S, einem großen staatlichen chinesischen Handelsunternehmen, mit dem ihr Geschäftsführer 2001 auf einer Messe in China in Kontakt gekommen sei, bestellt. Ihm seien dort in Nordkorea produzierte Schuhe zum Verkauf angeboten worden. Die Schuhe seien nur deshalb von China aus verschifft worden, weil es in Nordkorea keinen für eine Überseeverschiffung geeigneten Hafen gegeben habe. Die Ware sei mit Zubringerschiffen vom Hafen F in Nordkorea nach C in China, dem nächstgelegenen Überseehafen, verbracht worden. Die Container seien dann in C beladen worden. Wären die Schuhe in China produziert worden, wären die Container bereits am Produktionsstandort beladen und dann voll per Lkw zum Überseehafen verbracht worden. Ein nordkoreanisches Ursprungszeugnis habe sie vorgelegt. Die Firma S verfüge über Produktionsstätten in B und G. Hätte sie die Schuhe selbst produziert, wären sie über den Hafen B ausgeführt worden. Die anonyme Anzeige sei nicht zu verwerten. Niemand könne alle Schuhproduktionsstätten im Fernen Osten kennen. Der anonymen Anzeige sei ein Ursprungszeugnis vom 05.03.2003 beigefügt gewesen. Da der Antidumpingzoll für Einfuhren aus China jedoch bereits im November 2002 aufgehoben worden sei, hätte sie überhaupt keinen Anlass gehabt, noch im März 2003 für chinesische Waren einen unzutreffenden Ursprung anzugeben. Zudem seien die Schuhe entgegen der Anmeldung in die Warennummer 6404 1100 einzureihen. Schließlich berief sie sich auf Verjährung.

6

Mit seit dem ... 2007 rechtskräftigen Urteil (..., Sachakte Bl. 159) verurteilte das Landgericht E die Geschäftsführer der Klägerin, Herrn H und Herrn J, wegen gewerbsmäßigen Schmuggels (§§ 373 Abs. 1, 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) in 59 Fällen jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten. Die Vollstreckung wurde zur Bewährung ausgesetzt. Das Urteil bezieht sich nicht auf die streitgegenständlichen, sondern auf andere Einfuhren im Zeitraum von Januar 1999 bis Februar 2003. Aus den Feststellungen des Landgerichts E ergibt sich, dass die Geschäftsführer der Klägerin in den abgeurteilten Fällen Schuhe chinesischen Ursprungs einführten und, um u. a. den für derartige Schuhe zu erhebenden Antidumpingzoll zu umgehen, in den Zollanmeldungen angaben, das Ursprungsland sei Kambodscha, Bangladesch bzw. Malaysia. Das Urteil beruht auf umfangreichen Geständnissen der Geschäftsführer.

7

Mit Einspruchsentscheidung vom 11.12.2012 wurden die Einsprüche - sofern sie nicht zwischenzeitlich zurückgenommen worden waren - zurückgewiesen. Zunächst führte der Beklagte aus, die Abgabenerhebung sei nicht verjährt. Gem. Art. 221 Abs. 4 ZK verlängere sich die Verjährungsfrist, da die Zollschuld aufgrund einer strafbaren Handlung - einer Steuerhinterziehung gem. § 370 AO - entstanden sei. Die Festsetzungsfrist betrage daher gem. § 169 Abs. 2 AO 10 Jahre. In Bezug auf die streitgegenständlichen Fälle begründete er die Einspruchsentscheidung damit, dass Nordkorea dem Allgemeinen Präferenzsystem im Jahr 2002 noch nicht angeschlossen gewesen sei und es sich daher bei den Präferenzpapieren nicht um ordnungsgemäß erstellte Ursprungszeugnisse gehandelt habe. Ihnen komme daher keine Nachweiskraft zu. Ausweislich der Aktenlage habe die Klägerin die in den falschen Ursprungszeugnissen benannte nordkoreanische Firma nie kontaktiert. In einer E-Mail vom 11.10.2002 sei der Geschäftsführer der Klägerin, Herr J, von der Firma S darauf hingewiesen worden, dass sich der Kaufpreis um 0,10 US-Dollar je Schuhpaar erhöhe, sofern nordkoreanische Ursprungszeugnisse Form A benötigt würden. Im regulären Geschäftsverkehr wirke sich die Einholung eines Präferenznachweises nicht dergestalt auf den Einkaufspreis aus. Zweifel an der angemeldeten Warennummer bestünden nicht.

8

Mit ihrer am 11.01.2013 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie wiederholt im Wesentlichen die Einspruchsbegründung und betont, die Firma S handele mit Schuhen aus chinesischer Produktion, aber auch aus anderen Produktionsländern. Im Oktober 2001 sei ihr im Rahmen einer Messe angeboten worden, in Nordkorea produzierte Schuhe zu verkaufen. Die Schuhe seien nur deshalb in China verladen und verschifft worden, weil es in Nordkorea keinen für eine Überseeverschiffung geeigneten Hafen gegeben habe. Daher hätten die Schuhe mit einem Zubringerschiff überwiegend vom nordkoreanischen Hafen F zum nächsten Überseehafen verbracht werden müssen. Der nächstgelegene Überseehafen sei C in China gewesen. Da sich die Produktionsstandorte der Firma S in B und G befänden, wären die Schuhe - wären sie dort produziert worden - über B verschifft worden. Der betreffende Container habe am 11.12.2001 leer im Hafen von C gestanden und sei am 12.12.2001 beladen und auf das Schiff verbracht worden. Er müsse also im Hafen C beladen worden sein. Wären die Schuhe in China produziert worden, wäre der Container nicht erst im Hafen von C, sondern bereits am Produktionsort beladen und dann zum Überseehafen verbracht worden. Dies belege, dass die Schuhe aus Nordkorea stammten. Vertragliche Beziehungen der Klägerin hätten ausschließlich zur Firma S bestanden, daher sei auch nur mit dieser und nicht mit nordkoreanischen Firmen korrespondiert worden. Die anonyme Anzeige beweise nichts. Ob in Nordkorea Schuhe hergestellt würden, könne der Verfasser nicht beurteilen. 2003 habe es keinen Antidumpingzoll für Schuhe aus China mehr gegeben. Das der anonymen Anzeige beigelegte Ursprungszeugnis vom 05.03.2003 mache für die Umgehung von Antidumpingzoll daher keinen Sinn.

9

Die Klägerin beantragt,

10

den Einfuhrabgabenbescheid vom 19.09.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.12.2012 aufzuheben, soweit mit diesen Bescheiden in Bezug auf die Zollanmeldungen A-1 vom 17.01.2002 (Nr. XX3), A-2 vom 25.02.2002 (Nr. XX5), A-3 vom 25.02.2002 (Nr. XX6), A-4 vom 26.02.2002 (Nr. XX7), A-5 vom 26.02.2013 (Nr. XX8) und A-6 vom 27.02.2002 (Nr. XX9) Antidumpingzoll nacherhoben worden ist.

11

Die Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Er bezieht sich auf die Einspruchsentscheidung und betont, dass anhand der Frachtbriefe (Bill of Lading) dokumentiert sei, dass die Waren in C, China, auf ein Seeschiff verladen und von dort nach Europa befördert worden seien. Ein Vortransport aus Nordkorea sei in den Bill of Lading nicht beurkundet. Sonstige Frachtunterlagen über die Beförderung von Nordkorea nach C seien nicht vorgelegt worden. Allein die Nähe dieses Hafens zu Nordkorea und die Tatsache, dass sich die Produktionsstandorte der Firma S im Süden Chinas befänden, lasse einen Rückschluss auf eine Produktion in Nordkorea nicht zu. Es sei gängige Praxis, dass antidumpingzollpflichtige Waren über Häfen anderer Länder nach Europa verschifft würden, um einen Warenursprung in diesen Ländern vorzutäuschen. Das Vorbringen der Klägerin sei auch nicht glaubhaft. Die Messe, auf der sie Kontakt zur Firma S aufgenommen haben wolle, habe vom 15. bis zum 30.10.2001 stattgefunden. Die Waren seien am 31.10.2001 bzw. 24.10.2001 bestellt worden. Beide Bestellungen bezögen sich auf vorliegende Warenmuster. In den Bestellungen seien als Lieferdaten der 08.12.2001 bzw. der 10.01.2002 festgelegt. Nach den Angaben in den Akkreditiven seien die Schuhe spätestens am 16.12.2001 bzw. am 31.01.2002 zu versenden gewesen. Es sei daher auszuschließen, dass sie in einer der erst 2002 errichteten Sonderwirtschaftszonen hergestellt worden seien. Es habe sich um Schuhe in unterschiedlichen Ausführungen gehandelt und Musterschuhe hätten nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin drei Wochen vor dem festgelegten Verschiffungstermin - also etwa Mitte November 2001 - übersandt werden müssen. Dies sei angesichts der planwirtschaftlichen Strukturen in Nordkorea nicht möglich. Es sei nicht zutreffend, dass es in Nordkorea keine für die Überseeverschiffung geeigneten Häfen gebe. Den Nachweis des nordkoreanischen Ursprungs könnten die Ursprungszeugnisse nicht erbringen, weil Nordkorea dem Allgemeinen Präferenzsystem nicht angeschlossen gewesen sei. Gegen ein in Nordkorea ausgestelltes Präferenzpapier spreche auch, dass die Ursprungszeugnisse in Feld 10 auf die chinesischen Rechnungen Bezug nähmen.

14

Die Beteiligten haben schriftsätzlich ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Sachakten und Ermittlungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16

Mit Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, § 90 Abs. 2 FGO.

17

Die zulässige Anfechtungsklage hat keinen Erfolg.

18

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 FGO.

I.

19

Der Beklagte hat zu Recht für die streitgegenständlichen Einfuhren von Schuhen Antidumpingzoll nacherhoben. Ermächtigungsgrundlage für die Nacherhebung ist Art. 220 Abs. 1 ZK. Danach hat eine buchmäßige Erfassung des nachzuerhebenden Betrages zu erfolgen, wenn der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag nicht nach den Artikeln 218 und 219 ZK buchmäßig erfasst worden ist. Die Voraussetzungen für die Nacherhebung eines Antidumpingzolls liegen vor.

20

Die vom Beklagten vorgenommene Nacherhebung von Antidumpingzoll stützt sich auf die Verordnung (EG) Nr. 2155/97 des Rates vom 29.10.1997 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Spinnstoffen mit Ursprung in der Volksrepublik China und Indonesien und zur endgültigen Vereinnahmung der Sicherheitsleistungen für den vorläufigen Zoll (VO Nr. 2155/97). In Art 1 VO Nr. 2155/97 wurde für Schuhe des KN-Codes 6404 1990 mit Ursprung in der Volksrepublik China und Indonesien ein endgültiger Antidumpingzoll in Höhe von 49,2 % festgesetzt.

21

Zunächst geht der Senat davon aus, dass es sich bei den streitgegenständlichen Schuhen um solche der Warennummer 6404 1990 90 gehandelt hat. Anlass, an der Richtigkeit der in den Zollanmeldungen angegeben und im Abgabenbescheid vom 19.06.2006 zugrunde gelegten Warennummer 6404 1990 90 zu zweifeln, hat der Senat nicht. Die Klägerin hat diese Einreihung zwar im Einspruchsverfahren beanstandet, dies jedoch im Klageverfahren nicht erkennbar aufrechterhalten. In ihrer Klagebegründung nimmt sie auf die Einspruchsbegründung nicht Bezug und der in der Klageerwiderung vom Beklagten geäußerten Feststellung, die Klägerin mache keine abweichende Einreihungsauffassung mehr geltend, hat sie nicht widersprochen.

22

Hinsichtlich der Nacherhebungsvoraussetzungen, hier also des Ursprungs der Schuhe, ist der Beklagte beweispflichtig, wobei es ausreicht, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass die Waren einen Ursprung haben, der zur Erhebung von Antidumpingzoll führt (vgl. FG Hamburg, Urteile vom 07.10.2008, 4 K 137/05 und vom 02.03.2011, 4 K 25/10). Im Lichte dieser Beweislastverteilung und nach Gesamtwürdigung des Sachverhalts geht der Senat weiter davon aus, dass die Schuhe nicht nordkoreanischen, sondern chinesischen Ursprungs waren.

23

Zunächst ist auszuschließen, dass die Schuhe tatsächlich ihren Ursprung in Nordkorea hatten, da es dafür keine hinreichenden Anhaltspunkte gibt. Die Klägerin stützt sich ausschließlich auf angebliche, nicht weiter belegte Angaben der chinesischen Firma S anlässlich einer Messe in China und - insbesondere - auf die vorgelegten nordkoreanischen Ursprungszeugnisse Form A. Diesen Ursprungszeugnissen kommt kein Beweiswert zu. Der Beklagte hat zutreffend dargelegt, dass Nordkorea dem allgemeinen Präferenzsystem 2001/2002 nicht angeschlossen war und daher keine Ursprungszeugnisse Form A ausstellen konnte. Die Gewährung von Zollpräferenzen gemäß Art. 20 Abs. 3 ZK setzt ein Abkommen mit den betreffenden Ländern bzw. einen Erlass der Union über die Gewährung der Präferenz voraus. Fehlt es an der Gewährung von Zollpräferenzen i. S. v. Art. 67 ZK-DVO, handelt es sich mithin nicht um ein begünstigtes Land, kommt auch die Ausstellung von Ursprungszeugnissen Form A nicht in Betracht, Art. 81 Abs. 2 ZK-DVO. Die Europäische Union gewährt bestimmten Entwicklungsländern allgemeine Zollpräferenzen. Mit der Verordnung (EG) Nr. 2501/2001 des Rates vom 10.12.2001 über ein Schema allgemeiner Zollpräferenzen für den Zeitraum vom 01.01.2002 bis 31.12.2004 (VO Nr. 2501/2001) wird, wie sich aus deren Art. 1 ergibt, das gemeinschaftliche System allgemeiner Zollpräferenzen fortgeschrieben. Das Präferenzsystem gilt für die Einfuhr im Einzelnen genannter Waren, Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 2501/2001. In der Anlage I zur VO Nr. 2005/2001 sind die Entwicklungsländer aufgelistet, für die das allgemeine Präferenzschema der Union gilt. Zu diesen Ländern gehörte im Jahre 2002 Nordkorea nicht. Abgesehen davon spricht gegen die Richtigkeit der Ursprungszeugnisse auch der Umstand, dass sie zwar einen nordkoreanischen Ausführer erwähnen, aber nicht auf dessen Rechnung, sondern auf die der Klägerin seitens der chinesischen Firma S gestellte Handelsrechnung verweisen. Dieser Umstand, auf den der Beklagte hingewiesen hat, ist jedenfalls erklärungsbedürftig. Die Klägerin hat sich dazu nicht eingelassen. Weder aus der Aktenlage noch aus dem Vorbringen der Beteiligten lassen sich ansonsten Anhaltspunkte für einen nordkoreanischen Warenursprung entnehmen. Es gibt keinerlei Hinweis auf eine Beförderung der Waren von Nordkorea nach China, es gibt keinerlei Korrespondenz mit einer nordkoreanischen Firma und es findet sich keine Bestätigung der Firma S über die Bestellung der Schuhe in Nordkorea. Die Ausführungen der Klägerin zu Seehäfen in Nordkorea, zur Nutzung chinesischer Häfen für Ausfuhren von in Südchina hergestellten Waren und zu der Frage, wo die Transportcontainer typischerweise befüllt werden, sind letztlich spekulativ und nicht belegt. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass - wie bereits dargelegt - nicht die Klägerin, sondern der Beklagte für die Nacherhebungsvoraussetzungen beweispflichtig ist, sieht der Senat den nordkoreanischen Warenursprung aufgrund der Gesamtumstände als widerlegt an.

24

Nach den Gesamtumständen ist vielmehr mit dem Beklagten davon auszugehen, dass die Schuhe tatsächlich chinesischen Ursprungs sind. Abgesehen von den nicht beweiskräftigen Ursprungszeugnissen sprechen alle Anhaltspunkte, die sich im Streitfall zum möglichen Warenursprung finden, dafür. In sämtlichen Fällen liegen Handelsrechnungen der chinesischen Firma S vor. Die Packlisten wurden ebenfalls von der chinesischen Firma S erstellt. Die Verschiffung nach Hamburg erfolgte vom chinesischen Hafen C und die Bill of Lading sind über den Transportweg von C nach Hamburg ausgestellt worden. In keinem der genannten Dokumente findet sich ein Anhaltspunkt, der daran zweifeln lassen könnte, dass die Schuhe in China produziert wurden. Dass die Klägerin im fraglichen Zeitraum tatsächlich Schuhe mit chinesischem Ursprung eingeführt, durch unrichtige Ursprungsangaben in den Zollanmeldungen jedoch versucht hat, den Antidumpingzoll zu umgehen, zeigt das Strafurteil des Landgerichts E (...), in dem dieser Sachverhalt auch nach Geständnissen der Geschäftsführer der Klägerin festgestellt worden ist. Auch wenn dieses Urteil nicht die streitgegenständlichen Einfuhren betrifft, belegt es doch die grundsätzlichen Geschäftspraktiken der Klägerin und weckt erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit ihres Vorbringens. Auch wenn der chinesische Warenursprung durch die vorliegenden Unterlagen und sonstigen Anhaltspunkte nicht bewiesen ist, kann - zumal nichts erkennbar für einen Warenursprung in einem anderen Land spricht - doch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die Schuhe tatsächlich ihren Ursprung in China haben. Möglichkeiten, den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufzuklären, sieht der Senat nicht.

25

Es ist auch keine Verjährung eingetreten. Art. 221 Abs. 3 ZK sieht für die Nacherhebung eine Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld vor. In den streitigen Einfuhrfällen ist die Zollschuld mit der Einfuhr im Januar bzw. Februar 2002 entstanden, im Zeitpunkt der Nacherhebung mit Bescheid vom 19.09.2006 wäre die Frist mithin abgelaufen. Allerdings kann die Mitteilung gem. Art. 221 Abs. 4 ZK, wenn die Zollschuld aufgrund einer Handlung entstanden ist, die zu dem Zeitpunkt, als sie begangen wurde, strafbar war, unter den Voraussetzungen, die im geltenden Recht festgelegt sind, noch nach Ablauf der Dreijahresfrist erfolgen. Diese Norm verweist auf die Verjährungsvorschriften des nationalen Rechts, also auf die §§ 169 ff. AO. Gemäß § 169 Abs. 2 S. 1 AO beträgt die Festsetzungsfrist 10 Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen worden ist. Indem bei den Zollanmeldungen der nordkoreanische Warenursprung angegeben und so die Erhebung des Antidumpingzolls umgangen wurde, wurden dem Beklagten i. S. v. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige Angaben gemacht und dadurch Steuern verkürzt. Insofern wurde der objektive Tatbestand der Steuerhinterziehung verwirklicht. Davon, dass die Vertreter der Klägerin vorsätzlich handelten, ist auszugehen. Die Vortäuschung eines anderen Warenursprungs lässt sich nur mit dem Bemühen erklären, den Antidumpingzoll zu umgehen. Dass die Voraussetzungen der Steuerhinterziehung vorliegen, bestreitet die Klägerin selbst nicht substantiiert. Sie hat sich zwar auf Verjährung berufen, sie hat dies jedoch in keiner Weise begründet, insbesondere hat sie nichts zu den Voraussetzungen des § 169 Abs. 2 S. 1 AO vorgetragen.

26

Schließlich greift kein Nacherhebungsverbot gem. Art. 220 Abs. 2 lit. b) ZK. Danach erfolgt keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vernünftigerweise vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldungen eingehalten hat. Im Streitfall fehlt es - neben der erheblich zweifelhaften Gutgläubigkeit der Klägerin - an einem Irrtum des Beklagten. Einen Anspruch auf Absehen von der Nacherhebung der Einfuhrabgaben begründet nur ein Irrtum, der auf ein Handeln der zuständigen Behörde zurückzuführen ist (sog. aktiver Irrtum), nicht jedoch ein Irrtum, dem die Zollbehörde im Zeitpunkt der Abgabenerhebung wegen unzutreffender oder unvollständig Angaben des Abgabenschuldners unterlag (BFH, Urteil vom 07.06.2011, VII R 36/10). In den streitigen Einfuhrfällen ist die Abgabenfestsetzung auf die unzutreffende Ursprungsangabe zurückzuführen, so dass ein aktiver Irrtum ausscheidet.

27

Zweifel an der Höhe des festgesetzten Antidumpingzolls bestehen nicht, auch die Klägerin äußert insoweit keine Bedenken. Weiterer Ausführungen des Senats bedarf es daher nicht.

II.

28

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Nacherhebung von Antidumpingzoll.

2

Die Klägerin überführte mit zwei Zollanmeldungen vom 24.01.2011 Silizium der Codenummer 2804 6900 900 in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr mit steuerbefreiender Lieferung. Verkäufer und Versender war das taiwanesische Unternehmen A Co. Ltd. Die Klägerin meldete die Ware als solche taiwanesischen Ursprungs an und fügte den taiwanesischen Ursprung bestätigende Ursprungszeugnisse der taiwanesischen Handelskammer bei (Sach-akte I Bl. 9 und 16). In der Handelsrechnung und den Ursprungszeugnissen ist die Rede von "Silicon Metal 3303".

3

Die Ware wurde antragsgemäß abgefertigt. Wegen des angemeldeten taiwanesischen Ursprungs erhob der Beklagte den für Silizium der Codenummer 2804 6900 900 gemäß VO Nr. 398/2004 i. V. m. VO Nr. 467/2010 geltenden Antidumpingzoll i. H. v. 19 % nicht.

4

Mit Schreiben vom 25.08.2011 informierte das Zollfahndungsamt B den Beklagten darüber, dass es sich bei 110 von insgesamt 135 bekannten Lieferungen der Firma A Co. Ltd. an Unternehmen im Zollgebiet tatsächlich nicht um taiwanesisches Silizium gehandelt habe, da die vorgenommenen Be- und Verarbeitungen (Separieren, Verkleinern und Reinigen) keinen taiwanesischen Ursprung begründeten. Das Zollfahndungsamt bezog sich auf Ermittlungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF). Ein erster Bericht datiert vom 09.08.2011 (Sachakte I Bl. 38), die streitgegenständlichen Sendungen tragen ausweislich der von OLAF erstellten sog. Masterlisten die Bezeichnungen DE037 und DE036 (Sachakte I Bl. 51).

5

Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 27.09.2011 erhob der Beklagte Antidumpingzoll i. H. v. 18.645,30 € nach, wobei er davon ausging, das Silizium habe seinen Ursprung in der Volksrepublik China.

6

Mit Schreiben vom 21.10.2011 legte die Klägerin Einspruch ein. Sie berief sich auf die Ursprungszeugnisse und betonte, in Taiwan habe eine ursprungsbegründende Verarbeitung stattgefunden. Das Silizium sei in einem bestimmten Verfahren gereinigt, unerwünschte Stoffe (Alu, Eisen, Kalk) seien ausgefiltert worden. Weiter sei es in Teile von 10-100 mm zerkleinert worden. Schließlich seien Staub und Kleinpartikel herausgefiltert worden. Als letzter Bearbeitungsschritt seien die einzelnen Standardgattungen des Siliziums konfektioniert worden. Dadurch seien die physikalisch-chemischen Eigenschaften verändert worden.

7

Die Klägerin übersandte eine E-Mail des taiwanesischen Bureau of Foreign Trade (BOFT) vom 09.02.2012 (Sachakte I Bl. 164), mit der dieses mitteilte, den Herstellungsprozess bei der Firma A Co. Ltd. überprüft und festgestellt zu haben, dass die für die Begründung der Ursprungseigenschaft geltenden Bestimmungen Taiwans erfüllt seien.

8

Mit Bericht vom 07.05.2013 fasste OLAF die Ergebnisse der ergänzenden Missionsreise vom 09.09.2012 bis zum 15.09.2012 nach Taiwan zusammen (Sachakte II Bl. 425 ff., deutsche Übersetzung Bl. 613 ff.). Darin findet sich die Schlussfolgerung, dass das gesamte von den betroffenen Unternehmen - unter anderem die Firma A Co. Ltd. - ausgeführte Silizium seinen Ursprung in der Volksrepublik China behalten habe. Der einzige Zweck der angeblichen Tätigkeit in Taiwan bestehe darin, die Zahlung von Antidumpingzöllen bei der Einfuhr von chinesischem Silizium in die EU zu umgehen.

9

Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 12.06.2014 zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Beklagte aus, spätestens aus dem Missionsreisebericht vom 07.05.2013 ergebe sich, dass die betroffenen Einfuhrsendungen aus der Volksrepublik China kommend nach Taiwan eingeführt und sodann aus Taiwan ausgeführt worden seien. Die entsprechenden Import- und Exportdeklarationen hätten den betroffenen Einfuhrsendungen zugeordnet werden können. Zudem habe in Taiwan keine ursprungsbegründende Bearbeitung stattgefunden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

10

Mit ihrer am 08.04.2014 zunächst als Untätigkeitsklage erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung trägt sie vor, die Waren seien, wie durch das "certificate of origin" nachgewiesen werde, aufgrund der in Taiwan durchgeführten Bearbeitung taiwanesischen Ursprungs. Im Übrigen sei schon nicht bewiesen, woher das Rohmaterial gestammt habe. Weiter beruft sie sich auf ein Nacherhebungsverbot gemäß Art. 220 Abs. 2 lit. b) Zollkodex. Wegen der Einzelheiten der Klagebegründung wird auf die von der Klägerin eingereichten Schriftsätze verwiesen.

11

Die Klägerin beantragt,
den Einfuhrabgabenbescheid vom 27.09.2011 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 12.06.2014 aufzuheben.

12

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

13

Er verweist auf die Einspruchsentscheidung. Er legte aus seiner Sicht dar, dass sich aus den Missionsreiseberichten von OLAF ergebe, dass das Silizium aus der Volksrepublik China stamme, chinesischen Ursprungs sei und in Taiwan keine ursprungsbegründende Be- oder Verarbeitung erfahren habe.

14

Die Beteiligten haben schriftsätzlich ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Sachakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung, § 90 Abs. 2 FGO.

17

Die ursprünglich gemäß § 46 FGO als Untätigkeitsklage erhobene Anfechtungsklage ist jedenfalls nach Erlass der Einspruchsentscheidung zulässig. Sie ist auch begründet.

18

I.
Der Einfuhrabgabenbescheid vom 27.09.2011 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 12.06.2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 FGO.

19

Der Beklagte hat zu Unrecht Antidumpingzoll für die streitigen Einfuhren von Silizium nacherhoben. Eine Nacherhebung setzt nach Art. 220 Abs. 1 Zollkodex voraus, dass der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag nicht nach den Art. 218 und 219 Zollkodex buchmäßig erfasst worden ist. Diese Voraussetzung liegt nicht vor. Die vom Beklagten vorgenommene Nacherhebung von Antidumpingzoll stützt sich auf die Verordnung (EG) Nr. 398/2004 des Rates vom 02.03.2004 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhr von Silizium mit Ursprung in der Volksrepublik China (VO Nr. 398/2004). Nach Art. 1 Abs. 1 VO Nr. 398/2004 wird auf die Einfuhr von Silizium des KN-Codes 2804 69 00 mit Ursprung in der Volksrepublik China ein endgültiger Antidumpingzoll eingeführt, der gemäß Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 398/2004 49 % beträgt.

20

Dass die Voraussetzungen für die Nacherhebung des Antidumpingzolls vorliegen, steht nicht fest. Es kann nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht davon ausgegangen werden, dass das von der Klägerin eingeführte Silizium seinen zollrechtlichen Ursprung in der Volksrepublik China hat. Der insoweit beweisbelastete Beklagte hat den Beweis hierfür nicht erbringen können. Es ist schon nicht bewiesen, dass das Rohmaterial für das Silizium tatsächlich aus der Volksrepublik China stammte. Die Klägerin bestreitet dies.

21

Nach Darstellung des Beklagten wurden die beiden streitbefangenen Partien mit den taiwanesischen Importdeklarationen BEXXX (DE 36) und BDXXX (DE 37) aus der Volksrepublik China kommend nach Taiwan eingeführt und mit der Exportdeklaration BEYYY aus Taiwan ausgeführt. Diese Import- und Exportdeklarationen hätten den betroffenen Einfuhrsendungen zugeordnet und in Verbindung mit den entsprechenden Ursprungszeugnissen, Rechnungen, Packlisten und Bill of Lading gebracht werden können. Im Anhang 1.3 zum Missionsreisebericht vom 17.11.2011 (Sachakte I Bl. 367 ff., Bl. 389) finden sich zwar die entsprechenden Deklarationsnummern, inwieweit sie die streitgegenständlichen Einfuhren betreffen, ist jedoch nicht hinreichend ersichtlich.

22

Zunächst ist festzustellen, dass offenbar jedenfalls mit Blick auf den Einfuhrvorgang DE 37 noch kein endgültiges Ergebnis feststeht. So heißt es in Anhang 2.1 des Missionsreiseberichts vom 17.11.2011 (Sachakte I Bl. 397) und im Bericht selbst unter 2.A. (Sachakte I Bl. 370) in Bezug auf diesen Vorgang: "investigation not yet concluded", die Überprüfung war also noch nicht abgeschlossen. Aus welchen Gründen die Überprüfung noch nicht abgeschlossen war, ist letztlich unerheblich. Selbst wenn dies auf Tarifierungsfragen zurückzuführen sein sollte (Klageerwiderung vom 17.11.2014, Gerichtsakte Bl. 44), würde dies an der durch den Vermerk aufgeworfenen Unklarheit nichts ändern. In jedem Fall dokumentiert der Vermerk, dass der Ursprung des Rohmaterials noch nicht geklärt war. So heißt es auch im Kommissionsbericht vom 17.11.2011 - worauf der Beklagte in der Klageerwiderung ausdrücklich verweist -, "... the actual origin of those consignments cannot yet be established" (Sachakte I Bl. 370). Der Warenursprung ist indes genau das, worum es im Streitfall geht. Der Schlussbericht vom 07.05.2013 enthält in dessen Anhang 8 (Sachakte II Bl. 502) ebenfalls in Bezug auf den Vorgang DE 37 den Vermerk "investigation not yet concluded", kommt dann jedoch - ohne dass dies schlüssig begründet worden wäre - gleichwohl zu dem Ergebnis, dass das von den überprüften Unternehmen ausgeführte Silizium in jedem Fall seinen Ursprung behalten habe (Sachakte II Bl. 636). Dabei wird auf die Anhänge 14 und 15 des Schlussberichts verwiesen (Sachakte II Bl. 598 ff. und Bl. 607 ff.), die offenbar mit Schreiben vom 06.09.2012 durch das taiwanesische Directorate General of Customs, Department of Investigation, (Sachakte I Bl. 599) übersandt wurden. In diesem Anschreiben heißt es jedoch speziell in Bezug auf die Firma A Co. Ltd.: "As I mentioned before, we could not match any connection between their imported and exported consignments". Eine Verknüpfung zwischen den eingeführten und ausgeführten Lieferungen der Firma A Co. Ltd. konnte also jedenfalls seitens der taiwanesischen Behörden gerade nicht hergestellt werden. Dementsprechend hatte das taiwanesische Directorate General of Customs, Department of Investigation, bereits zuvor mit Schreiben vom 10.08.2011 (Sachakte I Bl. 413) generell mitgeteilt: "It´s impossible for us to list their import and export relationship". Dieses Schreiben mag einen anderen Ausführer betreffen, es bleibt aber die offene Frage, inwieweit die Beziehung zwischen Einfuhr und Ausfuhr im Streitfall hergestellt werden konnte, obwohl dies in anderen Fällen nicht möglich war. Eine nachvollziehbare Zuordnung nimmt der Schlussbericht vom 07.05.2013 im Übrigen nicht vor, insbesondere ergibt sich diese nicht aus der Gliederungsnummer 2.3.4.7 des Berichts - auf die der Beklagte ausdrücklich verweist - und den dort in Bezug genommenen Anhängen 14 und 15.

23

Es liegen auch nicht die - möglicherweise näheren Rückschluss hinsichtlich der Nämlichkeit zulassenden - Import- und Exportdeklarationen vor, so dass deren inhaltliche Überprüfung durch OLAF bzw. den Beklagten nicht möglich war. Selbst wenn man eine mengenmäßige Übereinstimmung von Einfuhren aus China und Ausfuhren aus Taiwan feststellen und der Firma A Co. Ltd. zuordnen könnte, wäre damit noch nicht zwangsläufig der Nachweis der Nämlichkeit erbracht. Der Hinweis des Beklagten in der Einspruchsentscheidung, die Deklarationen lägen nicht vor, da der Zoll in Taiwan papierlos abgewickelt werde und nur elektronische Dokumente in chinesischer Schrift verfügbar seien, ist nicht hilfreich. Ggf. müssen Ausdrucke gefertigt und übersetzt werden. Soweit dies technisch nicht möglich sein sollte, kann dies den Beklagten jedenfalls nicht von seiner Beweislast entbinden, der er dann durch Vorlage anderer, ebenso beweiskräftiger Dokumente nachkommen muss.

24

Auch der Hinweis des Beklagten, die Zuordnung sei aufgrund von Auskünften der taiwanesischen Behörden zu Import- und Exportdeklarationen erfolgt, reicht nicht aus. Die Richtigkeit dieser Zuordnung ist nicht überprüfbar und vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen und der auch von OLAF dargelegten Schwierigkeit, sie vorzunehmen, keineswegs zweifelsfrei. Die Schwierigkeiten beim Vergleich zwischen den Einfuhren aus der Volksrepublik China und den Ausfuhren aus Taiwan werden in dem Bericht von OLAF über operative Besprechungen mit dem taiwanesischen Directorate of Investigation vom 23.06.2011 (Sachakte I Bl. 356 f.) deutlich. Dort heißt es etwa: "The Department of Investigation mentioned that finding the link between consignments imported from the PR China and exported consignments is difficult for the following reasons: The description of the code of the silicon metal on the import invoice (expressing the purity level of the product) is sometimes different from the description of the code on the export invoice, large consignments imported from the PR China are often split up in smaller consignments, the import container is not the same as the export container". Danach war es schwierig, die Verbindung zwischen den Einfuhren aus China und den Ausfuhren zu finden, da die Beschreibung des Warencodes auf den Einfuhrrechnungen manchmal abwich von der Beschreibung auf den Ausfuhrrechnungen, da große Lieferungen aus China oft in kleinere Lieferungen aufgeteilt wurden und weil Einfuhr- und Ausfuhrcontainer nicht identisch waren. Angesichts dessen kommt ein maßgebliches Abstellen auf die Auflistungen der taiwanesischen Behörden nicht in Betracht.

25

Zu Recht hat die Klägerin auch darauf hingewiesen, dass unklar ist, welche Mengen tatsächlich aus China ein- bzw. aus Taiwan ausgeführt worden sind. Weder im Missionsreisebericht vom 17.11.2011 noch im Schlussbericht finden sich zu den genannten Import- bzw. Exportdeklarationen Mengenangaben. Die Klägerin hat insofern allerdings - vom Beklagten unwidersprochen - vorgetragen und mit Unterlagen, die offenbar auch Gegenstand eines in den Niederlanden geführten Parallelverfahrens gewesen sind, belegt, dass die aus der Volksrepublik China nach Taiwan beförderten Sendungen mit den Importdeklarationsnummern BEXXX (DE 36) und BDXXX (DE 37) 110 t bzw. 96 t Silizium enthielten, während die Ausfuhr aus Taiwan, auf die der Beklagte sich stützt, mit der Exportdeklarationsnummer BEYYY lediglich 44 t Silizium enthielt (Sachakte II Bl. 700 und Bl. 609, Anlagen 2 und 5 zum Schriftsatz der Klägerin vom 18.10.2014). Diese Unterlagen bringen im Hinblick auf die Nämlichkeit jedenfalls keine Klarheit, zumal auch der Beklagte einräumt, die Siliziummengen (110 t bzw. 96 t) nicht im Detail aufschlüsseln zu können (Gerichtsakte Bl. 45). Dieser Umstand spricht jedenfalls nicht für die Identität der aus der Volksrepublik China eingeführten und der aus Taiwan ausgeführten Waren.

26

Es ist auch nicht so, dass der Beklagte nachgewiesen hätte, dass sämtliches Rohmaterial für das von der Klägerin eingeführte Silizium von der Firma A Co. Ltd. aus China bezogen worden wäre. So heißt es etwa im Missionsreisebericht vom 27.07.2011 (Sachakte I Bl. 308, Bl. 315): "The department of Investigation established that the other companies under investigation imported silicon from the PR China, Belize, Mauritius and Hongkong. The Chinese imports represent in excess of 95 % of those exports. Accordingly, the investigation is focused on the verification of the Chinese imports". Insofern steht fest, dass - wenn auch in geringem Umfang - Silizium aus anderen Ländern bezogen wurde. Dass die Firma A Co. Ltd. zu diesen "other companies" gehört, ergibt sich daraus, dass lediglich eine geschwärzte Firma, bei der es sich nicht um die Firma A Co. Ltd. handeln kann, weil der Name ansonsten nicht geschwärzt worden wäre, ausgenommen ist. Anhaltspunkte dafür, dass man ausschließen könnte, dass im Streitfall relevantes Rohmaterial aus einem anderen Land als der Volksrepublik China stammte, finden sich nicht.

27

Mithin lässt sich nicht sicher feststellen, dass das Rohmaterial tatsächlich aus China stammte. Dies geht zu Lasten des beweisbelasteten Beklagten.

28

Es kann daher offenbleiben, inwieweit das Silizium in Taiwan gemäß Art. 24 Zollkodex ursprungsbegründend bearbeitet worden ist oder nicht. Ebenso kann - da die Voraussetzungen für eine Nacherhebung nicht vorliegen - offenbleiben, ob sich die Klägerin auf ein Nacherhebungsverbot gemäß Art. 220 Abs. 2 lit. b) Zollkodex berufen kann.

29

II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 135 Abs. 1, 139 Abs. 3 S. 3 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1, Abs. 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Antidumpingzoll für die Einfuhr von Schuhen.

2

Im Zeitraum vom 06.01.1998 bis zum 19.02.2003 überführte die Klägerin aus Asien importierte Schuhe aus Textil bzw. Kunststoff der Warenlistennummer 6404 1990 90 0 in den freien Verkehr. In den streitgegenständlichen 6 Fällen, die Einfuhren im Zeitraum vom 17.01.2002 bis zum 27.02.2002 betreffen (Fälle Nr. XX-3 und XX5-XX9), gab die Klägerin in den Zollanmeldungen als Ursprungsland jeweils Nordkorea an. Als Ausführer war jeweils die Firma S Import and Export mit Sitz in B angegeben. Verschifft wurden die Schuhe vom Hafen C, China, direkt nach Hamburg. In den Sachakten finden sich Akkreditiveröffnungen, in denen die Firma S begünstigt wird. Die vorliegenden Handelsrechnungen, Packlisten und Proforma-Rechnungen, wurden von der Firma S ge- bzw. erstellt. Weiter finden sich in den Sachakten für die Einfuhren von einer Behörde in Pjöngjang, Nordkorea, ausgestellte Ursprungszeugnisse Form A, in denen der nordkoreanische Ursprung bescheinigt wird. Darin ist als Transportweg die Verschiffung von "F Port via China Port to Hamburg, Germany by sea" angegeben. In Feld 10 der Ursprungsnachweise wird auf die von der Firma S gestellte Handelsrechnung Bezug genommen. Die Bill of Lading, die sich in den Sachakten befinden, sind über die Verschiffung von C nach Hamburg ausgestellt. Aus einem Vermerk des Zollfahndungsamts Hamburg vom 16.09.2002 (Sachakte Heft I Bl. 32) ergibt sich, dass Nordkorea laut Auskunft der Zentralstelle Ursprungsnachprüfungen nicht dem GSP (Generalized System of Preferences) angeschlossen sei. In allen 6 Fällen seien die Container am 11.12.2001 bzw. 31.01.2002 leer im Depot dem Verlader in C, China, zur Verfügung gestellt und jeweils einen Tag später bereits voll in C auf die beiden Seefrachtschiffe verladen worden. Die Container hätten sich demzufolge nie in Nordkorea befunden.

3

Anlässlich von im Rahmen einer Außenprüfung im Sommer 2000 gemachten Feststellungen nahm das Zollfahndungsamt E Ermittlungen auf. In den vorläufigen Ermittlungsberichten heißt es unter anderem, die Klägerin habe Schuhe aus China eingeführt und falsche Ursprungszeugnisse mit den Ursprungsangaben Vietnam, Bangladesch, Malaysia, Kambodscha oder Nordkorea vorgelegt. Damit habe der bei der Einfuhr von Schuhen chinesischen Ursprungs zu erhebende Antidumpingzoll vermieden werden sollen. Teilweise seien unzutreffende Warenlistennummern und unterfakturierte Rechnungen vorgelegt worden. Nordkorea sei dem Allgemeinen Präferenzsystem für Entwicklungsländer (APS) nicht angeschlossen, könne also kein Formblatt A ausstellen. Die angeblich aus Nordkorea stammenden Schuhe seien ausweislich der Frachtpapiere in C, China, verladen worden. Eine unbekannte Firma aus Hongkong habe die Klägerin beschuldigt, chinesische Schuhe mit gefälschten nordkoreanischen Ursprungszeugnissen nach Deutschland einzuführen (anonyme Anzeige, Ermittlungsakte Bl. 362).

4

Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 19.09.2006 erhob der Beklagte Einfuhrabgaben in Höhe von insgesamt 606.793,55 € (83.695,66 € Einfuhrumsatzsteuer und 523.097,89 € Antidumpingzoll) nach. Ermittlungen hätten ergeben, dass die Klägerin Schuhe aus China eingeführt und unter Vorlage falscher Ursprungszeugnisse Form A in den zollrechtlich freien Verkehr überführt habe. Der Bescheid bezieht sich auf 52 Einfuhrfälle, darunter befinden sich die 6 streitgegenständlichen Einfuhren, für die Antidumpingzoll in Höhe von 94.913,62 € erhoben wurde. Wegen der Berechnung wird auf den Bescheid nebst Anlage verwiesen.

5

Am 25.09.2006 legte die Klägerin Einspruch ein. In Bezug auf die streitigen Einfuhrfälle trug sie vor, sie habe die Schuhe bei der Firma S, einem großen staatlichen chinesischen Handelsunternehmen, mit dem ihr Geschäftsführer 2001 auf einer Messe in China in Kontakt gekommen sei, bestellt. Ihm seien dort in Nordkorea produzierte Schuhe zum Verkauf angeboten worden. Die Schuhe seien nur deshalb von China aus verschifft worden, weil es in Nordkorea keinen für eine Überseeverschiffung geeigneten Hafen gegeben habe. Die Ware sei mit Zubringerschiffen vom Hafen F in Nordkorea nach C in China, dem nächstgelegenen Überseehafen, verbracht worden. Die Container seien dann in C beladen worden. Wären die Schuhe in China produziert worden, wären die Container bereits am Produktionsstandort beladen und dann voll per Lkw zum Überseehafen verbracht worden. Ein nordkoreanisches Ursprungszeugnis habe sie vorgelegt. Die Firma S verfüge über Produktionsstätten in B und G. Hätte sie die Schuhe selbst produziert, wären sie über den Hafen B ausgeführt worden. Die anonyme Anzeige sei nicht zu verwerten. Niemand könne alle Schuhproduktionsstätten im Fernen Osten kennen. Der anonymen Anzeige sei ein Ursprungszeugnis vom 05.03.2003 beigefügt gewesen. Da der Antidumpingzoll für Einfuhren aus China jedoch bereits im November 2002 aufgehoben worden sei, hätte sie überhaupt keinen Anlass gehabt, noch im März 2003 für chinesische Waren einen unzutreffenden Ursprung anzugeben. Zudem seien die Schuhe entgegen der Anmeldung in die Warennummer 6404 1100 einzureihen. Schließlich berief sie sich auf Verjährung.

6

Mit seit dem ... 2007 rechtskräftigen Urteil (..., Sachakte Bl. 159) verurteilte das Landgericht E die Geschäftsführer der Klägerin, Herrn H und Herrn J, wegen gewerbsmäßigen Schmuggels (§§ 373 Abs. 1, 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) in 59 Fällen jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten. Die Vollstreckung wurde zur Bewährung ausgesetzt. Das Urteil bezieht sich nicht auf die streitgegenständlichen, sondern auf andere Einfuhren im Zeitraum von Januar 1999 bis Februar 2003. Aus den Feststellungen des Landgerichts E ergibt sich, dass die Geschäftsführer der Klägerin in den abgeurteilten Fällen Schuhe chinesischen Ursprungs einführten und, um u. a. den für derartige Schuhe zu erhebenden Antidumpingzoll zu umgehen, in den Zollanmeldungen angaben, das Ursprungsland sei Kambodscha, Bangladesch bzw. Malaysia. Das Urteil beruht auf umfangreichen Geständnissen der Geschäftsführer.

7

Mit Einspruchsentscheidung vom 11.12.2012 wurden die Einsprüche - sofern sie nicht zwischenzeitlich zurückgenommen worden waren - zurückgewiesen. Zunächst führte der Beklagte aus, die Abgabenerhebung sei nicht verjährt. Gem. Art. 221 Abs. 4 ZK verlängere sich die Verjährungsfrist, da die Zollschuld aufgrund einer strafbaren Handlung - einer Steuerhinterziehung gem. § 370 AO - entstanden sei. Die Festsetzungsfrist betrage daher gem. § 169 Abs. 2 AO 10 Jahre. In Bezug auf die streitgegenständlichen Fälle begründete er die Einspruchsentscheidung damit, dass Nordkorea dem Allgemeinen Präferenzsystem im Jahr 2002 noch nicht angeschlossen gewesen sei und es sich daher bei den Präferenzpapieren nicht um ordnungsgemäß erstellte Ursprungszeugnisse gehandelt habe. Ihnen komme daher keine Nachweiskraft zu. Ausweislich der Aktenlage habe die Klägerin die in den falschen Ursprungszeugnissen benannte nordkoreanische Firma nie kontaktiert. In einer E-Mail vom 11.10.2002 sei der Geschäftsführer der Klägerin, Herr J, von der Firma S darauf hingewiesen worden, dass sich der Kaufpreis um 0,10 US-Dollar je Schuhpaar erhöhe, sofern nordkoreanische Ursprungszeugnisse Form A benötigt würden. Im regulären Geschäftsverkehr wirke sich die Einholung eines Präferenznachweises nicht dergestalt auf den Einkaufspreis aus. Zweifel an der angemeldeten Warennummer bestünden nicht.

8

Mit ihrer am 11.01.2013 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie wiederholt im Wesentlichen die Einspruchsbegründung und betont, die Firma S handele mit Schuhen aus chinesischer Produktion, aber auch aus anderen Produktionsländern. Im Oktober 2001 sei ihr im Rahmen einer Messe angeboten worden, in Nordkorea produzierte Schuhe zu verkaufen. Die Schuhe seien nur deshalb in China verladen und verschifft worden, weil es in Nordkorea keinen für eine Überseeverschiffung geeigneten Hafen gegeben habe. Daher hätten die Schuhe mit einem Zubringerschiff überwiegend vom nordkoreanischen Hafen F zum nächsten Überseehafen verbracht werden müssen. Der nächstgelegene Überseehafen sei C in China gewesen. Da sich die Produktionsstandorte der Firma S in B und G befänden, wären die Schuhe - wären sie dort produziert worden - über B verschifft worden. Der betreffende Container habe am 11.12.2001 leer im Hafen von C gestanden und sei am 12.12.2001 beladen und auf das Schiff verbracht worden. Er müsse also im Hafen C beladen worden sein. Wären die Schuhe in China produziert worden, wäre der Container nicht erst im Hafen von C, sondern bereits am Produktionsort beladen und dann zum Überseehafen verbracht worden. Dies belege, dass die Schuhe aus Nordkorea stammten. Vertragliche Beziehungen der Klägerin hätten ausschließlich zur Firma S bestanden, daher sei auch nur mit dieser und nicht mit nordkoreanischen Firmen korrespondiert worden. Die anonyme Anzeige beweise nichts. Ob in Nordkorea Schuhe hergestellt würden, könne der Verfasser nicht beurteilen. 2003 habe es keinen Antidumpingzoll für Schuhe aus China mehr gegeben. Das der anonymen Anzeige beigelegte Ursprungszeugnis vom 05.03.2003 mache für die Umgehung von Antidumpingzoll daher keinen Sinn.

9

Die Klägerin beantragt,

10

den Einfuhrabgabenbescheid vom 19.09.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.12.2012 aufzuheben, soweit mit diesen Bescheiden in Bezug auf die Zollanmeldungen A-1 vom 17.01.2002 (Nr. XX3), A-2 vom 25.02.2002 (Nr. XX5), A-3 vom 25.02.2002 (Nr. XX6), A-4 vom 26.02.2002 (Nr. XX7), A-5 vom 26.02.2013 (Nr. XX8) und A-6 vom 27.02.2002 (Nr. XX9) Antidumpingzoll nacherhoben worden ist.

11

Die Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Er bezieht sich auf die Einspruchsentscheidung und betont, dass anhand der Frachtbriefe (Bill of Lading) dokumentiert sei, dass die Waren in C, China, auf ein Seeschiff verladen und von dort nach Europa befördert worden seien. Ein Vortransport aus Nordkorea sei in den Bill of Lading nicht beurkundet. Sonstige Frachtunterlagen über die Beförderung von Nordkorea nach C seien nicht vorgelegt worden. Allein die Nähe dieses Hafens zu Nordkorea und die Tatsache, dass sich die Produktionsstandorte der Firma S im Süden Chinas befänden, lasse einen Rückschluss auf eine Produktion in Nordkorea nicht zu. Es sei gängige Praxis, dass antidumpingzollpflichtige Waren über Häfen anderer Länder nach Europa verschifft würden, um einen Warenursprung in diesen Ländern vorzutäuschen. Das Vorbringen der Klägerin sei auch nicht glaubhaft. Die Messe, auf der sie Kontakt zur Firma S aufgenommen haben wolle, habe vom 15. bis zum 30.10.2001 stattgefunden. Die Waren seien am 31.10.2001 bzw. 24.10.2001 bestellt worden. Beide Bestellungen bezögen sich auf vorliegende Warenmuster. In den Bestellungen seien als Lieferdaten der 08.12.2001 bzw. der 10.01.2002 festgelegt. Nach den Angaben in den Akkreditiven seien die Schuhe spätestens am 16.12.2001 bzw. am 31.01.2002 zu versenden gewesen. Es sei daher auszuschließen, dass sie in einer der erst 2002 errichteten Sonderwirtschaftszonen hergestellt worden seien. Es habe sich um Schuhe in unterschiedlichen Ausführungen gehandelt und Musterschuhe hätten nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin drei Wochen vor dem festgelegten Verschiffungstermin - also etwa Mitte November 2001 - übersandt werden müssen. Dies sei angesichts der planwirtschaftlichen Strukturen in Nordkorea nicht möglich. Es sei nicht zutreffend, dass es in Nordkorea keine für die Überseeverschiffung geeigneten Häfen gebe. Den Nachweis des nordkoreanischen Ursprungs könnten die Ursprungszeugnisse nicht erbringen, weil Nordkorea dem Allgemeinen Präferenzsystem nicht angeschlossen gewesen sei. Gegen ein in Nordkorea ausgestelltes Präferenzpapier spreche auch, dass die Ursprungszeugnisse in Feld 10 auf die chinesischen Rechnungen Bezug nähmen.

14

Die Beteiligten haben schriftsätzlich ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Sachakten und Ermittlungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16

Mit Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, § 90 Abs. 2 FGO.

17

Die zulässige Anfechtungsklage hat keinen Erfolg.

18

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 FGO.

I.

19

Der Beklagte hat zu Recht für die streitgegenständlichen Einfuhren von Schuhen Antidumpingzoll nacherhoben. Ermächtigungsgrundlage für die Nacherhebung ist Art. 220 Abs. 1 ZK. Danach hat eine buchmäßige Erfassung des nachzuerhebenden Betrages zu erfolgen, wenn der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag nicht nach den Artikeln 218 und 219 ZK buchmäßig erfasst worden ist. Die Voraussetzungen für die Nacherhebung eines Antidumpingzolls liegen vor.

20

Die vom Beklagten vorgenommene Nacherhebung von Antidumpingzoll stützt sich auf die Verordnung (EG) Nr. 2155/97 des Rates vom 29.10.1997 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Spinnstoffen mit Ursprung in der Volksrepublik China und Indonesien und zur endgültigen Vereinnahmung der Sicherheitsleistungen für den vorläufigen Zoll (VO Nr. 2155/97). In Art 1 VO Nr. 2155/97 wurde für Schuhe des KN-Codes 6404 1990 mit Ursprung in der Volksrepublik China und Indonesien ein endgültiger Antidumpingzoll in Höhe von 49,2 % festgesetzt.

21

Zunächst geht der Senat davon aus, dass es sich bei den streitgegenständlichen Schuhen um solche der Warennummer 6404 1990 90 gehandelt hat. Anlass, an der Richtigkeit der in den Zollanmeldungen angegeben und im Abgabenbescheid vom 19.06.2006 zugrunde gelegten Warennummer 6404 1990 90 zu zweifeln, hat der Senat nicht. Die Klägerin hat diese Einreihung zwar im Einspruchsverfahren beanstandet, dies jedoch im Klageverfahren nicht erkennbar aufrechterhalten. In ihrer Klagebegründung nimmt sie auf die Einspruchsbegründung nicht Bezug und der in der Klageerwiderung vom Beklagten geäußerten Feststellung, die Klägerin mache keine abweichende Einreihungsauffassung mehr geltend, hat sie nicht widersprochen.

22

Hinsichtlich der Nacherhebungsvoraussetzungen, hier also des Ursprungs der Schuhe, ist der Beklagte beweispflichtig, wobei es ausreicht, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass die Waren einen Ursprung haben, der zur Erhebung von Antidumpingzoll führt (vgl. FG Hamburg, Urteile vom 07.10.2008, 4 K 137/05 und vom 02.03.2011, 4 K 25/10). Im Lichte dieser Beweislastverteilung und nach Gesamtwürdigung des Sachverhalts geht der Senat weiter davon aus, dass die Schuhe nicht nordkoreanischen, sondern chinesischen Ursprungs waren.

23

Zunächst ist auszuschließen, dass die Schuhe tatsächlich ihren Ursprung in Nordkorea hatten, da es dafür keine hinreichenden Anhaltspunkte gibt. Die Klägerin stützt sich ausschließlich auf angebliche, nicht weiter belegte Angaben der chinesischen Firma S anlässlich einer Messe in China und - insbesondere - auf die vorgelegten nordkoreanischen Ursprungszeugnisse Form A. Diesen Ursprungszeugnissen kommt kein Beweiswert zu. Der Beklagte hat zutreffend dargelegt, dass Nordkorea dem allgemeinen Präferenzsystem 2001/2002 nicht angeschlossen war und daher keine Ursprungszeugnisse Form A ausstellen konnte. Die Gewährung von Zollpräferenzen gemäß Art. 20 Abs. 3 ZK setzt ein Abkommen mit den betreffenden Ländern bzw. einen Erlass der Union über die Gewährung der Präferenz voraus. Fehlt es an der Gewährung von Zollpräferenzen i. S. v. Art. 67 ZK-DVO, handelt es sich mithin nicht um ein begünstigtes Land, kommt auch die Ausstellung von Ursprungszeugnissen Form A nicht in Betracht, Art. 81 Abs. 2 ZK-DVO. Die Europäische Union gewährt bestimmten Entwicklungsländern allgemeine Zollpräferenzen. Mit der Verordnung (EG) Nr. 2501/2001 des Rates vom 10.12.2001 über ein Schema allgemeiner Zollpräferenzen für den Zeitraum vom 01.01.2002 bis 31.12.2004 (VO Nr. 2501/2001) wird, wie sich aus deren Art. 1 ergibt, das gemeinschaftliche System allgemeiner Zollpräferenzen fortgeschrieben. Das Präferenzsystem gilt für die Einfuhr im Einzelnen genannter Waren, Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 2501/2001. In der Anlage I zur VO Nr. 2005/2001 sind die Entwicklungsländer aufgelistet, für die das allgemeine Präferenzschema der Union gilt. Zu diesen Ländern gehörte im Jahre 2002 Nordkorea nicht. Abgesehen davon spricht gegen die Richtigkeit der Ursprungszeugnisse auch der Umstand, dass sie zwar einen nordkoreanischen Ausführer erwähnen, aber nicht auf dessen Rechnung, sondern auf die der Klägerin seitens der chinesischen Firma S gestellte Handelsrechnung verweisen. Dieser Umstand, auf den der Beklagte hingewiesen hat, ist jedenfalls erklärungsbedürftig. Die Klägerin hat sich dazu nicht eingelassen. Weder aus der Aktenlage noch aus dem Vorbringen der Beteiligten lassen sich ansonsten Anhaltspunkte für einen nordkoreanischen Warenursprung entnehmen. Es gibt keinerlei Hinweis auf eine Beförderung der Waren von Nordkorea nach China, es gibt keinerlei Korrespondenz mit einer nordkoreanischen Firma und es findet sich keine Bestätigung der Firma S über die Bestellung der Schuhe in Nordkorea. Die Ausführungen der Klägerin zu Seehäfen in Nordkorea, zur Nutzung chinesischer Häfen für Ausfuhren von in Südchina hergestellten Waren und zu der Frage, wo die Transportcontainer typischerweise befüllt werden, sind letztlich spekulativ und nicht belegt. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass - wie bereits dargelegt - nicht die Klägerin, sondern der Beklagte für die Nacherhebungsvoraussetzungen beweispflichtig ist, sieht der Senat den nordkoreanischen Warenursprung aufgrund der Gesamtumstände als widerlegt an.

24

Nach den Gesamtumständen ist vielmehr mit dem Beklagten davon auszugehen, dass die Schuhe tatsächlich chinesischen Ursprungs sind. Abgesehen von den nicht beweiskräftigen Ursprungszeugnissen sprechen alle Anhaltspunkte, die sich im Streitfall zum möglichen Warenursprung finden, dafür. In sämtlichen Fällen liegen Handelsrechnungen der chinesischen Firma S vor. Die Packlisten wurden ebenfalls von der chinesischen Firma S erstellt. Die Verschiffung nach Hamburg erfolgte vom chinesischen Hafen C und die Bill of Lading sind über den Transportweg von C nach Hamburg ausgestellt worden. In keinem der genannten Dokumente findet sich ein Anhaltspunkt, der daran zweifeln lassen könnte, dass die Schuhe in China produziert wurden. Dass die Klägerin im fraglichen Zeitraum tatsächlich Schuhe mit chinesischem Ursprung eingeführt, durch unrichtige Ursprungsangaben in den Zollanmeldungen jedoch versucht hat, den Antidumpingzoll zu umgehen, zeigt das Strafurteil des Landgerichts E (...), in dem dieser Sachverhalt auch nach Geständnissen der Geschäftsführer der Klägerin festgestellt worden ist. Auch wenn dieses Urteil nicht die streitgegenständlichen Einfuhren betrifft, belegt es doch die grundsätzlichen Geschäftspraktiken der Klägerin und weckt erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit ihres Vorbringens. Auch wenn der chinesische Warenursprung durch die vorliegenden Unterlagen und sonstigen Anhaltspunkte nicht bewiesen ist, kann - zumal nichts erkennbar für einen Warenursprung in einem anderen Land spricht - doch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die Schuhe tatsächlich ihren Ursprung in China haben. Möglichkeiten, den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufzuklären, sieht der Senat nicht.

25

Es ist auch keine Verjährung eingetreten. Art. 221 Abs. 3 ZK sieht für die Nacherhebung eine Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld vor. In den streitigen Einfuhrfällen ist die Zollschuld mit der Einfuhr im Januar bzw. Februar 2002 entstanden, im Zeitpunkt der Nacherhebung mit Bescheid vom 19.09.2006 wäre die Frist mithin abgelaufen. Allerdings kann die Mitteilung gem. Art. 221 Abs. 4 ZK, wenn die Zollschuld aufgrund einer Handlung entstanden ist, die zu dem Zeitpunkt, als sie begangen wurde, strafbar war, unter den Voraussetzungen, die im geltenden Recht festgelegt sind, noch nach Ablauf der Dreijahresfrist erfolgen. Diese Norm verweist auf die Verjährungsvorschriften des nationalen Rechts, also auf die §§ 169 ff. AO. Gemäß § 169 Abs. 2 S. 1 AO beträgt die Festsetzungsfrist 10 Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen worden ist. Indem bei den Zollanmeldungen der nordkoreanische Warenursprung angegeben und so die Erhebung des Antidumpingzolls umgangen wurde, wurden dem Beklagten i. S. v. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige Angaben gemacht und dadurch Steuern verkürzt. Insofern wurde der objektive Tatbestand der Steuerhinterziehung verwirklicht. Davon, dass die Vertreter der Klägerin vorsätzlich handelten, ist auszugehen. Die Vortäuschung eines anderen Warenursprungs lässt sich nur mit dem Bemühen erklären, den Antidumpingzoll zu umgehen. Dass die Voraussetzungen der Steuerhinterziehung vorliegen, bestreitet die Klägerin selbst nicht substantiiert. Sie hat sich zwar auf Verjährung berufen, sie hat dies jedoch in keiner Weise begründet, insbesondere hat sie nichts zu den Voraussetzungen des § 169 Abs. 2 S. 1 AO vorgetragen.

26

Schließlich greift kein Nacherhebungsverbot gem. Art. 220 Abs. 2 lit. b) ZK. Danach erfolgt keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vernünftigerweise vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldungen eingehalten hat. Im Streitfall fehlt es - neben der erheblich zweifelhaften Gutgläubigkeit der Klägerin - an einem Irrtum des Beklagten. Einen Anspruch auf Absehen von der Nacherhebung der Einfuhrabgaben begründet nur ein Irrtum, der auf ein Handeln der zuständigen Behörde zurückzuführen ist (sog. aktiver Irrtum), nicht jedoch ein Irrtum, dem die Zollbehörde im Zeitpunkt der Abgabenerhebung wegen unzutreffender oder unvollständig Angaben des Abgabenschuldners unterlag (BFH, Urteil vom 07.06.2011, VII R 36/10). In den streitigen Einfuhrfällen ist die Abgabenfestsetzung auf die unzutreffende Ursprungsangabe zurückzuführen, so dass ein aktiver Irrtum ausscheidet.

27

Zweifel an der Höhe des festgesetzten Antidumpingzolls bestehen nicht, auch die Klägerin äußert insoweit keine Bedenken. Weiterer Ausführungen des Senats bedarf es daher nicht.

II.

28

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Nacherhebung von Drittlandszoll und Antidumpingzoll.

2

Die Klägerin meldete in der Zeit vom 30.07.2012 bis 05.10.2012 mit insgesamt sechs Zollanmeldungen Aluminiumheizkörper, die sie von dem in Malaysia ansässigen Unternehmen mit der Firma "A ..." (im Folgenden: Firma A) erworben hatte, unter der Position 7616 9910 910 mit einem Gesamtzollwert von rund € ... zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr mit steuerbefreiender Lieferung an. Unter Hinweis auf Ursprungszeugnisse nach Formblatt A, die vom malaysischen Ministry of International Trade and Industry (im Folgenden: MITI) ausgestellt worden waren und einen Ursprung der Ware in Malaysia bescheinigen, beantragte die Klägerin die Anwendung eines Präferenzzollsatzes. Im Einzelnen handelt es sich um die folgenden Zollanmeldungen:

3
        

Zollanmeldung

Datum 

Container

Ursprungszeugnis

1       

AT/C/42/...-1

30.07.12 

H...-1,

KL2012/...-1v.

                          

F...-2,

28.06.12

                          

T...-3

        

2       

AT/C/42/...-2

30.07.12

C...-4,

KL2012/...-2 v

                          

G...-5,

21.06.12

                          

H...-6,

        
                          

H...-7

        

3       

AT/C/42/...-3

09.08.12

F...-8,

KL2012/...-3 v.

                          

H...-9

13.07.12

4       

AT/C/42/...-4

28.08.12

H...-10,

KL2012/...-4 v.

                          

C...-11,

13.08.12

                          

G...-12

        

5       

AT/C/42/...-5

19.09.12

F...-13,

KL2012/...-5 v.

                          

T...-14,

22.08.12

                          

G...-15

        

6       

AT/C/42/...-6

05.10.12

H...-16,

KL2012/...-6 v.

                          

G...-17,

03.09.12

                          

F...-18

        

4

Die Ursprungszeugnisse enthalten in Feld 12 eine Erklärung des Ausführers, dass die Ware in Malaysia produziert worden sei, und in Feld 11 die Erklärung des MITI, dass "on the basis of control carried out" bestätigt werde, dass die Erklärung des Ausführers zutreffend sei.

5

Das Zollamt nahm die Zollanmeldungen an und erteilte anmeldungsgemäße Einfuhrabgabenbescheide unter Anwendung des Zollsatzes von 2,5% für Waren mit Ursprung aus Malaysia.

6

Nach Hinweisen auf eine mögliche Umgehung von Antidumpingzollmaßnahmen unternahm das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) vom 14. bis 18.01.2013 eine Missionsreise nach Malaysia. Aufgrund der dort gewonnenen Erkenntnisse dehnte es seine Untersuchungen auf die hier in Rede stehenden Aluminiumheizkörper aus. Mit Bericht vom 07.05.2013 (THOR 11467) teilte es den Mitgliedstaaten die Ergebnisse der Untersuchung zu Umgehungsmaßnahmen im Hinblick auf Aluminiumheizkörper mit (...). Nach Auswertung der Daten über Ein- und Ausgänge von Waren aus der malaysischen "Free Commercial Zone Port Klang" (Freizone) sei festgestellt worden, dass Aluminiumheizkörper aus der Volksrepublik (VR) China in die Freizone und von dort nach Umladung ohne weitere Be- oder Verarbeitung ins EU-Zollgebiet exportiert würden.

7

Der Beklagte erhob auf dieser Grundlage mit dem Einfuhrabgabenbescheid vom 04.11.2013 (AT/S/00/...) Zoll in Höhe von insgesamt ... € nach. Im Einzelnen handelt es sich um die Differenz zwischen dem Drittlandszollsatz von 6 % und dem ursprünglich angewandten Präferenzzollsatz von 2,5 % in Höhe von ... € sowie 61,4% Antidumpingzoll in Höhe von ... €. Grund für die Nacherhebung sei, dass die Heizkörper ihren Ursprung in der VR China hätten. Von dort aus seien sie nach Malaysia verschifft und nach Umladung ohne weitere Be- oder Verarbeitung ins EU-Zollgebiet ausgeführt worden. Die vorgelegten Ursprungszeugnisse könnten nicht anerkannt werden.

8

Den hiergegen eingelegten Einspruch vom 16.11.2013, den die Klägerin mit Schreiben vom 04.12.2013 und vom 21.02.2014 begründete, wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 26.02.2014 als unbegründet zurück. Rechtsgrundlage für die Nacherhebung sei Art. 220 Abs. 1 ZK. Maßgeblich für die Entstehung der Zollschuld sei die Annahme der Zollanmeldung (Art. 201 Abs. 2 ZK). Aufgrund der Ermittlungen von OLAF sei gesichert, dass die Ware nicht ihren Ursprung in Malaysia, sondern in der VR China habe. Daher sei die Differenz zwischen dem angewendeten Präferenzzollsatz und dem Drittlandszollsatz nachzuerheben. Nach Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1039/2012 sei der allgemeine Zollsatz i. H. v. 61,4 % anzuwenden, da die Klägerin keine Handelsrechnung eines Unternehmens vorgelegt habe, für die ein unternehmensspezifischer Zollsatz in der Verordnung festgelegt sei. Die Forderung sei nicht gemäß Art. 218 Abs. 2 Unterabs. 2 ZK verfristet. Die Art. 217 f. ZK befassten sich mit der buchmäßigen Erfassung. Die dort genannte Frist habe nur Bedeutung für die Abführung der Eigenmittel an die Kommission. Die nachträgliche buchmäßige Erfassung werde in Art. 220 ZK geregelt. Die Dreijahresfrist gemäß Art. 221 Abs. 3 ZK, die frühestens im Juli 2012 begonnen habe, sei bei Erlass des Abgabenbescheids im November 2013 noch nicht abgelaufen gewesen. Die Voraussetzungen des Vertrauensschutztatbestandes in Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) Unterabs. 1 ZK lägen nicht vor. Es sei schon kein aktiver Irrtum ersichtlich. Das Zollamt habe die Einfuhranmeldung und insbesondere die Angabe des Ursprungslandes ohne weitere Prüfung übernommen.

9

Hinsichtlich des nacherhobenen Zolls seien die erweiterten Möglichkeiten des Vertrauensschutzes nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) Unterabs. 2-5 ZK zu prüfen. Die Nichtanerkennung von Ursprungszeugnissen im Falle autonom gewährter Zollpräferenzen, zu denen auch die auf der Grundlage des Allgemeinen Präferenzsystems gewährten Handelserleichterungen für malaysische Waren gehörten, könne auch auf eigene Ermittlungen gestützt werden. Im vorliegenden Fall habe OLAF im Zusammenwirken mit den malaysischen Behörden festgestellt, dass die Heizkörper aus der VR China stammten. Ein Irrtum, der vernünftigerweise nicht habe erkannt werden können, liege grundsätzlich vor, wenn ein falsches Dokument von der zuständigen Behörde eines Drittlandes ausgestellt worden sei. Dies sei jedoch dann nicht der Fall, wenn die falsche Bescheinigung darauf zurückzuführen sei, dass die drittländische Behörde durch eine unrichtige Darstellung der Fakten vom Ausführer irregeführt worden sei. Bei der Ausstellung von Ursprungszeugnissen nehme die Zollstelle eine Schlüssigkeitsprüfung vor, auf deren Grundlage sie im Feld 11 des Ursprungszeugnisses den Ursprung bescheinige. Aus der Formulierung "on the basis of control carried out" ergebe sich kein aktiver Irrtum der malaysischen Behörden, weil hieraus kein Rückschluss auf eine tatsächliche aktive Prüfung gezogen werden könne. Aufgrund der OLAF-Ermittlungsergebnisse sei vielmehr gesichert, dass der Ausführer im Feld 12 unzutreffende Angaben gemacht habe. Da schon kein Irrtum vorliege, sei es unerheblich, ob die Klägerin gutgläubig gehandelt habe. Im Übrigen reiche es nicht aus, dass der malaysische Ausführer erklärt habe, die Heizkörper selbst hergestellt zu haben. Das Schreiben der Firma A vom 17.04.2012 enthalte das Versprechen, Aluminiumheizkörper mit den gewünschten Parametern und mit malaysischen Form A zu liefern. Im Lichte der OLAF-Ermittlungen genüge dieses Schreiben gerade nicht, Zweifel hinsichtlich betrügerischer Maßnahmen zu entkräften.

10

Mit der am 21.03.2014 erhobenen Klage, die zunächst unter dem Aktenzeichen 4 K 62/14 geführt wurde, verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Zeit der hier in Rede stehenden Einfuhren habe noch die Verordnung (EU) Nr. 402/212 vom 11.05.2012 zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls gegolten; Die Verordnung (EU) Nr. 1039/2012 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls sei erst am 09.11.2012 in Kraft getreten. Nach Art. 218 Abs. 2 Unterabs. 2 ZK müsse eine Zollschuld, die einen vorläufigen Antidumpingzoll betreffe, spätestens zwei Monate nach Veröffentlichung der Verordnung, mit der der endgültige Antidumpingzoll festgesetzt werde, buchmäßig erfasst werden. Diese Frist sei vorliegend nicht eingehalten worden, da der angefochtene Bescheid erst am 04.11.2013 erlassen worden sei. Der insoweit beweisbelastete Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass die Heizkörper ihren Ursprung in der VR China hätten. Aus dem OLAF-Bericht lasse sich allenfalls entnehmen, dass die hier in Rede stehenden Waren aus der VR China nach Malaysia verschifft worden seien; der chinesischen Ursprung ergebe sich hieraus nicht. Der OLAF-Bericht sei unrichtig und unvollständig. Produktionstätigkeit sei in der Freizone durchaus erlaubt. Die Klägerin habe mehrere Unternehmen ausfindig gemacht, die in der Freizone produzierten. Da der OLAF-Bericht insoweit mangelhaft sei, könne er nicht als Beweismittel herangezogen werden. Außerdem sei der Bericht sowie die angeblich erfassten Tatsachen der Klägerin nicht unmittelbar zugänglich gemacht worden. OLAF hätte zumindest vor Ort eine Kontrolle des Sachregisters durchführen müssen. Die Klägerin habe bei der EU-Kommission beantragt, ihr sämtliche Informationen zur Verfügung zu stellen, die als Tatsachengrundlage für den OLAF-Bericht verwendet worden seien.

11

Der Nacherhebungsbescheid sei hinsichtlich des Drittlandszolls rechtswidrig, weil ihm der Vertrauenstatbestand des Art. 220 Abs. 2 Buchst b) ZK entgegenstehe. Das MITI sei eine Zollbehörde im Sinne der Vorschrift. Ihm sei beim Ausstellen der Ursprungszeugnisse ein aktiver Irrtum unterlaufen, denn es habe nicht bloß die Angaben des Ausführers übernommen, sondern den Ursprung der Heizkörper selbst ermittelt. Das ergebe sich aus der verwendeten Formulierung "on the basis of control carried out".

12

Es könne dahinstehen, ob der Ausführer unrichtige Angaben gemacht habe. Sie führten nämlich nicht zur Versagung des Vertrauensschutzes, wenn die Behörde von den unrichtigen Angaben gewusst habe oder hätte wissen müssen, wovon vorliegend auszugehen sei, weil das MITI eigene Untersuchungen vorgenommen habe. Im Übrigen trage der Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für die Behauptung, der Ausführer habe unrichtige Angaben gemacht. Der OLAF-Bericht enthalte Unstimmigkeiten. Da Ziff. 7.1 im OLAF-Bericht geschwärzt sei, sei nicht ersichtlich, ob ihr Lieferant - die Firma A - dort aufgeführt sei. Durch die Analyse eines anderen Falles habe OLAF bestimmte chinesische und malaysische Vermittler identifizieren können. Wenn OLAF auf der Grundlage von Datenanalysen und abgeleiteter Marktkenntnisse zu dem Schluss kommen könne, dass bestimmte Unternehmen betrügerisch gehandelt hätten, stelle sich die Frage, warum das MITI hiervon keine Kenntnis gehabt habe. Dies lasse nur den Schluss zu, dass das MITI seine Pflichten bei der Prüfung der Ursprungszeugnisse verletzt habe.

13

Die Klägerin sei wegen der Erklärungen des Ausführers, dass die Heizkörper in Malaysia ursprungsbegründend verarbeitet bzw. hergestellt worden seien, gutgläubig gewesen. Zu Zweifeln an der Richtigkeit der Erklärungen habe sie keinen Anlass gehabt, weil auch in Malaysia Aluminiumheizkörper zusammengebaut werden könnten. Ihre Gutgläubigkeit ergebe sich nach Art. 220 Abs. 2 Buchst b) Unterabs. 2 ZK bereits aus dem Umstand, dass das MITI die Präferenznachweise ausgestellt habe. Außerdem habe auch der Lieferant erklärt, dass er die Heizkörper selbst ursprungsbegründend verarbeitete bzw. herstelle. Aus der Geschäftsbeziehung hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben, die die Richtigkeit dieser Angaben Zweifel hätte ziehen sollen. Aus den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass das MITI über eine bloße Schlüssigkeitsprüfung hinaus die Unterlagen aktiv geprüft habe. Das MITI habe ohne Vorlage einer Herstellerlizenz bescheinigt, dass die Waren vollständig in Malaysia erzeugt worden seien. Aus den Unterlagen ergebe sich, dass die Klägerin gutgläubig gewesen sei und gleichzeitig, dass das MITI die mutmaßlich falschen Angaben der Firma A hätte erkennen müssen.

14

Die Klägerin beantragt,
den Einfuhrabgabenbescheid vom 04.11.2013 (AT/S/00/...) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... 2014 (RL ...) aufzuheben.

15

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

16

Er bezieht sich auf seinen vorgerichtlichen Vortrag und führt ergänzend aus: Art. 218 Abs. 2 ZK sei nicht einschlägig, weil es hier um die nachträgliche buchmäßige Erfassung gehe. Hierauf sei allein Art. 220 ZK anzuwenden. In der Freizone sei keine Produktion erlaubt. Es sei bei der Freihandelszone Port Klang zwischen der "Free Commercial Zone" und der "Free Industrial Zone" zu unterscheiden. Der OLAF-Bericht betreffe die Free Commercial Zone und nicht die Free Industrial Zone. In der Freihandelszone gäbe es ausschließlich die von der zuständigen Behörde (Port Klang Authority) verwalteten und überwachten Verfahren ZB 1, ZB 2, ZB 3 und ZB 4. Bei der Ausfuhr aus der Freihandelszone müsse die Registriernummer des Wareneingangs angegeben werden. Die Anlage 3c zum OLAF-Bericht vom 07.05.2013 (...) enthalte die Liste der ZB2-Anmeldungen, mit denen die Heizkörper, um die es hier geht, aus Malaysia ausgeführt worden seien. Diesen Anmeldungen sei jeweils eine ZB1-Anmeldung zugeordnet. Durch den Abgleich der Daten habe nachgewiesen werden können, dass die Waren in Malaysia lediglich umgeladen worden seien. Der Vortrag der Klägerin zur Produktionstätigkeit anderer Firmen sei wenig zielführend. Im Übrigen habe sie keine Herstellungslizenz für die Firma A vorgelegt. Diese wäre nach dem einschlägigen malaysischen Recht erforderlich.

17

Auch für die Nacherhebung des Drittlandszolls, auf die sich die Klägerin jetzt nur noch beziehe, könne sie sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die aktenkundige Korrespondenz zwischen ihr und ihrer Lieferantin bestehe aus zwei Schriftstücken. Die Firma A habe im Schreiben vom 17.04.2012 in Aussicht gestellt, Aluminiumheizkörper mit malaysischen Form A zu liefern. Im Klageverfahren 4 K 55/15 habe die Klägerin noch ein Schriftstück vom 30.04.2012 vorgelegt, aus dem deutlich werden solle, dass sie davon habe ausgehen können, dass die Heizkörper in Malaysia produziert würden. Keines dieser allgemein gehaltenen Schriftstücke sei jedoch geeignet, substantiiert nachzuweisen, dass sich die Klägerin vergewissert habe, dass die Heizkörper eine Präferenzbehandlung erhalten könnten. Aus der vorgelegten Spontanmitteilung der ... Zollverwaltung ergebe sich, dass die Klägerin den Kaufpreis für die Aluminiumheizkörper aus Malaysia über eine Bankverbindung einer chinesischen Firma übermittelt habe und es sich hierbei nicht um das Unternehmen handele, dass in der Handelsrechnung für die Aluminiumheizkörper angegeben gewesen sei.

18

Ergänzend wird auf die Sachakte des Beklagten (2 Leitz-Ordner) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

19

I.
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Einfuhrabgabenbescheid Nr. AT/S/00/... vom 04.11.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... 2014 (RL ...) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

20

Ermächtigungsgrundlage für die Nacherhebung von Antidumpingzoll und Drittlandszoll ist Art. 220 Abs. 1 S. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. EG L 302/1; Zollkodex - ZK). Diese Norm ist trotz des Inkrafttretens des UZK noch anwendbar, da die Einfuhren und die Nacherhebung vor dem 01.05.2016 erfolgten. Gemäß Art. 220 Abs. 1 S. 1 ZK hat die nachträgliche buchmäßige Erfassung einer Zollschuld zu erfolgen, die nicht buchmäßig erfasst worden ist. Nicht heranzuziehen ist Art. 218 ZK, so dass die von der Klägerin behauptete Überschreitung der in Art. 218 Abs. 2 Unterabs. 2 ZK genannten Frist nicht relevant ist. Die Voraussetzungen von Art. 220 Abs. 1 S. 1 ZK sind erfüllt. Bisher nicht buchmäßig erfasst wurde der Antidumpingzoll, ohne dass sich die Klägerin auf Vertrauensschutz berufen kann (dazu 1.). Dasselbe gilt für den Drittlandszoll (dazu 2.).

21

1. Nicht erhoben wurde Antidumpingzoll in Höhe von 61,4 % gemäß Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 402/2012 vom 10.05.2012 zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Aluminiumheizkörpern mit Ursprung in der Volksrepublik China (ABl. EU L 124/17 vom 11.05.2012; im Folgenden: Vorläufige AD-Verordnung) i. V. m. Art. 2 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1039/2012 vom 29.10.2012 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren von Aluminiumheizkörpern mit Ursprung in der Volksrepublik China (ABl. EU L 310/1 vom 09.11.2012; im Folgenden: AD-Verordnung). Da zur Zeit der Einfuhren zwischen dem 30.07. und dem 05.10.2012 noch die Vorläufige AD-Verordnung galt, hätte der Antidumpingzoll in Form einer Sicherheit geleistet werden müssen (Art. 1 Abs. 3 Vorläufige AD-Verordnung). Mit Inkrafttreten der AD-Verordnung am 10.11.2012 wäre gemäß Art. 2 dieser Verordnung eine auf der Grundlage der Vorläufigen AD-Verordnung geleistete Sicherheit endgültig zu vereinnahmen gewesen. Wurde es versäumt, eine Sicherheit zu verlangen, kann nach Inkrafttreten der AD-Verordnung auf dieser Grundlage direkt der Zoll nachgefordert werden.

22

1.1 Die eingeführten Aluminiumheizkörper gehören zu den in Art. 1 Abs. 1 der Vorläufigen AD-Verordnung bzw. Art. 1 Abs. 1 der AD-Verordnung genannten Waren der Unterposition 7616 9990 91. Nach Art. 1 Abs. 2 der Vorläufigen AD- Verordnung sowie Art. 1 Abs. 2 der AD-Verordnung beträgt der Antidumpingzollsatz grundsätzlich die vom Beklagten geltend gemachten 61,4 % des Nettopreises frei Grenze unverzollt. Da der Hersteller der Heizkörper unbekannt ist, kann kein individueller Zollsatz zur Anwendung kommen.

23

1.2 Der Einzelrichter ist gemäß § 96 Abs. 1 S. 1 FGO davon überzeugt, dass die eingeführte Ware chinesischen Ursprungs ist. Der insoweit beweisbelastete Beklagte (BFH, Urt. v. 15.07.1986, VII R 145/85, juris, Rn. 15; FG Hamburg, Urt. v. 30.08.2005, IV 337/02, juris, Rn. 26; Urt. v. 02.03.2011, 4 K 25/10, S. 13 UA [n. v.]; Beschl. v. 22.04.2014, 4 V 50/14, S. 12 BA [n. v.]; FG Düsseldorf, Urt. v. 11.06.2014, 4 K 1226/13, juris, Rn. 28) hat diesen Nachweis geführt. Dies ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen, insbesondere dem Bericht des ZKA vom 23.10.2016 (Bl. 3 ff. der Sachakte), dem OLAF-Bericht vom 07.05.2013 THOR11467 (Bl. 8 ff. der Sachakte) sowie dem OLAF-Abschlussbericht OF/2012/05 22/B1 (Bl. 570 ff. der Sachakte). Im Einzelnen:

24

Mithilfe der von den malaysischen Behörden zur Verfügung gestellten Daten konnte OLAF den Reiseweg der 18 Container mit Aluminiumheizkörpern, die die Klägerin eingeführt hat, von Port Klang nach Hamburg nachvollziehen (Anhang 2 zum OLAF-Bericht vom 07.05.2013, Bl. 20 der Sachakte). Wie sich aus den überzeugenden Erläuterungen im OLAF-Abschlussbericht OF/2012/0522/B1, S. 6, ergibt, lässt sich der Wareneingang in die Freizone anhand einer ZB1-Nummer verfolgen. Auf dieser Grundlage ist der Einzelrichter davon überzeugt, dass - wie es sich aus Anhang 2 und Anhang 3c zum OLAF-Bericht vom 07.05.2013 ergibt - die hier in Rede stehenden Waren ursprünglich mit verschiedenen Containern unter den in Anhang 3c genannten ZB1-Nummern unter Angabe des Herkunftslandes "China" in die Freizone eingeführt wurden. Weiter folgt aus der ZB2-Meldung, bei der die entsprechende ZB1-Nummer angegeben werden musste, dass die Waren wenige Tage nach der Einfuhr (1, 2, 8, 8 bzw. 12 Tage) bzw. in einem Fall noch am selben Tag aus der Freizone exportiert wurden und auch hierbei als Herkunftsland der Ware "China" angegeben wurde. Ernsthafte Zweifel an der Datenerhebung und Verknüpfung der Wareneingänge und -ausgänge hat der Einzelrichter nicht. Der Einzelrichter hält auch die Herkunftsangabe "China" in den ZB1-Meldungen für ausreichend, um einen chinesischen Ursprung im zollrechtlichen Sinne nachzuweisen. Da während der Verschiffung der hier in Rede stehenden Einfuhren ein Untersuchungsverfahren über die Erhebung eines Antidumpingzolls auf chinesische Aluminiumheizkörper durchgeführt wurde, ist kein vernünftiger Grund erkennbar, warum man große Mengen Heizkörper von China nach Indonesien verschiffen sollte, die entgegen der Angabe in der Zollanmeldung nicht chinesischen Ursprungs sind.

25

Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Heizkörper in dem Teil der Freizone, der als Free Commercial Zone bezeichnet wird und auf den sich die Feststellungen von OLAF beziehen (siehe Ziff. 3.3.2 des Vermerks des ZFA, Bl. 4 der Sachakte), hergestellt oder ursprungsbegründend verarbeitet wurden. Nach den Angaben der Verwaltung der Freizone ist dort jede Form der Warenverarbeitung verboten (Anhang 2 zum OLAF-Abschlussbericht, Bl. 579 der Sachakte), so dass keine ursprungsbegründenden Tätigkeiten stattfinden dürfen. Dies betrifft den Teil der Freizone, die als Free Commerical Zone bekannt ist. Lediglich in einem weiteren Teil der Freizone, der Free Industrial Zone, ist auch die Herstellung von Waren erlaubt (siehe Free Zone Department, FAQs, Bl. 81 der Akte). Hierzu bedarf es allerdings u. a. einer "Herstellungserlaubnis" (manufacturing license) (PKFZ Rules & Regulations Section 1.1.5, 2.2.0). Vor dem Hintergrund der substantiierten Darlegungen des Beklagten sind weder der Hinweis darauf, dass es in der Freizone Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes gibt (siehe Anl. K1 und K2 zum Schriftsatz vom 31.05.2016), noch das pauschale Bestreiten der Feststellungen des OLAF-Berichts geeignet, die Überzeugung des Einzelrichters zu erschüttern. Hierzu wären etwa Ausführungen dazu erforderlich gewesen, dass die Firma A über eine Herstellererlaubnis verfügt und wie es möglich gewesen sein soll, dass in nur max. zwei Tagen - der Verweildauer von drei der sechs Lieferungen, um die es hier geht - eine ursprungsbegründende Verarbeitung stattgefunden hat.

26

Es steht der Überzeugungsbildung des Einzelrichters nicht entgegen, dass - wie die Klägerin es verlangt - OLAF im Rahmen der Untersuchung keine "Kontrolle des Sachregisters" der örtlich zuständigen Behörden durchgeführt hat. Da die Zollabwicklung elektronisch erfolgt, ist schon nicht klar, was die Klägerin mit dem Sachregister meint. Im Übrigen ist die Darstellung der ZB 1- und ZB 2-Meldungen, wie sie in der Anlage 3c zum OLAF-Bericht vom 07.05.2013 dargestellt sind, in sich stimmig und nachvollziehbar, so dass kein weiterer Bedarf für Nachforschungen besteht. Schließlich erschüttern auch die den Zollanmeldungen beigefügten präferentiellen Ursprungszeugnisse nicht die Überzeugung des Einzelrichters vom chinesischen Ursprung der Aluminiumheizkörper. Präferentielle Ursprungszeugnisse haben hinsichtlich des für die Erhebung des Antidumpingzolls maßgeblichen nichtpräferentiellen Ursprungs nur Indizwirkung (FG Düsseldorf, Urt. v. 11.06.2014, 4 K 1226/13 Z, juris Rn. 55). Diese Wirkung ist hier weggefallen, weil die in den Ursprungszeugnissen ausgewiesene Ursprungseigenschaft aufgrund des nach den OLAF-Feststellungen anzunehmenden chinesischen Ursprungs der eingeführten Ware gerade keine Bestätigung gefunden hat. Ferner sprechen auch die Ermittlungen der ... Zollbehörden, die diese in ihrem Bericht vom 28.05.2015 (Anlage zum Schriftsatz des Beklagten vom 09.11.2015) festgehalten haben, für eine chinesische Herkunft der Heizkörper. Dort wird dargelegt, dass Zahlungen für Aluminiumheizkörper, die in der Zeit vom 12.05. bis zum 31.12.2012 aus Port Klang eingeführt wurden, über das Konto der in Hongkong ansässigen "B ..." erfolgten. Die Klägerin hat keine plausible Erklärung dafür gegeben, warum der Kaufpreis an dieses Unternehmen und nicht an den Lieferanten, die Firma A, erfolgte. Der pauschale Hinweis in der mündlichen Verhandlung, dass es im Geschäftsleben häufig vorkomme, dass vertragliche Zahlungspflichten durch Leistung an Dritte erfüllt würden, ist insoweit nicht ausreichend.

27

Auch die mit Schriftsatz vom 16.05.2017 vorgelegten Unterlagen erschüttern die Überzeugung des Einzelrichters selbst dann nicht, wenn man unterstellt, dass es sich tatsächlich um Kopien der Unterlagen handelt, die bei Beantragung der hier in Rede stehenden Ursprungszeugnisse dem MITI vorlagen. Der einzige Widerspruch zur Darstellung der Sachlage im OLAF-Bericht, der sich aus diesen Unterlagen ergibt, ist das Vorliegen einer K2-Exportanmeldung, also einer Ausfuhr aus dem malaysischen Zollgebiet. Diese Exportanmeldung belegt jedoch nicht den malaysischen Ursprung der Ware. Vor dem Hintergrund der schlüssigen Darstellungen des OLAF-Berichts ist der Einzelrichter davon überzeugt, dass der Ausführer neben der ZB2-Meldung nur deshalb eine parallele K2-Meldung über die Ausfuhr derselben Ware aus dem malaysischen Zollgebiet erstellt hat, um diese zur Erschleichung eines malaysischen Ursprungszeugnisses vorzulegen.

28

1.3 Die Klägerin kann für die Nacherhebung des Antidumpingzolls keinen Vertrauensschutz beanspruchen. Nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) UAbs. 1 ZK erfolgt keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vernünftigerweise vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Bestimmungen über die Zollerklärung eingehalten hat. Die ergänzenden Voraussetzungen für die Gewährung von Vertrauensschutz nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) UAbs. 2-5 ZK gelten nicht für die Erhebung von Antidumpingzöllen, sondern nur den Präferenzstatus einer Ware (siehe unten 2.2).

29

Die Voraussetzungen von Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) UAbs. 1 ZK sind bereits deshalb nicht gegeben, weil es sich nicht um einen aktiven Irrtum handelt. Aktiver Irrtum bedeutet, dass die Zollbehörde den Irrtum aktiv begehen muss und ihm nicht lediglich unterliegen darf, etwa weil sie ungeprüft die Angaben in der Zollanmeldung übernommen hat. Vielmehr muss der Irrtum auf ein Handeln der Zollbehörde zurückzuführen sein (BFH, Beschl. v. 28.11.2005, VII B 116/05, juris, Rn. 7). Ein in diesem Sinne beachtlicher Irrtum der beteiligten Behörden liegt nicht vor, weil das beklagte Hauptzollamt die Zollanmeldungen ohne weitere Prüfung angenommen hat.

30

2. Der Beklagte hat auch zu Recht die Differenz zwischen dem Präferenzzoll und dem Drittlandszoll i. H. v. 6 % für die unter der Unterposition 7616 9910 910 eingeführte Ware nacherhoben.

31

2.1 Auch hinsichtlich des Drittlandszolls sind die Voraussetzungen des Art. 220 Abs. 1 S. 1 ZK erfüllt, wonach der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag nicht buchmäßig erfasst worden sein muss. Im vorliegenden Fall ist abweichend von den ursprünglichen Einfuhrabgabenbescheiden der nach Art. 20 Abs. 3 Buchst. a) ZK i. V. m. der Kombinierten Nomenklatur vorgesehene Drittlandszollsatz anzuwenden. Wenn sich bei einer nachträglichen Prüfung keine Bestätigung für die im Ursprungszeugnis nach Formblatt A enthaltene Angabe über den Warenursprung finden lässt, ist daraus zu schließen, dass die Ware unbekannten Ursprungs ist und dass das Zeugnis demnach zu Unrecht ausgestellt und der Vorzugstarif zu Unrecht gewährt worden ist (vgl. EuGH, Urt. v. 08.11.2012, C-438/11, Rn. 18 m. w. N.). So liegt der Fall hier. Nach den OLAF-Ermittlungen (siehe oben), hat der behauptete Ursprung nicht nur keine Bestätigung gefunden, sondern es steht zur Überzeugung des Einzelrichters fest, dass die Heizkörper tatsächlich aus der VR China stammen.

32

2.2 Die Klägerin kann auch keinen Vertrauensschutz beanspruchen.

33

Der Vertrauensschutztatbestand des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) UAbs. 1 ZK (siehe oben 1.3) wird ergänzt um die Unterabs. 2-5 von Art. 220 Abs. 2 ZK. Nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) Unterabs. 2 ZK gilt bei der Ermittlung des Präferenzstatus einer Ware im Rahmen eines Systems der administrativen Zusammenarbeit unter Beteiligung einer Behörde eines Drittlands die Ausstellung einer Präferenzbescheinigung durch diese Behörde, falls sich die Bescheinigung später als unrichtig erweist, als ein Irrtum, der vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte. Nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) Unterabs. 3 ZK stellt die Ausstellung einer unrichtigen Bescheinigung jedoch grundsätzlich keinen Irrtum dar, wenn die Bescheinigung auf einer unrichtigen Darstellung der Fakten durch den Ausführer beruht. Auch wenn es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Ausführer nachlässig gehandelt hat, trägt der Einführer die Beweislast dafür, dass die Ausstellung des Ursprungszeugnisses auf einer richtigen Darstellung der Fakten durch den Ausführer beruht, sofern die Präferenzbehandlung - wie auch hier im Wege des Allgemeinen Präferenzsystems - durch einen einseitigen Akt der EU eingeführt worden ist (EuGH, Urt. v. 08.11.2012, C-438/11, Rn. 38 - Lagura; s. a. Urt. v. 09.03.2006, C-293/04, Rn. 42 - Beemsterboer; FG Düsseldorf, Urt. v. 11.06.2014, 4 K 1226/13 Z, juris Rn. 98). Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn offensichtlich ist, dass die ausstellenden Behörden wussten oder hätten wissen müssen, dass die Waren die Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung nicht erfüllten. Das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Rückausnahme muss die Klägerin beweisen (EuGH, Urt. v. 09.03.2006, C-293/04, Rn. 45 - Beemsterboer; FG Hamburg, Beschl. v. 22.04.2014, 4 V 50/14, S. 10 f. BA [n. v.]; FG Düsseldorf, Urt. v. 11.06.2014, juris, Rn. 98 m. w. N.).

34

Nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) Unterabs. 4 ZK kann der Abgabenschuldner ferner Gutgläubigkeit nur geltend machen, wenn er darlegen kann, dass sie sich während der Zeit des betreffenden Handelsgeschäfts mit gebotener Sorgfalt vergewissert hat, dass alle Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung erfüllt worden sind. Ob die Klägerin ihrer Erkundigungspflicht nachgekommen ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob sie aufgrund ihrer Berufserfahrung die fehlende Ursprungseigenschaft hätte erkennen können, ob es sich etwa um ein ungewöhnliches Einfuhrgeschäft gehandelt hat oder ob sich ihr Zweifel hätten aufdrängen müssen, ob die Ursprungs begründende Herstellung im Ausfuhrland überhaupt möglich ist und ob diese Zweifel hätten ausgeräumt werden können (BFH, Urt. v. 16.12.2008, VII R 15/08, juris Rn. 19).

35

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

36

Bei der Nacherhebung des Drittlandzolls wegen des Wegfalls der gewährten Zollpräferenz für Malaysia gilt zwar die Ausstellung des mit der Einfuhranmeldung vorgelegten Ursprungszeugnisses, in dem das MITI den malaysischen Ursprung der Heizkörper bescheinigt hat, zunächst als Irrtum, da die Bescheinigung sich wegen des durch OLAF ermittelten chinesischen Ursprungs der Warensendungen als unrichtig erwiesen hat (siehe oben 1.2). Die Klägerin hat jedoch nicht bewiesen, dass der Ausführer bei den Ausfuhranmeldungen aus Malaysia richtige Angaben gemacht hat. Es ist - über die Angaben in der ZB2-Meldung - nach Aktenlage im Einzelnen unklar, welche Angaben der Ausführer bei der Ausstellung des Ursprungszeugnisses gemacht hat. Bei der ZB2-Meldung jedenfalls gab er als Ursprungsland die VR China an (siehe Anhang 3c zum OLAF-Bericht vom 07.05.2013). Aus dem Umstand allein, dass das Ursprungszeugnis ausgestellt wurde, kann die Klägerin nicht ableiten, dass der Ausführer richtige Angaben gemacht hat. Das MITI, das die Ursprungszeugnisse ausstellt, ist eine unabhängig von der Freizonenverwaltung arbeitende Behörde. Erst durch die Verknüpfung der ZB1-Einfuhrdaten mit den ZB2-Ausfuhrdaten wurde das MITI auf die unrichtige Ursprungsbescheinigung aufmerksam gemacht. Legt man die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen zu Grunde, wäre sogar bewiesen, dass der Ausführer unrichtige Angaben gemacht hat, indem er eine K2-Exportanmeldung vorlegte, obwohl die Ware nach den überzeugenden Ausführungen des OLAF-Berichts tatsächlich mit einer ZB2-Ausfuhranmeldungen exportiert worden ist (siehe oben). Selbst wenn man die Behauptungen der Klägerin als wahr unterstellt, dass das MITI die Möglichkeit zu einem Abgleich der bei Beantragung des Ursprungszeugnisses gemachten Angaben mit den ZB1-und ZB2-Registerdaten gehabt hätte, lässt sich daraus Nichts für die Klägerin ableiten. Das MITI hatte nämlich keinerlei Anlass, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen in Zweifel zu ziehen. Anders als die Klägerin meint, ist allein der Text in der vordruckmäßig erfolgten Bestätigung des Warenursprungs ("on the basis of control carried out") insofern nicht ausreichend, da damit keine Aussage darüber getroffen wird, ob es sich dabei um eine reine Dokumentenkontrolle oder um eine weitergehende Überprüfung gehandelt hat. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass das an der Umladung der aus der VR China stammenden Heizkörper beteiligte Unternehmen, C ..., dafür sorgte, dass die Container, in denen die Ware aus der VR China in die Freizone exportiert worden war, vor der Wiederausfuhr aus der Freizone getauscht wurden.

37

Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die malaysischen Zollbehörden wussten oder hätten wissen müssen, dass die Voraussetzungen für die Bescheinigung des malaysischen Ursprungs tatsächlich nicht gegeben sind. Hierbei ist es unerheblich, ob es besser gewesen wäre, wenn das MITI auf die Daten der malaysischen Zollbehörden und/oder der Freizonenverwaltung hätte zugreifen können, um falsche Angaben der Ausführer zu erkennen. Es steht den Staaten, die Präferenzzeugnisse für die Inanspruchnahme des Allgemeinen Präferenzsystems ausstellen, nämlich frei, in welcher Form sie entsprechende Verfahren organisieren. Auch die von OLAF ermittelten Unregelmäßigkeiten bei der Ausstellung von Ursprungszeugnissen für andere Waren mussten die malaysischen Behörden nicht veranlassen, in eine vertiefte Prüfung der materiellen Voraussetzungen für die Erteilung von Ursprungszeugnissen für die hier in Rede stehenden Aluminiumheizkörper einzusteigen.

38

Anders als die Klägerin meint, lässt sich aus den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen keine Hinweise für die grob fahrlässige Unkenntnis des MITI entnehmen. Zwar hat hiernach die Firma A lediglich (gefälschte) K2-Ausfuhranmeldungen vorgelegt, die für sich betrachtet nicht den malaysischen Ursprung der Ware belegen. Aus dem Genehmigungsschreiben des MITI vom 12.06.2012 (Ziff. 3 iii, iv) ergibt sich jedoch, dass die Firma A sich generell verpflichtet hat, Ursprungszeugnisse nur für Waren des eigenen Unternehmens zu beantragen und keine Transitlieferungen durchzuführen. Daher durfte das MITI ohne weitere Anhaltspunkte auch in den hier in Rede stehenden Fällen davon ausgehen, dass die Voraussetzungen des malaysischen Ursprungs erfüllt sind.

39

Unabhängig davon kann die Klägerin auch keine Gutgläubigkeit im Sinne von Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 4 ZK gelten machen. Sie hat nämlich nicht dargelegt, dass sie sich während der Zeit des betreffenden Handelsgeschäfts mit gebotener Sorgfalt vergewissert hat, dass alle Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung erfüllt wurden. Nach ihrem eigenen Vortrag vertraute die Klägerin ohne weitere Nachfrage auf den Rat ihres Zollagenten, die Heizkörper bei der Firma A zu bestellen. Im Schreiben vom 17.04.2012 (Bl. 297 der Sachakte) hat die Firma A noch nicht einmal bestätigt, dass die Waren aus Malaysia stammen, sondern lediglich in Aussicht gestellt, malaysische Ursprungszeugnisse zu beschaffen. Lediglich im Schreiben vom 30.04.2012 (Bl. 682 der Sachakte) sowie in der Auftragsbestätigung per E-Mail vom 30.04.2012 (Bl. 545 der Sachakte) verweist die Firma A auf ihren "producer in Malaysia". Damit bringt sie zum Ausdruck, dass sie nicht selbst die Waren herstellt. Um sich der malaysischen Herkunft der Heizkörper zu versichern, hätte die Klägerin damit zumindest nachfragen müssen, wo genau sich die Produktionsstätte befindet und wie das Unternehmen, das die Heizkörper produziert, heißt. Dies gilt insbesondere in Anbetracht des Auftragsvolumens von ca. € ... und der Tatsache, dass die Klägerin vor den hier in Rede stehenden Einfuhren Heizkörper aus der VR China bezogen hat und wegen der bevorstehenden Einführung von Antidumpingzöllen auf derartige Heizkörper Waren anderer Provenienz finden musste.

40

II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139

(1) Der Kläger kann seine Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, bei Verzicht auf die mündliche Verhandlung und nach Ergehen eines Gerichtsbescheides ist die Rücknahme nur mit Einwilligung des Beklagten möglich. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(1a) Soweit Besteuerungsgrundlagen für ein Verständigungs- oder ein Schiedsverfahren nach einem Vertrag im Sinne des § 2 der Abgabenordnung von Bedeutung sein können, kann die Klage hierauf begrenzt zurückgenommen werden. § 50 Abs. 1a Satz 2 gilt entsprechend.

(2) Die Rücknahme hat bei Klagen, deren Erhebung an eine Frist gebunden ist, den Verlust der Klage zur Folge. Wird die Klage zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluss ein. Wird nachträglich die Unwirksamkeit der Klagerücknahme geltend gemacht, so gilt § 56 Abs. 3 sinngemäß.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.