Bundesverwaltungsgericht Urteil, 25. Nov. 2015 - 6 C 21/14

ECLI:ECLI:DE:BVerwG:2015:251115U6C21.14.0
25.11.2015

Tatbestand

1

Die Klägerin ist eine Kirchengemeinde der Evangelischen Kirche im Rheinland; diese ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt. Der Beklagte steht als Pfarrer in einem Dienstverhältnis mit dieser Kirche; er ist als Seelsorger in einer Justizvollzugsanstalt tätig.

2

Im Jahr 2009 beschloss das Presbyterium der Klägerin, den Beklagten nicht mehr vertretungsweise zu Diensten und Aufgaben in der Kirchengemeinde heranzuziehen. Hiergegen rief der Beklagte das Kirchengericht an. Seinen Antrag, die Entscheidung durch eine einstweilige Anordnung aufzuheben, lehnte die Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche im Rheinland ab. Seine Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof der Union Evangelischer Kirchen mit der Begründung zurück, die Sache sei nicht eilig. Es sei dem Beklagten zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Das Beschwerdegericht gab dem Beklagten die Kosten des Beschwerdeverfahrens auf und setzte den Gegenstandswert auf 2 500 € fest.

3

Im Beschwerdeverfahren trat für die Klägerin ein Rechtsanwalt auf, der nicht - wie in der kirchengerichtlichen Verfahrensordnung als Regelfall vorgeschrieben - Mitglied einer Gliedkirche der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist, sondern der katholischen Kirche angehört. Für derartige Fälle sieht die Verfahrensordnung die Zulassung als Ausnahmefall vor. Der Rechtsanwalt stützte den Zulassungsantrag auf seine langjährige ehrenamtliche Tätigkeit im Bereich der Evangelischen Kirche und auf seine Vertrautheit mit den vielfältigen Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten. Der Vorsitzende des Beschwerdegerichts teilte den Beteiligten mit, die Zulassung sei erteilt worden, ohne den erforderlichen Gerichtsbeschluss herbeigeführt zu haben. Das Beschwerdegericht fasste diesen Beschluss erst nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens und sprach die Zulassung rückwirkend aus.

4

Der Urkundsbeamte der Verwaltungskammer setzte die vom Beklagten zu erstattenden Kosten der Klägerin für das Beschwerdeverfahren auf 330,34 € fest; dies entsprach dem Honorar des Rechtsanwalts auf der Grundlage des Gegenstandswertes. Die nach erfolgloser Erinnerung gegen den Kostenansatz erhobene Beschwerde des Beklagten wies der an die Stelle des Verwaltungsgerichtshofs getretene Verwaltungssenat des Kirchengerichtshofs der EKD mit der Begründung zurück, die Kosten der anwaltlichen Vertretung in einem Verfahren vor den Kirchengerichten gehörten zu den notwendigen Aufwendungen, deren Erstattung der obsiegende von dem unterlegenen Beteiligten verlangen könne.

5

Nachdem der Beklagte gegen einen von der Klägerin erwirkten Mahnbescheid in Höhe des Kostenansatzes Widerspruch eingelegt hatte, verwies das Amtsgericht den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht. Dieses hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von 330,34 € nebst Prozesszinsen verurteilt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten unter Ermäßigung der Zinsforderung zurückgewiesen. In den Gründen des Berufungsurteils heißt es im Wesentlichen:

6

Die Klägerin könne den Kostenerstattungsanspruch vor einem staatlichen Gericht einklagen. Aufgrund der Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes könnten staatliche Gerichte auch angerufen werden, um einen Vollstreckungstitel für die zwangsweise Durchsetzung kirchenrechtlicher Ansprüche zu erlangen. Die staatlichen Gerichte müssten Ansprüche, die die Kirchengerichte auf der Grundlage der kirchengerichtlichen Verfahrensordnung zugesprochen hätten, anerkennen, wenn die zugrunde liegenden innerkirchlichen Normen und Entscheidungen mit grundlegenden Verfassungsprinzipien wie dem Willkürverbot und elementaren Verfahrensrechten vereinbar seien. Einem weiter reichenden Geltungsanspruch der staatlichen Rechtsordnung stehe das grundgesetzlich gewährleistete Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften entgegen. Dieses umfasse die Gestaltung der internen Organisations- und Entscheidungsstrukturen sowie des Verfahrens der Entscheidungsfindung.

7

Danach sei der Kostenerstattungsanspruch der Klägerin mit der staatlichen Rechtsordnung vereinbar. Er beruhe überwiegend auf Bestimmungen der kirchengerichtlichen Verfahrensordnung, die dem staatlichen Prozessrecht nachgebildet seien. Dies gelte für die Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung wegen fehlender Eilbedürftigkeit, die Pflicht des unterlegenen Beteiligten zur Erstattung der verfahrensbedingt notwendigen Aufwendungen der Gegenseite und die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer anwaltlichen Vertretung. Das Erfordernis der Zugehörigkeit des Bevollmächtigten zu einer Gliedkirche der EKD sei einer Nachprüfung durch staatliche Gerichte entzogen, weil es Ausdruck des kirchlichen Selbstverständnisses sei. Dies müsse folgerichtig auch für die Zulassung von Ausnahmen und deren verfahrensrechtliche Handhabung gelten.

8

Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Abweisung der Zahlungsklage. Er trägt unter anderem vor, es widerspreche dem Selbstverständnis der Evangelischen Kirche, Pflichten ihrer Mitglieder durch staatliche Zwangsmaßnahmen durchzusetzen. Die Anwaltskosten seien nicht erstattungsfähig, weil der Rechtsanwalt der Klägerin ohne die kirchenrechtlich erforderliche Zulassung aufgetreten sei. Dies stelle einen groben Verfahrensfehler dar, der nicht rückwirkend habe geheilt werden können. Die Klägerin und der Vertreter des Bundesinteresses verteidigen das Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

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Die Frage nach der Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs stellt sich nicht, weil das Amtsgericht den Rechtsstreit bindend an das Verwaltungsgericht verwiesen hat (§ 17a Abs. 2 Satz 3 GVG).

10

Die zulässige Revision des Beklagten ist nicht begründet. Das Berufungsurteil beruht auf der zutreffenden Anwendung von Bundesrecht, nämlich der Bestimmungen des Grundgesetzes über die Rechtsschutzgewährung durch staatliche Gerichte nach Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 und Art. 92 GG und über das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften nach Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 WRV137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die grundgesetzliche Rechtsschutzgarantie gilt auch für Rechtspositionen, die durch das autonome, d.h. frei von staatlicher Mitwirkung gesetzte Recht der Religionsgesellschaften zur Regelung ihrer inneren Angelegenheiten begründet werden. Derartige Rechtspositionen können durch Klage vor einem staatlichen Gericht geltend gemacht werden, wenn dies erforderlich ist, um sie zwangsweise durchsetzen zu können (unter 1.). Ihre Anerkennung durch die staatlichen Gerichte steht unter dem Vorbehalt, dass sie mit der staatlichen Rechtsordnung vereinbar sind. Allerdings ist deren Geltungsanspruch aufgrund des grundgesetzlich gewährleisteten Selbstbestimmungsrechts der Religionsgesellschaften in Bezug auf die Ausübung der Organisationsgewalt durch die Religionsgesellschaften auf die Beachtung der Verfassungsgrundsätze des Art. 79 Abs. 3 GG, des Willkürverbots und elementarer rechtsstaatlicher Verfahrensgarantien beschränkt (unter 2.).

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1. Die Klägerin ist berechtigt, den Kostenerstattungsanspruch, den ihr die Gerichte der Evangelischen Kirchen zugesprochen haben, vor staatlichen Gerichten einzuklagen.

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a) Das Grundgesetz gewährleistet umfassend wirkungsvollen Rechtsschutz durch staatliche Gerichte. Soweit es nicht um Rechtsschutz gegen die öffentliche Gewalt im Sinne von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG geht, folgt dies aus den Grundrechten, insbesondere aus Art. 2 Abs. 1 GG, in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG (Rechtsstaatsprinzip) und Art. 92 GG. Jedermann kann die staatlichen Gerichte mit der Behauptung anrufen, in einer von der staatlichen Rechtsordnung vermittelten Rechtsposition verletzt zu sein. Neben dem Recht auf Zugang zu einem staatlichen Gericht vermittelt die Rechtsschutzgarantie das Recht auf eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Rechtsschutzbegehrens in einem förmlichen Verfahren und auf den Erlass einer gerichtlichen Entscheidung über dieses Begehren, die jedenfalls die Verfahrensbeteiligten bindet (Justizgewährungsanspruch). Auch muss die staatliche Rechtsordnung sicherstellen, dass Rechtspositionen, die ein staatliches Gericht unanfechtbar zuerkannt hat, durch staatliche Zwangsmaßnahmen durchgesetzt werden können. Die Rechtsschutzgarantie schließt nicht aus, dass der Zugang zu einem staatlichen Gericht unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch eine gesetzliche Verfahrensordnung an Voraussetzungen und Bedingungen geknüpft wird (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12. Februar 1992 - 1 BvL 1/89 - BVerfGE 85, 337 <345 f.>, vom 20. Juni 1995 - 1 BvR 166/93 - BVerfGE 93, 99 <107>, Beschluss des Plenums vom 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - BVerfGE 107, 395 <401>).

13

Die Rechtsschutzgarantie nach Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, Art. 92 GG stellt den Geltungsanspruch der staatlichen Rechtsordnung sicher. Daher erstreckt sie sich auch auf das autonom gesetzte Recht nichtstaatlicher Rechtsträger, deren bereichsspezifische Rechtsetzungsbefugnis die staatliche Rechtsordnung anerkennt. Derartige Befugnisse gelten nicht uneingeschränkt, sondern nur innerhalb der vom staatlichen Recht gezogenen Grenzen. Daher haben die staatlichen Gerichte nachzuprüfen, ob Verpflichtungen oder Versagungen von Berechtigungen, die im autonomen Recht vorgesehen sind, einer subjektiven Rechtsposition des staatlichen Rechts widersprechen. Dessen Geltungsanspruch hängt von Inhalt und Reichweite der Bindungen ab, denen das autonom gesetzte Recht unterliegt. Im Kollisionsfall hat das staatliche Recht Vorrang (BGH, Urteile vom 9. Juni 1997 - II ZR 303/95 - NJW 1997, 3368 und vom 11. Februar 2000 - V ZR 271/99 - NJW 2000, 1555 <1556>).

14

Darüber hinaus gewährleistet die Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes die Anrufung der staatlichen Gerichte, um eine durch das autonome Recht vermittelte Rechtsposition gegen den Willen des Verpflichteten durchzusetzen, wenn dies nicht auf andere Weise möglich ist. Die Rechtsschutzgarantie stellt insoweit das Korrelat des staatlichen Gewaltmonopols dar. Nur der Staat ist berechtigt, zur Durchsetzung von Rechten und Pflichten Zwangsmittel einzusetzen. Hierfür bedarf es eines Vollstreckungstitels, den nur die staatliche Rechtsordnung verleihen kann. Daher muss sie Inhabern einer Rechtsposition des autonomen Rechts die Möglichkeit eröffnen, einen Vollstreckungstitel zu erlangen. Hierfür kommen zwei Möglichkeiten in Betracht: Die staatliche Rechtsordnung kann vorsehen, dass staatliche Gerichte Entscheidungen nichtstaatlicher Rechtsträger für vollstreckbar erklären. Ansonsten müssen Rechtspositionen, die durch solche Entscheidungen zugesprochen werden, im Klageweg, d.h. im Erkenntnisverfahren, vor staatlichen Gerichten geltend gemacht werden. Sie sind von diesen anzuerkennen, wenn der Geltungsanspruch der staatlichen Rechtsordnung nicht entgegensteht (BVerwG, Urteil vom 10. April 2008 - 7 C 47.07 - NVwZ 2008, 1357 <1358>; Ehlers, in: ZevKR 49 <2004>, 496 <501 f., 508 ff.>).

15

b) Religionsgesellschaften sind nichtstaatliche Rechtsträger; sie leiten ihr Selbstverständnis und ihren Auftrag nicht vom Staat ab. Dementsprechend stehen sie außerhalb der Staatsorganisation; sie nehmen keine staatlichen Aufgaben wahr, unterliegen nicht der staatlichen Aufsicht und üben daher keine öffentliche Gewalt im Sinne von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG aus. Dies gilt auch für Religionsgesellschaften, die nach Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 5 WRV als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt sind. Der Körperschaftsstatus soll Eigenständigkeit und Unabhängigkeit stärken. Zu diesem Zweck eröffnet er die Möglichkeit, bestimmte der Selbstbestimmung unterfallende Angelegenheiten mit den Mitteln des öffentlichen Rechts zu regeln, die ansonsten dem Staat vorbehalten sind (BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2000 - 2 BvR 1500/97 - BVerfGE 102, 370 <387 f.>; Beschluss vom 30. Juni 2015 - 2 BvR 1282/11 - EuGRZ 2015, 503 <511 f.>).

16

Das Grundgesetz erkennt die Berechtigung der Religionsgesellschaften an, im Bereich ihrer inneren Angelegenheiten autonom Recht zu setzen. Dies folgt aus Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV; danach ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Damit gewährleistet das Grundgesetz das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften als unerlässliche Voraussetzung für die grundrechtlich geschützte Entfaltung des religiösen Selbstverständnisses (BVerfG, Beschlüsse vom 25. März 1980 - 2 BvR 208/76 - BVerfGE 53, 366 <400 ff.>, vom 14. Mai 1986 - 2 BvL 19/84 - BVerfGE 72, 278 <289> und vom 22. Oktober 2014 - 2 BvR 661/12 - BVerfGE 137, 273 Rn. 90). Das Selbstbestimmungsrecht erstreckt sich auf die Bestimmung der Organisationsstrukturen der Religionsgesellschaften und der internen Entscheidungszuständigkeiten für Normsetzung und Verwaltung, weil die Regelungen dieser Bereiche Ausdruck des religiösen Selbstverständnisses sind oder damit jedenfalls in einem untrennbaren Zusammenhang stehen (BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2000 - 2 BvR 1500/97 - BVerfGE 102, 370 <387 f.>; BVerwG, Urteil vom 10. April 2008 - 7 C 47.07 - NVwZ 2008, 1357 <1358>; BGH, Urteil vom 15. März 2013 - V ZR 156/12 - BGHZ 197, 61 Rn. 22). Diese Organisationsgewalt schließt die Befugnis ein, die verbindliche Entscheidung interner Streitigkeiten auf eigens eingerichtete Spruchkörper zu übertragen, deren Mitglieder weisungsfrei und während ihrer Amtszeit unabsetzbar sind. Hierzu gehören die Gerichte der Evangelischen Kirchen (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 - 2 C 19.12 - BVerwGE 149, 139 Rn. 27).

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Der Körperschaftsstatus nach Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 5 WRV erweitert die Befugnisse zur autonomen Rechtsetzung. Die dadurch verliehene Dienstherrenfähigkeit ermöglicht es den korporierten Religionsgesellschaften, die Beschäftigungsverhältnisse der Geistlichen und leitenden Mitarbeiter sowie deren Altersversorgung durch ein eigenes Dienst- und Versorgungsrecht zu regeln.

18

c) Die Rechtsschutzgarantie gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3, Art. 92 GG gilt auch für Angelegenheiten aus dem autonom geregelten Bereich der Religionsgesellschaften. Auch dieser Bereich ist nicht frei vom Geltungsanspruch der staatlichen Rechtsordnung, wie der Schrankenvorbehalt des Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV belegt (BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1986 - 2 BvL 19/84 - BVerfGE 72, 278 <289> und Kammerbeschluss vom 18. September 1998 - 2 BvR 1476/94 - NJW 1999, 349; BVerwG, Urteile vom 10. April 2008 - 7 C 47.07 - NVwZ 2008, 1357 <1358> und vom 27. Februar 2014 - 2 C 19.12 - BVerwGE 149, 139 Rn. 13 f.; BGH, Urteil vom 11. Februar 2000 - V ZR 271/99 - NJW 2000, 1555 <1556>). Daher können entsprechend den Ausführungen unter 1.a) die Organe, die verselbständigten, d.h. mit eigenen Befugnissen ausgestatteten Untergliederungen und die Mitglieder einer Religionsgesellschaft in internen Streitigkeiten die staatlichen Gerichte anrufen. Zum einen können sie mit der Behauptung um staatlichen Rechtsschutz nachsuchen, eine Entscheidung der Religionsgesellschaft verstoße gegen eine Rechtsposition, die ihnen das staatliche Recht vermittle. Zum anderen können sie die staatlichen Gerichte anrufen, um einen Vollstreckungstitel für eine anderweitig nicht durchsetzbare Rechtsposition des autonomen Rechts zu erlangen.

19

d) Die staatliche Rechtsordnung erkennt Entscheidungen auch der korporierten Religionsgesellschaften weder als Vollstreckungstitel an noch eröffnet sie die Möglichkeit, sie für vollstreckbar zu erklären. Dies gilt auch für Entscheidungen der Gerichte der Evangelischen Kirchen und deren Kostenfestsetzungen. Die Verwaltungsgerichtsordnung sieht nur Entscheidungen staatlicher Gerichte und darauf beruhende Kostenfestsetzungsbeschlüsse als Vollstreckungstitel vor (§ 168 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 VwGO; §§ 704, 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Auch sind Kirchengerichte wegen ihrer Einbettung in die Organisationsstrukturen der Religionsgesellschaft keine öffentlich-rechtlichen Schiedsgerichte, deren Schiedssprüche für vollstreckbar erklärt werden können (vgl. § 168 Abs. 1 Nr. 5 VwGO; § 794 Abs. 1 Nr. 4a ZPO). Hierunter fallen nur sogenannte echte Schiedsgerichte, die auf der Grundlage einer Schiedsvereinbarung nach Maßgabe der §§ 1029 ff. ZPO, § 173 Satz 1 VwGO tätig werden. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sie im Verhältnis zu den Beteiligten als neutrale und unabhängige Instanz ausgestaltet sind. Dies ist nicht der Fall, wenn sie einem Rechtsträger, über dessen Angelegenheiten sie entscheiden, rechtlich eingegliedert sind (BGH, Beschluss vom 27. Mai 2004 - III ZB 53/03 - NJW 2004, 2226; Heckmann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 168 Rn. 55; Ehlers, in: ZevKR 49 <2004>, 496 <504 f.>).

20

e) Aufgrund des grundgesetzlichen Selbstbestimmungsrechts der Religionsgesellschaften ist der staatliche Rechtsschutz subsidiär. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anrufung der staatlichen Gerichte besteht erst dann, wenn ein von der Religionsgesellschaft eröffneter interner Rechtsweg erfolglos ausgeschöpft worden ist (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 - 2 C 19.12 - BVerwGE 149, 139 Rn. 27; BGH, Urteil vom 28. März 2003 - V ZR 261/02 - BGHZ 154, 306 <312>). Diese Reihenfolge ist schon deshalb geboten, weil die staatlichen Gerichte nur dann zur Auslegung und Anwendung des autonomen Rechts berechtigt und verpflichtet sind, wenn sie die Religionsgesellschaft hierzu ermächtigt hat. Ansonsten sind sie auf die Prüfung beschränkt, ob Normen des autonomen Rechts und die darauf gestützten Entscheidungen mit der staatlichen Rechtsordnung vereinbar sind (BVerwG, Urteile vom 10. April 2008 - 7 C 47.07 - NVwZ 2008, 1357 <1358> und vom 27. Februar 2014 a.a.O. Rn. 14; BGH, Urteile vom 11. Februar 2000 - V ZR 271/99 - NJW 2000, 1555 <1556> und vom 28. März 2003 a.a.O. <312 f.>).

21

f) Im vorliegenden Fall lagen die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme staatlichen Rechtsschutzes vor: Die Gerichte der Evangelischen Kirchen haben der Klägerin einen Kostenerstattungsanspruch von 330,34 € gegen den Beklagten zugesprochen. Der Anspruch hat seine Rechtsgrundlage nach Grund und Höhe in der kirchengerichtlichen Verfahrensordnung in deren Auslegung und Anwendung durch das letztinstanzlich zuständige Kirchengericht. Da der Beklagte die innerkirchlich zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe erfolglos ausgeschöpft hat, steht fest, dass er kirchenrechtlich zur Zahlung verpflichtet ist. Aufgrund seiner Weigerung, diese Zahlungspflicht zu erfüllen, kann die Klägerin den Zahlungsanspruch nur zwangsweise durchsetzen. Hierfür benötigt sie einen Vollstreckungstitel in Gestalt des Urteils eines staatlichen Gerichts.

22

2. Die Zuerkennung des Kostenerstattungsanspruchs verstößt nicht gegen die staatliche Rechtsordnung, soweit deren Geltungsanspruch reicht.

23

a) Der Schrankenvorbehalt des für alle geltenden Gesetzes in Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV begründet kein hierarchisches Verhältnis der Über- und Unterordnung zwischen der staatlichen Rechtsordnung und dem autonom gesetzten Recht der Religionsgesellschaften. Einem generellen Vorrang des staatlichen Rechts steht entgegen, dass das Grundgesetz durch die Verleihung des Selbst-bestimmungsrechts eine materielle Wertentscheidung für die besondere Eigenständigkeit der Religionsgesellschaften gegenüber dem Staat getroffen hat. Den Religionsgesellschaften ist garantiert, dass sie ihr religiöses Selbstverständnis frei von jeglicher staatlicher Einflussnahme ausbilden, vertreten und ihr Handeln danach ausrichten können. Diese Gewährleistung umfasst die innere Organisation der Religionsgesellschaften, weil deren Aufbau das religiöse Selbstverständnis widerspiegelt oder damit jedenfalls in einem engen Zusammenhang steht. Von der Organisationsgewalt umfasst sind die gesamten Binnenstrukturen wie etwa die organisatorische Gliederung, die Entscheidungszuständigkeiten und die interne Willensbildung (BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1986 - 2 BvL 19/84 - BVerfGE 72, 278 <289>; BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 - 2 C 19.12 - BVerwGE 149, 139 Rn. 16). Hierunter fällt auch die Einrichtung intern unabhängiger Spruchkörper wie der Kirchengerichte der Evangelischen Kirchen, deren Besetzung, die ihnen übertragenen Zuständigkeiten, die Rechtsbehelfsmöglichkeiten, die Zulässigkeit einer anwaltlichen Vertretung, die Gestaltung des Verfahrens, die Entscheidungsfindung und die Erstattung von Verfahrenskosten.

24

Grundsätzlich stehen autonom gesetztes Recht der Religionsgesellschaften und Schrankenzweck der allgemeinen Gesetze in einer Wechselwirkung, der durch eine Güterabwägung Rechnung zu tragen ist. Dabei ist dem Selbstverständnis der Religionsgesellschaften besonderes Gewicht beizumessen. Je wichtiger ein Bereich für das Selbstverständnis ist, desto weiter ist der Geltungsanspruch des staatlichen Rechts zurückgenommen (BVerfG, Beschlüsse vom 25. März 1980 - 2 BvR 208/76 - BVerfGE 53, 366 <401>, vom 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703, 1718/83 und 856/84 - BVerfGE 70, 138 <167> und vom 22. Oktober 2014 - 2 BvR 661/12 - BVerfGE 137, 273 Rn. 106 ff.).

25

Aufgrund der zentralen Bedeutung der Organisationsgewalt für ihr Selbstverständnis steht den Religionsgesellschaften in diesem Bereich ein weit reichendes Selbstbestimmungsrecht zu. Der Geltungsanspruch der staatlichen Rechtsordnung ist auf die Beachtung wesentlicher Verfassungsgrundsätze beschränkt. Hierzu zählen die gegen jede Änderung geschützten Verfassungsprinzipien des Art. 79 Abs. 3 GG, das Willkürverbot und elementare rechtsstaatliche Anforderungen an das Verfahren der Entscheidungsfindung (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 - 2 C 19.12 - BVerwGE 149, 139 Rn. 19 ff.; BGH, Urteil vom 11. Februar 2000 - V ZR 271/99 - NJW 2000, 1555 <1556>). Die korporierten Religionsgesellschaften haben durch die Annahme des Körperschaftsstatus ihre Bereitschaft erklärt, diese grundlegenden Prinzipien umfassend zu beachten (BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2000 - 2 BvR 1500/97- BVerfGE 102, 370 <392 ff.>).

26

Das Selbstbestimmungsrecht jedenfalls der korporierten Religionsgesellschaften wird dadurch ergänzt, dass ihnen die Interpretationshoheit für ihr Recht zusteht, das sie aufgrund ihres Körperschaftsstatus gesetzt haben. Sie sind berechtigt, dessen Bedeutungsgehalt ohne staatliche Einflussnahme eigenständig zu bestimmen. Daher sind die staatlichen Gerichte nur befugt, dieses Recht selbst auszulegen und anzuwenden, wenn sie die Religionsgesellschaft hierzu ermächtigt hat. Ansonsten haben sie das Normverständnis der hierfür berufenen Organe der Religionsgesellschaften hinzunehmen. Der Rechtsschutzauftrag ist auf die Prüfung beschränkt, ob das Verständnis des autonom gesetzten Rechts, das den Entscheidungen der Religionsgesellschaften zugrunde liegt, mit der staatlichen Rechtsordnung vereinbar ist (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 - 2 C 19.12 - BVerwGE 149, 139 Rn. 27; BGH, Urteile vom 11. Februar 2000 - V ZR 271/99 - NJW 2000, 1555 <1556> und vom 28. März 2003 - V ZR 261/02 - BGHZ 154, 306 <312 f.>). Dementsprechend haben die staatlichen Gerichte in den hier maßgebenden Fragen, die die Gestaltung und Ausübung der kirchlichen Organisationsgewalt betreffen, nur nachzuprüfen, ob die der Kostenerstattung zugrunde liegenden Bestimmungen der kirchengerichtlichen Verfahrensordnung und deren Anwendung im vorliegenden Fall gegen die dargestellten Verfassungsprinzipien verstoßen.

27

b) Ein derartiger Verstoß liegt hier offenkundig nicht vor. Die für den Kostenerstattungsanspruch der Klägerin maßgebenden kirchenrechtlichen Bestimmungen stimmen inhaltlich vollständig mit dem staatlichen Verfahrensrecht überein, soweit sie die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ermöglichen, dem obsiegenden Beteiligten einen Anspruch auf Erstattung seiner verfahrensbedingten notwendigen Aufwendungen gegen den unterlegenen Beteiligten einräumen und eine betragsmäßige Festsetzung der zu erstattenden Kosten auf der Grundlage des festgesetzten Gegenstandswertes vorschreiben (§§ 51, 65 bis 67, 70 des kirchlichen Verwaltungsgerichtsgesetzes - VwGG - in der Fassung vom 15. Februar 2005 ). Das Erfordernis der Kirchenmitgliedschaft für Bevollmächtigte hat die staatliche Rechtsordnung als Ausdruck des Selbstverständnisses der Evangelischen Kirchen hinzunehmen (BVerwG, Urteil vom 21. November 1980 - 7 C 49.78 - NJW 1981, 1972). Dies muss folgerichtig auch für die Zulassung von Ausnahmen und das hierfür anzuwendende Verfahren gelten (§ 18 Abs. 1 und 2 VwGG).

28

Auch die Anwendung dieser Bestimmungen durch die Kirchengerichte ist mit den Vorgaben der staatlichen Rechtsordnung vereinbar: Die beantragte einstweilige Anordnung wäre auch bei Geltung des § 123 VwGO wegen fehlender Eilbedürftigkeit des Anliegens des Beklagten zu versagen gewesen. Das kirchliche Beschwerdegericht hat dargelegt, dass dem Beklagten durch das Zuwarten auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren keine beachtlichen Nachteile entstehen konnten. Die Kostentragungspflicht des Beklagten für das Beschwerdeverfahren ist nach § 66 Abs. 3 VwGG die zwingende Folge der Zurückweisung seiner Beschwerde; dies entspricht § 154 Abs. 2 VwGO. Die darauf beruhende Kostenerstattung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung beruht auf der Praxis der Kirchengerichte, die Beauftragung eines Rechtsanwalts in aller Regel für notwendig zu erklären. Das kirchliche Beschwerdegericht hat darauf hingewiesen, dass dies der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu § 162 Abs. 1 und 2 Satz 1 VwGO entspricht. Daraus folgt, dass der obsiegende Beteiligte von dem Unterlegenen seine nach dem Gegenstandswert bemessenen Anwaltskosten als notwendige Aufwendungen im Sinne von § 65 Abs. 1 Nr. 1 VwGG erstattet verlangen kann.

29

Die Zulassung des katholischen Rechtsanwalts der Klägerin als Ausnahmefall im Sinne des § 18 Abs. 2 VwGG war offenkundig nicht willkürlich. Vielmehr handelt es sich sowohl bei dem Engagement des Rechtsanwalts im Bereich der Evangelischen Kirche als auch bei dessen Vertrautheit mit dem Sach- und Streitstoff um sachliche, die Zulassung rechtfertigende Gründe. Die rückwirkende Zulassung für das Beschwerdeverfahren nach dessen Abschluss verstößt nicht gegen grundlegende Verfahrensgarantien der staatlichen Rechtsordnung wie etwa das Fairnessgebot. Das Versäumnis, den Rechtsanwalt rechtzeitig zuzulassen, beruhte auf einem Irrtum des Vorsitzenden des kirchlichen Beschwerdegerichts. Bei seiner Mitteilung, der Rechtsanwalt sei zugelassen, ging er entweder davon aus, der Rechtsanwalt sei wie in anderen Verfahren bereits in der ersten Instanz aufgetreten und dort zugelassen worden oder er hielt einen förmlichen Zulassungsbeschluss nicht für erforderlich. Die Beteiligten mussten bei verständiger Betrachtung mit der nachträglichen Beschlussfassung des kirchlichen Beschwerdegerichts rechnen, weil der Rechtsanwalt in anderen kirchengerichtlichen Verfahren der Beteiligten bereits in erster Instanz aus den von ihm angeführten Gründen zugelassen worden war. Auch wurde der Beklagte nicht in seiner Verfahrensführung beeinträchtigt.

30

3. Das Oberverwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht Prozesszinsen ab Eingang der Akten beim Amtsgericht als dem Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit der Klage zuerkannt (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB; § 17b Abs. 1 Satz 2 GVG; § 696 Abs. 3 ZPO). Das Klageverfahren vor den staatlichen Gerichten richtet sich nach dem dafür maßgebenden Prozessrecht. Daher gilt staatliches Recht auch für die materiell-rechtlichen Folgen bestimmter Prozesshandlungen.

31

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 92


Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch die in diesem Grundgesetze vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt.

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(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden.

(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.

(3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.

(4) Der Beschluß nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluß des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.

(5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander entsprechend.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch die in diesem Grundgesetze vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt.

Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.

(1) Es besteht keine Staatskirche.

(2) Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet. Der Zusammenschluß von Religionsgesellschaften innerhalb des Reichsgebiets unterliegt keinen Beschränkungen.

(3) Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.

(4) Religionsgesellschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes.

(5) Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften zu einem Verbande zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft.

(6) Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.

(7) Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen.

(8) Soweit die Durchführung dieser Bestimmungen eine weitere Regelung erfordert, liegt diese der Landesgesetzgebung ob.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung

1.
von Bundesrecht oder
2.
einer Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmt,
beruht.

(2) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im übrigen ist das Bundesverwaltungsgericht an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.

(1) Das Grundgesetz kann nur durch ein Gesetz geändert werden, das den Wortlaut des Grundgesetzes ausdrücklich ändert oder ergänzt. Bei völkerrechtlichen Verträgen, die eine Friedensregelung, die Vorbereitung einer Friedensregelung oder den Abbau einer besatzungsrechtlichen Ordnung zum Gegenstand haben oder der Verteidigung der Bundesrepublik zu dienen bestimmt sind, genügt zur Klarstellung, daß die Bestimmungen des Grundgesetzes dem Abschluß und dem Inkraftsetzen der Verträge nicht entgegenstehen, eine Ergänzung des Wortlautes des Grundgesetzes, die sich auf diese Klarstellung beschränkt.

(2) Ein solches Gesetz bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates.

(3) Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch die in diesem Grundgesetze vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch die in diesem Grundgesetze vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 271/99 Verkündet am:
11. Februar 2000
R i e g e l ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
-----------------------------------
GG Art. 2 Abs. 1; 20 Abs. 3; 92; 140 i.V.m. WRV Art. 137 Abs. 3;

a) Eine Kirchen- oder Religionsgemeinschaft (hier: jüdische Gemeinde) kann vor
den staatlichen Gerichten ein Mitglied auf Unterlassung in Anspruch nehmen,
auch wenn dazu innergemeinschaftliche Vorfragen (hier: zur Vertretung der Gemeinde
) geklärt werden müssen.

b) Ist die Vorfrage durch ein Schiedsgericht der Kirche oder Religionsgemeinschaft
entschieden (hier durch Einsetzung eines kommissarischen Vorstandes), so sind
die staatlichen Gerichte daran grundsätzlich gebunden.
BGH, Urt. v. 11. Februar 2000 - V ZR 271/99 - OLG Naumburg
LG Halle
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Februar 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die
Richter Dr. Vogt, Schneider, Prof. Dr. Krüger und Dr. Klein

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 14. Dezember 1998 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist eine jüdische Religionsgemeinschaft mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Im Dezember 1996 wurde der Beklagte in deren Vorstand gewählt und von diesem zum Vorsitzenden bestimmt. Diese Wahl wurde von dem früheren, im Oktober 1995 gewählten Vorstand und dessen Vorsitzenden nicht anerkannt. Es kam zu Streitigkeiten darüber, wer die Klägerin rechtswirksam vertrete. Das von beiden Vorsitzenden als Repräsentanten der streitenden Gruppen jeweils namens der Klägerin angerufene Schiedsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland erklärte mit Schiedsurteil vom 17. April 1997 beide Wahlen für ungültig und übertrug die Geschäftsführung kommissarisch einer von dem Präsidium des Zentralrats der Juden in Deutschland zu benennenden Person mit der Aufgabe, nach Vorlage eines Berichts des Landesrechnungshofs Neuwahlen durchführen zu lassen.
Zwischen dem kommissarisch eingesetzten Vorsitzenden und dem Beklagten kam es in der Folge zu Auseinandersetzungen um die Führung der Klägerin. Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zur Unterlassung folgender Handlungen zu verurteilen:
1. die Räume der Klägerin zu betreten,
2. die Geschäftsführung des kommissarischen Geschäftsführers zu behindern , insbesondere diesem den Zutritt zu den Verwaltungsräumen zu verwehren,
3. Einfluß auf die Verwaltungstätigkeit der Klägerin zu nehmen, insbesondere deren Angestellten organisatorische Weisungen zu erteilen,
4. sich als Vorstandsvorsitzenden der Klägerin zu bezeichnen und unter dieser Bezeichnung im Rechtsverkehr, insbesondere unter Verwendung eines entsprechenden Kopfbogens, des Davidsterns oder des Amtssiegels aufzutreten.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß sich der Klageantrag Nr. 1 erledigt hat. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision des Beklagten mit dem Ziel der Klageabweisung, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Klägerin stehe gegen den Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung gemäß §§ 862, 1004 BGB zu. Der Beklagte habe die ihm vorgeworfenen Handlungen eingeräumt. Die alleinige Vertretungsmacht des kommissarischen Vorsitzenden stehe aufgrund des Urteils des Schiedsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland als einer von einer "innerkirchlichen" Gerichtsbarkeit getroffenen Entscheidung fest. Um die autonome "kirchliche" Körperschaft nicht rechtsschutzlos zu stellen, müsse der Staat die Durchsetzung einer religionsintern getroffenen Entscheidung gewährleisten.
Das hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.

II.

1. Den Rechtsweg zu den Zivilgerichten hat schon das Landgericht durch unangefochtenen Beschluß bejaht. Dies bindet den Senat (§ 17 a GVG). Davon zu trennen ist die andere Frage, ob die Klägerin überhaupt bei staatlichen Gerichten um Rechtsschutz nachsuchen kann. Diese Frage ist auch in der Revisionsinstanz in vollem Umfang zu prüfen, weil es weder um den Rechtsweg unter den staatlichen Gerichten, noch um Fragen der Zuständigkeit (§ 549 Abs. 2 ZPO) geht.
Ohne Erfolg rügt die Revision insoweit, die Klage sei bereits als unzulässig abzuweisen, da eine rein innergemeinschaftliche Angelegenheit gegeben sei, die keiner Rechtskontrolle durch staatliche Gerichte unterliege.
Aus der dem Staat obliegenden Justizgewährungspflicht (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip; Art. 92 GG) folgt, daß die staatlichen Gerichte grundsätzlich zur Entscheidung aller Rechtsfragen berufen sind, deren Beurteilung sich nach staatlichem Recht richtet (BVerfG, NJW 1999, 349; BVerfGE 85, 337, 345; von Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Aufl., S. 365; Kästner, Staatliche Justizhoheit und religiöse Freiheit, S. 111). Insoweit kann es weder auf ein staatliches Einverständnis zur Inanspruchnahme der Gerichte durch Kirche bzw. Religionsgemeinschaft ankommen, noch ist die staatliche Gerichtsbarkeit gegenüber der Gerichtsbarkeit der Religionsgemeinschaft subsidiär (von Campenhausen, aaO, S. 205; ders., AöR 112 (1987) 623, 629; Bock, Der kirchliche Dienst und das staatliche Recht, in Das Recht der Kirche Bd. III, 531, 536). Sollte in BGHZ 46, 96, 101 und in BGHZ 34, 372, 374 hierzu etwas anderes zum Ausdruck gekommen sein, hält der Senat (der für die Beurteilung kirchenrechtlicher Verhältnisse zuständig ist) hieran nicht fest. Ist der Rechtsweg durch die staatlichen Prozeßordnungen allgemein eröffnet , widerspräche es dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), Ansprüche der Religionsgemeinschaften auf staatlichen Rechtsschutz anders zu behandeln als Ansprüche der anderen Rechtssubjekte (Weber, Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland (HdbStKirchR), 2. Aufl., S. 1051). Die Pflicht des Staates zur Justizgewährung hat deshalb sowohl gegen als auch zugunsten der Religionsgemeinschaften in gleicher Weise wie für und gegen alle Rechtssubjekte auf dem Staatsgebiet selbst dann zu gelten, wenn bei der Anwendung staatlicher Rechtssätze religionsgemeinschaftliche Vorfra-
gen zu klären sind (von Campenhausen, aaO, 627; Weber, NJW 1989, 2217, 2218 f; Rüfner, HdbStKirchR, S. 1090 f; Schmidt-Bleibtreu, GG, 9. Aufl., Art. 140 Rdn. 4 a).
Allerdings garantiert der über Art. 140 GG als Bestandteil des Grundgesetzes fortgeltende Art. 137 Abs. 3 WRV vom 11. August 1919 den Kirchen und Religionsgesellschaften, ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und zu verwalten (BVerfGE 18, 385, 386). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist diese Garantie eine notwendige, rechtlich selbständige Gewährleistung , die der Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 2 GG) die dazu unerläßliche Freiheit der Bestimmung über Organisation, Normsetzung und Verwaltung hinzufügt (BVerfGE 70, 138, 164 m.w.N.). Dieses religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmungsrecht ist neben der Religionsfreiheit (Art. 4 GG) und der Trennung von Staat und Kirche (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV) die dritte Säule der staatskirchenrechtlichen Ordnung des Grundgesetzes. Es gilt für alle Religionsgemeinschaften unabhängig davon, ob sie - wie die Klägerin - die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besitzen, privatrechtliche Vereine sind oder der Rechtsfähigkeit überhaupt entbehren (von Campenhausen, Staatskirchenrecht, aaO, S. 105 f) und schließt für rein "innerkirchliche" Maßnahmen jede staatliche Einmischung - auch eine Überprüfung durch staatliche Gerichte - in der Regel aus (BVerfG, NJW 1999, 350 m.w.N.; SchmidtBleibtreu , aaO, Art. 140 Rdn. 4 a).
Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften setzt folglich dem staatlichen Rechtsschutz Grenzen (Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 113). Selbstverwaltungsrecht und allge-
meine Gesetze sowie ihre Durchsetzung durch die staatlichen Gerichte stehen damit in einem Wechselverhältnis, dem durch entsprechende Güterabwägung Rechnung zu tragen ist. Dabei ist dem Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften besonderes Gewicht beizumessen (BVerfG, NJW 1999, 349, 350). Es kommt deshalb darauf an, ob und inwieweit die jeweils in Rede stehende Maßnahme von deren Selbstbestimmungsrecht erfaßt wird und die Schranken "des für alle geltenden Gesetzes" nicht überschreitet. Die Frage, ob eine Maßnahme diesem Bereich zuzurechnen ist oder den staatlichen Bereich berührt, entscheidet sich danach, was materiell, der Natur der Sache oder Zweckbeziehung nach, als eigene Angelegenheit der Kirche oder Religionsgemeinschaft anzusehen ist (BVerfGE 18, 385, 387). Zu den innergemeinschaftlichen Angelegenheiten gehört auch das Organisationsrecht, namentlich die Wahl der Vertretungsorgane. Der bürgerliche Rechtskreis der beteiligten Personenkreise wird durch solche Regeln nicht berührt (BVerfG NJW 1999, 350).
Das Berufungsgericht hat demnach die Klage zu Recht als zulässig erachtet. Streitgegenstand sind die von der Klägerin geltend gemachten Unterlassungsansprüche und nicht die Frage ihrer Vertretung, die lediglich eine Vorfrage ist. Das Klagebegehren ist zivilrechtlicher Natur. Das Zivilrecht gehört zu den "für alle geltenden Gesetzen" und nicht zu den innergemeinschaftlichen Angelegenheiten (von Campenhausen, aaO, 633; ders., Staatskirchenrecht, S. 121; Rüfner, aaO, S. 1091). Es ist somit nach staatlichem Recht zu beurteilen.
Daß dabei möglicherweise innergemeinschaftliche Regelungen oder Entscheidungen von präjudizieller Bedeutung sind für die Beurteilung des streitgegenständlichen Rechtsverhältnisses, steht dem nicht entgegen. Die
staatliche Gerichtsbarkeit kann wegen der Justizgewährungspflicht, die hier aus dem zivilrechtlichen Streitgegenstand folgt, einer Entscheidung nicht ausweichen , auch wenn im Rahmen der Begründetheit innergemeinschaftlichen Vorfragen in besonderer Weise Rechnung zu tragen ist (Sachs, DVBl 1989, 487, 494).
2. Rechtsfehlerfrei bejaht das Berufungsgericht einen Unterlassungsanspruch der Klägerin nach §§ 862, 1004 BGB. Diese Vorschriften sind, soweit es nicht ohnehin um Besitz und Eigentum der Klägerin geht, jedenfalls analog anwendbar , als die Klägerin damit den Schutz ihrer autonomen Verwaltungstätigkeit durch den eingesetzten kommissarischen Geschäftsführer geltend macht. Das zieht auch die Revision nicht in Zweifel. Das Berufungsgericht hat unangegriffen festgestellt, daß das Verhalten des Beklagten in der Vergangenheit die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen des in den Klageanträgen 2 bis 4 bezeichneten Rechtsbereichs der Klägerin begründet.
Mit Recht hat das Berufungsgericht im Hinblick auf die vorgreifliche Frage der Vertretung der Klägerin auf das insoweit die staatlichen Gerichte bindende Urteil des Schiedsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland vom 17. April 1997 abgestellt. Die Revisionsangriffe des Beklagten hiergegen greifen nicht durch.
Das Schiedsurteil ist eine Entscheidung in einer innergemeinschaftlichen Angelegenheit durch ein Gericht der Religionsgemeinschaft. Sie ist für den Senat bindend und einer Überprüfung nicht zugänglich. Dies folgt unmittelbar aus den oben unter I 1 dargestellten Grundsätzen über die Beachtung des Selbstbestimmungsrechts und die dadurch gegebene Begrenzung des
staatlichen Rechtsschutzes im Bereich der Religionsgemeinschaft. Zwar hat die Entscheidung des Schiedsgerichts über die Vertretung der Klägerin auch mittelbare Rechtswirkungen etwa im bürgerlichen Recht. Das rechtfertigt jedoch keine erweiterte Prüfungskompetenz staatlicher Gerichte. Vielmehr sind solche vorgreiflichen Entscheidungen selbst dann grundsätzlich zu respektieren (BGHZ 12, 321, 323; OVG Magdeburg, NJW 1998, 3070, 3071; OLG Naumburg NJW 1998, 3060, 3061; Sachs, aaO, 495; Heckel, aaO, S. 228; Rüfner, aaO, S. 1090; Johnsen, Nachprüfbarkeit kirchlicher Rechtshandlungen der staatlichen Gerichte (1956) S. 195 f; im Ergebnis auch Hesse, aaO, S. 136, der andernfalls die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen sieht), wenn das im Einzelfall dazu führen kann, daß staatliche Gerichte an der Durchsetzung von Entscheidungen mitwirken, von denen sie mangels vollständiger Überprüfbarkeit gar nicht wissen, ob die angeordneten Maßnahmen berechtigt sind (vgl. BGHZ 29, 352, 363 zum Vereinsrecht). Das ist im Hinblick auf das verfassungsrechtlich abgesicherte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften hinzunehmen, jedenfalls solange die Entscheidung nicht willkürlich ist oder gegen fundamentale Rechtsprinzipien verstößt (vgl. BVerfGE 70, 138, 168; Rüfner, aaO, S. 1090; Johnsen, aaO, S. 195). Das bezweifelt im Ansatz auch die Revision nicht.
Nicht gefolgt werden kann der Auffassung der Revision, das Schiedsgericht sei nur von "Privatpersonen" angerufen worden und könne schon deshalb zugunsten der Klägerin keine Bindungswirkung entfalten. Das Schiedsgericht angerufen haben sowohl der Beklagte als auch sein Konkurrent (als Repräsentanten der streitenden Gruppen innerhalb der Klägerin) jeweils - wie das Berufungsgericht unangefochten feststellt - namens der Klägerin, wobei jeder für sich in Anspruch nahm, rechtswirksam deren Vorstandsvorsitzender zu
sein. Auch das Ziel des Beklagten war es mithin, seine Vertretungsbefugnis für die Klägerin durch das Schiedsgericht feststellen zu lassen. Die für ihn (und seinen Konkurrenten) negative Entscheidung durch Schiedsurteil kann der Beklagte insoweit nicht dadurch in Frage stellen, daß er nunmehr hervorhebt, nach dem eigenen Standpunkt des Schiedsgerichts habe wegen Unwirksamkeit der vorangegangenen Wahlen weder er noch sein Konkurrent die Klägerin wirksam vertreten und sie damit dem Spruch des Schiedsgerichts unterwerfen können. Dies liefe sonst letztlich auf eine sachliche Überprüfung des Schiedsurteils hinaus, die den staatlichen Gerichten entzogen ist. Das Schiedsurteil entfaltet für diese vielmehr eine Art Tatbestandswirkung, die als solche nur festzustellen und zu respektieren ist.
Das Schiedsurteil verstößt weder gegen fundamentale Rechtsgrundsätze , noch ist es willkürlich. Zwar ist in § 15 Abs. 2 der Schiedsgerichtssatzung vorgesehen, das Gericht werde in Streitigkeiten satzungsrechtlicher Art nur nach Vorlage einer von den Streitparteien rechtswirksam unterzeichneten schriftlichen Unterwerfungserklärung tätig. Ob das Fehlen einer solchen Unterwerfungserklärung als Verfahrensfehler beurteilt werden könnte, mag offenbleiben. Die damals allein in Betracht kommenden Beteiligten, nämlich der Beklagte und sein Konkurrent, haben nämlich eine Entscheidung des Schiedsgerichts zur Vertretung der Klägerin nachgesucht und das Fehlen einer Unterwerfungserklärung nicht gerügt. Von einer willkürlichen Verfahrensweise kann mithin keine Rede sein. Der Beklagte verhält sich im übrigen auch treuwidrig, wenn er nunmehr das Schiedsurteil unter dem erörterten formalen Aspekt nicht gegen sich gelten lassen will.
Das Schiedsurteil ist als innergemeinschaftlicher Akt auch insoweit der Nachprüfung entzogen, als es um die Frage geht, ob das Gericht mit der Einsetzung eines vom Zentralrat der Juden zu benennenden kommissarischen Vorsitzenden seine Entscheidungskompetenz überschritten hat. In Anbetracht der von ihm selbst angenommenen Ungültigkeit beider vorangegangenen Wahlen war es weder willkürlich noch ein Verstoß gegen fundamentale Grundsätze , die Handlungsfähigkeit der Klägerin durch die Einsetzung eines Notgeschäftsführers wieder herzustellen, zumal - wie das Berufungsgericht auch unangegriffen feststellt - die wirtschaftliche Existenz der Klägerin unter Verwendung eines jährlichen Landeszuschusses in Höhe von 450.000 DM in hohem Grade gefährdet war.
Rechtlich zutreffend nimmt das Berufungsgericht auch an, daß die streitenden Konkurrenten das einmal ergangene Schiedsurteil nicht über eine Vereinbarung vom 29. Mai 1997 wieder aus der Welt schaffen konnten. Dieses Urteil erging zwar auf Veranlassung der damals Beteiligten, verhielt sich aber zur Vertretung der Klägerin, die es - wovon hier nach den obigen Ausführungen auszugehen ist - verbindlich regelte. Es begründete damit eine Rechtsposition zugunsten der Klägerin, die die um den Vorstandsvorsitz streitenden Beteiligten nicht mehr ohne deren Mitwirkung beseitigen konnten, zumal sie nach dem Ausgangspunkt des Schiedsurteils gerade nicht zur Vertretung der Klägerin berechtigt waren.
Soweit sich der Beklagte auf ein von ihm vorgelegtes Urteil eines israelischen Rabbinatsgerichts von 25. Juni 1997 bezieht, das die Unwirksamkeit des Schiedsurteils vom 17. Mai 1997 feststellt und eine Vertretung der Klägerin unter anderem durch den Beklagten annimmt, hat das Berufungsgericht unter
Auseinandersetzung mit entsprechenden Fachgutachten angenommen, dieses Urteil des Rabbinatsgerichts als eines sog. "Gerechtigkeitsgerichts" entfalte keine Rechtswirkungen gegenüber dem Schiedsurteil und verstoße im übrigen auch wegen Verletzung elementarer Grundsätze (Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör) gegen den "ordre public". Ob die dagegen vorgebrachten Rügen der Revision durchgreifen, kann offenbleiben, weil nach dem unstreitigen Sachvortrag das Urteil des Rabbinatsgerichts später wieder aufgehoben worden ist.
Regelt mithin das Schiedsurteil die Vertretung der Klägerin verbindlich auch gegenüber dem Beklagten bis zu der vom kommissarischen Vorsitzenden durchzuführenden Neuwahl eines neuen Vorstands, so folgt daraus, daß die vom Beklagten einberufene außerordentliche Mitgliederversammlung vom 25. Mai 1997 und die dort gefaßten Beschlüsse zur Abberufung des kommissarischen Geschäftsführers die rechtswirksame Vertretung der Klägerin durch diesen nicht in Frage stellen können. Daß dies nach innergemeinschaftlichem Recht anders sein könnte, hat der Beklagte nicht hinreichend dargetan.
Offenbleiben kann, ob die vom kommissarischen Geschäftsführer der Klägerin veranlaßte Ausarbeitung einer neuen Satzung und Wahlordnung sowie die Beschlußfassung hierüber aus dem Jahre 1998 rechtswirksam ist; denn diese Vorgänge können an der Vertretung der Klägerin ohnehin nichts ändern. Den staatlichen Gerichten steht es auch nicht zu, darüber zu befinden, ob entgegen dem Schiedsurteil die Notgeschäftsführung bei der Klägerin durch Zeitablauf beendet ist. Das Schiedsurteil hat eine kommissarische Vertretung der Klägerin angeordnet bis zur Durchführung neuer Vorstandswahlen.
3. Das Berufungsgericht hat im Tenor seiner Entscheidung festgestellt, daß der Klageantrag Nr. 1 erledigt sei, ist hierauf in den Entscheidungsgründen aber nicht weiter eingegangen. Soweit die Revision insoweit eine Rüge nach § 551 Nr. 7 ZPO erhebt, greift sie nicht durch. Eine Begründung ist nämlich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmen. Der Antrag Nr. 1 war darauf gerichtet, dem Beklagten das Betreten der Gemeinderäume zu verbieten , weil der Geschäftsführer ihm aufgrund gewisser Vorgänge Hausverbot erteilt hatte. Nachdem dieses Hausverbot während des Rechtsstreits wieder aufgehoben worden ist, erklärte die Klägerin den Antrag Nr. 1 für erledigt. Der Teilerledigungserklärung hat sich der Beklagte nicht angeschlossen. Da die Klage entsprechend den vorstehenden Ausführungen begründet war, ist die streitige Erledigungsfeststellung durch das Berufungsgericht nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Vogt Schneider Krüger Klein

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.

(1) Es besteht keine Staatskirche.

(2) Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet. Der Zusammenschluß von Religionsgesellschaften innerhalb des Reichsgebiets unterliegt keinen Beschränkungen.

(3) Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.

(4) Religionsgesellschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes.

(5) Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften zu einem Verbande zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft.

(6) Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.

(7) Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen.

(8) Soweit die Durchführung dieser Bestimmungen eine weitere Regelung erfordert, liegt diese der Landesgesetzgebung ob.

Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.

(1) Es besteht keine Staatskirche.

(2) Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet. Der Zusammenschluß von Religionsgesellschaften innerhalb des Reichsgebiets unterliegt keinen Beschränkungen.

(3) Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.

(4) Religionsgesellschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes.

(5) Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften zu einem Verbande zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft.

(6) Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.

(7) Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen.

(8) Soweit die Durchführung dieser Bestimmungen eine weitere Regelung erfordert, liegt diese der Landesgesetzgebung ob.

Tenor

1. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 4 Absatz 1 und Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 140 des Grundgesetzes und Artikel 137 Absatz 3 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 (Weimarer Reichsverfassung). Das Urteil wird aufgehoben. Die Sache wird an das Bundesarbeitsgericht zurückverwiesen.

2. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde verworfen.

3. Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin ein Drittel ihrer notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

A.

1

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die Frage, in welchem Umfang die arbeitsvertragliche Festlegung glaubensbezogener Loyalitätserwartungen durch einen kirchlichen Arbeitgeber und die Gewichtung eines durch den Arbeitnehmer hiergegen begangenen Verstoßes im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens der eigenständigen Überprüfung und Beurteilung seitens der staatlichen Gerichte zugänglich sind.

I.

2

1. Die Arbeit im sozial-karitativen Sektor, vor allem in der Kranken- und Altenpflege, der Behindertenbetreuung sowie der Kinder- und Jugenderziehung stellt neben der Verkündigung des Evangeliums und der Feier der Eucharistie einen Tätigkeitsschwerpunkt der christlichen Kirchen dar. Die Aufgabenwahrnehmung erfolgt dabei entweder unmittelbar durch kirchliche Untergliederungen oder durch rechtlich verselbständigte Vereinigungen und Einrichtungen, die überwiegend in den Wohlfahrtsverbänden der Caritas (römisch-katholische Kirche) und der Diakonie (evangelische Landeskirchen) zusammengeschlossen sind. Die Wohlfahrtsverbände und die einzelnen Träger der Einrichtungen sind regelmäßig als juristische Personen des Privatrechts organisiert. Deren ideelle und organisatorische Verbindungen zur jeweiligen Kirche werden meist durch Satzungsbestimmungen geregelt, die die inhaltliche und personelle Ausrichtung auf die verfasste Kirche festlegen.

3

Seit den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts ist die Zahl der kirchlichen Arbeitnehmer sprunghaft angewachsen. Ursachen dieser Entwicklung sind zum einen die gesellschaftlich bedingte Ausweitung kirchlich getragener Tätigkeiten, vor allem im Bereich der Wohlfahrtspflege, die eine zunehmende Professionalisierung der Mitarbeiter erforderte, zum anderen die kontinuierlich abnehmende Zahl der Angehörigen von Orden und ähnlichen Gemeinschaften, die früher zahlreiche Sozial- und Bildungseinrichtungen betrieben hatten (vgl. Isensee, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 2, 2. Aufl. 1995, § 59, S. 665 <672 f.>). Aufgrund dieser Entwicklung erwies es sich für die Kirchen als unausweichlich, in großem Umfang auch fremdkonfessionelle und nichtchristliche Arbeitnehmer in den kirchlichen Dienst einzubeziehen, um den steigenden Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften zu decken.

4

2. Der Gesamtheit des kirchlichen Dienstes liegt nach dem Selbstverständnis der christlichen Kirchen das Leitbild der Dienstgemeinschaft zugrunde (vgl. hierzu bereits: BVerfGE 53, 366 <403 f.>; 70, 138 <165>). Es beschreibt die kirchenspezifische Besonderheit ihres Dienstes, die sich auf ein Gemeinschaftsverhältnis zwischen kirchlichem Arbeitgeber und kirchlichem Arbeitnehmer bezieht und auf die religiöse Bindung des Auftrags kirchlicher Einrichtungen gerichtet ist. Grundgedanke der Dienstgemeinschaft ist die gemeinsam getragene Verantwortung aller im kirchlichen Dienst Tätigen - sei es als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, leitend oder untergeordnet, verkündigungsnah oder unterstützend - für den Auftrag der Kirche (vgl. Keßler, in: Festschrift für Wolfgang Gitter, 1995, S. 461 <465>).

5

Nach dem Selbstverständnis der Kirchen erfordert der Dienst am Herrn die Verkündigung des Evangeliums (Zeugnis), den Gottesdienst (Feier) und den aus dem Glauben erwachsenden Dienst am Mitmenschen (Nächstenliebe). Wer in Einrichtungen tätig wird, die der Erfüllung eines oder mehrerer dieser christlichen Grunddienste zu dienen bestimmt sind, trägt demnach dazu bei, dass diese Einrichtungen ihren Teil am Heilswerk Jesu Christi leisten und damit den Sendungsauftrag seiner Kirche erfüllen können (vgl. Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 6. Aufl. 2012, § 4 Rn. 10; Zweites Vatikanisches Konzil, Apostolicam Actuositatem <"Dekret über das Laienapostolat">, Art. 2, zum römisch-katholischen Verständnis).

6

3. Zum Schutz der Integrität der Dienstgemeinschaft und zur Wahrung der Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung in der Öffentlichkeit nehmen kirchliche Arbeitgeber für sich in Anspruch, arbeitsvertraglich gegenüber ihren Arbeitnehmern besondere Loyalitätserwartungen einzufordern, um die Beachtung der tragenden Grundsätze ihrer jeweiligen Glaubens- und Sittenlehre zu gewährleisten.

7

a) Diese sogenannten Loyalitätsobliegenheiten begründen nicht vertragliche Nebenpflichten in Bezug auf die Erbringung der rechtsgeschäftlich zugesagten Dienstleistung, sondern betreffen allgemein das - auch außerdienstliche - Verhalten des Arbeitnehmers (vgl. Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 6. Aufl. 2012, § 6 Rn. 24, m.w.N.). Ihnen fehlt regelmäßig die "Qualität erzwingbarer Rechtspflichten" (BVerfGE 70, 138 <141>). Ihre Missachtung durch den Arbeitnehmer führt jedoch unter Umständen dazu, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem illoyalen Mitarbeiter für den kirchlichen Arbeitgeber unzumutbar wird und ihn zur Kündigung berechtigt.

8

b) Inhalt und Umfang der arbeitsrechtlichen Loyalitätsobliegenheiten können sich über die gesetzlichen Kündigungsvorschriften auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses auswirken. Im Falle der Verletzung einer Loyalitätsobliegenheit kommt sowohl eine ordentliche (§ 1 Abs. 1 KSchG) als auch eine außerordentliche (§ 626 Abs. 1 BGB) Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht. Ab Mitte der 1970er Jahre entwickelte sich unter sukzessiver Aufgabe früherer Ansätze in der Rechtsprechung (vgl. BAGE 2, 279 ff.) eine neue höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der die Festlegung besonderer Loyalitätsobliegenheiten nur noch für solche kirchlichen Arbeitnehmer möglich sein sollte, deren Tätigkeit in unmittelbarem Zusammenhang mit dem kirchlichen Verkündigungsauftrag stand (vgl. BAG, Urteil vom 25. April 1978 - 1 AZR 70/76 -, juris, Rn. 33; Urteil vom 4. März 1980 - 1 AZR 125/78 -, juris, Rn. 26; Urteil vom 14. Oktober 1980 - 1 AZR 1274/79 -, juris, Rn. 43 ff.; Urteil vom 21. Oktober 1982 - 2 AZR 591/80 -, juris, Rn. 36 f.; Urteil vom 23. März 1984 - 7 AZR 249/81 -, juris, Rn. 39; Urteil vom 31. Oktober 1984 - 7 AZR 232/83 -, juris, Rn. 32). Die Feststellung, ob eine solche "kirchenspezifische" Tätigkeit im konkreten Einzelfall vorlag, sollte hierbei - in Anlehnung an die Rechtsprechung zur Kündigung von Tendenzträgern in Tendenzbetrieben - der vollumfänglichen Überprüfung durch die staatlichen Arbeitsgerichte unterliegen (vgl. nur: BAG, Urteil vom 14. Oktober 1980 - 1 AZR 1274/79 -, juris, Rn. 45; Urteil vom 21. Oktober 1982 - 2 AZR 591/80 -, juris, Rn. 36 f.).

9

c) Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat durch Beschluss vom 4. Juni 1985 (BVerfGE 70, 138 ff.) festgestellt, dass diese arbeitsgerichtliche Rechtsprechung gegen das kirchliche Selbstbestimmungsrecht (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV) verstößt und den verfassten Kirchen grundsätzlich die verbindliche Entscheidung darüber zugesprochen, was "die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung erfordert", was "spezifisch kirchliche Aufgaben" sind, was "Nähe" zu ihnen bedeutet, welches die "wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre" sind und was als - gegebenenfalls schwerer - Verstoß gegen diese anzusehen ist. An diese Einschätzung seien die Arbeitsgerichte gebunden, es sei denn, sie begäben sich dadurch in Widerspruch "zu Grundprinzipien der Rechtsordnung" (so BVerfGE 70, 138 <168>; vgl. auch: BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 31. Januar 2001 - 1 BvR 619/92 -, juris; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7. März 2002 - 1 BvR 1962/01 -, juris).

10

d) Für die römisch-katholische Kirche verabschiedete die Gesamtheit der deutschen (Erz-)Bischöfe am 22. September 1993 eine Fortschreibung der "Erklärung der deutschen Bischöfe zum kirchlichen Dienst" (nachfolgend: Erklärung) sowie die "Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse" (nachfolgend: Grundordnung, GrO), durch die in Ausübung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts die verfassungsgerichtlich anerkannten Freiräume durch eine eigene kirchenrechtliche Regelung in einer zugleich rechts- und sozialstaatlichen Anforderungen genügenden Weise ausgefüllt werden sollten (vgl. Dütz, NJW 1994, ,S. 1369 <1369>). Ausgehend vom Leitbild der christlichen Dienstgemeinschaft setzt die Grundordnung die grundlegenden Aussagen der Erklärung zur Eigenart des kirchlichen Dienstes, zu den Anforderungen an Träger und Leitung kirchlicher Einrichtungen sowie an die Mitarbeiter, zur Koalitionsfreiheit und zum besonderen Regelungsverfahren zur Beteiligung der Mitarbeiter an der Gestaltung ihrer Arbeitsverhältnisse (sogenannter Dritter Weg) sowie zum gerichtlichen Rechtsschutz normativ um.

11

Die wesentlichen Vorschriften der Grundordnung betreffend die Auferlegung von Loyalitätsobliegenheiten und die arbeitsrechtliche Ahndung von Verstößen hiergegen lauten:

Art. 1. Grundprinzipien des kirchlichen Dienstes

Alle in einer Einrichtung der katholischen Kirche Tätigen tragen durch ihre Arbeit ohne Rücksicht auf die arbeitsrechtliche Stellung gemeinsam dazu bei, dass die Einrichtung ihren Teil am Sendungsauftrag der Kirche erfüllen kann (Dienstgemeinschaft). Alle Beteiligten, Dienstgeber sowie leitende und ausführende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, müssen anerkennen und ihrem Handeln zugrunde legen, dass Zielsetzung und Tätigkeit, Organisationsstruktur und Leitung der Einrichtung, für die sie tätig sind, sich an der Glaubens- und Sittenlehre und an der Rechtsordnung der katholischen Kirche auszurichten haben.

Art. 3. Begründung des Arbeitsverhältnisses

(1) Der kirchliche Dienstgeber muss bei der Einstellung darauf achten, dass eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter die Eigenart des kirchlichen Dienstes bejahen. Er muss auch prüfen, ob die Bewerberin und der Bewerber geeignet und befähigt sind, die vorgesehene Aufgabe so zu erfüllen, dass sie der Stellung der Einrichtung in der Kirche und der übertragenen Funktion gerecht werden.

(2) Der kirchliche Dienstgeber kann pastorale, katechetische sowie in der Regel erzieherische und leitende Aufgaben nur einer Person übertragen, die der katholischen Kirche angehört.

(…)

(5) Der kirchliche Dienstgeber hat vor Abschluss des Arbeitsvertrages durch Befragung und Aufklärung der Bewerberinnen und Bewerber sicherzustellen, dass sie die für sie nach dem Arbeitsvertrag geltenden Loyalitätsobliegenheiten (Art. 4) erfüllen.

Art. 4. Loyalitätsobliegenheiten

(1) Von den katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennen und beachten. Insbesondere im pastoralen, katechetischen und erzieherischen Dienst sowie bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die aufgrund einer Missio canonica tätig sind, ist das persönliche Lebenszeugnis im Sinne der Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre erforderlich. Dies gilt auch für leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

(2) Von nichtkatholischen christlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die Wahrheiten und Werte des Evangeliums achten und dazu beitragen, sie in der Einrichtung zur Geltung zu bringen.

(…)

(4) Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben kirchenfeindliches Verhalten zu unterlassen. Sie dürfen in ihrer persönlichen Lebensführung und in ihrem dienstlichen Verhalten die Glaubwürdigkeit der Kirche und der Einrichtung, in der sie beschäftigt sind, nicht gefährden.

Art. 5. Verstöße gegen Loyalitätsobliegenheiten

(1) Erfüllt eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter die Beschäftigungsanforderungen nicht mehr, so muss der Dienstgeber durch Beratung versuchen, dass die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter diesen Mangel auf Dauer beseitigt. Im konkreten Fall ist zu prüfen, ob schon ein solches klärendes Gespräch oder eine Abmahnung, ein formeller Verweis oder eine andere Maßnahme (z. B. Versetzung, Änderungskündigung) geeignet sind, dem Obliegenheitsverstoß zu begegnen. Als letzte Maßnahme kommt eine Kündigung in Betracht.

(2) Für eine Kündigung aus kirchenspezifischen Gründen sieht die Kirche insbesondere folgende Loyalitätsverstöße als schwerwiegend an:

- Verletzungen der gemäß Art. 3 und 4 von einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter zu erfüllenden Obliegenheiten, insbesondere Kirchenaustritt, öffentliches Eintreten gegen tragende Grundsätze der katholischen Kirche (z.B. hinsichtlich der Abtreibung) und schwerwiegende persönliche sittliche Verfehlungen,

- Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe,

- Handlungen, die kirchenrechtlich als eindeutige Distanzierungen von der katholischen Kirche anzusehen sind, vor allem Abfall vom Glauben (Apostasie oder Häresie gemäß Can. 1364 § 1 iVm. Can. 751 CIC), Verunehrung der heiligen Eucharistie (Can. 1367 CIC), öffentliche Gotteslästerung und Hervorrufen von Haß und Verachtung gegen Religion und Kirche (Can. 1369 CIC), Straftaten gegen die kirchlichen Autoritäten und die Freiheit der Kirche (insbesondere gemäß den Can. 1373, 1374 CIC).

(3) Ein nach Abs. 2 generell als Kündigungsgrund in Betracht kommendes Verhalten schließt die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung aus, wenn es begangen wird von pastoral, katechetisch oder leitend tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die aufgrund einer Missio canonica tätig sind. Von einer Kündigung kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn schwerwiegende Gründe des Einzelfalles diese als unangemessen erscheinen lassen.

(4) Wird eine Weiterbeschäftigung nicht bereits nach Abs. 3 ausgeschlossen, so hängt im Übrigen die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung von den Einzelfallumständen ab, insbesondere vom Ausmaß einer Gefährdung der Glaubwürdigkeit von Kirche und kirchlicher Einrichtung, von der Belastung der kirchlichen Dienstgemeinschaft, der Art der Einrichtung, dem Charakter der übertragenen Aufgabe, deren Nähe zum kirchlichen Verkündigungsauftrag, von der Stellung der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters in der Einrichtung sowie von der Art und dem Gewicht der Obliegenheitsverletzung. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter die Lehre der Kirche bekämpft oder sie anerkennt, aber im konkreten Fall versagt.

(5) (…) Im Fall des Abschlusses einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe scheidet eine Weiterbeschäftigung jedenfalls dann aus, wenn sie unter öffentliches Ärgernis erregenden oder die Glaubwürdigkeit der Kirche beeinträchtigenden Umständen geschlossen wird (z. B. nach böswilligem Verlassen von Ehepartner und Kindern).

12

e) Vergleichbare Regelungen existieren in den meisten evangelischen Landeskirchen. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat nach dem Vorbild der Grundordnung die "Richtlinie über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit in der Evangelischen Kirche in Deutschland und des Diakonischen Werkes der EKD" vom 1. Juli 2005 erlassen.

II.

13

1. Die Beschwerdeführerin ist kirchliche Trägerin des katholischen V.-Krankenhauses in D. Seit dem 1. Januar 2000 beschäftigt sie dort den katholischen Kläger des Ausgangsverfahrens (nachfolgend: Kläger) als Chefarzt der Abteilung ... Dessen durchschnittliches Bruttogehalt betrug zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung ... Euro monatlich.

14

a) Der Dienstvertrag vom 12. Oktober 1999 betont in seiner Präambel die nach katholischem Verständnis zwischen allen in einer kirchlichen Einrichtung Tätigen bestehende Dienstgemeinschaft, die von den Grundsätzen der katholischen Glaubens- und Sittenlehre getragen werden soll und verweist zur Ausgestaltung dessen auf die Grundordnung sowie weitere außervertragliche Regelungen:

Grundlage des Vertrages

Das V.-Krankenhaus ist ein katholisches Krankenhaus.

Mit diesem Krankenhaus erfüllt der Träger eine Aufgabe der Caritas als eine Lebens- und Wesensäußerung der Katholischen Kirche. Mitarbeiter im Krankenhaus leisten deshalb ihren Dienst im Geist christlicher Nächstenliebe. Dienstgeber und alle Mitarbeiter des Krankenhauses bilden ohne Rücksicht auf ihre Tätigkeit und Stellung eine Dienstgemeinschaft, die vom Dienstgeber und allen Mitarbeitern die Bereitschaft zu gemeinsam getragener Verantwortung und vertrauensvoller Zusammenarbeit fordert und ohne Einhaltung der Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre keinen Bestand haben kann.

In Anerkennung dieser Grundlage und unter Zugrundelegung der vom Erzbischof von Köln erlassenen Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 22.09.93 (Amtsblatt des Erzbistums Köln, S. 222), der Grundordnung für katholische Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen vom 05.11.96 (Amtsblatt des Erzbistums Köln, S. 321), der Satzung des Krankenhauses und dem Organisationsstatut in den jeweils geltenden Fassungen wird folgendes vereinbart: (…)

15

b) § 10 des Dienstvertrages enthält nähere Bestimmungen über die Dauer und Beendigung des Arbeitsverhältnisses:

§ 10 Vertragsdauer

(1) Der Dienstvertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen.

(…)

(4) Das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 BGB bleibt unberührt. Als wichtige Gründe zählen u. a. insbesondere:

1. (…)

2. ein grober Verstoß gegen kirchliche Grundsätze, z. B. Erklärung des Kirchenaustritts, Beteiligung an einer Abtreibung, Leben in kirchlich ungültiger Ehe oder eheähnlicher Gemeinschaft.

16

c) In der Präambel des Dienstvertrages wird auf die Grundordnung für katholische Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen vom 5. November 1996 in der Fassung vom 27. März 2001 Bezug genommen. Diese bestimmt in Buchstabe A Ziffer 6 Satz 2 die Dienststellung als Abteilungsarzt als leitende Aufgabe im Sinne der Grundordnung:

A. Zuordnung zur Kirche

6. Für den Träger ist die auf der Grundlage der Erklärung der deutschen Bischöfe zum kirchlichen Dienst erlassene "Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 22. September 1993" nebst Änderungen und Ergänzungen verbindlich. Als leitend tätige Mitarbeiter im Sinne der genannten Grundordnung gelten die Mitglieder der Krankenhausbetriebsleitung und die Abteilungsärzte. (…)

17

2. a) Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses und zu Beginn des Dienstverhältnisses war der Kläger nach katholischem Ritus in erster Ehe verheiratet. Ende 2005 trennten sich die Ehepartner. Zwischen 2006 und 2008 lebte der Kläger mit einer neuen Lebensgefährtin zusammen. Nach den späteren Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war dieses ehelose Zusammenleben dem damaligen Geschäftsführer der Beschwerdeführerin spätestens seit Herbst 2006 bekannt. Anfang 2008 wurde die erste Ehe des Klägers nach staatlichem Recht geschieden.

18

b) Im August 2008 heiratete der Kläger seine Lebensgefährtin standesamtlich. Hiervon erfuhr die Beschwerdeführerin im November 2008. Eine kirchenrechtliche Annullierung der ersten Ehe war bis zu diesem Zeitpunkt nicht ausgesprochen worden.

19

c) In der Folgezeit fanden zwischen der Beschwerdeführerin und dem Kläger mehrere Gespräche über die Auswirkungen seiner zweiten Heirat auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses statt. Hierbei teilte der Kläger der Beschwerdeführerin mit, dass er ein kirchengerichtliches Verfahren zur Annullierung seiner ersten Ehe beantragt habe. Er beabsichtige nicht, die eheliche Gemeinschaft mit seiner ersten Ehefrau wiederherzustellen. Nach Anhörung der bestehenden Mitarbeitervertretung kündigte die Beschwerdeführerin das Arbeitsverhältnis im März 2009 ordentlich mit Wirkung zum 30. September 2009.

20

3. Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht D. Mit Urteil vom 30. Juli 2009 - 6 Ca 2377/09 - stellte das Arbeitsgericht fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung aufgelöst worden sei und verurteilte die Beschwerdeführerin zur Weiterbeschäftigung des Klägers.

21

Das Arbeitsgericht vertrat die Auffassung, dass bis zum Abschluss des schwebenden Annullierungsverfahrens vor der kirchlichen Gerichtsbarkeit nicht feststehe, ob dem Kläger durch die Eheschließung ein schwerwiegender Loyalitätsverstoß vorzuwerfen sei. Zwar habe der Kläger unstreitig das Verbot der neuen Ehe während eines schwebenden Annullierungsverfahrens (Can. 1085 § 2 CIC) missachtet. Ein Verstoß gegen diese - nach Auffassung des Gerichts als bloße Ordnungsvorschrift zu qualifizierende - Vorgabe sei jedoch in der Grundordnung nicht als schwerwiegender Loyalitätsverstoß genannt und damit ungeeignet, einen Grund für die verhaltensbedingte Kündigung darzustellen. In Anbetracht dessen sei die Kündigung auch als unverhältnismäßig anzusehen. Es sei der Beschwerdeführerin zuzumuten gewesen, die Entscheidung über das Annullierungsverfahren vor Ausspruch der Kündigung abzuwarten.

22

4. Die hiergegen von der Beschwerdeführerin eingelegte Berufung wurde durch das Landesarbeitsgericht D. mit Urteil vom 1. Juli 2010 - 5 Sa 996/09 - zurückgewiesen.

23

a) Das Gericht nahm zwar an, dass das Verhalten des Klägers grundsätzlich einen geeigneten Kündigungsgrund darstelle. Insbesondere könne sich dieser entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht auf das schwebende Annullierungsverfahren berufen. Auch ein Verstoß gegen Can. 1085 § 2 CIC sei generell geeignet, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.

24

b) Allerdings falle die im Rahmen des § 1 Abs. 2 KSchG gebotene Interessenabwägung zu Lasten der Beschwerdeführerin aus. Diese habe den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht ausreichend beachtet und den Kläger hierdurch in unzulässiger Weise benachteiligt. Nach den Feststellungen der Kammer habe die Beschwerdeführerin in der Vergangenheit zumindest zwei geschiedenen Chefärzten katholischer Konfession nach Wiederverheiratung nicht gekündigt. Dabei sei es unbeachtlich, dass einer der Fälle bereits 30 Jahre zurückliege und in dem anderen Fall die Kündigung nur unterblieben sei, weil die zweite Ehe des Arbeitnehmers erst einen Monat vor dessen altersbedingtem Ausscheiden aus dem Dienst bekannt geworden sei. Das Verhalten der Beschwerdeführerin zeige jedenfalls, dass sie in der Vergangenheit offenbar bereit gewesen sei, vergleichbare Verstöße unter bestimmten Umständen zu tolerieren.

25

c) Zudem habe die Beschwerdeführerin ihr Kündigungsrecht verwirkt. Es sei ihr verwehrt, sich auf den Kündigungsgrund der ungültigen zweiten Ehe zu berufen, da sie jahrelang den gleichwertigen Kündigungsgrund des "Lebens in eheähnlicher Gemeinschaft" akzeptiert oder zumindest toleriert habe. Der Kläger habe in Anbetracht der Untätigkeit der Beschwerdeführerin über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren darauf vertrauen können, dass sein privates Verhalten zu keinerlei arbeitsrechtlichen Sanktionen mehr führen und die Beschwerdeführerin auf einen gleichwertigen Loyalitätsverstoß ("ungültige Ehe") ebenfalls nicht mit einer Kündigung reagieren werde.

26

5. Die Revision der Beschwerdeführerin zum Bundesarbeitsgericht wies dieses durch Urteil vom 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - zurück.

27

a) Entgegen der Auffassung des Klägers dürfte das Kündigungsrecht der Beschwerdeführerin nicht verwirkt sein, da eine Kündigung mit "illoyaler" Verspätung nicht vorliege. Die Beschwerdeführerin habe nach Kenntnis von der Wiederverheiratung noch das in der Grundordnung vorgesehene Beratungsgespräch mit dem Kläger durchführen und verschiedene Gremien (Aufsichtsrat, Generalvikariat) beteiligen müssen. Es sei nicht zu beanstanden, dass sie angesichts der weitreichenden Folgen dabei umsichtig und ohne Hast vorgegangen sei. Letztlich komme es auf eine etwaige Verwirkung des Kündigungsrechts indes nicht an. Die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

28

b) Der Kläger habe allerdings durch die Wiederverheiratung gegen seine Loyalitätsobliegenheit aus dem Arbeitsvertrag (§ 10 Abs. 4 Nr. 2) und gegen die darin in Bezug genommene Grundordnung (Art. 5 Abs. 2 GrO) verstoßen.

29

Das Verlangen der Beschwerdeführerin nach Einhaltung der Vorschriften der katholischen Glaubens- und Sittenlehre stehe im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Zwar könne sich der Kläger auf das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) sowie auf den Schutz der Ehe (Art. 6 Abs. 1 GG) berufen, die auch die Freiheit umfassten, eine zweite Ehe nach staatlichem Recht einzugehen. Dabei stehe die private Lebensgestaltung in der Regel außerhalb der Einflusssphäre des Arbeitgebers und werde durch arbeitsvertragliche Pflichten nur insoweit eingeschränkt, wie sich das private Verhalten auf den betrieblichen Bereich auswirke und dort zu Störungen führe. Diese Grundrechte könnten jedoch zu Gunsten des ebenfalls verfassungsrechtlich verbürgten kirchlichen Selbstbestimmungsrechts (Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV) eingeschränkt werden, auf das sich die Beschwerdeführerin als der Kirche zugeordnete karitative Einrichtung berufen könne. Die Festlegung bestimmter Loyalitätsanforderungen in einem Arbeitsvertrag durch den kirchlichen Arbeitgeber stelle eine Ausübung des "verfassungskräftigen" Selbstbestimmungsrechts dar. Die Frage, welche kirchlichen Grundverpflichtungen als Gegenstand des Arbeitsverhältnisses bedeutsam sein können, richte sich nach den von der verfassten Kirche anerkannten Maßstäben, die verbindlich bestimmen könnten, welche Schwere einzelnen Loyalitätsverstößen zukomme und ob innerhalb der im kirchlichen Dienst tätigen Mitarbeiter eine Abstufung der Loyalitätsanforderungen stattfinde. Die Arbeitsgerichte hätten die vorgegebenen kirchlichen Maßstäbe für die Bewertung einzelner Loyalitätsanforderungen zugrunde zu legen, soweit die Verfassung das Recht der Kirche anerkenne, hierüber selbst zu befinden.

30

Durch die Eingehung seiner zweiten Ehe habe der Kläger den Grundsatz der Unauflöslichkeit der Ehe verletzt. Dieser zähle zu den wesentlichen Grundsätzen der katholischen Glaubens- und Sittenlehre. Für "leitend tätige" Mitarbeiter scheide nach der maßgeblichen kirchlichen Vorgabe (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GrO) eine Weiterbeschäftigung in diesem Falle aus.

31

c) Die nach § 1 Abs. 2 KSchG gebotene Abwägung der beiderseitigen Interessen führe jedoch zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführerin die Fortführung des Arbeitsverhältnisses zumutbar sei.

32

aa) Zu ihren Gunsten wiege die unverkennbare Schwere des Loyalitätsverstoßes. Die Beschwerdeführerin habe als katholische Einrichtung das vom Grundgesetz gestützte Recht, auch als solche zu wirken und in Erscheinung zu treten. Sie verstehe ihr karitatives Tun im Sinne der Erfüllung eines religiösen Auftrages. Nach der katholischen Sittenlehre sei die Unauflöslichkeit der Ehe Teil der umfassenden, nicht verfügbaren und einheitlichen Auffassung vom Menschen als Geschöpf Gottes. Dass sich Menschen aufgrund einer sie verbindenden religiösen Auffassung zusammenfänden und ihre Angelegenheiten nach Maßstäben ordnen könnten, die nicht vom Staat oder der jeweils herrschenden öffentlichen Meinung über die Natur des Menschen korrigiert werden dürften, werde auch durch Art. 9 und 11 EMRK geschützt.

33

bb) In seinem Gewicht entscheidend geschwächt werde das Interesse der Beschwerdeführerin an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses jedoch durch drei Umstände, aus denen hervorgehe, dass sie selbst die Auffassung vertrete, einer ausnahmslosen Durchsetzung ihrer sittlichen Ansprüche zur Wahrung ihrer Glaubwürdigkeit nicht immer zu bedürfen.

34

(1) So könne die Beschwerdeführerin erstens nach Art. 3 Abs. 2 GrO auch nichtkatholische Personen mit leitenden Tätigkeiten betrauen. Die Beschwerdeführerin sei insofern durch die Grundordnung nicht gezwungen, ihr "Wohl und Wehe" bedingungslos mit dem Lebenszeugnis ihrer leitenden Mitarbeiter für die katholische Sittenlehre zu verknüpfen.

35

(2) Durch diese Rechtslage sei es zweitens auch zu erklären, dass die Beschwerdeführerin mehrfach Chefärzte beschäftigt habe beziehungsweise noch beschäftige, die als Geschiedene erneut geheiratet hätten. Es handele sich hierbei überwiegend um nichtkatholische Arbeitnehmer und katholische Arbeitnehmer in besonderen Lebenslagen, denen gegenüber sie von vornherein nicht die strenge Befolgung der katholischen Glaubens- und Sittenlehre verlange. Hierin liege zwar - in Abweichung von der Einschätzung des Landesarbeitsgerichts - kein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Andererseits werde hierdurch aber deutlich, dass die Beschwerdeführerin das Ethos ihrer Organisation durch eine differenzierte Handhabung bei der Anwendung und Durchsetzung ihres legitimen Loyalitätsbedürfnisses selbst nicht zwingend gefährdet sehe.

36

(3) Drittens habe die Beschwerdeführerin nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts den nach dem Vertrag der Parteien der Wiederverheiratung gleichwertigen Verstoß des ehelosen Zusammenlebens des Klägers seit Herbst 2006 gekannt und hingenommen. Dies zeige, dass sie selbst ihre moralische Glaubwürdigkeit nicht ausnahmslos bei jedem Loyalitätsverstoß als erschüttert betrachte.

37

cc) Jedenfalls sei der Beschwerdeführerin die Weiterbeschäftigung des Klägers dann zumutbar, wenn dessen Belange gegen die ihren abgewogen würden. Zugunsten des Klägers falle sein durch Art. 8 und 12 EMRK geschützter Wunsch in die Waagschale, in einer bürgerlichen Ehe mit seiner jetzigen Frau zu leben. Freilich habe der Kläger als Katholik durch den Vertragsschluss mit der Beschwerdeführerin in die Einschränkung seines Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens eingewilligt; die Nichterfüllung seiner religiösen Pflichten geschehe jedoch nicht aus einer ablehnenden oder gleichgültigen Haltung heraus. Der Kläger habe seine ethischen Pflichten nicht in Abrede gestellt und sich zu keinem Zeitpunkt gegen die kirchliche Sittenlehre ausgesprochen oder ihre Geltung oder Zweckmäßigkeit in Zweifel gezogen. Im Gegenteil versuche er, den ihm nach kanonischem Recht verbliebenen Weg zur kirchenrechtlichen Legalisierung seiner Ehe zu beschreiten.

III.

38

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin Verletzungen von Art. 4 Abs. 2 GG und Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV.

39

1. Die Arbeitsgerichte hätten in ihren Entscheidungen die Tragweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts und des Rechts auf freie Religionsausübung verkannt.

40

a) Nach den Grundsätzen des deutschen Religionsverfassungs- und Staatskirchenrechts dürften staatliche Gerichte nicht bewerten, ob ein bestimmtes Verhalten tatsächlich von der jeweiligen Religion gefordert werde oder nicht. Allein die Kirchen selbst könnten bestimmen, was die jeweilige Glaubensüberzeugung gebiete. Umgekehrt dürfe dies von einem staatlichen Gericht auch nicht verlangt werden, da es anderenfalls seine religiöse Neutralität, die ebenfalls Verfassungsrang genieße, verlieren würde.

41

Entsprechend sei es nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juni 1985 (BVerfGE 70, 138 ff.) nicht Sache der staatlichen Arbeitsgerichte, sondern obliege im Rahmen ihres Selbstbestimmungsrechts allein der jeweiligen Kirche, aus ihren religiösen Überzeugungen heraus selbst festzulegen, welche Loyalitätserwartungen sie an ihre Mitarbeiter stelle, was die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung erfordere und welches Gewicht ein Loyalitätsverstoß habe. Die durch die Kirche insoweit verbindlich festgelegten Loyalitätsanforderungen und die Gewichtung von Verstößen hiergegen seien durch die staatlichen Gerichte nur darauf zu überprüfen, ob die Grundprinzipien der Rechtsordnung diesen entgegenstünden. Eine eigenständige Gewichtung der Loyalitätsverstöße sei ihnen jedoch verwehrt. Die von den Arbeitsgerichten vorzunehmende Abwägung habe sich folglich auf die der Kündigung entgegenstehenden Belange aus der Sphäre des jeweiligen Arbeitnehmers zu beschränken.

42

b) Die angegriffene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts werde diesen Anforderungen nicht gerecht. Das Revisionsurteil wiege im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht das Selbstbestimmungsrecht mit gegenläufigen Rechtspositionen des Arbeitnehmers ab, sondern bestimme - abweichend von den kirchenrechtlichen Maßstäben - selbst das Gewicht des Loyalitätsverstoßes und damit das Kündigungsinteresse der Kirche. Eine Abwägung mit den Interessen des Klägers finde nur oberflächlich am Ende des Urteils statt. Damit verstecke das Gericht hinter seiner Abwägungsentscheidung eine eigene Bewertung kirchenrechtlicher Maßstäbe, von denen es inhaltlich grundlegend abweiche.

43

aa) Eine unzulässige Abweichung von den kirchenrechtlichen Maßstäben liege zunächst darin, dass das Bundesarbeitsgericht als Ausgangspunkt des Abwägungsvorgangs darauf abstelle, ob durch das Verhalten des Klägers die Glaubwürdigkeit der Kirche in der Öffentlichkeit leide.

44

Schutzgut des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts und der Religionsfreiheit sei jedoch nicht vorrangig das Bild der Kirche in der Öffentlichkeit, sondern die religiöse Überzeugung und die Freiheit, nach dieser zu leben. Das Bild der Kirche in der Öffentlichkeit sei hiervon nur ein untergeordneter Teilaspekt. Entscheidend sei vielmehr, ob es mit den Zielen der Kirche vereinbar sei, wenn ein (leitender) Mitarbeiter erkennbar in Widerspruch zu den Überzeugungen und Lehren der Kirche lebe. Dies gefährde das Wesen der Dienstgemeinschaft, die Grund und Grenze der Besonderheiten der Zweckbestimmung des kirchlichen Dienstes darstelle. Daher wende sich die Kirche auch unabhängig von der Wahrnehmung in der Öffentlichkeit gegen Loyalitätsverstöße, weil diese ihr Wirken und die Integrität des kirchlichen Dienstes in Frage stellten.

45

bb) Zudem sei es unzulässig, in die Abwägung zugunsten des Klägers einzustellen, das Gewicht des Interesses der Beschwerdeführerin an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses werde entscheidend dadurch geschwächt, dass sie auch Nichtkatholiken in leitenden Positionen beschäftige und insofern offensichtlich nicht gezwungen sei, eine Führungsfunktion gleichsam bedingungslos mit dem Lebenszeugnis für die katholische Sittenlehre zu verknüpfen.

46

Dies verkenne die kirchenrechtlichen Vorgaben der Grundordnung. Ob diese sachgerecht seien, dürfe das weltliche Gericht nicht hinterfragen. Entscheidend sei allein, dass die Kirche für die Mitarbeit an ihrem Sendungsauftrag nur Personen zulassen wolle, die sich mit ihren Zielen identifizieren könnten. Die Argumentation des Bundesarbeitsgerichts sei zudem in sich widersprüchlich. Einerseits erkenne es - rechtlich zutreffend - an, dass die Kirche gegenüber nichtkatholischen Mitarbeitern nicht dieselben Loyalitätserwartungen formulieren könne wie gegenüber Katholiken. Andererseits schließe es aus dieser Ungleichbehandlung, dass die römisch-katholische Kirche ihre Grundsätze nicht mehr ernst nehme.

47

cc) Ebenso sei es unzulässig, darauf abzustellen, dass die Beschwerdeführerin in anderen Fällen der Wiederverheiratung von (nichtkatholischen) Chefärzten nicht den Schritt der Kündigung gegangen sei.

48

Auch hier habe das Bundesarbeitsgericht die in Ausübung des Selbstbestimmungsrechts in den kirchengesetzlichen Regelungen angelegte Differenzierung zwischen Katholiken und Nichtkatholiken verkannt. Nur für den katholischen Mitarbeiter sei die Ehe ein Sakrament. Daher stelle sich bei diesem das Eingehen einer ungültigen Ehe als deutlich schwererer Loyalitätsverstoß dar. Indem das Bundesarbeitsgericht die Wiederverheiratung von katholischen und nichtkatholischen Mitarbeitern auf eine Ebene stelle, relativiere es die Einschätzung der Kirche über die Schwere der durch den Kläger begangenen Pflichtverletzung.

49

dd) Ferner setze sich das Bundesarbeitsgericht über kirchenrechtliche Maßstäbe hinweg, wenn es die Wiederheirat mit dem Leben in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gleichsetze.

50

Damit verkenne das Bundesarbeitsgericht, dass es sich bei der Wiederheirat um eine Pflichtverletzung von besonders schwerwiegender und endgültiger Qualität handele, die weit über das bloße ehelose Zusammenleben hinausgehe. Das Kirchenrecht unterscheide dies ausdrücklich, indem Art. 5 Abs. 2 GrO nur den Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe explizit als besonders schwerwiegenden Verstoß und eigenständigen Kündigungsgrund formuliere. Zwar entspreche auch die nichteheliche Lebensgemeinschaft außerhalb einer weiterbestehenden gültigen Ehe nicht dem Ethos der römisch-katholischen Kirche. Durch die Wiederheirat erreiche der Loyalitätsverstoß jedoch eine neue Qualität: Der Bruch mit der nach kirchlichem Recht weiterhin gültigen Ehe werde offiziell dokumentiert und perpetuiert. An diese, dem kirchlichen Selbstverständnis entspringende Unterscheidung sei auch das weltliche Gericht gebunden.

51

ee) Schließlich werde die Schwere des Loyalitätsverstoßes entgegen der Ansicht des Bundesarbeitsgerichts nicht dadurch gemindert, dass der Kläger des Ausgangsverfahrens sich nicht vom katholischen Glauben abgewendet habe.

52

Auch durch diesen Gesichtspunkt der Abwägungsentscheidung korrigiere das Gericht die kirchenrechtlich zutreffende Einschätzung, dass die Wiederheirat einen schweren Loyalitätsverstoß darstelle, nach seiner eigenen Einschätzung und stelle sich in die Position der Kirche. Hierzu sei es nicht befugt. Zudem verkenne es, dass schon der objektive Tatbestand der Wiederheirat einen Loyalitätsverstoß darstelle, ohne dass es auf eine innere Abkehr von den Werten der Kirche ankomme. Diese würde, läge sie vor, sogar einen zusätzlichen, von der Wiederheirat unabhängigen Loyalitätsverstoß darstellen. Dies mache auch die Systematik der Grundordnung deutlich, indem sie die Apostasie und Häresie sowie verschiedene Formen des öffentlichen Eintretens gegen tragende Grundsätze der Kirche als Loyalitätsverstöße definiere, die alternativ zur Wiederheirat eine Kündigung rechtfertigen könnten. Auch habe allein die Einleitung eines Annullierungsverfahrens nach kirchenrechtlichen Maßstäben keine rechtfertigende oder schuldmindernde Bedeutung.

53

c) Auf diesen Verstößen gegen Art. 4 Abs. 2 GG und Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV beruhe das Urteil. Jede der durch das Gericht vorgenommenen Gewichtungen sei schon für sich ein tragendes Element der Abwägungsentscheidung; spätestens in der Zusammenschau seien sie notwendige Bedingung für die Erfolglosigkeit der Revision der Beschwerdeführerin. Dies gelte umso mehr, als keine Abwägung im eigentlichen Sinne - also mit den Interessen des Klägers - stattfinde.

54

2. Eine andere Bewertung sei auch nicht vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte geboten.

55

a) Grundsätzlich seien die Europäische Menschenrechtskonvention und die hierzu ergangenen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zwar von den nationalen Gerichten so weit wie möglich bei der Rechtsanwendung zu berücksichtigen. Eine schematische Parallelisierung sei hingegen nicht erforderlich. Gerade im Bereich der Religionsfreiheit sei bei der Rezeption der Europäischen Menschenrechtskonvention in die innerstaatliche Rechtsordnung Augenmaß angebracht. Der Gerichtshof habe in seiner jüngeren Rechtsprechung wiederholt zu erkennen gegeben, dass er bereit sei, unterschiedliche Konzeptionen der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Regelung des Verhältnisses von Staat und Kirche zu akzeptieren. So habe der Gerichtshof in seinen Urteilen vom 6. Dezember 2011 (Baudler u.a. v. Deutschland) einen ausgeprägten Schutz des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts anerkannt und es als mit Art. 6 EMRK vereinbar angesehen, dass ein staatlicher Rechtsweg zur Überprüfung rein innerkirchlicher Angelegenheiten in Deutschland nicht bestehe.

56

Zudem sei zu berücksichtigen, dass es sich im vorliegenden Falle um ein mehrpoliges Grundrechtsverhältnis handele, bei dem ein "Mehr" an Freiheit für einen Grundrechtsträger zugleich ein "Weniger" für einen anderen bedeute. Diese Grundrechtskollision wirke als Rezeptionshemmnis, zumal auch die Menschenrechtskonvention selbst eine Einschränkung des Grundrechtsschutzes auf Grundlage ihrer Garantien verbiete (Art. 53 EMRK).

57

b) Aber auch die zum kirchlichen Arbeitsrecht ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte selbst erfordere keine Abkehr von den durch das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 4. Juni 1985 entwickelten Maßstäben.

58

aa) In der Entscheidung Obst v. Deutschland vom 23. September 2010 habe der Gerichtshof den Ansatz des deutschen Arbeitsrechts gebilligt, bei der Bewertung der Schwere des Loyalitätsverstoßes auf die Bedeutung ehelicher Treue für die den Arbeitnehmer kündigende Kirche abzustellen. Auch habe der Gerichtshof es als zulässig erachtet, dass die Kirchen gegenüber ihren Angestellten weitergehende Loyalitätspflichten als andere Arbeitgeber definieren würden.

59

bb) Gleiches gelte hinsichtlich der Entscheidung Siebenhaar v. Deutschland vom 3. Februar 2011.

60

cc) Schließlich stehe die Entscheidung Schüth v. Deutschland vom 23. September 2010 diesem Maßstab nicht entgegen, wenn auch der Gerichtshof im konkreten Einzelfall zur Konventionswidrigkeit der deutschen Gerichtsurteile gelangt sei. Der Gerichtshof habe lediglich die unzureichende Abwägung der Fachgerichte mit den Rechtspositionen des Arbeitnehmers beanstandet, die tatsächlich nur oberflächlich und ohne inhaltliche Konkretisierungen vorgenommen worden sei. Zudem sei der konkrete Abwägungsvorgang unzureichend dargelegt worden. Weitergehende Anforderungen an den Abwägungsprozess, etwa eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Loyalitätsanforderungen oder gar deren volle gerichtliche Kontrolle, seien durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte jedoch nicht aufgestellt worden.

IV.

61

1. Die Verfassungsbeschwerde wurde dem Bundesministerium der Justiz, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, dem Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, der Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, dem Kommissariat der deutschen Bischöfe, dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland, dem Zentralrat der Juden in Deutschland K.d.ö.R., dem Marburger Bund e.V. (Bundesverband) und dem Kläger des Ausgangsverfahrens zugestellt und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

62

a) Die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts verteidigt die angefochtene Revisionsentscheidung vom 8. September 2011. Der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts habe aus § 1 Abs. 2 KSchG in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung der übrigen Senate des Gerichts ein zweistufiges Prüfprogramm abgeleitet, nach dem eine Kündigung aus in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegenden Gründen im Anwendungsbereich des KSchG nur dann sozial gerechtfertigt sei, wenn der Arbeitnehmer für die vertraglich geschuldete Tätigkeit ungeeignet sei oder eine Vertragspflicht erheblich verletzt habe (erste Stufe) und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheine (zweite Stufe).

63

Auf beiden Stufen habe der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts in Übereinstimmung mit den verfassungsgerichtlichen Vorgaben und unter Orientierung an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte das kirchliche Selbstbestimmungsrecht angemessen berücksichtigt. Dies gelte auch für die Abwägungsentscheidung, in die das Selbstbestimmungsrecht als abwägungserheblicher Belang eingestellt worden sei. Diese Vorgehensweise erlaube differenzierte Abwägungsergebnisse, die im konkreten Einzelfall zu Lasten der Beschwerdeführerin erfolgt seien. Dies zeige auch der Vergleich zur Entscheidung vom 25. April 2013 (- 2 AZR 579/12 - NZA 2013, S. 1131 ff.), in der der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts im Falle des Kirchenaustritts festgestellt habe, dass die Kündigung eines im verkündigungsnahen Bereich eingesetzten kirchlichen Arbeitnehmers gerechtfertigt gewesen sei. In diesem Einzelfall habe die Abwägung dazu geführt, dass die Glaubens- und Gewissensfreiheit des kirchlichen Arbeitnehmers sowie dessen Beschäftigungsdauer und Lebensalter hinter das Selbstbestimmungsrecht des kirchlichen Arbeitgebers zurückzutreten habe, weil der gekündigte Arbeitnehmer nicht nur in einzelnen Punkten kirchlichen Loyalitätsanforderungen nicht mehr gerecht geworden sei, sondern sich durch den Austritt insgesamt von der kirchlichen Glaubensgemeinschaft losgesagt habe.

64

b) Der gemäß § 94 Abs. 3 BVerfGG am Verfahren beteiligte Kläger des Ausgangsverfahrens ist der Auffassung, dass der Verfassungsbeschwerde kein Erfolg zu bescheiden sei.

65

Es genüge zur Wahrung der geschützten Verfassungsrechtspositionen des Arbeitnehmers nicht, nur bei einem Widerspruch zu den Grundprinzipien der Rechtsordnung eine Einschränkung der kirchlichen Autonomie zuzulassen und dementsprechend bei der im Kündigungsschutzprozess vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Interessen die autonom von den Kirchen bestimmte Gewichtung der Loyalitätspflichten zu betonen. Vielmehr müssten sich die kirchliche Autonomie und speziell die ihren Arbeitnehmern abverlangten Loyalitätspflichten von vornherein eine Kontrastierung mit den entgegenstehenden Grundrechten der kirchlichen Arbeitnehmer gefallen lassen, die durch Gewichtung der auf dem Spiel stehenden Verfassungsrechtsgüter, durch Berücksichtigung ihrer Wechselwirkung und schließlich durch Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit dem Ziel der Herstellung praktischer Konkordanz zu erfolgen habe. Soweit zur kirchlichen Autonomie auch die Befugnis gehöre, verbindlich zu bestimmen, welches die wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre seien, was als (schwerer) Verstoß gegen diese anzusehen sei, sowie ob und wie innerhalb der im kirchlichen Dienst tätigen Mitarbeiter eine Abstufung der Loyalitätspflichten eingreifen solle, bedürfe dies mit Blick auf kollidierendes Verfassungsrecht einer Relativierung, wenn es - wie in diesem Fall - nicht um Arbeitsrechtsverhältnisse gehe, die in spezifischer Weise durch den religiösen Auftrag und Glauben geprägt seien. Je mehr das jeweilige Arbeitsverhältnis durch den religiösen Auftrag und Glauben geprägt sei und, umgekehrt, je weniger sich das jeweilige Arbeitsverhältnis von vergleichbaren beruflichen Tätigkeiten bei nicht-kirchlichen Arbeitgebern unterscheide, könne sich die kirchliche Autonomie mehr oder weniger gegenüber Grundrechtspositionen des kirchlichen Arbeitnehmers durchsetzen.

66

Allein aus seiner leitenden Stellung könnten hinsichtlich der persönlichen Pflicht zur Identifikation mit der katholischen Glaubens- oder Sittenlehre nicht die gleichen Anforderungen gestellt werden wie an diejenigen Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnisse einen spezifisch religiösen Bezug aufwiesen. Andernfalls würden eine unverhältnismäßige Begünstigung der Selbstgesetzlichkeit der Kirche und eine nicht zu rechtfertigende Relativierung des staatlichen Schutzes von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG begründet. Schließlich könne bei der Interessenabwägung nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich die römisch-katholische Kirche zunehmend den Wiederverheirateten öffne und auch die Eucharistie für diese Gruppe nicht mehr ausschließe.

67

c) Für die römisch-katholische Kirche hat das Kommissariat der deutschen Bischöfe eine Stellungnahme des Direktors des Instituts für Staatskirchenrecht der Diözesen Deutschlands, Prof. Dr. Ansgar Hense, vorgelegt und sich inhaltlich zu Eigen gemacht. Dieser schließt sich den Ausführungen der Beschwerdeführerin im Ergebnis an und vertieft ihre Argumentation.

68

Die Verfassung gewährleiste nicht nur das karitative Wirken der Kirchen als eine ihrer Lebens- und Wesensäußerungen, sondern auch die grundsätzlich autonome Ausgestaltung der kircheneigenen Angelegenheiten im Rahmen der für alle geltenden Gesetze. Die Verwirklichung des Religiösen beschränke sich dabei nicht nur auf eine bloß spirituelle, liturgische Seite, sondern erstrecke sich gleichermaßen auf den religiösen Dienst in und an der Welt und umfasse auch die organisatorischen Voraussetzungen, die nach dem jeweiligen kirchlichen Selbstverständnis erforderlich seien, um diesen religiösen Dienst erfüllen zu können. Weder objektive noch gesellschaftlich vorherrschende Maßstäbe dürften diese definieren, da das kirchliche Selbstbestimmungsrecht gerade die Abwehr solch fremdbestimmter Vorgänge verfassungsrechtlich verbürge. Aus diesem Grund werde das staatliche Individualarbeitsrecht partiell modifiziert. Im Rahmen des Willkürverbots, der guten Sitten und des ordre public sei es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausschließlich den Kirchen überlassen, die konkreten Loyalitätspflichten festzulegen, die nach dem jeweiligen Selbstverständnis erforderlich seien, und diese auch nach ihrer Bedeutung für das kirchliche Selbstverständnis zu gewichten. Dies beinhalte auch das Recht, darüber zu entscheiden, ob und - bejahendenfalls - welche Abstufungen der Loyalitätspflichten vorgenommen werden sollten. In der römisch-katholischen Kirche sei dies in Gestalt der Grundordnung geschehen. Bei der konkreten Abwägung durch die weltlichen Gerichte im Rahmen des Kündigungsschutzrechts werde die kirchliche Bewertung des Loyalitätsverstoßes nicht zur quantité négligeable, sondern sei die maßgebliche Richtschnur für die Bewertung. Mit diesen Grundsätzen stehe die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 8. September 2011 nicht in Einklang, weil das Gericht eine eigene Bewertung kirchlicher Maßstäbe vornehme und es letzten Endes unterlasse, einen Abwägungsprozess lege artis durchzuführen.

69

d) Der Zentralrat der Juden in Deutschland K.d.ö.R. schließt sich ebenfalls den Ausführungen der Beschwerdeführerin an. Er betont, dass seine Situation zwar nicht mit den Organisationsstrukturen der Großkirchen verglichen werden könne. Dennoch seien die in der täglichen Arbeit auftretenden Fragen im Judentum vergleichbar.

70

Die verfassungsrechtliche Absicherung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts resultiere auch aus dem Erfordernis, eine uneingeschränkte Religionsausübung im Sinne des Grundgesetzes zu gewährleisten. Dies sei aber nur möglich, wenn Religionsgemeinschaften gerade im arbeitsrechtlichen Bereich frei darin seien, ihre eigenen religiösen Regeln als Grundvoraussetzung für ein Arbeitsverhältnis vorzugeben. Diese religiösen Regeln könnten höchst unterschiedlich ausgestaltet sein, seien jedoch im Rahmen der Religionsfreiheit durch die staatlichen Stellen zu akzeptieren, solange gültige Gesetze nicht verletzt und Menschen anderer Religionszugehörigkeit nicht betroffen seien. Jeder Mitarbeiter, der sich unmittelbar bei einer Religionsgemeinschaft oder einer von dieser getragenen Einrichtung bewerbe, wisse darum, dass die Religionsgemeinschaft eigene religiöse Regeln habe, zu deren Einhaltung er verpflichtet sei. Gehöre ein Bewerber darüber hinaus noch der betreffenden Religionsgemeinschaft an, sei es ihm umso mehr bewusst, dass er mit Eingehung des Beschäftigungsverhältnisses zusätzliche Loyalitätsverpflichtungen übernehme.

71

Im Falle der jüdischen Gemeinschaften in Deutschland sei daher Grundlage der arbeitsvertraglichen Bindungen, die jüdische Religion und Kultur in Deutschland zu leben und zu fördern sowie sozial bedürftige Juden in allen Bereichen zu unterstützen. Dabei seien die religiösen Erfordernisse schon bei Abschluss des Beschäftigungsverhältnisses zu berücksichtigen, da nur auf diese Weise gewährleistet werden könne, dass jeder Mitarbeiter in seinem Aufgabenbereich in die religiöse Dimension der jüdischen Gemeinschaft eingebunden sei. Die Bereitschaft hierzu sei ein wesentliches Kriterium für die Mitarbeiterauswahl und werde bei Abschluss von Beschäftigungsverhältnissen vorrangig berücksichtigt. Für eine fruchtbare Zusammenarbeit innerhalb der Religionsgemeinschaft sei es unverzichtbar, dass alle Mitarbeiter - insbesondere die jüdischen - sich des höheren Zwecks und des allgemeinen religiösen Zusammenhangs ihrer Tätigkeit bewusst seien.

72

e) Der Marburger Bund e.V. (Bundesverband) erachtet die Verfassungsbeschwerde im Ergebnis für aussichtslos.

73

aa) Er tritt allgemein der Privilegierung kirchlicher Einrichtungen entgegen. Einrichtungen der Caritas oder Diakonie, die wie die Beschwerdeführerin in marktüblicher Weise in der Gesundheitswirtschaft agierten, dürften keine kirchlichen Sonderrechte in Anspruch nehmen. Wenn die Beschwerdeführerin die Richtungsentscheidung getroffen habe, am Wirtschaftsleben teilzunehmen, müsse sie sich unbeschadet ihrer Motivlage an denselben Maßstäben messen lassen, die auch für vergleichbare Klinikträger Geltung beanspruchten. Die unter Berufung auf die Loyalitätsobliegenheiten in Anspruch genommene Möglichkeit, die Maßstäbe für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses selbst festzulegen und durch Berufung auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht der Überprüfung durch weltliche Gerichte im Einzelfall zu entziehen, führe zu "strukturellen Defiziten" und erheblichen arbeitsmarktlichen Verwerfungen.

74

Gerade der Vergleich zu dem kollektivrechtlichen Arbeitsrechtsregelungsmechanismus belege die Widersprüchlichkeit des Handelns kirchlich getragener Einrichtungen. Während auf dem Dritten Weg vereinbarte Arbeitsbedingungen nach dem Willen der kirchlichen Einrichtungen durch Einbeziehung in die jeweiligen Arbeitsverträge für die Gesamtheit der Dienstgemeinschaft Geltung beanspruchen könnten, erachteten sie es im Gegensatz hierzu jedoch für zulässig, hinsichtlich der individualarbeitsrechtlich festgesetzten Loyalitätsobliegenheiten nach Konfession zu unterscheiden und an katholische Mitarbeiter strengere Loyalitätsanforderungen zu stellen. Für eine derartige Differenzierung bestehe nach weltlichen Maßstäben keine Rechtfertigung. Zudem liege gerade im Falle der Beschwerdeführerin ein faktischer Sanktionsverzicht durch ihr vorangegangenes Verhalten vor. Es sei anzunehmen, dass ein in der Vergangenheit "in allen Fällen generell geduldetes Verhalten" - hier die Wiederheirat - unbeschadet seiner grundsätzlichen kanonischen Wertung zu einem gewissen liberalen Verständnis bei Betroffenen und Dritten und der Erwartung entsprechenden Umgangs mit zukünftigen gleichartigen Sachverhalten geführt habe.

75

bb) Das Bundesarbeitsgericht habe mit seiner Entscheidung nicht die Reichweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts verkannt. Die Einschätzung der Beschwerdeführerin, die Sachgerechtigkeit einer aus dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht folgenden Wertentscheidung unterliege nicht der Beurteilung durch das jeweils erkennende Gericht, lasse ein in Anbetracht der kanonischen Rechtstradition zwar nachvollziehbares, in der Sache jedoch unzutreffendes Verständnis des grundgesetzlich geschützten Rechtsschutzinteresses erkennen. Um sicherzustellen, dass die betroffene Kündigungsentscheidung nicht auf willkürlicher Grundlage zustande gekommen sei, stelle sich die Inbezugnahme zum grundlegenden moralischen Regelwerk der kirchlichen Einrichtung und ihrem bisherigen Verhalten in vergleichbar gelagerten Fällen als unumgänglich dar. Dies gelte umso mehr, als es die Beschwerdeführerin selbst in der Hand habe, bestimmte arbeitsrechtliche Sanktionen ohne Ermessensspielräume als zwingende Folge eines Fehlverhaltens des Arbeitnehmers zu definieren und auszugestalten. Schon aus diesem Grund müssten die weltlichen Gerichte ermächtigt sein, die Stringenz und Konsistenz des bisherigen Verhaltens einer kirchlichen Einrichtung in vergleichbaren Fällen in ihre Betrachtungen einzustellen. Anderenfalls beschränke sich der gerichtliche Entscheidungsspielraum auf eine rein formale Überprüfung, die weder den Anforderungen des deutschen Kündigungsschutzrechts noch den europa- und völkerrechtlichen Vorgaben gerecht werde.

76

f) Die übrigen Äußerungsberechtigten und sachverständigen Dritten haben von einer Stellungnahme abgesehen.

77

2. Die Beschwerdeführerin und der Kläger des Ausgangsverfahrens haben von der Möglichkeit zur weiteren Äußerung nach Kenntnis der eingegangenen Stellungnahmen Gebrauch gemacht. Sie bekräftigen ihre jeweiligen Auffassungen und vertiefen ihren Vortrag. Nach Mitteilung der Beschwerdeführerin ist das durch den Kläger des Ausgangsverfahrens angestrengte kirchengerichtliche Verfahren zur Annullierung seiner ersten Ehe in zwei Instanzen erfolglos geblieben. Der Kläger des Ausgangsverfahrens hat hierzu keine weiteren Angaben gemacht.

78

3. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Senat bei der Entscheidungsfindung vorgelegen.

B.

79

Die Verfassungsbeschwerde ist nur zulässig, soweit sie sich gegen das Urteil des Bundesarbeitsgerichts wendet. Im Übrigen genügt ihre Begründung nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG), da sie sich ausschließlich mit der Revisionsentscheidung, nicht jedoch mit den Entscheidungen des Arbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts auseinandersetzt.

C.

80

Soweit sie zulässig ist, ist die Verfassungsbeschwerde begründet.

I.

81

Umfang und Grenzen der Auferlegung von Loyalitätsobliegenheiten kirchlicher Arbeitnehmer in mit der Kirche verbundenen Organisationen und Einrichtungen und deren Überprüfung durch die staatlichen Arbeitsgerichte bestimmen sich nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 (Weimarer Reichsverfassung, WRV) und der korporativen Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG (1.). Die staatlichen Gerichte haben auf einer ersten Prüfungsstufe zunächst im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle auf der Grundlage des glaubensdefinierten Selbstverständnisses der verfassten Kirche zu überprüfen, ob eine Organisation oder Einrichtung an der Verwirklichung des kirchlichen Grundauftrags teilhat, ob eine bestimmte Loyalitätsobliegenheit Ausdruck eines kirchlichen Glaubenssatzes ist und welches Gewicht dieser Loyalitätsobliegenheit und einem Verstoß hiergegen nach dem kirchlichen Selbstverständnis zukommt (2.a.). Auf einer zweiten Prüfungsstufe ist sodann unter dem Gesichtspunkt der Schranken des "für alle geltenden Gesetzes" eine Gesamtabwägung vorzunehmen, in der die - im Lichte des Selbstbestimmungsrechts der Kirchen verstandenen - kirchlichen Belange und die korporative Religionsfreiheit mit den Grundrechten der betroffenen Arbeitnehmer und deren in den allgemeinen arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen enthaltenen Interessen auszugleichen sind. Die widerstreitenden Rechtspositionen sind dabei jeweils in möglichst hohem Maße zu verwirklichen (2.b.). Ob die Arbeitsgerichte den Einfluss der Grundrechte ausreichend beachtet haben, unterliegt gegebenenfalls der Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht. Für den Fall, dass Grundrechtsbestimmungen unmittelbar ausgelegt und angewandt werden, hat es dabei Reichweite und Grenzen der Grundrechte zu bestimmen und festzustellen, ob Grundrechte und Verfassungsbestimmungen ihrem Umfang und Gewicht nach in verfassungsrechtlich zutreffender Weise berücksichtigt worden sind (3.). Die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte geben insoweit keinen Anlass zu Modifikationen der Auslegung des Verfassungsrechts (4.).

82

1. Die Grundentscheidung der Verfassung für ein freiheitliches Religions- und Staatskirchenrecht wird durch Verfassungsgewährleistungen sichergestellt, deren inhaltliche Schutzbereiche sich teilweise überschneiden und hierdurch wechselseitig ergänzen. In ihrer Zusammenschau sind sie unterschiedliche Akzentuierungen derselben verfassungsrechtlich gewährten Freiheit (vgl. Isensee, in: Festschrift für Klaus Obermayer, 1986, S. 203 <205>).

83

a) Die durch Art. 140 GG inkorporierten Artikel der Weimarer Reichsverfassung sind vollgültiges Verfassungsrecht und von gleicher Normqualität wie die sonstigen Verfassungsbestimmungen (vgl. BVerfGE 19, 206 <219>; 19, 226 <236>; 111, 10 <50>). Sie sind - mit Selbststand gegenüber der korporativen Religionsfreiheit des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG - untrennbarer Bestandteil des Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes, welches das für eine freiheitliche Demokratie wesentliche Grundrecht der Religionsfreiheit ohne Gesetzesvorbehalt in den Katalog der Grundrechte übernommen und es so gegenüber der Weimarer Reichsverfassung erheblich gestärkt hat (vgl. BVerfGE 102, 370 <387 m.w.N.>). Beide Gewährleistungen bilden ein organisches Ganzes (vgl. BVerfGE 70, 138 <167>; 125, 39 <80>; Listl, in: ders./Pirson , Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 1994, § 14 S. 439 <444 f.>), wobei Art. 4 Abs. 1 und 2 GG den leitenden Bezugspunkt des deutschen staatskirchenrechtlichen Systems darstellt (vgl. BVerfGE 102, 370 <393>).

84

Zwischen der Glaubensfreiheit und den inkorporierten Normen der Weimarer Reichsverfassung besteht eine interpretatorische Wechselwirkung (vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/2, 1. Aufl. 2011, § 119, S. 1167). Die Weimarer Kirchenartikel sind einerseits funktional auf die Inanspruchnahme und Verwirklichung des Grundrechts der Religionsfreiheit angelegt (vgl. BVerfGE 42, 312 <322>; 102, 370 <387>; 125, 39 <74 f., 80>) und in dessen Lichte auszulegen, da sie das Grundverhältnis zwischen Staat und Kirche regeln (Art. 137 Abs. 1 WRV). Sie enthalten in Gestalt des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts (Art. 137 Abs. 3 WRV) und verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkte zu den Grundsätzen der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates und der Parität der Religionen und Bekenntnisse (vgl. BVerfGE 102, 370 <390, 393 f.>) die Grundprinzipien des staatskirchenrechtlichen Systems des Grundgesetzes. Andererseits wird der Gewährleistungsgehalt des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG durch Art. 140 GG in Verbindung mit den inkorporierten Artikeln der Weimarer Reichsverfassung institutionell konkretisiert und ergänzt (BVerfGE 99, 100<119>, vgl. auch BVerfGE 33, 23 <30 f.>; 42, 312 <322>; 83, 341 <354 f.>; 125, 39 <77 f.>; vgl. auch Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/2, 1. Aufl. 2011, § 119, S. 1167). Die Weimarer Kirchenartikel sind also auch ein Mittel zur Entfaltung der Religionsfreiheit der korporierten Religionsgesellschaften (vgl. BVerfGE 125, 39 <79>; vgl. auch BVerfGE 102, 370 <387>, zu Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV und BVerfGE 99, 100<119 ff.>, zu Art. 138 Abs. 2 WRV).

85

Soweit sich die Schutzbereiche der inkorporierten statusrechtlichen Artikel der WRV und der korporativen Religionsfreiheit des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG überlagern (vgl. BVerfGE 42, 312 <322>; 66, 1 <22>; zu verbleibenden Unterschieden etwa von Campenhausen, HStR VII, 3. Aufl. 2009, § 157, Rn. 125 m.w.N.), geht Art. 137 Abs. 3 WRV als speziellere Norm Art. 4 Abs. 1 und 2 GG insoweit vor, als er das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften der Schranke des für alle geltenden Gesetzes unterwirft (zur sog. Schrankenspezialität in diesem Fall s. Morlok, in: Dreier , GG, 3. Aufl. 2013, Art. 4, Rn. 109). Bei dem Ausgleich der gegenläufigen Interessen ist aber dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Art. 4 Abs. 1 und 2 GG die korporative Religionsfreiheit vorbehaltlos gewährleistet und insofern dem Selbstbestimmungsrecht und dem Selbstverständnis der Religionsgesellschaften besonderes Gewicht zuzumessen ist.

86

b) Aus Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 136 Abs. 1 und 4, 137 Abs. 1 WRV, Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 3 Abs. 3 Satz 1 und Art. 33 Abs. 2 GG folgt eine Pflicht des Staates zur weltanschaulich-religiösen Neutralität, die Grundlage des modernen, freiheitlichen Staates ist. In einem Staat, in dem Anhänger unterschiedlicher religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen zusammenleben, kann die friedliche Koexistenz nur gelingen, wenn der Staat selbst in Glaubens- und Welt-anschauungsfragen Neutralität bewahrt (vgl. BVerfGE 93, 1 <16 f.>; vgl. auch BVerfGE 102, 370 <383>; 105, 279 <294>).

87

Die Pflicht zur staatlichen Neutralität in weltanschaulich-religiösen Fragen ist jedoch nicht im Sinne eines Gebots kritischer Distanz gegenüber der Religion zu verstehen (vgl. Unruh, Religionsverfassungsrecht, 2. Aufl. 2012, § 4 Rn. 90) und darf auch mit religiöser und weltanschaulicher Indifferenz nicht gleichgesetzt werden (vgl. von Campenhausen, in: Listl/Pirson , Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 1994, § 2, S. 47 <78>). Das Verhältnis zwischen Kirchen und Staat ist vielmehr gekennzeichnet durch wechselseitige Zugewandtheit und Kooperation (vgl. BVerfGE 42, 312 <330>) und ist weniger im Sinne einer strikten Trennung, sondern eher im Sinne einer Zuordnung und Zusammenarbeit von Staat und Kirchen auf der Basis grundrechtlicher Freiheit zu verstehen.

88

Über ihre Funktion als Beeinflussungsverbot (vgl. BVerfGE 93, 1 <16 f.>; 108, 282 <300>) und als Identifikationsverbot (vgl. BVerfGE 19, 206 <216>; 24, 236 <246>; 30, 415 <422>; 33, 23 <28>; 93, 1 <16 f.>; 108, 282 <299 f.>; 123, 148 <178>) hinaus verwehrt es die Pflicht zur weltanschaulichen Neutralität dem Staat auch, Glauben und Lehre einer Kirche oder Religionsgemeinschaft als solche zu bewerten (vgl. BVerfGE 33, 23 <29>; 108, 282 <300>). Die individuelle und korporative Freiheit, das eigene Verhalten an den Lehren des Glaubens auszurichten und innerer Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln, würde entleert, wenn der Staat bei hoheitlichen Maßnahmen uneingeschränkt seine eigene Wertung zu Inhalt und Bedeutung eines Glaubenssatzes an die Stelle derjenigen der verfassten Kirche setzen und seine Entscheidungen auf dieser Grundlage treffen könnte.

89

Jede Auseinandersetzung staatlicher Stellen mit Zielen und Aktivitäten einer Kirche oder Religionsgemeinschaft muss dieses Gebot religiös-weltanschaulicher Neutralität wahren (vgl. BVerfGE 105, 279 <294>). Die Regelung genuin religiöser oder weltanschaulicher Fragen, die parteiergreifende Einmischung in die Überzeugungen, Handlungen und die Darstellung Einzelner oder religiöser und weltanschaulicher Gemeinschaften sind dem Staat mangels Einsicht und geeigneter Kriterien untersagt (vgl. BVerfGE 12, 1 <4>; 41, 65 <84>; 72, 278 <294>; 74, 244 <255>; 93, 1 <16>; 102, 370 <394>; 108, 279 <300>). Fragen der Lehre, der Religion und des kirchlichen Selbstverständnisses gehen den Staat grundsätzlich nichts an. Er ist vielmehr verpflichtet, auf die Grundsätze der Kirchen und Religionsgemeinschaften Rücksicht zu nehmen und keinen eigenen Standpunkt in der Sache des Glaubens zu formulieren (von Campenhausen, in: Listl/Pirson , Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 1994, § 2, S. 47 <78>). Die Eigenständigkeit der kirchlichen Rechtsordnung hat er zu respektieren.

90

c) Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht ist in Art. 137 Abs. 3 WRV besonders hervorgehoben. Danach ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Diese Garantie erweist sich als notwendige, rechtlich selbständige Gewährleistung, die der Freiheit des religiösen Lebens und Wirkens der Kirchen und Religionsgemeinschaften die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben unerlässliche Freiheit der Bestimmung über Organisation, Normsetzung und Verwaltung hin-zufügt (vgl. BVerfGE 53, 366 <401>). Sie gilt für Kirchen und sonstige Religions-gesellschaften unabhängig von ihrem rechtlichen Status (vgl. auch Art. 137 Abs. 7 WRV).

91

aa) Träger des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts sind nicht nur die Kirchen selbst entsprechend ihrer rechtlichen Verfasstheit, sondern alle ihr in bestimmter Weise zugeordneten Institutionen, Gesellschaften, Organisationen und Einrichtungen, wenn und soweit sie nach dem glaubensdefinierten Selbstverständnis der Kirchen (zur Berücksichtigung von Selbstverständnissen als Mittel zur Sicherung der Menschenwürde und der Freiheitsrechte, vgl. Morlok, Selbstverständnis als Rechtskriterium, 1993, S. 282 <293 ff.> und S. 426 <431 ff.>) ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, Auftrag und Sendung der Kirchen wahrzunehmen und zu erfüllen (vgl. BVerfGE 46, 73 <85 ff.>; 53, 366 <391>; 57, 220 <242>; 70, 138 <162>).

92

(1) Der Schutz des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts bezieht sich dabei nicht nur auf die der Kirche zugeordnete Organisation im Sinne einer juristischen Person, sondern erstreckt sich auch auf die von dieser Organisation getragenen Einrichtungen, also auf die Funktionseinheit, durch die der kirchliche Auftrag seine Wirkung entfalten soll (vgl. BVerfGE 53, 366 <398 f.>). Dies gilt unbeschadet der Rechtsform der einzelnen Einrichtung auch dann, wenn der kirchliche Träger sich privatrechtlicher Organisationsformen bedient (vgl. BVerfGE 46, 73 <85 ff.>; 53, 366 <391>; 57, 220 <242>; 70, 138 <162>). Die durch das Grundgesetz gewährleistete Freiheit der Kirche vom Staat schließt ein, dass sie sich zur Erfüllung ihres Auftrags grundsätzlich auch der Organisationsformen des staatlichen Rechts bedienen kann, ohne dass dadurch die Zugehörigkeit der auf einer entsprechen- den Rechtsgrundlage gegründeten Einrichtung zur Kirche aufgehoben wird (vgl. BVerfGE 57, 220 <243>).

93

(2) Nicht jede Organisation oder Einrichtung, die in Verbindung zur Kirche steht, unterfällt indes dem Privileg der Selbstbestimmung. Voraussetzung einer wirksamen Zuordnung ist vielmehr, dass die Organisation oder Einrichtung teilnimmt an der Verwirklichung des Auftrages der Kirche, im Einklang mit dem Bekenntnis der verfassten Kirche steht und mit ihren Amtsträgern und Organwaltern in besonderer Weise verbunden ist (BVerfGE 46, 73 <87>; 70, 138 <163 ff.>).

94

Von daher ist für eine sich auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht (Art. 4 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 WRV) berufende Organisation oder Einrichtung unabdingbar, dass die religiöse Zielsetzung das bestimmende Element ihrer Tätigkeit ist. Ganz überwiegend der Gewinnerzielung dienende Organisationen und Einrichtungen können demgegenüber das Privileg der Selbstbestimmung nicht in Anspruch nehmen, da bei ihnen der enge Konnex zum glaubensdefinierten Selbstverständnis aufgehoben ist. Dies gilt vor allem für Einrichtungen, die wie andere Wirtschaftssubjekte auch am marktwirtschaftlichen Geschehen teilnehmen und bei welchen der durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützte religiöse Auftrag der Kirche oder Religionsgemeinschaft in der Gesamtschau der Tätigkeiten gegenüber anderen - vorwiegend gewinnorientierten - Erwägungen erkennbar in den Hintergrund tritt.

95

bb) Das Selbstbestimmungsrecht umfasst alle Maßnahmen, die der Sicherstellung der religiösen Dimension des Wirkens im Sinne kirchlichen Selbstverständnisses (vgl. BVerfGE 70, 138 <164> unter Bezugnahme auf BVerfGE 24, 236 <249>; 53, 366 <399>; 57, 220 <243>; vgl. auch BVerfGE 99, 100 <125>) und der Wahrung der unmittelbaren Beziehung der Tätigkeit zum kirchlichen Grundauftrag dienen (vgl. BVerfGE 53, 366 <399>). Unter die Freiheit des "Ordnens" und "Verwaltens" fällt dementsprechend auch die rechtliche Vorsorge für die Wahrnehmung kirchlicher Dienste durch den Abschluss entsprechender Arbeitsverträge (vgl. BVerfGE 70, 138 <165>; BVerfGK 12, 308 <330>; vgl. auch: Isensee, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 2, 2. Aufl. 1995, § 59, S. 665 <730>).

96

Der Staat erkennt die Kirchen in diesem Sinne als Institutionen mit dem originären Recht der Selbstbestimmung an, die ihrem Wesen nach unabhängig vom Staat sind und ihre Gewalt nicht von ihm herleiten (vgl. BVerfGE 18, 385 <386>; 19, 1 <55>; 30, 415 <428>; 42, 312 <321 f., 332>; 46, 73 <94>; 57, 220 <244>; 66, 1 <19>; BVerfGK 14, 485 <486>). Dies gilt - unabhängig von der Rechtsform der Organisation - auch dann, wenn die Kirchen sich zur Erfüllung ihres Auftrags und ihrer Sendung privatrechtlicher Formen bedienen (BVerfGE 46, 73 <85 ff.>; 70, 138 <162>) und wenn die Tätigkeiten und getroffenen Maßnahmen in den weltlichen Bereich hineinwirken (vgl. BVerfGE 42, 312 <334 f.>). Die Kirchen bestimmen selbst, frei und autonom darüber, welche Dienste sie in welchen Rechtsformen ausüben wollen und sind nicht auf spezifisch kanonische oder kirchenrechtliche Gestaltungsformen beschränkt. Religiöse Orden oder das Kirchenbeamtentum, die spezifischem Kirchenrecht unterliegen, stellen insofern zwar originäre, aber auch nur mögliche Varianten und Formen kirchlicher Dienste dar.

97

Die Kirchen können sich der jedermann offen stehenden privatautonomen Gestaltungsformen bedienen, Dienstverhältnisse begründen und nach ihrem Selbstverständnis ausgestalten. Die im Selbstbestimmungsrecht der Kirchen enthaltene Ordnungsbefugnis gilt insoweit nicht nur für die kirchliche Ämterorganisation (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Satz 2 WRV), sondern ist ein allgemeines Prinzip für die Ordnung des kirchlichen Dienstes (vgl. BVerfGE 70, 138 <164 f.>). Sie berechtigt zur Organisation der Tätigkeit einschließlich der Aufrechterhaltung einer internen Organisationsstruktur, zur Auswahl ihrer Angestellten und zur Festlegung der religiösen Grundsätze, welche die Grundlage ihrer Tätigkeiten sein sollen.

98

d) Art. 4 Abs. 1 und 2 GG enthält ein umfassend zu verstehendes einheitliches Grundrecht (vgl. BVerfGE 24, 236 <245 f.>; 32, 98 <106>; 44, 37 <49>; 83, 341 <354>; 108, 282 <297>; 125, 39 <79>). Dieses beinhaltet notwendigerweise neben der Freiheit des Einzelnen zum privaten und öffentlichen Bekenntnis seiner Religion oder Weltanschauung (vgl. nur BVerfGE 24, 236 <245>; 69, 1 <33 f.>; 108, 282 <297>) auch die Freiheit, sich mit anderen aus gemeinsamem Glauben oder gemeinsamer weltanschaulicher Überzeugung zusammenzuschließen (vgl. BVerfGE 42, 312 <323>; 53, 366 <387>; 83, 341 <355>; 105, 279 <293>).

99

aa) Die durch den Zusammenschluss gebildete Vereinigung genießt das Recht zu religiöser oder weltanschaulicher Betätigung, zur Verkündigung des Glaubens, zur Verbreitung der Weltanschauung sowie zur Pflege und Förderung des jeweiligen Bekenntnisses (vgl. BVerfGE 19, 129 <132>; 24, 236 <246 f.>; 53, 366 <387>; 105, 279 <293>). Dieser Schutz steht nicht nur Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zu, sondern auch von diesen selbstständigen oder unselbstständigen Vereinigungen, wenn und soweit sich diese die Pflege des religiösen oder weltanschaulichen Lebens ihrer Mitglieder zum Ziel gesetzt haben. Voraussetzung dafür ist aber, dass der Zweck der Vereinigung gerade auf die Erreichung eines solchen Zieles gerichtet ist und eine hinreichende institutionelle Verbindung zu einer Religionsgemeinschaft besteht (vgl. BVerfGE 24, 236 <246 f.>).

100

bb) Bei der Würdigung dessen, was im Einzelfall als korporative Ausübung von Religion und Weltanschauung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG anzusehen ist, muss der zentralen Bedeutung des Begriffs der "Religionsausübung" durch eine extensive Auslegung Rechnung getragen werden (vgl. BVerfGE 24, 236 <246>).

101

Zwar hat der Staat grundsätzlich verfassungsrechtliche Begriffe nach neutralen, allgemeingültigen, nicht konfessionell oder weltanschaulich gebundenen Gesichtspunkten zu interpretieren (vgl. BVerfGE 24, 236 <247 f.>). Wo aber die Rechtsordnung gerade das religiöse oder weltanschauliche Selbstverständnis des Grundrechtsträgers voraussetzt, wie dies bei der Religionsfreiheit der Fall ist, würde der Staat die Eigenständigkeit der Kirchen und ihre nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV verfassungsrechtlich verankerte Selbständigkeit verletzen, wenn er bei der Auslegung der sich aus dem Bekenntnis ergebenden Religionsausübung das Selbstverständnis nicht berücksichtigen würde (vgl. BVerfGE 18, 385 <386 f.>; 24, 236 <248>; 108, 282 <298 f.>). Die Formulierung des kirchlichen Proprium obliegt so allein den Kirchen und ist als elementarer Bestandteil der korporativen Religionsfreiheit durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verfassungsrechtlich geschützt.

102

cc) Nach dem Selbstverständnis der christlichen Kirchen umfasst die Religionsausübung nicht nur den Bereich des Glaubens und des Gottesdienstes, sondern auch die Freiheit zur Entfaltung und Wirksamkeit des christlichen Sendungsauftrages in Staat und Gesellschaft. Dazu gehört insbesondere das karitative Wirken, das eine wesentliche Aufgabe für den Christen ist und von den Kirchen als religiöse Grundfunktion verstanden wird (vgl. BVerfGE 53, 366 <393>; siehe auch BVerfGE 24, 236 <246 ff.>; 46, 73 <85 ff.>; 57, 220 <242 f.>; 70, 138 <163>). Die tätige Nächstenliebe ist als solche eines der Wesensmerkmale der Kirche (vgl. Isensee, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. II, 2. Aufl. 1995, § 59, S. 665). Sie geht von der Zuwendung gegenüber Kranken und Benachteiligten ohne Rücksicht auf Konfession, Bedürftigkeit oder sozialen Status aus. Christliche Organisationen und Einrichtungen versehen die Aufgabe der Krankenpflege daher im Sinne einer an christlichen Grundsätzen ausgerichteten umfassenden medizinischen, pastoralen und seelsorgerlichen Behandlung und verwirklichen damit Sendung und Auftrag ihrer Kirche im Geist ihrer Religiosität und im Einklang mit dem Bekenntnis.

103

Die von der Verfassung anerkannte und dem kirchlichen Selbstverständnis entsprechende Zuordnung der karitativen Tätigkeit zum Sendungsauftrag der Kirche wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass andere Einrichtungen und anders ausgerichtete Träger im Sozialbereich ähnliche Zwecke verfolgen und - rein äußerlich gesehen - Gleiches verwirklichen wollen (vgl. BVerfGE 53, 366 <399> unter Bezugnahme auf BVerfGE 24, 236 <249>; vgl. auch BVerfGK 12, 308 <330>). Die religiöse Dimension ist insoweit das bestimmende Element der karitativen und diakonischen Tätigkeit, das sie von äußerlich vergleichbaren Tätigkeiten unterscheidet. Es ist das spezifisch Religiöse der karitativen und diakonischen Tätigkeit, das den Umgang mit Kranken und Benachteiligten prägt und der seelsorgerlichen und pastoralen Begleitung eine hervorgehobene Bedeutung beimisst.

104

Dem steht nicht entgegen, dass diese Ausrichtung im modernen säkularen Staat angesichts religiöser Pluralisierung und "Entkirchlichung" der Gesellschaft schwierig zu vermitteln ist, zumal nicht in allen Bereichen von Caritas und Diakonie hinreichend Christen zur Verfügung stehen, die diesen Auftrag als an die eigene Person gerichteten Heilsauftrag begreifen und umsetzen. So müssen verstärkt nichtchristliche Arbeitnehmer - auch in leitenden Positionen - in Krankenhäusern und Behinderteneinrichtungen eingesetzt werden. Dies allein muss jedoch weder zu einem Rückzug der Kirchen aus den in Rede stehenden Bereichen führen noch dazu, dass der geistlich theologische Auftrag und die Sendung nicht mehr erkennbar sind (vgl. etwa: Bethel, Gemeinschaft verwirklichen - Unsere Vision und unsere strategischen Entwicklungsschwerpunkte 2011 bis 2016, v. Bodelschwinghsche Stiftungen Bethel, Bielefeld 2011, S. 8 ff.).

105

Dieser gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Situation kann durch Struktur und Ausformung der christlichen Dienstgemeinschaft ausreichend Rechnung getragen werden. Die christlichen Kirchen kennen viele Formen christlichen Dienens: Öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnisse, Zugehörigkeit zu besonderen geistlichen Gemeinschaften wie Orden und Diakonissengemeinschaften oder eben auch nach staatlichem Recht - privatautonom - begründete Arbeitsverhältnisse. Spezifisches Kennzeichen für all diese Formen ist es, dem biblischen Auftrag zur Verkündigung und zur tätigen Nächstenliebe nachzukommen. Der Dienst in der christlichen Gemeinde ist Auftrag und Sendung der Kirche und umfasst idealiter den Menschen in all seinen Bezügen in Familie, Freizeit, Arbeit und Gesellschaft. Dieses Verständnis ist die Grundlage für die kirchlichen Anforderungen an die Gestaltung des Dienstes und die persönliche Lebensführung, die in den Loyalitätsobliegenheiten ihren Ausdruck finden. Gemeinschaft in diesem Sinne bedeutet nach christlichem Glauben gemeinsame Verantwortung für das Wirken der Kirche und in der Kirche und ihren Einrichtungen. Dieses Leitbild des Umgangs aller Dienstangehörigen prägt Verhalten und Umgang untereinander und mit den anvertrauten Kranken und Benachteiligten. Vorwiegend ökonomische Interessenmaximierung ist damit nicht vereinbar.

106

e) Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht steht nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV, auch soweit sich der Schutzbereich mit demjenigen der korporativen Religionsfreiheit überlagert, unter dem Vorbehalt des für alle geltenden Gesetzes (sog. Schrankenspezialität, vgl. oben Rn. 85). Die Formel "innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes" kann jedoch nicht im Sinne des allgemeinen Gesetzesvorbehalts in einigen Grundrechtsgarantien verstanden werden (vgl. BVerfGE 42, 312 <333>). Vielmehr ist der Wechselwirkung von Kirchenfreiheit und Schrankenzweck bei der Entfaltung und Konturierung der Schrankenbestimmung Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 53, 366 <400 f.>). Beim Ausgleich der gegenläufigen Interessen ist daher der Umstand zu beachten, dass Art. 4 Abs. 1 und 2 GG die korporative Religionsfreiheit vorbehaltlos gewährleistet und insofern dem Selbstbestimmungsrecht und dem Selbstverständnis der Religionsgesellschaften besonderes Gewicht zuzumessen ist.

107

aa) Deshalb ergibt sich aus dem Umstand, dass das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nur "innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes" gegeben ist, gerade nicht, dass jegliche staatliche Rechtsetzung, sofern sie nur aus weltlicher Sicht von der zu regelnden Materie her als vernünftig und verhältnismäßig erscheint, ohne weiteres in den den Kirchen, ihren Organisationen und Einrichtungen von Verfassungs wegen zustehenden Autonomiebereich eingreifen könnte (vgl. BVerfGE 53, 366 <404>; 72, 278 <289>). Die selbständige Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten ist den Kirchen, ihren Organisationen und Einrichtungen von der Verfassung garantiert, um ihnen die Möglichkeit zu geben, ihrer religiösen und diakonischen Aufgabe, ihren Grundsätzen und Leitbildern auch im Bereich von Organisation, Normsetzung und Verwaltung umfassend nachkommen zu können (vgl. BVerfGE 53, 366 <404>).

108

bb) Zu dem "für alle geltenden Gesetz" im Sinne des Art. 140 GG in Ver-bindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV, unter dessen Vorbehalt die inhaltliche Gestaltungsfreiheit des kirchlichen Arbeitgebers für die auf Vertragsebene begründeten Arbeitsverhältnisse steht, zählen die Regelungen des allgemeinen Kündigungsschutzes (vgl. BVerfGE 70, 138 <166 f.>; Ehlers, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 140/Art. 137 WRV, Rn. 14; Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 140/Art. 137 WRV, Rn. 49). Sie tragen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der objektiven Schutzpflicht des Staates gegenüber den wechselseitigen Grundrechtspositionen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer Rechnung (vgl. BVerfGE 84, 133 <146 f.>; 85, 360 <372 f.>; 92, 140 <150>; 97, 169 <175 f.>; BVerfGK 1, 308 <311>; 8, 244 <246>).

109

cc) Die in diesen Vorschriften enthaltenen Generalklauseln bedürfen der Ausfüllung im konkreten Einzelfall. Im Privatrechtsverkehr entfalten die Grundrechte ihre Wirkkraft als verfassungsrechtliche Wertentscheidungen durch das Medium der Vorschriften, die das jeweilige Rechtsgebiet unmittelbar beherrschen, damit vor allem auch durch die zivilrechtlichen Generalklauseln (vgl. BVerfGE 7, 198 <205 f.>; 42, 143 <148>; 103, 89 <100>). Der Staat hat insoweit die Grundrechte des Einzelnen zu schützen und vor Verletzung durch andere zu bewahren (vgl. nur BVerfGE 103, 89 <100>). Den staatlichen Gerichten obliegt es, den grundrechtlichen Schutz im Wege der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts zu gewähren und im Einzelfall zu konkretisieren.

110

(1) Die Einbeziehung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse in das staatliche Arbeitsrecht hebt deren Zugehörigkeit zu den "eigenen Angelegenheiten" der Kirche nicht auf (vgl. BVerfGE 53, 366 <392>; 70, 138 <165>). Arbeits- und Kündigungsschutzgesetze sind daher einerseits im Lichte der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung zugunsten der kirchlichen Selbstbestimmung auszulegen (Art. 4 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 WRV). Das bedeutet nicht nur, dass die Religionsgesellschaft Gestaltungsspielräume, die das dispositive Recht eröffnet, voll ausschöpfen darf. Auch bei der Handhabung zwingender Vorschriften sind Auslegungsspielräume, soweit erforderlich, zugunsten der Religionsgesellschaft zu nutzen (vgl. BVerfGE 83, 341 <356>), wobei dem Selbstverständnis der Kirchen ein besonderes Gewicht zuzumessen ist (vgl. BVerfGE 53, 366 <401>, unter Bezugnahme auf BVerfGE 24, 236 <246>; 44, 37 <49 f.>).

111

(2) Andererseits darf dies nicht dazu führen, dass Schutzpflichten des Staates gegenüber den Arbeitnehmern (Art. 12 Abs. 1 GG) und die Sicherheit des Rechtsverkehrs vernachlässigt werden (vgl. BVerfGE 83, 341 <356>). Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV sichert insoweit mit Rücksicht auf das zwingende Erfordernis friedlichen Zusammenlebens von Staat und Kirchen (vgl. BVerfGE 42, 312 <330 ff., 340>) sowohl das selbständige Ordnen und Verwalten der eigenen Angelegenheiten durch die Kirchen als auch den staatlichen Schutz der Rechte anderer und für das Gemeinwesen bedeutsamer Rechtsgüter. Dieser Wechselwirkung von Kirchenfreiheit und Zweck der gesetzlichen Schrankenziehung ist durch eine entsprechende Güterabwägung Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 46, 73 <95>; 53, 366 <400 f.>; 66, 1 <22>; 70, 138 <167>; 72, 278 <289>; BVerfGK 12, 308 <333>).

112

2. Bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten über Loyalitätsobliegenheiten kirchlicher Arbeitnehmer haben die staatlichen Gerichte den organischen Zusammenhang von Statusrecht (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV) und Grundrecht (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) im Rahmen einer zweistufigen Prüfung zu beachten und umzusetzen.

113

a) Ob eine Organisation oder Einrichtung an der Verwirklichung des kirchlichen Grundauftrags teilhat, ob eine bestimmte Loyalitätsobliegenheit Ausdruck eines kirchlichen Glaubenssatzes ist und welches Gewicht dieser Loyalitätsobliegenheit und einem Verstoß hiergegen nach dem kirchlichen Selbstverständnis zukommt, müssen die staatlichen Gerichte auf einer ersten Prüfungsstufe einer Plausibilitätskontrolle auf der Grundlage des glaubensdefinierten Selbstverständnisses der Kirche unterziehen. Dabei dürfen sie die Eigenart des kirchlichen Dienstes - das kirchliche Proprium - nicht außer Acht lassen.

114

aa) Die Formulierung des kirchlichen Proprium obliegt allein und ausschließlich den verfassten Kirchen und ist als elementarer Bestandteil der korporativen Religionsfreiheit durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verfassungsrechtlich geschützt. Ebenso sind für die Frage, welche kirchlichen Grundverpflichtungen als Gegenstand des Arbeitsverhältnisses bedeutsam sein können, allein die von der verfassten Kirche anerkannten Maßstäbe von Belang. Demgegenüber kommt es weder auf die Auffassung der einzelnen betroffenen kirchlichen Einrichtungen - bei denen die Meinungsbildung von verschiedensten Motiven beeinflusst sein kann - noch auf diejenige breiter Kreise unter den Kirchengliedern oder etwa gar einzelner, bestimmten Tendenzen verbundener Mitarbeiter an (vgl. BVerfGE 70, 138 <166>).

115

Im Rahmen ihres Selbstbestimmungsrechts können die verfassten Kirchen festlegen, was "die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung erfordert", was "spezifisch kirchliche Aufgaben" sind, was "Nähe" zu ihnen bedeutet, welches die "wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre" sind, was als Verstoß gegen diese anzusehen ist und welches Gewicht diesem Verstoß aus kirchlicher Sicht zukommt (vgl. BVerfGE 70, 138 <168>). Auch die Entscheidung darüber, ob und wie innerhalb der im kirchlichen Dienst tätigen Mitarbeiter eine "Abstufung" der Loyalitätsobliegenheiten eingreifen soll, ist eine dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht unterliegende Angelegenheit (vgl. BVerfGE 70, 138 <168>).

116

bb) Über die entsprechenden Vorgaben der verfassten Kirche dürfen sich die staatlichen Gerichte nicht hinwegsetzen. Im Rahmen der allgemeinen Justizgewährungspflicht sind sie lediglich berechtigt, die Darlegungen des kirchlichen Arbeitgebers auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen. In Zweifelsfällen haben sie die einschlägigen Maßstäbe der verfassten Kirche durch Rückfragen bei den zuständigen Kirchenbehörden oder, falls dies ergebnislos bleibt, durch ein kirchenrechtliches oder theologisches Sachverständigengutachten aufzuklären.

117

(1) Religiöse Zielsetzung und institutionelle Verbindung der Organisation oder Einrichtung zur verfassten Amtskirche, ihren Organen und Amtswaltern und die bruchlose Übereinstimmung von geistlich-theologischem Auftrag und dessen Ausführung im praktischen Wirtschaftsleben müssen hiernach objektiv erkennbar sein und einer - den von der verfassten Kirche vorgegebenen glaubensspezifischen Parametern folgenden - Plausibilitätskontrolle standhalten (vgl. Ehlers, in: Sachs , GG, 7. Aufl. 2014, Art. 140, Rn. 6; Isensee, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 2, 2. Aufl. 1995, § 59, S. 665 <727 f.>).

118

(2) Ist durch den kirchlichen Arbeitgeber plausibel dargelegt, dass nach gemeinsamer Glaubensüberzeugung, Dogmatik, Tradition und Lehre der verfassten Kirche ein bestimmtes Handeln oder eine Tätigkeit und daran geknüpfte Loyalitätsobliegenheiten Gegenstand, Teil oder Ziel von Glaubensregeln sind (vgl. als Beispiel hierfür: Bethel, Grundsätze für Zusammenarbeit und Führung in den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, Bielefeld 2012), darf der Staat das so umschriebene glaubensdefinierte Selbstverständnis der Kirche nicht nur nicht unberücksichtigt lassen; er hat es vielmehr seinen Wertungen und Entscheidungen zugrunde zu legen, so lange es nicht in Widerspruch zu grundlegenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen steht (vgl. dazu BVerfGE 70, 138 <168>, wo auf die Grundprinzipien der Rechtsordnung abgestellt wurde, wie sie im allgemeinen Willkürverbot [Art. 3 Abs. 1 GG] und in den Begriffen der "guten Sitten" [§ 138 Abs. 1 BGB] und des ordre public [Art. 6 EGBGB] ihren Niederschlag gefunden haben; vgl. ferner BVerfGE 102, 370 <392 ff.>). Einer darüber hinaus gehenden Bewertung solcher Glaubensregeln hat sich der Staat zu enthalten (vgl. BVerfGE 33, 23 <30>; 104, 337 <355>), denn darin entfaltet sich nicht nur die statusrechtliche Sicherung nach Art. 137 Abs. 3 WRV, sondern vor allem auch die Schutzwirkung der Religionsfreiheit von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG.

119

(3) Dies gilt in besonderem Maße im Hinblick auf Loyalitätserwartungen der Kirche und eine etwaige Abstufung von Loyalitätsobliegenheiten. Hat die Kirche oder Religionsgemeinschaft sich in Ausübung ihrer korporativen Religionsfreiheit dazu entschieden, ein bestimmtes Verhalten wegen des Verstoßes gegen tragende Glaubenssätze als Loyalitätsverstoß zu werten, ein anderes aber nicht, und hat sie diese Maßgabe zum Gegenstand eines Arbeitsvertrags gemacht, so ist es den staatlichen Gerichten grundsätzlich untersagt, diese autonom getroffene und von der Verfassung geschützte Entscheidung zu hinterfragen und zu bewerten. Gleiches gilt, soweit die Kirche oder Religionsgemeinschaft die Loyalitätsobliegenheiten auf Arbeitnehmer in bestimmten Aufgabenbereichen beschränkt oder nur auf solche kirchlichen Arbeitnehmer erstreckt hat, die ihrem Glauben angehören. Den staatlichen Gerichten ist es insoweit verwehrt, die eigene Einschätzung über die Nähe der von einem Arbeitnehmer bekleideten Stelle zum Heilsauftrag und die Notwendigkeit der auferlegten Loyalitätsobliegenheit im Hinblick auf Glaubwürdigkeit oder Vorbildfunktion innerhalb der Dienstgemeinschaft an die Stelle der durch die verfasste Kirche getroffenen Einschätzung zu stellen (vgl. auch BVerfGE 70, 138 <167>; 83, 341 <356>; so auch im Ergebnis: Isensee, in: Festschrift für Klaus Obermayer, 1986, S. 203 <214 f.>; Richardi, in: ders./Wlotzke/Wißmann/Oetker, Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd. 2, 3. Aufl. 2009, § 328 Rn. 24; Plum, NZA 2011, S. 1194 <1200>; Fahrig/Stenslik, EuZA 5 <2012>, S. 184 <194 f.>; Melot de Beauregard, NZA-RR 2012, S. 225 <230>; Walter, ZevKR 57 <2012>, S. 233 <240>; Pötters/Kalf, ZESAR 2012, S. 216 <218>; Magen, in: Kämper/Puttler , Straßburg und das kirchliche Arbeitsrecht, 2013, S. 41 <43 ff.>).

120

b) Auf einer zweiten Prüfungsstufe haben die Gerichte sodann die Selbstbestimmung der Kirchen den Interessen und Grundrechten der Arbeitnehmer in einer offenen Gesamtabwägung gegenüberzustellen.

121

aa) Dies setzt die positive Feststellung voraus, dass der Arbeitnehmer sich der ihm vertraglich auferlegten Loyalitätsanforderungen und der Möglichkeit arbeitsrechtlicher Sanktionierung von Verstößen bewusst war oder hätte bewusst sein müssen. Die Unannehmbarkeit einer Loyalitätsanforderung (vgl. BVerfGE 70, 138 <168>) ist gegeben, wenn Inhalt und Reichweite der dem kirchlichen Arbeitnehmer auferlegten Obliegenheiten sowie die sich aus einem Verstoß möglicherweise ergebenden arbeitsrechtlichen Konsequenzen nicht mit hinreichender Bestimmtheit erkennbar sind, so dass der kirchliche Arbeitnehmer sich außer Stande sieht, sein Handeln an den Loyalitätsanforderungen seines Arbeitgebers zu orientieren. Die nach freiem Willen getroffene Entscheidung eines Grundrechtsberechtigten, eine partielle Beschränkung seiner Freiheitsrechte durch Eingehung eines Arbeitsverhältnisses mit einem kirchlichen Arbeitgeber zu dessen Voraus-setzungen hinzunehmen, setzt notwendigerweise das Bewusstsein über den Umfang der Selbstbindung voraus (vgl. hierzu auch: Isensee, in: Festschrift für Klaus Obermayer, 1986, S. 203 <206 f.>; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Henneke, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 140 Rn. 27). Diese Voraussetzung ist nicht mehr erfüllt, wenn sich etwa Inhalt und Reichweite der einzuhaltenden Verhaltensregeln nur mithilfe detaillierter Kenntnisse des Kirchenrechts und der Glaubens- und Sittenlehre feststellen lassen, die vom Arbeitnehmer auch bei gesteigerten Erwartungen wegen der Konfession oder der konkreten Stellung nicht verlangt werden können (vgl. zur Relevanz des letztgenannten Umstands und zur Abgrenzung auch: EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, § 50; EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 71).

122

Das Erfordernis der Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit steht einer Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe und Generalklauseln (vgl. etwa Art. 4 Abs. 1 Satz 1 GrO: "Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre") in Arbeitsverträgen und der Verweisung auf Dienstordnungen nicht grundsätzlich entgegen. Im Zweifel ist der kirchliche Arbeitgeber jedoch gehalten, abstrakte Begrifflichkeiten zum Verständnis des Arbeitnehmers im Rahmen der individualvertraglichen Vereinbarung zu konkretisieren (vgl. hierzu auch: Böckel, in: Kämper/Puttler , Straßburg und das kirchliche Arbeitsrecht, 2013, S. 57 <58>).

123

Das Maß im Einzelfall zulässiger Abstrahierung korrespondiert dabei mit dem Umfang der nach Einschätzung der Kirche im Hinblick auf das konkrete Arbeitsverhältnis erforderlichen Loyalitätserwartungen: Bei Personen, die aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Stellung erhöhten Loyalitätsanforderungen unterworfen werden, sind in aller Regel auch Kenntnisse der kirchlichen Lehre Teil des beruflichen Anforderungsprofils und können durch den Arbeitgeber bei der Formulierung der Loyalitätserwartungen vorausgesetzt werden. Führt die Unkenntnis eines derartigen Arbeitnehmers zu einer Obliegenheitsverletzung, weil er sich über die Illoyalität seines Verhaltens nicht im Klaren ist, obschon er es hätte sein müssen, rechtfertigt dies eine andere Beurteilung als in Konstellationen, in denen Kenntnisse der kirchlichen Lehre und der einschlägigen kirchengesetzlichen Vorgaben auch aus Sicht der Kirche nicht ohne weiteres erwartet werden können.

124

bb) Im Rahmen des sich hieran anschließenden Abwägungsvorgangs sind die kollidierenden Rechtspositionen - dem Grundsatz der praktischen Konkordanz entsprechend - in möglichst hohem Maße in ihrer Wirksamkeit zu entfalten. Sie sind einander im Sinne einer Wechselwirkung verhältnismäßig zuzuordnen, das heißt, das einschränkende arbeitsrechtliche Gesetz muss im Lichte der Bedeutung des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV und Art. 4 Abs. 1 und 2 GG betrachtet werden, wie umgekehrt die Bedeutung kollidierender Rechte des Arbeitnehmers im Verhältnis zum kirchlichen Selbstbestimmungsrecht gewichtet werden muss.

125

Dem Selbstverständnis der Kirche ist dabei ein besonderes Gewicht beizumessen (vgl. hierzu auch: BVerfGE 53, 366 <401>; 66, 1 <22>; 70, 138 <167>; 72, 278 <289>; BVerfGK 12, 308 <333>), ohne dass die Interessen der Kirche die Belange des Arbeitnehmers dabei prinzipiell überwögen. Das staatliche Arbeitsrecht lässt "absolute Kündigungsgründe" nicht zu; eine Verabsolutierung von Rechtspositionen ist der staatlichen Rechtsordnung jenseits des Art. 1 Abs. 1 GG fremd. Entsprechend entbindet selbst ein erkennbar schwerwiegender Loyalitätsverstoß die staatlichen Arbeitsgerichte nicht von der Pflicht zur Abwägung der kirchlichen Interessen mit den Belangen des Arbeitnehmers. Die Arbeitsgerichte haben jedoch auch bei der Abwägung die vorgegebenen kirchlichen Maßstäbe für die Gewichtung vertraglicher Loyalitätsobliegenheiten zugrunde zu legen (BVerfGE 70, 138 <170 ff.>).

126

3. Ob diese Abwägung verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht, kann gegebenenfalls Gegenstand verfassungsgerichtlicher Kontrolle sein. Das Bundesverfassungsgericht ist zum Eingreifen gegenüber den Fachgerichten jedoch nur dann berufen, wenn diese tragende Elemente des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts und der korporativen Religionsfreiheit einerseits oder Grundrechte des Arbeitnehmers andererseits verkennen.

127

4. Diese Maßstäbe stehen in Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. bereits: EKMR, Rommelfänger v. Deutschland, Kommissionsentscheidung vom 6. September 1989, Nr. 12242/86). Die durch die Konvention begründeten objektiven Schutzpflichten des Staates aus Art. 11 Abs. 1 EMRK in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1 EMRK und das sich hieraus ergebende Autonomierecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften einerseits und die entgegenstehenden Rechtspositionen der kirchlichen Arbeitnehmer andererseits verlangen - in Übereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen Maßstäben - eine Abwägung der widerstreitenden Interessen unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls. Die durch die Konvention begründete Neutralitätspflicht des Staates in religiösen Angelegenheiten untersagt den staatlichen Stellen hierbei ebenfalls eine eigenständige Bewertung und Gewichtung von Glaubensinhalten.

128

a) Die Europäische Menschenrechtskonvention ist als Auslegungshilfe bei der Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes heranzuziehen. Dies verlangt allerdings keine schematische Parallelisierung der Aussagen des Grundgesetzes mit denen der Europäischen Menschenrechtskonvention. Vielmehr werden deren Wertungen im Sinne eines möglichst schonenden Einpassens in das vorhandene, dogmatisch ausdifferenzierte nationale Rechts- system aufgenommen (vgl. BVerfGE 111, 307 <315 ff.>; 128, 326 <366 ff.>; 131, 268 <295 f.>).

129

Die Möglichkeiten einer konventionsfreundlichen Auslegung enden dort, wo diese nach den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung und Verfassungsinterpretation nicht mehr vertretbar erscheint (vgl. BVerfGE 111, 307 <329>; 128, 326 <371>). Zudem darf sie nicht dazu führen, dass der Grundrechtsschutz nach dem Grundgesetz eingeschränkt wird; das schließt auch die Europäische Menschenrechtskonvention durch Art. 53 EMRK ihrerseits aus (vgl. BVerfGE 111, 307 <317>; 128, 326 <371>, jeweils m.w.N.). Dieses Rezeptionshemmnis kann vor allem in - wie hier - mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen relevant werden, in denen das "Mehr" an Freiheit für einen Grundrechtsträger zugleich ein "Weniger" für einen anderen bedeutet (vgl. BVerfGE 128, 326 <371>).

130

b) Art. 9 Abs. 1 EMRK schützt neben der individuellen Religionsfreiheit auch ihre korporative Seite (vgl. Meyer-Ladewig, EMRK, Handkommentar, 3. Aufl. 2011, Art. 9 Rn. 10, m.w.N). Da die Kirchen und Religionsgemeinschaften traditionell in der Form organisierter Strukturen existieren, deren autonomer Bestand für die Vielfalt in einer demokratischen Gesellschaft unverzichtbar ist und die Glaubensfreiheit in ihrem Kerngehalt berührt, muss Art. 9 Abs. 1 EMRK nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Lichte des Art. 11 Abs. 1 EMRK ausgelegt werden. Unter diesem Blickwinkel bedingt die Glaubensfreiheit des Einzelnen auch den Schutz der rechtlich verfassten Kirchen und Religionsgemeinschaften vor ungerechtfertigten staatlichen Eingriffen im Hinblick sowohl auf religiöse als auch auf organisatorische Fragen. Ohne diesen Schutz der Organisation nach Maßgabe des religiösen Selbstverständnisses durch die Konvention wäre auch die effektive Wahrnehmung der individuellen Religionsfreiheit beeinträchtigt (vgl. zu alledem: EGMR (GK), Hasan u. Chaush v. Bulgarien, Urteil vom 26. Oktober 2000, Nr. 30985/96, § 62; EGMR, Metropolitan Church of Bessarabia u.a. v. Moldawien, Urteil vom 13. Dezember 2001, Nr. 45701/99, § 118; EGMR, Holy Synod of the Bulgarian Orthodox Church (Metropolitan Inokentiy) v. Bulgarien, Urteil vom 22. Januar 2009, Nr. 412/03 u.a., § 103; EGMR (GK), Sindicatul "Păstorul cel Bun" v. Rumänien, Urteil vom 9. Juli 2013, Nr. 2330/09, § 136; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 127).

131

aa) Das Autonomierecht beinhaltet das Recht der Kirche oder Religionsgemeinschaft, nach ihren Rechtssätzen und nach ihrem Ermessen auf ein Verhalten ihrer Mitglieder zu reagieren, das eine Bedrohung für den Zusammenhalt, die Glaubwürdigkeit oder die Einheit der Gemeinschaft bedeutet (vgl. hierzu: EGMR (GK), Sindicatul "Păstorul cel Bun" v. Rumänien, Urteil vom 9. Juli 2013, Nr. 2330/09, § 165; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 128). Daneben ist in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte anerkannt, dass aus dem Autonomierecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften auch deren Befugnis erwächst, ihren Arbeitnehmern und den die Gemeinschaft repräsentierenden Personen ein gewisses Maß an Loyalität abzuverlangen (vgl. hierzu bereits: EKMR, Rommelfänger v. Deutschland, Kommissionsentscheidung vom 6. September 1989, Nr. 12242/86; sowie: EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 131, m.w.N.). Voraussetzung ist, dass von einer Verletzung der konkreten Loyalitätsanforderung nach Einschätzung der Kirche oder Religionsgemeinschaft eine substantielle Gefahr für den Zusammenhalt, die Glaubwürdigkeit oder die Einheit der Gemeinschaft ausginge, die mit der Loyalitätsanforderung verbundene Beschränkung nicht über das erforderliche Maß hinausreicht und keinen sachfremden Zwecken dient, die nicht in der Wahrnehmung des religiösen Auftrags begründet liegen; dies hat die Kirche oder Religionsgemeinschaft im Einzelfall darzulegen (vgl. EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 132).

132

bb) Unter diesen Bedingungen können auch Beschränkungen konventionsrechtlich geschützter Rechtspositionen des Arbeitnehmers gerechtfertigt sein; insoweit ist Art. 11 Abs. 1 EMRK in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1 EMRK generell geeignet, als Schranke für diese Konventionsrechte zu dienen und die objektive Schutzpflicht des Staates zu begrenzen oder gar zu verdrängen (vgl. hierzu: EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, §§ 43 ff.; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, §§ 133 ff., jeweils zu Art. 8 Abs. 1 EMRK; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, § 45, zu Art. 9 Abs. 1 EMRK).

133

Da die vertragliche Unterwerfung unter die Loyalitätserwartungen jedoch auf einer freiwilligen Entscheidung des kirchlichen Arbeitnehmers beruht (vgl. bereits EKMR, Rommelfänger v. Deutschland, Kommissionsentscheidung vom 6. September 1989, Nr. 12242/86), ist Voraussetzung hierfür grundsätzlich, dass der Inhalt der Loyalitätserwartung und die mit einem Verstoß einhergehenden Rechtsfolgen für den Arbeitnehmer vorhersehbar sind (vgl. EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 117). Für die Beurteilung der Vorhersehbarkeit ist auf die Konfession des Arbeitnehmers (vgl. hierzu: EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, § 50) und - in besonderem Maße - die von dem kirchlichen Arbeitnehmer im konkreten Einzelfall bekleidete Stellung innerhalb der Organisation abzustellen (vgl. hierzu: EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 119).

134

cc) Der konkreten Stellung des Arbeitnehmers innerhalb der religiösen Organisation oder einer ihrer selbständigen Einrichtungen (vgl. hierzu EKMR, Rommelfänger v. Deutschland, Kommissionsentscheidung vom 6. September 1989, Nr. 12242/86, zum Fall eines Assistenzarztes in einem von einer Stiftung der römisch-katholischen Kirche getragenen Krankenhaus; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, § 44, zum Fall einer Erzieherin in von protestantischen Kirchengemeinden getragenen Kindertagesstätten) und dem Inhalt der ihm übertragenen Aufgaben kommt bei Beurteilung des zulässigen Umfangs der Loyalitätsobliegenheiten und der Vereinbarkeit von Sanktionsmaßnahmen aufgrund von Loyalitätsverstößen im Rahmen der Abwägungsentscheidung besonderes Gewicht zu (vgl. EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 131, m.w.N.). Eine bereits von der Kirche oder Religionsgemeinschaft vorgenommene Abstufung von Loyalitätsobliegenheiten nach der Konfession oder beruflichen Stellung des Arbeitnehmers ist daher mit der Konvention nicht nur vereinbar, sondern im Zweifelsfall sogar geboten (vgl. EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, § 50, zur Abstufung aufgrund der Konfession; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, § 46; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 119, jeweils zur Abstufung aufgrund der Stellung). Hierdurch trägt die Kirche oder Religionsgemeinschaft ihrer Pflicht Rechnung, nur die aus ihrer Sicht zur Abwendung substantieller Risiken für den Zusammenhalt, die Glaubwürdigkeit oder die Einheit der Gemeinschaft unabweisbaren Einschränkungen konventionsrechtlich geschützter Rechtspositionen ihrer Arbeitnehmer vorzunehmen (vgl. EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 132).

135

c) Maßgeblich für die Beurteilung des notwendigen Inhalts der besonderen Loyalitätsanforderungen und des Gewichts von Verstößen hiergegen ist auch nach der Konvention der Standpunkt der Kirche oder Religionsgemeinschaft. Er ist von den staatlichen Stellen im Rahmen ihres Handelns grundsätzlich zugrunde zu legen (vgl. EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 68; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, § 45). Diese Beschränkung der Einschätzungsgewalt staatlicher Stellen wurzelt in dem konventionsrechtlichen Autonomierecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften (Art. 11 Abs. 1 EMRK i.V.m. Art. 9 Abs. 1 EMRK) und der staatlichen Neutralitätspflicht in religiösen Angelegenheiten. Sie untersagt über die bereits genannten Gewährleistungsinhalte des Autonomierechts hinaus der staatlichen Gewalt auch, kraft eigener Einschätzung darüber zu befinden, ob religiöse Glaubensüberzeugungen oder die Mittel zum Ausdruck solcher Glaubensüberzeugungen legitim sind (vgl. EGMR, Manoussakis v. Griechenland, Urteil vom 26. September 1996, Nr. 18748/91, § 47; EGMR, Jehovah's Witnesses of Moscow u.a. v. Russland, Urteil vom 10. Juni 2010, Nr. 302/02, § 141; EGMR, Church of Jesus Christ of the Latter-Day Saints v. Vereinigtes Königreich, Urteil vom 4. März 2014, Nr. 7552/09, § 29).

136

d) Dennoch muss die staatliche Gewalt den Standpunkt der Kirche und Religionsgemeinschaft vom Inhalt einer Loyalitätsanforderung und dem Gewicht eines Verstoßes ihrem Handeln nicht gänzlich ungeprüft zugrunde legen (vgl. hierzu auch: EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 69); von der konventionsrechtlichen Neutralitätspflicht in religiösen Angelegenheiten ist der Staat in bestimmten Ausnahmefällen entbunden (vgl. EGMR (GK), Hasan u. Chaush v. Bulgarien, Urteil vom 26. Oktober 2000, Nr. 30985/96, §§ 62, 78; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 129).

137

aa) Die staatlichen Gerichte haben sicherzustellen, dass die kirchlichen Arbeitgeber im Einzelfall keine unannehmbaren Anforderungen an ihre Arbeitnehmer richten (vgl. EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, § 51; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, § 45 f.). Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Loyalitätsobliegenheit oder deren Gewichtung im Kündigungsfall gegen Grundprinzipien der Rechtsordnung verstößt (vgl. EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, § 45 f.), auf willkürlichen Erwägungen beruht (vgl. EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 132) oder wenn die Zugrundelegung des nach kirchlichem Selbstverständnis erlassenen Rechtsakts durch das staatliche Gericht auch unter Berücksichtigung des entgegenstehenden Interesses des kirchlichen Arbeitgebers im Ergebnis zu einer offensichtlichen Verletzung eines Konventionsrechts in seinem Kerngehalt führt (vgl. EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 132). Letzteres ist auch dann anzunehmen, wenn durch die Loyalitätserwartung der Schutzbereich eines abwägungsfesten Konventionsrechts (vgl. Art. 15 Abs. 2 EMRK) berührt wird.

138

Nicht ausreichend ist hingegen, dass die Loyalitätsobliegenheit lediglich den Schutzbereich anderer Konventionsrechte tangiert. Dies würde nicht nur das konventionsrechtliche Autonomierecht der Kirchen (Art. 11 Abs. 1 EMRK i.V.m. Art. 9 Abs. 1 EMRK) entwerten, sondern auch den Abwägungsprozess verkürzen, wodurch der konventionsrechtlich gebotene gerechte Ausgleich zwischen mehreren - privaten - Interessen (vgl. EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, §§ 45, 52; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, §§ 40, 47) verhindert würde. Die Entscheidung darüber, ob dem Interesse des kirchlichen Arbeitgebers an der selbstbestimmten Verwirklichung seiner religiösen Grundsätze im Arbeitsrecht oder dem Interesse des kirchlichen Arbeitnehmers an dem konventionsrechtlich geschützten, jedoch illoyalen Verhalten der Vorrang einzuräumen ist, ist erst im Wege der Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen zu treffen (vgl. hierzu auch: Grabenwarter/Pabel, KuR 2011, S. 55 <62>).

139

bb) Inwieweit das Autonomierecht der Kirchen als Schranke entgegenstehender Konventionsrechte wirkt (vgl. EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 60), ist auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung der widerstreitenden Positionen und aller sie beeinflussenden Faktoren auf den Einzelfall zu bestimmen (vgl. EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, § 51; EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 68; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, § 45; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, §§ 132, 148). Da den Staat insoweit hinsichtlich beider Konventionsrechte objektive Schutzpflichten treffen und der Schutz der einen Rechtsposition notwendigerweise zur Beeinträchtigung des entgegenstehenden Rechts führt, räumt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Konventionsstaaten einen weiten Einschätzungsspielraum ein (vgl. EGMR (GK), Sindicatul "Păstorul cel Bun" v. Rumänien, Urteil vom 9. Juli 2013, Nr. 2330/09, § 160; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 123).

140

Dennoch werden die Konventionsstaaten ihren objektiven Schutzpflichten im Einzelfall nur gerecht, wenn sie eine eingehende und alle wesentlichen Umstände des Einzelfalls berücksichtigende Abwägung der durch die Kündigung tangierten Rechtspositionen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer vornehmen (vgl. EGMR (GK), Sindicatul "Păstorul cel Bun" v. Rumänien, Urteil vom 9. Juli 2013, Nr. 2330/09, § 159; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 123).

141

Hierzu zählen unter anderem das Bewusstsein des Arbeitnehmers für die begangene Loyalitätspflichtverletzung (vgl. EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 72; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, §§ 44, 46; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, §§ 141, 146), die Freiwilligkeit der Bindung an höhere Loyalitätsobliegenheiten (vgl. EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 135), die öffentlichen Auswirkungen der Loyalitätspflichtverletzung (vgl. EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, § 51; EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 72), das Interesse des kirchlichen Arbeitgebers an der Wahrung seiner Glaubwürdigkeit (vgl. EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, §§ 44, 46; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 137), die Position des Arbeitnehmers in der Einrichtung, die Schwere des Loyalitätspflichtverstoßes in den Augen der Kirche sowie die zeitliche Dimension des Loyalitätsverstoßes (vgl. jeweils EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, § 48), das Interesse des Arbeitnehmers an der Wahrung seines Arbeitsplatzes (vgl. EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 67), sein Alter, seine Beschäftigungsdauer (vgl. jeweils EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, § 48; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, § 44) und die Aussichten auf eine neue Beschäftigung (vgl. EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 73; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 144).

142

cc) Im Rahmen der Interessenabwägung hat das staatliche Gericht allerdings stets die konventionsrechtlich geschützte Neutralitätspflicht in religiösen Angelegenheiten zu wahren (vgl. EGMR, Manoussakis v. Griechenland, Urteil vom 26. September 1996, Nr. 18748/91, § 47; EGMR, Jehovah's Witnesses of Moscow u.a. v. Russland, Urteil vom 10. Juni 2010, Nr. 302/02, § 141; EGMR, Church of Jesus Christ of the Latter-Day Saints v. Vereinigtes Königreich, Urteil vom 4. März 2014, Nr. 7552/09, § 29). Aus diesem Grund muss es bei der Gewichtung religiös geprägter Abwägungselemente (z.B. spezifische Nähe der Tätigkeit des Arbeitnehmers zum Verkündigungsauftrag) den Standpunkt der verfassten Kirche und Religionsgemeinschaft seiner Entscheidung zugrunde legen, sofern es hierdurch nicht in Widerspruch zu Grundprinzipien der Rechtsordnung gelangt (vgl. EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 67; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, § 45).

143

dd) Soweit der Gerichtshof in einem Urteil beanstandet hat, die nationalen Gerichte hätten die Frage der Nähe der vom Beschwerdeführer ausgeübten Tätigkeit zum Verkündigungsauftrag der Kirche nicht geprüft, sondern offenbar ohne weitere Nachprüfungen den Standpunkt des kirchlichen Arbeitgebers in dieser Frage übernommen (vgl. EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 67), war dies den besonderen Umständen des Einzelfalls geschuldet und rechtfertigt deshalb keine abweichende Beurteilung vorstehender konventionsrechtlicher Maßstäbe.

144

Eine Lesart der Entscheidungsgründe, die eine eigenständige staatliche Bewertung der Nähe einer Tätigkeit zum Verkündigungsauftrag erfordern würde, liefe Gefahr, in unauflösbaren Widerspruch zur sonstigen Rechtsprechung des Gerichtshofs (vgl. EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, §§ 43, 51; EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, §§ 57, 60; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, §§ 40, 45) bei Loyalitätsobliegenheiten im kirchlichen Arbeitsverhältnis zu geraten und das konventionsrechtlich garantierte Autonomierecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften in seinem Kernbestand zu entwerten. Auch bliebe ungeklärt, warum der Gerichtshof sich einerseits auf die Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts aus der Entscheidung vom 4. Juni 1985 (BVerfGE 70, 138 ff.) bezogen hat, ohne deren Vereinbarkeit mit der Konvention in Zweifel zu ziehen (vgl. EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, §§ 35, 68) andererseits aber die Überprüfung kirchlicher Selbstverständnisse in weitem Umfang von den staatlichen Arbeitsgerichten verlangen würde. Eine solche Interpretation stünde letztlich auch der Rezeption in die nationale Verfassungsordnung entgegen, weil sie den Grundrechtsschutz innerhalb eines mehrpoligen Grundrechtsverhältnisses einseitig zu Lasten eines Beteiligten beschränken würde (vgl. auch Plum, NZA 2011, S. 1194 <1200>).

II.

145

Nach diesen Maßstäben verstößt das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 8. September 2011 gegen Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV, da die bei der Anwendung des § 1 Abs. 2 KSchG vorgenommene Interessenabwägung dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht der Beschwerdeführerin nicht in dem verfassungsrechtlich gebotenen Umfang Rechnung trägt.

146

1. Der persönliche Anwendungsbereich von Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV ist zu Gunsten der Beschwerdeführerin eröffnet. Sie hat in Anbetracht der vorrangig religiösen Zielsetzung ihres Handelns und ihrer institutionellen Verbindung zur römisch-katholischen Kirche an deren kirchlichem Selbstbestimmungsrecht teil. Zwar ist weder die Beschwerdeführerin selbst noch das in ihrer Trägerschaft befindliche V.-Krankenhaus Teil der amtskirchlichen Organisation. Beide haben jedoch teil an der Verwirklichung von Auftrag und Sendung der Kirche im Geist katholischer Religiosität, im Einklang mit dem Bekenntnis und in Legitimation durch die Amtsträger der römisch-katholischen Kirche.

147

a) Die durch die Beschwerdeführerin wahrgenommene Aufgabe der Krankenbehandlung und -pflege stellt sich als Teil des Sendungsauftrages der römisch-katholischen Kirche dar. Sie ist als karitative Tätigkeit auf die Erfüllung der aus dem Glauben erwachsenden Pflicht zum Dienst am Mitmenschen und damit auf die Wahrnehmung einer kirchlichen Grundfunktion gerichtet (vgl. BVerfGE 53, 366 <393>; siehe auch: BVerfGE 24, 236 <246 ff.>; 46, 73 <85 ff.>; 57, 220 <242 f.>; 70, 138 <163>).

148

In der Staatspraxis der Bundesrepublik Deutschland ist die karitative Tätigkeit in den Kirchenverträgen und Konkordaten als legitime Aufgabe der Kirchen ausdrücklich anerkannt und den Kirchen die Berechtigung dazu gewährleistet worden (vgl. BVerfGE 24, 236 <248>; 53, 366 <393>, jeweils m.w.N.). Zu dieser karitativen Tätigkeit gehört die kirchlich getragene Krankenpflege, die in langer katholischer Tradition steht. Ihr entspricht die Organisation des kirchlichen Krankenhauses und die auf sie gestützte, an christlichen Grundsätzen ausgerichtete, auch pastorale und seelsorgerische Zuwendung umfassende Hilfeleistung für den Patienten (vgl. BVerfGE 53, 366 <393>).

149

b) An der Erfüllung dieses kirchlichen Auftrags hat die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer bekenntnismäßigen und organisatorischen Verbundenheit mit der römisch-katholischen Kirche Anteil. Dies ergibt sich aus einer Gesamtschau der Regelungen des Gesellschaftsvertrages.

150

c) Im Fall der Beschwerdeführerin tritt die religiöse Dimension nicht in einem Maße gegenüber rein ökonomischen Erwägungen in den Hintergrund, das geeignet wäre, die Prägung durch das glaubensdefinierte Selbstverständnis in Frage zu stellen. Die Regelungen des Gesellschaftsvertrags der Beschwerdeführerin vom 6. August 2003, die als verbindlich anerkannten Vorgaben der Grundordnung für katholische Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen vom 5. November 1996 in der Fassung vom 27. März 2001 und die enge Verbindung der Beschwerdeführerin zum Verbund Katholischer Kliniken D. stehen einer vorrangig auf Vermögensmehrung ausgerichteten Aufgabenwahrnehmung der von ihr getragenen Einrichtungen entgegen. Allein das Ziel der Erwirtschaftung eines wirtschaftlichen Ergebnisses, das die Substanz der vorhandenen Einrichtungen und Arbeitsplätze sichert und eine sinnvolle Weiterentwicklung ermöglicht, ist für sich genommen noch nicht geeignet, die im Übrigen klar erkennbare religiöse Prägung ihres Handelns zu verdrängen.

151

2. Die Auferlegung besonderer Loyalitätsobliegenheiten gegenüber dem Kläger des Ausgangsverfahrens war vom Gewährleistungsinhalt des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV umfasst. Durch den Verweis auf die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 22. September 1993 (GrO) sowie § 10 Abs. 4 Nr. 2 des Arbeitsvertrages vom 12. Oktober 1999 ist das Verbot des Lebens in kirchlich ungültiger Ehe wirksam und vorhersehbar zum Inhalt des Arbeitsvertrages geworden (nachfolgend a) und b)). Diese Loyalitätsanforderungen stehen ebenso wie ihre Abstufung nach Konfession und Stellung im Einklang mit den Maßstäben der verfassten römisch-katholischen Kirche. Sie erlegen dem Kläger des Ausgangsverfahrens keine unannehmbaren oder gegen grundlegende verfassungsrechtliche Gewährleistungen verstoßenden Obliegenheiten auf (nachfolgend c)).

152

a) Die Regelungen der Grundordnung einschließlich derer zum Verbot des Lebens in kirchlich ungültiger Ehe sowie zu der Abstufung von Loyalitätserwartungen und arbeitsrechtlichen Sanktionen nach Konfession und Stellung des Arbeitnehmers sind von der Gesamtheit der katholischen Bischöfe in Deutschland übereinstimmend verabschiedet und promulgiert und damit für ihren jeweiligen Bereich als kirchliches Gesetz in Kraft gesetzt worden (vgl. Can. 391 § 1 CIC). Zweifel über den Inhalt der Maßstäbe der verfassten Kirche, denen seitens der staatlichen Gerichte durch entsprechende Rückfragen bei den zuständigen Kirchenbehörden zu begegnen gewesen wäre (vgl. BVerfGE 70, 138 <168>), liegen deshalb nicht vor.

153

b) Inhalt und Reichweite der dem Kläger des Ausgangsverfahrens auferlegten Obliegenheiten sowie die sich aus einem Verstoß möglicherweise ergebenden arbeitsrechtlichen Konsequenzen waren für ihn mit hinreichender Bestimmtheit erkennbar, so dass er in der Lage war, sein Verhalten hieran auszurichten. Eine Unannehmbarkeit der an ihn gerichteten Loyalitätserwartungen wegen mangelnder Vorhersehbarkeit scheidet aus.

154

aa) Art. 4 Abs. 1 Satz 1 GrO formuliert die für alle katholischen Mitarbeiter geltenden Loyalitätsobliegenheiten, indem er die Beachtung und Anerkennung der "Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre" verlangt. Im Vergleich zu den nichtkatholischen christlichen Mitarbeitern (vgl. Art. 4 Abs. 2 GrO) und nichtchristlichen Mitarbeitern (vgl. Art. 4 Abs. 3 GrO) werden katholische Mitarbeiter - zu denen der Kläger des Ausgangsverfahrens zählt - damit gesteigerten Loyalitätsanforderungen unterworfen. Hiermit korrespondiert, dass in der Regel nur katholische Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die im leitenden Dienst ausgeübt werden, betraut werden dürfen (vgl. Art. 3 Abs. 2 GrO).

155

Art. 4 Abs. 1 Satz 3 GrO enthält für leitende Mitarbeiter eine weitere Steigerung der Loyalitätsobliegenheiten. Durch Verweis auf Art. 4 Abs. 1 Satz 2 GrO wird diesen "das persönliche Lebenszeugnis im Sinne der Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre" abverlangt, das in besonderem Maße auch die Beachtung und Anerkennung der katholischen Glaubenssätze im außerdienstlichen Bereich umfasst. Die in der Präambel des Arbeitsvertrages ebenfalls zur Grundlage des Arbeitsverhältnisses erklärte "Grundordnung für katholische Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen" vom 5. November 1996 in der Fassung vom 27. März 2001 stellt in Abschnitt A Ziff. 6 klar, dass unter anderem die Abteilungsärzte (Chefärzte) als leitende Mitarbeiter im Sinne der Grundordnung zu gelten haben.

156

Art. 5 GrO regelt die arbeitsrechtliche Sanktionierung von Loyalitätsverstößen und stellt in Absatz 1 Satz 3 klar, dass auch die einseitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung nach erfolgloser Ausschöpfung milderer Maßnahmen sowie unter Berücksichtigung der Schwere des Loyalitätsverstoßes in Betracht kommt. In Form von Regelbeispielen benennt Art. 5 Abs. 2 GrO bestimmte Loyalitätsverstöße, die aus Sicht der Kirche im Regelfall derart schwerwiegend sind, dass sie grundsätzlich geeignet sind, eine Kündigung aus kirchenspezifischen Gründen zu rechtfertigen; hierdurch werden zugleich die in Art. 4 GrO auferlegten Loyalitätsobliegenheiten - wenn auch nicht abschließend - konkretisiert. Art. 5 Abs. 2 Spiegelstrich 2 GrO benennt als schwerwiegenden Loyalitätsverstoß ausdrücklich den "Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe".

157

Für die durch Art. 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 GrO gesteigerten Loyalitätsanforderungen unterworfenen Mitarbeiter stellt Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GrO klar, dass die vorstehend genannten, generell als Kündigungsgrund in Betracht kommenden Verstöße die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung in aller Regel ausschließen, wenn sie von einem leitenden Mitarbeiter begangen werden. Ein Absehen von der Kündigung soll ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn schwerwiegende Umstände des Einzelfalls die Kündigung als unangemessen erscheinen lassen (vgl. Art. 5 Abs. 3 Satz 2 GrO).

158

bb) Für den Kläger des Ausgangsverfahrens, der als Chefarzt zur Gruppe der leitenden Mitarbeiter zählt, war demnach bereits bei Vertragsschluss aufgrund der in Bezug genommenen Regelungen der Grundordnung erkennbar, dass ein Loyalitätsverstoß durch Eingehung einer zweiten Ehe im Hinblick auf den Bestand seiner nach kirchlichem Recht geschlossenen ersten Ehe im Regelfall die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses als arbeitsrechtliche Sanktion nach sich ziehen würde. Tatbestand und Rechtsfolge eines derartigen Loyalitätsverstoßes waren zudem durch § 10 Abs. 4 Nr. 2 des Arbeitsvertrages konkretisiert. Dem Kläger des Ausgangsverfahrens war danach bei der Entscheidung, die hiermit verbundene partielle Beschränkung seiner Freiheitsrechte durch Eingehung des Arbeitsverhältnisses mit der Beschwerdeführerin zu deren Konditionen hinzunehmen, der Umfang der damit eingegangenen Selbstbindung bewusst oder er hätte ihm jedenfalls bewusst sein müssen. Dies gilt umso mehr angesichts der Tatsache, dass nach dem in der Grundordnung zum Ausdruck kommenden Selbstverständnis der römisch-katholischen Kirche an einen katholischen Arbeitnehmer mit leitenden Aufgaben wegen seiner Konfession und der konkret bekleideten Stellung gesteigerte Erwartungen im Hinblick auf die Kenntnis der kirchlichen Lehre als Teil des beruflichen Anforderungsprofils gestellt werden können (vgl. EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, § 50; EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 71).

159

c) Weder die Loyalitätsobliegenheit als solche noch die arbeitsrechtliche Sanktionierung von Verstößen aufgrund der Konfession einerseits und der leitenden Stellung andererseits ist verfassungsrechtlich zu beanstanden.

160

aa) Die durch Art. 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 GrO auferlegte und durch Art. 5 Abs. 2 Spiegelstrich 2 GrO konkretisierte Loyalitätserwartung an die Mitarbeiter der römisch-katholischen Kirche, den nach katholischem Verständnis besonderen Charakter der kirchenrechtlich geschlossenen Ehe als dauerhaften und unauflöslichen Bund zwischen Mann und Frau zu respektieren und zu schützen, ist auf grundlegende und durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützte Glaubenssätze der römisch-katholischen Kirche rückführbar.

161

bb) Auch die Abstufung der Loyalitätsobliegenheiten nach der Konfession des kirchlichen Arbeitnehmers mit ihrer grundlegenden Kategorisierung nach Katholiken (Art. 4 Abs. 1 GrO), Nichtkatholiken (Art. 4 Abs. 2 GrO) und Nichtchristen (Art. 4 Abs. 3 GrO) ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seiner Entscheidung vom 4. Juni 1985 die beson-dere Bedeutung von Loyalitätserwartungen gegenüber Mitgliedern der eigenen Kirche anerkannt (vgl. BVerfGE 70, 138 <166>). Denn für die Kirchen kann ihre Glaubwürdigkeit davon abhängen, dass gerade ihre Mitglieder, die in ein Arbeitsverhältnis zu ihnen treten, die kirchliche Ordnung - auch in ihrer Lebensführung - respektieren. Die Abstufung knüpft zudem an die differenzierte Bindungswirkung des kanonischen Rechts an. Durch das katholische Kirchenrecht auferlegte Pflichten gelten ausschließlich für Katholiken (vgl. Can. 11 CIC).

162

cc) Die in Art. 4 Abs. 1 Satz 3, Art. 5 Abs. 3 GrO vorgesehene Verschärfung der Loyalitätsobliegenheiten von Arbeitnehmern in leitender Stellung ist ebenfalls von der Verfassung gedeckt. Leitende Arbeitnehmer nehmen Funktionen wahr, die hohe Bedeutung für Bestand, Entwicklung, Struktur und Umsetzung der vorgegebenen Ziele der kirchlichen Einrichtung haben. Ihnen kommt eine besondere Verantwortung für die Wahrung des spezifisch religiösen Charakters und damit der Erfüllung von Sendung und Auftrag der Kirche zu. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die außerkirchliche als auch die innerkirchliche Öffentlichkeit (vgl. Dütz, NJW 1994, S. 1369 <1371, 1373>).

163

3. Das Bundesarbeitsgericht hat im Rahmen der Auslegung von § 1 Abs. 2 KSchG bei der Gewichtung der Interessen der Beschwerdeführerin Bedeutung und Tragweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts (Art. 4 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 WRV) verkannt. Es hat auf der ersten Stufe eine eigenständige Bewertung religiös vorgeprägter Sachverhalte vorgenommen und seine eigene Einschätzung der Bedeutung der Loyalitätsobliegenheit und des Gewichtes eines Verstoßes hiergegen an die Stelle der kirchlichen Einschätzung gesetzt, obschon diese anerkannten kirchlichen Maßstäben entspricht und nicht mit grundlegenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen in Widerspruch steht. Auf diese Weise hat es die Unwirksamkeit der Kündigung mit einem vermeintlich leichteren Gewicht der Rechtsposition der Beschwerdeführerin begründet - deren Bestimmung jedoch allein Sache der verfassten römisch-katholischen Kirche gewesen wäre -, statt ein besonders hohes Gewicht der Gegenposition des Klägers des Ausgangsverfahrens in die Abwägung einzubringen (vgl. auch: Reichold/Hartmeyer, AP Nr. 92 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1675 ff.; Pötters, EzA § 611 BGB 2002 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 21, S. 15 ff.; Magen, in: Kämper/Puttler , Straßburg und das kirchliche Arbeitsrecht, 2013, S. 41 <48 ff.>; Melot de Beauregard, NZA-RR 2012, S. 225 <230>).

164

a) Soweit das Bundesarbeitsgericht zu Lasten der Beschwerdeführerin darauf abstellt, dass nach Art. 3 Abs. 2 GrO auch nichtkatholische Personen mit leitenden Aufgaben betraut werden können und die römisch-katholische Kirche es daher offenbar nicht als zwingend erforderlich erachte, Führungspositionen an das Lebenszeugnis für die katholische Sittenlehre zu knüpfen (BAG, Urteil vom 8. September 2011, S. 14 UA (Rn. 41)), liegt hierin eine unzulässige eigene Bewertung der Schwere des Loyalitätsverstoßes. Das Gericht überprüft die in Ausübung der Kirchenautonomie getroffene Abstufung von Loyalitätsobliegenheiten (vgl. BVerfGE 70, 138 <167 f.>) nach Konfession und Stellung im Allgemeinen und erachtet sie anhand seiner eigenen - säkularen - Maßstäbe als widersprüchlich.

165

aa) Die römisch-katholische Kirche hat in Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts bei der flächendeckenden Promulgation der Grundordnung festgelegt, dass der kirchliche Arbeitgeber in der Regel leitende Aufgaben nur einer Person übertragen kann, die katholischen Glaubens ist (vgl. Art. 3 Abs. 2 GrO). In diesem Fall unterliegt der Mitarbeiter nicht nur den nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 GrO für alle katholischen Mitarbeiter geltenden Loyalitätsobliegenheiten, sondern erfährt aufgrund seiner Leitungsposition auch die in Art. 4 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Satz 2 GrO enthaltene weitere Verschärfung der an ihn gerichteten Loyalitätserwartungen. Im Falle des Verstoßes gegen diese Anforderungen sieht Art. 5 Abs. 3 GrO als Regelfall die Kündigung des Arbeitsverhältnisses vor, erachtet den Loyalitätsverstoß also als besonders schwerwiegend. Hiervon ist die Beschwerdeführerin auch im vorliegenden Fall ausgegangen.

166

bb) Diese Einschätzung stellt das Bundesarbeitsgericht dadurch infrage, dass es auf die in der Grundordnung offengehaltene Möglichkeit verweist, leitende Aufgaben - im Ausnahmefall (vgl. hierzu etwa Ziff. 3 der "Ausführungsrichtlinien und Hinweise zur Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse" der Diözese Münster vom 1. April 1994) - auch nichtkatholischen christlichen Mitarbeitern zu übertragen. Zudem erachtet das Bundesarbeitsgericht unter Übergehung der kirchlichen Einschätzung zwei Tatbestände als vergleichbar, die für die römisch-katholische Kirche von ganz unterschiedlichem Gewicht sind: Für ihre Glaubwürdigkeit, die Integrität der Dienstgemeinschaft und die Vertrauensbasis der Mitarbeiterschaft hat es ein signifikant anderes Gewicht, ob in Ausnahmefällen in leitenden Funktionen auch Personen beschäftigt werden, die aus kirchenrechtlichen Gründen von Beginn an nur verminderten Loyalitätsobliegenheiten unterliegen oder ob Personen weiterbeschäftigt werden müssen, die gerade wegen ihrer Zugehörigkeit zur katholischen Kirche bevorzugt diese Positionen erhalten haben und daher erhöhten Loyalitätsbindungen unterliegen, diese aber bewusst brechen und damit nicht nur gegen ihre arbeitsvertraglichen Obliegenheiten, sondern auch gegen ihre Pflichten als Mitglied der Kirche verstoßen.

167

b) Auch soweit das Bundesarbeitsgericht aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin in der Vergangenheit mehrfach auch Chefärzte weiterbeschäftigt habe, die als Geschiedene erneut geheiratet hatten, auf ein vermindertes Kündigungsinteresse geschlossen hat, setzt es seine Einschätzung der Gewichtigkeit des durch den Kläger des Ausgangsverfahrens begangenen Loyalitätsverstoßes an die Stelle der verfassten Kirche, ohne dazu berechtigt gewesen zu sein.

168

aa) Dies gilt zunächst, soweit das Bundesarbeitsgericht auch nichtkatholische geschiedene Chefärzte in seine Betrachtung eingestellt hat. Das Gericht stellt wiederum die Abstufung von Loyalitätsanforderungen nach der Konfession des Stelleninhabers insgesamt in Frage. Dabei setzt es sich über die bereits im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juni 1985 enthaltene Vorgabe hinweg, wonach auch die Entscheidung darüber, ob und wie innerhalb der im kirchlichen Dienst tätigen Mitarbeiter eine "Abstufung" der Loyalitätsobliegenheiten eingreifen soll, eine dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht unterliegende Angelegenheit ist (vgl. BVerfGE 70, 138 <167 f.>).

169

bb) Nichts anderes gilt, soweit das Bundesarbeitsgericht auf die Weiterbeschäftigung katholischer Chefärzte nach ihrer Wiederheirat verweist. Das Bundesarbeitsgericht wäre von Verfassungs wegen nur dann zu einer eigenständigen Gewichtung des Loyalitätsverstoßes des Klägers des Ausgangsverfahrens entgegen der kirchlichen Einschätzung ermächtigt gewesen, wenn es durch die Anwendung der kirchlicherseits vorgegebenen Kriterien mit den grundlegenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen in Widerspruch geraten wäre. Dies ist nicht der Fall. Insbesondere ist die durch die Beschwerdeführerin vorgenommene hohe Gewichtung des Loyalitätsverstoßes seitens des Klägers des Ausgangsverfahrens auch in Anbetracht der Fälle, in denen katholischen Chefärzten nach Wiederverheiratung nicht gekündigt worden war, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. auch Reichold/Hartmeyer, AP Nr. 92 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1675 <1678>).

170

(1) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf im Urteil vom 1. Juli 2010, an die das Bundesarbeitsgericht gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG in Verbindung mit § 559 Abs. 1 ZPO gebunden ist, waren in der Vergangenheit lediglich zwei katholische Chefärzte nach erneuter Heirat weiterbeschäftigt worden. Im ersten Fall erfuhr die Beschwerdeführerin von der Wiederverheiratung des Chefarztes erst einen Monat vor dessen altersbedingtem Ausscheiden und sah in Anbetracht dieses Umstands von einer Kündigung ab. Im zweiten Fall lag der sachgerechte Grund für die abweichende Vorgehensweise der Beschwerdeführerin in der zwischenzeitlich deutlich geänderten innerkirchlichen Rechtslage und der daraus sich ergebenden Vorhersehbarkeit einer Kündigung im Falle einer Wieder- heirat.

171

(2) Verfassungsrechtlich nicht haltbar ist daher auch die Argumentation des Bundesarbeitsgerichts, gerade hieraus lasse sich für den Fall des Klägers des Ausgangsverfahrens der Rückschluss ziehen, dass die Beschwerdeführerin das Ethos ihrer Organisation durch eine differenzierte Handhabung bei der Anwendung und Durchsetzung ihres legitimen Loyalitätsbedürfnisses selbst nicht zwingend gefährdet sah. Einerseits beruht sie auf der wenig überzeugenden Prämisse, dass Kompromissbereitschaft aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls ein Nachweis dafür sei, dass der kompromittierte Wert nicht hoch eingeschätzt werde (vgl. Magen, in: Kämper/Puttler , Straßburg und das kirchliche Arbeitsrecht, 2013, S. 41 <49 f.>). Andererseits basiert sie auf der unzutreffenden Annahme, das kirchliche Selbstbestimmungsrecht falle bei der Abwägung nur dann ins Gewicht, wenn es - auch unter Überspielung der eigenen Grundsätze - seitens der Kirchen ausnahmslos durchgesetzt werde. Ein derartiger "Kündigungsautomatismus", den das Bundesarbeitsgericht der Beschwerdeführerin abzuverlangen scheint, ist jedoch nicht nur dem deutschen Kündigungsschutzrecht fremd, sondern steht auch im Widerspruch zu verfassungsrechtlichen (vgl. BVerfGE 70, 138 <166 f.>) wie konventionsrechtlichen Vorgaben (vgl. EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, § 51).

172

c) Auch die Annahme des Bundesarbeitsgerichts, die Beschwerdeführerin habe nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bereits seit längerem von dem ehelosen Zusammenleben des Klägers mit seiner späteren zweiten Ehefrau gewusst was erkennen lasse, dass die Beschwerdeführerin ihre Glaubwürdigkeit nicht durch jeden Loyalitätsverstoß eines Mitarbeiters als erschüttert ansehe (vgl. BAG, Urteil vom 8. September 2011, S. 14 UA (Rn. 43)), verfehlt die verfassungsrechtlichen Anforderungen und verstößt gegen Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 WRV (zu Fragen des Vertrauensschutzes, vgl. Rn. 181). Das Bundesarbeitsgericht setzt sich über den Maßstab der verfassten Kirche hinweg, indem es das Leben in kirchlich ungültiger Ehe mit dem Leben in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gleichsetzt und aus der vermeintlich bestehenden Gleichwertigkeit beider Tatbestände Rückschlüsse auf eine das Kündigungsinteresse der Beschwerdeführerin verringernde Inkonsistenz der arbeitsrechtlichen Gewichtung und Sanktionierung von Loyalitätsverstößen zieht (vgl. auch Pötters, EzA § 611 BGB 2002 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 21, S. 15<18>; Reichold/Hartmeyer, AP Nr. 92 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1675 <1678>).

173

aa) Die Grundordnung als relevanter Maßstab der verfassten Kirche sieht - neben anderen Tatbeständen - nur den Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe als ausreichend schwerwiegenden Loyalitätsverstoß an, der eine Kündigung des Arbeitnehmers rechtfertigen kann (Art. 5 Abs. 2 Spiegelstrich 2 GrO) und bei leitenden Arbeitnehmern nach Einschätzung der Kirche im Regelfall auch rechtfertigt (Art. 5 Abs. 3 GrO). Diese scharfe Sanktionierung des Loyalitätsverstoßes beruht auf dem besonderen sakramentalen Charakter der Ehe und dem für das katholische Glaubensverständnis zentralen Dogma der Unauflöslichkeit des gültig geschlossenen Ehebandes zu Lebzeiten.

174

Das ehelose Zusammenleben mit einem anderen Partner trotz fortbestehender Ehe hat nach dem Maßstab der verfassten römisch-katholischen Kirche demgegenüber eine andere Qualität. Zwar entspricht die nichteheliche Lebensgemeinschaft neben einer weiterbestehenden Ehe ebenfalls nicht dem Ethos der römisch-katholischen Kirche. Die katholischen Diözesanbischöfe haben jedoch in Ausübung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts und in Ausfüllung der durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juni 1985 den Kirchen überlassenen Spielräume entschieden, diesem Glaubenssatz mit Wirkung für das weltliche Arbeitsverhältnis nicht dasselbe Gewicht zuzumessen wie dem Verbot der erneuten Heirat zu Lebzeiten des ursprünglichen Ehepartners. Die Beschwerdeführerin betont in diesem Zusammenhang, dass erst durch die Wiederheirat der Loyalitätsverstoß eine neue Qualität erreiche, indem der Bruch mit der nach kirchlichem Recht weiterhin gültigen Ehe offiziell dokumentiert und perpetuiert werde (vgl. hierzu bereits: Rüfner, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 2, 2. Aufl. 1995, § 66, S. 901 <923>). Die Wiederverheiratung schaffe zugleich einen kaum mehr änderbaren Dauerzustand, während der Ehebruch - obschon nach der Lehre der Kirche eindeutig missbilligt - durch ein zukünftiges Unterlassen korrigierbar sei und daher noch die Möglichkeit bestehe, dass die eheliche Lebensgemeinschaft wieder hergestellt werde.

175

bb) Dieses in der Grundordnung zum Ausdruck gebrachte und für die welt-lichen Gerichte grundsätzlich bindende Selbstverständnis der römisch-katholischen Kirche, dass gerade der Bruch des sakramentalen Bandes durch eine erneute Heirat einen "wesentlichen Grundsatz der Glaubens- und Sittenlehre" für die römisch-katholische Kirche verletzt und hierin ein besonders schwerwiegender Loyalitätsverstoß zu erblicken ist, ist plausibel und beruht in Anbetracht des Vorstehenden nicht auf einem Verstoß gegen grundlegende verfassungsrechtliche Gewährleistungen, so dass es durch die staatlichen Gerichte ihren Entscheidungen zugrunde zu legen gewesen wäre.

176

Dies hat das Bundesarbeitsgericht missachtet und zugleich die Einschätzung der römisch-katholischen Kirche über die für sie relevanten Loyalitätsobliegenheiten dadurch relativiert, dass es aus der Tatsache, dass ein nach Einschätzung des Gerichts vermeintlich gleichwertiger Loyalitätsverstoß nicht konsequent geahndet wird, auf eine generelle Duldung auch anderer Pflichtverletzungen und eine Vernachlässigung der diesen zugrunde liegenden Prinzipien geschlossen hat. Indem das Bundesarbeitsgericht hierdurch die Kenntnis der Beschwerdeführerin von einem nach Einschätzung der verfassten Kirche qualitativ andersartigen und unbedeutenderen Loyalitätsverstoß zum Anlass nimmt, ihr Interesse an der arbeitsrechtlichen Ahndung des aus ihrer Sicht schwerwiegenderen Loyalitätsverstoßes des Klägers des Ausgangsverfahrens in Frage zu stellen, hat es die auf Grundlage ihrer katholischen Glaubensgrundsätze durch die Kirche gebildete Abstufung der Loyalitätsobliegenheiten und arbeitsrechtlichen Sanktionierungen nivelliert und dem in Art. 137 Abs. 3 WRV gewährleisteten Selbstbestimmungsrecht der Beschwerdeführerin nicht in dem gebotenen Umfang Rechnung getragen.

III.

177

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist daher aufzuheben und die Sache an dieses zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Das Bundesarbeitsgericht wird bei der Auslegung von § 1 Abs. 2 KSchG die praktische Konkordanz zwischen dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV) und der korporativen Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) auf Seiten der Beschwerdeführerin und dem Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) sowie dem Gedanken des Vertrauensschutzes (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) auf Seiten des Klägers des Ausgangsverfahrens herzustellen haben (vgl. hierzu BVerfGE 89, 214 <232>; 97, 169 <176>).

178

1. Art. 6 Abs. 1 GG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts (vgl. BVerfGE 6, 55 <71 f.>; 6, 386 <388>; 9, 237 <248>; 22, 93 <98>; 24, 119 <135>; 61, 18 <25>; 62, 323 <329>; 76, 1 <41, 49>; 105, 313 <346>; 107, 205 <212 f.>; 131, 239 <259>). Er stellt Ehe und Familie als die Keimzelle jeder menschlichen Gemeinschaft unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung (vgl. BVerfGE 6, 55 <72>; 55, 114 <126>; 105, 313 <346>) und garantiert eine Sphäre privater Lebensgestaltung, die staatlicher Einwirkung entzogen ist (stRspr., vgl. BVerfGE 21, 329 <353>; 61, 319 <346 f.>; 99, 216 <231>; 107, 27 <53>). Zum Gehalt der Ehe, wie er sich ungeachtet des gesellschaftlichen Wandels und der damit einhergehenden Änderungen ihrer rechtlichen Gestaltung bewahrt und durch das Grundgesetz seine Prägung bekommen hat, gehört, dass sie die Vereinigung eines Mannes mit einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft ist, begründet auf freiem Entschluss unter Mitwirkung des Staates (vgl. BVerfGE 10, 59 <66>; 29, 166 <176>; 62, 323 <330>; 105, 313 <345>; 115, 1 <19>; 121, 175 <193>; 131, 239 <259>), in der Mann und Frau in gleichberechtigter Partnerschaft zueinander stehen (vgl. BVerfGE 37, 217 <249 ff.>; 103, 89 <101>; 105, 313 <345>) und über die Ausgestaltung ihres Zusammenlebens frei entscheiden können (vgl. BVerfGE 39, 169 <183>; 48, 327 <338>; 66, 84 <94>; 105, 313 <345>).

179

Maßgeblich aus Sicht des Grundgesetzes ist dabei das Bild einer "verweltlichten" bürgerlich-rechtlichen Ehe (vgl. BVerfGE 31, 58 <82 f.>), das durch das christliche Eheverständnis traditionell geprägt, aber mit diesem nicht inhaltlich identisch ist. Da die konstitutiven Merkmale einer Ehe und die Gründe ihrer Aufhebung in der kirchlichen und der staatlichen Rechtsordnung nicht kongruent sind, können daher Bestand und Fortbestand einer Ehe aus Sicht des Staates und aus Sicht der Kirche unterschiedlich beurteilt werden (vgl. Pirson, in: Listl/ders., Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 1994, § 28, S. 787 <798>). Zwar ist auch nach dem deutschen Eherecht die Ehe eine auf Lebenszeit geschlossene Gemeinschaft (vgl. § 1353 Abs. 1 Satz 1 BGB), sie ist jedoch im Gegensatz zu der nach katholischem Ritus geschlossenen Ehe nicht unauflöslich, sondern kann unter den im Gesetz normierten Voraussetzungen geschieden werden, wodurch die Ehegatten ihre Eheschließungsfreiheit wiedererlangen (vgl. BVerfGE 10, 59 <66>; 31, 58 <82>; 53, 224 <245, 250>). Aus diesem Grund kann eine nach einer vorherigen Scheidung geschlossene Ehe verfassungsrechtlich nicht geringer bewertet werden als die Erstehe (vgl. BVerfGE 55, 114 <128 f.>; 66, 84 <93>; 68, 256 <267 f.>; 108, 351 <364>).

180

2. Bisher hat das Bundesarbeitsgericht lediglich festgestellt, dass der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG zu Gunsten des Klägers des Ausgangsverfahrens und seiner zweiten Ehefrau eröffnet ist und dass der Schutz von Ehe und Familie daher - ebenso wie die Wertungen aus Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 12 EMRK - im Wege mittelbarer Drittwirkung bei der Auslegung von § 1 Abs. 2 KSchG Berücksichtigung zu finden hat. Es hat jedoch bisher nicht dargelegt, weshalb diese Rechtspositionen, die begrifflich bei ausnahmslos jeder Kündigung wegen Wiederverheiratung betroffen sind, gerade im vorliegenden Fall in einem Maße tangiert sind, das es rechtfertigen würde, den Interessen des Klägers des Ausgangsverfahrens den Vorrang vor den Interessen der Beschwerdeführerin einzuräumen. Der Hinweis auf die Eröffnung des Schutzbereichs kann für sich genommen hierfür nicht ausreichen, da anderenfalls die in Ausübung des verfassungsrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrechts festgelegte Loyalitätsobliegenheit entwertet (vgl. auch: Joussen, in: Kämper/Puttler , Straßburg und das kirchliche Arbeitsrecht, 2013, S. 27 <38>) und ein Vorrang von Art. 6 Abs. 1 GG gegenüber den kirchlichen Rechtspositionen vermutet würde, der verfassungsrechtlich nicht geboten ist. Andererseits reicht dieser Hinweis auch nicht, um der für den Kläger des Ausgangsverfahrens und seiner jetzigen Ehefrau aus der Situation erwachsenden emotionalen Zwangslage gerecht zu werden. Das Bundesarbeitsgericht wird daher - gegebenenfalls nach Ermöglichung ergänzender Tatsachenfeststellungen - eine eingehende und alle wesentliche Umstände des Einzelfalls berücksichtigende Abwägung der durch die Kündigung tangierten Rechtspositionen der Beschwerdeführerin und des Klägers des Ausgangsverfahrens vorzunehmen haben.

181

3. Das Bundesarbeitsgericht wird auch den Gedanken des Vertrauensschutzes insoweit zu würdigen haben, als § 10 Abs. 4 Nr. 2 des Arbeitsvertrages in Abweichung von der Grundordnung unterschiedliche Bewertungen hinsichtlich von Verstößen gegen kirchliche Grundsätze - Verstoß gegen das Verbot des Lebens in kirchlich ungültiger Ehe einerseits und Verstoß gegen das Verbot des Lebens in nichtehelicher Gemeinschaft andererseits - nicht vorsieht und die individualvertragliche Abrede besonderes Vertrauen des Arbeitnehmers ausgelöst haben könnte.

182

4. Ferner wird es zu beachten haben, dass die Freiwilligkeit der Eingehung von Loyalitätsobliegenheiten durch den kirchlichen Arbeitnehmer im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen ist (vgl. BAG, Urteil vom 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - juris, Rn. 32; EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010 Nr. 1620/03, § 71; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011 Nr. 18136/02, § 46) und dem Arbeitgeber nach einem einmaligen Fehlverhalten die Fortführung des Arbeitsverhältnisses eher zugemutet werden kann als in Konstellationen, in denen er dauerhaft mit dem illoyalen Verhalten des Arbeitnehmers konfrontiert wird (vgl. BAG, Urteil vom 25. Mai 1988 - 7 AZR 506/87 - juris, Rn. 27; hierzu auch: BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 31. Januar 2001 - 1 BvR 619/92 -, juris, Rn. 8 f.).

D.

183

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Dies erscheint auch in Anbetracht des durch die Beschwerdeführerin noch vollständig erreichbaren (fachgerichtlichen) Rechtsschutzziels nicht als unangemessen.

22
Das durch Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV allen Religionsgesellschaften garantierte Selbstbestimmungsrecht wird durch die Körperschaftsrechte gemäß Art. 137 Abs. 5 und 6 WRV erweitert (Korioth in Maunz/Dürig, GG, Stand: Februar 2003, Art. 137 WRV Rn. 90). Der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß Art. 140 GG, 137 Abs. 5 WRV ist ein Mittel zur Erleichterung und Entfaltung der Religionsfreiheit, welches die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Religionsgemeinschaften unterstützen soll (BVerfGE 102, 370, 387, 393). Durch seine Verleihung erhält die Religionsgemeinschaft eine besondere Rechtsstellung, die über diejenige privatrechtlich verfasster Religionsgemeinschaften hinausgeht (BVerfGE 102, 370, 388; 66, 1, 20; BGH, Beschluss vom 24. Juli 2001 - VI ZB 12/01, BGHZ 148, 307, 309). Zu den anerkannten Korporationsrechten zählt neben der Organisationsgewalt die - gegenständlich auf die normative Ausgestaltung der Körperschaft und der aus ihr abgeleiteten einzelnen Rechte beschränkte (BVerwG, NVwZ 2008, 1357 Rn. 14) - Rechtsetzungsautonomie (P. Kirchhof in Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl., S. 651, 670 f.; Korioth, aaO, Rn. 87, 90; von Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, 4. Aufl., S. 257 ff., 266; Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, S. 294 f.; Zacharias, NVwZ 2007, 1257, 1259 f.; Magen, NVwZ 2001, 888 f.). Diese unmittelbar mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verbundene und deshalb schon in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV wurzelnde Befugnis stellt ein zentrales Recht der korporierten Religionsgemeinschaften zur Gestaltung einer ihrem religiösen Selbstverständnis gemäßen Organisationsform dar (vgl. Zacharias, aaO; Magen, Körperschaftsstatus und Religionsfreiheit , S. 15, 271 ff. und NVwZ 2001, 888 f.; P. Kirchhof, aaO, S. 671).

Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.

(1) Es besteht keine Staatskirche.

(2) Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet. Der Zusammenschluß von Religionsgesellschaften innerhalb des Reichsgebiets unterliegt keinen Beschränkungen.

(3) Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.

(4) Religionsgesellschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes.

(5) Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften zu einem Verbande zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft.

(6) Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.

(7) Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen.

(8) Soweit die Durchführung dieser Bestimmungen eine weitere Regelung erfordert, liegt diese der Landesgesetzgebung ob.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch die in diesem Grundgesetze vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt.

(1) Es besteht keine Staatskirche.

(2) Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet. Der Zusammenschluß von Religionsgesellschaften innerhalb des Reichsgebiets unterliegt keinen Beschränkungen.

(3) Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.

(4) Religionsgesellschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes.

(5) Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften zu einem Verbande zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft.

(6) Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.

(7) Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen.

(8) Soweit die Durchführung dieser Bestimmungen eine weitere Regelung erfordert, liegt diese der Landesgesetzgebung ob.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 271/99 Verkündet am:
11. Februar 2000
R i e g e l ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
-----------------------------------
GG Art. 2 Abs. 1; 20 Abs. 3; 92; 140 i.V.m. WRV Art. 137 Abs. 3;

a) Eine Kirchen- oder Religionsgemeinschaft (hier: jüdische Gemeinde) kann vor
den staatlichen Gerichten ein Mitglied auf Unterlassung in Anspruch nehmen,
auch wenn dazu innergemeinschaftliche Vorfragen (hier: zur Vertretung der Gemeinde
) geklärt werden müssen.

b) Ist die Vorfrage durch ein Schiedsgericht der Kirche oder Religionsgemeinschaft
entschieden (hier durch Einsetzung eines kommissarischen Vorstandes), so sind
die staatlichen Gerichte daran grundsätzlich gebunden.
BGH, Urt. v. 11. Februar 2000 - V ZR 271/99 - OLG Naumburg
LG Halle
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Februar 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die
Richter Dr. Vogt, Schneider, Prof. Dr. Krüger und Dr. Klein

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 14. Dezember 1998 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist eine jüdische Religionsgemeinschaft mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Im Dezember 1996 wurde der Beklagte in deren Vorstand gewählt und von diesem zum Vorsitzenden bestimmt. Diese Wahl wurde von dem früheren, im Oktober 1995 gewählten Vorstand und dessen Vorsitzenden nicht anerkannt. Es kam zu Streitigkeiten darüber, wer die Klägerin rechtswirksam vertrete. Das von beiden Vorsitzenden als Repräsentanten der streitenden Gruppen jeweils namens der Klägerin angerufene Schiedsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland erklärte mit Schiedsurteil vom 17. April 1997 beide Wahlen für ungültig und übertrug die Geschäftsführung kommissarisch einer von dem Präsidium des Zentralrats der Juden in Deutschland zu benennenden Person mit der Aufgabe, nach Vorlage eines Berichts des Landesrechnungshofs Neuwahlen durchführen zu lassen.
Zwischen dem kommissarisch eingesetzten Vorsitzenden und dem Beklagten kam es in der Folge zu Auseinandersetzungen um die Führung der Klägerin. Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zur Unterlassung folgender Handlungen zu verurteilen:
1. die Räume der Klägerin zu betreten,
2. die Geschäftsführung des kommissarischen Geschäftsführers zu behindern , insbesondere diesem den Zutritt zu den Verwaltungsräumen zu verwehren,
3. Einfluß auf die Verwaltungstätigkeit der Klägerin zu nehmen, insbesondere deren Angestellten organisatorische Weisungen zu erteilen,
4. sich als Vorstandsvorsitzenden der Klägerin zu bezeichnen und unter dieser Bezeichnung im Rechtsverkehr, insbesondere unter Verwendung eines entsprechenden Kopfbogens, des Davidsterns oder des Amtssiegels aufzutreten.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß sich der Klageantrag Nr. 1 erledigt hat. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision des Beklagten mit dem Ziel der Klageabweisung, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Klägerin stehe gegen den Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung gemäß §§ 862, 1004 BGB zu. Der Beklagte habe die ihm vorgeworfenen Handlungen eingeräumt. Die alleinige Vertretungsmacht des kommissarischen Vorsitzenden stehe aufgrund des Urteils des Schiedsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland als einer von einer "innerkirchlichen" Gerichtsbarkeit getroffenen Entscheidung fest. Um die autonome "kirchliche" Körperschaft nicht rechtsschutzlos zu stellen, müsse der Staat die Durchsetzung einer religionsintern getroffenen Entscheidung gewährleisten.
Das hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.

II.

1. Den Rechtsweg zu den Zivilgerichten hat schon das Landgericht durch unangefochtenen Beschluß bejaht. Dies bindet den Senat (§ 17 a GVG). Davon zu trennen ist die andere Frage, ob die Klägerin überhaupt bei staatlichen Gerichten um Rechtsschutz nachsuchen kann. Diese Frage ist auch in der Revisionsinstanz in vollem Umfang zu prüfen, weil es weder um den Rechtsweg unter den staatlichen Gerichten, noch um Fragen der Zuständigkeit (§ 549 Abs. 2 ZPO) geht.
Ohne Erfolg rügt die Revision insoweit, die Klage sei bereits als unzulässig abzuweisen, da eine rein innergemeinschaftliche Angelegenheit gegeben sei, die keiner Rechtskontrolle durch staatliche Gerichte unterliege.
Aus der dem Staat obliegenden Justizgewährungspflicht (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip; Art. 92 GG) folgt, daß die staatlichen Gerichte grundsätzlich zur Entscheidung aller Rechtsfragen berufen sind, deren Beurteilung sich nach staatlichem Recht richtet (BVerfG, NJW 1999, 349; BVerfGE 85, 337, 345; von Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Aufl., S. 365; Kästner, Staatliche Justizhoheit und religiöse Freiheit, S. 111). Insoweit kann es weder auf ein staatliches Einverständnis zur Inanspruchnahme der Gerichte durch Kirche bzw. Religionsgemeinschaft ankommen, noch ist die staatliche Gerichtsbarkeit gegenüber der Gerichtsbarkeit der Religionsgemeinschaft subsidiär (von Campenhausen, aaO, S. 205; ders., AöR 112 (1987) 623, 629; Bock, Der kirchliche Dienst und das staatliche Recht, in Das Recht der Kirche Bd. III, 531, 536). Sollte in BGHZ 46, 96, 101 und in BGHZ 34, 372, 374 hierzu etwas anderes zum Ausdruck gekommen sein, hält der Senat (der für die Beurteilung kirchenrechtlicher Verhältnisse zuständig ist) hieran nicht fest. Ist der Rechtsweg durch die staatlichen Prozeßordnungen allgemein eröffnet , widerspräche es dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), Ansprüche der Religionsgemeinschaften auf staatlichen Rechtsschutz anders zu behandeln als Ansprüche der anderen Rechtssubjekte (Weber, Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland (HdbStKirchR), 2. Aufl., S. 1051). Die Pflicht des Staates zur Justizgewährung hat deshalb sowohl gegen als auch zugunsten der Religionsgemeinschaften in gleicher Weise wie für und gegen alle Rechtssubjekte auf dem Staatsgebiet selbst dann zu gelten, wenn bei der Anwendung staatlicher Rechtssätze religionsgemeinschaftliche Vorfra-
gen zu klären sind (von Campenhausen, aaO, 627; Weber, NJW 1989, 2217, 2218 f; Rüfner, HdbStKirchR, S. 1090 f; Schmidt-Bleibtreu, GG, 9. Aufl., Art. 140 Rdn. 4 a).
Allerdings garantiert der über Art. 140 GG als Bestandteil des Grundgesetzes fortgeltende Art. 137 Abs. 3 WRV vom 11. August 1919 den Kirchen und Religionsgesellschaften, ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und zu verwalten (BVerfGE 18, 385, 386). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist diese Garantie eine notwendige, rechtlich selbständige Gewährleistung , die der Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 2 GG) die dazu unerläßliche Freiheit der Bestimmung über Organisation, Normsetzung und Verwaltung hinzufügt (BVerfGE 70, 138, 164 m.w.N.). Dieses religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmungsrecht ist neben der Religionsfreiheit (Art. 4 GG) und der Trennung von Staat und Kirche (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV) die dritte Säule der staatskirchenrechtlichen Ordnung des Grundgesetzes. Es gilt für alle Religionsgemeinschaften unabhängig davon, ob sie - wie die Klägerin - die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besitzen, privatrechtliche Vereine sind oder der Rechtsfähigkeit überhaupt entbehren (von Campenhausen, Staatskirchenrecht, aaO, S. 105 f) und schließt für rein "innerkirchliche" Maßnahmen jede staatliche Einmischung - auch eine Überprüfung durch staatliche Gerichte - in der Regel aus (BVerfG, NJW 1999, 350 m.w.N.; SchmidtBleibtreu , aaO, Art. 140 Rdn. 4 a).
Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften setzt folglich dem staatlichen Rechtsschutz Grenzen (Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 113). Selbstverwaltungsrecht und allge-
meine Gesetze sowie ihre Durchsetzung durch die staatlichen Gerichte stehen damit in einem Wechselverhältnis, dem durch entsprechende Güterabwägung Rechnung zu tragen ist. Dabei ist dem Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften besonderes Gewicht beizumessen (BVerfG, NJW 1999, 349, 350). Es kommt deshalb darauf an, ob und inwieweit die jeweils in Rede stehende Maßnahme von deren Selbstbestimmungsrecht erfaßt wird und die Schranken "des für alle geltenden Gesetzes" nicht überschreitet. Die Frage, ob eine Maßnahme diesem Bereich zuzurechnen ist oder den staatlichen Bereich berührt, entscheidet sich danach, was materiell, der Natur der Sache oder Zweckbeziehung nach, als eigene Angelegenheit der Kirche oder Religionsgemeinschaft anzusehen ist (BVerfGE 18, 385, 387). Zu den innergemeinschaftlichen Angelegenheiten gehört auch das Organisationsrecht, namentlich die Wahl der Vertretungsorgane. Der bürgerliche Rechtskreis der beteiligten Personenkreise wird durch solche Regeln nicht berührt (BVerfG NJW 1999, 350).
Das Berufungsgericht hat demnach die Klage zu Recht als zulässig erachtet. Streitgegenstand sind die von der Klägerin geltend gemachten Unterlassungsansprüche und nicht die Frage ihrer Vertretung, die lediglich eine Vorfrage ist. Das Klagebegehren ist zivilrechtlicher Natur. Das Zivilrecht gehört zu den "für alle geltenden Gesetzen" und nicht zu den innergemeinschaftlichen Angelegenheiten (von Campenhausen, aaO, 633; ders., Staatskirchenrecht, S. 121; Rüfner, aaO, S. 1091). Es ist somit nach staatlichem Recht zu beurteilen.
Daß dabei möglicherweise innergemeinschaftliche Regelungen oder Entscheidungen von präjudizieller Bedeutung sind für die Beurteilung des streitgegenständlichen Rechtsverhältnisses, steht dem nicht entgegen. Die
staatliche Gerichtsbarkeit kann wegen der Justizgewährungspflicht, die hier aus dem zivilrechtlichen Streitgegenstand folgt, einer Entscheidung nicht ausweichen , auch wenn im Rahmen der Begründetheit innergemeinschaftlichen Vorfragen in besonderer Weise Rechnung zu tragen ist (Sachs, DVBl 1989, 487, 494).
2. Rechtsfehlerfrei bejaht das Berufungsgericht einen Unterlassungsanspruch der Klägerin nach §§ 862, 1004 BGB. Diese Vorschriften sind, soweit es nicht ohnehin um Besitz und Eigentum der Klägerin geht, jedenfalls analog anwendbar , als die Klägerin damit den Schutz ihrer autonomen Verwaltungstätigkeit durch den eingesetzten kommissarischen Geschäftsführer geltend macht. Das zieht auch die Revision nicht in Zweifel. Das Berufungsgericht hat unangegriffen festgestellt, daß das Verhalten des Beklagten in der Vergangenheit die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen des in den Klageanträgen 2 bis 4 bezeichneten Rechtsbereichs der Klägerin begründet.
Mit Recht hat das Berufungsgericht im Hinblick auf die vorgreifliche Frage der Vertretung der Klägerin auf das insoweit die staatlichen Gerichte bindende Urteil des Schiedsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland vom 17. April 1997 abgestellt. Die Revisionsangriffe des Beklagten hiergegen greifen nicht durch.
Das Schiedsurteil ist eine Entscheidung in einer innergemeinschaftlichen Angelegenheit durch ein Gericht der Religionsgemeinschaft. Sie ist für den Senat bindend und einer Überprüfung nicht zugänglich. Dies folgt unmittelbar aus den oben unter I 1 dargestellten Grundsätzen über die Beachtung des Selbstbestimmungsrechts und die dadurch gegebene Begrenzung des
staatlichen Rechtsschutzes im Bereich der Religionsgemeinschaft. Zwar hat die Entscheidung des Schiedsgerichts über die Vertretung der Klägerin auch mittelbare Rechtswirkungen etwa im bürgerlichen Recht. Das rechtfertigt jedoch keine erweiterte Prüfungskompetenz staatlicher Gerichte. Vielmehr sind solche vorgreiflichen Entscheidungen selbst dann grundsätzlich zu respektieren (BGHZ 12, 321, 323; OVG Magdeburg, NJW 1998, 3070, 3071; OLG Naumburg NJW 1998, 3060, 3061; Sachs, aaO, 495; Heckel, aaO, S. 228; Rüfner, aaO, S. 1090; Johnsen, Nachprüfbarkeit kirchlicher Rechtshandlungen der staatlichen Gerichte (1956) S. 195 f; im Ergebnis auch Hesse, aaO, S. 136, der andernfalls die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen sieht), wenn das im Einzelfall dazu führen kann, daß staatliche Gerichte an der Durchsetzung von Entscheidungen mitwirken, von denen sie mangels vollständiger Überprüfbarkeit gar nicht wissen, ob die angeordneten Maßnahmen berechtigt sind (vgl. BGHZ 29, 352, 363 zum Vereinsrecht). Das ist im Hinblick auf das verfassungsrechtlich abgesicherte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften hinzunehmen, jedenfalls solange die Entscheidung nicht willkürlich ist oder gegen fundamentale Rechtsprinzipien verstößt (vgl. BVerfGE 70, 138, 168; Rüfner, aaO, S. 1090; Johnsen, aaO, S. 195). Das bezweifelt im Ansatz auch die Revision nicht.
Nicht gefolgt werden kann der Auffassung der Revision, das Schiedsgericht sei nur von "Privatpersonen" angerufen worden und könne schon deshalb zugunsten der Klägerin keine Bindungswirkung entfalten. Das Schiedsgericht angerufen haben sowohl der Beklagte als auch sein Konkurrent (als Repräsentanten der streitenden Gruppen innerhalb der Klägerin) jeweils - wie das Berufungsgericht unangefochten feststellt - namens der Klägerin, wobei jeder für sich in Anspruch nahm, rechtswirksam deren Vorstandsvorsitzender zu
sein. Auch das Ziel des Beklagten war es mithin, seine Vertretungsbefugnis für die Klägerin durch das Schiedsgericht feststellen zu lassen. Die für ihn (und seinen Konkurrenten) negative Entscheidung durch Schiedsurteil kann der Beklagte insoweit nicht dadurch in Frage stellen, daß er nunmehr hervorhebt, nach dem eigenen Standpunkt des Schiedsgerichts habe wegen Unwirksamkeit der vorangegangenen Wahlen weder er noch sein Konkurrent die Klägerin wirksam vertreten und sie damit dem Spruch des Schiedsgerichts unterwerfen können. Dies liefe sonst letztlich auf eine sachliche Überprüfung des Schiedsurteils hinaus, die den staatlichen Gerichten entzogen ist. Das Schiedsurteil entfaltet für diese vielmehr eine Art Tatbestandswirkung, die als solche nur festzustellen und zu respektieren ist.
Das Schiedsurteil verstößt weder gegen fundamentale Rechtsgrundsätze , noch ist es willkürlich. Zwar ist in § 15 Abs. 2 der Schiedsgerichtssatzung vorgesehen, das Gericht werde in Streitigkeiten satzungsrechtlicher Art nur nach Vorlage einer von den Streitparteien rechtswirksam unterzeichneten schriftlichen Unterwerfungserklärung tätig. Ob das Fehlen einer solchen Unterwerfungserklärung als Verfahrensfehler beurteilt werden könnte, mag offenbleiben. Die damals allein in Betracht kommenden Beteiligten, nämlich der Beklagte und sein Konkurrent, haben nämlich eine Entscheidung des Schiedsgerichts zur Vertretung der Klägerin nachgesucht und das Fehlen einer Unterwerfungserklärung nicht gerügt. Von einer willkürlichen Verfahrensweise kann mithin keine Rede sein. Der Beklagte verhält sich im übrigen auch treuwidrig, wenn er nunmehr das Schiedsurteil unter dem erörterten formalen Aspekt nicht gegen sich gelten lassen will.
Das Schiedsurteil ist als innergemeinschaftlicher Akt auch insoweit der Nachprüfung entzogen, als es um die Frage geht, ob das Gericht mit der Einsetzung eines vom Zentralrat der Juden zu benennenden kommissarischen Vorsitzenden seine Entscheidungskompetenz überschritten hat. In Anbetracht der von ihm selbst angenommenen Ungültigkeit beider vorangegangenen Wahlen war es weder willkürlich noch ein Verstoß gegen fundamentale Grundsätze , die Handlungsfähigkeit der Klägerin durch die Einsetzung eines Notgeschäftsführers wieder herzustellen, zumal - wie das Berufungsgericht auch unangegriffen feststellt - die wirtschaftliche Existenz der Klägerin unter Verwendung eines jährlichen Landeszuschusses in Höhe von 450.000 DM in hohem Grade gefährdet war.
Rechtlich zutreffend nimmt das Berufungsgericht auch an, daß die streitenden Konkurrenten das einmal ergangene Schiedsurteil nicht über eine Vereinbarung vom 29. Mai 1997 wieder aus der Welt schaffen konnten. Dieses Urteil erging zwar auf Veranlassung der damals Beteiligten, verhielt sich aber zur Vertretung der Klägerin, die es - wovon hier nach den obigen Ausführungen auszugehen ist - verbindlich regelte. Es begründete damit eine Rechtsposition zugunsten der Klägerin, die die um den Vorstandsvorsitz streitenden Beteiligten nicht mehr ohne deren Mitwirkung beseitigen konnten, zumal sie nach dem Ausgangspunkt des Schiedsurteils gerade nicht zur Vertretung der Klägerin berechtigt waren.
Soweit sich der Beklagte auf ein von ihm vorgelegtes Urteil eines israelischen Rabbinatsgerichts von 25. Juni 1997 bezieht, das die Unwirksamkeit des Schiedsurteils vom 17. Mai 1997 feststellt und eine Vertretung der Klägerin unter anderem durch den Beklagten annimmt, hat das Berufungsgericht unter
Auseinandersetzung mit entsprechenden Fachgutachten angenommen, dieses Urteil des Rabbinatsgerichts als eines sog. "Gerechtigkeitsgerichts" entfalte keine Rechtswirkungen gegenüber dem Schiedsurteil und verstoße im übrigen auch wegen Verletzung elementarer Grundsätze (Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör) gegen den "ordre public". Ob die dagegen vorgebrachten Rügen der Revision durchgreifen, kann offenbleiben, weil nach dem unstreitigen Sachvortrag das Urteil des Rabbinatsgerichts später wieder aufgehoben worden ist.
Regelt mithin das Schiedsurteil die Vertretung der Klägerin verbindlich auch gegenüber dem Beklagten bis zu der vom kommissarischen Vorsitzenden durchzuführenden Neuwahl eines neuen Vorstands, so folgt daraus, daß die vom Beklagten einberufene außerordentliche Mitgliederversammlung vom 25. Mai 1997 und die dort gefaßten Beschlüsse zur Abberufung des kommissarischen Geschäftsführers die rechtswirksame Vertretung der Klägerin durch diesen nicht in Frage stellen können. Daß dies nach innergemeinschaftlichem Recht anders sein könnte, hat der Beklagte nicht hinreichend dargetan.
Offenbleiben kann, ob die vom kommissarischen Geschäftsführer der Klägerin veranlaßte Ausarbeitung einer neuen Satzung und Wahlordnung sowie die Beschlußfassung hierüber aus dem Jahre 1998 rechtswirksam ist; denn diese Vorgänge können an der Vertretung der Klägerin ohnehin nichts ändern. Den staatlichen Gerichten steht es auch nicht zu, darüber zu befinden, ob entgegen dem Schiedsurteil die Notgeschäftsführung bei der Klägerin durch Zeitablauf beendet ist. Das Schiedsurteil hat eine kommissarische Vertretung der Klägerin angeordnet bis zur Durchführung neuer Vorstandswahlen.
3. Das Berufungsgericht hat im Tenor seiner Entscheidung festgestellt, daß der Klageantrag Nr. 1 erledigt sei, ist hierauf in den Entscheidungsgründen aber nicht weiter eingegangen. Soweit die Revision insoweit eine Rüge nach § 551 Nr. 7 ZPO erhebt, greift sie nicht durch. Eine Begründung ist nämlich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmen. Der Antrag Nr. 1 war darauf gerichtet, dem Beklagten das Betreten der Gemeinderäume zu verbieten , weil der Geschäftsführer ihm aufgrund gewisser Vorgänge Hausverbot erteilt hatte. Nachdem dieses Hausverbot während des Rechtsstreits wieder aufgehoben worden ist, erklärte die Klägerin den Antrag Nr. 1 für erledigt. Der Teilerledigungserklärung hat sich der Beklagte nicht angeschlossen. Da die Klage entsprechend den vorstehenden Ausführungen begründet war, ist die streitige Erledigungsfeststellung durch das Berufungsgericht nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Vogt Schneider Krüger Klein

(1) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus gerichtlichen Vergleichen,
4.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen,
5.
aus den für vollstreckbar erklärten Schiedssprüchen öffentlich-rechtlicher Schiedsgerichte, sofern die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt ist.

(2) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

Die Zwangsvollstreckung findet statt aus Endurteilen, die rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sind.

(1) Die Zwangsvollstreckung findet ferner statt:

1.
aus Vergleichen, die zwischen den Parteien oder zwischen einer Partei und einem Dritten zur Beilegung des Rechtsstreits seinem ganzen Umfang nach oder in Betreff eines Teiles des Streitgegenstandes vor einem deutschen Gericht oder vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle abgeschlossen sind, sowie aus Vergleichen, die gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 oder § 492 Abs. 3 zu richterlichem Protokoll genommen sind;
2.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen;
2a.
(weggefallen)
2b.
(weggefallen)
3.
aus Entscheidungen, gegen die das Rechtsmittel der Beschwerde stattfindet;
3a.
(weggefallen)
4.
aus Vollstreckungsbescheiden;
4a.
aus Entscheidungen, die Schiedssprüche für vollstreckbar erklären, sofern die Entscheidungen rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sind;
4b.
aus Beschlüssen nach § 796b oder § 796c;
5.
aus Urkunden, die von einem deutschen Gericht oder von einem deutschen Notar innerhalb der Grenzen seiner Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind, sofern die Urkunde über einen Anspruch errichtet ist, der einer vergleichsweisen Regelung zugänglich, nicht auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist und nicht den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betrifft, und der Schuldner sich in der Urkunde wegen des zu bezeichnenden Anspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat;
6.
aus für vollstreckbar erklärten Europäischen Zahlungsbefehlen nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006;
7.
aus Titeln, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen als Europäische Vollstreckungstitel bestätigt worden sind;
8.
aus Titeln, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union im Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (ABl. L 199 vom 31.7.2007, S. 1; L 141 vom 5.6.2015, S. 118), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2015/2421 (ABl. L 341 vom 24.12.2015, S. 1) geändert worden ist, ergangen sind;
9.
aus Titeln eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union, die nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu vollstrecken sind.

(2) Soweit nach den Vorschriften der §§ 737, 743, des § 745 Abs. 2 und des § 748 Abs. 2 die Verurteilung eines Beteiligten zur Duldung der Zwangsvollstreckung erforderlich ist, wird sie dadurch ersetzt, dass der Beteiligte in einer nach Absatz 1 Nr. 5 aufgenommenen Urkunde die sofortige Zwangsvollstreckung in die seinem Recht unterworfenen Gegenstände bewilligt.

(1) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus gerichtlichen Vergleichen,
4.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen,
5.
aus den für vollstreckbar erklärten Schiedssprüchen öffentlich-rechtlicher Schiedsgerichte, sofern die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt ist.

(2) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

(1) Die Zwangsvollstreckung findet ferner statt:

1.
aus Vergleichen, die zwischen den Parteien oder zwischen einer Partei und einem Dritten zur Beilegung des Rechtsstreits seinem ganzen Umfang nach oder in Betreff eines Teiles des Streitgegenstandes vor einem deutschen Gericht oder vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle abgeschlossen sind, sowie aus Vergleichen, die gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 oder § 492 Abs. 3 zu richterlichem Protokoll genommen sind;
2.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen;
2a.
(weggefallen)
2b.
(weggefallen)
3.
aus Entscheidungen, gegen die das Rechtsmittel der Beschwerde stattfindet;
3a.
(weggefallen)
4.
aus Vollstreckungsbescheiden;
4a.
aus Entscheidungen, die Schiedssprüche für vollstreckbar erklären, sofern die Entscheidungen rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sind;
4b.
aus Beschlüssen nach § 796b oder § 796c;
5.
aus Urkunden, die von einem deutschen Gericht oder von einem deutschen Notar innerhalb der Grenzen seiner Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind, sofern die Urkunde über einen Anspruch errichtet ist, der einer vergleichsweisen Regelung zugänglich, nicht auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist und nicht den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betrifft, und der Schuldner sich in der Urkunde wegen des zu bezeichnenden Anspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat;
6.
aus für vollstreckbar erklärten Europäischen Zahlungsbefehlen nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006;
7.
aus Titeln, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen als Europäische Vollstreckungstitel bestätigt worden sind;
8.
aus Titeln, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union im Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (ABl. L 199 vom 31.7.2007, S. 1; L 141 vom 5.6.2015, S. 118), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2015/2421 (ABl. L 341 vom 24.12.2015, S. 1) geändert worden ist, ergangen sind;
9.
aus Titeln eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union, die nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu vollstrecken sind.

(2) Soweit nach den Vorschriften der §§ 737, 743, des § 745 Abs. 2 und des § 748 Abs. 2 die Verurteilung eines Beteiligten zur Duldung der Zwangsvollstreckung erforderlich ist, wird sie dadurch ersetzt, dass der Beteiligte in einer nach Absatz 1 Nr. 5 aufgenommenen Urkunde die sofortige Zwangsvollstreckung in die seinem Recht unterworfenen Gegenstände bewilligt.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 53/03
Verkündet am:
27. Mai 2004
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Verfahren auf Aufhebung eines Schiedsspruchs
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Der Aufhebungsantrag nach § 1059 ZPO ist nur gegen einen im schiedsrichterlichen
Verfahren im Sinne der §§ 1025 ff ZPO erlassenen (inländischen
) Schiedsspruch statthaft. Ob ein solcher Schiedsspruch vorliegt, ist
eine von Amts wegen zu prüfende besondere Prozeßvoraussetzung des
Aufhebungsverfahrens.

b) Die Entscheidungen der sogenannten Vereins- oder Verbandsgerichte sind
keine Schiedssprüche im Sinne der §§ 1025 ff ZPO.

a) Durch Vereinssatzung können auf das Mitgliedschaftsverhältnis bezogene
Streitigkeiten zwischen einem Vereinsmitglied und dem Verein oder zwischen
Vereinsmitgliedern einem Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff
ZPO zugewiesen werden.

b) Das satzungsmäßig berufene Schiedsgericht ist nur dann als Schiedsgericht
im vorgenannten Sinn anzuerkennen, wenn Rechtsstreitigkeiten unter
Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges der Entscheidung einer unabhängigen
und unparteilichen Instanz unterworfen werden.
BGH, Beschluß vom 27. Mai 2004 - III ZB 53/03 - OLG Köln
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Mai 2004 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Dr. Wurm, Dörr, Galke und Dr. Herrmann

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluß des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 3. Juni 2003 aufgehoben.
Der Antrag, den "Schiedsspruch" des "Schiedsgerichts des DLC e.V." vom 28. Februar 2002 aufzuheben, wird als unzulässig zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe:


I.


Der Antragsgegner ist ein eingetragener Verein, der sich zum Ziel gesetzt hat, die Zucht von Landseer-Hunden zu fördern und die Interessen der Liebhaber dieser Hunderasse zu vertreten (§ 3 Nr. 1 Satz 1 der Satzung des Antragsgegners). Die Antragstellerin war bis zum 31. Dezember 2001 Mitglied des Antragsgegners.

Anfang 2001 wollte die Antragstellerin ihre Zucht un ter internationalen Zwingerschutz stellen. Sie beantragte deshalb mit Schreiben vom 6. Februar 2001 bei dem Dachverband, dem auch der Antragsgegner angehört (VDH), ihrem Zwinger "von der Schwanenburg" internationalen Zwingerschutz zu gewähren. Aufgrund der Empfehlung des VDH, den Antrag auf "DLC-Papier" zu stellen, benutzte sie für das vorgenannte Schreiben Papier mit dem Briefkopf des Antragsgegners, setzte aber ihren Namen und ihre Anschrift hinzu.
Der Vorstand des Antragsgegners nahm dieses Verhalten de r Antragstellerin zum Anlaß, sie aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung aus dem Antragsgegner auszuschließen. Gegen den mit Schreiben vom 1. Juni 2001 mitgeteilten Vorstandsbeschluß erhob die Antragstellerin mit Anwaltsschreiben vom 1. August 2001 "Klage" vor dem von dem Antragsgegner gemäß § 22 der Satzung eingerichteten "Schiedsgericht des DLC e.V." (im folgenden: "Schiedsgericht"

).


Die Antragstellerin erweiterte die "Schiedsgerichtsklage " mit Schriftsatz vom 4. Januar 2002, nachdem der Antragsgegner mit Schreiben vom 14. Mai 2001 eine von ihr begehrte Zuchtgenehmigung abgelehnt hatte. Sie beantragte , den Antragsgegner weiter zu verurteilen, einen bestimmten Wurf Hunde in das Zuchtbuch einzutragen sowie entsprechende Ahnentafeln auszufertigen und ihr zu übergeben.
Durch "Schiedsspruch" vom 28. Februar 2002 bestätigte das "Schiedsgericht" die Entscheidung des Vorstands des Antragsgegners, die Antragstelle-
rin aus wichtigem Grund auszuschließen; ferner wies es die Erweiterung der Schiedsklage vom 4. Januar 2002 als verfristet und daher unzulässig zurück.
Die Antragstellerin hat gegen den "Schiedsspruch" Antra g auf gerichtliche Aufhebung gemäß § 1059 ZPO gestellt. Das Oberlandesgericht hat dem Antrag stattgegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsgegner weiterhin seinen Antrag, das Aufhebungsgesuch der Antragstellerin zurückzuweisen.

II.


Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 1065 Abs. 1 Satz 1 i.V .m. §§ 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 1, 1059 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist begründet. Der angefochtene Beschluß ist aufzuheben und der Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs als unzulässig abzuweisen.
1. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt:
Der Schiedsspruch sei gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO aufzuheben , weil er dem ordre public widerspreche. Das Schiedsgericht habe durch die Bestätigung des Vereinsausschlusses den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit grob verletzt. Zwar habe die Antragstellerin durch die Benutzung eines Briefbogens des Antragsgegners gegen die vereinsinterne Zuständigkeitsordnung verstoßen. Dieses - durch die Auskunft des Dachverbandes mit veranlaßte - einmalige Fehlverhalten der Antragstellerin könne aber eine so drakonische Maßnahme wie den Ausschluß aus dem Verein nicht rechtfertigen.

Es sei willkürlich und grob fehlerhaft gewesen, daß das Schiedsgericht die Klageerweiterung als verfristet angesehen habe. Einen die Zuchtgenehmigung verweigernden Beschluß des Vorstandes, gegen den die Schiedsklage nur innerhalb der satzungsmäßigen Frist zulässig gewesen wäre, habe es nicht gegeben.
Der Antragstellerin sei das rechtliche Gehör nicht gewäh rt worden. Die Entscheidung des Schiedsgerichts enthalte keinerlei Abwägung und setze sich mit dem Vorbringen der Antragstellerin nicht auseinander.
2. Der Beschluß des Oberlandesgerichts hält der rechtlichen Prüfung nicht stand.

a) Die Rechtsbeschwerde macht geltend, im Verfahren der gerichtlichen Aufhebung eines Schiedsspruchs (§ 1059 ZPO) finde - wie im ordentlichen Klageverfahren - ein Versäumnisverfahren (§§ 330 ff ZPO) statt; gegen den in der mündlichen Verhandlung säumigen Antragsgegner habe das Oberlandesgericht daher nicht durch (endgültigen) Beschluß (§ 1063 Abs. 1 Satz 1 ZPO), sondern durch - mit dem Einspruch anfechtbaren - bloßen "Versäumnisbeschluß" (§ 331 ZPO analog) entscheiden dürfen.
Die Frage nach der Zulässigkeit einer Versäumnisentscheidu ng im Aufhebungsverfahren nach § 1059 ZPO kann hier offenbleiben. Denn es fehlt eine für dieses Verfahren erforderliche Sachentscheidungsvoraussetzung. Daher könnte, selbst wenn im Aufhebungsverfahren nach § 1059 ZPO ein Versäumnisverfahren entsprechend §§ 330 ff ZPO grundsätzlich zulässig sein sollte
(in diesem Sinne Musielak/Voit, ZPO 3. Aufl. 2002 § 1063 Rn. 5 und Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit 6. Aufl. 2000 Kap. 28 Rn. 10; so wohl auch Stein/Jonas/Schlosser, ZPO 22. Aufl. 2002 § 1063 Rn. 8a; vgl. auch BayObLGZ 1999, 55, 57 zur Säumnis des Antragstellers im Vollstreckbarerklärungsverfahren ; verneinend MünchKommZPO-Münch 2. Aufl. 2001 § 1059 Rn. 34 i.V.m. § 1063 Rn. 3-6, § 1064 Rn. 3; differenzierend Zöller/Geimer, ZPO 24. Aufl. 2004 § 1059 Rn. 84), eine die Weiterführung des Verfahrens durch Einspruchseinlegung zulassende Versäumnisentscheidung nicht ergehen; zulässig ist vielmehr nur eine kontradiktorische Entscheidung, die das Verfahren zum endgültigen Abschluß bringt. Das gilt unabhängig davon, welche Partei säumig ist und in welcher Instanz das Verfahren schwebt (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 1986 - I ZR 27/84 - NJW-RR 1986, 1041).

b) Der Aufhebungsantrag nach § 1059 ZPO ist, wie sich a us dem Wortlaut des § 1059 Abs. 1 ZPO ("Gegen einen Schiedsspruch") und der systematischen Stellung dieses Antrags als "Rechtsbehelf gegen den Schiedsspruch" (Siebter Abschnitt des 10. Buchs der Zivilprozeßordnung) ergibt, gegen einen im schiedsrichterlichen Verfahren im Sinne der §§ 1025 ff ZPO erlassenen (inländischen ) Schiedsspruch zu richten (vgl. Münch aaO § 1059 Rn. 32; Stein/Jonas/Schlosser aaO § 1059 Rn. 3; Musielak/Voit aaO § 1059 Rn. 3; Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 62. Aufl. 2004 § 1059 Rn. 1 f). Mit dem Aufhebungsantrag kann die Kassation eines solchen, sonst mit Rechtskraft (§ 1055 ZPO) ausgestatteten Schiedsspruchs erreicht werden (vgl. Münch aaO Rn. 35 f; Stein/Jonas/Schlosser aaO Rn. 11; Thomas /Reichold in Thomas/Putzo, ZPO 25. Aufl. 2003 § 1059 Rn. 1; Schwab/Walter aaO Kap. 25 Rn. 1 f). Ob ein mit dem Aufhebungsantrag nach § 1059 ZPO angreifbarer Schiedsspruch vorliegt, ist eine von Amts wegen zu
prüfende besondere Prozeßvoraussetzung des Aufhebungsverfahrens (vgl. Senatsurteil vom 11. Oktober 1979 - III ZR 25/77 - LM Nr. 4 zu § 1039 ZPO; Zöller/Geimer aaO § 1059 Rn. 1; Albers aaO Rn. 3; Musielak/Voit aaO § 1059 Rn. 3; Schwab/ Walter aaO Rn. 3).
aa) Die Entscheidungen der sogenannten Vereins- oder V erbandsgerichte können nicht zu den vorgenannten Schiedssprüchen im Sinne der §§ 1025 ff ZPO gezählt werden. Die Vereins- oder Verbandsgerichte üben - ungeachtet dessen, daß sie vielfach als "Schiedsgericht" bezeichnet werden - nicht wie die Schiedsgerichte (vgl. dazu Senatsurteil BGHZ 65, 59, 62 und BGHZ 51, 255, 258) Rechtsprechung im weiteren Sinne aus; sie sind Vereinsorgane , denen bestimmte Verwaltungs- oder Disziplinarmaßnahmen, z.B. Vereinsstrafe oder -ausschluß, übertragen sind. Die §§ 1025 ff ZPO sind insoweit nicht anwendbar. Die Entscheidungen der Vereins- oder Verbandsgerichte sind vielmehr nach den allgemeinen Vorschriften, das heißt in der Regel mit der Klage nach den §§ 253 ff ZPO, überprüfbar (vgl. BGHZ 43, 261, 263 ff <265>; 128, 93, 108 ff; OLG Frankfurt NJW 1970, 2250; OLG Koblenz NJW-RR 2000, 1365; Münch aaO § 1066 Rn. 11; Stein/Jonas/Schlosser aaO vor § 1025 Rn. 5; Thomas/Reichold aaO Vorbem. § 1029 Rn. 2; Schwab/Walter aaO Kap. 32 Rn. 17; Schwarz in Bamberger/Roth, BGB 2003 § 25 Rn. 83; Röhricht, Sportgerichtsbarkeit 1997 S. 19; Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts 9. Aufl. 2003 Rn. 1586).
bb) Durch Vereinssatzung können aber auf das Mitgliedschaf tsverhältnis bezogene Streitigkeiten zwischen einem Vereinsmitglied und dem Verein oder zwischen Vereinsmitgliedern einem wirklichen Schiedsgericht zugewiesen wer-
den; dabei handelt es sich nach herrschender Meinung um ein außervertragliches Schiedsgericht, für das gemäß § 1066 ZPO die §§ 1025 ff ZPO entsprechend gelten (vgl. Begründung der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts BT-Drucks. 13/5274 S. 66; BGHZ 48, 35, 43; 144, 146, 148; s. auch Senatsurteil vom 11. Oktober 1979 - III ZR 184/78 - NJW 1980, 1049; Münch aaO § 1066 Rn. 4; Zöller /Geimer aaO § 1066 Rn. 2; Thomas/Reichold aaO § 1066 Rn. 1; Albers aaO § 1066 Rn. 3 und 5; Musielak/Voit aaO § 1066 Rn. 7; Sauter/Schweyer/ Waldner, Der eingetragene Verein 17. Aufl. 2001 Rn. 316; ähnlich im Ergebnis wohl auch Stein/Jonas/Schlosser aaO § 1066 Rn. 10; abweichend z.B. Schwab/Walter aaO Kap. 32 Rn. 3 ff).
cc) In Anlehnung an § 1029 Abs. 1 ZPO ist das satzungsmäßi g berufene "Schiedsgericht" aber nur dann als Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff (i.V.m. § 1066 ZPO) anzuerkennen, wenn Rechtsstreitigkeiten unter Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges der Entscheidung durch eine unabhängige und unparteiliche Instanz unterworfen werden (vgl. Münch aaO § 1066 Rn. 11; Stein/Jonas/Schlosser aaO vor § 1025 Rn. 5 und § 1066 Rn. 15; Musielak/Voit aaO § 1029 Rn. 19; Schwab/Walter aaO Kap. 32 Rn. 17; Schlosser, Vereinsund Verbandsgerichtsbarkeit 1972 S. 176 f; Reichert aaO Rn. 2531; Staudinger /Weick, BGB 1995 Vorbem. zu §§ 21 ff Rn. 53; MünchKommBGB/Reuter 4. Aufl. 2001 § 25 Rn. 58 a.E.; Palandt/Heinrichs, BGB 63. Aufl. 2004 § 25 Rn. 20; Fenn in Festschrift Henckel 1985 S. 173, 187 ff). Schiedsgerichtsbarkeit ist Rechtsprechung im weiteren Sinne, bedeutet also Streitentscheidung durch einen neutralen Dritten. Dementsprechend muß das Vereins- oder Verbandsgericht , um "echtes" Schiedsgericht zu sein, - satzungsmäßig - als unabhängige und unparteiliche Stelle organisiert sein (vgl. BGHZ 51, 255, 258,
262 f; 88, 314, 316; Schwarz aaO § 25 Rn. 86; Palandt/Heinrichs aaO; Reichert aaO Rn. 2533). Sind hingegen in der Satzung Abhängigkeiten angelegt oder läuft das "Schiedsverfahren" gar auf ein Richten des Vereins oder Verbands in eigener Sache hinaus, liegt schon begrifflich nicht Schiedsgerichtsbarkeit, sondern Organhandeln vor (vgl. Fenn aaO S. 188 f). Es geht nicht an, die benachteiligte Partei in einem solchen Fall auf Rechtsbehelfe zu den staatlichen Gerichten entsprechend §§ 1034 ff ZPO zu verweisen (so aber wohl Haas/Gedeon SpuRt 2000, 228, 230, 231; Ebbing NZG 1999, 754, 757). Beim Ablehnungsrecht (§§ 1036 f ZPO) ist an einzelne Schiedsrichter gedacht, die aus Gründen, die gerade in ihrer Person liegen, als befangen erscheinen (vgl. BGHZ 51, 255, 261). Die Bestellung des Schiedsrichters durch das staatliche Gericht ist ausnahmsweise zulässig, wenn insoweit eine Parteivereinbarung fehlt (§ 1035 ZPO) oder die Schiedsvereinbarung einer Partei das Übergewicht bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts gibt (§ 1034 ZPO); dabei wird aber naturgemäß eine Schiedsvereinbarung (§ 1029 ZPO) vorausgesetzt, die grundsätzlich auf eine Streitentscheidung durch ein unabhängiges und unparteiliches Schiedsgericht ausgerichtet ist. Ist satzungsmäßig von vornherein nicht Streitentscheidung durch ein (wirkliches) Schiedsgericht, sondern bloße Vereins- oder Verbandsgerichtsbarkeit vorgezeichnet, scheidet die Anwendung der §§ 1025 ff ZPO insgesamt aus (vgl. BGHZ 128, 93, 110; Fenn aaO S. 189).
dd) Das im Streitfall zu beurteilende "Schiedsgericht d es DLC e.V." ist nicht als Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff ZPO zu qualifizieren.
(1) Zwar ist das "Schiedsgericht" eingerichtet, um Strei tigkeiten unter Ausschluß des Rechtsweges zu den staatlichen Gerichten zu entscheiden (§ 22 Nr. 1 der Satzung). Bereits die in der Satzung an erster Stelle genannte
Aufgabe des "Schiedsgerichts", nämlich Streitigkeiten zwischen Mitgliedern von Vereinsorganen, "insbesondere über deren Zuständigkeit" (§ 22 Nr. 1 1.1 der Satzung), zu entscheiden, spricht aber gegen ein "echtes", rechtsprechend tätiges Schiedsgericht. Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen Mitgliedern der Vereinsorgane zu erledigen, ist eine typische vereinsinterne Verwaltungsmaßnahme.
(2) Dem "Schiedsgericht" ist durch die Satzung nicht ein allen Streitparteien gegenüber stets faires und unparteiisches Verfahren aufgegeben. Dazu heißt es nur, daß der Obmann den Fortgang des Verfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen bestimme (§ 22 Nr. 5 Satz 1 der Satzung) und "im Einzelfall" die Beteiligten zu hören seien bzw. ihnen Gelegenheit zur Äußerung und Stellungnahme zu geben sei (§ 22 Nr. 7 Satz 1 der Satzung).
In der Satzung ist ferner nicht niedergelegt, daß sich die Entscheidung des Schiedsgerichts an Recht und Gesetz oder - zumindest - am Grundsatz der Billigkeit (vgl. Schwab/Walter aaO Kap. 19 Rn. 14 f) auszurichten habe. Lediglich bezüglich der Kostentragungspflicht findet sich eine nähere Regelung (§ 22 Nr. 10 der Satzung).
(3) Satzungsmäßig ist nicht gewährleistet, daß das "Schie dsgericht" bei einer Streitigkeit zwischen dem Verein und einem Vereinsmitglied (§ 22 Nr. 1 1.2 der Satzung) - wie sie hier vorliegt - den Beteiligten als neutraler Dritter gegenübersteht. Zwar ist die Mitgliedschaft im Vorstand des Antragsgegners mit der Mitgliedschaft im "Schiedsgericht" unvereinbar (§ 22 Nr. 3 der Satzung). Die Streitbeteiligten können aber nicht, was die Überparteilichkeit des "Schiedsgerichts" sicherte, paritätisch Einfluß auf dessen Besetzung nehmen
(vgl. BGHZ 128, 93, 109; OLG Frankfurt a.M. NJW 1970, 2250, 2251; Hilpert BayVBl. 1988, 161, 169). Vielmehr geht die Bestellung - ebenso wie die nach § 17 Nr. 1.06 der Satzung mögliche Amtsenthebung - des (durchweg aus Vereinsmitgliedern bestehenden) "Schiedsgerichts" einseitig von dem "beklagten" Verein aus. Die Mitglieder des "Schiedsgerichts" - ein Obmann, zwei Beisitzer und zwei stellvertretende Beisitzer - werden von der allein für den Antragsgegner handelnden Mitgliederversammlung auf die Dauer von drei Jahren gewählt. Zugleich wird bestimmt, welcher von den Beisitzern den Obmann zu vertreten hat (§ 17 Nr. 1.06, § 22 Nr. 2 Satz 1 und 2 der Satzung). Das einzelne Vereinsmitglied , hier die Antragstellerin, hat demnach bei einer Streitigkeit mit dem Verein keine rechtlich gesicherte Möglichkeit, in gleichem Umfang wie dieser an der Zusammensetzung des "Schiedsgerichts" mitzuwirken. Das Stimmrecht in der Mitgliederversammlung bietet insoweit keinen gleichwertigen Ersatz.
(4) Die Entscheidung des "Schiedsgerichts" war nicht, wie es bei den im Verfahren nach §§ 1025 ff ZPO ergangenen Schiedssprüchen der Fall ist (vgl. §§ 1060, 794 Abs. 1 Nr. 4a ZPO), zur Vollstreckung durch staatliche Instanzen bestimmt (vgl. BGHZ 128, 93, 109). Insoweit greift vielmehr eine vereinsinterne Regelung Platz: Die Vollziehung der Entscheidungen des Schiedsgerichts obliegt gemäß § 22 Nr. 11 der Satzung dem Vorstand; Mitglieder, die sich einer nicht auf Ausschluß erkennenden Entscheidung nicht fügen bzw. eine ihnen unter Fristsetzung durch eingeschriebenen Brief auferlegte Verpflichtung nicht befolgen, werden von der Mitgliederliste gestrichen (§ 22 Nr. 12 der Satzung).
In der Gesamtschau ergibt sich mithin, daß das "Schiedsger icht des DLC e.V." nicht als Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff ZPO anzusehen ist, sondern - wovon im Zweifel auszugehen ist (vgl. Münch aaO § 1066 Rn. 11) -
ein-
fache Vereins- oder Verbandsgerichtsbarkeit vorliegt. Das Aufhebungsverfahren nach § 1059 ZPO ist nicht eröffnet.
Schlick Wurm Dörr Galke Herrmann

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 261/02 Verkündet am:
28. März 2003
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Für die Gehaltsklage aus dem Dienstverhältnis eines Geistlichen der Heilsarmee ist
der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten auch dann gegeben, wenn die Begründetheit
des Anspruchs davon abhängt, ob der Geistliche wirksam aus dem Dienst
entlassen worden ist.

b) Für den Justizgewährungsanspruch gegenüber einer Kirche oder Glaubensgemeinschaft
ist bei einer innerkirchlichen Streitigkeit weder die Unterscheidung von Amtsund
Dienstverhältnis noch die zwischen kirchlichem Amtsrecht und vermögensrechtlicher
Folge von Bedeutung.

c) Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht schränkt nicht die Justizgewährungspflicht ein,
wohl aber das Maß der Justiziabilität der angegriffenen Entscheidung.

d) Besteht die Möglichkeit, innerkirchliche Streitigkeiten durch die Anrufung kircheneigener
Gerichte oder Schlichtungsgremien beizulegen, besteht für die Anrufung staatlicher
Gerichte vor Erschöpfung des kirchlichen Rechtswegs kein Rechtsschutzbedürfnis.

e) Eine von der geistlichen Grundordnung und von dem Selbstverständnis der Kirche
oder Glaubensgemeinschaft getragene Maßnahme nach autonomem Kirchen- oder
Gemeinschaftsrecht kann durch staatliche Gerichte nicht auf ihre Rechtmäßigkeit,
sondern nur auf ihre Wirksamkeit überprüft werden.

f) Die Wirksamkeitskontrolle ist darauf beschränkt, ob die Maßnahme gegen Grundprinzipien
der Rechtsordnung verstößt, wie sie in dem allgemeinen Willkürverbot (Art. 3
Abs. 1 GG) sowie in dem Begriff der guten Sitten (§ 138 BGB) und in dem des ordre
public (Art. 30 EGBGB) ihren Niederschlag gefunden haben.

g) Auch bestandskräftig gewordene Entscheidungen eines kirchlichen Gerichts unterliegen
nur der Wirksamkeitskontrolle.

h) Die Frage, ob ein Geistlicher aus dem Dienst wirksam entlassen ist, unterfällt der
autonomen Entscheidung der Kirche oder Glaubensgemeinschaft.
BGH, Urt. v. 28. März 2003 - V ZR 261/02 - OLG Köln
LG Köln
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. März 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und
Dr. Schmidt-Räntsch

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 23. Juli 2002 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Kläger verpflichteten sich 1975 gemeinsam für den Offiziersdienst der beklagten H. . Sie unterschrieben dabei eine Verpflichtungserklärung , in welcher sie sich ausdrücklich damit einverstanden erklärten, nicht "angestellt" zu sein und auch keinen Arbeitsvertrag abzuschließen.
Nach ihrer Ausbildung in B. versahen die Kläger ihren Dienst als Offiziere, zuletzt im Rang von Majoren, im missionarischen Dienst in der Gemeinde zu P. . Im Jahre 1998 kam es zu schriftlichen Beanstandungen durch den Territorialleiter der Beklagten, der den Klägern Mängel in der Buchund Kassenführung sowie den Zustand des Offiziersquartiers und der Korpsräume , in denen Sach- und Kleiderspenden lagerten, vorhielt. Nach mehrfachen fruchtlosen Ermahnungen wurden die Kläger in die Schweiz versetzt. Dort
stellte sie die Beklagte im Februar 2001 "indisponibel". Mit Schreiben vom 29. Januar 2001 erklärte der Territorialleiter der Beklagten den Offiziersdienst der Kläger für beendet. Der Versuch eines Neuanfangs in der Schweiz sei gescheitert. Die Kläger seien zum Offiziersdienst nicht weiter geeignet.
Die Kläger haben beantragt, die Beklagte zur Zahlung ihres Gehalts für die Monate März bis November 2001, nämlich 9.219,06 DM und 30.294,54 DM nebst Zinsen, zu verurteilen. Sie haben die Ansicht vertreten, sie stünden in einem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten, das weder durch die Versetzung in die Schweiz noch durch die Entlassung aus dem Offiziersdienst beendet worden sei. Die Beklagte hat demgegenüber den Standpunkt eingenommen, die staatlichen Gerichte seien zur Entscheidung hierüber nicht berufen.
Das von den Klägern zunächst angerufene Arbeitsgericht in P. hat den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht K. verwiesen, das ihn seinerseits mangels Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten an das Landgericht K. verwiesen hat. Das Landgericht hat die Klage als unzulässig verworfen und das Oberlandesgericht hat sie als unbegründet abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihren Gehaltsanspruch weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:

I.


Das Berufungsgericht vertritt die Auffassung, die staatlichen Gerichte seien zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits berufen. Die Kläger
seien als Offiziere der Heilsarmee Geistlichen anderer Religionsgemeinschaf- ten vergleichbar. Ein Arbeitsverhältnis bestehe zwischen den Parteien nicht. Ob Geistliche, die nicht in einem Arbeitsverhältnis stehen, vor staatlichen Gerichten auf Gehaltszahlungen klagen könnten, sei höchstrichterlich bisher noch nicht entschieden worden. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 18. September 1999, NJW 1999, 349) und des Bundesgerichtshofes (Senatsurt. v. 11. Februar 2000, V ZR 271/99, NJW 2000, 1555) sei dies jedenfalls dann zu bejahen, wenn – wie hier – ein interner Rechtsweg nicht zur Verfügung stehe. In der Sache selbst bleibe die Klage aber ohne Erfolg. Der Status der Kläger als Offiziere der Beklagten sei durch deren Schreiben vom 29. Januar 2001 wirksam beendet worden. Ob diese Beendigung sachlich berechtigt sei, hätten die staatlichen Gerichte mit Rücksicht auf die Kirchenautonomie nicht zu prüfen.

II.


Dies hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Eröffnung des Rechtswegs zu den staatlichen Gerichten bejaht. Dies ist vom Revisionsgericht selbständig zu prüfen und durch § 545 Abs. 2 ZPO seiner Entscheidung nicht entzogen (Senatsurt. v. 11. Februar 2000, V ZR 291/99, NJW 2000, 1555; MünchKommZPO /Wenzel, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 545 Rdn. 17).

a) Die Beklagte ist eine anerkannte Glaubensgemeinschaft des öffentlichen Rechts. Für Kirchen- oder Glaubensgemeinschaften hat der Senat mit
Urteil vom 11. Februar 2000 (V ZR 271/99, NJW 2000, 1555 mit Anm. v. Cam- penhausen, Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht (ZevKR) 2000, 622; Kästner, NVwZ 2000, 889; Maurer, JZ 2000, 1113; Nolte, NJW 2000, 1844; Rüfner, LM GG Art. 2 Nr. 73) entschieden, daß die staatlichen Gerichte grundsätzlich zur Entscheidung aller Rechtsfragen berufen sind, deren Beurteilung sich nach staatlichem Recht richtet. Dem hat sich das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 28.2.2002 (JZ 2002, 1102 m. Anm. Maurer) angeschlossen. Die Pflicht des Staates zur Justizgewährung hat sowohl gegen als auch zugunsten der Kirchen und Glaubensgemeinschaften in gleicher Weise wie für und gegen alle Rechtssubjekte auf dem Staatsgebiet selbst dann zu gelten, wenn bei der Anwendung staatlicher Rechtssätze glaubensgemeinschaftliche Vorfragen zu klären sind. Das verfassungsrechtlich garantierte kirchliche Selbstbestimmungsrecht (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV) bedingt keine Freistellung von staatlicher Justizhoheit. Es unterliegt nach Art. 137 Abs. 3 WRV vielmehr den Schranken des für alle geltenden Gesetzes.

b) Die Entscheidung des Senats vom 11. Februar 2000 (V ZR 291/99, NJW 2000, 1555) betrifft zwar den zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch einer Glaubensgemeinschaft gegen eines ihrer Mitglieder, ist in ihrem grundsätzlichen Verständnis hierauf aber nicht beschränkt. Der Justizgewährungsanspruch gilt für alle Rechtsfragen, deren Beurteilung sich nach staatlichem Recht richtet, und zwar auch dann, wenn die Kirche oder Glaubensgemeinschaft – wie hier die Beklagte - die Zuständigkeit der staatlichen Gerichtsbarkeit nicht eigens kirchenrechtlich begründet hat. Die Justizgewährungspflicht hängt auch nicht davon ab, ob der Staat mit einer ihm ausdrücklich oder stillschweigend "angedienten" Jurisdiktion ausdrücklich "einverstanden" ist (so noch BGHZ 46, 96, 101). Der Anrufung staatlicher Gerichte steht schließlich
nicht entgegen, daß die Kläger als Offiziere der Heilsarmee den Geistlichen der Kirchen und anderer Glaubensgemeinschaften vergleichbar sind und Vermögensansprüche aus dem Dienstverhältnis zur Beklagten geltend machen. Der geltend gemachte Gehaltsanspruch nach den für das Dienstverhältnis geltenden innergemeinschaftlichen Regeln ist ebenso ein grundlegendes Rechtselement abhängiger Dienstverhältnisse wie der korrespondierende Anspruch auf Bereitstellung der Arbeitskraft. Beides ist daher auch aus staatlichem Recht ableitbar. Dies bedarf jedoch keiner Vertiefung, weil die Justizgewährungspflicht des Staates nicht nur dann eingreift, wenn es bei einer innerkirchlichen Streitigkeit um einen aus staatlichem Recht ableitbaren Anspruch geht. Sie besteht vielmehr auch dann, wenn es bei einem allein innerkirchlich begründeten Anspruch oder einer rein innerkirchlichen Rechtsfrage um die Anwendung der für alle geltenden allgemeinen Gesetze geht. Mithin ist der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten selbst dann eröffnet, wenn es sich - wie hier - um ein "verkapptes Statusverfahren" handelt, bei dem die Begründetheit des verfolgten Anspruchs davon abhängt, ob die Beklagte den Offiziersdienst der Kläger wirksam beendet hat. Denn für die Justizgewährungspflicht ist weder die Unterscheidung von Amts- und Dienstverhältnis noch die zwischen kirchlichem Amtsrecht und vermögensrechtlicher Folge von Bedeutung. Abgesehen davon, daß beide Bereiche derart miteinander verzahnt sind, daß ihre Unterscheidung schon tatsächlich auf Schwierigkeiten stößt, ist die Differenzierung auch unerheblich. Die staatliche Gerichtsbarkeit kann einer Entscheidung nicht deswegen ausweichen, weil die Rechtsfrage den kirchlich autonomen Bereich, wie etwa den der Organisations- und Ämterhoheit, betrifft. Denn auch dieser ist nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV nicht exemt, sondern in die staatliche Rechtsordnung eingebunden (v. Campenhausen , Staatskirchenrecht, 3. Aufl., 363 ff.; Kästner, NVwZ 2000, 889,
890). Ob eine zum Kernbereich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts ge- hörende Maßnahme oder Entscheidung mit den Grundprinzipien der Rechtsordnung vereinbar ist, beurteilt sich nach staatlichem Recht, für das nur die staatlichen Gerichte zur Entscheidung berufen sind. Soweit das Bundesverwaltungsgericht hierzu eine andere Ansicht vertritt (vgl. Urt. v. 30. Oktober 2002, 2 C 23/01), kann dem der Senat nicht folgen. Die Zulassung des Rechtswegs zu den staatlichen Gerichten berührt noch nicht die Garantie der kirchlichen Selbstverwaltung. Ob und inwieweit eine innerkirchliche Angelegenheit der Kontrolle durch staatliche Gerichte unterfällt, ist nicht eine Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs, sondern der Begründetheit des geltend gemachten Anspruchs. Eine Vorlage der Rechtsfrage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach § 2 Abs. 1 RsprEinhG kommt gleichwohl nicht in Betracht, weil das Bundesverwaltungsgericht die - hier maßgebliche - Frage, "ob Kirchenbediensteten wegen ihrer vermögensrechtlichen Ansprüche staatlicher Gerichtsschutz gem. Art. 19 IV GG zukomme", bisher ausdrücklich offen gelassen hat (BVerwG NJW 1983, 2580, 2582; 1983, 2582, 2583; vgl. auch BVerfG NJW 1983, 2569; 1983, 2569, 2570). Erst recht sind die staatlichen Gerichte dann zuständig, wenn innerkirchliche oder innergemeinschaftliche Rechtsfragen nur als Vorfragen der Begründetheit eines geltend gemachten Anspruchs eine Rolle spielen (Senatsurt. v. 11. Februar 2000, aaO S. 1556).
2. Dem Berufungsgericht ist weiterhin darin zu folgen, daß die Frage, ob der Rechtsweg zu den Zivilgerichten eröffnet ist, nicht mehr zu prüfen war. Denn die Verweisung des Rechtsstreits durch das Arbeitsgericht Köln an das Landgericht hat auch das Berufungsgericht nach § 17a Abs. 2 Satz 3 gebunden. Die Bindungswirkung hätte selbst bei einer gesetzwidrigen Verweisung
bestanden (BGH, Beschl. v. 24. Februar 2000, III ZB 33/99, NJW 2000, 1343, 1344), so daß die Zuständigkeit einer anderen Gerichtsbarkeit (vgl. BGH, Beschl. v. 24. Juli 2001, VI ZB 12/01, NJW 2001, 3537, 3538) nicht mehr zu erwägen ist.
3. Die Klage ist auch im übrigen zulässig. Ihr fehlt insbesondere nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Die Kläger können nicht darauf verwiesen werden, daß sie innergemeinschaftliche Rechtsmittelmöglichkeiten nicht ausgeschöpft haben.

a) Ist die Kompetenz der staatlichen Gerichte im Grundsatz zu bejahen, so steht damit nicht zugleich auch fest, daß der Streitgegenstand uneingeschränkter gerichtlicher Beurteilung unterfällt. Vielmehr ist jeweils zu prüfen, ob und wieweit die Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des staatlichen Gerichts durch das kirchliche Selbstbestimmungsrecht begrenzt wird. Indem Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV den Kirchen und Glaubensgemeinschaften die selbständige Ordnung und Verwaltung der eigenen Angelegenheiten in den Grenzen der allgemeinen Gesetze gewährleistet, schränkt die Verfassung zwar nicht die Justizgewährungspflicht ein, wohl aber das Maß der Justiziabilität (Steiner, NVwZ 1989, 410, 415). Inhalt und Umfang der staatlichen Justizgewährung werden davon bestimmt, daß Selbstverwaltungsrecht und allgemeine Gesetze sowie ihre Durchsetzung durch die staatlichen Gerichte in einem Wechselverhältnis stehen. Dem ist durch eine Güterabwägung Rechnung zu tragen, die dem Selbstverwaltungsrecht und Selbstverständnis der Kirchen und Glaubensgemeinschaften gemäß ihrer geistlichen Grundordnung Rechnung trägt.
Das kirchliche Selbstverwaltungsrecht umschließt die Befugnis, Möglichkeiten zu schaffen, innerkirchliche Streitigkeiten im Einklang mit dem kirchlichen Selbstverständnis durch die Anrufung eigener Gerichte oder Schlichtungsgremien beizulegen. Ist ein derartiger Rechtsweg geschaffen und von ihm ein effektiver Rechtsschutz auch zu erwarten, dürfen staatliche Gerichte nicht vor Erschöpfung des kirchlichen Rechtswegs entscheiden (vgl. BVerfG NJW 1999, 349; Kirchberg, NVwZ 1999, 734). Der Klage fehlt dann das Rechtsschutzbedürfnis. Der innerkirchliche Rechtsschutz ist vorrangig und die staatliche Justizgewährung insoweit subsidiär. Wenn der Senat in seiner Entscheidung vom 11. Februar 2000 den Begriff der Subsidiarität demgegenüber in einem anderen Sinne verwandt und davon gesprochen hat, daß die staatliche Gerichtsbarkeit gegenüber der innerkirchlichen Gerichtsbarkeit nicht subsidiär sei, so ist damit nur zum Ausdruck gebracht worden, daß der Justizgewährungsanspruch durch die Einrichtung kirchlicher Gerichte nicht ausgeschlossen wird. Nicht war damit zugleich auch gesagt, daß dem innerkirchlichen Rechtsweg gegenüber dem staatlichen kein Vorrang gebührt.

b) Nach den unangefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts besteht bei der Beklagten lediglich eine Untersuchungskommission, deren Aufgabe in der Vorbereitung und Durchführung eines Disziplinarverfahrens besteht. Daß diese Kommission einem unabhängigen Gericht oder Schlichtungsgremium vergleichbar wäre, das auch Rechtsschutz gegen die verweigerte Fortzahlung des Gehalts gewähren könnte, ist nicht ersichtlich.
4. Die Klage ist nicht begründet.
Inhalt und Umfang des staatlichen Rechtsschutzes hängen materiell davon ab, was der Natur der Sache oder Zweckbeziehung nach aufgrund einer Güterabwägung zwischen religionsrechtlichem Schutz- und Freiheitsbedürfnis der Kirche oder Glaubensgemeinschaft und allgemeinem Recht des einzelnen als eigene Angelegenheit der Kirche oder Glaubensgemeinschaft anzusehen ist (Senat, Urt. v. 11. Februar 2000, V ZR 271/99, aaO S. 1556). Führt die Abwägung dazu, daß es sich um eine von der geistlichen Grundordnung und einem darauf gegründeten Selbstverständnis der Kirche oder Glaubensgemeinschaft getragene Maßnahme nach autonomem Kirchen- oder Gemeinschaftsrecht handelt, so kann sie durch staatliche Gerichte nicht auf ihre Rechtmäßigkeit , sondern nur auf ihre Wirksamkeit, d.h. darauf hin überprüft werden, ob sie gegen Grundprinzipien der Rechtsordnung verstößt, wie sie in dem allgemeinen Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie in dem Begriff der guten Sitten (§ 138 BGB) und dem des ordre public (Art. 30 EGBGB) ihren Niederschlag gefunden haben (vgl. BVerfGE 70, 138, 168; Rüfner, LM Art. 2 GG Nr. 74). Dasselbe gilt für die bestandskräftig gewordene Entscheidung eines kirchlichen Gerichts (Senatsurt. V. 11. Februar 2000, V ZR 271/99, NJW 2000, 1555, 1557) oder einer Schlichtungsstelle, weil die Tätigkeit derartiger Einrichtungen nur insoweit unter die verfassungsrechtliche Garantie der kirchlichen Selbstverwaltung und Selbstbestimmung fällt, als der Gegenstand ihrer Entscheidung seinerseits von dieser Gewährleistung erfaßt wird (v. Campenhausen, Staatskirchenrecht , 3. Aufl., S. 370).

a) Die Frage, ob die Beklagte den Offiziersdienst der Kläger wirksam beendet hat, unterfällt der autonomen Entscheidungsbefugnis der Beklagten und ist nicht nach den Grundsätzen des Arbeitsrechts zu beurteilen. Die Beklagte hat den Offiziersdienst der Kläger nicht als Arbeitsverhältnis ausgestal-
tet. Ob der Abschluß eines solchen Arbeitsvertrags zwischen Kirchen oder Glaubensgemeinschaften und Personen, die für sie seelsorgerischen Dienst wahrnehmen sollen, überhaupt möglich ist (bejahend Weber, NJW 1983, 2541 ff., 2550; 1989, 2214, 2221), bedarf hier keiner Entscheidung. Mit der Verpflichtungserklärung von 1975 ist kein Arbeitsrechtsverhältnis begründet worden. Sie schließt den Abschluß eines solchen Arbeits- oder Anstellungsvertrags vielmehr ausdrücklich aus, so daß auch ein mündlicher Arbeitsvertrag nicht angenommen werden kann (BAG, NJW 1978, 2116 allgemein für Geistliche ; NJW 1990, 2082, 2083 für katholischen Ordenspriester). Da die Kläger als (seelsorgerisch tätige) Offiziere der Beklagten wie Geistliche der Kirchen oder anderer Glaubensgemeinschaften auch keine weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit zu erbringen hatten, scheidet eine Einordnung des Rechtsverhältnisses der Parteien untereinander als (faktisches ) Arbeitsverhältnis auch inhaltlich aus (BAG, NJW 2003, 161, 162). Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, daß die Beklagte für die Kläger während ihrer Dienstzeit Beiträge an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin entrichtet hat. Denn das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ist nur eines von mehreren möglichen Beschäftigungsverhältnissen, das eine Versicherungspflicht auslösen kann. Die Versicherungspflicht kann auch bei einem glaubensgemeinschaftlichen Dienstverhältnis eigener Art entstehen, das zwischen den Parteien während des Offiziersdienstes der Kläger bestanden hat (BAG, Urt. v. 7. Februar 1990, 5 AZR 84/89, NJW 1990, 2082, 2083).

b) Ob die Beklagte mit dem Schreiben ihres Territorialleiters F. vom 29. Januar 2001 die Beziehungen zu den Klägern insgesamt – wie das Berufungsgericht meint – durch "Entlassung" mit sofortiger Wirkung beenden oder lediglich eine "Auflösung des Dienstverhältnisses" erklären wollte, bedarf kei-
ner Entscheidung. In beiden Fällen ist ein Verlust der Bezüge vorgesehen. Daß unter Umständen die Zahlung einer Abfindung "entsprechend den Bestimmungen im jeweiligen Territorium" in Betracht kommt, ist unerheblich. Abgesehen davon, daß die Kläger ihrer Verpflichtungserklärung nach sowieso auf Gehalt und jegliche Forderungen an die Beklagte wegen nicht erhaltener Bewilligungen verzichtet haben, machen sie mit der Klage ausdrücklich (nur) "Gehaltsansprüche" geltend.

c) Soweit die Kläger sich gegen die disziplinarrechtliche Beendigung des Offiziersverhältnisses wenden, ist die Entscheidung der Beklagten einer Rechtmäßigkeitskontrolle durch das staatliche Gericht entzogen. Die Kirchen und Glaubensgemeinschaften haben das Recht, die Regeln des geistlichen Dienstes und der sich daraus ergebenden persönlichen Anforderungen, autonom festzulegen und danach ihre Entscheidungen zu treffen; je mehr das Amts- und Dienstverständnis von dem geistlich-religiösen Selbstverständnis der Kirche oder Glaubensgemeinschaft geprägt wird, desto eher müssen die durch staatliches Recht geschützten subjektiven Rechtspositionen zurücktreten (vgl. Ehlers, ZevKR 27 [1982], 269, 292 f.; v. Mangoldt/Klein/Starck/v. Campenhausen aaO, Art 137 WRV, Rdn. 201). Hier beruft sich die Beklagte auf ein persönliches Versagen der Kläger in der "Pflichterfüllung eines Offiziers", d.h. in ihrer Stellung als Geistliche nach dem Grundverständnis der Beklagten. Die Entlassung aus dem Dienst des Geistlichen ist damit eine disziplinarrechtliche Maßnahme, gegen die die Kläger die Untersuchungskommission hätten anrufen können. Daß sie es nicht getan haben, erweitert nicht den Prüfungsumfang des staatlichen Gerichts. Ob etwas anderes dann zu gelten hätte, wenn die Kläger nach dem Gemeinschaftsrecht der Beklagten keine Möglichkeit gehabt hätten, sich gegen ihre Entlassung zumindest im Verwaltungswege zu verteidi-
gen, bedarf keiner Entscheidung. Die Entlassung unterliegt daher keiner Rechtmäßigkeits-, sondern nur einer Wirksamkeitskontrolle. Daß sie unter Beachtung des Selbstverständnisses der Beklagten gegen Grundprinzipien der Rechtsordnung, wie sie im allgemeinen Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie in dem Begriff der guten Sitten (§ 138 BGB) und des ordre public (Art. 30 EGBGB) ihren Niederschlag gefunden haben, verstieße, haben die Kläger in den Tatsacheninstanzen nicht aufgezeigt und ist auch nicht von Rechts wegen erkennbar.

III.


Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Krüger Klein Gaier Schmidt-Räntsch

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 271/99 Verkündet am:
11. Februar 2000
R i e g e l ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
-----------------------------------
GG Art. 2 Abs. 1; 20 Abs. 3; 92; 140 i.V.m. WRV Art. 137 Abs. 3;

a) Eine Kirchen- oder Religionsgemeinschaft (hier: jüdische Gemeinde) kann vor
den staatlichen Gerichten ein Mitglied auf Unterlassung in Anspruch nehmen,
auch wenn dazu innergemeinschaftliche Vorfragen (hier: zur Vertretung der Gemeinde
) geklärt werden müssen.

b) Ist die Vorfrage durch ein Schiedsgericht der Kirche oder Religionsgemeinschaft
entschieden (hier durch Einsetzung eines kommissarischen Vorstandes), so sind
die staatlichen Gerichte daran grundsätzlich gebunden.
BGH, Urt. v. 11. Februar 2000 - V ZR 271/99 - OLG Naumburg
LG Halle
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Februar 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die
Richter Dr. Vogt, Schneider, Prof. Dr. Krüger und Dr. Klein

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 14. Dezember 1998 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist eine jüdische Religionsgemeinschaft mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Im Dezember 1996 wurde der Beklagte in deren Vorstand gewählt und von diesem zum Vorsitzenden bestimmt. Diese Wahl wurde von dem früheren, im Oktober 1995 gewählten Vorstand und dessen Vorsitzenden nicht anerkannt. Es kam zu Streitigkeiten darüber, wer die Klägerin rechtswirksam vertrete. Das von beiden Vorsitzenden als Repräsentanten der streitenden Gruppen jeweils namens der Klägerin angerufene Schiedsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland erklärte mit Schiedsurteil vom 17. April 1997 beide Wahlen für ungültig und übertrug die Geschäftsführung kommissarisch einer von dem Präsidium des Zentralrats der Juden in Deutschland zu benennenden Person mit der Aufgabe, nach Vorlage eines Berichts des Landesrechnungshofs Neuwahlen durchführen zu lassen.
Zwischen dem kommissarisch eingesetzten Vorsitzenden und dem Beklagten kam es in der Folge zu Auseinandersetzungen um die Führung der Klägerin. Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zur Unterlassung folgender Handlungen zu verurteilen:
1. die Räume der Klägerin zu betreten,
2. die Geschäftsführung des kommissarischen Geschäftsführers zu behindern , insbesondere diesem den Zutritt zu den Verwaltungsräumen zu verwehren,
3. Einfluß auf die Verwaltungstätigkeit der Klägerin zu nehmen, insbesondere deren Angestellten organisatorische Weisungen zu erteilen,
4. sich als Vorstandsvorsitzenden der Klägerin zu bezeichnen und unter dieser Bezeichnung im Rechtsverkehr, insbesondere unter Verwendung eines entsprechenden Kopfbogens, des Davidsterns oder des Amtssiegels aufzutreten.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß sich der Klageantrag Nr. 1 erledigt hat. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision des Beklagten mit dem Ziel der Klageabweisung, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Klägerin stehe gegen den Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung gemäß §§ 862, 1004 BGB zu. Der Beklagte habe die ihm vorgeworfenen Handlungen eingeräumt. Die alleinige Vertretungsmacht des kommissarischen Vorsitzenden stehe aufgrund des Urteils des Schiedsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland als einer von einer "innerkirchlichen" Gerichtsbarkeit getroffenen Entscheidung fest. Um die autonome "kirchliche" Körperschaft nicht rechtsschutzlos zu stellen, müsse der Staat die Durchsetzung einer religionsintern getroffenen Entscheidung gewährleisten.
Das hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.

II.

1. Den Rechtsweg zu den Zivilgerichten hat schon das Landgericht durch unangefochtenen Beschluß bejaht. Dies bindet den Senat (§ 17 a GVG). Davon zu trennen ist die andere Frage, ob die Klägerin überhaupt bei staatlichen Gerichten um Rechtsschutz nachsuchen kann. Diese Frage ist auch in der Revisionsinstanz in vollem Umfang zu prüfen, weil es weder um den Rechtsweg unter den staatlichen Gerichten, noch um Fragen der Zuständigkeit (§ 549 Abs. 2 ZPO) geht.
Ohne Erfolg rügt die Revision insoweit, die Klage sei bereits als unzulässig abzuweisen, da eine rein innergemeinschaftliche Angelegenheit gegeben sei, die keiner Rechtskontrolle durch staatliche Gerichte unterliege.
Aus der dem Staat obliegenden Justizgewährungspflicht (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip; Art. 92 GG) folgt, daß die staatlichen Gerichte grundsätzlich zur Entscheidung aller Rechtsfragen berufen sind, deren Beurteilung sich nach staatlichem Recht richtet (BVerfG, NJW 1999, 349; BVerfGE 85, 337, 345; von Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Aufl., S. 365; Kästner, Staatliche Justizhoheit und religiöse Freiheit, S. 111). Insoweit kann es weder auf ein staatliches Einverständnis zur Inanspruchnahme der Gerichte durch Kirche bzw. Religionsgemeinschaft ankommen, noch ist die staatliche Gerichtsbarkeit gegenüber der Gerichtsbarkeit der Religionsgemeinschaft subsidiär (von Campenhausen, aaO, S. 205; ders., AöR 112 (1987) 623, 629; Bock, Der kirchliche Dienst und das staatliche Recht, in Das Recht der Kirche Bd. III, 531, 536). Sollte in BGHZ 46, 96, 101 und in BGHZ 34, 372, 374 hierzu etwas anderes zum Ausdruck gekommen sein, hält der Senat (der für die Beurteilung kirchenrechtlicher Verhältnisse zuständig ist) hieran nicht fest. Ist der Rechtsweg durch die staatlichen Prozeßordnungen allgemein eröffnet , widerspräche es dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), Ansprüche der Religionsgemeinschaften auf staatlichen Rechtsschutz anders zu behandeln als Ansprüche der anderen Rechtssubjekte (Weber, Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland (HdbStKirchR), 2. Aufl., S. 1051). Die Pflicht des Staates zur Justizgewährung hat deshalb sowohl gegen als auch zugunsten der Religionsgemeinschaften in gleicher Weise wie für und gegen alle Rechtssubjekte auf dem Staatsgebiet selbst dann zu gelten, wenn bei der Anwendung staatlicher Rechtssätze religionsgemeinschaftliche Vorfra-
gen zu klären sind (von Campenhausen, aaO, 627; Weber, NJW 1989, 2217, 2218 f; Rüfner, HdbStKirchR, S. 1090 f; Schmidt-Bleibtreu, GG, 9. Aufl., Art. 140 Rdn. 4 a).
Allerdings garantiert der über Art. 140 GG als Bestandteil des Grundgesetzes fortgeltende Art. 137 Abs. 3 WRV vom 11. August 1919 den Kirchen und Religionsgesellschaften, ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und zu verwalten (BVerfGE 18, 385, 386). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist diese Garantie eine notwendige, rechtlich selbständige Gewährleistung , die der Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 2 GG) die dazu unerläßliche Freiheit der Bestimmung über Organisation, Normsetzung und Verwaltung hinzufügt (BVerfGE 70, 138, 164 m.w.N.). Dieses religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmungsrecht ist neben der Religionsfreiheit (Art. 4 GG) und der Trennung von Staat und Kirche (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV) die dritte Säule der staatskirchenrechtlichen Ordnung des Grundgesetzes. Es gilt für alle Religionsgemeinschaften unabhängig davon, ob sie - wie die Klägerin - die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besitzen, privatrechtliche Vereine sind oder der Rechtsfähigkeit überhaupt entbehren (von Campenhausen, Staatskirchenrecht, aaO, S. 105 f) und schließt für rein "innerkirchliche" Maßnahmen jede staatliche Einmischung - auch eine Überprüfung durch staatliche Gerichte - in der Regel aus (BVerfG, NJW 1999, 350 m.w.N.; SchmidtBleibtreu , aaO, Art. 140 Rdn. 4 a).
Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften setzt folglich dem staatlichen Rechtsschutz Grenzen (Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 113). Selbstverwaltungsrecht und allge-
meine Gesetze sowie ihre Durchsetzung durch die staatlichen Gerichte stehen damit in einem Wechselverhältnis, dem durch entsprechende Güterabwägung Rechnung zu tragen ist. Dabei ist dem Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften besonderes Gewicht beizumessen (BVerfG, NJW 1999, 349, 350). Es kommt deshalb darauf an, ob und inwieweit die jeweils in Rede stehende Maßnahme von deren Selbstbestimmungsrecht erfaßt wird und die Schranken "des für alle geltenden Gesetzes" nicht überschreitet. Die Frage, ob eine Maßnahme diesem Bereich zuzurechnen ist oder den staatlichen Bereich berührt, entscheidet sich danach, was materiell, der Natur der Sache oder Zweckbeziehung nach, als eigene Angelegenheit der Kirche oder Religionsgemeinschaft anzusehen ist (BVerfGE 18, 385, 387). Zu den innergemeinschaftlichen Angelegenheiten gehört auch das Organisationsrecht, namentlich die Wahl der Vertretungsorgane. Der bürgerliche Rechtskreis der beteiligten Personenkreise wird durch solche Regeln nicht berührt (BVerfG NJW 1999, 350).
Das Berufungsgericht hat demnach die Klage zu Recht als zulässig erachtet. Streitgegenstand sind die von der Klägerin geltend gemachten Unterlassungsansprüche und nicht die Frage ihrer Vertretung, die lediglich eine Vorfrage ist. Das Klagebegehren ist zivilrechtlicher Natur. Das Zivilrecht gehört zu den "für alle geltenden Gesetzen" und nicht zu den innergemeinschaftlichen Angelegenheiten (von Campenhausen, aaO, 633; ders., Staatskirchenrecht, S. 121; Rüfner, aaO, S. 1091). Es ist somit nach staatlichem Recht zu beurteilen.
Daß dabei möglicherweise innergemeinschaftliche Regelungen oder Entscheidungen von präjudizieller Bedeutung sind für die Beurteilung des streitgegenständlichen Rechtsverhältnisses, steht dem nicht entgegen. Die
staatliche Gerichtsbarkeit kann wegen der Justizgewährungspflicht, die hier aus dem zivilrechtlichen Streitgegenstand folgt, einer Entscheidung nicht ausweichen , auch wenn im Rahmen der Begründetheit innergemeinschaftlichen Vorfragen in besonderer Weise Rechnung zu tragen ist (Sachs, DVBl 1989, 487, 494).
2. Rechtsfehlerfrei bejaht das Berufungsgericht einen Unterlassungsanspruch der Klägerin nach §§ 862, 1004 BGB. Diese Vorschriften sind, soweit es nicht ohnehin um Besitz und Eigentum der Klägerin geht, jedenfalls analog anwendbar , als die Klägerin damit den Schutz ihrer autonomen Verwaltungstätigkeit durch den eingesetzten kommissarischen Geschäftsführer geltend macht. Das zieht auch die Revision nicht in Zweifel. Das Berufungsgericht hat unangegriffen festgestellt, daß das Verhalten des Beklagten in der Vergangenheit die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen des in den Klageanträgen 2 bis 4 bezeichneten Rechtsbereichs der Klägerin begründet.
Mit Recht hat das Berufungsgericht im Hinblick auf die vorgreifliche Frage der Vertretung der Klägerin auf das insoweit die staatlichen Gerichte bindende Urteil des Schiedsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland vom 17. April 1997 abgestellt. Die Revisionsangriffe des Beklagten hiergegen greifen nicht durch.
Das Schiedsurteil ist eine Entscheidung in einer innergemeinschaftlichen Angelegenheit durch ein Gericht der Religionsgemeinschaft. Sie ist für den Senat bindend und einer Überprüfung nicht zugänglich. Dies folgt unmittelbar aus den oben unter I 1 dargestellten Grundsätzen über die Beachtung des Selbstbestimmungsrechts und die dadurch gegebene Begrenzung des
staatlichen Rechtsschutzes im Bereich der Religionsgemeinschaft. Zwar hat die Entscheidung des Schiedsgerichts über die Vertretung der Klägerin auch mittelbare Rechtswirkungen etwa im bürgerlichen Recht. Das rechtfertigt jedoch keine erweiterte Prüfungskompetenz staatlicher Gerichte. Vielmehr sind solche vorgreiflichen Entscheidungen selbst dann grundsätzlich zu respektieren (BGHZ 12, 321, 323; OVG Magdeburg, NJW 1998, 3070, 3071; OLG Naumburg NJW 1998, 3060, 3061; Sachs, aaO, 495; Heckel, aaO, S. 228; Rüfner, aaO, S. 1090; Johnsen, Nachprüfbarkeit kirchlicher Rechtshandlungen der staatlichen Gerichte (1956) S. 195 f; im Ergebnis auch Hesse, aaO, S. 136, der andernfalls die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen sieht), wenn das im Einzelfall dazu führen kann, daß staatliche Gerichte an der Durchsetzung von Entscheidungen mitwirken, von denen sie mangels vollständiger Überprüfbarkeit gar nicht wissen, ob die angeordneten Maßnahmen berechtigt sind (vgl. BGHZ 29, 352, 363 zum Vereinsrecht). Das ist im Hinblick auf das verfassungsrechtlich abgesicherte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften hinzunehmen, jedenfalls solange die Entscheidung nicht willkürlich ist oder gegen fundamentale Rechtsprinzipien verstößt (vgl. BVerfGE 70, 138, 168; Rüfner, aaO, S. 1090; Johnsen, aaO, S. 195). Das bezweifelt im Ansatz auch die Revision nicht.
Nicht gefolgt werden kann der Auffassung der Revision, das Schiedsgericht sei nur von "Privatpersonen" angerufen worden und könne schon deshalb zugunsten der Klägerin keine Bindungswirkung entfalten. Das Schiedsgericht angerufen haben sowohl der Beklagte als auch sein Konkurrent (als Repräsentanten der streitenden Gruppen innerhalb der Klägerin) jeweils - wie das Berufungsgericht unangefochten feststellt - namens der Klägerin, wobei jeder für sich in Anspruch nahm, rechtswirksam deren Vorstandsvorsitzender zu
sein. Auch das Ziel des Beklagten war es mithin, seine Vertretungsbefugnis für die Klägerin durch das Schiedsgericht feststellen zu lassen. Die für ihn (und seinen Konkurrenten) negative Entscheidung durch Schiedsurteil kann der Beklagte insoweit nicht dadurch in Frage stellen, daß er nunmehr hervorhebt, nach dem eigenen Standpunkt des Schiedsgerichts habe wegen Unwirksamkeit der vorangegangenen Wahlen weder er noch sein Konkurrent die Klägerin wirksam vertreten und sie damit dem Spruch des Schiedsgerichts unterwerfen können. Dies liefe sonst letztlich auf eine sachliche Überprüfung des Schiedsurteils hinaus, die den staatlichen Gerichten entzogen ist. Das Schiedsurteil entfaltet für diese vielmehr eine Art Tatbestandswirkung, die als solche nur festzustellen und zu respektieren ist.
Das Schiedsurteil verstößt weder gegen fundamentale Rechtsgrundsätze , noch ist es willkürlich. Zwar ist in § 15 Abs. 2 der Schiedsgerichtssatzung vorgesehen, das Gericht werde in Streitigkeiten satzungsrechtlicher Art nur nach Vorlage einer von den Streitparteien rechtswirksam unterzeichneten schriftlichen Unterwerfungserklärung tätig. Ob das Fehlen einer solchen Unterwerfungserklärung als Verfahrensfehler beurteilt werden könnte, mag offenbleiben. Die damals allein in Betracht kommenden Beteiligten, nämlich der Beklagte und sein Konkurrent, haben nämlich eine Entscheidung des Schiedsgerichts zur Vertretung der Klägerin nachgesucht und das Fehlen einer Unterwerfungserklärung nicht gerügt. Von einer willkürlichen Verfahrensweise kann mithin keine Rede sein. Der Beklagte verhält sich im übrigen auch treuwidrig, wenn er nunmehr das Schiedsurteil unter dem erörterten formalen Aspekt nicht gegen sich gelten lassen will.
Das Schiedsurteil ist als innergemeinschaftlicher Akt auch insoweit der Nachprüfung entzogen, als es um die Frage geht, ob das Gericht mit der Einsetzung eines vom Zentralrat der Juden zu benennenden kommissarischen Vorsitzenden seine Entscheidungskompetenz überschritten hat. In Anbetracht der von ihm selbst angenommenen Ungültigkeit beider vorangegangenen Wahlen war es weder willkürlich noch ein Verstoß gegen fundamentale Grundsätze , die Handlungsfähigkeit der Klägerin durch die Einsetzung eines Notgeschäftsführers wieder herzustellen, zumal - wie das Berufungsgericht auch unangegriffen feststellt - die wirtschaftliche Existenz der Klägerin unter Verwendung eines jährlichen Landeszuschusses in Höhe von 450.000 DM in hohem Grade gefährdet war.
Rechtlich zutreffend nimmt das Berufungsgericht auch an, daß die streitenden Konkurrenten das einmal ergangene Schiedsurteil nicht über eine Vereinbarung vom 29. Mai 1997 wieder aus der Welt schaffen konnten. Dieses Urteil erging zwar auf Veranlassung der damals Beteiligten, verhielt sich aber zur Vertretung der Klägerin, die es - wovon hier nach den obigen Ausführungen auszugehen ist - verbindlich regelte. Es begründete damit eine Rechtsposition zugunsten der Klägerin, die die um den Vorstandsvorsitz streitenden Beteiligten nicht mehr ohne deren Mitwirkung beseitigen konnten, zumal sie nach dem Ausgangspunkt des Schiedsurteils gerade nicht zur Vertretung der Klägerin berechtigt waren.
Soweit sich der Beklagte auf ein von ihm vorgelegtes Urteil eines israelischen Rabbinatsgerichts von 25. Juni 1997 bezieht, das die Unwirksamkeit des Schiedsurteils vom 17. Mai 1997 feststellt und eine Vertretung der Klägerin unter anderem durch den Beklagten annimmt, hat das Berufungsgericht unter
Auseinandersetzung mit entsprechenden Fachgutachten angenommen, dieses Urteil des Rabbinatsgerichts als eines sog. "Gerechtigkeitsgerichts" entfalte keine Rechtswirkungen gegenüber dem Schiedsurteil und verstoße im übrigen auch wegen Verletzung elementarer Grundsätze (Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör) gegen den "ordre public". Ob die dagegen vorgebrachten Rügen der Revision durchgreifen, kann offenbleiben, weil nach dem unstreitigen Sachvortrag das Urteil des Rabbinatsgerichts später wieder aufgehoben worden ist.
Regelt mithin das Schiedsurteil die Vertretung der Klägerin verbindlich auch gegenüber dem Beklagten bis zu der vom kommissarischen Vorsitzenden durchzuführenden Neuwahl eines neuen Vorstands, so folgt daraus, daß die vom Beklagten einberufene außerordentliche Mitgliederversammlung vom 25. Mai 1997 und die dort gefaßten Beschlüsse zur Abberufung des kommissarischen Geschäftsführers die rechtswirksame Vertretung der Klägerin durch diesen nicht in Frage stellen können. Daß dies nach innergemeinschaftlichem Recht anders sein könnte, hat der Beklagte nicht hinreichend dargetan.
Offenbleiben kann, ob die vom kommissarischen Geschäftsführer der Klägerin veranlaßte Ausarbeitung einer neuen Satzung und Wahlordnung sowie die Beschlußfassung hierüber aus dem Jahre 1998 rechtswirksam ist; denn diese Vorgänge können an der Vertretung der Klägerin ohnehin nichts ändern. Den staatlichen Gerichten steht es auch nicht zu, darüber zu befinden, ob entgegen dem Schiedsurteil die Notgeschäftsführung bei der Klägerin durch Zeitablauf beendet ist. Das Schiedsurteil hat eine kommissarische Vertretung der Klägerin angeordnet bis zur Durchführung neuer Vorstandswahlen.
3. Das Berufungsgericht hat im Tenor seiner Entscheidung festgestellt, daß der Klageantrag Nr. 1 erledigt sei, ist hierauf in den Entscheidungsgründen aber nicht weiter eingegangen. Soweit die Revision insoweit eine Rüge nach § 551 Nr. 7 ZPO erhebt, greift sie nicht durch. Eine Begründung ist nämlich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmen. Der Antrag Nr. 1 war darauf gerichtet, dem Beklagten das Betreten der Gemeinderäume zu verbieten , weil der Geschäftsführer ihm aufgrund gewisser Vorgänge Hausverbot erteilt hatte. Nachdem dieses Hausverbot während des Rechtsstreits wieder aufgehoben worden ist, erklärte die Klägerin den Antrag Nr. 1 für erledigt. Der Teilerledigungserklärung hat sich der Beklagte nicht angeschlossen. Da die Klage entsprechend den vorstehenden Ausführungen begründet war, ist die streitige Erledigungsfeststellung durch das Berufungsgericht nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Vogt Schneider Krüger Klein

(1) Es besteht keine Staatskirche.

(2) Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet. Der Zusammenschluß von Religionsgesellschaften innerhalb des Reichsgebiets unterliegt keinen Beschränkungen.

(3) Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.

(4) Religionsgesellschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes.

(5) Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften zu einem Verbande zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft.

(6) Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.

(7) Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen.

(8) Soweit die Durchführung dieser Bestimmungen eine weitere Regelung erfordert, liegt diese der Landesgesetzgebung ob.

Tenor

1. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 4 Absatz 1 und Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 140 des Grundgesetzes und Artikel 137 Absatz 3 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 (Weimarer Reichsverfassung). Das Urteil wird aufgehoben. Die Sache wird an das Bundesarbeitsgericht zurückverwiesen.

2. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde verworfen.

3. Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin ein Drittel ihrer notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

A.

1

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die Frage, in welchem Umfang die arbeitsvertragliche Festlegung glaubensbezogener Loyalitätserwartungen durch einen kirchlichen Arbeitgeber und die Gewichtung eines durch den Arbeitnehmer hiergegen begangenen Verstoßes im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens der eigenständigen Überprüfung und Beurteilung seitens der staatlichen Gerichte zugänglich sind.

I.

2

1. Die Arbeit im sozial-karitativen Sektor, vor allem in der Kranken- und Altenpflege, der Behindertenbetreuung sowie der Kinder- und Jugenderziehung stellt neben der Verkündigung des Evangeliums und der Feier der Eucharistie einen Tätigkeitsschwerpunkt der christlichen Kirchen dar. Die Aufgabenwahrnehmung erfolgt dabei entweder unmittelbar durch kirchliche Untergliederungen oder durch rechtlich verselbständigte Vereinigungen und Einrichtungen, die überwiegend in den Wohlfahrtsverbänden der Caritas (römisch-katholische Kirche) und der Diakonie (evangelische Landeskirchen) zusammengeschlossen sind. Die Wohlfahrtsverbände und die einzelnen Träger der Einrichtungen sind regelmäßig als juristische Personen des Privatrechts organisiert. Deren ideelle und organisatorische Verbindungen zur jeweiligen Kirche werden meist durch Satzungsbestimmungen geregelt, die die inhaltliche und personelle Ausrichtung auf die verfasste Kirche festlegen.

3

Seit den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts ist die Zahl der kirchlichen Arbeitnehmer sprunghaft angewachsen. Ursachen dieser Entwicklung sind zum einen die gesellschaftlich bedingte Ausweitung kirchlich getragener Tätigkeiten, vor allem im Bereich der Wohlfahrtspflege, die eine zunehmende Professionalisierung der Mitarbeiter erforderte, zum anderen die kontinuierlich abnehmende Zahl der Angehörigen von Orden und ähnlichen Gemeinschaften, die früher zahlreiche Sozial- und Bildungseinrichtungen betrieben hatten (vgl. Isensee, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 2, 2. Aufl. 1995, § 59, S. 665 <672 f.>). Aufgrund dieser Entwicklung erwies es sich für die Kirchen als unausweichlich, in großem Umfang auch fremdkonfessionelle und nichtchristliche Arbeitnehmer in den kirchlichen Dienst einzubeziehen, um den steigenden Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften zu decken.

4

2. Der Gesamtheit des kirchlichen Dienstes liegt nach dem Selbstverständnis der christlichen Kirchen das Leitbild der Dienstgemeinschaft zugrunde (vgl. hierzu bereits: BVerfGE 53, 366 <403 f.>; 70, 138 <165>). Es beschreibt die kirchenspezifische Besonderheit ihres Dienstes, die sich auf ein Gemeinschaftsverhältnis zwischen kirchlichem Arbeitgeber und kirchlichem Arbeitnehmer bezieht und auf die religiöse Bindung des Auftrags kirchlicher Einrichtungen gerichtet ist. Grundgedanke der Dienstgemeinschaft ist die gemeinsam getragene Verantwortung aller im kirchlichen Dienst Tätigen - sei es als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, leitend oder untergeordnet, verkündigungsnah oder unterstützend - für den Auftrag der Kirche (vgl. Keßler, in: Festschrift für Wolfgang Gitter, 1995, S. 461 <465>).

5

Nach dem Selbstverständnis der Kirchen erfordert der Dienst am Herrn die Verkündigung des Evangeliums (Zeugnis), den Gottesdienst (Feier) und den aus dem Glauben erwachsenden Dienst am Mitmenschen (Nächstenliebe). Wer in Einrichtungen tätig wird, die der Erfüllung eines oder mehrerer dieser christlichen Grunddienste zu dienen bestimmt sind, trägt demnach dazu bei, dass diese Einrichtungen ihren Teil am Heilswerk Jesu Christi leisten und damit den Sendungsauftrag seiner Kirche erfüllen können (vgl. Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 6. Aufl. 2012, § 4 Rn. 10; Zweites Vatikanisches Konzil, Apostolicam Actuositatem <"Dekret über das Laienapostolat">, Art. 2, zum römisch-katholischen Verständnis).

6

3. Zum Schutz der Integrität der Dienstgemeinschaft und zur Wahrung der Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung in der Öffentlichkeit nehmen kirchliche Arbeitgeber für sich in Anspruch, arbeitsvertraglich gegenüber ihren Arbeitnehmern besondere Loyalitätserwartungen einzufordern, um die Beachtung der tragenden Grundsätze ihrer jeweiligen Glaubens- und Sittenlehre zu gewährleisten.

7

a) Diese sogenannten Loyalitätsobliegenheiten begründen nicht vertragliche Nebenpflichten in Bezug auf die Erbringung der rechtsgeschäftlich zugesagten Dienstleistung, sondern betreffen allgemein das - auch außerdienstliche - Verhalten des Arbeitnehmers (vgl. Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 6. Aufl. 2012, § 6 Rn. 24, m.w.N.). Ihnen fehlt regelmäßig die "Qualität erzwingbarer Rechtspflichten" (BVerfGE 70, 138 <141>). Ihre Missachtung durch den Arbeitnehmer führt jedoch unter Umständen dazu, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem illoyalen Mitarbeiter für den kirchlichen Arbeitgeber unzumutbar wird und ihn zur Kündigung berechtigt.

8

b) Inhalt und Umfang der arbeitsrechtlichen Loyalitätsobliegenheiten können sich über die gesetzlichen Kündigungsvorschriften auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses auswirken. Im Falle der Verletzung einer Loyalitätsobliegenheit kommt sowohl eine ordentliche (§ 1 Abs. 1 KSchG) als auch eine außerordentliche (§ 626 Abs. 1 BGB) Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht. Ab Mitte der 1970er Jahre entwickelte sich unter sukzessiver Aufgabe früherer Ansätze in der Rechtsprechung (vgl. BAGE 2, 279 ff.) eine neue höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der die Festlegung besonderer Loyalitätsobliegenheiten nur noch für solche kirchlichen Arbeitnehmer möglich sein sollte, deren Tätigkeit in unmittelbarem Zusammenhang mit dem kirchlichen Verkündigungsauftrag stand (vgl. BAG, Urteil vom 25. April 1978 - 1 AZR 70/76 -, juris, Rn. 33; Urteil vom 4. März 1980 - 1 AZR 125/78 -, juris, Rn. 26; Urteil vom 14. Oktober 1980 - 1 AZR 1274/79 -, juris, Rn. 43 ff.; Urteil vom 21. Oktober 1982 - 2 AZR 591/80 -, juris, Rn. 36 f.; Urteil vom 23. März 1984 - 7 AZR 249/81 -, juris, Rn. 39; Urteil vom 31. Oktober 1984 - 7 AZR 232/83 -, juris, Rn. 32). Die Feststellung, ob eine solche "kirchenspezifische" Tätigkeit im konkreten Einzelfall vorlag, sollte hierbei - in Anlehnung an die Rechtsprechung zur Kündigung von Tendenzträgern in Tendenzbetrieben - der vollumfänglichen Überprüfung durch die staatlichen Arbeitsgerichte unterliegen (vgl. nur: BAG, Urteil vom 14. Oktober 1980 - 1 AZR 1274/79 -, juris, Rn. 45; Urteil vom 21. Oktober 1982 - 2 AZR 591/80 -, juris, Rn. 36 f.).

9

c) Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat durch Beschluss vom 4. Juni 1985 (BVerfGE 70, 138 ff.) festgestellt, dass diese arbeitsgerichtliche Rechtsprechung gegen das kirchliche Selbstbestimmungsrecht (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV) verstößt und den verfassten Kirchen grundsätzlich die verbindliche Entscheidung darüber zugesprochen, was "die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung erfordert", was "spezifisch kirchliche Aufgaben" sind, was "Nähe" zu ihnen bedeutet, welches die "wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre" sind und was als - gegebenenfalls schwerer - Verstoß gegen diese anzusehen ist. An diese Einschätzung seien die Arbeitsgerichte gebunden, es sei denn, sie begäben sich dadurch in Widerspruch "zu Grundprinzipien der Rechtsordnung" (so BVerfGE 70, 138 <168>; vgl. auch: BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 31. Januar 2001 - 1 BvR 619/92 -, juris; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7. März 2002 - 1 BvR 1962/01 -, juris).

10

d) Für die römisch-katholische Kirche verabschiedete die Gesamtheit der deutschen (Erz-)Bischöfe am 22. September 1993 eine Fortschreibung der "Erklärung der deutschen Bischöfe zum kirchlichen Dienst" (nachfolgend: Erklärung) sowie die "Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse" (nachfolgend: Grundordnung, GrO), durch die in Ausübung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts die verfassungsgerichtlich anerkannten Freiräume durch eine eigene kirchenrechtliche Regelung in einer zugleich rechts- und sozialstaatlichen Anforderungen genügenden Weise ausgefüllt werden sollten (vgl. Dütz, NJW 1994, ,S. 1369 <1369>). Ausgehend vom Leitbild der christlichen Dienstgemeinschaft setzt die Grundordnung die grundlegenden Aussagen der Erklärung zur Eigenart des kirchlichen Dienstes, zu den Anforderungen an Träger und Leitung kirchlicher Einrichtungen sowie an die Mitarbeiter, zur Koalitionsfreiheit und zum besonderen Regelungsverfahren zur Beteiligung der Mitarbeiter an der Gestaltung ihrer Arbeitsverhältnisse (sogenannter Dritter Weg) sowie zum gerichtlichen Rechtsschutz normativ um.

11

Die wesentlichen Vorschriften der Grundordnung betreffend die Auferlegung von Loyalitätsobliegenheiten und die arbeitsrechtliche Ahndung von Verstößen hiergegen lauten:

Art. 1. Grundprinzipien des kirchlichen Dienstes

Alle in einer Einrichtung der katholischen Kirche Tätigen tragen durch ihre Arbeit ohne Rücksicht auf die arbeitsrechtliche Stellung gemeinsam dazu bei, dass die Einrichtung ihren Teil am Sendungsauftrag der Kirche erfüllen kann (Dienstgemeinschaft). Alle Beteiligten, Dienstgeber sowie leitende und ausführende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, müssen anerkennen und ihrem Handeln zugrunde legen, dass Zielsetzung und Tätigkeit, Organisationsstruktur und Leitung der Einrichtung, für die sie tätig sind, sich an der Glaubens- und Sittenlehre und an der Rechtsordnung der katholischen Kirche auszurichten haben.

Art. 3. Begründung des Arbeitsverhältnisses

(1) Der kirchliche Dienstgeber muss bei der Einstellung darauf achten, dass eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter die Eigenart des kirchlichen Dienstes bejahen. Er muss auch prüfen, ob die Bewerberin und der Bewerber geeignet und befähigt sind, die vorgesehene Aufgabe so zu erfüllen, dass sie der Stellung der Einrichtung in der Kirche und der übertragenen Funktion gerecht werden.

(2) Der kirchliche Dienstgeber kann pastorale, katechetische sowie in der Regel erzieherische und leitende Aufgaben nur einer Person übertragen, die der katholischen Kirche angehört.

(…)

(5) Der kirchliche Dienstgeber hat vor Abschluss des Arbeitsvertrages durch Befragung und Aufklärung der Bewerberinnen und Bewerber sicherzustellen, dass sie die für sie nach dem Arbeitsvertrag geltenden Loyalitätsobliegenheiten (Art. 4) erfüllen.

Art. 4. Loyalitätsobliegenheiten

(1) Von den katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennen und beachten. Insbesondere im pastoralen, katechetischen und erzieherischen Dienst sowie bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die aufgrund einer Missio canonica tätig sind, ist das persönliche Lebenszeugnis im Sinne der Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre erforderlich. Dies gilt auch für leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

(2) Von nichtkatholischen christlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die Wahrheiten und Werte des Evangeliums achten und dazu beitragen, sie in der Einrichtung zur Geltung zu bringen.

(…)

(4) Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben kirchenfeindliches Verhalten zu unterlassen. Sie dürfen in ihrer persönlichen Lebensführung und in ihrem dienstlichen Verhalten die Glaubwürdigkeit der Kirche und der Einrichtung, in der sie beschäftigt sind, nicht gefährden.

Art. 5. Verstöße gegen Loyalitätsobliegenheiten

(1) Erfüllt eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter die Beschäftigungsanforderungen nicht mehr, so muss der Dienstgeber durch Beratung versuchen, dass die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter diesen Mangel auf Dauer beseitigt. Im konkreten Fall ist zu prüfen, ob schon ein solches klärendes Gespräch oder eine Abmahnung, ein formeller Verweis oder eine andere Maßnahme (z. B. Versetzung, Änderungskündigung) geeignet sind, dem Obliegenheitsverstoß zu begegnen. Als letzte Maßnahme kommt eine Kündigung in Betracht.

(2) Für eine Kündigung aus kirchenspezifischen Gründen sieht die Kirche insbesondere folgende Loyalitätsverstöße als schwerwiegend an:

- Verletzungen der gemäß Art. 3 und 4 von einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter zu erfüllenden Obliegenheiten, insbesondere Kirchenaustritt, öffentliches Eintreten gegen tragende Grundsätze der katholischen Kirche (z.B. hinsichtlich der Abtreibung) und schwerwiegende persönliche sittliche Verfehlungen,

- Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe,

- Handlungen, die kirchenrechtlich als eindeutige Distanzierungen von der katholischen Kirche anzusehen sind, vor allem Abfall vom Glauben (Apostasie oder Häresie gemäß Can. 1364 § 1 iVm. Can. 751 CIC), Verunehrung der heiligen Eucharistie (Can. 1367 CIC), öffentliche Gotteslästerung und Hervorrufen von Haß und Verachtung gegen Religion und Kirche (Can. 1369 CIC), Straftaten gegen die kirchlichen Autoritäten und die Freiheit der Kirche (insbesondere gemäß den Can. 1373, 1374 CIC).

(3) Ein nach Abs. 2 generell als Kündigungsgrund in Betracht kommendes Verhalten schließt die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung aus, wenn es begangen wird von pastoral, katechetisch oder leitend tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die aufgrund einer Missio canonica tätig sind. Von einer Kündigung kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn schwerwiegende Gründe des Einzelfalles diese als unangemessen erscheinen lassen.

(4) Wird eine Weiterbeschäftigung nicht bereits nach Abs. 3 ausgeschlossen, so hängt im Übrigen die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung von den Einzelfallumständen ab, insbesondere vom Ausmaß einer Gefährdung der Glaubwürdigkeit von Kirche und kirchlicher Einrichtung, von der Belastung der kirchlichen Dienstgemeinschaft, der Art der Einrichtung, dem Charakter der übertragenen Aufgabe, deren Nähe zum kirchlichen Verkündigungsauftrag, von der Stellung der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters in der Einrichtung sowie von der Art und dem Gewicht der Obliegenheitsverletzung. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter die Lehre der Kirche bekämpft oder sie anerkennt, aber im konkreten Fall versagt.

(5) (…) Im Fall des Abschlusses einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe scheidet eine Weiterbeschäftigung jedenfalls dann aus, wenn sie unter öffentliches Ärgernis erregenden oder die Glaubwürdigkeit der Kirche beeinträchtigenden Umständen geschlossen wird (z. B. nach böswilligem Verlassen von Ehepartner und Kindern).

12

e) Vergleichbare Regelungen existieren in den meisten evangelischen Landeskirchen. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat nach dem Vorbild der Grundordnung die "Richtlinie über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit in der Evangelischen Kirche in Deutschland und des Diakonischen Werkes der EKD" vom 1. Juli 2005 erlassen.

II.

13

1. Die Beschwerdeführerin ist kirchliche Trägerin des katholischen V.-Krankenhauses in D. Seit dem 1. Januar 2000 beschäftigt sie dort den katholischen Kläger des Ausgangsverfahrens (nachfolgend: Kläger) als Chefarzt der Abteilung ... Dessen durchschnittliches Bruttogehalt betrug zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung ... Euro monatlich.

14

a) Der Dienstvertrag vom 12. Oktober 1999 betont in seiner Präambel die nach katholischem Verständnis zwischen allen in einer kirchlichen Einrichtung Tätigen bestehende Dienstgemeinschaft, die von den Grundsätzen der katholischen Glaubens- und Sittenlehre getragen werden soll und verweist zur Ausgestaltung dessen auf die Grundordnung sowie weitere außervertragliche Regelungen:

Grundlage des Vertrages

Das V.-Krankenhaus ist ein katholisches Krankenhaus.

Mit diesem Krankenhaus erfüllt der Träger eine Aufgabe der Caritas als eine Lebens- und Wesensäußerung der Katholischen Kirche. Mitarbeiter im Krankenhaus leisten deshalb ihren Dienst im Geist christlicher Nächstenliebe. Dienstgeber und alle Mitarbeiter des Krankenhauses bilden ohne Rücksicht auf ihre Tätigkeit und Stellung eine Dienstgemeinschaft, die vom Dienstgeber und allen Mitarbeitern die Bereitschaft zu gemeinsam getragener Verantwortung und vertrauensvoller Zusammenarbeit fordert und ohne Einhaltung der Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre keinen Bestand haben kann.

In Anerkennung dieser Grundlage und unter Zugrundelegung der vom Erzbischof von Köln erlassenen Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 22.09.93 (Amtsblatt des Erzbistums Köln, S. 222), der Grundordnung für katholische Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen vom 05.11.96 (Amtsblatt des Erzbistums Köln, S. 321), der Satzung des Krankenhauses und dem Organisationsstatut in den jeweils geltenden Fassungen wird folgendes vereinbart: (…)

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b) § 10 des Dienstvertrages enthält nähere Bestimmungen über die Dauer und Beendigung des Arbeitsverhältnisses:

§ 10 Vertragsdauer

(1) Der Dienstvertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen.

(…)

(4) Das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 BGB bleibt unberührt. Als wichtige Gründe zählen u. a. insbesondere:

1. (…)

2. ein grober Verstoß gegen kirchliche Grundsätze, z. B. Erklärung des Kirchenaustritts, Beteiligung an einer Abtreibung, Leben in kirchlich ungültiger Ehe oder eheähnlicher Gemeinschaft.

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c) In der Präambel des Dienstvertrages wird auf die Grundordnung für katholische Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen vom 5. November 1996 in der Fassung vom 27. März 2001 Bezug genommen. Diese bestimmt in Buchstabe A Ziffer 6 Satz 2 die Dienststellung als Abteilungsarzt als leitende Aufgabe im Sinne der Grundordnung:

A. Zuordnung zur Kirche

6. Für den Träger ist die auf der Grundlage der Erklärung der deutschen Bischöfe zum kirchlichen Dienst erlassene "Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 22. September 1993" nebst Änderungen und Ergänzungen verbindlich. Als leitend tätige Mitarbeiter im Sinne der genannten Grundordnung gelten die Mitglieder der Krankenhausbetriebsleitung und die Abteilungsärzte. (…)

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2. a) Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses und zu Beginn des Dienstverhältnisses war der Kläger nach katholischem Ritus in erster Ehe verheiratet. Ende 2005 trennten sich die Ehepartner. Zwischen 2006 und 2008 lebte der Kläger mit einer neuen Lebensgefährtin zusammen. Nach den späteren Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war dieses ehelose Zusammenleben dem damaligen Geschäftsführer der Beschwerdeführerin spätestens seit Herbst 2006 bekannt. Anfang 2008 wurde die erste Ehe des Klägers nach staatlichem Recht geschieden.

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b) Im August 2008 heiratete der Kläger seine Lebensgefährtin standesamtlich. Hiervon erfuhr die Beschwerdeführerin im November 2008. Eine kirchenrechtliche Annullierung der ersten Ehe war bis zu diesem Zeitpunkt nicht ausgesprochen worden.

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c) In der Folgezeit fanden zwischen der Beschwerdeführerin und dem Kläger mehrere Gespräche über die Auswirkungen seiner zweiten Heirat auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses statt. Hierbei teilte der Kläger der Beschwerdeführerin mit, dass er ein kirchengerichtliches Verfahren zur Annullierung seiner ersten Ehe beantragt habe. Er beabsichtige nicht, die eheliche Gemeinschaft mit seiner ersten Ehefrau wiederherzustellen. Nach Anhörung der bestehenden Mitarbeitervertretung kündigte die Beschwerdeführerin das Arbeitsverhältnis im März 2009 ordentlich mit Wirkung zum 30. September 2009.

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3. Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht D. Mit Urteil vom 30. Juli 2009 - 6 Ca 2377/09 - stellte das Arbeitsgericht fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung aufgelöst worden sei und verurteilte die Beschwerdeführerin zur Weiterbeschäftigung des Klägers.

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Das Arbeitsgericht vertrat die Auffassung, dass bis zum Abschluss des schwebenden Annullierungsverfahrens vor der kirchlichen Gerichtsbarkeit nicht feststehe, ob dem Kläger durch die Eheschließung ein schwerwiegender Loyalitätsverstoß vorzuwerfen sei. Zwar habe der Kläger unstreitig das Verbot der neuen Ehe während eines schwebenden Annullierungsverfahrens (Can. 1085 § 2 CIC) missachtet. Ein Verstoß gegen diese - nach Auffassung des Gerichts als bloße Ordnungsvorschrift zu qualifizierende - Vorgabe sei jedoch in der Grundordnung nicht als schwerwiegender Loyalitätsverstoß genannt und damit ungeeignet, einen Grund für die verhaltensbedingte Kündigung darzustellen. In Anbetracht dessen sei die Kündigung auch als unverhältnismäßig anzusehen. Es sei der Beschwerdeführerin zuzumuten gewesen, die Entscheidung über das Annullierungsverfahren vor Ausspruch der Kündigung abzuwarten.

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4. Die hiergegen von der Beschwerdeführerin eingelegte Berufung wurde durch das Landesarbeitsgericht D. mit Urteil vom 1. Juli 2010 - 5 Sa 996/09 - zurückgewiesen.

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a) Das Gericht nahm zwar an, dass das Verhalten des Klägers grundsätzlich einen geeigneten Kündigungsgrund darstelle. Insbesondere könne sich dieser entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht auf das schwebende Annullierungsverfahren berufen. Auch ein Verstoß gegen Can. 1085 § 2 CIC sei generell geeignet, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.

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b) Allerdings falle die im Rahmen des § 1 Abs. 2 KSchG gebotene Interessenabwägung zu Lasten der Beschwerdeführerin aus. Diese habe den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht ausreichend beachtet und den Kläger hierdurch in unzulässiger Weise benachteiligt. Nach den Feststellungen der Kammer habe die Beschwerdeführerin in der Vergangenheit zumindest zwei geschiedenen Chefärzten katholischer Konfession nach Wiederverheiratung nicht gekündigt. Dabei sei es unbeachtlich, dass einer der Fälle bereits 30 Jahre zurückliege und in dem anderen Fall die Kündigung nur unterblieben sei, weil die zweite Ehe des Arbeitnehmers erst einen Monat vor dessen altersbedingtem Ausscheiden aus dem Dienst bekannt geworden sei. Das Verhalten der Beschwerdeführerin zeige jedenfalls, dass sie in der Vergangenheit offenbar bereit gewesen sei, vergleichbare Verstöße unter bestimmten Umständen zu tolerieren.

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c) Zudem habe die Beschwerdeführerin ihr Kündigungsrecht verwirkt. Es sei ihr verwehrt, sich auf den Kündigungsgrund der ungültigen zweiten Ehe zu berufen, da sie jahrelang den gleichwertigen Kündigungsgrund des "Lebens in eheähnlicher Gemeinschaft" akzeptiert oder zumindest toleriert habe. Der Kläger habe in Anbetracht der Untätigkeit der Beschwerdeführerin über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren darauf vertrauen können, dass sein privates Verhalten zu keinerlei arbeitsrechtlichen Sanktionen mehr führen und die Beschwerdeführerin auf einen gleichwertigen Loyalitätsverstoß ("ungültige Ehe") ebenfalls nicht mit einer Kündigung reagieren werde.

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5. Die Revision der Beschwerdeführerin zum Bundesarbeitsgericht wies dieses durch Urteil vom 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - zurück.

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a) Entgegen der Auffassung des Klägers dürfte das Kündigungsrecht der Beschwerdeführerin nicht verwirkt sein, da eine Kündigung mit "illoyaler" Verspätung nicht vorliege. Die Beschwerdeführerin habe nach Kenntnis von der Wiederverheiratung noch das in der Grundordnung vorgesehene Beratungsgespräch mit dem Kläger durchführen und verschiedene Gremien (Aufsichtsrat, Generalvikariat) beteiligen müssen. Es sei nicht zu beanstanden, dass sie angesichts der weitreichenden Folgen dabei umsichtig und ohne Hast vorgegangen sei. Letztlich komme es auf eine etwaige Verwirkung des Kündigungsrechts indes nicht an. Die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

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b) Der Kläger habe allerdings durch die Wiederverheiratung gegen seine Loyalitätsobliegenheit aus dem Arbeitsvertrag (§ 10 Abs. 4 Nr. 2) und gegen die darin in Bezug genommene Grundordnung (Art. 5 Abs. 2 GrO) verstoßen.

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Das Verlangen der Beschwerdeführerin nach Einhaltung der Vorschriften der katholischen Glaubens- und Sittenlehre stehe im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Zwar könne sich der Kläger auf das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) sowie auf den Schutz der Ehe (Art. 6 Abs. 1 GG) berufen, die auch die Freiheit umfassten, eine zweite Ehe nach staatlichem Recht einzugehen. Dabei stehe die private Lebensgestaltung in der Regel außerhalb der Einflusssphäre des Arbeitgebers und werde durch arbeitsvertragliche Pflichten nur insoweit eingeschränkt, wie sich das private Verhalten auf den betrieblichen Bereich auswirke und dort zu Störungen führe. Diese Grundrechte könnten jedoch zu Gunsten des ebenfalls verfassungsrechtlich verbürgten kirchlichen Selbstbestimmungsrechts (Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV) eingeschränkt werden, auf das sich die Beschwerdeführerin als der Kirche zugeordnete karitative Einrichtung berufen könne. Die Festlegung bestimmter Loyalitätsanforderungen in einem Arbeitsvertrag durch den kirchlichen Arbeitgeber stelle eine Ausübung des "verfassungskräftigen" Selbstbestimmungsrechts dar. Die Frage, welche kirchlichen Grundverpflichtungen als Gegenstand des Arbeitsverhältnisses bedeutsam sein können, richte sich nach den von der verfassten Kirche anerkannten Maßstäben, die verbindlich bestimmen könnten, welche Schwere einzelnen Loyalitätsverstößen zukomme und ob innerhalb der im kirchlichen Dienst tätigen Mitarbeiter eine Abstufung der Loyalitätsanforderungen stattfinde. Die Arbeitsgerichte hätten die vorgegebenen kirchlichen Maßstäbe für die Bewertung einzelner Loyalitätsanforderungen zugrunde zu legen, soweit die Verfassung das Recht der Kirche anerkenne, hierüber selbst zu befinden.

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Durch die Eingehung seiner zweiten Ehe habe der Kläger den Grundsatz der Unauflöslichkeit der Ehe verletzt. Dieser zähle zu den wesentlichen Grundsätzen der katholischen Glaubens- und Sittenlehre. Für "leitend tätige" Mitarbeiter scheide nach der maßgeblichen kirchlichen Vorgabe (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GrO) eine Weiterbeschäftigung in diesem Falle aus.

31

c) Die nach § 1 Abs. 2 KSchG gebotene Abwägung der beiderseitigen Interessen führe jedoch zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführerin die Fortführung des Arbeitsverhältnisses zumutbar sei.

32

aa) Zu ihren Gunsten wiege die unverkennbare Schwere des Loyalitätsverstoßes. Die Beschwerdeführerin habe als katholische Einrichtung das vom Grundgesetz gestützte Recht, auch als solche zu wirken und in Erscheinung zu treten. Sie verstehe ihr karitatives Tun im Sinne der Erfüllung eines religiösen Auftrages. Nach der katholischen Sittenlehre sei die Unauflöslichkeit der Ehe Teil der umfassenden, nicht verfügbaren und einheitlichen Auffassung vom Menschen als Geschöpf Gottes. Dass sich Menschen aufgrund einer sie verbindenden religiösen Auffassung zusammenfänden und ihre Angelegenheiten nach Maßstäben ordnen könnten, die nicht vom Staat oder der jeweils herrschenden öffentlichen Meinung über die Natur des Menschen korrigiert werden dürften, werde auch durch Art. 9 und 11 EMRK geschützt.

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bb) In seinem Gewicht entscheidend geschwächt werde das Interesse der Beschwerdeführerin an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses jedoch durch drei Umstände, aus denen hervorgehe, dass sie selbst die Auffassung vertrete, einer ausnahmslosen Durchsetzung ihrer sittlichen Ansprüche zur Wahrung ihrer Glaubwürdigkeit nicht immer zu bedürfen.

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(1) So könne die Beschwerdeführerin erstens nach Art. 3 Abs. 2 GrO auch nichtkatholische Personen mit leitenden Tätigkeiten betrauen. Die Beschwerdeführerin sei insofern durch die Grundordnung nicht gezwungen, ihr "Wohl und Wehe" bedingungslos mit dem Lebenszeugnis ihrer leitenden Mitarbeiter für die katholische Sittenlehre zu verknüpfen.

35

(2) Durch diese Rechtslage sei es zweitens auch zu erklären, dass die Beschwerdeführerin mehrfach Chefärzte beschäftigt habe beziehungsweise noch beschäftige, die als Geschiedene erneut geheiratet hätten. Es handele sich hierbei überwiegend um nichtkatholische Arbeitnehmer und katholische Arbeitnehmer in besonderen Lebenslagen, denen gegenüber sie von vornherein nicht die strenge Befolgung der katholischen Glaubens- und Sittenlehre verlange. Hierin liege zwar - in Abweichung von der Einschätzung des Landesarbeitsgerichts - kein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Andererseits werde hierdurch aber deutlich, dass die Beschwerdeführerin das Ethos ihrer Organisation durch eine differenzierte Handhabung bei der Anwendung und Durchsetzung ihres legitimen Loyalitätsbedürfnisses selbst nicht zwingend gefährdet sehe.

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(3) Drittens habe die Beschwerdeführerin nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts den nach dem Vertrag der Parteien der Wiederverheiratung gleichwertigen Verstoß des ehelosen Zusammenlebens des Klägers seit Herbst 2006 gekannt und hingenommen. Dies zeige, dass sie selbst ihre moralische Glaubwürdigkeit nicht ausnahmslos bei jedem Loyalitätsverstoß als erschüttert betrachte.

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cc) Jedenfalls sei der Beschwerdeführerin die Weiterbeschäftigung des Klägers dann zumutbar, wenn dessen Belange gegen die ihren abgewogen würden. Zugunsten des Klägers falle sein durch Art. 8 und 12 EMRK geschützter Wunsch in die Waagschale, in einer bürgerlichen Ehe mit seiner jetzigen Frau zu leben. Freilich habe der Kläger als Katholik durch den Vertragsschluss mit der Beschwerdeführerin in die Einschränkung seines Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens eingewilligt; die Nichterfüllung seiner religiösen Pflichten geschehe jedoch nicht aus einer ablehnenden oder gleichgültigen Haltung heraus. Der Kläger habe seine ethischen Pflichten nicht in Abrede gestellt und sich zu keinem Zeitpunkt gegen die kirchliche Sittenlehre ausgesprochen oder ihre Geltung oder Zweckmäßigkeit in Zweifel gezogen. Im Gegenteil versuche er, den ihm nach kanonischem Recht verbliebenen Weg zur kirchenrechtlichen Legalisierung seiner Ehe zu beschreiten.

III.

38

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin Verletzungen von Art. 4 Abs. 2 GG und Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV.

39

1. Die Arbeitsgerichte hätten in ihren Entscheidungen die Tragweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts und des Rechts auf freie Religionsausübung verkannt.

40

a) Nach den Grundsätzen des deutschen Religionsverfassungs- und Staatskirchenrechts dürften staatliche Gerichte nicht bewerten, ob ein bestimmtes Verhalten tatsächlich von der jeweiligen Religion gefordert werde oder nicht. Allein die Kirchen selbst könnten bestimmen, was die jeweilige Glaubensüberzeugung gebiete. Umgekehrt dürfe dies von einem staatlichen Gericht auch nicht verlangt werden, da es anderenfalls seine religiöse Neutralität, die ebenfalls Verfassungsrang genieße, verlieren würde.

41

Entsprechend sei es nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juni 1985 (BVerfGE 70, 138 ff.) nicht Sache der staatlichen Arbeitsgerichte, sondern obliege im Rahmen ihres Selbstbestimmungsrechts allein der jeweiligen Kirche, aus ihren religiösen Überzeugungen heraus selbst festzulegen, welche Loyalitätserwartungen sie an ihre Mitarbeiter stelle, was die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung erfordere und welches Gewicht ein Loyalitätsverstoß habe. Die durch die Kirche insoweit verbindlich festgelegten Loyalitätsanforderungen und die Gewichtung von Verstößen hiergegen seien durch die staatlichen Gerichte nur darauf zu überprüfen, ob die Grundprinzipien der Rechtsordnung diesen entgegenstünden. Eine eigenständige Gewichtung der Loyalitätsverstöße sei ihnen jedoch verwehrt. Die von den Arbeitsgerichten vorzunehmende Abwägung habe sich folglich auf die der Kündigung entgegenstehenden Belange aus der Sphäre des jeweiligen Arbeitnehmers zu beschränken.

42

b) Die angegriffene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts werde diesen Anforderungen nicht gerecht. Das Revisionsurteil wiege im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht das Selbstbestimmungsrecht mit gegenläufigen Rechtspositionen des Arbeitnehmers ab, sondern bestimme - abweichend von den kirchenrechtlichen Maßstäben - selbst das Gewicht des Loyalitätsverstoßes und damit das Kündigungsinteresse der Kirche. Eine Abwägung mit den Interessen des Klägers finde nur oberflächlich am Ende des Urteils statt. Damit verstecke das Gericht hinter seiner Abwägungsentscheidung eine eigene Bewertung kirchenrechtlicher Maßstäbe, von denen es inhaltlich grundlegend abweiche.

43

aa) Eine unzulässige Abweichung von den kirchenrechtlichen Maßstäben liege zunächst darin, dass das Bundesarbeitsgericht als Ausgangspunkt des Abwägungsvorgangs darauf abstelle, ob durch das Verhalten des Klägers die Glaubwürdigkeit der Kirche in der Öffentlichkeit leide.

44

Schutzgut des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts und der Religionsfreiheit sei jedoch nicht vorrangig das Bild der Kirche in der Öffentlichkeit, sondern die religiöse Überzeugung und die Freiheit, nach dieser zu leben. Das Bild der Kirche in der Öffentlichkeit sei hiervon nur ein untergeordneter Teilaspekt. Entscheidend sei vielmehr, ob es mit den Zielen der Kirche vereinbar sei, wenn ein (leitender) Mitarbeiter erkennbar in Widerspruch zu den Überzeugungen und Lehren der Kirche lebe. Dies gefährde das Wesen der Dienstgemeinschaft, die Grund und Grenze der Besonderheiten der Zweckbestimmung des kirchlichen Dienstes darstelle. Daher wende sich die Kirche auch unabhängig von der Wahrnehmung in der Öffentlichkeit gegen Loyalitätsverstöße, weil diese ihr Wirken und die Integrität des kirchlichen Dienstes in Frage stellten.

45

bb) Zudem sei es unzulässig, in die Abwägung zugunsten des Klägers einzustellen, das Gewicht des Interesses der Beschwerdeführerin an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses werde entscheidend dadurch geschwächt, dass sie auch Nichtkatholiken in leitenden Positionen beschäftige und insofern offensichtlich nicht gezwungen sei, eine Führungsfunktion gleichsam bedingungslos mit dem Lebenszeugnis für die katholische Sittenlehre zu verknüpfen.

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Dies verkenne die kirchenrechtlichen Vorgaben der Grundordnung. Ob diese sachgerecht seien, dürfe das weltliche Gericht nicht hinterfragen. Entscheidend sei allein, dass die Kirche für die Mitarbeit an ihrem Sendungsauftrag nur Personen zulassen wolle, die sich mit ihren Zielen identifizieren könnten. Die Argumentation des Bundesarbeitsgerichts sei zudem in sich widersprüchlich. Einerseits erkenne es - rechtlich zutreffend - an, dass die Kirche gegenüber nichtkatholischen Mitarbeitern nicht dieselben Loyalitätserwartungen formulieren könne wie gegenüber Katholiken. Andererseits schließe es aus dieser Ungleichbehandlung, dass die römisch-katholische Kirche ihre Grundsätze nicht mehr ernst nehme.

47

cc) Ebenso sei es unzulässig, darauf abzustellen, dass die Beschwerdeführerin in anderen Fällen der Wiederverheiratung von (nichtkatholischen) Chefärzten nicht den Schritt der Kündigung gegangen sei.

48

Auch hier habe das Bundesarbeitsgericht die in Ausübung des Selbstbestimmungsrechts in den kirchengesetzlichen Regelungen angelegte Differenzierung zwischen Katholiken und Nichtkatholiken verkannt. Nur für den katholischen Mitarbeiter sei die Ehe ein Sakrament. Daher stelle sich bei diesem das Eingehen einer ungültigen Ehe als deutlich schwererer Loyalitätsverstoß dar. Indem das Bundesarbeitsgericht die Wiederverheiratung von katholischen und nichtkatholischen Mitarbeitern auf eine Ebene stelle, relativiere es die Einschätzung der Kirche über die Schwere der durch den Kläger begangenen Pflichtverletzung.

49

dd) Ferner setze sich das Bundesarbeitsgericht über kirchenrechtliche Maßstäbe hinweg, wenn es die Wiederheirat mit dem Leben in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gleichsetze.

50

Damit verkenne das Bundesarbeitsgericht, dass es sich bei der Wiederheirat um eine Pflichtverletzung von besonders schwerwiegender und endgültiger Qualität handele, die weit über das bloße ehelose Zusammenleben hinausgehe. Das Kirchenrecht unterscheide dies ausdrücklich, indem Art. 5 Abs. 2 GrO nur den Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe explizit als besonders schwerwiegenden Verstoß und eigenständigen Kündigungsgrund formuliere. Zwar entspreche auch die nichteheliche Lebensgemeinschaft außerhalb einer weiterbestehenden gültigen Ehe nicht dem Ethos der römisch-katholischen Kirche. Durch die Wiederheirat erreiche der Loyalitätsverstoß jedoch eine neue Qualität: Der Bruch mit der nach kirchlichem Recht weiterhin gültigen Ehe werde offiziell dokumentiert und perpetuiert. An diese, dem kirchlichen Selbstverständnis entspringende Unterscheidung sei auch das weltliche Gericht gebunden.

51

ee) Schließlich werde die Schwere des Loyalitätsverstoßes entgegen der Ansicht des Bundesarbeitsgerichts nicht dadurch gemindert, dass der Kläger des Ausgangsverfahrens sich nicht vom katholischen Glauben abgewendet habe.

52

Auch durch diesen Gesichtspunkt der Abwägungsentscheidung korrigiere das Gericht die kirchenrechtlich zutreffende Einschätzung, dass die Wiederheirat einen schweren Loyalitätsverstoß darstelle, nach seiner eigenen Einschätzung und stelle sich in die Position der Kirche. Hierzu sei es nicht befugt. Zudem verkenne es, dass schon der objektive Tatbestand der Wiederheirat einen Loyalitätsverstoß darstelle, ohne dass es auf eine innere Abkehr von den Werten der Kirche ankomme. Diese würde, läge sie vor, sogar einen zusätzlichen, von der Wiederheirat unabhängigen Loyalitätsverstoß darstellen. Dies mache auch die Systematik der Grundordnung deutlich, indem sie die Apostasie und Häresie sowie verschiedene Formen des öffentlichen Eintretens gegen tragende Grundsätze der Kirche als Loyalitätsverstöße definiere, die alternativ zur Wiederheirat eine Kündigung rechtfertigen könnten. Auch habe allein die Einleitung eines Annullierungsverfahrens nach kirchenrechtlichen Maßstäben keine rechtfertigende oder schuldmindernde Bedeutung.

53

c) Auf diesen Verstößen gegen Art. 4 Abs. 2 GG und Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV beruhe das Urteil. Jede der durch das Gericht vorgenommenen Gewichtungen sei schon für sich ein tragendes Element der Abwägungsentscheidung; spätestens in der Zusammenschau seien sie notwendige Bedingung für die Erfolglosigkeit der Revision der Beschwerdeführerin. Dies gelte umso mehr, als keine Abwägung im eigentlichen Sinne - also mit den Interessen des Klägers - stattfinde.

54

2. Eine andere Bewertung sei auch nicht vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte geboten.

55

a) Grundsätzlich seien die Europäische Menschenrechtskonvention und die hierzu ergangenen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zwar von den nationalen Gerichten so weit wie möglich bei der Rechtsanwendung zu berücksichtigen. Eine schematische Parallelisierung sei hingegen nicht erforderlich. Gerade im Bereich der Religionsfreiheit sei bei der Rezeption der Europäischen Menschenrechtskonvention in die innerstaatliche Rechtsordnung Augenmaß angebracht. Der Gerichtshof habe in seiner jüngeren Rechtsprechung wiederholt zu erkennen gegeben, dass er bereit sei, unterschiedliche Konzeptionen der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Regelung des Verhältnisses von Staat und Kirche zu akzeptieren. So habe der Gerichtshof in seinen Urteilen vom 6. Dezember 2011 (Baudler u.a. v. Deutschland) einen ausgeprägten Schutz des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts anerkannt und es als mit Art. 6 EMRK vereinbar angesehen, dass ein staatlicher Rechtsweg zur Überprüfung rein innerkirchlicher Angelegenheiten in Deutschland nicht bestehe.

56

Zudem sei zu berücksichtigen, dass es sich im vorliegenden Falle um ein mehrpoliges Grundrechtsverhältnis handele, bei dem ein "Mehr" an Freiheit für einen Grundrechtsträger zugleich ein "Weniger" für einen anderen bedeute. Diese Grundrechtskollision wirke als Rezeptionshemmnis, zumal auch die Menschenrechtskonvention selbst eine Einschränkung des Grundrechtsschutzes auf Grundlage ihrer Garantien verbiete (Art. 53 EMRK).

57

b) Aber auch die zum kirchlichen Arbeitsrecht ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte selbst erfordere keine Abkehr von den durch das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 4. Juni 1985 entwickelten Maßstäben.

58

aa) In der Entscheidung Obst v. Deutschland vom 23. September 2010 habe der Gerichtshof den Ansatz des deutschen Arbeitsrechts gebilligt, bei der Bewertung der Schwere des Loyalitätsverstoßes auf die Bedeutung ehelicher Treue für die den Arbeitnehmer kündigende Kirche abzustellen. Auch habe der Gerichtshof es als zulässig erachtet, dass die Kirchen gegenüber ihren Angestellten weitergehende Loyalitätspflichten als andere Arbeitgeber definieren würden.

59

bb) Gleiches gelte hinsichtlich der Entscheidung Siebenhaar v. Deutschland vom 3. Februar 2011.

60

cc) Schließlich stehe die Entscheidung Schüth v. Deutschland vom 23. September 2010 diesem Maßstab nicht entgegen, wenn auch der Gerichtshof im konkreten Einzelfall zur Konventionswidrigkeit der deutschen Gerichtsurteile gelangt sei. Der Gerichtshof habe lediglich die unzureichende Abwägung der Fachgerichte mit den Rechtspositionen des Arbeitnehmers beanstandet, die tatsächlich nur oberflächlich und ohne inhaltliche Konkretisierungen vorgenommen worden sei. Zudem sei der konkrete Abwägungsvorgang unzureichend dargelegt worden. Weitergehende Anforderungen an den Abwägungsprozess, etwa eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Loyalitätsanforderungen oder gar deren volle gerichtliche Kontrolle, seien durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte jedoch nicht aufgestellt worden.

IV.

61

1. Die Verfassungsbeschwerde wurde dem Bundesministerium der Justiz, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, dem Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, der Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, dem Kommissariat der deutschen Bischöfe, dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland, dem Zentralrat der Juden in Deutschland K.d.ö.R., dem Marburger Bund e.V. (Bundesverband) und dem Kläger des Ausgangsverfahrens zugestellt und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

62

a) Die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts verteidigt die angefochtene Revisionsentscheidung vom 8. September 2011. Der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts habe aus § 1 Abs. 2 KSchG in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung der übrigen Senate des Gerichts ein zweistufiges Prüfprogramm abgeleitet, nach dem eine Kündigung aus in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegenden Gründen im Anwendungsbereich des KSchG nur dann sozial gerechtfertigt sei, wenn der Arbeitnehmer für die vertraglich geschuldete Tätigkeit ungeeignet sei oder eine Vertragspflicht erheblich verletzt habe (erste Stufe) und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheine (zweite Stufe).

63

Auf beiden Stufen habe der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts in Übereinstimmung mit den verfassungsgerichtlichen Vorgaben und unter Orientierung an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte das kirchliche Selbstbestimmungsrecht angemessen berücksichtigt. Dies gelte auch für die Abwägungsentscheidung, in die das Selbstbestimmungsrecht als abwägungserheblicher Belang eingestellt worden sei. Diese Vorgehensweise erlaube differenzierte Abwägungsergebnisse, die im konkreten Einzelfall zu Lasten der Beschwerdeführerin erfolgt seien. Dies zeige auch der Vergleich zur Entscheidung vom 25. April 2013 (- 2 AZR 579/12 - NZA 2013, S. 1131 ff.), in der der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts im Falle des Kirchenaustritts festgestellt habe, dass die Kündigung eines im verkündigungsnahen Bereich eingesetzten kirchlichen Arbeitnehmers gerechtfertigt gewesen sei. In diesem Einzelfall habe die Abwägung dazu geführt, dass die Glaubens- und Gewissensfreiheit des kirchlichen Arbeitnehmers sowie dessen Beschäftigungsdauer und Lebensalter hinter das Selbstbestimmungsrecht des kirchlichen Arbeitgebers zurückzutreten habe, weil der gekündigte Arbeitnehmer nicht nur in einzelnen Punkten kirchlichen Loyalitätsanforderungen nicht mehr gerecht geworden sei, sondern sich durch den Austritt insgesamt von der kirchlichen Glaubensgemeinschaft losgesagt habe.

64

b) Der gemäß § 94 Abs. 3 BVerfGG am Verfahren beteiligte Kläger des Ausgangsverfahrens ist der Auffassung, dass der Verfassungsbeschwerde kein Erfolg zu bescheiden sei.

65

Es genüge zur Wahrung der geschützten Verfassungsrechtspositionen des Arbeitnehmers nicht, nur bei einem Widerspruch zu den Grundprinzipien der Rechtsordnung eine Einschränkung der kirchlichen Autonomie zuzulassen und dementsprechend bei der im Kündigungsschutzprozess vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Interessen die autonom von den Kirchen bestimmte Gewichtung der Loyalitätspflichten zu betonen. Vielmehr müssten sich die kirchliche Autonomie und speziell die ihren Arbeitnehmern abverlangten Loyalitätspflichten von vornherein eine Kontrastierung mit den entgegenstehenden Grundrechten der kirchlichen Arbeitnehmer gefallen lassen, die durch Gewichtung der auf dem Spiel stehenden Verfassungsrechtsgüter, durch Berücksichtigung ihrer Wechselwirkung und schließlich durch Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit dem Ziel der Herstellung praktischer Konkordanz zu erfolgen habe. Soweit zur kirchlichen Autonomie auch die Befugnis gehöre, verbindlich zu bestimmen, welches die wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre seien, was als (schwerer) Verstoß gegen diese anzusehen sei, sowie ob und wie innerhalb der im kirchlichen Dienst tätigen Mitarbeiter eine Abstufung der Loyalitätspflichten eingreifen solle, bedürfe dies mit Blick auf kollidierendes Verfassungsrecht einer Relativierung, wenn es - wie in diesem Fall - nicht um Arbeitsrechtsverhältnisse gehe, die in spezifischer Weise durch den religiösen Auftrag und Glauben geprägt seien. Je mehr das jeweilige Arbeitsverhältnis durch den religiösen Auftrag und Glauben geprägt sei und, umgekehrt, je weniger sich das jeweilige Arbeitsverhältnis von vergleichbaren beruflichen Tätigkeiten bei nicht-kirchlichen Arbeitgebern unterscheide, könne sich die kirchliche Autonomie mehr oder weniger gegenüber Grundrechtspositionen des kirchlichen Arbeitnehmers durchsetzen.

66

Allein aus seiner leitenden Stellung könnten hinsichtlich der persönlichen Pflicht zur Identifikation mit der katholischen Glaubens- oder Sittenlehre nicht die gleichen Anforderungen gestellt werden wie an diejenigen Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnisse einen spezifisch religiösen Bezug aufwiesen. Andernfalls würden eine unverhältnismäßige Begünstigung der Selbstgesetzlichkeit der Kirche und eine nicht zu rechtfertigende Relativierung des staatlichen Schutzes von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG begründet. Schließlich könne bei der Interessenabwägung nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich die römisch-katholische Kirche zunehmend den Wiederverheirateten öffne und auch die Eucharistie für diese Gruppe nicht mehr ausschließe.

67

c) Für die römisch-katholische Kirche hat das Kommissariat der deutschen Bischöfe eine Stellungnahme des Direktors des Instituts für Staatskirchenrecht der Diözesen Deutschlands, Prof. Dr. Ansgar Hense, vorgelegt und sich inhaltlich zu Eigen gemacht. Dieser schließt sich den Ausführungen der Beschwerdeführerin im Ergebnis an und vertieft ihre Argumentation.

68

Die Verfassung gewährleiste nicht nur das karitative Wirken der Kirchen als eine ihrer Lebens- und Wesensäußerungen, sondern auch die grundsätzlich autonome Ausgestaltung der kircheneigenen Angelegenheiten im Rahmen der für alle geltenden Gesetze. Die Verwirklichung des Religiösen beschränke sich dabei nicht nur auf eine bloß spirituelle, liturgische Seite, sondern erstrecke sich gleichermaßen auf den religiösen Dienst in und an der Welt und umfasse auch die organisatorischen Voraussetzungen, die nach dem jeweiligen kirchlichen Selbstverständnis erforderlich seien, um diesen religiösen Dienst erfüllen zu können. Weder objektive noch gesellschaftlich vorherrschende Maßstäbe dürften diese definieren, da das kirchliche Selbstbestimmungsrecht gerade die Abwehr solch fremdbestimmter Vorgänge verfassungsrechtlich verbürge. Aus diesem Grund werde das staatliche Individualarbeitsrecht partiell modifiziert. Im Rahmen des Willkürverbots, der guten Sitten und des ordre public sei es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausschließlich den Kirchen überlassen, die konkreten Loyalitätspflichten festzulegen, die nach dem jeweiligen Selbstverständnis erforderlich seien, und diese auch nach ihrer Bedeutung für das kirchliche Selbstverständnis zu gewichten. Dies beinhalte auch das Recht, darüber zu entscheiden, ob und - bejahendenfalls - welche Abstufungen der Loyalitätspflichten vorgenommen werden sollten. In der römisch-katholischen Kirche sei dies in Gestalt der Grundordnung geschehen. Bei der konkreten Abwägung durch die weltlichen Gerichte im Rahmen des Kündigungsschutzrechts werde die kirchliche Bewertung des Loyalitätsverstoßes nicht zur quantité négligeable, sondern sei die maßgebliche Richtschnur für die Bewertung. Mit diesen Grundsätzen stehe die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 8. September 2011 nicht in Einklang, weil das Gericht eine eigene Bewertung kirchlicher Maßstäbe vornehme und es letzten Endes unterlasse, einen Abwägungsprozess lege artis durchzuführen.

69

d) Der Zentralrat der Juden in Deutschland K.d.ö.R. schließt sich ebenfalls den Ausführungen der Beschwerdeführerin an. Er betont, dass seine Situation zwar nicht mit den Organisationsstrukturen der Großkirchen verglichen werden könne. Dennoch seien die in der täglichen Arbeit auftretenden Fragen im Judentum vergleichbar.

70

Die verfassungsrechtliche Absicherung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts resultiere auch aus dem Erfordernis, eine uneingeschränkte Religionsausübung im Sinne des Grundgesetzes zu gewährleisten. Dies sei aber nur möglich, wenn Religionsgemeinschaften gerade im arbeitsrechtlichen Bereich frei darin seien, ihre eigenen religiösen Regeln als Grundvoraussetzung für ein Arbeitsverhältnis vorzugeben. Diese religiösen Regeln könnten höchst unterschiedlich ausgestaltet sein, seien jedoch im Rahmen der Religionsfreiheit durch die staatlichen Stellen zu akzeptieren, solange gültige Gesetze nicht verletzt und Menschen anderer Religionszugehörigkeit nicht betroffen seien. Jeder Mitarbeiter, der sich unmittelbar bei einer Religionsgemeinschaft oder einer von dieser getragenen Einrichtung bewerbe, wisse darum, dass die Religionsgemeinschaft eigene religiöse Regeln habe, zu deren Einhaltung er verpflichtet sei. Gehöre ein Bewerber darüber hinaus noch der betreffenden Religionsgemeinschaft an, sei es ihm umso mehr bewusst, dass er mit Eingehung des Beschäftigungsverhältnisses zusätzliche Loyalitätsverpflichtungen übernehme.

71

Im Falle der jüdischen Gemeinschaften in Deutschland sei daher Grundlage der arbeitsvertraglichen Bindungen, die jüdische Religion und Kultur in Deutschland zu leben und zu fördern sowie sozial bedürftige Juden in allen Bereichen zu unterstützen. Dabei seien die religiösen Erfordernisse schon bei Abschluss des Beschäftigungsverhältnisses zu berücksichtigen, da nur auf diese Weise gewährleistet werden könne, dass jeder Mitarbeiter in seinem Aufgabenbereich in die religiöse Dimension der jüdischen Gemeinschaft eingebunden sei. Die Bereitschaft hierzu sei ein wesentliches Kriterium für die Mitarbeiterauswahl und werde bei Abschluss von Beschäftigungsverhältnissen vorrangig berücksichtigt. Für eine fruchtbare Zusammenarbeit innerhalb der Religionsgemeinschaft sei es unverzichtbar, dass alle Mitarbeiter - insbesondere die jüdischen - sich des höheren Zwecks und des allgemeinen religiösen Zusammenhangs ihrer Tätigkeit bewusst seien.

72

e) Der Marburger Bund e.V. (Bundesverband) erachtet die Verfassungsbeschwerde im Ergebnis für aussichtslos.

73

aa) Er tritt allgemein der Privilegierung kirchlicher Einrichtungen entgegen. Einrichtungen der Caritas oder Diakonie, die wie die Beschwerdeführerin in marktüblicher Weise in der Gesundheitswirtschaft agierten, dürften keine kirchlichen Sonderrechte in Anspruch nehmen. Wenn die Beschwerdeführerin die Richtungsentscheidung getroffen habe, am Wirtschaftsleben teilzunehmen, müsse sie sich unbeschadet ihrer Motivlage an denselben Maßstäben messen lassen, die auch für vergleichbare Klinikträger Geltung beanspruchten. Die unter Berufung auf die Loyalitätsobliegenheiten in Anspruch genommene Möglichkeit, die Maßstäbe für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses selbst festzulegen und durch Berufung auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht der Überprüfung durch weltliche Gerichte im Einzelfall zu entziehen, führe zu "strukturellen Defiziten" und erheblichen arbeitsmarktlichen Verwerfungen.

74

Gerade der Vergleich zu dem kollektivrechtlichen Arbeitsrechtsregelungsmechanismus belege die Widersprüchlichkeit des Handelns kirchlich getragener Einrichtungen. Während auf dem Dritten Weg vereinbarte Arbeitsbedingungen nach dem Willen der kirchlichen Einrichtungen durch Einbeziehung in die jeweiligen Arbeitsverträge für die Gesamtheit der Dienstgemeinschaft Geltung beanspruchen könnten, erachteten sie es im Gegensatz hierzu jedoch für zulässig, hinsichtlich der individualarbeitsrechtlich festgesetzten Loyalitätsobliegenheiten nach Konfession zu unterscheiden und an katholische Mitarbeiter strengere Loyalitätsanforderungen zu stellen. Für eine derartige Differenzierung bestehe nach weltlichen Maßstäben keine Rechtfertigung. Zudem liege gerade im Falle der Beschwerdeführerin ein faktischer Sanktionsverzicht durch ihr vorangegangenes Verhalten vor. Es sei anzunehmen, dass ein in der Vergangenheit "in allen Fällen generell geduldetes Verhalten" - hier die Wiederheirat - unbeschadet seiner grundsätzlichen kanonischen Wertung zu einem gewissen liberalen Verständnis bei Betroffenen und Dritten und der Erwartung entsprechenden Umgangs mit zukünftigen gleichartigen Sachverhalten geführt habe.

75

bb) Das Bundesarbeitsgericht habe mit seiner Entscheidung nicht die Reichweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts verkannt. Die Einschätzung der Beschwerdeführerin, die Sachgerechtigkeit einer aus dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht folgenden Wertentscheidung unterliege nicht der Beurteilung durch das jeweils erkennende Gericht, lasse ein in Anbetracht der kanonischen Rechtstradition zwar nachvollziehbares, in der Sache jedoch unzutreffendes Verständnis des grundgesetzlich geschützten Rechtsschutzinteresses erkennen. Um sicherzustellen, dass die betroffene Kündigungsentscheidung nicht auf willkürlicher Grundlage zustande gekommen sei, stelle sich die Inbezugnahme zum grundlegenden moralischen Regelwerk der kirchlichen Einrichtung und ihrem bisherigen Verhalten in vergleichbar gelagerten Fällen als unumgänglich dar. Dies gelte umso mehr, als es die Beschwerdeführerin selbst in der Hand habe, bestimmte arbeitsrechtliche Sanktionen ohne Ermessensspielräume als zwingende Folge eines Fehlverhaltens des Arbeitnehmers zu definieren und auszugestalten. Schon aus diesem Grund müssten die weltlichen Gerichte ermächtigt sein, die Stringenz und Konsistenz des bisherigen Verhaltens einer kirchlichen Einrichtung in vergleichbaren Fällen in ihre Betrachtungen einzustellen. Anderenfalls beschränke sich der gerichtliche Entscheidungsspielraum auf eine rein formale Überprüfung, die weder den Anforderungen des deutschen Kündigungsschutzrechts noch den europa- und völkerrechtlichen Vorgaben gerecht werde.

76

f) Die übrigen Äußerungsberechtigten und sachverständigen Dritten haben von einer Stellungnahme abgesehen.

77

2. Die Beschwerdeführerin und der Kläger des Ausgangsverfahrens haben von der Möglichkeit zur weiteren Äußerung nach Kenntnis der eingegangenen Stellungnahmen Gebrauch gemacht. Sie bekräftigen ihre jeweiligen Auffassungen und vertiefen ihren Vortrag. Nach Mitteilung der Beschwerdeführerin ist das durch den Kläger des Ausgangsverfahrens angestrengte kirchengerichtliche Verfahren zur Annullierung seiner ersten Ehe in zwei Instanzen erfolglos geblieben. Der Kläger des Ausgangsverfahrens hat hierzu keine weiteren Angaben gemacht.

78

3. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Senat bei der Entscheidungsfindung vorgelegen.

B.

79

Die Verfassungsbeschwerde ist nur zulässig, soweit sie sich gegen das Urteil des Bundesarbeitsgerichts wendet. Im Übrigen genügt ihre Begründung nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG), da sie sich ausschließlich mit der Revisionsentscheidung, nicht jedoch mit den Entscheidungen des Arbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts auseinandersetzt.

C.

80

Soweit sie zulässig ist, ist die Verfassungsbeschwerde begründet.

I.

81

Umfang und Grenzen der Auferlegung von Loyalitätsobliegenheiten kirchlicher Arbeitnehmer in mit der Kirche verbundenen Organisationen und Einrichtungen und deren Überprüfung durch die staatlichen Arbeitsgerichte bestimmen sich nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 (Weimarer Reichsverfassung, WRV) und der korporativen Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG (1.). Die staatlichen Gerichte haben auf einer ersten Prüfungsstufe zunächst im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle auf der Grundlage des glaubensdefinierten Selbstverständnisses der verfassten Kirche zu überprüfen, ob eine Organisation oder Einrichtung an der Verwirklichung des kirchlichen Grundauftrags teilhat, ob eine bestimmte Loyalitätsobliegenheit Ausdruck eines kirchlichen Glaubenssatzes ist und welches Gewicht dieser Loyalitätsobliegenheit und einem Verstoß hiergegen nach dem kirchlichen Selbstverständnis zukommt (2.a.). Auf einer zweiten Prüfungsstufe ist sodann unter dem Gesichtspunkt der Schranken des "für alle geltenden Gesetzes" eine Gesamtabwägung vorzunehmen, in der die - im Lichte des Selbstbestimmungsrechts der Kirchen verstandenen - kirchlichen Belange und die korporative Religionsfreiheit mit den Grundrechten der betroffenen Arbeitnehmer und deren in den allgemeinen arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen enthaltenen Interessen auszugleichen sind. Die widerstreitenden Rechtspositionen sind dabei jeweils in möglichst hohem Maße zu verwirklichen (2.b.). Ob die Arbeitsgerichte den Einfluss der Grundrechte ausreichend beachtet haben, unterliegt gegebenenfalls der Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht. Für den Fall, dass Grundrechtsbestimmungen unmittelbar ausgelegt und angewandt werden, hat es dabei Reichweite und Grenzen der Grundrechte zu bestimmen und festzustellen, ob Grundrechte und Verfassungsbestimmungen ihrem Umfang und Gewicht nach in verfassungsrechtlich zutreffender Weise berücksichtigt worden sind (3.). Die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte geben insoweit keinen Anlass zu Modifikationen der Auslegung des Verfassungsrechts (4.).

82

1. Die Grundentscheidung der Verfassung für ein freiheitliches Religions- und Staatskirchenrecht wird durch Verfassungsgewährleistungen sichergestellt, deren inhaltliche Schutzbereiche sich teilweise überschneiden und hierdurch wechselseitig ergänzen. In ihrer Zusammenschau sind sie unterschiedliche Akzentuierungen derselben verfassungsrechtlich gewährten Freiheit (vgl. Isensee, in: Festschrift für Klaus Obermayer, 1986, S. 203 <205>).

83

a) Die durch Art. 140 GG inkorporierten Artikel der Weimarer Reichsverfassung sind vollgültiges Verfassungsrecht und von gleicher Normqualität wie die sonstigen Verfassungsbestimmungen (vgl. BVerfGE 19, 206 <219>; 19, 226 <236>; 111, 10 <50>). Sie sind - mit Selbststand gegenüber der korporativen Religionsfreiheit des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG - untrennbarer Bestandteil des Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes, welches das für eine freiheitliche Demokratie wesentliche Grundrecht der Religionsfreiheit ohne Gesetzesvorbehalt in den Katalog der Grundrechte übernommen und es so gegenüber der Weimarer Reichsverfassung erheblich gestärkt hat (vgl. BVerfGE 102, 370 <387 m.w.N.>). Beide Gewährleistungen bilden ein organisches Ganzes (vgl. BVerfGE 70, 138 <167>; 125, 39 <80>; Listl, in: ders./Pirson , Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 1994, § 14 S. 439 <444 f.>), wobei Art. 4 Abs. 1 und 2 GG den leitenden Bezugspunkt des deutschen staatskirchenrechtlichen Systems darstellt (vgl. BVerfGE 102, 370 <393>).

84

Zwischen der Glaubensfreiheit und den inkorporierten Normen der Weimarer Reichsverfassung besteht eine interpretatorische Wechselwirkung (vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/2, 1. Aufl. 2011, § 119, S. 1167). Die Weimarer Kirchenartikel sind einerseits funktional auf die Inanspruchnahme und Verwirklichung des Grundrechts der Religionsfreiheit angelegt (vgl. BVerfGE 42, 312 <322>; 102, 370 <387>; 125, 39 <74 f., 80>) und in dessen Lichte auszulegen, da sie das Grundverhältnis zwischen Staat und Kirche regeln (Art. 137 Abs. 1 WRV). Sie enthalten in Gestalt des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts (Art. 137 Abs. 3 WRV) und verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkte zu den Grundsätzen der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates und der Parität der Religionen und Bekenntnisse (vgl. BVerfGE 102, 370 <390, 393 f.>) die Grundprinzipien des staatskirchenrechtlichen Systems des Grundgesetzes. Andererseits wird der Gewährleistungsgehalt des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG durch Art. 140 GG in Verbindung mit den inkorporierten Artikeln der Weimarer Reichsverfassung institutionell konkretisiert und ergänzt (BVerfGE 99, 100<119>, vgl. auch BVerfGE 33, 23 <30 f.>; 42, 312 <322>; 83, 341 <354 f.>; 125, 39 <77 f.>; vgl. auch Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/2, 1. Aufl. 2011, § 119, S. 1167). Die Weimarer Kirchenartikel sind also auch ein Mittel zur Entfaltung der Religionsfreiheit der korporierten Religionsgesellschaften (vgl. BVerfGE 125, 39 <79>; vgl. auch BVerfGE 102, 370 <387>, zu Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV und BVerfGE 99, 100<119 ff.>, zu Art. 138 Abs. 2 WRV).

85

Soweit sich die Schutzbereiche der inkorporierten statusrechtlichen Artikel der WRV und der korporativen Religionsfreiheit des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG überlagern (vgl. BVerfGE 42, 312 <322>; 66, 1 <22>; zu verbleibenden Unterschieden etwa von Campenhausen, HStR VII, 3. Aufl. 2009, § 157, Rn. 125 m.w.N.), geht Art. 137 Abs. 3 WRV als speziellere Norm Art. 4 Abs. 1 und 2 GG insoweit vor, als er das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften der Schranke des für alle geltenden Gesetzes unterwirft (zur sog. Schrankenspezialität in diesem Fall s. Morlok, in: Dreier , GG, 3. Aufl. 2013, Art. 4, Rn. 109). Bei dem Ausgleich der gegenläufigen Interessen ist aber dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Art. 4 Abs. 1 und 2 GG die korporative Religionsfreiheit vorbehaltlos gewährleistet und insofern dem Selbstbestimmungsrecht und dem Selbstverständnis der Religionsgesellschaften besonderes Gewicht zuzumessen ist.

86

b) Aus Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 136 Abs. 1 und 4, 137 Abs. 1 WRV, Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 3 Abs. 3 Satz 1 und Art. 33 Abs. 2 GG folgt eine Pflicht des Staates zur weltanschaulich-religiösen Neutralität, die Grundlage des modernen, freiheitlichen Staates ist. In einem Staat, in dem Anhänger unterschiedlicher religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen zusammenleben, kann die friedliche Koexistenz nur gelingen, wenn der Staat selbst in Glaubens- und Welt-anschauungsfragen Neutralität bewahrt (vgl. BVerfGE 93, 1 <16 f.>; vgl. auch BVerfGE 102, 370 <383>; 105, 279 <294>).

87

Die Pflicht zur staatlichen Neutralität in weltanschaulich-religiösen Fragen ist jedoch nicht im Sinne eines Gebots kritischer Distanz gegenüber der Religion zu verstehen (vgl. Unruh, Religionsverfassungsrecht, 2. Aufl. 2012, § 4 Rn. 90) und darf auch mit religiöser und weltanschaulicher Indifferenz nicht gleichgesetzt werden (vgl. von Campenhausen, in: Listl/Pirson , Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 1994, § 2, S. 47 <78>). Das Verhältnis zwischen Kirchen und Staat ist vielmehr gekennzeichnet durch wechselseitige Zugewandtheit und Kooperation (vgl. BVerfGE 42, 312 <330>) und ist weniger im Sinne einer strikten Trennung, sondern eher im Sinne einer Zuordnung und Zusammenarbeit von Staat und Kirchen auf der Basis grundrechtlicher Freiheit zu verstehen.

88

Über ihre Funktion als Beeinflussungsverbot (vgl. BVerfGE 93, 1 <16 f.>; 108, 282 <300>) und als Identifikationsverbot (vgl. BVerfGE 19, 206 <216>; 24, 236 <246>; 30, 415 <422>; 33, 23 <28>; 93, 1 <16 f.>; 108, 282 <299 f.>; 123, 148 <178>) hinaus verwehrt es die Pflicht zur weltanschaulichen Neutralität dem Staat auch, Glauben und Lehre einer Kirche oder Religionsgemeinschaft als solche zu bewerten (vgl. BVerfGE 33, 23 <29>; 108, 282 <300>). Die individuelle und korporative Freiheit, das eigene Verhalten an den Lehren des Glaubens auszurichten und innerer Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln, würde entleert, wenn der Staat bei hoheitlichen Maßnahmen uneingeschränkt seine eigene Wertung zu Inhalt und Bedeutung eines Glaubenssatzes an die Stelle derjenigen der verfassten Kirche setzen und seine Entscheidungen auf dieser Grundlage treffen könnte.

89

Jede Auseinandersetzung staatlicher Stellen mit Zielen und Aktivitäten einer Kirche oder Religionsgemeinschaft muss dieses Gebot religiös-weltanschaulicher Neutralität wahren (vgl. BVerfGE 105, 279 <294>). Die Regelung genuin religiöser oder weltanschaulicher Fragen, die parteiergreifende Einmischung in die Überzeugungen, Handlungen und die Darstellung Einzelner oder religiöser und weltanschaulicher Gemeinschaften sind dem Staat mangels Einsicht und geeigneter Kriterien untersagt (vgl. BVerfGE 12, 1 <4>; 41, 65 <84>; 72, 278 <294>; 74, 244 <255>; 93, 1 <16>; 102, 370 <394>; 108, 279 <300>). Fragen der Lehre, der Religion und des kirchlichen Selbstverständnisses gehen den Staat grundsätzlich nichts an. Er ist vielmehr verpflichtet, auf die Grundsätze der Kirchen und Religionsgemeinschaften Rücksicht zu nehmen und keinen eigenen Standpunkt in der Sache des Glaubens zu formulieren (von Campenhausen, in: Listl/Pirson , Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 1994, § 2, S. 47 <78>). Die Eigenständigkeit der kirchlichen Rechtsordnung hat er zu respektieren.

90

c) Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht ist in Art. 137 Abs. 3 WRV besonders hervorgehoben. Danach ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Diese Garantie erweist sich als notwendige, rechtlich selbständige Gewährleistung, die der Freiheit des religiösen Lebens und Wirkens der Kirchen und Religionsgemeinschaften die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben unerlässliche Freiheit der Bestimmung über Organisation, Normsetzung und Verwaltung hin-zufügt (vgl. BVerfGE 53, 366 <401>). Sie gilt für Kirchen und sonstige Religions-gesellschaften unabhängig von ihrem rechtlichen Status (vgl. auch Art. 137 Abs. 7 WRV).

91

aa) Träger des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts sind nicht nur die Kirchen selbst entsprechend ihrer rechtlichen Verfasstheit, sondern alle ihr in bestimmter Weise zugeordneten Institutionen, Gesellschaften, Organisationen und Einrichtungen, wenn und soweit sie nach dem glaubensdefinierten Selbstverständnis der Kirchen (zur Berücksichtigung von Selbstverständnissen als Mittel zur Sicherung der Menschenwürde und der Freiheitsrechte, vgl. Morlok, Selbstverständnis als Rechtskriterium, 1993, S. 282 <293 ff.> und S. 426 <431 ff.>) ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, Auftrag und Sendung der Kirchen wahrzunehmen und zu erfüllen (vgl. BVerfGE 46, 73 <85 ff.>; 53, 366 <391>; 57, 220 <242>; 70, 138 <162>).

92

(1) Der Schutz des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts bezieht sich dabei nicht nur auf die der Kirche zugeordnete Organisation im Sinne einer juristischen Person, sondern erstreckt sich auch auf die von dieser Organisation getragenen Einrichtungen, also auf die Funktionseinheit, durch die der kirchliche Auftrag seine Wirkung entfalten soll (vgl. BVerfGE 53, 366 <398 f.>). Dies gilt unbeschadet der Rechtsform der einzelnen Einrichtung auch dann, wenn der kirchliche Träger sich privatrechtlicher Organisationsformen bedient (vgl. BVerfGE 46, 73 <85 ff.>; 53, 366 <391>; 57, 220 <242>; 70, 138 <162>). Die durch das Grundgesetz gewährleistete Freiheit der Kirche vom Staat schließt ein, dass sie sich zur Erfüllung ihres Auftrags grundsätzlich auch der Organisationsformen des staatlichen Rechts bedienen kann, ohne dass dadurch die Zugehörigkeit der auf einer entsprechen- den Rechtsgrundlage gegründeten Einrichtung zur Kirche aufgehoben wird (vgl. BVerfGE 57, 220 <243>).

93

(2) Nicht jede Organisation oder Einrichtung, die in Verbindung zur Kirche steht, unterfällt indes dem Privileg der Selbstbestimmung. Voraussetzung einer wirksamen Zuordnung ist vielmehr, dass die Organisation oder Einrichtung teilnimmt an der Verwirklichung des Auftrages der Kirche, im Einklang mit dem Bekenntnis der verfassten Kirche steht und mit ihren Amtsträgern und Organwaltern in besonderer Weise verbunden ist (BVerfGE 46, 73 <87>; 70, 138 <163 ff.>).

94

Von daher ist für eine sich auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht (Art. 4 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 WRV) berufende Organisation oder Einrichtung unabdingbar, dass die religiöse Zielsetzung das bestimmende Element ihrer Tätigkeit ist. Ganz überwiegend der Gewinnerzielung dienende Organisationen und Einrichtungen können demgegenüber das Privileg der Selbstbestimmung nicht in Anspruch nehmen, da bei ihnen der enge Konnex zum glaubensdefinierten Selbstverständnis aufgehoben ist. Dies gilt vor allem für Einrichtungen, die wie andere Wirtschaftssubjekte auch am marktwirtschaftlichen Geschehen teilnehmen und bei welchen der durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützte religiöse Auftrag der Kirche oder Religionsgemeinschaft in der Gesamtschau der Tätigkeiten gegenüber anderen - vorwiegend gewinnorientierten - Erwägungen erkennbar in den Hintergrund tritt.

95

bb) Das Selbstbestimmungsrecht umfasst alle Maßnahmen, die der Sicherstellung der religiösen Dimension des Wirkens im Sinne kirchlichen Selbstverständnisses (vgl. BVerfGE 70, 138 <164> unter Bezugnahme auf BVerfGE 24, 236 <249>; 53, 366 <399>; 57, 220 <243>; vgl. auch BVerfGE 99, 100 <125>) und der Wahrung der unmittelbaren Beziehung der Tätigkeit zum kirchlichen Grundauftrag dienen (vgl. BVerfGE 53, 366 <399>). Unter die Freiheit des "Ordnens" und "Verwaltens" fällt dementsprechend auch die rechtliche Vorsorge für die Wahrnehmung kirchlicher Dienste durch den Abschluss entsprechender Arbeitsverträge (vgl. BVerfGE 70, 138 <165>; BVerfGK 12, 308 <330>; vgl. auch: Isensee, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 2, 2. Aufl. 1995, § 59, S. 665 <730>).

96

Der Staat erkennt die Kirchen in diesem Sinne als Institutionen mit dem originären Recht der Selbstbestimmung an, die ihrem Wesen nach unabhängig vom Staat sind und ihre Gewalt nicht von ihm herleiten (vgl. BVerfGE 18, 385 <386>; 19, 1 <55>; 30, 415 <428>; 42, 312 <321 f., 332>; 46, 73 <94>; 57, 220 <244>; 66, 1 <19>; BVerfGK 14, 485 <486>). Dies gilt - unabhängig von der Rechtsform der Organisation - auch dann, wenn die Kirchen sich zur Erfüllung ihres Auftrags und ihrer Sendung privatrechtlicher Formen bedienen (BVerfGE 46, 73 <85 ff.>; 70, 138 <162>) und wenn die Tätigkeiten und getroffenen Maßnahmen in den weltlichen Bereich hineinwirken (vgl. BVerfGE 42, 312 <334 f.>). Die Kirchen bestimmen selbst, frei und autonom darüber, welche Dienste sie in welchen Rechtsformen ausüben wollen und sind nicht auf spezifisch kanonische oder kirchenrechtliche Gestaltungsformen beschränkt. Religiöse Orden oder das Kirchenbeamtentum, die spezifischem Kirchenrecht unterliegen, stellen insofern zwar originäre, aber auch nur mögliche Varianten und Formen kirchlicher Dienste dar.

97

Die Kirchen können sich der jedermann offen stehenden privatautonomen Gestaltungsformen bedienen, Dienstverhältnisse begründen und nach ihrem Selbstverständnis ausgestalten. Die im Selbstbestimmungsrecht der Kirchen enthaltene Ordnungsbefugnis gilt insoweit nicht nur für die kirchliche Ämterorganisation (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Satz 2 WRV), sondern ist ein allgemeines Prinzip für die Ordnung des kirchlichen Dienstes (vgl. BVerfGE 70, 138 <164 f.>). Sie berechtigt zur Organisation der Tätigkeit einschließlich der Aufrechterhaltung einer internen Organisationsstruktur, zur Auswahl ihrer Angestellten und zur Festlegung der religiösen Grundsätze, welche die Grundlage ihrer Tätigkeiten sein sollen.

98

d) Art. 4 Abs. 1 und 2 GG enthält ein umfassend zu verstehendes einheitliches Grundrecht (vgl. BVerfGE 24, 236 <245 f.>; 32, 98 <106>; 44, 37 <49>; 83, 341 <354>; 108, 282 <297>; 125, 39 <79>). Dieses beinhaltet notwendigerweise neben der Freiheit des Einzelnen zum privaten und öffentlichen Bekenntnis seiner Religion oder Weltanschauung (vgl. nur BVerfGE 24, 236 <245>; 69, 1 <33 f.>; 108, 282 <297>) auch die Freiheit, sich mit anderen aus gemeinsamem Glauben oder gemeinsamer weltanschaulicher Überzeugung zusammenzuschließen (vgl. BVerfGE 42, 312 <323>; 53, 366 <387>; 83, 341 <355>; 105, 279 <293>).

99

aa) Die durch den Zusammenschluss gebildete Vereinigung genießt das Recht zu religiöser oder weltanschaulicher Betätigung, zur Verkündigung des Glaubens, zur Verbreitung der Weltanschauung sowie zur Pflege und Förderung des jeweiligen Bekenntnisses (vgl. BVerfGE 19, 129 <132>; 24, 236 <246 f.>; 53, 366 <387>; 105, 279 <293>). Dieser Schutz steht nicht nur Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zu, sondern auch von diesen selbstständigen oder unselbstständigen Vereinigungen, wenn und soweit sich diese die Pflege des religiösen oder weltanschaulichen Lebens ihrer Mitglieder zum Ziel gesetzt haben. Voraussetzung dafür ist aber, dass der Zweck der Vereinigung gerade auf die Erreichung eines solchen Zieles gerichtet ist und eine hinreichende institutionelle Verbindung zu einer Religionsgemeinschaft besteht (vgl. BVerfGE 24, 236 <246 f.>).

100

bb) Bei der Würdigung dessen, was im Einzelfall als korporative Ausübung von Religion und Weltanschauung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG anzusehen ist, muss der zentralen Bedeutung des Begriffs der "Religionsausübung" durch eine extensive Auslegung Rechnung getragen werden (vgl. BVerfGE 24, 236 <246>).

101

Zwar hat der Staat grundsätzlich verfassungsrechtliche Begriffe nach neutralen, allgemeingültigen, nicht konfessionell oder weltanschaulich gebundenen Gesichtspunkten zu interpretieren (vgl. BVerfGE 24, 236 <247 f.>). Wo aber die Rechtsordnung gerade das religiöse oder weltanschauliche Selbstverständnis des Grundrechtsträgers voraussetzt, wie dies bei der Religionsfreiheit der Fall ist, würde der Staat die Eigenständigkeit der Kirchen und ihre nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV verfassungsrechtlich verankerte Selbständigkeit verletzen, wenn er bei der Auslegung der sich aus dem Bekenntnis ergebenden Religionsausübung das Selbstverständnis nicht berücksichtigen würde (vgl. BVerfGE 18, 385 <386 f.>; 24, 236 <248>; 108, 282 <298 f.>). Die Formulierung des kirchlichen Proprium obliegt so allein den Kirchen und ist als elementarer Bestandteil der korporativen Religionsfreiheit durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verfassungsrechtlich geschützt.

102

cc) Nach dem Selbstverständnis der christlichen Kirchen umfasst die Religionsausübung nicht nur den Bereich des Glaubens und des Gottesdienstes, sondern auch die Freiheit zur Entfaltung und Wirksamkeit des christlichen Sendungsauftrages in Staat und Gesellschaft. Dazu gehört insbesondere das karitative Wirken, das eine wesentliche Aufgabe für den Christen ist und von den Kirchen als religiöse Grundfunktion verstanden wird (vgl. BVerfGE 53, 366 <393>; siehe auch BVerfGE 24, 236 <246 ff.>; 46, 73 <85 ff.>; 57, 220 <242 f.>; 70, 138 <163>). Die tätige Nächstenliebe ist als solche eines der Wesensmerkmale der Kirche (vgl. Isensee, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. II, 2. Aufl. 1995, § 59, S. 665). Sie geht von der Zuwendung gegenüber Kranken und Benachteiligten ohne Rücksicht auf Konfession, Bedürftigkeit oder sozialen Status aus. Christliche Organisationen und Einrichtungen versehen die Aufgabe der Krankenpflege daher im Sinne einer an christlichen Grundsätzen ausgerichteten umfassenden medizinischen, pastoralen und seelsorgerlichen Behandlung und verwirklichen damit Sendung und Auftrag ihrer Kirche im Geist ihrer Religiosität und im Einklang mit dem Bekenntnis.

103

Die von der Verfassung anerkannte und dem kirchlichen Selbstverständnis entsprechende Zuordnung der karitativen Tätigkeit zum Sendungsauftrag der Kirche wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass andere Einrichtungen und anders ausgerichtete Träger im Sozialbereich ähnliche Zwecke verfolgen und - rein äußerlich gesehen - Gleiches verwirklichen wollen (vgl. BVerfGE 53, 366 <399> unter Bezugnahme auf BVerfGE 24, 236 <249>; vgl. auch BVerfGK 12, 308 <330>). Die religiöse Dimension ist insoweit das bestimmende Element der karitativen und diakonischen Tätigkeit, das sie von äußerlich vergleichbaren Tätigkeiten unterscheidet. Es ist das spezifisch Religiöse der karitativen und diakonischen Tätigkeit, das den Umgang mit Kranken und Benachteiligten prägt und der seelsorgerlichen und pastoralen Begleitung eine hervorgehobene Bedeutung beimisst.

104

Dem steht nicht entgegen, dass diese Ausrichtung im modernen säkularen Staat angesichts religiöser Pluralisierung und "Entkirchlichung" der Gesellschaft schwierig zu vermitteln ist, zumal nicht in allen Bereichen von Caritas und Diakonie hinreichend Christen zur Verfügung stehen, die diesen Auftrag als an die eigene Person gerichteten Heilsauftrag begreifen und umsetzen. So müssen verstärkt nichtchristliche Arbeitnehmer - auch in leitenden Positionen - in Krankenhäusern und Behinderteneinrichtungen eingesetzt werden. Dies allein muss jedoch weder zu einem Rückzug der Kirchen aus den in Rede stehenden Bereichen führen noch dazu, dass der geistlich theologische Auftrag und die Sendung nicht mehr erkennbar sind (vgl. etwa: Bethel, Gemeinschaft verwirklichen - Unsere Vision und unsere strategischen Entwicklungsschwerpunkte 2011 bis 2016, v. Bodelschwinghsche Stiftungen Bethel, Bielefeld 2011, S. 8 ff.).

105

Dieser gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Situation kann durch Struktur und Ausformung der christlichen Dienstgemeinschaft ausreichend Rechnung getragen werden. Die christlichen Kirchen kennen viele Formen christlichen Dienens: Öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnisse, Zugehörigkeit zu besonderen geistlichen Gemeinschaften wie Orden und Diakonissengemeinschaften oder eben auch nach staatlichem Recht - privatautonom - begründete Arbeitsverhältnisse. Spezifisches Kennzeichen für all diese Formen ist es, dem biblischen Auftrag zur Verkündigung und zur tätigen Nächstenliebe nachzukommen. Der Dienst in der christlichen Gemeinde ist Auftrag und Sendung der Kirche und umfasst idealiter den Menschen in all seinen Bezügen in Familie, Freizeit, Arbeit und Gesellschaft. Dieses Verständnis ist die Grundlage für die kirchlichen Anforderungen an die Gestaltung des Dienstes und die persönliche Lebensführung, die in den Loyalitätsobliegenheiten ihren Ausdruck finden. Gemeinschaft in diesem Sinne bedeutet nach christlichem Glauben gemeinsame Verantwortung für das Wirken der Kirche und in der Kirche und ihren Einrichtungen. Dieses Leitbild des Umgangs aller Dienstangehörigen prägt Verhalten und Umgang untereinander und mit den anvertrauten Kranken und Benachteiligten. Vorwiegend ökonomische Interessenmaximierung ist damit nicht vereinbar.

106

e) Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht steht nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV, auch soweit sich der Schutzbereich mit demjenigen der korporativen Religionsfreiheit überlagert, unter dem Vorbehalt des für alle geltenden Gesetzes (sog. Schrankenspezialität, vgl. oben Rn. 85). Die Formel "innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes" kann jedoch nicht im Sinne des allgemeinen Gesetzesvorbehalts in einigen Grundrechtsgarantien verstanden werden (vgl. BVerfGE 42, 312 <333>). Vielmehr ist der Wechselwirkung von Kirchenfreiheit und Schrankenzweck bei der Entfaltung und Konturierung der Schrankenbestimmung Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 53, 366 <400 f.>). Beim Ausgleich der gegenläufigen Interessen ist daher der Umstand zu beachten, dass Art. 4 Abs. 1 und 2 GG die korporative Religionsfreiheit vorbehaltlos gewährleistet und insofern dem Selbstbestimmungsrecht und dem Selbstverständnis der Religionsgesellschaften besonderes Gewicht zuzumessen ist.

107

aa) Deshalb ergibt sich aus dem Umstand, dass das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nur "innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes" gegeben ist, gerade nicht, dass jegliche staatliche Rechtsetzung, sofern sie nur aus weltlicher Sicht von der zu regelnden Materie her als vernünftig und verhältnismäßig erscheint, ohne weiteres in den den Kirchen, ihren Organisationen und Einrichtungen von Verfassungs wegen zustehenden Autonomiebereich eingreifen könnte (vgl. BVerfGE 53, 366 <404>; 72, 278 <289>). Die selbständige Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten ist den Kirchen, ihren Organisationen und Einrichtungen von der Verfassung garantiert, um ihnen die Möglichkeit zu geben, ihrer religiösen und diakonischen Aufgabe, ihren Grundsätzen und Leitbildern auch im Bereich von Organisation, Normsetzung und Verwaltung umfassend nachkommen zu können (vgl. BVerfGE 53, 366 <404>).

108

bb) Zu dem "für alle geltenden Gesetz" im Sinne des Art. 140 GG in Ver-bindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV, unter dessen Vorbehalt die inhaltliche Gestaltungsfreiheit des kirchlichen Arbeitgebers für die auf Vertragsebene begründeten Arbeitsverhältnisse steht, zählen die Regelungen des allgemeinen Kündigungsschutzes (vgl. BVerfGE 70, 138 <166 f.>; Ehlers, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 140/Art. 137 WRV, Rn. 14; Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 140/Art. 137 WRV, Rn. 49). Sie tragen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der objektiven Schutzpflicht des Staates gegenüber den wechselseitigen Grundrechtspositionen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer Rechnung (vgl. BVerfGE 84, 133 <146 f.>; 85, 360 <372 f.>; 92, 140 <150>; 97, 169 <175 f.>; BVerfGK 1, 308 <311>; 8, 244 <246>).

109

cc) Die in diesen Vorschriften enthaltenen Generalklauseln bedürfen der Ausfüllung im konkreten Einzelfall. Im Privatrechtsverkehr entfalten die Grundrechte ihre Wirkkraft als verfassungsrechtliche Wertentscheidungen durch das Medium der Vorschriften, die das jeweilige Rechtsgebiet unmittelbar beherrschen, damit vor allem auch durch die zivilrechtlichen Generalklauseln (vgl. BVerfGE 7, 198 <205 f.>; 42, 143 <148>; 103, 89 <100>). Der Staat hat insoweit die Grundrechte des Einzelnen zu schützen und vor Verletzung durch andere zu bewahren (vgl. nur BVerfGE 103, 89 <100>). Den staatlichen Gerichten obliegt es, den grundrechtlichen Schutz im Wege der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts zu gewähren und im Einzelfall zu konkretisieren.

110

(1) Die Einbeziehung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse in das staatliche Arbeitsrecht hebt deren Zugehörigkeit zu den "eigenen Angelegenheiten" der Kirche nicht auf (vgl. BVerfGE 53, 366 <392>; 70, 138 <165>). Arbeits- und Kündigungsschutzgesetze sind daher einerseits im Lichte der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung zugunsten der kirchlichen Selbstbestimmung auszulegen (Art. 4 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 WRV). Das bedeutet nicht nur, dass die Religionsgesellschaft Gestaltungsspielräume, die das dispositive Recht eröffnet, voll ausschöpfen darf. Auch bei der Handhabung zwingender Vorschriften sind Auslegungsspielräume, soweit erforderlich, zugunsten der Religionsgesellschaft zu nutzen (vgl. BVerfGE 83, 341 <356>), wobei dem Selbstverständnis der Kirchen ein besonderes Gewicht zuzumessen ist (vgl. BVerfGE 53, 366 <401>, unter Bezugnahme auf BVerfGE 24, 236 <246>; 44, 37 <49 f.>).

111

(2) Andererseits darf dies nicht dazu führen, dass Schutzpflichten des Staates gegenüber den Arbeitnehmern (Art. 12 Abs. 1 GG) und die Sicherheit des Rechtsverkehrs vernachlässigt werden (vgl. BVerfGE 83, 341 <356>). Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV sichert insoweit mit Rücksicht auf das zwingende Erfordernis friedlichen Zusammenlebens von Staat und Kirchen (vgl. BVerfGE 42, 312 <330 ff., 340>) sowohl das selbständige Ordnen und Verwalten der eigenen Angelegenheiten durch die Kirchen als auch den staatlichen Schutz der Rechte anderer und für das Gemeinwesen bedeutsamer Rechtsgüter. Dieser Wechselwirkung von Kirchenfreiheit und Zweck der gesetzlichen Schrankenziehung ist durch eine entsprechende Güterabwägung Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 46, 73 <95>; 53, 366 <400 f.>; 66, 1 <22>; 70, 138 <167>; 72, 278 <289>; BVerfGK 12, 308 <333>).

112

2. Bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten über Loyalitätsobliegenheiten kirchlicher Arbeitnehmer haben die staatlichen Gerichte den organischen Zusammenhang von Statusrecht (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV) und Grundrecht (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) im Rahmen einer zweistufigen Prüfung zu beachten und umzusetzen.

113

a) Ob eine Organisation oder Einrichtung an der Verwirklichung des kirchlichen Grundauftrags teilhat, ob eine bestimmte Loyalitätsobliegenheit Ausdruck eines kirchlichen Glaubenssatzes ist und welches Gewicht dieser Loyalitätsobliegenheit und einem Verstoß hiergegen nach dem kirchlichen Selbstverständnis zukommt, müssen die staatlichen Gerichte auf einer ersten Prüfungsstufe einer Plausibilitätskontrolle auf der Grundlage des glaubensdefinierten Selbstverständnisses der Kirche unterziehen. Dabei dürfen sie die Eigenart des kirchlichen Dienstes - das kirchliche Proprium - nicht außer Acht lassen.

114

aa) Die Formulierung des kirchlichen Proprium obliegt allein und ausschließlich den verfassten Kirchen und ist als elementarer Bestandteil der korporativen Religionsfreiheit durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verfassungsrechtlich geschützt. Ebenso sind für die Frage, welche kirchlichen Grundverpflichtungen als Gegenstand des Arbeitsverhältnisses bedeutsam sein können, allein die von der verfassten Kirche anerkannten Maßstäbe von Belang. Demgegenüber kommt es weder auf die Auffassung der einzelnen betroffenen kirchlichen Einrichtungen - bei denen die Meinungsbildung von verschiedensten Motiven beeinflusst sein kann - noch auf diejenige breiter Kreise unter den Kirchengliedern oder etwa gar einzelner, bestimmten Tendenzen verbundener Mitarbeiter an (vgl. BVerfGE 70, 138 <166>).

115

Im Rahmen ihres Selbstbestimmungsrechts können die verfassten Kirchen festlegen, was "die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung erfordert", was "spezifisch kirchliche Aufgaben" sind, was "Nähe" zu ihnen bedeutet, welches die "wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre" sind, was als Verstoß gegen diese anzusehen ist und welches Gewicht diesem Verstoß aus kirchlicher Sicht zukommt (vgl. BVerfGE 70, 138 <168>). Auch die Entscheidung darüber, ob und wie innerhalb der im kirchlichen Dienst tätigen Mitarbeiter eine "Abstufung" der Loyalitätsobliegenheiten eingreifen soll, ist eine dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht unterliegende Angelegenheit (vgl. BVerfGE 70, 138 <168>).

116

bb) Über die entsprechenden Vorgaben der verfassten Kirche dürfen sich die staatlichen Gerichte nicht hinwegsetzen. Im Rahmen der allgemeinen Justizgewährungspflicht sind sie lediglich berechtigt, die Darlegungen des kirchlichen Arbeitgebers auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen. In Zweifelsfällen haben sie die einschlägigen Maßstäbe der verfassten Kirche durch Rückfragen bei den zuständigen Kirchenbehörden oder, falls dies ergebnislos bleibt, durch ein kirchenrechtliches oder theologisches Sachverständigengutachten aufzuklären.

117

(1) Religiöse Zielsetzung und institutionelle Verbindung der Organisation oder Einrichtung zur verfassten Amtskirche, ihren Organen und Amtswaltern und die bruchlose Übereinstimmung von geistlich-theologischem Auftrag und dessen Ausführung im praktischen Wirtschaftsleben müssen hiernach objektiv erkennbar sein und einer - den von der verfassten Kirche vorgegebenen glaubensspezifischen Parametern folgenden - Plausibilitätskontrolle standhalten (vgl. Ehlers, in: Sachs , GG, 7. Aufl. 2014, Art. 140, Rn. 6; Isensee, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 2, 2. Aufl. 1995, § 59, S. 665 <727 f.>).

118

(2) Ist durch den kirchlichen Arbeitgeber plausibel dargelegt, dass nach gemeinsamer Glaubensüberzeugung, Dogmatik, Tradition und Lehre der verfassten Kirche ein bestimmtes Handeln oder eine Tätigkeit und daran geknüpfte Loyalitätsobliegenheiten Gegenstand, Teil oder Ziel von Glaubensregeln sind (vgl. als Beispiel hierfür: Bethel, Grundsätze für Zusammenarbeit und Führung in den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, Bielefeld 2012), darf der Staat das so umschriebene glaubensdefinierte Selbstverständnis der Kirche nicht nur nicht unberücksichtigt lassen; er hat es vielmehr seinen Wertungen und Entscheidungen zugrunde zu legen, so lange es nicht in Widerspruch zu grundlegenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen steht (vgl. dazu BVerfGE 70, 138 <168>, wo auf die Grundprinzipien der Rechtsordnung abgestellt wurde, wie sie im allgemeinen Willkürverbot [Art. 3 Abs. 1 GG] und in den Begriffen der "guten Sitten" [§ 138 Abs. 1 BGB] und des ordre public [Art. 6 EGBGB] ihren Niederschlag gefunden haben; vgl. ferner BVerfGE 102, 370 <392 ff.>). Einer darüber hinaus gehenden Bewertung solcher Glaubensregeln hat sich der Staat zu enthalten (vgl. BVerfGE 33, 23 <30>; 104, 337 <355>), denn darin entfaltet sich nicht nur die statusrechtliche Sicherung nach Art. 137 Abs. 3 WRV, sondern vor allem auch die Schutzwirkung der Religionsfreiheit von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG.

119

(3) Dies gilt in besonderem Maße im Hinblick auf Loyalitätserwartungen der Kirche und eine etwaige Abstufung von Loyalitätsobliegenheiten. Hat die Kirche oder Religionsgemeinschaft sich in Ausübung ihrer korporativen Religionsfreiheit dazu entschieden, ein bestimmtes Verhalten wegen des Verstoßes gegen tragende Glaubenssätze als Loyalitätsverstoß zu werten, ein anderes aber nicht, und hat sie diese Maßgabe zum Gegenstand eines Arbeitsvertrags gemacht, so ist es den staatlichen Gerichten grundsätzlich untersagt, diese autonom getroffene und von der Verfassung geschützte Entscheidung zu hinterfragen und zu bewerten. Gleiches gilt, soweit die Kirche oder Religionsgemeinschaft die Loyalitätsobliegenheiten auf Arbeitnehmer in bestimmten Aufgabenbereichen beschränkt oder nur auf solche kirchlichen Arbeitnehmer erstreckt hat, die ihrem Glauben angehören. Den staatlichen Gerichten ist es insoweit verwehrt, die eigene Einschätzung über die Nähe der von einem Arbeitnehmer bekleideten Stelle zum Heilsauftrag und die Notwendigkeit der auferlegten Loyalitätsobliegenheit im Hinblick auf Glaubwürdigkeit oder Vorbildfunktion innerhalb der Dienstgemeinschaft an die Stelle der durch die verfasste Kirche getroffenen Einschätzung zu stellen (vgl. auch BVerfGE 70, 138 <167>; 83, 341 <356>; so auch im Ergebnis: Isensee, in: Festschrift für Klaus Obermayer, 1986, S. 203 <214 f.>; Richardi, in: ders./Wlotzke/Wißmann/Oetker, Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd. 2, 3. Aufl. 2009, § 328 Rn. 24; Plum, NZA 2011, S. 1194 <1200>; Fahrig/Stenslik, EuZA 5 <2012>, S. 184 <194 f.>; Melot de Beauregard, NZA-RR 2012, S. 225 <230>; Walter, ZevKR 57 <2012>, S. 233 <240>; Pötters/Kalf, ZESAR 2012, S. 216 <218>; Magen, in: Kämper/Puttler , Straßburg und das kirchliche Arbeitsrecht, 2013, S. 41 <43 ff.>).

120

b) Auf einer zweiten Prüfungsstufe haben die Gerichte sodann die Selbstbestimmung der Kirchen den Interessen und Grundrechten der Arbeitnehmer in einer offenen Gesamtabwägung gegenüberzustellen.

121

aa) Dies setzt die positive Feststellung voraus, dass der Arbeitnehmer sich der ihm vertraglich auferlegten Loyalitätsanforderungen und der Möglichkeit arbeitsrechtlicher Sanktionierung von Verstößen bewusst war oder hätte bewusst sein müssen. Die Unannehmbarkeit einer Loyalitätsanforderung (vgl. BVerfGE 70, 138 <168>) ist gegeben, wenn Inhalt und Reichweite der dem kirchlichen Arbeitnehmer auferlegten Obliegenheiten sowie die sich aus einem Verstoß möglicherweise ergebenden arbeitsrechtlichen Konsequenzen nicht mit hinreichender Bestimmtheit erkennbar sind, so dass der kirchliche Arbeitnehmer sich außer Stande sieht, sein Handeln an den Loyalitätsanforderungen seines Arbeitgebers zu orientieren. Die nach freiem Willen getroffene Entscheidung eines Grundrechtsberechtigten, eine partielle Beschränkung seiner Freiheitsrechte durch Eingehung eines Arbeitsverhältnisses mit einem kirchlichen Arbeitgeber zu dessen Voraus-setzungen hinzunehmen, setzt notwendigerweise das Bewusstsein über den Umfang der Selbstbindung voraus (vgl. hierzu auch: Isensee, in: Festschrift für Klaus Obermayer, 1986, S. 203 <206 f.>; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Henneke, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 140 Rn. 27). Diese Voraussetzung ist nicht mehr erfüllt, wenn sich etwa Inhalt und Reichweite der einzuhaltenden Verhaltensregeln nur mithilfe detaillierter Kenntnisse des Kirchenrechts und der Glaubens- und Sittenlehre feststellen lassen, die vom Arbeitnehmer auch bei gesteigerten Erwartungen wegen der Konfession oder der konkreten Stellung nicht verlangt werden können (vgl. zur Relevanz des letztgenannten Umstands und zur Abgrenzung auch: EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, § 50; EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 71).

122

Das Erfordernis der Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit steht einer Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe und Generalklauseln (vgl. etwa Art. 4 Abs. 1 Satz 1 GrO: "Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre") in Arbeitsverträgen und der Verweisung auf Dienstordnungen nicht grundsätzlich entgegen. Im Zweifel ist der kirchliche Arbeitgeber jedoch gehalten, abstrakte Begrifflichkeiten zum Verständnis des Arbeitnehmers im Rahmen der individualvertraglichen Vereinbarung zu konkretisieren (vgl. hierzu auch: Böckel, in: Kämper/Puttler , Straßburg und das kirchliche Arbeitsrecht, 2013, S. 57 <58>).

123

Das Maß im Einzelfall zulässiger Abstrahierung korrespondiert dabei mit dem Umfang der nach Einschätzung der Kirche im Hinblick auf das konkrete Arbeitsverhältnis erforderlichen Loyalitätserwartungen: Bei Personen, die aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Stellung erhöhten Loyalitätsanforderungen unterworfen werden, sind in aller Regel auch Kenntnisse der kirchlichen Lehre Teil des beruflichen Anforderungsprofils und können durch den Arbeitgeber bei der Formulierung der Loyalitätserwartungen vorausgesetzt werden. Führt die Unkenntnis eines derartigen Arbeitnehmers zu einer Obliegenheitsverletzung, weil er sich über die Illoyalität seines Verhaltens nicht im Klaren ist, obschon er es hätte sein müssen, rechtfertigt dies eine andere Beurteilung als in Konstellationen, in denen Kenntnisse der kirchlichen Lehre und der einschlägigen kirchengesetzlichen Vorgaben auch aus Sicht der Kirche nicht ohne weiteres erwartet werden können.

124

bb) Im Rahmen des sich hieran anschließenden Abwägungsvorgangs sind die kollidierenden Rechtspositionen - dem Grundsatz der praktischen Konkordanz entsprechend - in möglichst hohem Maße in ihrer Wirksamkeit zu entfalten. Sie sind einander im Sinne einer Wechselwirkung verhältnismäßig zuzuordnen, das heißt, das einschränkende arbeitsrechtliche Gesetz muss im Lichte der Bedeutung des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV und Art. 4 Abs. 1 und 2 GG betrachtet werden, wie umgekehrt die Bedeutung kollidierender Rechte des Arbeitnehmers im Verhältnis zum kirchlichen Selbstbestimmungsrecht gewichtet werden muss.

125

Dem Selbstverständnis der Kirche ist dabei ein besonderes Gewicht beizumessen (vgl. hierzu auch: BVerfGE 53, 366 <401>; 66, 1 <22>; 70, 138 <167>; 72, 278 <289>; BVerfGK 12, 308 <333>), ohne dass die Interessen der Kirche die Belange des Arbeitnehmers dabei prinzipiell überwögen. Das staatliche Arbeitsrecht lässt "absolute Kündigungsgründe" nicht zu; eine Verabsolutierung von Rechtspositionen ist der staatlichen Rechtsordnung jenseits des Art. 1 Abs. 1 GG fremd. Entsprechend entbindet selbst ein erkennbar schwerwiegender Loyalitätsverstoß die staatlichen Arbeitsgerichte nicht von der Pflicht zur Abwägung der kirchlichen Interessen mit den Belangen des Arbeitnehmers. Die Arbeitsgerichte haben jedoch auch bei der Abwägung die vorgegebenen kirchlichen Maßstäbe für die Gewichtung vertraglicher Loyalitätsobliegenheiten zugrunde zu legen (BVerfGE 70, 138 <170 ff.>).

126

3. Ob diese Abwägung verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht, kann gegebenenfalls Gegenstand verfassungsgerichtlicher Kontrolle sein. Das Bundesverfassungsgericht ist zum Eingreifen gegenüber den Fachgerichten jedoch nur dann berufen, wenn diese tragende Elemente des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts und der korporativen Religionsfreiheit einerseits oder Grundrechte des Arbeitnehmers andererseits verkennen.

127

4. Diese Maßstäbe stehen in Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. bereits: EKMR, Rommelfänger v. Deutschland, Kommissionsentscheidung vom 6. September 1989, Nr. 12242/86). Die durch die Konvention begründeten objektiven Schutzpflichten des Staates aus Art. 11 Abs. 1 EMRK in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1 EMRK und das sich hieraus ergebende Autonomierecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften einerseits und die entgegenstehenden Rechtspositionen der kirchlichen Arbeitnehmer andererseits verlangen - in Übereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen Maßstäben - eine Abwägung der widerstreitenden Interessen unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls. Die durch die Konvention begründete Neutralitätspflicht des Staates in religiösen Angelegenheiten untersagt den staatlichen Stellen hierbei ebenfalls eine eigenständige Bewertung und Gewichtung von Glaubensinhalten.

128

a) Die Europäische Menschenrechtskonvention ist als Auslegungshilfe bei der Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes heranzuziehen. Dies verlangt allerdings keine schematische Parallelisierung der Aussagen des Grundgesetzes mit denen der Europäischen Menschenrechtskonvention. Vielmehr werden deren Wertungen im Sinne eines möglichst schonenden Einpassens in das vorhandene, dogmatisch ausdifferenzierte nationale Rechts- system aufgenommen (vgl. BVerfGE 111, 307 <315 ff.>; 128, 326 <366 ff.>; 131, 268 <295 f.>).

129

Die Möglichkeiten einer konventionsfreundlichen Auslegung enden dort, wo diese nach den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung und Verfassungsinterpretation nicht mehr vertretbar erscheint (vgl. BVerfGE 111, 307 <329>; 128, 326 <371>). Zudem darf sie nicht dazu führen, dass der Grundrechtsschutz nach dem Grundgesetz eingeschränkt wird; das schließt auch die Europäische Menschenrechtskonvention durch Art. 53 EMRK ihrerseits aus (vgl. BVerfGE 111, 307 <317>; 128, 326 <371>, jeweils m.w.N.). Dieses Rezeptionshemmnis kann vor allem in - wie hier - mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen relevant werden, in denen das "Mehr" an Freiheit für einen Grundrechtsträger zugleich ein "Weniger" für einen anderen bedeutet (vgl. BVerfGE 128, 326 <371>).

130

b) Art. 9 Abs. 1 EMRK schützt neben der individuellen Religionsfreiheit auch ihre korporative Seite (vgl. Meyer-Ladewig, EMRK, Handkommentar, 3. Aufl. 2011, Art. 9 Rn. 10, m.w.N). Da die Kirchen und Religionsgemeinschaften traditionell in der Form organisierter Strukturen existieren, deren autonomer Bestand für die Vielfalt in einer demokratischen Gesellschaft unverzichtbar ist und die Glaubensfreiheit in ihrem Kerngehalt berührt, muss Art. 9 Abs. 1 EMRK nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Lichte des Art. 11 Abs. 1 EMRK ausgelegt werden. Unter diesem Blickwinkel bedingt die Glaubensfreiheit des Einzelnen auch den Schutz der rechtlich verfassten Kirchen und Religionsgemeinschaften vor ungerechtfertigten staatlichen Eingriffen im Hinblick sowohl auf religiöse als auch auf organisatorische Fragen. Ohne diesen Schutz der Organisation nach Maßgabe des religiösen Selbstverständnisses durch die Konvention wäre auch die effektive Wahrnehmung der individuellen Religionsfreiheit beeinträchtigt (vgl. zu alledem: EGMR (GK), Hasan u. Chaush v. Bulgarien, Urteil vom 26. Oktober 2000, Nr. 30985/96, § 62; EGMR, Metropolitan Church of Bessarabia u.a. v. Moldawien, Urteil vom 13. Dezember 2001, Nr. 45701/99, § 118; EGMR, Holy Synod of the Bulgarian Orthodox Church (Metropolitan Inokentiy) v. Bulgarien, Urteil vom 22. Januar 2009, Nr. 412/03 u.a., § 103; EGMR (GK), Sindicatul "Păstorul cel Bun" v. Rumänien, Urteil vom 9. Juli 2013, Nr. 2330/09, § 136; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 127).

131

aa) Das Autonomierecht beinhaltet das Recht der Kirche oder Religionsgemeinschaft, nach ihren Rechtssätzen und nach ihrem Ermessen auf ein Verhalten ihrer Mitglieder zu reagieren, das eine Bedrohung für den Zusammenhalt, die Glaubwürdigkeit oder die Einheit der Gemeinschaft bedeutet (vgl. hierzu: EGMR (GK), Sindicatul "Păstorul cel Bun" v. Rumänien, Urteil vom 9. Juli 2013, Nr. 2330/09, § 165; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 128). Daneben ist in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte anerkannt, dass aus dem Autonomierecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften auch deren Befugnis erwächst, ihren Arbeitnehmern und den die Gemeinschaft repräsentierenden Personen ein gewisses Maß an Loyalität abzuverlangen (vgl. hierzu bereits: EKMR, Rommelfänger v. Deutschland, Kommissionsentscheidung vom 6. September 1989, Nr. 12242/86; sowie: EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 131, m.w.N.). Voraussetzung ist, dass von einer Verletzung der konkreten Loyalitätsanforderung nach Einschätzung der Kirche oder Religionsgemeinschaft eine substantielle Gefahr für den Zusammenhalt, die Glaubwürdigkeit oder die Einheit der Gemeinschaft ausginge, die mit der Loyalitätsanforderung verbundene Beschränkung nicht über das erforderliche Maß hinausreicht und keinen sachfremden Zwecken dient, die nicht in der Wahrnehmung des religiösen Auftrags begründet liegen; dies hat die Kirche oder Religionsgemeinschaft im Einzelfall darzulegen (vgl. EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 132).

132

bb) Unter diesen Bedingungen können auch Beschränkungen konventionsrechtlich geschützter Rechtspositionen des Arbeitnehmers gerechtfertigt sein; insoweit ist Art. 11 Abs. 1 EMRK in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1 EMRK generell geeignet, als Schranke für diese Konventionsrechte zu dienen und die objektive Schutzpflicht des Staates zu begrenzen oder gar zu verdrängen (vgl. hierzu: EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, §§ 43 ff.; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, §§ 133 ff., jeweils zu Art. 8 Abs. 1 EMRK; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, § 45, zu Art. 9 Abs. 1 EMRK).

133

Da die vertragliche Unterwerfung unter die Loyalitätserwartungen jedoch auf einer freiwilligen Entscheidung des kirchlichen Arbeitnehmers beruht (vgl. bereits EKMR, Rommelfänger v. Deutschland, Kommissionsentscheidung vom 6. September 1989, Nr. 12242/86), ist Voraussetzung hierfür grundsätzlich, dass der Inhalt der Loyalitätserwartung und die mit einem Verstoß einhergehenden Rechtsfolgen für den Arbeitnehmer vorhersehbar sind (vgl. EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 117). Für die Beurteilung der Vorhersehbarkeit ist auf die Konfession des Arbeitnehmers (vgl. hierzu: EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, § 50) und - in besonderem Maße - die von dem kirchlichen Arbeitnehmer im konkreten Einzelfall bekleidete Stellung innerhalb der Organisation abzustellen (vgl. hierzu: EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 119).

134

cc) Der konkreten Stellung des Arbeitnehmers innerhalb der religiösen Organisation oder einer ihrer selbständigen Einrichtungen (vgl. hierzu EKMR, Rommelfänger v. Deutschland, Kommissionsentscheidung vom 6. September 1989, Nr. 12242/86, zum Fall eines Assistenzarztes in einem von einer Stiftung der römisch-katholischen Kirche getragenen Krankenhaus; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, § 44, zum Fall einer Erzieherin in von protestantischen Kirchengemeinden getragenen Kindertagesstätten) und dem Inhalt der ihm übertragenen Aufgaben kommt bei Beurteilung des zulässigen Umfangs der Loyalitätsobliegenheiten und der Vereinbarkeit von Sanktionsmaßnahmen aufgrund von Loyalitätsverstößen im Rahmen der Abwägungsentscheidung besonderes Gewicht zu (vgl. EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 131, m.w.N.). Eine bereits von der Kirche oder Religionsgemeinschaft vorgenommene Abstufung von Loyalitätsobliegenheiten nach der Konfession oder beruflichen Stellung des Arbeitnehmers ist daher mit der Konvention nicht nur vereinbar, sondern im Zweifelsfall sogar geboten (vgl. EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, § 50, zur Abstufung aufgrund der Konfession; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, § 46; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 119, jeweils zur Abstufung aufgrund der Stellung). Hierdurch trägt die Kirche oder Religionsgemeinschaft ihrer Pflicht Rechnung, nur die aus ihrer Sicht zur Abwendung substantieller Risiken für den Zusammenhalt, die Glaubwürdigkeit oder die Einheit der Gemeinschaft unabweisbaren Einschränkungen konventionsrechtlich geschützter Rechtspositionen ihrer Arbeitnehmer vorzunehmen (vgl. EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 132).

135

c) Maßgeblich für die Beurteilung des notwendigen Inhalts der besonderen Loyalitätsanforderungen und des Gewichts von Verstößen hiergegen ist auch nach der Konvention der Standpunkt der Kirche oder Religionsgemeinschaft. Er ist von den staatlichen Stellen im Rahmen ihres Handelns grundsätzlich zugrunde zu legen (vgl. EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 68; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, § 45). Diese Beschränkung der Einschätzungsgewalt staatlicher Stellen wurzelt in dem konventionsrechtlichen Autonomierecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften (Art. 11 Abs. 1 EMRK i.V.m. Art. 9 Abs. 1 EMRK) und der staatlichen Neutralitätspflicht in religiösen Angelegenheiten. Sie untersagt über die bereits genannten Gewährleistungsinhalte des Autonomierechts hinaus der staatlichen Gewalt auch, kraft eigener Einschätzung darüber zu befinden, ob religiöse Glaubensüberzeugungen oder die Mittel zum Ausdruck solcher Glaubensüberzeugungen legitim sind (vgl. EGMR, Manoussakis v. Griechenland, Urteil vom 26. September 1996, Nr. 18748/91, § 47; EGMR, Jehovah's Witnesses of Moscow u.a. v. Russland, Urteil vom 10. Juni 2010, Nr. 302/02, § 141; EGMR, Church of Jesus Christ of the Latter-Day Saints v. Vereinigtes Königreich, Urteil vom 4. März 2014, Nr. 7552/09, § 29).

136

d) Dennoch muss die staatliche Gewalt den Standpunkt der Kirche und Religionsgemeinschaft vom Inhalt einer Loyalitätsanforderung und dem Gewicht eines Verstoßes ihrem Handeln nicht gänzlich ungeprüft zugrunde legen (vgl. hierzu auch: EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 69); von der konventionsrechtlichen Neutralitätspflicht in religiösen Angelegenheiten ist der Staat in bestimmten Ausnahmefällen entbunden (vgl. EGMR (GK), Hasan u. Chaush v. Bulgarien, Urteil vom 26. Oktober 2000, Nr. 30985/96, §§ 62, 78; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 129).

137

aa) Die staatlichen Gerichte haben sicherzustellen, dass die kirchlichen Arbeitgeber im Einzelfall keine unannehmbaren Anforderungen an ihre Arbeitnehmer richten (vgl. EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, § 51; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, § 45 f.). Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Loyalitätsobliegenheit oder deren Gewichtung im Kündigungsfall gegen Grundprinzipien der Rechtsordnung verstößt (vgl. EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, § 45 f.), auf willkürlichen Erwägungen beruht (vgl. EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 132) oder wenn die Zugrundelegung des nach kirchlichem Selbstverständnis erlassenen Rechtsakts durch das staatliche Gericht auch unter Berücksichtigung des entgegenstehenden Interesses des kirchlichen Arbeitgebers im Ergebnis zu einer offensichtlichen Verletzung eines Konventionsrechts in seinem Kerngehalt führt (vgl. EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 132). Letzteres ist auch dann anzunehmen, wenn durch die Loyalitätserwartung der Schutzbereich eines abwägungsfesten Konventionsrechts (vgl. Art. 15 Abs. 2 EMRK) berührt wird.

138

Nicht ausreichend ist hingegen, dass die Loyalitätsobliegenheit lediglich den Schutzbereich anderer Konventionsrechte tangiert. Dies würde nicht nur das konventionsrechtliche Autonomierecht der Kirchen (Art. 11 Abs. 1 EMRK i.V.m. Art. 9 Abs. 1 EMRK) entwerten, sondern auch den Abwägungsprozess verkürzen, wodurch der konventionsrechtlich gebotene gerechte Ausgleich zwischen mehreren - privaten - Interessen (vgl. EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, §§ 45, 52; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, §§ 40, 47) verhindert würde. Die Entscheidung darüber, ob dem Interesse des kirchlichen Arbeitgebers an der selbstbestimmten Verwirklichung seiner religiösen Grundsätze im Arbeitsrecht oder dem Interesse des kirchlichen Arbeitnehmers an dem konventionsrechtlich geschützten, jedoch illoyalen Verhalten der Vorrang einzuräumen ist, ist erst im Wege der Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen zu treffen (vgl. hierzu auch: Grabenwarter/Pabel, KuR 2011, S. 55 <62>).

139

bb) Inwieweit das Autonomierecht der Kirchen als Schranke entgegenstehender Konventionsrechte wirkt (vgl. EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 60), ist auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung der widerstreitenden Positionen und aller sie beeinflussenden Faktoren auf den Einzelfall zu bestimmen (vgl. EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, § 51; EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 68; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, § 45; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, §§ 132, 148). Da den Staat insoweit hinsichtlich beider Konventionsrechte objektive Schutzpflichten treffen und der Schutz der einen Rechtsposition notwendigerweise zur Beeinträchtigung des entgegenstehenden Rechts führt, räumt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Konventionsstaaten einen weiten Einschätzungsspielraum ein (vgl. EGMR (GK), Sindicatul "Păstorul cel Bun" v. Rumänien, Urteil vom 9. Juli 2013, Nr. 2330/09, § 160; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 123).

140

Dennoch werden die Konventionsstaaten ihren objektiven Schutzpflichten im Einzelfall nur gerecht, wenn sie eine eingehende und alle wesentlichen Umstände des Einzelfalls berücksichtigende Abwägung der durch die Kündigung tangierten Rechtspositionen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer vornehmen (vgl. EGMR (GK), Sindicatul "Păstorul cel Bun" v. Rumänien, Urteil vom 9. Juli 2013, Nr. 2330/09, § 159; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 123).

141

Hierzu zählen unter anderem das Bewusstsein des Arbeitnehmers für die begangene Loyalitätspflichtverletzung (vgl. EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 72; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, §§ 44, 46; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, §§ 141, 146), die Freiwilligkeit der Bindung an höhere Loyalitätsobliegenheiten (vgl. EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 135), die öffentlichen Auswirkungen der Loyalitätspflichtverletzung (vgl. EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, § 51; EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 72), das Interesse des kirchlichen Arbeitgebers an der Wahrung seiner Glaubwürdigkeit (vgl. EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, §§ 44, 46; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 137), die Position des Arbeitnehmers in der Einrichtung, die Schwere des Loyalitätspflichtverstoßes in den Augen der Kirche sowie die zeitliche Dimension des Loyalitätsverstoßes (vgl. jeweils EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, § 48), das Interesse des Arbeitnehmers an der Wahrung seines Arbeitsplatzes (vgl. EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 67), sein Alter, seine Beschäftigungsdauer (vgl. jeweils EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, § 48; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, § 44) und die Aussichten auf eine neue Beschäftigung (vgl. EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 73; EGMR (GK), Fernández Martínez v. Spanien, Urteil vom 12. Juni 2014, Nr. 56030/07, § 144).

142

cc) Im Rahmen der Interessenabwägung hat das staatliche Gericht allerdings stets die konventionsrechtlich geschützte Neutralitätspflicht in religiösen Angelegenheiten zu wahren (vgl. EGMR, Manoussakis v. Griechenland, Urteil vom 26. September 1996, Nr. 18748/91, § 47; EGMR, Jehovah's Witnesses of Moscow u.a. v. Russland, Urteil vom 10. Juni 2010, Nr. 302/02, § 141; EGMR, Church of Jesus Christ of the Latter-Day Saints v. Vereinigtes Königreich, Urteil vom 4. März 2014, Nr. 7552/09, § 29). Aus diesem Grund muss es bei der Gewichtung religiös geprägter Abwägungselemente (z.B. spezifische Nähe der Tätigkeit des Arbeitnehmers zum Verkündigungsauftrag) den Standpunkt der verfassten Kirche und Religionsgemeinschaft seiner Entscheidung zugrunde legen, sofern es hierdurch nicht in Widerspruch zu Grundprinzipien der Rechtsordnung gelangt (vgl. EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 67; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, § 45).

143

dd) Soweit der Gerichtshof in einem Urteil beanstandet hat, die nationalen Gerichte hätten die Frage der Nähe der vom Beschwerdeführer ausgeübten Tätigkeit zum Verkündigungsauftrag der Kirche nicht geprüft, sondern offenbar ohne weitere Nachprüfungen den Standpunkt des kirchlichen Arbeitgebers in dieser Frage übernommen (vgl. EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 67), war dies den besonderen Umständen des Einzelfalls geschuldet und rechtfertigt deshalb keine abweichende Beurteilung vorstehender konventionsrechtlicher Maßstäbe.

144

Eine Lesart der Entscheidungsgründe, die eine eigenständige staatliche Bewertung der Nähe einer Tätigkeit zum Verkündigungsauftrag erfordern würde, liefe Gefahr, in unauflösbaren Widerspruch zur sonstigen Rechtsprechung des Gerichtshofs (vgl. EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, §§ 43, 51; EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, §§ 57, 60; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011, Nr. 18136/02, §§ 40, 45) bei Loyalitätsobliegenheiten im kirchlichen Arbeitsverhältnis zu geraten und das konventionsrechtlich garantierte Autonomierecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften in seinem Kernbestand zu entwerten. Auch bliebe ungeklärt, warum der Gerichtshof sich einerseits auf die Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts aus der Entscheidung vom 4. Juni 1985 (BVerfGE 70, 138 ff.) bezogen hat, ohne deren Vereinbarkeit mit der Konvention in Zweifel zu ziehen (vgl. EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, §§ 35, 68) andererseits aber die Überprüfung kirchlicher Selbstverständnisse in weitem Umfang von den staatlichen Arbeitsgerichten verlangen würde. Eine solche Interpretation stünde letztlich auch der Rezeption in die nationale Verfassungsordnung entgegen, weil sie den Grundrechtsschutz innerhalb eines mehrpoligen Grundrechtsverhältnisses einseitig zu Lasten eines Beteiligten beschränken würde (vgl. auch Plum, NZA 2011, S. 1194 <1200>).

II.

145

Nach diesen Maßstäben verstößt das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 8. September 2011 gegen Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV, da die bei der Anwendung des § 1 Abs. 2 KSchG vorgenommene Interessenabwägung dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht der Beschwerdeführerin nicht in dem verfassungsrechtlich gebotenen Umfang Rechnung trägt.

146

1. Der persönliche Anwendungsbereich von Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV ist zu Gunsten der Beschwerdeführerin eröffnet. Sie hat in Anbetracht der vorrangig religiösen Zielsetzung ihres Handelns und ihrer institutionellen Verbindung zur römisch-katholischen Kirche an deren kirchlichem Selbstbestimmungsrecht teil. Zwar ist weder die Beschwerdeführerin selbst noch das in ihrer Trägerschaft befindliche V.-Krankenhaus Teil der amtskirchlichen Organisation. Beide haben jedoch teil an der Verwirklichung von Auftrag und Sendung der Kirche im Geist katholischer Religiosität, im Einklang mit dem Bekenntnis und in Legitimation durch die Amtsträger der römisch-katholischen Kirche.

147

a) Die durch die Beschwerdeführerin wahrgenommene Aufgabe der Krankenbehandlung und -pflege stellt sich als Teil des Sendungsauftrages der römisch-katholischen Kirche dar. Sie ist als karitative Tätigkeit auf die Erfüllung der aus dem Glauben erwachsenden Pflicht zum Dienst am Mitmenschen und damit auf die Wahrnehmung einer kirchlichen Grundfunktion gerichtet (vgl. BVerfGE 53, 366 <393>; siehe auch: BVerfGE 24, 236 <246 ff.>; 46, 73 <85 ff.>; 57, 220 <242 f.>; 70, 138 <163>).

148

In der Staatspraxis der Bundesrepublik Deutschland ist die karitative Tätigkeit in den Kirchenverträgen und Konkordaten als legitime Aufgabe der Kirchen ausdrücklich anerkannt und den Kirchen die Berechtigung dazu gewährleistet worden (vgl. BVerfGE 24, 236 <248>; 53, 366 <393>, jeweils m.w.N.). Zu dieser karitativen Tätigkeit gehört die kirchlich getragene Krankenpflege, die in langer katholischer Tradition steht. Ihr entspricht die Organisation des kirchlichen Krankenhauses und die auf sie gestützte, an christlichen Grundsätzen ausgerichtete, auch pastorale und seelsorgerische Zuwendung umfassende Hilfeleistung für den Patienten (vgl. BVerfGE 53, 366 <393>).

149

b) An der Erfüllung dieses kirchlichen Auftrags hat die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer bekenntnismäßigen und organisatorischen Verbundenheit mit der römisch-katholischen Kirche Anteil. Dies ergibt sich aus einer Gesamtschau der Regelungen des Gesellschaftsvertrages.

150

c) Im Fall der Beschwerdeführerin tritt die religiöse Dimension nicht in einem Maße gegenüber rein ökonomischen Erwägungen in den Hintergrund, das geeignet wäre, die Prägung durch das glaubensdefinierte Selbstverständnis in Frage zu stellen. Die Regelungen des Gesellschaftsvertrags der Beschwerdeführerin vom 6. August 2003, die als verbindlich anerkannten Vorgaben der Grundordnung für katholische Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen vom 5. November 1996 in der Fassung vom 27. März 2001 und die enge Verbindung der Beschwerdeführerin zum Verbund Katholischer Kliniken D. stehen einer vorrangig auf Vermögensmehrung ausgerichteten Aufgabenwahrnehmung der von ihr getragenen Einrichtungen entgegen. Allein das Ziel der Erwirtschaftung eines wirtschaftlichen Ergebnisses, das die Substanz der vorhandenen Einrichtungen und Arbeitsplätze sichert und eine sinnvolle Weiterentwicklung ermöglicht, ist für sich genommen noch nicht geeignet, die im Übrigen klar erkennbare religiöse Prägung ihres Handelns zu verdrängen.

151

2. Die Auferlegung besonderer Loyalitätsobliegenheiten gegenüber dem Kläger des Ausgangsverfahrens war vom Gewährleistungsinhalt des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV umfasst. Durch den Verweis auf die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 22. September 1993 (GrO) sowie § 10 Abs. 4 Nr. 2 des Arbeitsvertrages vom 12. Oktober 1999 ist das Verbot des Lebens in kirchlich ungültiger Ehe wirksam und vorhersehbar zum Inhalt des Arbeitsvertrages geworden (nachfolgend a) und b)). Diese Loyalitätsanforderungen stehen ebenso wie ihre Abstufung nach Konfession und Stellung im Einklang mit den Maßstäben der verfassten römisch-katholischen Kirche. Sie erlegen dem Kläger des Ausgangsverfahrens keine unannehmbaren oder gegen grundlegende verfassungsrechtliche Gewährleistungen verstoßenden Obliegenheiten auf (nachfolgend c)).

152

a) Die Regelungen der Grundordnung einschließlich derer zum Verbot des Lebens in kirchlich ungültiger Ehe sowie zu der Abstufung von Loyalitätserwartungen und arbeitsrechtlichen Sanktionen nach Konfession und Stellung des Arbeitnehmers sind von der Gesamtheit der katholischen Bischöfe in Deutschland übereinstimmend verabschiedet und promulgiert und damit für ihren jeweiligen Bereich als kirchliches Gesetz in Kraft gesetzt worden (vgl. Can. 391 § 1 CIC). Zweifel über den Inhalt der Maßstäbe der verfassten Kirche, denen seitens der staatlichen Gerichte durch entsprechende Rückfragen bei den zuständigen Kirchenbehörden zu begegnen gewesen wäre (vgl. BVerfGE 70, 138 <168>), liegen deshalb nicht vor.

153

b) Inhalt und Reichweite der dem Kläger des Ausgangsverfahrens auferlegten Obliegenheiten sowie die sich aus einem Verstoß möglicherweise ergebenden arbeitsrechtlichen Konsequenzen waren für ihn mit hinreichender Bestimmtheit erkennbar, so dass er in der Lage war, sein Verhalten hieran auszurichten. Eine Unannehmbarkeit der an ihn gerichteten Loyalitätserwartungen wegen mangelnder Vorhersehbarkeit scheidet aus.

154

aa) Art. 4 Abs. 1 Satz 1 GrO formuliert die für alle katholischen Mitarbeiter geltenden Loyalitätsobliegenheiten, indem er die Beachtung und Anerkennung der "Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre" verlangt. Im Vergleich zu den nichtkatholischen christlichen Mitarbeitern (vgl. Art. 4 Abs. 2 GrO) und nichtchristlichen Mitarbeitern (vgl. Art. 4 Abs. 3 GrO) werden katholische Mitarbeiter - zu denen der Kläger des Ausgangsverfahrens zählt - damit gesteigerten Loyalitätsanforderungen unterworfen. Hiermit korrespondiert, dass in der Regel nur katholische Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die im leitenden Dienst ausgeübt werden, betraut werden dürfen (vgl. Art. 3 Abs. 2 GrO).

155

Art. 4 Abs. 1 Satz 3 GrO enthält für leitende Mitarbeiter eine weitere Steigerung der Loyalitätsobliegenheiten. Durch Verweis auf Art. 4 Abs. 1 Satz 2 GrO wird diesen "das persönliche Lebenszeugnis im Sinne der Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre" abverlangt, das in besonderem Maße auch die Beachtung und Anerkennung der katholischen Glaubenssätze im außerdienstlichen Bereich umfasst. Die in der Präambel des Arbeitsvertrages ebenfalls zur Grundlage des Arbeitsverhältnisses erklärte "Grundordnung für katholische Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen" vom 5. November 1996 in der Fassung vom 27. März 2001 stellt in Abschnitt A Ziff. 6 klar, dass unter anderem die Abteilungsärzte (Chefärzte) als leitende Mitarbeiter im Sinne der Grundordnung zu gelten haben.

156

Art. 5 GrO regelt die arbeitsrechtliche Sanktionierung von Loyalitätsverstößen und stellt in Absatz 1 Satz 3 klar, dass auch die einseitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung nach erfolgloser Ausschöpfung milderer Maßnahmen sowie unter Berücksichtigung der Schwere des Loyalitätsverstoßes in Betracht kommt. In Form von Regelbeispielen benennt Art. 5 Abs. 2 GrO bestimmte Loyalitätsverstöße, die aus Sicht der Kirche im Regelfall derart schwerwiegend sind, dass sie grundsätzlich geeignet sind, eine Kündigung aus kirchenspezifischen Gründen zu rechtfertigen; hierdurch werden zugleich die in Art. 4 GrO auferlegten Loyalitätsobliegenheiten - wenn auch nicht abschließend - konkretisiert. Art. 5 Abs. 2 Spiegelstrich 2 GrO benennt als schwerwiegenden Loyalitätsverstoß ausdrücklich den "Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe".

157

Für die durch Art. 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 GrO gesteigerten Loyalitätsanforderungen unterworfenen Mitarbeiter stellt Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GrO klar, dass die vorstehend genannten, generell als Kündigungsgrund in Betracht kommenden Verstöße die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung in aller Regel ausschließen, wenn sie von einem leitenden Mitarbeiter begangen werden. Ein Absehen von der Kündigung soll ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn schwerwiegende Umstände des Einzelfalls die Kündigung als unangemessen erscheinen lassen (vgl. Art. 5 Abs. 3 Satz 2 GrO).

158

bb) Für den Kläger des Ausgangsverfahrens, der als Chefarzt zur Gruppe der leitenden Mitarbeiter zählt, war demnach bereits bei Vertragsschluss aufgrund der in Bezug genommenen Regelungen der Grundordnung erkennbar, dass ein Loyalitätsverstoß durch Eingehung einer zweiten Ehe im Hinblick auf den Bestand seiner nach kirchlichem Recht geschlossenen ersten Ehe im Regelfall die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses als arbeitsrechtliche Sanktion nach sich ziehen würde. Tatbestand und Rechtsfolge eines derartigen Loyalitätsverstoßes waren zudem durch § 10 Abs. 4 Nr. 2 des Arbeitsvertrages konkretisiert. Dem Kläger des Ausgangsverfahrens war danach bei der Entscheidung, die hiermit verbundene partielle Beschränkung seiner Freiheitsrechte durch Eingehung des Arbeitsverhältnisses mit der Beschwerdeführerin zu deren Konditionen hinzunehmen, der Umfang der damit eingegangenen Selbstbindung bewusst oder er hätte ihm jedenfalls bewusst sein müssen. Dies gilt umso mehr angesichts der Tatsache, dass nach dem in der Grundordnung zum Ausdruck kommenden Selbstverständnis der römisch-katholischen Kirche an einen katholischen Arbeitnehmer mit leitenden Aufgaben wegen seiner Konfession und der konkret bekleideten Stellung gesteigerte Erwartungen im Hinblick auf die Kenntnis der kirchlichen Lehre als Teil des beruflichen Anforderungsprofils gestellt werden können (vgl. EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, § 50; EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 1620/03, § 71).

159

c) Weder die Loyalitätsobliegenheit als solche noch die arbeitsrechtliche Sanktionierung von Verstößen aufgrund der Konfession einerseits und der leitenden Stellung andererseits ist verfassungsrechtlich zu beanstanden.

160

aa) Die durch Art. 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 GrO auferlegte und durch Art. 5 Abs. 2 Spiegelstrich 2 GrO konkretisierte Loyalitätserwartung an die Mitarbeiter der römisch-katholischen Kirche, den nach katholischem Verständnis besonderen Charakter der kirchenrechtlich geschlossenen Ehe als dauerhaften und unauflöslichen Bund zwischen Mann und Frau zu respektieren und zu schützen, ist auf grundlegende und durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützte Glaubenssätze der römisch-katholischen Kirche rückführbar.

161

bb) Auch die Abstufung der Loyalitätsobliegenheiten nach der Konfession des kirchlichen Arbeitnehmers mit ihrer grundlegenden Kategorisierung nach Katholiken (Art. 4 Abs. 1 GrO), Nichtkatholiken (Art. 4 Abs. 2 GrO) und Nichtchristen (Art. 4 Abs. 3 GrO) ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seiner Entscheidung vom 4. Juni 1985 die beson-dere Bedeutung von Loyalitätserwartungen gegenüber Mitgliedern der eigenen Kirche anerkannt (vgl. BVerfGE 70, 138 <166>). Denn für die Kirchen kann ihre Glaubwürdigkeit davon abhängen, dass gerade ihre Mitglieder, die in ein Arbeitsverhältnis zu ihnen treten, die kirchliche Ordnung - auch in ihrer Lebensführung - respektieren. Die Abstufung knüpft zudem an die differenzierte Bindungswirkung des kanonischen Rechts an. Durch das katholische Kirchenrecht auferlegte Pflichten gelten ausschließlich für Katholiken (vgl. Can. 11 CIC).

162

cc) Die in Art. 4 Abs. 1 Satz 3, Art. 5 Abs. 3 GrO vorgesehene Verschärfung der Loyalitätsobliegenheiten von Arbeitnehmern in leitender Stellung ist ebenfalls von der Verfassung gedeckt. Leitende Arbeitnehmer nehmen Funktionen wahr, die hohe Bedeutung für Bestand, Entwicklung, Struktur und Umsetzung der vorgegebenen Ziele der kirchlichen Einrichtung haben. Ihnen kommt eine besondere Verantwortung für die Wahrung des spezifisch religiösen Charakters und damit der Erfüllung von Sendung und Auftrag der Kirche zu. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die außerkirchliche als auch die innerkirchliche Öffentlichkeit (vgl. Dütz, NJW 1994, S. 1369 <1371, 1373>).

163

3. Das Bundesarbeitsgericht hat im Rahmen der Auslegung von § 1 Abs. 2 KSchG bei der Gewichtung der Interessen der Beschwerdeführerin Bedeutung und Tragweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts (Art. 4 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 WRV) verkannt. Es hat auf der ersten Stufe eine eigenständige Bewertung religiös vorgeprägter Sachverhalte vorgenommen und seine eigene Einschätzung der Bedeutung der Loyalitätsobliegenheit und des Gewichtes eines Verstoßes hiergegen an die Stelle der kirchlichen Einschätzung gesetzt, obschon diese anerkannten kirchlichen Maßstäben entspricht und nicht mit grundlegenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen in Widerspruch steht. Auf diese Weise hat es die Unwirksamkeit der Kündigung mit einem vermeintlich leichteren Gewicht der Rechtsposition der Beschwerdeführerin begründet - deren Bestimmung jedoch allein Sache der verfassten römisch-katholischen Kirche gewesen wäre -, statt ein besonders hohes Gewicht der Gegenposition des Klägers des Ausgangsverfahrens in die Abwägung einzubringen (vgl. auch: Reichold/Hartmeyer, AP Nr. 92 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1675 ff.; Pötters, EzA § 611 BGB 2002 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 21, S. 15 ff.; Magen, in: Kämper/Puttler , Straßburg und das kirchliche Arbeitsrecht, 2013, S. 41 <48 ff.>; Melot de Beauregard, NZA-RR 2012, S. 225 <230>).

164

a) Soweit das Bundesarbeitsgericht zu Lasten der Beschwerdeführerin darauf abstellt, dass nach Art. 3 Abs. 2 GrO auch nichtkatholische Personen mit leitenden Aufgaben betraut werden können und die römisch-katholische Kirche es daher offenbar nicht als zwingend erforderlich erachte, Führungspositionen an das Lebenszeugnis für die katholische Sittenlehre zu knüpfen (BAG, Urteil vom 8. September 2011, S. 14 UA (Rn. 41)), liegt hierin eine unzulässige eigene Bewertung der Schwere des Loyalitätsverstoßes. Das Gericht überprüft die in Ausübung der Kirchenautonomie getroffene Abstufung von Loyalitätsobliegenheiten (vgl. BVerfGE 70, 138 <167 f.>) nach Konfession und Stellung im Allgemeinen und erachtet sie anhand seiner eigenen - säkularen - Maßstäbe als widersprüchlich.

165

aa) Die römisch-katholische Kirche hat in Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts bei der flächendeckenden Promulgation der Grundordnung festgelegt, dass der kirchliche Arbeitgeber in der Regel leitende Aufgaben nur einer Person übertragen kann, die katholischen Glaubens ist (vgl. Art. 3 Abs. 2 GrO). In diesem Fall unterliegt der Mitarbeiter nicht nur den nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 GrO für alle katholischen Mitarbeiter geltenden Loyalitätsobliegenheiten, sondern erfährt aufgrund seiner Leitungsposition auch die in Art. 4 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Satz 2 GrO enthaltene weitere Verschärfung der an ihn gerichteten Loyalitätserwartungen. Im Falle des Verstoßes gegen diese Anforderungen sieht Art. 5 Abs. 3 GrO als Regelfall die Kündigung des Arbeitsverhältnisses vor, erachtet den Loyalitätsverstoß also als besonders schwerwiegend. Hiervon ist die Beschwerdeführerin auch im vorliegenden Fall ausgegangen.

166

bb) Diese Einschätzung stellt das Bundesarbeitsgericht dadurch infrage, dass es auf die in der Grundordnung offengehaltene Möglichkeit verweist, leitende Aufgaben - im Ausnahmefall (vgl. hierzu etwa Ziff. 3 der "Ausführungsrichtlinien und Hinweise zur Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse" der Diözese Münster vom 1. April 1994) - auch nichtkatholischen christlichen Mitarbeitern zu übertragen. Zudem erachtet das Bundesarbeitsgericht unter Übergehung der kirchlichen Einschätzung zwei Tatbestände als vergleichbar, die für die römisch-katholische Kirche von ganz unterschiedlichem Gewicht sind: Für ihre Glaubwürdigkeit, die Integrität der Dienstgemeinschaft und die Vertrauensbasis der Mitarbeiterschaft hat es ein signifikant anderes Gewicht, ob in Ausnahmefällen in leitenden Funktionen auch Personen beschäftigt werden, die aus kirchenrechtlichen Gründen von Beginn an nur verminderten Loyalitätsobliegenheiten unterliegen oder ob Personen weiterbeschäftigt werden müssen, die gerade wegen ihrer Zugehörigkeit zur katholischen Kirche bevorzugt diese Positionen erhalten haben und daher erhöhten Loyalitätsbindungen unterliegen, diese aber bewusst brechen und damit nicht nur gegen ihre arbeitsvertraglichen Obliegenheiten, sondern auch gegen ihre Pflichten als Mitglied der Kirche verstoßen.

167

b) Auch soweit das Bundesarbeitsgericht aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin in der Vergangenheit mehrfach auch Chefärzte weiterbeschäftigt habe, die als Geschiedene erneut geheiratet hatten, auf ein vermindertes Kündigungsinteresse geschlossen hat, setzt es seine Einschätzung der Gewichtigkeit des durch den Kläger des Ausgangsverfahrens begangenen Loyalitätsverstoßes an die Stelle der verfassten Kirche, ohne dazu berechtigt gewesen zu sein.

168

aa) Dies gilt zunächst, soweit das Bundesarbeitsgericht auch nichtkatholische geschiedene Chefärzte in seine Betrachtung eingestellt hat. Das Gericht stellt wiederum die Abstufung von Loyalitätsanforderungen nach der Konfession des Stelleninhabers insgesamt in Frage. Dabei setzt es sich über die bereits im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juni 1985 enthaltene Vorgabe hinweg, wonach auch die Entscheidung darüber, ob und wie innerhalb der im kirchlichen Dienst tätigen Mitarbeiter eine "Abstufung" der Loyalitätsobliegenheiten eingreifen soll, eine dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht unterliegende Angelegenheit ist (vgl. BVerfGE 70, 138 <167 f.>).

169

bb) Nichts anderes gilt, soweit das Bundesarbeitsgericht auf die Weiterbeschäftigung katholischer Chefärzte nach ihrer Wiederheirat verweist. Das Bundesarbeitsgericht wäre von Verfassungs wegen nur dann zu einer eigenständigen Gewichtung des Loyalitätsverstoßes des Klägers des Ausgangsverfahrens entgegen der kirchlichen Einschätzung ermächtigt gewesen, wenn es durch die Anwendung der kirchlicherseits vorgegebenen Kriterien mit den grundlegenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen in Widerspruch geraten wäre. Dies ist nicht der Fall. Insbesondere ist die durch die Beschwerdeführerin vorgenommene hohe Gewichtung des Loyalitätsverstoßes seitens des Klägers des Ausgangsverfahrens auch in Anbetracht der Fälle, in denen katholischen Chefärzten nach Wiederverheiratung nicht gekündigt worden war, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. auch Reichold/Hartmeyer, AP Nr. 92 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1675 <1678>).

170

(1) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf im Urteil vom 1. Juli 2010, an die das Bundesarbeitsgericht gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG in Verbindung mit § 559 Abs. 1 ZPO gebunden ist, waren in der Vergangenheit lediglich zwei katholische Chefärzte nach erneuter Heirat weiterbeschäftigt worden. Im ersten Fall erfuhr die Beschwerdeführerin von der Wiederverheiratung des Chefarztes erst einen Monat vor dessen altersbedingtem Ausscheiden und sah in Anbetracht dieses Umstands von einer Kündigung ab. Im zweiten Fall lag der sachgerechte Grund für die abweichende Vorgehensweise der Beschwerdeführerin in der zwischenzeitlich deutlich geänderten innerkirchlichen Rechtslage und der daraus sich ergebenden Vorhersehbarkeit einer Kündigung im Falle einer Wieder- heirat.

171

(2) Verfassungsrechtlich nicht haltbar ist daher auch die Argumentation des Bundesarbeitsgerichts, gerade hieraus lasse sich für den Fall des Klägers des Ausgangsverfahrens der Rückschluss ziehen, dass die Beschwerdeführerin das Ethos ihrer Organisation durch eine differenzierte Handhabung bei der Anwendung und Durchsetzung ihres legitimen Loyalitätsbedürfnisses selbst nicht zwingend gefährdet sah. Einerseits beruht sie auf der wenig überzeugenden Prämisse, dass Kompromissbereitschaft aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls ein Nachweis dafür sei, dass der kompromittierte Wert nicht hoch eingeschätzt werde (vgl. Magen, in: Kämper/Puttler , Straßburg und das kirchliche Arbeitsrecht, 2013, S. 41 <49 f.>). Andererseits basiert sie auf der unzutreffenden Annahme, das kirchliche Selbstbestimmungsrecht falle bei der Abwägung nur dann ins Gewicht, wenn es - auch unter Überspielung der eigenen Grundsätze - seitens der Kirchen ausnahmslos durchgesetzt werde. Ein derartiger "Kündigungsautomatismus", den das Bundesarbeitsgericht der Beschwerdeführerin abzuverlangen scheint, ist jedoch nicht nur dem deutschen Kündigungsschutzrecht fremd, sondern steht auch im Widerspruch zu verfassungsrechtlichen (vgl. BVerfGE 70, 138 <166 f.>) wie konventionsrechtlichen Vorgaben (vgl. EGMR, Obst v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010, Nr. 425/03, § 51).

172

c) Auch die Annahme des Bundesarbeitsgerichts, die Beschwerdeführerin habe nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bereits seit längerem von dem ehelosen Zusammenleben des Klägers mit seiner späteren zweiten Ehefrau gewusst was erkennen lasse, dass die Beschwerdeführerin ihre Glaubwürdigkeit nicht durch jeden Loyalitätsverstoß eines Mitarbeiters als erschüttert ansehe (vgl. BAG, Urteil vom 8. September 2011, S. 14 UA (Rn. 43)), verfehlt die verfassungsrechtlichen Anforderungen und verstößt gegen Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 WRV (zu Fragen des Vertrauensschutzes, vgl. Rn. 181). Das Bundesarbeitsgericht setzt sich über den Maßstab der verfassten Kirche hinweg, indem es das Leben in kirchlich ungültiger Ehe mit dem Leben in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gleichsetzt und aus der vermeintlich bestehenden Gleichwertigkeit beider Tatbestände Rückschlüsse auf eine das Kündigungsinteresse der Beschwerdeführerin verringernde Inkonsistenz der arbeitsrechtlichen Gewichtung und Sanktionierung von Loyalitätsverstößen zieht (vgl. auch Pötters, EzA § 611 BGB 2002 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 21, S. 15<18>; Reichold/Hartmeyer, AP Nr. 92 zu § 1 KSchG 1969, Bl. 1675 <1678>).

173

aa) Die Grundordnung als relevanter Maßstab der verfassten Kirche sieht - neben anderen Tatbeständen - nur den Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe als ausreichend schwerwiegenden Loyalitätsverstoß an, der eine Kündigung des Arbeitnehmers rechtfertigen kann (Art. 5 Abs. 2 Spiegelstrich 2 GrO) und bei leitenden Arbeitnehmern nach Einschätzung der Kirche im Regelfall auch rechtfertigt (Art. 5 Abs. 3 GrO). Diese scharfe Sanktionierung des Loyalitätsverstoßes beruht auf dem besonderen sakramentalen Charakter der Ehe und dem für das katholische Glaubensverständnis zentralen Dogma der Unauflöslichkeit des gültig geschlossenen Ehebandes zu Lebzeiten.

174

Das ehelose Zusammenleben mit einem anderen Partner trotz fortbestehender Ehe hat nach dem Maßstab der verfassten römisch-katholischen Kirche demgegenüber eine andere Qualität. Zwar entspricht die nichteheliche Lebensgemeinschaft neben einer weiterbestehenden Ehe ebenfalls nicht dem Ethos der römisch-katholischen Kirche. Die katholischen Diözesanbischöfe haben jedoch in Ausübung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts und in Ausfüllung der durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juni 1985 den Kirchen überlassenen Spielräume entschieden, diesem Glaubenssatz mit Wirkung für das weltliche Arbeitsverhältnis nicht dasselbe Gewicht zuzumessen wie dem Verbot der erneuten Heirat zu Lebzeiten des ursprünglichen Ehepartners. Die Beschwerdeführerin betont in diesem Zusammenhang, dass erst durch die Wiederheirat der Loyalitätsverstoß eine neue Qualität erreiche, indem der Bruch mit der nach kirchlichem Recht weiterhin gültigen Ehe offiziell dokumentiert und perpetuiert werde (vgl. hierzu bereits: Rüfner, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 2, 2. Aufl. 1995, § 66, S. 901 <923>). Die Wiederverheiratung schaffe zugleich einen kaum mehr änderbaren Dauerzustand, während der Ehebruch - obschon nach der Lehre der Kirche eindeutig missbilligt - durch ein zukünftiges Unterlassen korrigierbar sei und daher noch die Möglichkeit bestehe, dass die eheliche Lebensgemeinschaft wieder hergestellt werde.

175

bb) Dieses in der Grundordnung zum Ausdruck gebrachte und für die welt-lichen Gerichte grundsätzlich bindende Selbstverständnis der römisch-katholischen Kirche, dass gerade der Bruch des sakramentalen Bandes durch eine erneute Heirat einen "wesentlichen Grundsatz der Glaubens- und Sittenlehre" für die römisch-katholische Kirche verletzt und hierin ein besonders schwerwiegender Loyalitätsverstoß zu erblicken ist, ist plausibel und beruht in Anbetracht des Vorstehenden nicht auf einem Verstoß gegen grundlegende verfassungsrechtliche Gewährleistungen, so dass es durch die staatlichen Gerichte ihren Entscheidungen zugrunde zu legen gewesen wäre.

176

Dies hat das Bundesarbeitsgericht missachtet und zugleich die Einschätzung der römisch-katholischen Kirche über die für sie relevanten Loyalitätsobliegenheiten dadurch relativiert, dass es aus der Tatsache, dass ein nach Einschätzung des Gerichts vermeintlich gleichwertiger Loyalitätsverstoß nicht konsequent geahndet wird, auf eine generelle Duldung auch anderer Pflichtverletzungen und eine Vernachlässigung der diesen zugrunde liegenden Prinzipien geschlossen hat. Indem das Bundesarbeitsgericht hierdurch die Kenntnis der Beschwerdeführerin von einem nach Einschätzung der verfassten Kirche qualitativ andersartigen und unbedeutenderen Loyalitätsverstoß zum Anlass nimmt, ihr Interesse an der arbeitsrechtlichen Ahndung des aus ihrer Sicht schwerwiegenderen Loyalitätsverstoßes des Klägers des Ausgangsverfahrens in Frage zu stellen, hat es die auf Grundlage ihrer katholischen Glaubensgrundsätze durch die Kirche gebildete Abstufung der Loyalitätsobliegenheiten und arbeitsrechtlichen Sanktionierungen nivelliert und dem in Art. 137 Abs. 3 WRV gewährleisteten Selbstbestimmungsrecht der Beschwerdeführerin nicht in dem gebotenen Umfang Rechnung getragen.

III.

177

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist daher aufzuheben und die Sache an dieses zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Das Bundesarbeitsgericht wird bei der Auslegung von § 1 Abs. 2 KSchG die praktische Konkordanz zwischen dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV) und der korporativen Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) auf Seiten der Beschwerdeführerin und dem Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) sowie dem Gedanken des Vertrauensschutzes (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) auf Seiten des Klägers des Ausgangsverfahrens herzustellen haben (vgl. hierzu BVerfGE 89, 214 <232>; 97, 169 <176>).

178

1. Art. 6 Abs. 1 GG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts (vgl. BVerfGE 6, 55 <71 f.>; 6, 386 <388>; 9, 237 <248>; 22, 93 <98>; 24, 119 <135>; 61, 18 <25>; 62, 323 <329>; 76, 1 <41, 49>; 105, 313 <346>; 107, 205 <212 f.>; 131, 239 <259>). Er stellt Ehe und Familie als die Keimzelle jeder menschlichen Gemeinschaft unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung (vgl. BVerfGE 6, 55 <72>; 55, 114 <126>; 105, 313 <346>) und garantiert eine Sphäre privater Lebensgestaltung, die staatlicher Einwirkung entzogen ist (stRspr., vgl. BVerfGE 21, 329 <353>; 61, 319 <346 f.>; 99, 216 <231>; 107, 27 <53>). Zum Gehalt der Ehe, wie er sich ungeachtet des gesellschaftlichen Wandels und der damit einhergehenden Änderungen ihrer rechtlichen Gestaltung bewahrt und durch das Grundgesetz seine Prägung bekommen hat, gehört, dass sie die Vereinigung eines Mannes mit einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft ist, begründet auf freiem Entschluss unter Mitwirkung des Staates (vgl. BVerfGE 10, 59 <66>; 29, 166 <176>; 62, 323 <330>; 105, 313 <345>; 115, 1 <19>; 121, 175 <193>; 131, 239 <259>), in der Mann und Frau in gleichberechtigter Partnerschaft zueinander stehen (vgl. BVerfGE 37, 217 <249 ff.>; 103, 89 <101>; 105, 313 <345>) und über die Ausgestaltung ihres Zusammenlebens frei entscheiden können (vgl. BVerfGE 39, 169 <183>; 48, 327 <338>; 66, 84 <94>; 105, 313 <345>).

179

Maßgeblich aus Sicht des Grundgesetzes ist dabei das Bild einer "verweltlichten" bürgerlich-rechtlichen Ehe (vgl. BVerfGE 31, 58 <82 f.>), das durch das christliche Eheverständnis traditionell geprägt, aber mit diesem nicht inhaltlich identisch ist. Da die konstitutiven Merkmale einer Ehe und die Gründe ihrer Aufhebung in der kirchlichen und der staatlichen Rechtsordnung nicht kongruent sind, können daher Bestand und Fortbestand einer Ehe aus Sicht des Staates und aus Sicht der Kirche unterschiedlich beurteilt werden (vgl. Pirson, in: Listl/ders., Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 1994, § 28, S. 787 <798>). Zwar ist auch nach dem deutschen Eherecht die Ehe eine auf Lebenszeit geschlossene Gemeinschaft (vgl. § 1353 Abs. 1 Satz 1 BGB), sie ist jedoch im Gegensatz zu der nach katholischem Ritus geschlossenen Ehe nicht unauflöslich, sondern kann unter den im Gesetz normierten Voraussetzungen geschieden werden, wodurch die Ehegatten ihre Eheschließungsfreiheit wiedererlangen (vgl. BVerfGE 10, 59 <66>; 31, 58 <82>; 53, 224 <245, 250>). Aus diesem Grund kann eine nach einer vorherigen Scheidung geschlossene Ehe verfassungsrechtlich nicht geringer bewertet werden als die Erstehe (vgl. BVerfGE 55, 114 <128 f.>; 66, 84 <93>; 68, 256 <267 f.>; 108, 351 <364>).

180

2. Bisher hat das Bundesarbeitsgericht lediglich festgestellt, dass der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG zu Gunsten des Klägers des Ausgangsverfahrens und seiner zweiten Ehefrau eröffnet ist und dass der Schutz von Ehe und Familie daher - ebenso wie die Wertungen aus Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 12 EMRK - im Wege mittelbarer Drittwirkung bei der Auslegung von § 1 Abs. 2 KSchG Berücksichtigung zu finden hat. Es hat jedoch bisher nicht dargelegt, weshalb diese Rechtspositionen, die begrifflich bei ausnahmslos jeder Kündigung wegen Wiederverheiratung betroffen sind, gerade im vorliegenden Fall in einem Maße tangiert sind, das es rechtfertigen würde, den Interessen des Klägers des Ausgangsverfahrens den Vorrang vor den Interessen der Beschwerdeführerin einzuräumen. Der Hinweis auf die Eröffnung des Schutzbereichs kann für sich genommen hierfür nicht ausreichen, da anderenfalls die in Ausübung des verfassungsrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrechts festgelegte Loyalitätsobliegenheit entwertet (vgl. auch: Joussen, in: Kämper/Puttler , Straßburg und das kirchliche Arbeitsrecht, 2013, S. 27 <38>) und ein Vorrang von Art. 6 Abs. 1 GG gegenüber den kirchlichen Rechtspositionen vermutet würde, der verfassungsrechtlich nicht geboten ist. Andererseits reicht dieser Hinweis auch nicht, um der für den Kläger des Ausgangsverfahrens und seiner jetzigen Ehefrau aus der Situation erwachsenden emotionalen Zwangslage gerecht zu werden. Das Bundesarbeitsgericht wird daher - gegebenenfalls nach Ermöglichung ergänzender Tatsachenfeststellungen - eine eingehende und alle wesentliche Umstände des Einzelfalls berücksichtigende Abwägung der durch die Kündigung tangierten Rechtspositionen der Beschwerdeführerin und des Klägers des Ausgangsverfahrens vorzunehmen haben.

181

3. Das Bundesarbeitsgericht wird auch den Gedanken des Vertrauensschutzes insoweit zu würdigen haben, als § 10 Abs. 4 Nr. 2 des Arbeitsvertrages in Abweichung von der Grundordnung unterschiedliche Bewertungen hinsichtlich von Verstößen gegen kirchliche Grundsätze - Verstoß gegen das Verbot des Lebens in kirchlich ungültiger Ehe einerseits und Verstoß gegen das Verbot des Lebens in nichtehelicher Gemeinschaft andererseits - nicht vorsieht und die individualvertragliche Abrede besonderes Vertrauen des Arbeitnehmers ausgelöst haben könnte.

182

4. Ferner wird es zu beachten haben, dass die Freiwilligkeit der Eingehung von Loyalitätsobliegenheiten durch den kirchlichen Arbeitnehmer im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen ist (vgl. BAG, Urteil vom 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - juris, Rn. 32; EGMR, Schüth v. Deutschland, Urteil vom 23. September 2010 Nr. 1620/03, § 71; EGMR, Siebenhaar v. Deutschland, Urteil vom 3. Februar 2011 Nr. 18136/02, § 46) und dem Arbeitgeber nach einem einmaligen Fehlverhalten die Fortführung des Arbeitsverhältnisses eher zugemutet werden kann als in Konstellationen, in denen er dauerhaft mit dem illoyalen Verhalten des Arbeitnehmers konfrontiert wird (vgl. BAG, Urteil vom 25. Mai 1988 - 7 AZR 506/87 - juris, Rn. 27; hierzu auch: BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 31. Januar 2001 - 1 BvR 619/92 -, juris, Rn. 8 f.).

D.

183

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Dies erscheint auch in Anbetracht des durch die Beschwerdeführerin noch vollständig erreichbaren (fachgerichtlichen) Rechtsschutzziels nicht als unangemessen.

(1) Das Grundgesetz kann nur durch ein Gesetz geändert werden, das den Wortlaut des Grundgesetzes ausdrücklich ändert oder ergänzt. Bei völkerrechtlichen Verträgen, die eine Friedensregelung, die Vorbereitung einer Friedensregelung oder den Abbau einer besatzungsrechtlichen Ordnung zum Gegenstand haben oder der Verteidigung der Bundesrepublik zu dienen bestimmt sind, genügt zur Klarstellung, daß die Bestimmungen des Grundgesetzes dem Abschluß und dem Inkraftsetzen der Verträge nicht entgegenstehen, eine Ergänzung des Wortlautes des Grundgesetzes, die sich auf diese Klarstellung beschränkt.

(2) Ein solches Gesetz bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates.

(3) Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 271/99 Verkündet am:
11. Februar 2000
R i e g e l ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
-----------------------------------
GG Art. 2 Abs. 1; 20 Abs. 3; 92; 140 i.V.m. WRV Art. 137 Abs. 3;

a) Eine Kirchen- oder Religionsgemeinschaft (hier: jüdische Gemeinde) kann vor
den staatlichen Gerichten ein Mitglied auf Unterlassung in Anspruch nehmen,
auch wenn dazu innergemeinschaftliche Vorfragen (hier: zur Vertretung der Gemeinde
) geklärt werden müssen.

b) Ist die Vorfrage durch ein Schiedsgericht der Kirche oder Religionsgemeinschaft
entschieden (hier durch Einsetzung eines kommissarischen Vorstandes), so sind
die staatlichen Gerichte daran grundsätzlich gebunden.
BGH, Urt. v. 11. Februar 2000 - V ZR 271/99 - OLG Naumburg
LG Halle
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Februar 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die
Richter Dr. Vogt, Schneider, Prof. Dr. Krüger und Dr. Klein

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 14. Dezember 1998 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist eine jüdische Religionsgemeinschaft mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Im Dezember 1996 wurde der Beklagte in deren Vorstand gewählt und von diesem zum Vorsitzenden bestimmt. Diese Wahl wurde von dem früheren, im Oktober 1995 gewählten Vorstand und dessen Vorsitzenden nicht anerkannt. Es kam zu Streitigkeiten darüber, wer die Klägerin rechtswirksam vertrete. Das von beiden Vorsitzenden als Repräsentanten der streitenden Gruppen jeweils namens der Klägerin angerufene Schiedsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland erklärte mit Schiedsurteil vom 17. April 1997 beide Wahlen für ungültig und übertrug die Geschäftsführung kommissarisch einer von dem Präsidium des Zentralrats der Juden in Deutschland zu benennenden Person mit der Aufgabe, nach Vorlage eines Berichts des Landesrechnungshofs Neuwahlen durchführen zu lassen.
Zwischen dem kommissarisch eingesetzten Vorsitzenden und dem Beklagten kam es in der Folge zu Auseinandersetzungen um die Führung der Klägerin. Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zur Unterlassung folgender Handlungen zu verurteilen:
1. die Räume der Klägerin zu betreten,
2. die Geschäftsführung des kommissarischen Geschäftsführers zu behindern , insbesondere diesem den Zutritt zu den Verwaltungsräumen zu verwehren,
3. Einfluß auf die Verwaltungstätigkeit der Klägerin zu nehmen, insbesondere deren Angestellten organisatorische Weisungen zu erteilen,
4. sich als Vorstandsvorsitzenden der Klägerin zu bezeichnen und unter dieser Bezeichnung im Rechtsverkehr, insbesondere unter Verwendung eines entsprechenden Kopfbogens, des Davidsterns oder des Amtssiegels aufzutreten.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß sich der Klageantrag Nr. 1 erledigt hat. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision des Beklagten mit dem Ziel der Klageabweisung, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Klägerin stehe gegen den Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung gemäß §§ 862, 1004 BGB zu. Der Beklagte habe die ihm vorgeworfenen Handlungen eingeräumt. Die alleinige Vertretungsmacht des kommissarischen Vorsitzenden stehe aufgrund des Urteils des Schiedsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland als einer von einer "innerkirchlichen" Gerichtsbarkeit getroffenen Entscheidung fest. Um die autonome "kirchliche" Körperschaft nicht rechtsschutzlos zu stellen, müsse der Staat die Durchsetzung einer religionsintern getroffenen Entscheidung gewährleisten.
Das hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.

II.

1. Den Rechtsweg zu den Zivilgerichten hat schon das Landgericht durch unangefochtenen Beschluß bejaht. Dies bindet den Senat (§ 17 a GVG). Davon zu trennen ist die andere Frage, ob die Klägerin überhaupt bei staatlichen Gerichten um Rechtsschutz nachsuchen kann. Diese Frage ist auch in der Revisionsinstanz in vollem Umfang zu prüfen, weil es weder um den Rechtsweg unter den staatlichen Gerichten, noch um Fragen der Zuständigkeit (§ 549 Abs. 2 ZPO) geht.
Ohne Erfolg rügt die Revision insoweit, die Klage sei bereits als unzulässig abzuweisen, da eine rein innergemeinschaftliche Angelegenheit gegeben sei, die keiner Rechtskontrolle durch staatliche Gerichte unterliege.
Aus der dem Staat obliegenden Justizgewährungspflicht (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip; Art. 92 GG) folgt, daß die staatlichen Gerichte grundsätzlich zur Entscheidung aller Rechtsfragen berufen sind, deren Beurteilung sich nach staatlichem Recht richtet (BVerfG, NJW 1999, 349; BVerfGE 85, 337, 345; von Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Aufl., S. 365; Kästner, Staatliche Justizhoheit und religiöse Freiheit, S. 111). Insoweit kann es weder auf ein staatliches Einverständnis zur Inanspruchnahme der Gerichte durch Kirche bzw. Religionsgemeinschaft ankommen, noch ist die staatliche Gerichtsbarkeit gegenüber der Gerichtsbarkeit der Religionsgemeinschaft subsidiär (von Campenhausen, aaO, S. 205; ders., AöR 112 (1987) 623, 629; Bock, Der kirchliche Dienst und das staatliche Recht, in Das Recht der Kirche Bd. III, 531, 536). Sollte in BGHZ 46, 96, 101 und in BGHZ 34, 372, 374 hierzu etwas anderes zum Ausdruck gekommen sein, hält der Senat (der für die Beurteilung kirchenrechtlicher Verhältnisse zuständig ist) hieran nicht fest. Ist der Rechtsweg durch die staatlichen Prozeßordnungen allgemein eröffnet , widerspräche es dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), Ansprüche der Religionsgemeinschaften auf staatlichen Rechtsschutz anders zu behandeln als Ansprüche der anderen Rechtssubjekte (Weber, Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland (HdbStKirchR), 2. Aufl., S. 1051). Die Pflicht des Staates zur Justizgewährung hat deshalb sowohl gegen als auch zugunsten der Religionsgemeinschaften in gleicher Weise wie für und gegen alle Rechtssubjekte auf dem Staatsgebiet selbst dann zu gelten, wenn bei der Anwendung staatlicher Rechtssätze religionsgemeinschaftliche Vorfra-
gen zu klären sind (von Campenhausen, aaO, 627; Weber, NJW 1989, 2217, 2218 f; Rüfner, HdbStKirchR, S. 1090 f; Schmidt-Bleibtreu, GG, 9. Aufl., Art. 140 Rdn. 4 a).
Allerdings garantiert der über Art. 140 GG als Bestandteil des Grundgesetzes fortgeltende Art. 137 Abs. 3 WRV vom 11. August 1919 den Kirchen und Religionsgesellschaften, ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und zu verwalten (BVerfGE 18, 385, 386). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist diese Garantie eine notwendige, rechtlich selbständige Gewährleistung , die der Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 2 GG) die dazu unerläßliche Freiheit der Bestimmung über Organisation, Normsetzung und Verwaltung hinzufügt (BVerfGE 70, 138, 164 m.w.N.). Dieses religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmungsrecht ist neben der Religionsfreiheit (Art. 4 GG) und der Trennung von Staat und Kirche (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV) die dritte Säule der staatskirchenrechtlichen Ordnung des Grundgesetzes. Es gilt für alle Religionsgemeinschaften unabhängig davon, ob sie - wie die Klägerin - die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besitzen, privatrechtliche Vereine sind oder der Rechtsfähigkeit überhaupt entbehren (von Campenhausen, Staatskirchenrecht, aaO, S. 105 f) und schließt für rein "innerkirchliche" Maßnahmen jede staatliche Einmischung - auch eine Überprüfung durch staatliche Gerichte - in der Regel aus (BVerfG, NJW 1999, 350 m.w.N.; SchmidtBleibtreu , aaO, Art. 140 Rdn. 4 a).
Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften setzt folglich dem staatlichen Rechtsschutz Grenzen (Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 113). Selbstverwaltungsrecht und allge-
meine Gesetze sowie ihre Durchsetzung durch die staatlichen Gerichte stehen damit in einem Wechselverhältnis, dem durch entsprechende Güterabwägung Rechnung zu tragen ist. Dabei ist dem Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften besonderes Gewicht beizumessen (BVerfG, NJW 1999, 349, 350). Es kommt deshalb darauf an, ob und inwieweit die jeweils in Rede stehende Maßnahme von deren Selbstbestimmungsrecht erfaßt wird und die Schranken "des für alle geltenden Gesetzes" nicht überschreitet. Die Frage, ob eine Maßnahme diesem Bereich zuzurechnen ist oder den staatlichen Bereich berührt, entscheidet sich danach, was materiell, der Natur der Sache oder Zweckbeziehung nach, als eigene Angelegenheit der Kirche oder Religionsgemeinschaft anzusehen ist (BVerfGE 18, 385, 387). Zu den innergemeinschaftlichen Angelegenheiten gehört auch das Organisationsrecht, namentlich die Wahl der Vertretungsorgane. Der bürgerliche Rechtskreis der beteiligten Personenkreise wird durch solche Regeln nicht berührt (BVerfG NJW 1999, 350).
Das Berufungsgericht hat demnach die Klage zu Recht als zulässig erachtet. Streitgegenstand sind die von der Klägerin geltend gemachten Unterlassungsansprüche und nicht die Frage ihrer Vertretung, die lediglich eine Vorfrage ist. Das Klagebegehren ist zivilrechtlicher Natur. Das Zivilrecht gehört zu den "für alle geltenden Gesetzen" und nicht zu den innergemeinschaftlichen Angelegenheiten (von Campenhausen, aaO, 633; ders., Staatskirchenrecht, S. 121; Rüfner, aaO, S. 1091). Es ist somit nach staatlichem Recht zu beurteilen.
Daß dabei möglicherweise innergemeinschaftliche Regelungen oder Entscheidungen von präjudizieller Bedeutung sind für die Beurteilung des streitgegenständlichen Rechtsverhältnisses, steht dem nicht entgegen. Die
staatliche Gerichtsbarkeit kann wegen der Justizgewährungspflicht, die hier aus dem zivilrechtlichen Streitgegenstand folgt, einer Entscheidung nicht ausweichen , auch wenn im Rahmen der Begründetheit innergemeinschaftlichen Vorfragen in besonderer Weise Rechnung zu tragen ist (Sachs, DVBl 1989, 487, 494).
2. Rechtsfehlerfrei bejaht das Berufungsgericht einen Unterlassungsanspruch der Klägerin nach §§ 862, 1004 BGB. Diese Vorschriften sind, soweit es nicht ohnehin um Besitz und Eigentum der Klägerin geht, jedenfalls analog anwendbar , als die Klägerin damit den Schutz ihrer autonomen Verwaltungstätigkeit durch den eingesetzten kommissarischen Geschäftsführer geltend macht. Das zieht auch die Revision nicht in Zweifel. Das Berufungsgericht hat unangegriffen festgestellt, daß das Verhalten des Beklagten in der Vergangenheit die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen des in den Klageanträgen 2 bis 4 bezeichneten Rechtsbereichs der Klägerin begründet.
Mit Recht hat das Berufungsgericht im Hinblick auf die vorgreifliche Frage der Vertretung der Klägerin auf das insoweit die staatlichen Gerichte bindende Urteil des Schiedsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland vom 17. April 1997 abgestellt. Die Revisionsangriffe des Beklagten hiergegen greifen nicht durch.
Das Schiedsurteil ist eine Entscheidung in einer innergemeinschaftlichen Angelegenheit durch ein Gericht der Religionsgemeinschaft. Sie ist für den Senat bindend und einer Überprüfung nicht zugänglich. Dies folgt unmittelbar aus den oben unter I 1 dargestellten Grundsätzen über die Beachtung des Selbstbestimmungsrechts und die dadurch gegebene Begrenzung des
staatlichen Rechtsschutzes im Bereich der Religionsgemeinschaft. Zwar hat die Entscheidung des Schiedsgerichts über die Vertretung der Klägerin auch mittelbare Rechtswirkungen etwa im bürgerlichen Recht. Das rechtfertigt jedoch keine erweiterte Prüfungskompetenz staatlicher Gerichte. Vielmehr sind solche vorgreiflichen Entscheidungen selbst dann grundsätzlich zu respektieren (BGHZ 12, 321, 323; OVG Magdeburg, NJW 1998, 3070, 3071; OLG Naumburg NJW 1998, 3060, 3061; Sachs, aaO, 495; Heckel, aaO, S. 228; Rüfner, aaO, S. 1090; Johnsen, Nachprüfbarkeit kirchlicher Rechtshandlungen der staatlichen Gerichte (1956) S. 195 f; im Ergebnis auch Hesse, aaO, S. 136, der andernfalls die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen sieht), wenn das im Einzelfall dazu führen kann, daß staatliche Gerichte an der Durchsetzung von Entscheidungen mitwirken, von denen sie mangels vollständiger Überprüfbarkeit gar nicht wissen, ob die angeordneten Maßnahmen berechtigt sind (vgl. BGHZ 29, 352, 363 zum Vereinsrecht). Das ist im Hinblick auf das verfassungsrechtlich abgesicherte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften hinzunehmen, jedenfalls solange die Entscheidung nicht willkürlich ist oder gegen fundamentale Rechtsprinzipien verstößt (vgl. BVerfGE 70, 138, 168; Rüfner, aaO, S. 1090; Johnsen, aaO, S. 195). Das bezweifelt im Ansatz auch die Revision nicht.
Nicht gefolgt werden kann der Auffassung der Revision, das Schiedsgericht sei nur von "Privatpersonen" angerufen worden und könne schon deshalb zugunsten der Klägerin keine Bindungswirkung entfalten. Das Schiedsgericht angerufen haben sowohl der Beklagte als auch sein Konkurrent (als Repräsentanten der streitenden Gruppen innerhalb der Klägerin) jeweils - wie das Berufungsgericht unangefochten feststellt - namens der Klägerin, wobei jeder für sich in Anspruch nahm, rechtswirksam deren Vorstandsvorsitzender zu
sein. Auch das Ziel des Beklagten war es mithin, seine Vertretungsbefugnis für die Klägerin durch das Schiedsgericht feststellen zu lassen. Die für ihn (und seinen Konkurrenten) negative Entscheidung durch Schiedsurteil kann der Beklagte insoweit nicht dadurch in Frage stellen, daß er nunmehr hervorhebt, nach dem eigenen Standpunkt des Schiedsgerichts habe wegen Unwirksamkeit der vorangegangenen Wahlen weder er noch sein Konkurrent die Klägerin wirksam vertreten und sie damit dem Spruch des Schiedsgerichts unterwerfen können. Dies liefe sonst letztlich auf eine sachliche Überprüfung des Schiedsurteils hinaus, die den staatlichen Gerichten entzogen ist. Das Schiedsurteil entfaltet für diese vielmehr eine Art Tatbestandswirkung, die als solche nur festzustellen und zu respektieren ist.
Das Schiedsurteil verstößt weder gegen fundamentale Rechtsgrundsätze , noch ist es willkürlich. Zwar ist in § 15 Abs. 2 der Schiedsgerichtssatzung vorgesehen, das Gericht werde in Streitigkeiten satzungsrechtlicher Art nur nach Vorlage einer von den Streitparteien rechtswirksam unterzeichneten schriftlichen Unterwerfungserklärung tätig. Ob das Fehlen einer solchen Unterwerfungserklärung als Verfahrensfehler beurteilt werden könnte, mag offenbleiben. Die damals allein in Betracht kommenden Beteiligten, nämlich der Beklagte und sein Konkurrent, haben nämlich eine Entscheidung des Schiedsgerichts zur Vertretung der Klägerin nachgesucht und das Fehlen einer Unterwerfungserklärung nicht gerügt. Von einer willkürlichen Verfahrensweise kann mithin keine Rede sein. Der Beklagte verhält sich im übrigen auch treuwidrig, wenn er nunmehr das Schiedsurteil unter dem erörterten formalen Aspekt nicht gegen sich gelten lassen will.
Das Schiedsurteil ist als innergemeinschaftlicher Akt auch insoweit der Nachprüfung entzogen, als es um die Frage geht, ob das Gericht mit der Einsetzung eines vom Zentralrat der Juden zu benennenden kommissarischen Vorsitzenden seine Entscheidungskompetenz überschritten hat. In Anbetracht der von ihm selbst angenommenen Ungültigkeit beider vorangegangenen Wahlen war es weder willkürlich noch ein Verstoß gegen fundamentale Grundsätze , die Handlungsfähigkeit der Klägerin durch die Einsetzung eines Notgeschäftsführers wieder herzustellen, zumal - wie das Berufungsgericht auch unangegriffen feststellt - die wirtschaftliche Existenz der Klägerin unter Verwendung eines jährlichen Landeszuschusses in Höhe von 450.000 DM in hohem Grade gefährdet war.
Rechtlich zutreffend nimmt das Berufungsgericht auch an, daß die streitenden Konkurrenten das einmal ergangene Schiedsurteil nicht über eine Vereinbarung vom 29. Mai 1997 wieder aus der Welt schaffen konnten. Dieses Urteil erging zwar auf Veranlassung der damals Beteiligten, verhielt sich aber zur Vertretung der Klägerin, die es - wovon hier nach den obigen Ausführungen auszugehen ist - verbindlich regelte. Es begründete damit eine Rechtsposition zugunsten der Klägerin, die die um den Vorstandsvorsitz streitenden Beteiligten nicht mehr ohne deren Mitwirkung beseitigen konnten, zumal sie nach dem Ausgangspunkt des Schiedsurteils gerade nicht zur Vertretung der Klägerin berechtigt waren.
Soweit sich der Beklagte auf ein von ihm vorgelegtes Urteil eines israelischen Rabbinatsgerichts von 25. Juni 1997 bezieht, das die Unwirksamkeit des Schiedsurteils vom 17. Mai 1997 feststellt und eine Vertretung der Klägerin unter anderem durch den Beklagten annimmt, hat das Berufungsgericht unter
Auseinandersetzung mit entsprechenden Fachgutachten angenommen, dieses Urteil des Rabbinatsgerichts als eines sog. "Gerechtigkeitsgerichts" entfalte keine Rechtswirkungen gegenüber dem Schiedsurteil und verstoße im übrigen auch wegen Verletzung elementarer Grundsätze (Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör) gegen den "ordre public". Ob die dagegen vorgebrachten Rügen der Revision durchgreifen, kann offenbleiben, weil nach dem unstreitigen Sachvortrag das Urteil des Rabbinatsgerichts später wieder aufgehoben worden ist.
Regelt mithin das Schiedsurteil die Vertretung der Klägerin verbindlich auch gegenüber dem Beklagten bis zu der vom kommissarischen Vorsitzenden durchzuführenden Neuwahl eines neuen Vorstands, so folgt daraus, daß die vom Beklagten einberufene außerordentliche Mitgliederversammlung vom 25. Mai 1997 und die dort gefaßten Beschlüsse zur Abberufung des kommissarischen Geschäftsführers die rechtswirksame Vertretung der Klägerin durch diesen nicht in Frage stellen können. Daß dies nach innergemeinschaftlichem Recht anders sein könnte, hat der Beklagte nicht hinreichend dargetan.
Offenbleiben kann, ob die vom kommissarischen Geschäftsführer der Klägerin veranlaßte Ausarbeitung einer neuen Satzung und Wahlordnung sowie die Beschlußfassung hierüber aus dem Jahre 1998 rechtswirksam ist; denn diese Vorgänge können an der Vertretung der Klägerin ohnehin nichts ändern. Den staatlichen Gerichten steht es auch nicht zu, darüber zu befinden, ob entgegen dem Schiedsurteil die Notgeschäftsführung bei der Klägerin durch Zeitablauf beendet ist. Das Schiedsurteil hat eine kommissarische Vertretung der Klägerin angeordnet bis zur Durchführung neuer Vorstandswahlen.
3. Das Berufungsgericht hat im Tenor seiner Entscheidung festgestellt, daß der Klageantrag Nr. 1 erledigt sei, ist hierauf in den Entscheidungsgründen aber nicht weiter eingegangen. Soweit die Revision insoweit eine Rüge nach § 551 Nr. 7 ZPO erhebt, greift sie nicht durch. Eine Begründung ist nämlich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmen. Der Antrag Nr. 1 war darauf gerichtet, dem Beklagten das Betreten der Gemeinderäume zu verbieten , weil der Geschäftsführer ihm aufgrund gewisser Vorgänge Hausverbot erteilt hatte. Nachdem dieses Hausverbot während des Rechtsstreits wieder aufgehoben worden ist, erklärte die Klägerin den Antrag Nr. 1 für erledigt. Der Teilerledigungserklärung hat sich der Beklagte nicht angeschlossen. Da die Klage entsprechend den vorstehenden Ausführungen begründet war, ist die streitige Erledigungsfeststellung durch das Berufungsgericht nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Vogt Schneider Krüger Klein

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 261/02 Verkündet am:
28. März 2003
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Für die Gehaltsklage aus dem Dienstverhältnis eines Geistlichen der Heilsarmee ist
der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten auch dann gegeben, wenn die Begründetheit
des Anspruchs davon abhängt, ob der Geistliche wirksam aus dem Dienst
entlassen worden ist.

b) Für den Justizgewährungsanspruch gegenüber einer Kirche oder Glaubensgemeinschaft
ist bei einer innerkirchlichen Streitigkeit weder die Unterscheidung von Amtsund
Dienstverhältnis noch die zwischen kirchlichem Amtsrecht und vermögensrechtlicher
Folge von Bedeutung.

c) Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht schränkt nicht die Justizgewährungspflicht ein,
wohl aber das Maß der Justiziabilität der angegriffenen Entscheidung.

d) Besteht die Möglichkeit, innerkirchliche Streitigkeiten durch die Anrufung kircheneigener
Gerichte oder Schlichtungsgremien beizulegen, besteht für die Anrufung staatlicher
Gerichte vor Erschöpfung des kirchlichen Rechtswegs kein Rechtsschutzbedürfnis.

e) Eine von der geistlichen Grundordnung und von dem Selbstverständnis der Kirche
oder Glaubensgemeinschaft getragene Maßnahme nach autonomem Kirchen- oder
Gemeinschaftsrecht kann durch staatliche Gerichte nicht auf ihre Rechtmäßigkeit,
sondern nur auf ihre Wirksamkeit überprüft werden.

f) Die Wirksamkeitskontrolle ist darauf beschränkt, ob die Maßnahme gegen Grundprinzipien
der Rechtsordnung verstößt, wie sie in dem allgemeinen Willkürverbot (Art. 3
Abs. 1 GG) sowie in dem Begriff der guten Sitten (§ 138 BGB) und in dem des ordre
public (Art. 30 EGBGB) ihren Niederschlag gefunden haben.

g) Auch bestandskräftig gewordene Entscheidungen eines kirchlichen Gerichts unterliegen
nur der Wirksamkeitskontrolle.

h) Die Frage, ob ein Geistlicher aus dem Dienst wirksam entlassen ist, unterfällt der
autonomen Entscheidung der Kirche oder Glaubensgemeinschaft.
BGH, Urt. v. 28. März 2003 - V ZR 261/02 - OLG Köln
LG Köln
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. März 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und
Dr. Schmidt-Räntsch

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 23. Juli 2002 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Kläger verpflichteten sich 1975 gemeinsam für den Offiziersdienst der beklagten H. . Sie unterschrieben dabei eine Verpflichtungserklärung , in welcher sie sich ausdrücklich damit einverstanden erklärten, nicht "angestellt" zu sein und auch keinen Arbeitsvertrag abzuschließen.
Nach ihrer Ausbildung in B. versahen die Kläger ihren Dienst als Offiziere, zuletzt im Rang von Majoren, im missionarischen Dienst in der Gemeinde zu P. . Im Jahre 1998 kam es zu schriftlichen Beanstandungen durch den Territorialleiter der Beklagten, der den Klägern Mängel in der Buchund Kassenführung sowie den Zustand des Offiziersquartiers und der Korpsräume , in denen Sach- und Kleiderspenden lagerten, vorhielt. Nach mehrfachen fruchtlosen Ermahnungen wurden die Kläger in die Schweiz versetzt. Dort
stellte sie die Beklagte im Februar 2001 "indisponibel". Mit Schreiben vom 29. Januar 2001 erklärte der Territorialleiter der Beklagten den Offiziersdienst der Kläger für beendet. Der Versuch eines Neuanfangs in der Schweiz sei gescheitert. Die Kläger seien zum Offiziersdienst nicht weiter geeignet.
Die Kläger haben beantragt, die Beklagte zur Zahlung ihres Gehalts für die Monate März bis November 2001, nämlich 9.219,06 DM und 30.294,54 DM nebst Zinsen, zu verurteilen. Sie haben die Ansicht vertreten, sie stünden in einem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten, das weder durch die Versetzung in die Schweiz noch durch die Entlassung aus dem Offiziersdienst beendet worden sei. Die Beklagte hat demgegenüber den Standpunkt eingenommen, die staatlichen Gerichte seien zur Entscheidung hierüber nicht berufen.
Das von den Klägern zunächst angerufene Arbeitsgericht in P. hat den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht K. verwiesen, das ihn seinerseits mangels Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten an das Landgericht K. verwiesen hat. Das Landgericht hat die Klage als unzulässig verworfen und das Oberlandesgericht hat sie als unbegründet abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihren Gehaltsanspruch weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:

I.


Das Berufungsgericht vertritt die Auffassung, die staatlichen Gerichte seien zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits berufen. Die Kläger
seien als Offiziere der Heilsarmee Geistlichen anderer Religionsgemeinschaf- ten vergleichbar. Ein Arbeitsverhältnis bestehe zwischen den Parteien nicht. Ob Geistliche, die nicht in einem Arbeitsverhältnis stehen, vor staatlichen Gerichten auf Gehaltszahlungen klagen könnten, sei höchstrichterlich bisher noch nicht entschieden worden. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 18. September 1999, NJW 1999, 349) und des Bundesgerichtshofes (Senatsurt. v. 11. Februar 2000, V ZR 271/99, NJW 2000, 1555) sei dies jedenfalls dann zu bejahen, wenn – wie hier – ein interner Rechtsweg nicht zur Verfügung stehe. In der Sache selbst bleibe die Klage aber ohne Erfolg. Der Status der Kläger als Offiziere der Beklagten sei durch deren Schreiben vom 29. Januar 2001 wirksam beendet worden. Ob diese Beendigung sachlich berechtigt sei, hätten die staatlichen Gerichte mit Rücksicht auf die Kirchenautonomie nicht zu prüfen.

II.


Dies hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Eröffnung des Rechtswegs zu den staatlichen Gerichten bejaht. Dies ist vom Revisionsgericht selbständig zu prüfen und durch § 545 Abs. 2 ZPO seiner Entscheidung nicht entzogen (Senatsurt. v. 11. Februar 2000, V ZR 291/99, NJW 2000, 1555; MünchKommZPO /Wenzel, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 545 Rdn. 17).

a) Die Beklagte ist eine anerkannte Glaubensgemeinschaft des öffentlichen Rechts. Für Kirchen- oder Glaubensgemeinschaften hat der Senat mit
Urteil vom 11. Februar 2000 (V ZR 271/99, NJW 2000, 1555 mit Anm. v. Cam- penhausen, Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht (ZevKR) 2000, 622; Kästner, NVwZ 2000, 889; Maurer, JZ 2000, 1113; Nolte, NJW 2000, 1844; Rüfner, LM GG Art. 2 Nr. 73) entschieden, daß die staatlichen Gerichte grundsätzlich zur Entscheidung aller Rechtsfragen berufen sind, deren Beurteilung sich nach staatlichem Recht richtet. Dem hat sich das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 28.2.2002 (JZ 2002, 1102 m. Anm. Maurer) angeschlossen. Die Pflicht des Staates zur Justizgewährung hat sowohl gegen als auch zugunsten der Kirchen und Glaubensgemeinschaften in gleicher Weise wie für und gegen alle Rechtssubjekte auf dem Staatsgebiet selbst dann zu gelten, wenn bei der Anwendung staatlicher Rechtssätze glaubensgemeinschaftliche Vorfragen zu klären sind. Das verfassungsrechtlich garantierte kirchliche Selbstbestimmungsrecht (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV) bedingt keine Freistellung von staatlicher Justizhoheit. Es unterliegt nach Art. 137 Abs. 3 WRV vielmehr den Schranken des für alle geltenden Gesetzes.

b) Die Entscheidung des Senats vom 11. Februar 2000 (V ZR 291/99, NJW 2000, 1555) betrifft zwar den zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch einer Glaubensgemeinschaft gegen eines ihrer Mitglieder, ist in ihrem grundsätzlichen Verständnis hierauf aber nicht beschränkt. Der Justizgewährungsanspruch gilt für alle Rechtsfragen, deren Beurteilung sich nach staatlichem Recht richtet, und zwar auch dann, wenn die Kirche oder Glaubensgemeinschaft – wie hier die Beklagte - die Zuständigkeit der staatlichen Gerichtsbarkeit nicht eigens kirchenrechtlich begründet hat. Die Justizgewährungspflicht hängt auch nicht davon ab, ob der Staat mit einer ihm ausdrücklich oder stillschweigend "angedienten" Jurisdiktion ausdrücklich "einverstanden" ist (so noch BGHZ 46, 96, 101). Der Anrufung staatlicher Gerichte steht schließlich
nicht entgegen, daß die Kläger als Offiziere der Heilsarmee den Geistlichen der Kirchen und anderer Glaubensgemeinschaften vergleichbar sind und Vermögensansprüche aus dem Dienstverhältnis zur Beklagten geltend machen. Der geltend gemachte Gehaltsanspruch nach den für das Dienstverhältnis geltenden innergemeinschaftlichen Regeln ist ebenso ein grundlegendes Rechtselement abhängiger Dienstverhältnisse wie der korrespondierende Anspruch auf Bereitstellung der Arbeitskraft. Beides ist daher auch aus staatlichem Recht ableitbar. Dies bedarf jedoch keiner Vertiefung, weil die Justizgewährungspflicht des Staates nicht nur dann eingreift, wenn es bei einer innerkirchlichen Streitigkeit um einen aus staatlichem Recht ableitbaren Anspruch geht. Sie besteht vielmehr auch dann, wenn es bei einem allein innerkirchlich begründeten Anspruch oder einer rein innerkirchlichen Rechtsfrage um die Anwendung der für alle geltenden allgemeinen Gesetze geht. Mithin ist der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten selbst dann eröffnet, wenn es sich - wie hier - um ein "verkapptes Statusverfahren" handelt, bei dem die Begründetheit des verfolgten Anspruchs davon abhängt, ob die Beklagte den Offiziersdienst der Kläger wirksam beendet hat. Denn für die Justizgewährungspflicht ist weder die Unterscheidung von Amts- und Dienstverhältnis noch die zwischen kirchlichem Amtsrecht und vermögensrechtlicher Folge von Bedeutung. Abgesehen davon, daß beide Bereiche derart miteinander verzahnt sind, daß ihre Unterscheidung schon tatsächlich auf Schwierigkeiten stößt, ist die Differenzierung auch unerheblich. Die staatliche Gerichtsbarkeit kann einer Entscheidung nicht deswegen ausweichen, weil die Rechtsfrage den kirchlich autonomen Bereich, wie etwa den der Organisations- und Ämterhoheit, betrifft. Denn auch dieser ist nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV nicht exemt, sondern in die staatliche Rechtsordnung eingebunden (v. Campenhausen , Staatskirchenrecht, 3. Aufl., 363 ff.; Kästner, NVwZ 2000, 889,
890). Ob eine zum Kernbereich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts ge- hörende Maßnahme oder Entscheidung mit den Grundprinzipien der Rechtsordnung vereinbar ist, beurteilt sich nach staatlichem Recht, für das nur die staatlichen Gerichte zur Entscheidung berufen sind. Soweit das Bundesverwaltungsgericht hierzu eine andere Ansicht vertritt (vgl. Urt. v. 30. Oktober 2002, 2 C 23/01), kann dem der Senat nicht folgen. Die Zulassung des Rechtswegs zu den staatlichen Gerichten berührt noch nicht die Garantie der kirchlichen Selbstverwaltung. Ob und inwieweit eine innerkirchliche Angelegenheit der Kontrolle durch staatliche Gerichte unterfällt, ist nicht eine Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs, sondern der Begründetheit des geltend gemachten Anspruchs. Eine Vorlage der Rechtsfrage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach § 2 Abs. 1 RsprEinhG kommt gleichwohl nicht in Betracht, weil das Bundesverwaltungsgericht die - hier maßgebliche - Frage, "ob Kirchenbediensteten wegen ihrer vermögensrechtlichen Ansprüche staatlicher Gerichtsschutz gem. Art. 19 IV GG zukomme", bisher ausdrücklich offen gelassen hat (BVerwG NJW 1983, 2580, 2582; 1983, 2582, 2583; vgl. auch BVerfG NJW 1983, 2569; 1983, 2569, 2570). Erst recht sind die staatlichen Gerichte dann zuständig, wenn innerkirchliche oder innergemeinschaftliche Rechtsfragen nur als Vorfragen der Begründetheit eines geltend gemachten Anspruchs eine Rolle spielen (Senatsurt. v. 11. Februar 2000, aaO S. 1556).
2. Dem Berufungsgericht ist weiterhin darin zu folgen, daß die Frage, ob der Rechtsweg zu den Zivilgerichten eröffnet ist, nicht mehr zu prüfen war. Denn die Verweisung des Rechtsstreits durch das Arbeitsgericht Köln an das Landgericht hat auch das Berufungsgericht nach § 17a Abs. 2 Satz 3 gebunden. Die Bindungswirkung hätte selbst bei einer gesetzwidrigen Verweisung
bestanden (BGH, Beschl. v. 24. Februar 2000, III ZB 33/99, NJW 2000, 1343, 1344), so daß die Zuständigkeit einer anderen Gerichtsbarkeit (vgl. BGH, Beschl. v. 24. Juli 2001, VI ZB 12/01, NJW 2001, 3537, 3538) nicht mehr zu erwägen ist.
3. Die Klage ist auch im übrigen zulässig. Ihr fehlt insbesondere nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Die Kläger können nicht darauf verwiesen werden, daß sie innergemeinschaftliche Rechtsmittelmöglichkeiten nicht ausgeschöpft haben.

a) Ist die Kompetenz der staatlichen Gerichte im Grundsatz zu bejahen, so steht damit nicht zugleich auch fest, daß der Streitgegenstand uneingeschränkter gerichtlicher Beurteilung unterfällt. Vielmehr ist jeweils zu prüfen, ob und wieweit die Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des staatlichen Gerichts durch das kirchliche Selbstbestimmungsrecht begrenzt wird. Indem Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV den Kirchen und Glaubensgemeinschaften die selbständige Ordnung und Verwaltung der eigenen Angelegenheiten in den Grenzen der allgemeinen Gesetze gewährleistet, schränkt die Verfassung zwar nicht die Justizgewährungspflicht ein, wohl aber das Maß der Justiziabilität (Steiner, NVwZ 1989, 410, 415). Inhalt und Umfang der staatlichen Justizgewährung werden davon bestimmt, daß Selbstverwaltungsrecht und allgemeine Gesetze sowie ihre Durchsetzung durch die staatlichen Gerichte in einem Wechselverhältnis stehen. Dem ist durch eine Güterabwägung Rechnung zu tragen, die dem Selbstverwaltungsrecht und Selbstverständnis der Kirchen und Glaubensgemeinschaften gemäß ihrer geistlichen Grundordnung Rechnung trägt.
Das kirchliche Selbstverwaltungsrecht umschließt die Befugnis, Möglichkeiten zu schaffen, innerkirchliche Streitigkeiten im Einklang mit dem kirchlichen Selbstverständnis durch die Anrufung eigener Gerichte oder Schlichtungsgremien beizulegen. Ist ein derartiger Rechtsweg geschaffen und von ihm ein effektiver Rechtsschutz auch zu erwarten, dürfen staatliche Gerichte nicht vor Erschöpfung des kirchlichen Rechtswegs entscheiden (vgl. BVerfG NJW 1999, 349; Kirchberg, NVwZ 1999, 734). Der Klage fehlt dann das Rechtsschutzbedürfnis. Der innerkirchliche Rechtsschutz ist vorrangig und die staatliche Justizgewährung insoweit subsidiär. Wenn der Senat in seiner Entscheidung vom 11. Februar 2000 den Begriff der Subsidiarität demgegenüber in einem anderen Sinne verwandt und davon gesprochen hat, daß die staatliche Gerichtsbarkeit gegenüber der innerkirchlichen Gerichtsbarkeit nicht subsidiär sei, so ist damit nur zum Ausdruck gebracht worden, daß der Justizgewährungsanspruch durch die Einrichtung kirchlicher Gerichte nicht ausgeschlossen wird. Nicht war damit zugleich auch gesagt, daß dem innerkirchlichen Rechtsweg gegenüber dem staatlichen kein Vorrang gebührt.

b) Nach den unangefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts besteht bei der Beklagten lediglich eine Untersuchungskommission, deren Aufgabe in der Vorbereitung und Durchführung eines Disziplinarverfahrens besteht. Daß diese Kommission einem unabhängigen Gericht oder Schlichtungsgremium vergleichbar wäre, das auch Rechtsschutz gegen die verweigerte Fortzahlung des Gehalts gewähren könnte, ist nicht ersichtlich.
4. Die Klage ist nicht begründet.
Inhalt und Umfang des staatlichen Rechtsschutzes hängen materiell davon ab, was der Natur der Sache oder Zweckbeziehung nach aufgrund einer Güterabwägung zwischen religionsrechtlichem Schutz- und Freiheitsbedürfnis der Kirche oder Glaubensgemeinschaft und allgemeinem Recht des einzelnen als eigene Angelegenheit der Kirche oder Glaubensgemeinschaft anzusehen ist (Senat, Urt. v. 11. Februar 2000, V ZR 271/99, aaO S. 1556). Führt die Abwägung dazu, daß es sich um eine von der geistlichen Grundordnung und einem darauf gegründeten Selbstverständnis der Kirche oder Glaubensgemeinschaft getragene Maßnahme nach autonomem Kirchen- oder Gemeinschaftsrecht handelt, so kann sie durch staatliche Gerichte nicht auf ihre Rechtmäßigkeit , sondern nur auf ihre Wirksamkeit, d.h. darauf hin überprüft werden, ob sie gegen Grundprinzipien der Rechtsordnung verstößt, wie sie in dem allgemeinen Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie in dem Begriff der guten Sitten (§ 138 BGB) und dem des ordre public (Art. 30 EGBGB) ihren Niederschlag gefunden haben (vgl. BVerfGE 70, 138, 168; Rüfner, LM Art. 2 GG Nr. 74). Dasselbe gilt für die bestandskräftig gewordene Entscheidung eines kirchlichen Gerichts (Senatsurt. V. 11. Februar 2000, V ZR 271/99, NJW 2000, 1555, 1557) oder einer Schlichtungsstelle, weil die Tätigkeit derartiger Einrichtungen nur insoweit unter die verfassungsrechtliche Garantie der kirchlichen Selbstverwaltung und Selbstbestimmung fällt, als der Gegenstand ihrer Entscheidung seinerseits von dieser Gewährleistung erfaßt wird (v. Campenhausen, Staatskirchenrecht , 3. Aufl., S. 370).

a) Die Frage, ob die Beklagte den Offiziersdienst der Kläger wirksam beendet hat, unterfällt der autonomen Entscheidungsbefugnis der Beklagten und ist nicht nach den Grundsätzen des Arbeitsrechts zu beurteilen. Die Beklagte hat den Offiziersdienst der Kläger nicht als Arbeitsverhältnis ausgestal-
tet. Ob der Abschluß eines solchen Arbeitsvertrags zwischen Kirchen oder Glaubensgemeinschaften und Personen, die für sie seelsorgerischen Dienst wahrnehmen sollen, überhaupt möglich ist (bejahend Weber, NJW 1983, 2541 ff., 2550; 1989, 2214, 2221), bedarf hier keiner Entscheidung. Mit der Verpflichtungserklärung von 1975 ist kein Arbeitsrechtsverhältnis begründet worden. Sie schließt den Abschluß eines solchen Arbeits- oder Anstellungsvertrags vielmehr ausdrücklich aus, so daß auch ein mündlicher Arbeitsvertrag nicht angenommen werden kann (BAG, NJW 1978, 2116 allgemein für Geistliche ; NJW 1990, 2082, 2083 für katholischen Ordenspriester). Da die Kläger als (seelsorgerisch tätige) Offiziere der Beklagten wie Geistliche der Kirchen oder anderer Glaubensgemeinschaften auch keine weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit zu erbringen hatten, scheidet eine Einordnung des Rechtsverhältnisses der Parteien untereinander als (faktisches ) Arbeitsverhältnis auch inhaltlich aus (BAG, NJW 2003, 161, 162). Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, daß die Beklagte für die Kläger während ihrer Dienstzeit Beiträge an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin entrichtet hat. Denn das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ist nur eines von mehreren möglichen Beschäftigungsverhältnissen, das eine Versicherungspflicht auslösen kann. Die Versicherungspflicht kann auch bei einem glaubensgemeinschaftlichen Dienstverhältnis eigener Art entstehen, das zwischen den Parteien während des Offiziersdienstes der Kläger bestanden hat (BAG, Urt. v. 7. Februar 1990, 5 AZR 84/89, NJW 1990, 2082, 2083).

b) Ob die Beklagte mit dem Schreiben ihres Territorialleiters F. vom 29. Januar 2001 die Beziehungen zu den Klägern insgesamt – wie das Berufungsgericht meint – durch "Entlassung" mit sofortiger Wirkung beenden oder lediglich eine "Auflösung des Dienstverhältnisses" erklären wollte, bedarf kei-
ner Entscheidung. In beiden Fällen ist ein Verlust der Bezüge vorgesehen. Daß unter Umständen die Zahlung einer Abfindung "entsprechend den Bestimmungen im jeweiligen Territorium" in Betracht kommt, ist unerheblich. Abgesehen davon, daß die Kläger ihrer Verpflichtungserklärung nach sowieso auf Gehalt und jegliche Forderungen an die Beklagte wegen nicht erhaltener Bewilligungen verzichtet haben, machen sie mit der Klage ausdrücklich (nur) "Gehaltsansprüche" geltend.

c) Soweit die Kläger sich gegen die disziplinarrechtliche Beendigung des Offiziersverhältnisses wenden, ist die Entscheidung der Beklagten einer Rechtmäßigkeitskontrolle durch das staatliche Gericht entzogen. Die Kirchen und Glaubensgemeinschaften haben das Recht, die Regeln des geistlichen Dienstes und der sich daraus ergebenden persönlichen Anforderungen, autonom festzulegen und danach ihre Entscheidungen zu treffen; je mehr das Amts- und Dienstverständnis von dem geistlich-religiösen Selbstverständnis der Kirche oder Glaubensgemeinschaft geprägt wird, desto eher müssen die durch staatliches Recht geschützten subjektiven Rechtspositionen zurücktreten (vgl. Ehlers, ZevKR 27 [1982], 269, 292 f.; v. Mangoldt/Klein/Starck/v. Campenhausen aaO, Art 137 WRV, Rdn. 201). Hier beruft sich die Beklagte auf ein persönliches Versagen der Kläger in der "Pflichterfüllung eines Offiziers", d.h. in ihrer Stellung als Geistliche nach dem Grundverständnis der Beklagten. Die Entlassung aus dem Dienst des Geistlichen ist damit eine disziplinarrechtliche Maßnahme, gegen die die Kläger die Untersuchungskommission hätten anrufen können. Daß sie es nicht getan haben, erweitert nicht den Prüfungsumfang des staatlichen Gerichts. Ob etwas anderes dann zu gelten hätte, wenn die Kläger nach dem Gemeinschaftsrecht der Beklagten keine Möglichkeit gehabt hätten, sich gegen ihre Entlassung zumindest im Verwaltungswege zu verteidi-
gen, bedarf keiner Entscheidung. Die Entlassung unterliegt daher keiner Rechtmäßigkeits-, sondern nur einer Wirksamkeitskontrolle. Daß sie unter Beachtung des Selbstverständnisses der Beklagten gegen Grundprinzipien der Rechtsordnung, wie sie im allgemeinen Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie in dem Begriff der guten Sitten (§ 138 BGB) und des ordre public (Art. 30 EGBGB) ihren Niederschlag gefunden haben, verstieße, haben die Kläger in den Tatsacheninstanzen nicht aufgezeigt und ist auch nicht von Rechts wegen erkennbar.

III.


Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Krüger Klein Gaier Schmidt-Räntsch

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

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(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Nach Eintritt der Rechtskraft des Verweisungsbeschlusses wird der Rechtsstreit mit Eingang der Akten bei dem im Beschluß bezeichneten Gericht anhängig. Die Wirkungen der Rechtshängigkeit bleiben bestehen.

(2) Wird ein Rechtsstreit an ein anderes Gericht verwiesen, so werden die Kosten im Verfahren vor dem angegangenen Gericht als Teil der Kosten behandelt, die bei dem Gericht erwachsen, an das der Rechtsstreit verwiesen wurde. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt.

(3) Absatz 2 Satz 2 gilt nicht in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

(1) Wird rechtzeitig Widerspruch erhoben und beantragt eine Partei die Durchführung des streitigen Verfahrens, so gibt das Gericht, das den Mahnbescheid erlassen hat, den Rechtsstreit von Amts wegen an das Gericht ab, das in dem Mahnbescheid gemäß § 692 Abs. 1 Nr. 1 bezeichnet worden ist, wenn die Parteien übereinstimmend die Abgabe an ein anderes Gericht verlangen, an dieses. Der Antrag kann in den Antrag auf Erlass des Mahnbescheids aufgenommen werden. Die Abgabe ist den Parteien mitzuteilen; sie ist nicht anfechtbar. Mit Eingang der Akten bei dem Gericht, an das er abgegeben wird, gilt der Rechtsstreit als dort anhängig. § 281 Abs. 3 Satz 1 gilt entsprechend.

(2) Ist das Mahnverfahren maschinell bearbeitet worden, so tritt, sofern die Akte nicht elektronisch übermittelt wird, an die Stelle der Akten ein maschinell erstellter Aktenausdruck. Für diesen gelten die Vorschriften über die Beweiskraft öffentlicher Urkunden entsprechend. § 298 findet keine Anwendung.

(3) Die Streitsache gilt als mit Zustellung des Mahnbescheids rechtshängig geworden, wenn sie alsbald nach der Erhebung des Widerspruchs abgegeben wird.

(4) Der Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens kann bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Antragsgegners zur Hauptsache zurückgenommen werden. Die Zurücknahme kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. Mit der Zurücknahme ist die Streitsache als nicht rechtshängig geworden anzusehen.

(5) Das Gericht, an das der Rechtsstreit abgegeben ist, ist hierdurch in seiner Zuständigkeit nicht gebunden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.