Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 23. Okt. 2013 - 2 BvR 1541/13

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2013:rk20131023.2bvr154113
bei uns veröffentlicht am23.10.2013

Gründe

1

Unabhängig von Bedenken gegen die Gründe der angegriffenen Beschlüsse des Oberlandesgerichts ist die Verfassungsbeschwerde, der keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, nicht zur Entscheidung anzunehmen. Dem Beschwerdeführer entsteht durch die Nichtannahme kein schwerer Nachteil im Sinne des § 93a Abs. 2 BVerfGG, weil absehbar ist, dass er auch im Fall einer stattgebenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts mit seinem Rechtsschutzanliegen letztlich im fachgerichtlichen Verfahren keinen Erfolg haben könnte (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).

2

1. a) Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantiert den effektiven Zugang zum Gericht. Das Grundrecht gewährt einen Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle in allen von der jeweiligen Prozessordnung zur Verfügung gestellten Instanzen (vgl. BVerfGE 41, 23 <26>; 49, 329 <341>; 77, 275 <284>). Im Hinblick auf die Gewährleistung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG dürfen die Anforderungen an die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei der Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Vorschriften nicht überspannt werden (vgl. BVerfGE 40, 88 <91>; 67, 208 <212 f.>; 69, 381 <385>; 110, 339 <342>; stRspr).

3

Jedenfalls in den Fällen, in denen der Wiedereinsetzungsgrund in einem der Justiz zuzurechnenden Fehler liegt, fordert der Grundsatz fairer Verhandlungsführung eine Belehrung des Betroffenen über die Möglichkeit der Wiedereinsetzung; erst diese Belehrung setzt die Wiedereinsetzungsfrist in Lauf (vgl. BVerfGK 8, 303 <304 ff.>; BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. September 2005 - 2 BvR 172/04, 2 BvR 834/04 und 2 BvR 907/04 - , NJW 2005, S. 3629 f., und vom 21. März 2005 - 2 BvR 975/03 -, NStZ-RR 2005, S. 238 <239>; Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 11. November 2001 - 2 BvR 1471/01 -, Rpfleger 2002, S. 279, vom 29. Februar 2012 - 2 BvR 2911/10 -, juris, und vom 10. Oktober 2012 - 2 BvR 1095/12 -, juris).

4

b) aa) Ob der Beschluss vom 27. März 2013, mit dem das Oberlandesgericht den ersten Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers abgelehnt und infolgedessen die Rechtsbeschwerde wegen Verfristung als unzulässig verworfen hat, diesen Maßstäben genügt, erscheint zweifelhaft.

5

Insbesondere mit der Anforderung, der Beschwerdeführer hätte darlegen müssen, dass er schon mit seinem an die Justizvollzugsanstalt gerichteten Vorführersuchen auf die Formbedürftigkeit der beabsichtigten Rechtsbeschwerde und die einzuhaltende Rechtsmittelfristhingewiesen und ob und was er gegebenenfalls nachfolgend unternommen habe, um vor dem drohenden Fristablauf doch noch eine Vorführung zu erreichen, dürften die Anforderungen an die Glaubhaftmachung der zur Begründung eines Wiedereinsetzungsantrages angeführten Tatsachen überspannt sein. Die Formbedürftigkeit und Fristgebundenheit einer Rechtsbeschwerde ist in jeder Justizvollzugsanstalt bekannt.

6

Unabhängig von der Frage, ob der Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers aus anderen vom Gericht genannten Gründen für unzulässig erachtet werden konnte, hat das Gericht zudem jedenfalls unberücksichtigt gelassen, dass es Aufgabe der Rechtspflegerin gewesen wäre, den Beschwerdeführer auf die Anforderungen an einen zulässigen Wiedereinsetzungsantrag hinzuweisen. Das Formerfordernis des § 118 Abs. 3 StVollzG soll zwar einerseits der Entlastung der Gerichte dienen. Daneben soll es aber auch zugunsten des regelmäßig unkundigen Rechtsmittelführers dazu beitragen, dass sein Rechtsmittel nicht von vornherein an Formfehlern oder anderen Mängeln scheitert (vgl. BVerfGK 8, 303 <305>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Oktober 2010 - 2 BvR 1095/12 -, juris; zu § 345 Abs. 2 StPO siehe BVerfGE 64, 135<153>;BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 11. November 2001 - 2 BvR 1471/01 -, Rpfleger 2002, S. 279; BGHSt 25, 272 <273>). Die danach bestehende Beratungsaufgabe des Rechtspflegers erstreckt sich auch auf die Anforderungen an die Zulässigkeit eines Antrages des Gefangenen auf Wiedereinsetzung in die Rechtsbeschwerdefrist. Das gilt insbesondere, wenn geltend gemacht wird, dass die Frist trotz rechtzeitigen Vorführungsantrages deshalb nicht eingehalten werden konnte, weil die Anstalt die Vorführung nicht rechtzeitig veranlasst oder der Rechtspfleger einen Protokollierungstermin nicht rechtzeitig eingeräumt hat. Dass sich hieraus für den vorliegenden Fall die Notwendigkeit ergeben könnte, den Beschwerdeführer zumindest darüber zu belehren, dass und wie er Wiedereinsetzung in die Frist für einen Wiedereinsetzungsantrag erlangen kann, hat das Oberlandesgericht nicht erwogen.

7

bb) Fraglich ist auch, ob das Oberlandesgericht in seinem Beschluss vom 17. Juni 2013 mit der Auslegung des Antrags des Beschwerdeführers als Anhörungsrüge dem verfassungsrechtlichen Gebot zweckentsprechender Auslegung von Anträgen (vgl. BVerfGE 122, 190 <198>; BVerfGK 7, 403 <408>; 18, 152 <157>) entsprochen hat, dem bei der Auslegung von Anträgen nicht anwaltlich vertretener Gefangener angesichts deren besonderer Schwierigkeiten im Umgang mit den Kompliziertheiten der Rechtsordnung (vgl. BVerfGK 10, 509 <516>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Dezember 2012 - 2 BvR 166/11 -, NStZ-RR 2013, S. 120) besondere Bedeutung zukommt. Der Beschwerdeführer selbst hat zwar von einer "Nachholung des rechtlichen Gehörs der Rechtsbeschwerde" als Ziel seines Wiedereinsetzungsantrages gesprochen. Für die Erhebung einer Anhörungsrüge nach den vom Oberlandesgericht angeführten Vorschriften der §§ 120 Abs. 1 StVollzG, 33a StPO war allerdings, da dieser Rechtsbehelf nicht fristgebunden ist, ein Wiedereinsetzungsantrag offenkundig überflüssig. Dem Beschwerdeführer ging es ersichtlich darum, mittels des Wiedereinsetzungsantrages seine Rechtsbeschwerde doch noch einer - in der ersten Verfahrensrunde wegen nicht gewährter Wiedereinsetzung an der Versäumung der Rechtsbeschwerdefrist gescheiterten - Prüfung in der Sache zuzuführen.

8

Im Zusammenhang mit der weiteren Annahme, einen Wiedereinsetzungsantrag könne der Beschwerdeführer nicht mehr stellen, weil er Gründe für die behauptete Unmöglichkeit näherer Glaubhaftmachung seines fehlenden Verschuldens bereits mit seinem (ersten) Wiedereinsetzungsgesuch hätte vortragen müssen, hat das Oberlandesgericht nicht geprüft, ob die Frist für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in eine etwa versäumte Frist für den ersten Wiedereinsetzungsantrag beziehungsweise für dessen ausreichende Begründung nach den obigen Maßstäben (s. unter 1.a)) überhaupt zu laufen begonnen hatte.

9

2. Ob die Beschlüsse des Oberlandesgerichts danach das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 GG verletzen, kann dahinstehen. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung ist nicht angezeigt, weil absehbar ist, dass der Beschwerdeführer sein Rechtsschutzziel im fachgerichtlichen Verfahren letztlich nicht erreichen kann (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>). Es liegt auf der Hand, dass der von ihm unter Gewaltanwendung gegen einen Vollzugsbediensteten unternommene Fluchtversuch seine Ablösung von der Arbeit in einer Vertrauensstellung wie der von ihm innegehabten nicht nur rechtfertigte, sondern aus Sicherheitsgründen notwendig machte.

10

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 93d


(1) Die Entscheidung nach § 93b und § 93c ergeht ohne mündliche Verhandlung. Sie ist unanfechtbar. Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung. (2) Solange und soweit der Senat nicht über die Annahme der Verfassungsb

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 93a


(1) Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung. (2) Sie ist zur Entscheidung anzunehmen, a) soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt,b) wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angez

Strafprozeßordnung - StPO | § 345 Revisionsbegründungsfrist


(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn d

Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 120 Entsprechende Anwendung anderer Vorschriften


(1) Kommt die Behörde in den Fällen des § 114 Absatz 2 Satz 2 sowie des § 115 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 der ihr in der einstweiligen Anordnung oder im Beschluss auferlegten Verpflichtung nicht nach, gilt § 172 der Verwaltungsgerichtsordnung entspr

Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 118 Form. Frist. Begründung


(1) Die Rechtsbeschwerde muß bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, binnen eines Monats nach Zustellung der gerichtlichen Entscheidung eingelegt werden. In dieser Frist ist außerdem die Erklärung abzugeben, inwieweit die Entscheidung

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(1) Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung.

(2) Sie ist zur Entscheidung anzunehmen,

a)
soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt,
b)
wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angezeigt ist; dies kann auch der Fall sein, wenn dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entsteht.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anforderungen an die Gewährung effektiven Rechtsschutzes bei durch Fehler des Rechtspflegers verursachter Formwidrigkeit einer Rechtsbeschwerde.

I.

2

In einem Verfahren, das Feststellungen in der Fortschreibung des Vollzugsplans des strafgefangenen Beschwerdeführers zur Geeignetheit für Vollzugslockerungen betraf, wies das Landgericht mit Beschluss vom 10. August 2010 den Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurück. Gegen diesen Beschluss erhob der anwaltlich nicht vertretene Beschwerdeführer zu Protokoll der Geschäftsstelle des Landgerichts Rechtsbeschwerde. Mit Beschluss vom 17. November 2010 verwarf das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde als unzulässig, weil sie nicht den Formerfordernissen des §118 Abs. 3 StVollzG entspreche. Der Beschwerdeführer habe dem Rechtspfleger eine mehrseitige Rechtsbeschwerdeschrift überreicht, die von beiden gemeinsam erörtert worden sei. Sodann habe der Rechtspfleger den vorformulierten Text der Rechtsbeschwerde in das Protokoll übertragen, es unterschrieben und es dem Beschwerdeführer zur Unterschrift übersandt. Damit sei der Urkundsbeamte der ihm zukommenden Filterfunktion, bei der er dem sachlichen Anliegen eines Antragstellers Klarheit zu verschaffen und eine möglichst zweckmäßige Form zu geben habe, nicht gerecht geworden. Vorsorglich weise der Senat darauf hin, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht kommen dürfte. Nach der dienstlichen Stellungnahme des Rechtspflegers sei die Rechtsbeschwerde in der vorliegenden Form nach dem Wunsch des Beschwerdeführers aufgenommen worden. Zudem beharre der Beschwerdeführer grundsätzlich auf seiner Sicht der Dinge, so dass er auch Kürzungen seiner Begründung nicht akzeptiert habe. Wirke der Beschwerdeführer selbst auf die formfehlerhafte Aufnahme seiner Rechtsbeschwerde hin, begründe dies ein eigenes Verschulden des Beschwerdeführers, das einen Antrag auf Wiedereinsetzung ausschließe.

II.

3

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG. Unter anderem macht er geltend, die vom Oberlandesgericht aufgestellten Anforderungen an die Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde ermöglichten es ihm nicht, eine zulässige Rechtsbeschwerde zu erheben. Entgegen der Annahme, die das Oberlandesgericht seinen Ausführungen zur Frage der Wiedereinsetzung zugrundegelegt habe, habe er, der Beschwerdeführer, auf den Rechtspfleger nicht dahin eingewirkt, dass dieser die Rechtsbeschwerde unverändert übernehme.

III.

4

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>). Sie ist unzulässig; es fehlt an der Erschöpfung des Rechtsweges (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).

5

1. Kann ein Beschwerdeführer mit einem Rechtsmittel, für das ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, erreichen, dass seine Rechte im Wege des fachgerichtlichen Rechtsschutzes gewahrt werden, so ist regelmäßig von ihm zu verlangen, dass er diesen Weg beschreitet, bevor er Verfassungsbeschwerde einlegt (vgl. BVerfGE 10, 274 <281>; 42, 252 <256 f.>; 77, 275 <282>). Diese Möglichkeit besteht im vorliegenden Fall.

6

Die vom Oberlandesgerichtfestgestellte Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde beruhte darauf, dass sie von dem zuständigen Geschäftsstellenbeamten nicht in einer den Anforderungen der fachgerichtlichen Rechtsprechung entsprechenden Weise aufgenommen worden war; ursächlich für die Unzulässigkeit war somit ein Fehler der Justiz. In derartigen Fällen liegt die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nahe (vgl. BVerfGK 8, 303 <304>). Ob der Beschwerdeführer den Justizfehler selbst zu vertreten hat und eine Wiedereinsetzung daher möglicherweise nicht in Betracht kommt (vgl. hierzu Thüringer OLG, Beschluss vom 15. Juni 2010 - 1 Ws 186/10 -, juris), wird das Oberlandesgericht, das bisher, soweit aus dem Verfassungsbeschwerdevortrag ersichtlich, zu dieser Frage allein den Rechtspfleger gehört hat, nach Anhörung des Beschwerdeführersund erforderlichenfalls weiterer Aufklärung des prozessual relevanten Sachverhalts zu berücksichtigen haben. Zur erforderlichen Sachverhaltsaufklärung kann auch die Klärung gehören, ob es Praxis der Geschäftsstelle ist, von Gefangenen, die Rechtsbeschwerde zur Niederschrift erheben wollen, vorformulierte Texte zu erwarten und diese unmittelbar zu verwenden.

7

2. Eine Wiedereinsetzung scheidet im vorliegenden Fall auch nicht wegen Fristablaufs aus.

8

a) Jedenfalls in den Fällen, in denen der Wiedereinsetzungsgrund in einem Justizfehler liegt, fordert der Grundsatz fairer Verhandlungsführung eine Belehrung des Betroffenen über die Möglichkeit der Wiedereinsetzung; erst diese Belehrung setzt die Wiedereinsetzungsfrist in Lauf (vgl. BVerfGK 5, 151 <154>; 8, 303 <304>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. September 2005 - 2 BvR 172/04, 2 BvR 834/04 und 2 BvR 907/04 -, NJW 2005, S. 3629 f.; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 11. November 2001 - 2 BvR 1471/01 -, Rpfleger 2002, S. 279).

9

b) Eine Belehrung, die danach die Wiedereinsetzungsfrist bereits hätte in Lauf setzen können, wurde im vorliegenden Fall nicht erteilt. Der vorsorgliche Hinweis des Oberlandesgerichts, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dürfte nicht in Betracht kommen, da die Rechtsbeschwerde in der vorliegenden Form nach dem Wunsch des Beschwerdeführersaufgenommen worden sei, war nicht geeignet, den Beschwerdeführer davon in Kenntnis zu setzen, dass und in welcher Weise es ihm oblag, die Folgen des Justizfehlers, der zur Unzulässigkeit seiner Rechtsbeschwerde geführt hatte, mit Hilfe eines Wiedereinsetzungsantrages zu korrigieren. Es war auch nicht der Sinn dieses Hinweises, den Beschwerdeführer über die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung zu belehren. Mit dem vorsorglichen Hinweis brachte das Oberlandesgericht vielmehr die Annahme zum Ausdruck, eine Belehrung des Beschwerdeführers erübrige sich, weil eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - nach dem vom Oberlandesgericht bisher allein herangezogenen Vortrag des Rechtspflegers - nicht gewährt werden könne.

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c) Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, zu klären, ob in Ausnahmefällen eine ohne ausreichende Mitwirkung des Rechtspflegers zustandegekommene Rechtsbeschwerde den Schluss rechtfertigen kann, dass auch eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Mitwirkung des Rechtspflegers der Rechtsbeschwerde unter keinen Umständen zur Zulässigkeit verhelfen könnte (vgl. BVerfGK 8, 303 <305 f.>). Denn das Oberlandesgericht hat dies weder festgestellt noch ist es ohne weiteres ersichtlich.

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3. Da der Beschwerdeführer über die Möglichkeit, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erlangen, erst durch den vorliegenden Beschluss in der notwendigen Weise informiert wird, beginnt die maßgebliche Wiedereinsetzungsfrist erst mit der Zustellung dieses Beschlusses zu laufen (vgl. BVerfGK 5, 151 <155>; 8, 303 <306>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. September 2005 - 2 BvR 172/04, 2 BvR 834/04 und 2 BvR 907/04 -, NJW 2005, S. 3629 f.; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 11. November 2001 - 2 BvR 1471/01 -, Rpfleger 2002, S. 279).

12

Der Beschwerdeführer kann daher innerhalb einer Woche ab Zustellung dieses Beschlusses durch eine von einem Rechtsanwalt unterzeichnete Schrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Landgerichts Osnabrück oder des Amtsgerichts Lingen erneut Rechtsbeschwerde einlegen, indem er gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt (§ 102 NJVollzG i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, § 120 Abs. 1 StVollzG, § 45 Abs. 1 Satz 1, § 299 Abs. 1 StPO). Hierzu ist ihm rechtzeitig Gelegenheit zu geben.

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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Die Rechtsbeschwerde muß bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, binnen eines Monats nach Zustellung der gerichtlichen Entscheidung eingelegt werden. In dieser Frist ist außerdem die Erklärung abzugeben, inwieweit die Entscheidung angefochten und ihre Aufhebung beantragt wird. Die Anträge sind zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob die Entscheidung wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(3) Der Antragsteller als Beschwerdeführer kann dies nur in einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle tun.

(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn das Urteil später als einundzwanzig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen Monat und, wenn es später als fünfunddreißig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weiteren Monat. War bei Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils und in den Fällen des Satzes 2 der Mitteilung des Zeitpunktes, zu dem es zu den Akten gebracht ist.

(2) Seitens des Angeklagten kann dies nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen.

(1) Kommt die Behörde in den Fällen des § 114 Absatz 2 Satz 2 sowie des § 115 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 der ihr in der einstweiligen Anordnung oder im Beschluss auferlegten Verpflichtung nicht nach, gilt § 172 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend. Im Übrigen sind die Vorschriften der Strafprozessordnung und die auf der Grundlage des § 32a Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 Nummer 6, des § 32b Absatz 5 und des § 32f Absatz 6 der Strafprozessordnung erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend anzuwenden, soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt.

(2) Auf die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe sind die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die Entscheidung nach § 93b und § 93c ergeht ohne mündliche Verhandlung. Sie ist unanfechtbar. Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung.

(2) Solange und soweit der Senat nicht über die Annahme der Verfassungsbeschwerde entschieden hat, kann die Kammer alle das Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffenden Entscheidungen erlassen. Eine einstweilige Anordnung, mit der die Anwendung eines Gesetzes ganz oder teilweise ausgesetzt wird, kann nur der Senat treffen; § 32 Abs. 7 bleibt unberührt. Der Senat entscheidet auch in den Fällen des § 32 Abs. 3.

(3) Die Entscheidungen der Kammer ergehen durch einstimmigen Beschluß. Die Annahme durch den Senat ist beschlossen, wenn mindestens drei Richter ihr zustimmen.